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IStiM
llARVAjß^
IN COMMEMORATION OF THE VISIT OF
_ HIS ROYAL HIGHNESS
PRINCE HENRY OF PRUSSIA
MARCH SIXTH.I902
ON HE HALF OF HIS MAJESTY
THE GERMAN EMPEROR
NTEDBYARCHIBÄÜÖ CAR5T COOMDGF PH.
ASSISTANT PROFESSOR OF HISTORY i
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F orschungen
zur
Geschichte Bayerns.
Herausgegeben
Karl von f^einhardstöttner.
VI. Band.
f^egensburg.
Verlag von W. Wunderling.
1898.
Abonnementspreis: Jährlich = 12 M. [4 Hefte bilden einen Band.]
Einzelne Hefte für Nichtabonnenten kosten 4 M.
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Harvard College Library
MAR 5 1309
HohenzolJern Collection
Gift of A. C. CooJidge
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Inhaltsangabe.
Seite
1. Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit. Von Geheim. Justizrat Dr. Karl
Gareis, o. ö. Professor an der Universität Königsberg i. Pr. i
2. Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten zur Zeit des zweiten Raub¬
krieges. Von Dr. Michael Döberl, k. Gymnasiallehrer und Privat¬
dozenten der Geschichte an der k. Universität München . . . 18
3. Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen (7. September 1796). Von Dr. Richard
Graf Du Moulin Eckart, a. ö. Professor an der g. Universität Heidelberg 55
4. Johann Franz von Kohlbrenner. Von Professor Dr. Karl von Reinhard-
stöttner in München.77
5. Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage
aus dem Jahre 1665 und die sich daran schliessenden wirtschaftspolitischen
Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich. Von Dr. Michael
Döberl, k. Gymnasiallehrer und Privatdozenten der Geschichte an der
k. Universität München.163
6. Der Vertrag von Gatschina. Von Dr. Arthur Kleinschmidt, o. ö. Professor
an der g. Universität Heidelberg.205
7. Die Annäherung des pfalz-neuburgischeu Herzogshauses an das bayerische.
Von Dr. Friedrich Schmidt, k. Gymnasialrektor in Eudwigshafen a/R. 255
8. Kleinere Mitteilungen.
Die deutschen Handschriften zur bayerischen Geschichte in der französischen
Nationalbibliothek. Von Dr. Karl Brunner in Karlsruhe. — Ein Beitrag zur
Kenntnis der Mündigkeit im alatnaunischeu Rechte. Von Dr. Karl Brunner in
Karlsruhe. — Der Minnesänger Reimar von Brennberg (ca. 1210 —1271). Von
Hugo Obermaier in Regensburg. — Bayern und seine Hauptstadt im Eichte
von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen V. Von Dr. Karl von Rein-
hardstöttner. — Ein Münchener Vakanzlied des 18. Jahrhunderts. Von Dr.
Johannes Bölte in Berlin.
9 - Anzeigen und Besprechung e n.
C H. Baer, Die Hirsauer Bauschule. — Heinr. Boos, Geschichte det rheini¬
schen Städtekultur (I. II.) — F. Breitenbach, Aktenstücke zur Geschichte des
Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg. — Karl Brunner, Der pfälzische
Wildfaugstreit unter Kurfürst Karl Ludwig. — Felix Dahn, Vom Chiemgau. —
Berthold Daun, Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit. — Gust Duck¬
stein, Photographische Aufnahmen von Skulpturen Bambergs. — Karl Theodor
Heigel, Geschichtliche Bilder und Skizzen. — K. Th. Hei ge 1 , Die Verlegung
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der Ludwigs-Maximiliansuniversität nach München. — Sig. Hellmann, Die sog.
Memoiren de Grandchamps’. — Joh. Jäger, Kloster Ebrach. — Theod. Kolde,
Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte (III. Band). — K. v. Laudmann, Die
Kriegführung des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern in den Jahren 1703 u. 1704.
— Friedr. Lippert, Die Reformation in Kirche, Sitte und Schule der Oberpfalz.
— Walter von Loefen, Die Feste Marienberg und ihre Baudenkmale. — Franc.
Melzi d’Eril, Ricordo di Monaco. — Sig. Riezler, Geschichte der Hexen¬
prozesse in Bayern. — Adalb. Schulz, Die St. Michaelshofkirche in München.
— Frz. S. Romstoeck, Die Jesuitennullen Prantls an der Universität Ingolstadt.
— Georg Seeger, Peter Vischer der Jüngere. — Henry Simonsfeld, Bei¬
träge zur bayerischen und Münchener Geschichte. — J. Spöttle, Kurze Dar¬
stellung der Kulturentwickelung im Donaumoos. — H. von Treitschke, Histo¬
rische und politische Aufsätze. Bd. IV. — Friedr. Vogt und Max Koch, Ge¬
schichte der deutschen Litteratur. — J. E. Wacker 11 eil, Altdeutsche Passions¬
spiele aus Tirol.
10. Register zu Band VI.
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit.
Von
Karl Gareis.
es richtig ist, dass die Narisker, das Volk zwischen Nürn¬
berg 1 ) und dem Böhmerwald, ein Zweig der Markomannen sind, welcher bei
deren Übertritt nach Böhmen in den alten Sitzen zurückgeblieben war 2 ), dann
darf die Oberpfalz den Ruhm in Anspruch nehmen, der älteste Teil des
Bayernlandes zu sein, nämlich derjenige Teil Bayerns, welcher zuerst von der
jetzt Bayern genannten Markomannenbevölkerung 3 ) eingenommen und seitdem
von ihr besetzt ist. Aber die Geschichte des Nariskervolkes ist fast ganz in
Dunkel gehüllt, und selbst für die Zeit der Karolinger leuchten nur wenige
Nachrichten über die politische Entwickelung und staatsrechtliche Stellung der
Oberpfalz; um so sorgfältiger müssen diese wenigen Mitteilungen untersucht
und benützt werden.
Der Name „Nordgau“ und ebenso die Benennung Nordwald für den
Böhmerwald setzen natürlich voraus, dass ein von demselben (markomanni-
schen) Volke besiedeltes Land südlich davon liegt; noch vor dem Ende des
fünften Jahrhunderts begann die Einwanderung der Markomannen in das
heutige Nieder- und Oberbayern. In der ersten Hälfte des sechsten Jahr¬
hunderts aber dehnt sich die fränkische Herrschaft, wie über die Alamannen
so auch über die Baiuwaren und unter diesen die Narisker, die Bewohner der
Oberpfalz, aus. Es war diese Unterwerfung vermutlich schon zur Zeit Chlo-
thachars I. (gest 561) vollzogen; der erste geschichtliche Herzog der Baiu¬
waren, Garibald I., von Paulus Diaconus König der Baiuwaren genannt,
steht wenigstens um das Jahr 555 in einer gewissen Abhängigkeit vom
Frankenkönige, und es ist möglich, dass diese Abhängigkeit schon unter
Theuderich I. (511—533) eingeleitet wurde, und sicher ist, dass sich des
Frankenkönigs Theudibert (533—548) Herrschaft, wie er selbst an den
Kaiser Justinian schreibt, längs der Donau bis Pannonien erstreckte 4 ). Nach
einem Jahrhundert Wechsel voller Schicksale der Baiuwaren, die bald mehr bald
weniger zentralistisch von der fränkischen Oberhoheit betroffen wurden, kam
es zu einer Auseinandersetzung des kriegerisch bezwungenen Bayernherzogs
Oatilo mit den Hausmaiem Pippin und Karlmann; letztere scheinen da¬
mals (744) einen Teil des Nordgaus aus dem Verbände des bayerischen Herzog¬
tums, in welchem bis dahin vermutlich das ganze nördlich der Donau liegende
Markomannen- (oder Narisker-) Land die fränkische Oberhoheit mitertragen
hatte, losgelöst und zu dem Frankenreiche in einen engeren Verband gebracht
Bayer. Forschungen VI, 1. 1
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2
Karl Gareis
zu haben, sei es dass dieser staatsrechtlich ein Provinzial-, Herzogtums- oder
Grafschaftsverband war 6 ). Diese Massregel konnte dem Zwecke dienen, die
ostfränkische Gaugrenze bis dicht au das Gebiet der bayerischen Hauptstadt
Regensburg, des grossen Handelsplatzes au der Donau, vorzuschieben, um im
Falle einer frankenfeindlichen Politik des Bayernherzogs sofort den Haupt¬
lebensnerv des Bayerulandes zu treffen; sie wurde noch dadurch unterstützt,
dass das Bistum Eichstätt gegründet und diesem die westlichen politisch
vom Bayernlande getrennten Landesteile des Bistums Regensburg zugewiesen
wurden 6 ). Wenige Jahre darnach wird ein Graf S ui dg er vom Nordgau ge¬
nannt, der eine frankenfeindliche Politik treibt, ohne damit einen Erfolg von
entscheidender Wirkung herbeizuführen 7 ). Nach den Unruhen, welche hiemit
Zusammenhängen, ward der zentralistische Zug gegen Bayern stärker, zumal
der jugendliche Bayernherzog Tassilo unter die Vormundschaft seines Oheims
Pippin kam und dieser von 752 an nicht bloss herrschender Hausmaier,
sondern auch förmlich Beherrscher, König der Franken war.
Wie verhielt es sich nun während dieser Zeit und während der ihr
folgenden Periode der gänzlichen Beseitigung der agilolfingisclien Bayern¬
herzoge mit dem Nordgau? Dahn sagt: Der Nordgau wurde behufs Ver¬
bindung mit Ostfranken vom Herzogtum Bayern abgetrennt 8 ), — der ganze
Nordgau? Dahn fügt hinzu: nördlich der Donau, westlich von Regensburg;
so spricht auch Riezler nur von Teilen des Nordgaus, den westlichen Strichen
desselben als von Bayern losgelöst 9 ). Und wie verhält es sich nun mit den
zwei Hofgütern Ingolstadt an der Donau und Lauterhofen im Nordgau, zwei
Besitzungen, von denen berichtet wird, dass sie Karl der Grosse dem Herzog
Tassilo zu Lehen gegeben habe, und dass sie nach dem Beschlüsse der
Reichsteilung von 806, weil sie zum Nordgau gehören, nicht dem Bayern
übernehmenden Sohne Karls d. Gr., Pippin, sondern dem mit dem Nordgau
bedachten Sohne des grossen Frankenkönigs, Karl, zufielen ? 1 °). Und wie
kommt es, dass diese zwei Hofgüter bei der Reichsteilung von 8i7 n ) als
Ludwig dem Deutschen zufallend besonders erwähnt werden?
Durch Verwertung der Resultate neuerer Forschungen über das Wesen
der Marken und der Markgrafschaft, sowie durch die aus einer bisher noch
nicht genug beachteten Verordnung Karls des Grossen über den Grenz¬
verkehr zu schöpfende Belehrung scheint Licht in das Dunkel jener Fragen
gebracht werden zu können.
Marca bedeutet zwar wie liines ganz allgemein Grenze, ja es ist das
deutsche Wort für Grenze (slavisch) 12 ), aber es bedeutet auch Grenzlaud, Grenz¬
gebiet, und zwar sowohl das innerhalb der Grenzlinie des Reiches an diese
anstossende Reichsgebiet, als auch ein ausserhalb der Reichsgrenzen gele¬
genes, zwar erobertes aber noch nicht vollständig in den Reichsverband ein¬
gegliedertes Gebiet, einen, wie wir in unserer modernen Kolonialpolitik es be¬
zeichnen, in unserer Interessensphäre gelegenen, aber noch nicht sicher organi¬
sierten Landstrich 13 ). Dieser letztere Landstrich bildet die eigentliche Mark,
das echte Markgebiet; die innerhalb der Reichsgrenze gelegene eingegliederte
Mark wollen wir nach dem Vorgänge anderer 14 ) Grenzgrafschaft nennen, wo-
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit.
3
bei sowohl die Möglichkeit der Umwandelung einer eigentlichen Mark in eine
Grenzgrafschaft als auch die des Vorkommens einer Grenzgrafschaft ohne eine
jenseits der Reichsgrenze gelegene Mark im Auge behalten werden muss.
1. Die Grenzgrafschaft ist ein keineswegs notwendig durch Eroberung
gewonnener, aber an und zwar innerhalb der Staatsgrenze gelegener Ver¬
waltungsbezirk des Staates, dessen Organisation sich nur durch die militärische
Rücksicht auf die stete Bewachung der Grenze von der der Binnengrafschaften
unterscheidet; zu dieser Eigentümlichkeit der Grenzgrafschaft als solcher kann
(aber nicht muss) noch die Einrichtung kommen, dass dem Grafen derselben
auch eine jenseits der Staatsgrenze liegende Mark unterstellt ist 1 ß ), von welcher
sich die Grenzgrafschaft selbst aber dadurch unterscheidet, dass sie echter und
fest organisierter Bestandteil des Staatsgebiets ist
2. Die Mark (marca, limes) gehört als Vorland zum Staatsgebiet, liegt
aber jenseits der Grenze der fest eingegliederten Verwaltungsbezirke des
Staats, sie gehört als Vorland zum Staatsgebiet, wie das Glacis und sonstige
Vorterrain (z. B. das Gebiet der drei Rayons im Sinne des deutschen Reichs¬
gesetzes betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung
von Festungen vom 21. Dezember 1871) zur Festung gehört; vorausgesetzt
wird, dass die (echte) Mark ein dem Feinde abgenommenes erobertes Land
ist 16 ), darum muss auch noch immer für den militärischen Schutz des Mark¬
gebiets gesorgt werden, weshalb dies von Burgen und andern bewaffneten
Posten besetzt und unter steter militärischer Aufsicht gehalten wird. Der
Grund und Boden einer Mark muss schon aus militärischen Gründen zur
Disposition des Königs stehen, ja er steht geradezu im Eigentum des Königs,
der darüber zu Kolonisations- und anderen Zwecken verfügen kann, aber an
die zugunsten beschenkten oder beliehenen Personen oder durch Stiftungen
getroffene Verfügungen gebunden ist 17 ).
Das von Baiuwaren, diese einschliesslich der Narisker gemeint, besie¬
delte Land nördlich der Donau (zwischen dieser, dem Böhmerwald, dem Fichtel¬
gebirge und der Fränkischen Höhe gelegen) tritt geschichtlich zunächst als
Mark erobert auf ; wie vermutlich schon die Narisker das Land den keltischen
Vorbesitzeni, deren Sprache noch durch viele Flussnamen der Oberpfalz ge¬
kennzeichnet wird, im grimmen Kampfe abgenommen haben, wie etwa gleich¬
zeitig durch Markomannen, was Tacitus ja als Erweis ihrer hervorragenden
Tapferkeit berichtet, die (keltischen) Boier aus dem Land gejagt worden sind,
so erzwang wohl auch jener Frankenkönig, welcher zuerst Markomannen und
Narisker unter die fränkische 18 ) Oberhoheit brachte, mit der Gewalt der Waffen
die Anerkennung der Herrschaft des an Bildung und Macht weit überlegenen
Frankenreiches bis zum Böhmerwalde. Dass Procop und Jordanis und
Gregor von Tours nicht von diesen Kämpfen berichten, schliesst die That-
sache selbst nicht aus, nur dass diese Kämpfe sehr heftig waren und lange
währten, scheint durch das Schweigen der zeitgenössischen Berichterstatter aus¬
geschlossen 19 ). Ihnen waren die böhmischen Wälder viel zu fern gelegen,
als dass die diese etwa durchtobenden Schlachten ihrer Berichterstattung in¬
teressant genug gewesen wären. Eine besondere Sicherung der Grenze gegen
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4
Karl Gareis
das (Ende des 5. Jahrhunderts) von den Markomannen verlassene Böhmen hin
schien im 6. und wohl auch im 7. Jahrhundert gänzlich überflüssig, denn
ein bedrohliches Überschreiten des Böhmerwaldes hätte an Terrain Schwierig¬
keiten und an dem gleichzeitigen numerischen Übergewicht der westlich vom
Böhmerwald sitzenden thüringischen und nariskischen Völkerschaften den vor
der Ankunft der Czicho-Windonen 20 ) an Zahl schwachen Slaven Böhmens
scheitern müssen. Die Oberpfalz scheint weder von den Bewegungen und
Kämpfen, die das merkwürdige Auftreten des zum slavischen König geworde¬
nen Franken Samo 21 ) hervorrief, berührt worden zu sein, noch an der von
König Dagobert angeordneten Ausrottung bulgarischer Einwanderer in
Bayern 22 ) Anteil gehabt zu haben. Über den Böhmerwald hin scheint damals
wenig oder nur friedlich 23 ) verkehrt worden und für die Ausbildung der Mark
und ihre Organisation auch in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts so wenig
geschehen zu sein, wie im siebenten. Nehmen wir an, dass das Land zwischen
dem Böhmerwald und den östlichsten austrasischen und alamannischen Gauen,
nämlich dem austrasischen Ratenzgau (Ratanzgau), dessen Hauptorte wohl
Halastadt (Hallstadt bei Bamberg) und Forchheim waren, und dem die sorbische
Mark affiliert und teilweise inkorporiert war, ferner dem ebenfalls austrasischen
Rangau und dem südlich davon gelegenen Sualafeld in der ersten Hälfte des
8. Jahrhunderts in der That als Mark, und zwar ein vom fränkischen Könige
beherrschtes echtes Markland im oben ausgedehnten Sinne angesehen und be¬
handelt worden ist, so würden hiezu die Massregeln sehr wohl passen, welche
die fränkischen Hausmaier Karl Martell und dessen Söhne Pippin und
Karlmann kraft des in der Mark dem Staate zustehenden Okkupations¬
rechts (oder Bodenregals) dort ergriffen: jene zwei im Nordgau gelegenen
offenbar sehr bedeutenden Hofgüter werden als fränkische Krondomänen er¬
klärt (725 oder 728), Lauterhofen und Ingolstadt, und aus den in der Mark
vor allem massgebenden militärischen und politischen Gründen wird der an
den Gau Sualafeld anstossende westliche Teil mit Austrasien vereinigt und
mit einem besonderen Bistume Eichstätt (741—744) versehen; dadurch ge¬
wannen die Franken jene Position, von deren vorgeschobensten Punkten Lauter¬
hofen, Eichstätt und Ingolstadt aus der Angriff auf die bayerische Haupt¬
stadt Regensburg und der Zutritt zum bayerischen Lande von Nordwest her
ihnen ungemein erleichtert war 24 ). Diese noch vor der Karolinger Königs¬
herrschaft begründete Mark umfasste den Kelgau (Chelesgowe), so weit er nörd¬
lich der Donau liegt, zwischen Altmühl und Donau, den Sulzgau (Solesgowe)
nördlich vom Kelgau, den Rudmannsberg westlich vom Sulzgau und den
Vilsgau östlich vom letzteren, bis an die Naab hin, der Umfang dieser Mark
wird mit dem des Bistums Eichstätt in der zweiten Hälfte des achten Jahr¬
hunderts zusammengefallen sein, der Eichstätter Bischof residierte auch in
Ingolstadt („Aureatum“), weshalb das Eichstätter Bistum auch episcopatus
Aureatensis heisst, der bei Eichstätt begüterte Graf Suidger wird als Graf des
Nordgaus bezeichnet.
So war die Stellung der Franken noch in der ersten Periode der Herr¬
schaft des letzten Agilolfingers Tassilo.
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit
5
Das freundliche Verhältnis, welches zeitweilig zwischen diesem und
dem mächtigen Frankenkönige, dem seit 768 herrschenden Karl dem Grossen,
bestand, führte zu dem schwer zu erklärenden Ereignis 25 ), dass Karl dem
Bayernherzoge die Krongüter Ingolstadt und Lauterhofen als eine Art Lehen
übertrug 2 ®); vielleicht geschah die Verleihung dieser Krongüter an Tassilo
aus keinem anderen Grunde, als um ihn von Karl abhängig erscheinen zu
lassen, indem er ein beneficium von ihm annimmt, vielleicht geschah es um
ausdrücklich zu erkennen zu geben, dass die Güter nicht zum bayerischen
Nordgau, nicht zum Herzogtum Baiuwarien gehören, obwohl zugleich gesagt
wird: pertinent ad pagum, qui dicitur Northgowe, vielleicht auch geschah es,
um auf Tassilo die Last der Erhaltung der Hofgüter in gutem Zustande, wie
es die Kapitularien den Inhabern von Beneficien einschärfen 27 ), überzuwälzen
und ihn zum nachhaltigen Schutze desselben zu verpflichten, während die
Stellung der Franken in keinem Falle gefährdet erscheinen mochte, so lange
sie in Eichstätt und Forchheim und an weiter östlichen Punkten, zu denen
vielleicht Premberg (siehe unten Seite 9) gehörte, festen Fuss hatten; jeden¬
falls hinderte der Beneficialbesitz Tassilos in Ingolstadt wenige Jahre nach¬
her die Franken nicht, den austrasischen Heerbann bis Pföring zwischen
Regensburg und Ingolstadt vorrücken zu lassen. Und wieder einige Jahre
nachher ward Tassilo der Herzogswürde entkleidet und abgesetzt, und Bayern
unter die Verwaltung fränkischer Grafen gestellt (788).
Von dem nämlichen Jahre, da letzteres geschah, berichten die Annalen 88 ),
dass der grosse Frankenkönig nach Bayern kam und die Provinz mit ihren
Grenzgebieten in Ordnung brachte (eandem provinciam cum suis terminis ordi-
navit atque disposuit). Diese Grenzordnung war in der Oberpfalz nicht so
notwendig und schwierig wie an der bayerischen Ostgrenze südlich von der
Donau; auf letztere wird sich die Markorganisation Karls d. Gr. nach dem
Sturze Tassilos notwendig zu allererst bezogen haben. Nördlich der Donau
mag die vorhandene Organisation genügt haben, nur dass nun die in dem
Bistum Eichstätt vereinigten Gaue nicht mehr als ein gegen die Bayernhaupt¬
stadt Regensburg hin Front machendes fränkisches Markland erscheinen, son¬
dern als Grenzgrafschaft eines in Regensburg selbst residierenden fränkischen
Grafen (confinii comes?) 29 ) von Regensburg aus verwaltet wurde.
In den nächstfolgenden Jahren hielt sich König Karl wiederholt und
lange in Regensburg auf, von hier aus ordnete er insbesondere die östlich
von Bayern südlich der Donau gelegene Mark und die avarischen Angelegen¬
heiten, von hier aus betrieb er den Bau des von ihm geplanten Kanals zwischen
Donau und Main, d. h. Rednitz (Radantia) und Altmühl (Aloinana). Im Nord¬
gau und in Böhmen herrschten durchaus friedliche Verhältnisse, dies geht
nicht bloss aus dem langen Aufenthalt des Königs in Regeusburg und seinen
dortigen Staatsakten hervor, sondern auch aus dem Berichte, dass er im Jahre
803 friedlich in der Oberpfalz jagte 30 ). So konnte er die nordgauische Mark
wesentlich sich selbst überlassen und wohlgesichert zu Durchmärschen be¬
nützen. Letzteres geschah namentlich bei dem grossen kombinierten Angriff,
durch welchen Karl im Jahre 791 die Avaren für viele Raubzüge strafen und
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Karl Gareis
von neuen abhalten zu müssen glaubte; drei Armeen leitete Karl gegen das
östlich der Ens an sein Reich angrenzende Avarengebiet: in der Mitte zogen
die Bayern, wahrscheinlich geführt von ihrem tapferen Praefekten Gerold, sie
hatten auf zahlreichen Schiffen die zum Unterhalte der Heere nötigen Vor¬
räte donauabwärts zu geleiten, bei ihnen befinden sich die Bischöfe Sindbert
von Regensburg und Otto von Freising, während zu Regensburg der Erz¬
bischof Rikulf mit der Königin Fastrada zurückgeblieben war 31 ); auf dem
rechten Flügel nördlich der Donau führte Karl selbst, den altrömischen Donau¬
strassen folgend, den alamanischen und südfränkischen Heerbann, und auf dem
linken Flügel nordwärts der Donau zogen die Nordfranken mit den Friesen,
Sachsen und Thüringern unter dem Befehl des Kämmerers Meginfried und
des Grafen Theoderich; dieser linke Flügel zog durch die Oberpfalz, und es
ist nicht zu gewagt, wenn man annimmt, dass er aus dem Mainthal durch das
Regnitz- und Pegnitzthal in den Nordgau gelangte. Vom Thale der Pagenza
(Pegnitz) aus ist auf uralten Strassen 82 ) leicht und rasch das Lautrachthal zu
gewinnen, und am Anfang desselben liegt jenes vorhin (Seite 2—3) erwähnte
Krongut Lauterhofen, welches Karl Marteil schon in den Besitz des Franken¬
königs brachte, und dessen Bedeutung sich aus der geographischen Lage klar
ergibt: denn ist das Lautrachthal erreicht, steht dem Reisenden oder dem
reisigen Heere kein bedeutendes Fahrthindernis bis zur Donau oder bis nach
Böhmen 88 ) im Wege. Der Lautrach folgt der Strasse an Kastl und Hoehen-
burg vorüber nach Schmidmühlen, wo jener Fluss sich in die Vils ergiesst,
von da ist auf zwei Wegen ins Naabgebiet bei Burg Lengenfeld zu gelangen,
und von da öffnet sich die wohl zunächst in betracht kommende Strasse nach
Böhmen, der uralte Völkerweg aufwärts dem Regenflusse über Nittenau, Ro-
ding, Cham und Furth nach Taus, das vom Naabthale aus auch über Neun¬
burg, Rötz und Waldmünchen erreicht werden kann. 34 )
Auf demselben Wege kehrte die von Meginfried und Theoderich
befehligte Säule des Frankenheeres zurück, — abermals durch Böhmen, als der
Avarenfeldzug glücklich beendet war.
Aus jener Zeit friedlichen Zustandes in der Oberpfalz und friedlichen
Verkehrs am Böhmerwalde und mit Böhmen stammen zwei interessante
sprachliche Denkmäler, ein Wort ist in jener Zeit aus der böhmischen
Sprache in die deutsche und eines aus der deutschen in die böhmische Sprache,
zwischen den Jahren 748 und 805, gekommen: das erstere ist das Wort car¬
mul um, welches aus dem Böhmischen, wo es krainola, (kramula) lautet und
„Aufstand“ bedeutet, in das um die Mitte des achten Jahrhunderts abgeschlossene
Volksrecht der Baiuwaren und in bayerische Annalen derselben Zeit überging
(lex. baiuv. II ß) 3 *). Das andere Denkmal ist kein geringeres Wort als der
Name unseres grossen Karl, dieses ist um jene Zeit als appellativum in die
slavischen Sprachen übergegangen und bedeutet wie das römische Wort
„Caesar“ in der deutschen Sprache „Kaiser“, wurde dort von der böhmischen
Sprache aus in allen slavischen Sprachen: „König“ — gewiss ein schöner
Beweis des Ansehens und der Macht des Frankenkönigs in jenen Ländern 86 ).
Das Verhältnis der Oberpfalz zu Böhmen änderte sich aber, als am An-
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit
7
fang des neunten Jahrhunderts eine Völkerverschiebung in Böhmen eintrat Um
diese Zeit wurden die Czicho-Windonen von den übrigen Böhmen bewohnenden
Slaven unterschieden, sie drängen offenbar nach Süden, über die Donau sogar,
und beunruhigen die dort wohnenden pacificierten Avaren, sodass diese sich
Schutz suchend an Karl wenden (im Jahre 805), — hierin mag der äussere
und nächste Anlass zu dem grossen kombinierten Angriff auf Böhmen gelegen
sein, der innere Grund 37 ) war zweifellos die Notwendigkeit, nunmehr die Mark
im Nordgau gegen die Czechen zu sichern.
Nach Karls genialem und umfassendem Plane rückten drei fränkische
Armeen in Böhmen ein und erreichten bald das strategische Ziel des Feld¬
zuges; auch damals zogen die austrasischen Franken, vermutlich auf demselben
Wege wie im Jahre 791, durch den Nordgau, während die Bayern geführt von
den Grafen Audulf und Verinhar 88 ) von Süden und die fränkischen Sachsen
vom Norden her die Czechen zu Paaren trieben 89 ). Mit diesem Erfolg der
fränkischen Waffen im Czechenlande ging ein siegreicher Vorstoss gegen die
Wilzen, der von Magdeburg aus geführt wurde, Hand in Hand 40 ). Aber de¬
finitiv war der Erfolg gegen die Slaven doch nicht, denn schon im nächsten
Jahre (806) musste abermals eine fränkische Strafexpedition gegen Böhmen
unternommen werden, bayerische, alamanische und burgundische Krieger führten
sie aus. Zwischen diese Expedition und den böhmischen Feldzug des vor¬
ausgegangenen Jahres fällt aller Wahrscheinlichkeit nach der Erlass der wichtigen
Grenzverordnung von Diedenhofen (Theodonis villa), Ende des Jahres 805 41 ).
Die Sicherung der Grenze gegen die slavischen Nachbarn des Franken-
reichs setzt vor allem voraus, dass die Grenze selbst scharf gezogen, die
Grenzgrafschaft von dem Vorland, der Mark, geschieden werde; sie ver¬
langt aber ferner, dass die Punkte, an denen die grossen Verkehrsstrassen jene
Grenzlinien durchschneiden, genau bezeichnet unter scharfe Kontrolle gestellt
werden. Beides erstrebt jenes Capitulare, und zwar ist der Zweck dieser Ver¬
ordnung, wie Felix Dahn mit Recht annimmt 42 ), nicht bloss die äussersten
Punkte festzustellen, bis zu welchen die Inländer im Handel mit den Avaren
und Slaven diesen ihre Waren entgegenbringen dürfen, sondern auch und
wohl in erster Linie die Grenze zu bezeichnen, bis zu welcher jenen Barbaren
ohne besondere Erlaubnis zu reisen gestattet sein solle, und es wird dieser
Verkehr unter die Überwachung von ordentlichen (Markgrafen und Grafen)
und ausserordentlichen Beamten (Sendboten) gestellt: offenbar — fährt Dahn
fort — aus ganz ähnlichen Gründen, wie jene waren, aus welchen weiland
die Römer den Germanen und anderen Barbaren nur auf bestimmten Strassen
und Eingängen des limes den Marktverkehr verstattet hatten: um das freie
Eindringen von Spähern, Dieben, Räubern, feindlich Gesinnten überhaupt zu
verhüten. Im Zusammenhang damit steht das Verbot, Brünnen und Trutz¬
waffen aus dem Reiche hinaus zu verkaufen 48 ) und ebenso auch das ebenfalls
eine sichere Grenzenziehung und Grenzüberwachung voraussetzende Verbot,
Leibeigene ins Ausland zu verkaufen 44 ).
Der Hinweis auf eine ähnliche Grenzhut, die wir im römischen limes
noch heute erkennen, ist zweifellos gerechtfertigt, zeitlich näher lag der Re-
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8
Karl Gareis
gierungszeit Karls aber die nämliche Art der Grenzüberwachung an einer
anderen Barbarengrenze des Römerreichs, nämlich an der fernen Ostgrenze des¬
selben: die Kaiser Honorius und Theodosius konzentrierten den römisch¬
persischen Handel durch eine Verordnung vom Jahre 408 (oder 409) auf
die an den drei Hauptstrassen zwischen Persien und den übrigen römischen
Grenzländem gelegenen Handelsplätze Nisibis, Artaxata und Kalinikum 45 ),
und in dem Friedeusvertrage von Dara, welchen der Kaiser Justinian im
Jahre 562 mit dem Perserkönig Chosroes I. abschloss, wurde unter anderem
bestimmt, dass die von den Sarazenen oder von anderen Barbaren kommenden
Kaufleute in die beiden Staaten nur über Nisibis und Dara (— und nicht auf
unbekannten oder wenig benutzten Strassen —) eintreten dürfen, dass sie nur
dort ihre Handelsabgaben bezahlen und ihre Pässe nehmen sollen, und dass sie,
wenn sie hiegegen verstossen, ausser der Konfiskation der Waren, seien
diese Waren assyrischen (persischen) oder römischen Ursprungs, den in dem
betreffenden Lande verhängten Strafen verfallen 46 ).
In der Grenzverordnung Karl des Grossen wird die Grenze durch die
Ortschaften bestimmt, an denen der Grosshandel konzentriert ist und über¬
wacht wird, es beginnt die Linie an der untern Elbe im alten Bardengau, der
Heimat der Longobarden zwischen Aller und Elbe 47 ) bei der Ortschaft Bar-
daenowik (Bardovvik jetzt genannt), wo die Grenze unter der Aufsicht eines
sonst nicht erwähnten Hredi steht; dann folgt die Grenzstätte Schezla
(Schessel bei Cassel) unter Madalgand, — die Grenze buchtet weit gegen
Westen ein, vielleicht der Sachsen wegen, während das darauffolgende Mage-
doburg (Magdeburg), unter Aito, östlich vorgeschoben erscheint —vielleicht
der Wilzen wegen, die von Magdeburg aus wie Seite 7 erwähnt, im Jahre
805 noch bekriegt werden mussten, — dann folgt Erpesfurt (Erfurt) und
Hallazstadt (Hallstadt bei Bamberg) 48 ), in beiden steht demselben Madalgand
die Grenzhut zu; von Hallstadt läuft die Grenze zum nahen Forachheim
(Forchheim), obwohl hier der wenigstens teilweise vollendete Donau-Mainkanal 49 )
ganz nahe zog, wird seiner nicht erwähnt 50 ), also war er wohl nicht zu Handels¬
zwecken bestimmt, eine Vermutung Dahns, der man beistimmen muss: der
ganze Zusammenhang des Berichts über den Versuch des Kanalbaues ergibt,
dass er in erster Linie zu Kriegszwecken bestimmt sein sollte, um in Kriegen
gegen die östlichen Nachbarn den Franken Truppen und Vorräte sicher und
bequem zu befördern, eben darum musste aber auch die Reichsgrenze weiter
östlich geschoben und gesichert werden, wenn der hinter ihrer Linie laufende
Altinühl-Rednitz-Kanal ungestört benützbar bleiben soll; dies ist denn auch
durch den weiteren Lauf der Grenze ab Forchheim der Fall, denn von da
biegt die Grenze ostwärts aus, die Handelsstrasse an der Pegnitz schirmend,
erreicht — darf ich, wohl ohne mir den Vorwurf allzuüppiger Phantasie zu¬
zuziehen, annehmen — das Wassergebiet der Donau eben bei dem mehrfach
erwähnten königlichen Hofgut Lauterhofen (von wo auch eine Strasse nach
dem uralten Ammerthal bei Arnberg abzweigt) und folgt dem Laufe der Laut¬
rach bis zu ihrer Mündung in die Vils bei Schmidmühlen, von wo aus das
Naabthal, sei es im Thale der Vils bei Kalmünz, sei es über den östlich von
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit.
9
Schmidmühlen sich erhebenden Höhenzug, bald erreicht wird. Das Capitulare
nennt nach Forchheim als nächste Grenzstation Breemberga, dann Regens¬
burg, die bayerische Hauptstadt, und überträgt die Grenzhut an diesen drei
Stationen dem Audulf, wohl demselben Grafen, der im Feldzuge von 805 einer
der Führer des Bayemheeres war, während dem andern dieser Führer Warnar
(Werinhar) die Beaufsichtigung der Grenze auf der letzten Strecke derselben,
von Regensburg bis Lorch (Lauriacum) an der Donau bei der Mündung der
Ens (Anesus) 61 ) in diese, anvertraut ist.
Der einzige unklare Punkt in der ganzen Grenzenziehung wenigstens,
von Magdeburg südwärts, ist die soeben genannte Station Breemberga,
in den Handschriften wird der Name dieser Station auch Breberg, Breemberg,
Berebemberg, Brianperg, prembert geschrieben, der kundige Benediktinermönch
Ansegis, der von 807 an in engster Verbindung mit Kart und dessen Hof
stand und unsere ganze Grenzverordnung in seine Capitularieusammlung
( 1 . III c. 6) aufgenommen hat 62 ), was für ihre grosse Bedeutung und dauernde
Geltung unleugbar spricht, schreibt den Namen: Breemberg.
Welche Ortschaft meint König Karl, wo liegt und wie heisst heutzu¬
tage dieses Breemberg?
Die meisten denken an Pfreimdt, insbesondere hält dies Boretius 68 ), wie
es scheint, für zweifellos. Dahn 54 ) schreibt zu Breemberga: „Pfreimdt oder
Priemberg bei Burglengenfeld?“ Wenn Dahn mit letzterem das kleine Dorf
Premberg (im Ortslexikon ist der Name jetzt mit P. angegeben) meint, welcher
etwa eine halbe Stunde nördlich von Burglengenfeld am rechten (westlichen)
Ufer der Naab, hart an diesem Fusse gelegen ist, so hat er — wie Riezier —
meiner Überzeugung nach recht: das jetzt unansehnliche Dorf mit seiner
altersgrauen Kirche war vor 1100 Jahren ein wichtiger Grenzposten in der
Mark des Nordgaus. Setzt man den von mir oben (Seite 8) bezeichneten Weg
von Schmidmühlen im Vilsthale über die östlich daran ansteigende Höhe fort,
welche die plateauartige Wasserscheide zwischen der letzten Strecke der Vils
und dem entsprechenden Stücke des Naabthals bildet, so gelangt man in. etwa
zwei und einer halben Gehstunde über Pottenstetten oder über Egelsee, Mühl¬
berg und Unterdorf an den ziemlich steilen Abfall dieses Höhenzugs dicht
hinter dem Dorfe Premberg und befindet sich in nächster Nähe eines Punktes,
von welchem aus man sowohl die Türme des Regensburger Domes als auch
die Kirche des Mariahilfberges bei Amberg sehen kann und zugleich einen
weiten Ausblick nach Osten gegen das Regenthal 56 ) zu und bis in die Gegend
von Rötz und Wiuklani geniesst, nämlich vom Mönchhöferberge aus. Dieser
weite Ausblick, die geschützte Lage an Berg und Fluss, die nahe Verbindung
mit der Wasserstrasse der Vils und der Lautrach zum Krongut Lauterhofen
und zu den Hauptorten des Radanzgaues Forchheim und Hallstadt empfehlen
den Ort hervorragend als Beobachtungspunkt. Es ist das Verdienst eines vor einem
halben Jahrhundert verstorbenen fleissigen Lokalgeschichtsforschers, des kundigen
Pfarrers Franz Xaver Mayer, auf Urkunden aufmerksam gemacht zu haben,
welche in ihrem Zusammenhang den Bestand einer Ortschaft Bremberg oder
Premberg an der Naab im Nordgau verhältnismässig kurze Zeit nach den
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Karl Gareis
Karolingern und den Betrieb der Schiffahrt auf der Vils bei Schmidmühlen
zur nämlichen Zeit dokumentieren 56 ). Laut einer dieser von Franz Xaver
Mayer angeführten Urkunden überweist König Otto im Jahre 961 ein Besitz¬
tum, welches in der Ortschaft Prieperg (auch Priemberg in derselben
Urkunde geschrieben) im Nordgau in der Grafschaft des Grafen Berthold ge¬
legen ist und zum Nachlass eines gewissen Diotmar gehört, dem Könige aber
durch Schöffenspruch zugesprochen ist, samt Häusern, Hörigen und Feldern
dem Kloster Sankt Emmeram zu Regensburg. Inhaltlich der zweiten von
Mayer mitgeteilten Urkunde gibt ein gewisser Wikihalm dem Kloster Sankt
Emmeram ein Besitztum in Harting und erhält dafür von genanntem Kloster
ein ebenso grosses Besitztum, welches gelegen ist „in pago Nordgo in loco,
qui vulgo Priemberch vocitatur juxta ainnem vocabulo Napa.“ Das Kloster
w T ird bei diesem‘Tausch vertreten durch den Bischof Wolf gang, den Abt
Ramuold und die beiden Vögte Werinhard und Waohard; Wolfgang war
Bischof von Regensburg v. J. 9 7 2 bis 994 5 7 ). Höchst bemerkenswert ist die dritte von
Franz Xaver Mayer erwähnte Urkunde aus dem Ende des achten Jahrhunderts,
inhaltlich'welcher einer Frau Pilinrada ihre Besitzungen in Oriliheim und
Pietenprunne und Ironishoba (vielleicht mit Irenlohe zusammenhängend?) dem
Kloster St. Emmeram zu Händen des Abtes Rihboldus oder Richpaltus (er¬
wählt im Jahre 796) übergibt und dieser Schenkung noch die einer Mühle
an der Lautrach und die einer Ländestätte an der Vils mit den Worten bei¬
fügt: Post hoc tradidit unum molendinum, quod est situm juxta fluviolum
Lutteraha nominatum in loco Alaraspah dicto. Huic siquidem traditioni ad-
junxit unam, qua nobis tradidit locum ad onerandas naves abtum, teutonice
Ladas tat dictum, flumini sc. conti guum, quod dicitur Vilisi, in vico
Smidimulni (Schmiedmühlen) nuncupato.
Hier sehen wir also auch den Weg und die Schiffahrt angedeutet, die
wir voraussetzten 58 ) und die der Graf Audulf zu überwachen hat.
Die militärische oder politische Bedeutung der Position Premberg wird
ferner durch zwei praehistorische Momente ins Licht gestellt. Gerade
auf Premberg hin wendet sich die Hauptrichtung des Regenthaies, dieses Thal
ist aber zweifellos ein uralter Völkerverbindungsweg, der rings mit Fundstätten
aus der Brouzeperiode 59 ) umgeben ist und dadurch bedeutend absticht von
den fast ganz der gleichzeitigen Funde entbehrenden benachbarten oberpfälzischen
und niederbayerischen Gefilden. Bei Premberg aber stösst, wer von Osten
her über den hircanischen Wald (Ferguna) — dessen Höhe er im Tauser 60 )
Pass (449 Meter) übersteigt — nach dem austrasischen Hauptlande, nach den
Kulturstätten des Mains und des Rheins zu kommen trachtet, auf den Berg¬
rücken, der ihn vom Vils- und Lautrachthaie trennt, und den er nehmen muss,
wenn er die dann bequem bis ins Pegnitzthal führende Strasse gewinnen will;
hier scheint die slavische Einwanderung, so weit sie vom Regenthaie ausging,
definitiv Halt gemacht zu haben, aber dicht an Premberg liegen die vermutlich
slavischen Niederlassungen Köblitz und Teublitz; und dicht hinter Premberg
liegt — und darauf möchte ich noch besonders aufmerksam machen — das
weitaus grösste praehistorische Gräberfeld der ganzen Oberpfalz: nördlich vom
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit
11
Friedhof von Burglengenfeld gegen Premberg zu etwa hundert Hügelgräber aus
Stein mit Thongefässen, aber auch ein Einzelfund mit menschlichen Gebeinen,
eisernen Waffen, Bronzeschmuck und Thongefässen 60 ).
So kommt also unser Premberg nicht unerwartet und nicht unvermittelt
in unserem Capitulare vor, die Jahrhunderte vorher haben wie die nachher
Spuren der Bedeutung dieses Platzes hinterlassen.
Die Weglinie Forchheim — Lauterhofen—Premberg—Regensburg ist die
Grenze der Grenzgrafschaft, östlich von dieser liegt Vorland, Mark, der
Nordgau bildet sonach eine Grenzgrafschaft und eine Mark, die böhmische
Mark. Audulf aber und Wern har, der Graf der Ostmark, dem die Hut
der Donaulinie Regensburg—Lorch obliegt, sind wohl nicht so unbekannte
Männer, dass von ihnen die Bemerkung Boretius’ gelten könnte: Wer die in
der Verordnung genannten Sendgrafen waren, kann heutzutage kaum noch
festgestellt werden.
Audulf war einer der vertrauten Paladine Karls d. Gr., Seneschall
an dessen Hof 61 ), als solcher befehligte er 786 ein Heer im Kriege gegen die
Bretonen, dann wurde er Graf vom ostfränkischen Taubergau und wahrschein¬
lich gleich nach dem Tode des ersten karolingischen Statthalters (praefectus)
von Bayern, des durch seine Tapferkeit unsterblich gewordenen 62 ) Gerold,
gefallen am 1. September 799, Grenzgraf zu Regensburg und Präfekt von
Bayern, als solcher ist er in unserem Capitulare erwähnt, und als solcher führt
er auch im Kriege 805 ein bayerisches Heer; es wird angenommen, dass er
die Grenzgrafschaft bis zu seinem Tode (818) behielt 68 ).
Eine ähnliche Stellung scheint Wern har gehabt zu haben, von dem
wir wissen, dass auch er im Kriege von 805 ein bayerisches Heer in Böhmen
befehligte; als Graf der bayerischen Ostmark (bis etwa 811 64 ) hatte er seinen
Amtssitz vermutlich in Lorch.
Von sonstigen Beamten in der Grenz graf schaft der Karolinger zeit ist
uns nichts Näheres bekannt, als was aus der karolingischen Krougüterver-
waltung zu schliessen ist. War Lauterhofen noch im Jahre 805 eine könig¬
liche Domäne, was wohl nicht zu bezweifeln ist, dann befand sich dort der
sie verwaltende Amtmann 65 ) mit den erforderlichen Unterbeamten 66 ), es kann
sein, dass Lauterhofen längere Zeit hindurch als wichtiger Posten hervorragend
besetzt war: dafür spricht nicht bloss, dass dort später eine Zollstätte war 67 ),
sondern auch wohl die Nachricht Aventins: König Karl .... „lieh Ingolstadt
und Lauterhofen auf den Norkau (da damals der vitztumb, wie itzo
zu Amberg, sass) Herzogen Thessei“ 68 ), darnach hätte also sogar ein
königlicher Statthalter seinen Amtssitz zu Lauterhofen gehabt.
Im Jahre nach jener Einrichtung der Grenzhut in der Oberpfalz wurden
die Domänen Ingolstadt und Lauterhofen in der damals beschlossenen Reichs¬
teilung (vom 6. Februar 806) erwähnt 69 ): diese ausdrückliche Erwähnung,
welche für die grosse Bedeutung dieser beiden Güter spricht, die wichtig ge-
nug gewesen sein‘müssen, um sozusagen in einem Weltteilungsvertrage ge¬
nannt zu werden, kann nur den Sinn haben, ein etwa aus dem Benefizial-
verhältuis abzuleitendes Missverständnis auszuschliessen: Tassilo hatte jene
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Karl Gareis
I 2
zwei wichtigen Krongüter nicht als Herzog von Bayern, sondern nur als
Lehnsmann des Königs, aus dem Benefizialbesitz darf also nicht etwa die
Zugehörigkeit dieser Güter zu Bayern gefolgert werden 70 ), sie gehörten zum
Nordgau und bleiben dabei. Und bei der Reichsteilung von 8i7 71 ) werden
diese beiden Domänen abermals erwähnt, abermals ausdrücklich als zum Nord¬
gau gehörig bezeichnet, aber als demjenigen zufallend, der Bayern mit Kämthen,
Böhmen und den avarischen und slavischen Gebieten, sicherlich also auch den
östlich der Linie Lauterhofen—Premberg—Regensburg gelegenen Teil, die
— böhmische — Mark im Nordgau erhalten sollte; diese Erwähnung ge¬
schah in der Absicht, eine Auslegung auszuschliessen, welche den Territorial¬
herrn des Nordgaus etwa aus dem Grunde im Besitze der genannten Hofgüter
zu beeinträchtigen unternähme, weil diese Güter immune und der kaiserlichen
Gewalt direkt unterstehende, vom Territorialverbande der Mark des Nordgaus
zu Tassilos wie zu andern Zeiten getrennte vorbehaltene Besitzungen waren 72 ).
Inzwischen, nämlich im Jahre 806, fand die bereits (Seite 7) erwähnte
letzte Strafexpedition gegen Böhmen statt, die ohne bedeutendes Resultat ver¬
lief 73 ). In der böhmischen Mark im Nordgau aber entwickeln sich die Ver¬
hältnisse normal weiter; immer mehr wird die Einrichtung der Mark bis an
den Böhmerwald vorgeschoben, Otto II. erneuert noch die Markgrafschaft,
aber bald entstehen neue, kleinere Marken zwischen jenen Grenzlinien der
alten Grenzgrafschaften und Böhmen, so die Mark Cham und die Mark Naab¬
burg 74 ), neue vorgeschobene Grafschaften im Nordgau nehmen den Grenzgraf¬
schaften der karolingischen Zeit die Grenzhut ab, und wenn auch im elften
Jahrhundert noch die Markgrafschaft Nordgau vorkommt, so war dies nur
dem Namen nach eine Markgrafschaft und umfasste auch nur einen Teil der
alten karolingischen Mark, und die mächtigen Grafen der Oberpfalz, die Sulz¬
bacher, die Kreglinger u. a. waren dem Markgrafen nicht unterworfen. Auch
in den alten karolingischen Grenzorten blieb es nicht beim alten, nur Regens¬
burg und Ingolstadt wuchsen und hoben sich immer mehr, aber wie sich
neben dem altkarolingischen Grenzposten Hallstadt im Mainthale bald diese
Station weit überragend das Babenberger Schloss (Bamberg) erhob, so
entstand dicht beim Lutarahof Karls des Grossen die geschichtlich wichtige
Burg von Kastl und dicht bei Premberg, dies ganz in den Schatten
stellend, die Burg Lengenfeld (Burglengenfeld), nach der sich Pfalzgraf
Friedrich im Jahre 1165 sogar palatinus de Lengveit 75 ) nennt, Jahrhunderte
lang daun der Sitz des Vicedomamts der Oberpfalz.
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Quellen- und Litteratur-Nachweise.
1) Siegm. Riezler, Geschichte Bayerns Bd. I S. 27: „Mit diesem Volksnamen
könnte wohl der anderweitig nicht zu erklärende Ortsname Nuorinberg Zusammenhängen.“
Felix Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker Bd. IV S. 121
verneint aber diesen Zusammenhang, vermutlich aus sprachlichen Gründen.
2) Riezler am angegebenen Orte S. 26, 27.
3) Riezler a. a. O. I Seite 13 ff. und die ganze von ihm zu dieser Frage an¬
gegebene Litteratur (ebenda S. 14) insbesondere die Schriften von Zeuss, Wittmann
und Büdinger. Hiezu nun Felix Dahn, Urgeschichte der germanischen und romani¬
schen Völker Bd. I S. 22, 23, wo von den Nariskern mit Recht hervorgehoben worden
ist, dass sie, so lange die (übrigen) Markomannen am Main sassen, ihre Ost-, nach deren
Niederlassung in Böhmen ihre Westnachbarn waren; ferner ebenda Bd. I S. 56 f., Bd. II
S. 118, Bd. IV S. 120 ff.
4) Dahn, Urgeschichte der germanischen und rom. Völker Bd. IV S. 122, 123,
Riezler a. a. O. I S. 71.
5) Vgl. R i e z 1 e r a. a. O. S. 83, und Forschungen Bd. XVI S. 404, Dahn
a. a. O. S. 128.
6) Riezler a. a. O. I S. 104 und Forschungen Bd. XVI S. 400 ff.
7) Über Graf Suidger siehe Dahn a. a. O. S. 128, Riezler, Geschichte I S. 84.
8) Dahn, Urgeschichte S. 121, 128.
9) Riezler, Geschichte I S. 83, 104.
10) Divisio regnorum 806 Febr. 6. Boretius Capitul. I pag. 126, 127. Riezler,
Geschichte I S. 189. Dahn, Urgesch. Bd. III S. m f., Bd. IV S. 128, 131.
11) Ordinatio imperii mense Julio 817. Pertz, Mon. Germ. Hist. III p. 141, 198.
Boretius, Capitularien I, p. 270, 271.
12) Das slavische Wort Grenze, böhmisch hranice, stammt von dem altslavischen
graniza, siehe Kluge, Etymol. Wörterbuch d. dtsch. Sprache 5. Aufl. 1894 S. 145.
13) Diese wuchtige Unterscheidung deutet schon Gg. Waitz, Deutsche Verfassungs-
gesch. Bd. III 2. Aufl. S. 370 an; ferner Felix Dahn in seiner Deutschen Geschichte
Bd. 1,2. Hälfte Gotha 1888 S. 379 und H. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1892
Bd. II S. 171 und 172, ebenda S. 140 spricht Brunner von einer einigen fränkischen
Grenzgrafschaften vorgelagerten Militärgrenze; ausführlich verbreitet sich über diesen
Unterschieddie Königsberger Doktordissertation von Max Li pp, Die Marken des Franken¬
reiches unter Karl dem Grossen 1892. S. 6 u. ff.
14) Nämlich Waitz, Felix Dahn, (der die eigentliche Mark als „vorläufig besetztes
Feindesland,“ „eine Art debattable oder borderland“ bezeichnet), M. Li pp unc\ H. Brunner.
15) Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. II S. 172.
16) So namentlich von Waitz, L i p p und Brunner a. a. O.
17) Waitz, Dtsch. Verf. Gesell. Bd. VII S. 88, Brunner, Dtsch. Rechts-Gesch.
S. 71—72, Anm. 71 ebenda Graf Hundt in den Abhandlg. der bayerisch. Akad. d. Wissen¬
schaften. XIII S. 6. Nahe liegt hier besonders die Annahme eines Bodenregals zu gunsten
des Frankenkönigs, wie Schröder Deutsche Reclits-Gesch. §§ 26, 28 es konstruiert
18) Von einer gotischen Zw'ischenlierrschaft findet sich in der Oberpfalz keine Spur.
19) Dahn, Urgesch. der germ. u. rom. Völker Bd. IV S. 132.
20) Über die Czielio-Windones, siehe Chronicon Moissiacense, ad annum 805 Pertz
S. S. Tom. I pag. 307, vergl. auch P e r t z S. S. Tom. I pag. 323 Anm. * * zu Annales
Tiliani ad vocern Cinu. Vergl. Riezler, Gesch. I S. 186.
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Karl Gareis
21) Chronicarum quae die. Fredegarii Mon. Germ. Hist Script rer. Meroving.
II pag. 154, 155 Hb. IV cap. 68. Über Samo siehe Dahn Urgeschichte Bd. III S. 608 ff.
über die Schlacht (im Jahre 630) bei Wogastisburg siehe Dahn ebenda S. 632; über Taus
siehe Vivien de Saint Martin Tom. VI p. 415 siehe unten Seite 16. Anm. 59.
22) Über diese Blutthat siehe Fredegarii a. a. O. lib. IV cap. 72, Script, rer.
Meroving. II pag. 157; Riezler, a. a. O. S. 77.
23) Vergl. Riezler, a. a. O. S. 186.
24) Dies hebt schon Aventin hervor: Lutheraviam vicum et regiam, Angilstadium
oppidum Nariscorum regibus Francorum addicit Martellus, quo pateat in Boiariam libere
et nemine prohibente transitus. Johannes Turmaiers genannt Aventiuus Annales
Ducum Boiariae (hrsg. von Riezler I. Bd. München 1882 S. 383, lib. I. cap. 8). Und
in seiner Bayerischen Chronik (hrsg. von Matth, von Lexer, Bd. II München 1886,
Seite 83, 84) schildert derselbe Aventin (Buch III cap. 62) jene Annexion mit den Worten:
„Herzog Karl (Karl Martell) der kam auch mit herscraft in Baiern, machet
„überall Frid. Er lieh das ganz Baierland seinem Schwager, obg’nanntem Herzog
„Hauenprecht (Hugibert). Der cron Frankreich und im, als Verwalter und
„Herzogen derselben, behielt er vor (als mau s ietzo nent) für ain Interesse
„Ingolstadt und Lautershofen, den markt und schloss bei Castel und Amerthal
„zwischen Arnberg und Neuenmarkt (war damals ain fürstlich gesäs und haus,
„die Nürnberger habens vor siebenundzwainzig jarn im baierisclien Krieg ver-
„prent, ist noch ein ofener markt; entspringt alda der Wasserfluss Lautliracli,
„hat guet visch, äsch und vörchen, feit zu Schmidmüln dem markt in die Vils.“
Hiezu siehe Riezler, Gesell. Bayerns Bd. I S. 82, 83 (mit der in Anmerkg. 1 ebenda an¬
gegebenen Litteratur), Seite 104 (mit der Anmerkg. 1. daselbst angegebenen, auf Eichstätt
bezüglichen Litteratur).
25) Riezler, Gesell. Bayerns, sagt (Seite 164): „Vielleicht geschah es damals (781),
dass Tassilo, der dem Könige reiche Geschenke gebracht haben soll, von Karl als
Gegengabe die Höfe Ingolstadt und Lauterhofen zu Lehen erhielt.“
26) „Quos nos quoudam Tassiloni beneficiavinius“ sagt Karl in der divisio
regnorum 806 cap. 2 (Boretius I pag. 127).
27) Vergl. die von Ga reis Bemerkungen zum Capitulare de villis (Abhandlungen
zum siebenzigsten Geburtstage Konrad von Maurers 1893) Seite 215 ff. angeführten
fränkischen Verordnungen.
28) Einhardi annales annus 788. Pertz S. S. I pag. 175.
29) Conversio Bagoariorum etc. Pertz S. S. VIII pag. 11, cap. 10: Tune (796)
primus ab imperatore constitutus est confinii comes Goterammus etc. Ausser diesem
Grenzgrafen und missatisch diesem übergeordnet residierte wohl auch in Regensburg der
ausgezeichnete Paladin Graf Gerold, der praefectus Bavariae. Siehe oben Seite 11.
30) Venationem bubalorum ceterarumque ferarum per saltum Hircanum exereuit.
Annal. Mett, ad annum 803 Pertz Mon. S. S. I pag. 335, 191. Der hircanische Wald
auch fergunna (von gotisch fairguni ?) genannt, umfasst die Böhmen im Westen (hier
Böhmerwald) und Norden (dort Erzgebirge, siehe Dahn a. a. O. III S. im) einschliessen-
den Gebirgszüge.
31) Riezler, Geschichte Bayerns I, Seite 179.
32) Vgl. J. B. Prechtl, Verhandlungen des historischen Vereins der Oberpfalz und
von Regensburg Bd. VII (1843) Seite 14, 15 nebst dem Strasseukärtchen im Anhang;
manches von diesem fleissigen Verfasser Behauptete, z. B. ein Vermesszug über Ingolstadt
(ebenda S. 12, 13) ist unhaltbar, aber das über die Strassenverbindung zwischen Lauf und
der Pegnitz und dem Lautrachthaie Gesagte dürfte kaum anzuzweifeln sein. — Auf die
Arbeiten von Prechtl und Frz. Xav. Mayer in den Verhandlungen des historischen
Vereins der Oberpfalz und für Regensburg Bd. VII, s. oben S. 9, 10, bin ich durch meinen
Freund und Vetter, Herrn Oberlandesgerichtsrat Albert Vierling in München aufmerk¬
sam gemacht worden, wofür ich ihm auch hier meinen Dank ausspreche.
33) Über diese Strasse siehe auch Seite 10.
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 15
34 ) Hierüber siehe die in Anmerkung 32 angefügten Abhandlungen.
35) Pertz. Mon. Germ. Hist. L. E- Tom. XV pag. 282. Über dieses Wort siehe
Miklosich, Denkschriften der Wiener Akademie Bd. XV Seite 101, Bd. XXVIII S. 23.
— Pertz, Mon. Germ. Hist S. S. Tom. I pag. 92, 93 Anmerkung 7.
36) Hierüber siehe Miklosich, Denkschriften der Wiener Akademie der Wissen¬
schaften. Philolog. Hist. Klasse Bd. XXVIII (Wien 1878) Seite 23 und Miklosich, Ety¬
mologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen (Wien 1886) Seite 131. Aus dem alt¬
hochdeutschen Namen des gewaltigen Frankenherrschers Charal (Karl) wurde czechisch
kral; altslavisch kralt; neuslavisch, bulgarisch, kroatisch und serbisch = kralj; klein¬
russisch korol'; russisch korol. Bemerkenswert ist ferner, dass die Slaven die Franken
korljazi nennen, d. i. althochdeutsch karlinc, Untertlianen des Karl. Miklosich, a. a. O.
Bd. XXVIII Seite 23 auch schon 1867 Bd. XV Seite 101.
37) Riezier sagt zwar, wir seien über die Veranlassung dieses Feldzuges nicht
unterrichtet (Geschichte Seite 186), Dahn vermutet als Ursache böhmische Diebereien
und Räubereien; siehe aber Einhardi Annal. ad annum 805.
38) Von diesen beiden wird später noch gesprochen, nämlich Seite 9 und 11.
39) Annales Mett, an 805. Einh. Annales eod. ao.
40) Über das Charakteristische dieser Unternehmungen Karls siehe Dahn, Urge¬
schichte der germ. und rom. Völker III Seite 1112.
41) Mon. Germ. Hist. E. E. Sectio II Capitularien reg. Franc (edd. Alfredus Boretius)
Tom. I pag. 123.
Der Text dieser Verordnung lautet:
De negotiatoribus qui partibus Sclavorum et Avaronim pergunt, quousque
procedere cum suis negotiis debeant: id est partibus Saxoniae usque ad Bardae-
nowic, ubi praevideat Hredi; et ad Schezla, ubi Madalgaudus praevideat; et ad
Magadoburg praevideat Aito; et ad Krpesfurt praevideat Madalgaudus; et ad Ha-
lazstat praevideat item Madalgaudus; ad Foracheitn et ad Breemberga et ad Rage-
nisburg praevideat Audulfus, et ad Eauriacum Warnarius. Et ut arma et brunias
non ducant ad venundandum; quod si inventi fuerint portantes, ut omnis substantia
eorum auferatur ab eis, dimidia quidem pars partibus palatii, alia vero medietas
inter iamdictos missos et inventorem dividatur.
42) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite 1113, 1114.
43) Dahn, Urgescli. d. germ. u. rom. Völker, Bd. II, Seite 422 ff., 446. Bd. III
Seite 1114. Siehe auch Cap. Harist. 779 c. 20, Boretius pag. 51.
44) Dieses Verbot, welches schon Papst Gregor III. in seinem Schreiben an Bonifaz
erheischte, siehe Bonität epist. 28. edd. Jaffe, wird gerade in der zweiten Hälfte des 8. Jahrh.
wiederholt eingeschärft, siehe: Cap. Liptinense 743 (Bor. p. 26—28). (Eestinnes im Hennegau),
c. 3 — et ut maucipia cliristiana paganis non tradantur. Cap. Harist. 779. c. 19. De
mancipia quae vendunt, ut in praesentia episcopi vel comitis sit, aut in praesentia archi-
diaconi aut centenarii aut in praesentia vicedomni aut judicis comitis aut ante bene nota
testimonia; et foris marca nemo mancipiuin vendat. Et qui hoc fecerit, tantas vices
bannos solvat quauta mancipia vendidit; et si non habet pretium, in wadio pro servo
semetipsum comiti douet usque dum ipsum bannum solvat (Boretius pag. 51. c. 19).
Cf. Capitulare (90) Mantuanum, 781?, c. 7. (Boretius pag. 190 c. 7). 7. Ut nullus man¬
cipia christiana vel pagana nec qualibet arma vel amissario foris regno nostro vendat;
et qui hoc fecerit, bannum nostrum componere cogatur; et si ea mancipia revocare potuerit,
widnigild suurn componat.
45) E. 4. Cod. de conim. et mercat 4, 63.
46) Menander protektor in C. Müllers Fragmenta Historie. Graecor. IV 212. Vergiß
Lebeau, Histoire du Bas-Empire IX pag. 430 s. Die Erinnerung an diese byzantinischen
Vorläufer der Grenzverordnung Karl d. Gr. ist um so mehr angebracht, als ja bekanntlich
die gelehrten Zeitgenossen des grosseu Frankenkönigs — sogar in wirtschaftlichen Dingen
— sich gerne durch die Erfahrungen vorausgegangener Jahrhunderte belehren liessen.
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i6
Karl Gareis
47) Vergl. von Hammerstein-Loxten, Der Bardengau 1869. Brunner,
Deutsche Rechts - Geschichte I Seite 54, 55. Schröder, D. R. G. (2. Aufl.) Seite 91.
Dahn, Urgeschichte etc. Bd. I Seite 21, auch Bd. III Seite 1061.
48) Unbegreiflicherweise bezeichnet Boretius Hallstadt als jetzt nicht mehr exi¬
stierend; der Fehler ist nun von Krause in den addenda et corrigenda des Neudrucks
pag. 538 verbessert: Cap. No. 44: Halazstadt = Hallstadt prope Bambergam a sept. extat
etiamnunc.
49) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite im.
50) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite 1114.
51) Nach Einh. Annal. ad ann. 791 erstes fränkisches Feldlager im Avareukriege.
52) Mit Ausnahme der Namen der Grafen, die wie Boretius pag. 123 Anm. 5
wohl mit Recht annimmt, zurZeit, da Ansegis seine Capitulariensammlung veranstaltete —
im Jahre 827 — kaum mehr alle am Leben waren. Vergl. Boretius Capit. I pag. 382 ff.
Brunner R. G. I Seite 383. Über Anse gis siehe Gar eis Bemerkungen zum Capitulare
de villis Seite 235—238.
53) Boretius Capit. I pag. 123 Anm. 5. Auch in den Addenda et corrigenda
von Krause ist dies nicht geändert. Ebenso wird Pfreimdt angenommen von Bernhard
Simson in den Jahrbüchern des Fränk. Reichs unter Karl d. Gr. (von Siegmund Abel)
Bd. II (1883) Seite 327. Ekart Additiones ad leges Salicas hält Premberg für Nürnberg
(vergl. Verhandlungen des histor. Vereins der Oberpfalz und von Regensburg Bd. VII
Seite 206). Richtig Riezler, Geschichte Bayerns I Seite 273: Premberg bei Burglengen¬
feld an der Naab.
54) Urgeschichte der germ. und rom. Völker Bd. III Seite 1114.
55) Über die geschichtliche Bedeutung dieses Thaies siehe unten Seite 10 ff., An¬
merkung 58. 59. 60.
56) S. oben Anm. 32.
57) Gams, Series episcoporurn pag. 304.
58) Siehe oben Seite 9. Prechtl (siehe Anmerkung 32) sagt a. a. O. Seite 16:
„V011 Hohenburg aus verfolgte die Hauptstrasse ihren Weg über Schmiedmühlen, wo eine
Legstätt und Überfahrt über die Vils w r ar, nach Bremberg an der Naab, und endlich von
da diesen Fluss aufw'ärts (soll heissen abwärts) nach Regensburg“.
59) Vergl. die von Ohlenschlager in seiner Praehistorischen Karte Bayerns ge¬
gebenen Zusammenstellungen: Feuersteinfunde in der Tausergegend (Karte der Verbreitung
der Feuersteinfunde), Bronzefunde das ganze Regenthal entlang bis zur Grenze (Karte der
Verbreitung der Bronzefunde); die Hallstattfunde reichen von Westen her (aus der Gegend
von Altdorf) genau bis in die Gegend von Premberg, nicht über die Naab hinüber, siehe
Karte der Verbreitung der Hallstattfunde); die La Tene-Funde erstrecken sich im Naab¬
thal aufw'ärts genau bis in die Höhe von Premberg im Vilsthal aufwärts bis in die Höhe
von Schmidtmühlen, siehe Ohlenschlagers Karte der Verbreitung der La T£ne-Funde.
59a) Taus heisst auch Domazlice, Tusta (Domasum) siehe Josefa Jungmann, Slowmjk
cesko-nemecky (PwTaze 1835) I 429, Vivien de Saint Martin a. a. O. Tom. VI pag. 415.
Uralte Kämpfe au diesem Passe siehe Vivien de Saint Martin ebenda. Domazlice aber
erinnert an Daleminzii und Demelchion und Dalmati, Namen einer slavischen Völkerschaft,
die im 9. Jahrhundert wiederholt auftaucht. Pertz S. S. I pag. 307.
60) Ohlenschlager, Praehist. Karte, Blatt 8 Schicht LII Reihe 15 Beschreibung S. 10.
61) In der Akademie Karls d. Gr. Menalkas geheissen; vergl. Riezler D. R. G. I
Seite 297; Dahn, Urgesch. III Seite im und Dahn, Deutsche Geschichte I. 2. S. 384;
Simson Jahrbuch II S. 326, w r o Anm. 1 die anmutende Vermutung einer scherzhaften
Anspielung auf Regensburg in 111011s imbrifer« als möglich an gedeutet ist.
62) Einhardi vita Karoli c. 13. Vergl. Schwabenspiegel 31; Riezler D. R. G. I
Seite 177, 178; Dahn, Urgesch. III 1066 u. Dahn, Deutsche Geschichte I 2 S. 340.
63) Riezler, D. R. G. I Seite 189. Unter den Zeugen des letzten Willens Karls
des Gr. wird neben den Grafen Walacho, Meginherus und anderen auch ein Graf
Otulfus genannt, Einhardi vita Karoli M. cap. 33 Pertz S. S. II Seite 463.
64) Riezler, a. a. O. Seite 186.
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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit
17
65) Sein Amtstitel ist in den lateinisch sprechenden Quellen: judex, bei den Baiu-
waren aber gastaldio (von ga-stallen, Gestellen, Du Cange IV 40 davon bayerisch später
und missverständlich Gasthalter?) oder auch schon Amptmann (ampactmann), hierüber
siehe Ga reis, Landgüterordnung Karl d. Gr. S. 25—26. Anm. 3 (iudices) namentlich die
von Brunner, R. G. § 75 Anm. 45 angeführten Quellen.
66) Capitulare de villis cap. 3, 5, 10. Gar eis Landgüterordnung, Karl d. Gr.
Seite 25) (judices) S. 31, 32 zu cap. 10.
67) Siehe Prechtl, a. a. O.
68) Aventin, Chronik III 1 79 edd. Lex er II Seite 108.
69) Siehe oben Seite 4. 5.
70) Das Missverständnis könnte durch die Worte: „sicut Tassilo tenuit“ nahegelegt
erscheinen, nicht als ob Tassilo diese Höfe hätte behalten sollen, der sie ja, wie Dahn
Urgeschichte III Seite 1117 Anm. 1. gegen Mühlbacher richtig geltend macht, weder 794
erhalten hat, noch nach seiner Mönchwerdung innehaben konnte; das Missverständnis
musste vielmehr ausgeschlossen werden, damit sich nicht Pippin, dem Bayern bestimmt ist,
gegen Karl, der den Nordgau erhalten sollte, auf jenes »sicut Tassilo tenuit« berufen
können soll.
71) Siehe oben Seite 13 Anm. n.
72) Deshalb heissen sie auch in der Ordinatio imperii (Boretius, I pag. 271)
villas dominicales ad suum (i e. Hludovici) servitium.
73) Manche meinen sogar, sie sei nicht glücklich verlaufen, siehe Siinson, Jahrb.
II Seite 357.
74) Riezler, Geschichte Bayerns Bd. I Seite 746, 756, 847. Derselbe, Forschungen
zur Dtsch. Geschichte Ad. XVIII (1878) Seite 537—539.
75) Mom. Boic. Bd. XXIX, a 376. Riezler, Gesch. Bayerns, Bd. I S. 851.
y
Bayer. Forschungen VI, 1.
2
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten
zur Zeit des zweiten Raubkrieges.
Von
Michael Doeberl.
ekanntlich scheidet sich die Regierung des Kurfürsten Ferdinand
Maria in zwei einander äusserlich wenigstens schroff gegenüber stehende
Hälften; die erstere ist gekennzeichnet durch die Ablehnung des französischen
Anerbietens der Kaiserkrone 1657, die zweite durch den Abschluss des bayerisch-
französischen Allianz Vertrages von 1670.
Der Umschwung, die Entfremdung mit Österreich, die Anlehnung an
Frankreich, vollzog sich in den Jahren 1663—69. Die entfernteren Wirkungen
des Allianz Vertrages von 1670, der nicht bloss mit der Möglichkeit eines
schon damals in der Luft liegenden französisch-holländischen Krieges, son¬
dern auch mit den zwei Hauptfragen der beiden nächsten Generationen
rechnet, mit der Eventualität eines Erlöschens des spanisch-habsburgischen
und des deutsch-habsburgischen Hauses, reicht bis zum Frieden von Füssen
1745. Die nähere Wirkung aber war die Haltung Bayerns im holländischen
Kriege, die Entsendung eines bayerischen Hilfskorps zur Unterstützung
Kölns und damit indirekt Frankreichs trotz der kaiserlichen Sendungen
Troyer und Wittenbach, die Aufstellung einer gegen den Kaiser ge¬
richteten Observationsarmee auf grund netier mit dem Herzoge von Vitry
und dem Kardinal D’Estree geschlossener Verträge, die Aufrechterhaltung
einer Frankreich wohlwollenden Neutralität trotz der kaiserlichen Missionen
Königseck, Rassler und Öttiugen, trotz des Reichskriegsbeschlusses und
einer kurfürstlichen Abordnung nach München, die diplomatische Ebnung des
deutschen Terrains für den Nijmweger Frieden. Die Entstehungsgeschichte
des bayerisch-französischen Bündnisses von 1670 gedenke ich demnächst zu
veröffentlichen, die Geschichte der bayerischen Politik im holländischen Kriege
wird später folgen. Dieser Aufsatz bezweckt Licht zu bringen in eine bisher
ziemlich dunkle Episode der bayerischen Politik im holländischen Kriege, in
die Geschichte des bayerischen Hilfskorps in Kölner Diensten. In erster
Linie gilt es, die diplomatische Entstehungsgeschichte der bayerischen Truppen-
entsendung aufzuhellen, was nur im Zusammenhang der bayerisch-kölnischen
Verhandlungen überhaupt geschehen kann; sodann sollen Beiträge über die
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
19
weiteren Schicksale des Hilfskorps geboten werden. Als Quellen dienten vor¬
nehmlich die im K. K. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien befindlichen kaiser¬
lichen Gesandtschaftsberichte, ferner die Vertragsverhandlungen zwischen Bayern
und Frankreich, die bayerische Korrespondenz mit Köln, die kaiserlichen
Negoziationen am Münchener Hofe in den Kölner Händeln, alle diese im
Münchener Staatsarchiv.
I. Seit dem Pyrenäischen Frieden vom Jahre 1659 hatte die Diplomatie
Ludwigs XIV. die Erwerbung eines möglichst grossen Teils der spanischen
Monarchie als unverrückbares Ziel ins Auge gefasst, im sogenannten Devo¬
lutionskriege hatte es bereits den ersten Vorstoss nach dieser Richtung ge¬
wagt, in der von Holland gestifteten Tripelallianz aber den gefährlichsten
Widersacher gefunden. Hat auch die Haltung des Reiches, ganz besonders die
widerspruchsvolle Politik des Kaiserhofes der Tripelallianz den Charakter der
Halbheit aufgedrückt, *) der gewiegten französischen Diplomatie war die Be¬
deutung der Tripelallianz keineswegs entgangen, die darin lag, „dass die
Republik der Generalstaaten in einer durch sie hervorgerufenen Koalition
dem König das Mittel gezeigt hatte, dessen man sich bedienen wolle, um des
Königs zu weit gehende Vergrösserungspläne zu durchkreuzen.“ 2 ) Der Krieg
gegen Holland war für den König bereits beschlossene Sache zur Zeit des
Aachener Friedens. Alle Arbeitskraft, aller Verstand, alles Talent der
französischen wie der in Frankreichs Solde stehenden auswärtigen Diplomatie
war in den Dienst einer Aufgabe gestellt, durch ein Netz von Verträgen,
das über einen guten Teil Europas hin ausgespannt werden sollte, Holland
zu isolieren, um, nach der Auffassung eines Verteidigers Frankreichs, des
bayerischen Vizekanzlers Kaspar von Schmid, „die republique dergestalten
in die Enge zu bringen, dass sie sich den desseins gegen Spanien hiemegst
nicht mehr also opponim könne, wie sie seiter anno 1667 gethan.“ 3 ) Nach der
Auffassung eines der entschiedensten Gegner Frankreichs aber, des kaiser¬
lichen Residenten im Haag Lisola, hatte Frankreich kein geringeres Ziel,
als auf dem Wege über Holland die Herrschaft über den Rhein zu erringen. 4 )
Der wichtigste Erfolg dieses diplomatischen Feldzugs war neben der
Sprengung der Tripelallianz das Waffenbündnis mit Köln und Münster, welches
Frankreich ermöglichte, ohne Verletzung der spanischen Neutralität auf der Rhein¬
strasse durch Holland vorzudringen. Die wichtigsten Werkzeuge in franzö¬
sischen Diensten waren die allmächtigen Minister des willensschwachen Kölner
Kurfürsten Maximilian Heinrich aus dem Hause Wittelsbach, Wilhelm
und Franz Egon von Fürstenberg, die Brüder Hermanns Egon
von Fürstenberg, des ersten Beraters des bayerischen Kurfürsten Ferdi¬
nand Maria. Von Wilhelm Egon von Fürstenberg ging, wie der
letzte Anstoss zum bayerisch-französischen Allianz vertrag von 1670, so die erste
Anregung einer indirekten Unterstützung Frankreichs im holländischen Kriege
durch Stellung eines bayerischen Hilfskorps für Köln aus; sie reicht bis in
das Jahr 1669 zurück.
In einem denkwürdigen Schreiben vom 15. Juli 1669, B ) in welchem der
Minister des Kölner Hofes Wilhelm Egon von Fürstenberg von Paris aus
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20
Michael Doeberl
seinem Bruder, dem damaligen bayerischen Obersthofmarschall Hermann Egon
von Fürstenberg, die Generalidee zum bayerisch-französischen Vertrag vom
17. Februar 1670 entwarf, rechnet er neben der Eventualität eines Erlöschens des
spanisch-habsburgischen und des deutsch-habsburgischen Hauses auch mit der
Möglichkeit eines französisch-holländischen Krieges: „Es ist auch noch eine
dritte gelegenheit, über welche man zue reden hette, nemlich wan Frankreich
mit den staaden von Holland in krieg geraten thete, ohne Spanien darein zu
mischen oder im geringsten zue attaquiren, wie sich Churbayern hierin guber-
niren wolte. Nit wenig würde abzureden sain, wie in dergleichen alianzen
zue geschehen pflegt, was einer von dem andern, im faal er attaquirt würde,
für eine hilf zue gewerten“. Hermann Egon von Fürstenberg schickte das
Schreiben an den damals auf der Jagd in Mauerkirchen weilenden Kurfürsten.
In dem Begleitbriefe 6 ) sowohl wie in seiner Antwort an den Bruder sprach
er den Gedanken aus, im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Holland
sei es wohl thunlich, dass der Kurfürst von Bayern „etlich 1000 man, gleich
die herzogen von Brauuschweigen gethan, gegen gewisser summa gelt, dabei
sie kein schaden hetten, sonderbar Churköln, als welches auf solchen faal
wegen ohne das habenden starken preteutensiones sich gewiss mit darein
mischen thete, under pretext der nahenden Verwandschaft zue hilf schicken
könden“. Sowohl die Generalidee Wilhelms als der Kölner Vorschlag
Hermanns fanden beim Kurfürsten und bei'dem in seinem Gefolge befind¬
lichen Vizekanzler Kaspar von Schmid volle Zustimmung. In einem wohl
von Schmid verfassten, aus Mauerkirchen unterm 12. August 1670 datierten
Schreiben 7 ) findet der Kurfürst die bayerisch-französische Allianz von Wilhelm
„auf die drei fälle vernünftig ausgeteilt“. Den dritten Fall, den französisch¬
holländischen Krieg, glaubt er zwar angesichts der noch fortbestehenden
Tripelallianz nicht so unmittelbar in Sicht, hat aber beim Eintritt dieser
Eventualität gegen die von Hermann von Fürstenberg vorgeschlagene Sen¬
dung eines Hilfskorps nach Köln kein ernstliches Bedenken: „Der drite fall
einer ruptur mit Holland oder den Staaden Generalen bestehet meines Er¬
achtens auf deine, ob die Tripelalianz zu einer bestendigen perfection gelangen
werde oder nit. Si prius, will ich darfür halten, man werde auf seiten Frank¬
reich nit leicht zur ruptur körnen und ihme sovil feinde auf einmal auf den
hals laden. Si posterius, hette ich eben so grosses bedenken nit, meines
vettern des herm kf. zu Cöllen L d da sye sich irer anligenheiten
halber mit einmischen sollten, auf des königs in Frankreich ander¬
weite satisfaction mit einer nambhaften mannschaft zu assistieren. Doch
möchte ich wol wissen, was Churcöln dabei für eine intention führe, ob sye
sich solchen kriegs und mit was weis tailhaftig machen, auch ob sye mein
assistenz gedulden möchte. Zu dessen erkundigung euch euers bruedern
des bischpfen von Strassburg gegen wart occasion geben würd“.
Die Fürstenbergische Anregung einer Unterstützung Kölns und damit
Frankreichs im künftigen holländischen Kriege hat zwar in das Haupt¬
instrument des Vertrags von 1670 8 ) keine unmittelbare Aufnahme gefunden, sollte
aber trotzdem nicht umsonst in die Welt gesetzt worden sein. Entsprechend dem
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
21
Gedanken des Kurfürsten, bez. S c h m i d s, dass, solange die Tripelallianz be¬
stehe, an einen Krieg Frankreichs gegen Holland nicht zu denken sei,
schreibt der Artikel 7 des ersten «membrum» des Hauptvertrages nur vor,
dass der Kurfürst sich verpflichte, in die Tripelallianz nicht einzutreten.
Doch ein anderer Artikel, Artikel 4, bestimmt: Wenn in einem Falle, der in
dem Vertrage nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ein Paktant des andern be¬
darf, hat der angegangene Teil — vorausgesetzt, dass es seinem Interesse
nicht geradezu widerspricht — Hilfe zu leisten auf grund noch zu treffender
besonderer Vereinbarungen. Wie schon aus der äusseren Übereinstimmung
mit der bezüglichen Stelle im Memorandum Wilhelms zu ersehen ist, bezieht
sich dieser Artikel auf die Eventualität eines holländischen Krieges. Und
auf grund desselben sind sowohl die neuen bayerisch-französischen Verträge
vom 14. Januar 1673 und 5. Juli 1674 9 ) als auch die bis jetzt unbekannte
Militärkonvention mit Köln vom 25. April 1672 und der damit in Verbindung
stehende französisch-bayerische Garantievertrag vom 27. Mai i 672 10 ) zustande
gekommen.
II. Mit Beginn des Frühjahrs 1672 sollten die grossen Projekte
Frankreichs zur Verwirklichung kommen. Im Januar 1672, als eben Köln
zu dem sogenannten Neutralitätsvertrag des vorausgehenden Jahres eine
Offensivallianz mit Ludwig XIV. gegen Holland gefügt hatte, als es bereits
mit der Aufstellung einer Armee von 18000 Mann beschäftigt war und
gerade französische Hilfsvölker in die festen Plätze des Stiftslandes aufnahm,
ordnete Maximilian Heinrich seinen Rat Friedrich Wilhelm von Bock¬
horst nach Wien ab. 1 *) Er sollte nicht bloss die Bestätigung des mit der Stadt Köln
geschlossenen Interimsvergleiches erwirken, sondern auch dem Kaiser in be¬
weglichen Worten die gefährdete Lage des Erzstifts angesichts der holländischen
Drohungen vorstellen und ihn um seine Vermittelung bei den Generalstaaten
ersuchen, dass sowohl die Neutralität der kölnischen Lande von den Holländern
aufrecht erhalten als auch die Festung Rheinberg restituiert werde.
Köln bezwecke, so heisst es in der bis jetzt unbekannten, im
Münchener Staatsarchive abschriftlich erhaltenen Instruktion, mit seinen
Rüstungen und den französischen HilfsVölkern, die es auf grund einer
Defeusivallianz vom Jahre 1669 aufgenommen hätte, keinen Krieg, sondern
lediglich Schutz seiner Lande vor einem feindlichen Anschläge Hollands.
Es sei sogar bereit, in die vom Kaiser mit dem Bischöfe von Münster
und andern Reichsfürsten geschlossene Provisionalallianz, das Marien¬
burger Bündnis, einzutreten. Der Erzbischof habe allerdings (in dem
Neutralitätsvertrage von 1671) den Franzosen im Falle eines französisch¬
holländischen Krieges Durchzug und Verproviantierung zugesagt, er sei
aber bereit, dieselbe Vergünstigung den Holländern zu gewähren; darin
liege also keine Verletzung der Neutralität. „Die neutralität besteht nicht
darin, das derienige, so neutral sein will, die im krieg stehende parteien ihres
interesses halber nicht erzürne, sonder dass er dasienige, so er ihme anzu¬
stehen und dienlich zu sein vermeinet, gegen einen teil sowol als gegen den
andern observire.“ Wenn man aber gegnerischerseits die Anklage erhebe,
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22
Michael Doeberl
durch eine solche Vergünstigung werde Frankreich Meister nicht bloss von
Köln, sondern von ganz Deutschland werden, so könne man darauf erwidern:
„es sei weit ein andere sach, seine land und leut für sich selbsten oder einem
andern churfürsten und fürsten zu bestem, deme man vermög einer particulier
alliance oder von reichs wegen zu assistiren schuldig, aufzuopfern oder zu
hazardireu dann für einen ausländischen, gegen welchen man in keiner
Obligation stehet und von deme man niemalen die geringste freundschaft
empfangen hette.“ Es war dasselbe heuchlerische Streben, die frivole Politik
mit Reichstreue zu decken, welches unmittelbar vorher die Fürstenberger be¬
stimmt hatte, den kaiserlichen Vertreter im Haag um Vermittelung eines
freundschaftlichen Verhältnisses zu den Generalstaaten zu ersuchen. Auf diese
Weise wollte man die Holländer als Friedensstörer hinstellen und verhindern,
dass der Kaiser, sei es durch eine Expedition ins Reich, sei es durch ein
Reichskonklusum, die Kölner zur Abrüstung nötige. Selbst die Erklärung,
sich der Provisionalallianz anscliliessen zu wollen, erfolgte in keiner anderen
Absicht als Zeit zu gewinnen oder gar durch einen Beitritt Kölns das
Marienburger Bündnis zu sprengen.
Der Kölner Abgeordnete sollte aber auch beim Kaiser und der Wiener
Friedenspartei eine Intrigue anspinnen gegen Lisola und diejenigen kaiser¬
lichen Räte, welche wieder und wieder betonten, in dem künftigen holländischen
Kriege sei die Hauptfrage nicht Hollands, sondern Deutschlands Schicksal,
welche ein energisches Vorgehen gegen Frankreich und gegen dessen deutsche
Bundesgenossen forderten. Er sollte die Aktionslust der Minister ihrer per¬
sönlichen Feindschaft gegen den Kölner Kurfürsten schuld geben; „Lisola
sueche nichts anders dann aus einer ohne ursach gegen s. kf. D 1 führenden
passion sie und ihre minister zu verschreien.“
Der Kölner Gesandte nahm seinen Weg über Würzburg, die damalige
Residenz des Kurfürsten von Mainz, und über München. Der Besuch des
Kölner Ministers ging über den Rahmen zeremonieller Höflichkeit hinaus.
Das bewiese, selbst wenn kein anderes Quelleninaterial vorläge, allein schon
der Abstecher nach Ingolstadt, wo damals der Kurfürst mit dem 1670
zum ersten Hof- und Staatsbeamten, zum Obersthofmeister ernannten Her¬
mann Egon von Fürstenberg und seinem Vizekanzler Kaspar von
Schmid weilte, das bewiese auch die gleichzeitige Anwesenheit des mit
Köln in engem Einvernehmen stehenden Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von
Neuburg. Nun aber enthält die bereits erwähnte umfangreiche Instruktion
Bockhorsts die ausdrückliche Weisung, der Abgeordnete solle sowohl in
Würzburg den Kurfürsten von Mainz als in München den Kurfürsten von
Bayern von dem Zwecke seiner Wiener Mission in Kenntnis setzen und
den Rat und die gleichzeitige diplomatische Unterstützung beider Höfe er¬
bitten. In diesem Sinne war denn auch die von Bockhorst der kurbayerischen
Regierung überreichte Note 12 ) abgefasst. „Es haben leider i. kf. D 1 zu Köln
das Unglück,“ — mit dieser captatio benevolentiae führte sich der Kölner
Minister ein —- „dass alles, was sie nur immer zur erhaltung beständiger
ruhe und friedens in dem römischen reiche, auch Sicherheit deren ihro von
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
23
Gott anvertrauten land und leuten anstellen und vornehmen, ihro ganz un¬
gleich ausgedeutet und bei i. ks. Mt sinistre angebracht werde.“
Der Kurfürst dankt in seiner schriftlichen Erklärung vom 6. Februar 18 )
für die vertrauliche Mitteilung, findet die Kölner Sendung an den Wiener
Hof vollauf gerechtfertigt und auch die Instruktion des Gesandten derart
eingerichtet, dass keine Erinnerung bestehe, erwartet vom Kaiser einen
günstigen Bescheid und — wünscht einen guten Erfolg. Der Kurfürst stellt
wohl seinen Rat in Aussicht, wenn er von Bockhorst über das Ergebnis der
Wiener Reise Aufschluss erhalten, schweigt sich aber über den Antrag einer
gleichzeitigen diplomatischen Unterstützung der Kölner Mission aus. Man
sieht, Bayern legt sich noch eine gewisse Reserve auf. Aber eine wertvolle
Stelle enthielt immerhin die kurfürstliche Erklärung; Bayern, das damals von
dem Abschluss der französisch-kölnischen Offensivallianz noch keine offizielle
Kenntnis hatte, kann es Köln nicht verdenken, wenn es bei einer holländischen
Ablehnung seiner gerechten Forderung diejenige Partei ergreift, welche ihm
und seinen Landen Schutz gewähren kann.
Unmittelbar darauf that Bayern einen andern Schritt, welcher verriet,
dass es auf dem Standpunkte des Vertrags von 1670 verharre, dass es im
künftigen holländischen Kriege die Interessen Frankreichs im Reiche ebenso
fördern werde, als im vorausgehenden Devolutionskriege. Zu derselben Zeit,
als der Kurfürst von Bayern mit Bockhorst und dem Pfalzgrafen von Neu¬
burg zu Ingolstadt Verhandlungen pflog, waren zwei kaiserliche ausser¬
ordentliche Gesandte am Münchener Hofe eingetroffen, der oberösterreichische
Regimentskanzler Troyer und der Öberösterreichische Hofkammerpräsident
Wittenbach. 14 ) Die kaiserliche Gesandtschaft hatte zunächst den Auftrag, den
bayerischen Kurfürsten für die vom Erzbischof Johann Philipp von Mainz ange¬
regte Provisionalallianz, „eines der vielen föderativen Experimente des Zeitalters“ 16 ),
zu gewinnen. Eine Verbesserung der Reichskriegsverfassung, so sollten sie
dem Kurfürsten vorstellen, sei seitens des Reichstags nicht zu erhoffen. Daher
ergebe sich bei den drohenden Verwickelungen die Notwendigkeit eines engeren
Bündnisses zwischen dem Kaiser, den Kurfürsten und den mächtigeren Reichs¬
ständen. Dazu sei die von Mainz, Trier, Kursachsen und Münster Unter¬
zeichnete Provisionalallianz das geeignete Mittel. Bereits sei man auch mit
Brandenburg in Unterhandlung, auch der Kölner habe um Aufnahme gebeten.
Die kaiserlichen Gesandten sollten ferner den Kurfürsten von Bayern zu einer
Vorstellung bei seinem Vetter Maximilian Heinrich vermögen, damit dieser
den Bruch mit den Generalstaaten vermeide. . Der Kaiser freue sich über den
Interimsvergleich zwischen dem Erzbischof und der Stadt Köln, hege aber
grosse Besorgnis, der Kurfürst von Köln möchte in den drohenden „Hauptkrieg“
zwischen Frankreich und Holland sich einmischen und dadurch Kriegsunruhen
auf dem ohnehin von den Türken bedrohten Reichsboden erwecken. Trotz
jenes Interimsvergleiches setze nämlich der Kölner seine Rüstungen fort, trotz
der von Lisola und Kamprecht gemeldeten Nachgiebigkeit der Holländer
in der Rheinberger Angelegenheit mache er sich anheischig, den französischen
Völkern nicht bloss den Durchzug durch seine Lande zu verstatten, sondern
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24
Michael Doeberl
dieselben auch mit Proviant und anderem Kriegsbedarf zu versehen. In einem
solchen Vorgehen müsse Holland eine Verletzung der Neutralität erblicken.
Der Kurfürst von Bayern möchte daher auf seinen nahen Verwandten dahin
einwirkeu, „seine aktionen also zu temperieren, damit die Generalstaaten keine
Ursache haben, den kurfürsten von Köln für einen feind zu halten.“
Die kaiserlichen Gesandten mussten in München bis zur Rückkehr des
Kurfürsten aus Ingolstadt zuwarten, erhielten erst am io. Februar Audienz.
Der Kurfürst rühmte in seiner Antwort 16 ) die Fürsorge des Kaisers für den
Reichsfrieden und versprach, über die beiden angeregten Fragen mit seinen
Räten zu konferieren und alsdann seine Erklärung schriftlich abzugeben.
Dieser schriftliche Bescheid vom u. und 13. Februar 17 ) lautete trotz der besten
Vertröstungen seitens Fürstenbergs, Schmids und des Obersthofmarschalls
Rechberg, ebenso ausweichend, wie die mündliche Antwort des Kurfürsten.
Bayern findet die Allianz, weil sie lediglich einen Defensivcharakter habe und
sich der Einmischung in fremde Händel enthalte, „hohen lobes würdig;“ man
werde den mitgeteilten Allianzentwurf prüfen, mit dem Kölner Kurfürsten und
anderen Verwandten des Hauses in Korrespondenz treten und „sich alsdann
dergestalten erklären, dass ihre kaiserliche M* hoffentlich allergnedigste satis-
faction erhalten.“ In der Kölner Angelegenheit erklärte die bayerische Regierung,
auch sie halte im Interesse des Reichsfriedens Neutralität für das beste. Der
Kölner Vetter sei in der That dazu geneigt, bei einem ausbrechenden fran¬
zösisch-holländischen Kriege beiden Parteien gleiche Vergünstigung zu ge¬
währen, und habe zur Offenbarung seiner friedfertigen Absichten einen
besonderen Abgeordneten nach Wien entsandt. Da nun die Kölner Erklärung
mit den kaiserlichen Intentionen übereinstimme, werde der Kaiser damit zu¬
frieden sein. Der bayerische Bescheid schliesst mit der Bitte um kaiserliche
Bestätigung des Kölner Interimsvergleichs.
Bayern hat wirklich am 17. Februar 18 ) die verwandten Höfe in Köln
und Pfalz-Neuburg von der Einladung zum Marienburger Bündnis in Kenntnis
gesetzt, aber, wie man es bei der französischen Gesinnung der beiden Höfe
von Anfang au nicht anders erwarten konnte, eine abratende Antwort erhalten.
Die von Bayern am 4. April nach Wien abgeschickte Note 19 ) besagte denn
auch dasselbe, wie die Erklärung vom 11. Februar, nur mit anderen Worten.
Von einer Einwirkung Bayerns aber auf Köln im Sinne einer Neutralität
findet sich in der erhaltenen schriftlichen Korrespondenz keine Spur. So hatte
die kaiserliche Sendung an den Münchener Hof völlig ergebnislos geendet;
nach den Erfahrungen der letzten Jahre war ein Erfolg der kaiserlichen Be¬
mühungen auch nicht zu erwarten gewesen.
Wenige Wochen später, in der zweiten Hälfte des März, fiel zu Wien
die Entscheidung in der Kölner Mission. 20 ) Der Kaiser verkannte keines¬
wegs die von Frankreich her drohende Gefahr, er wollte aber die von Lisola
so oft empfohlene Initiative gegen Frankreich und seinen Bundesgenossen
Köln nicht ergreifen ohne sicheren Rückhalt am Reiche. Angesichts der
finanziellen Schwierigkeiten, der geringen Kriegslust seiner Erblande, der
drohenden Türkeninvasion glaubte er sich zu einer Politik äusserster Vor-
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
25
sicht verpflichtet 21 ). Er bestätigte daher trotz seines Misstrauens nicht bloss
den Interimsvergleich, sondern wies auch das Ansuchen Kölns in der
holländischen Frage nicht direkt ab, erklärte vielmehr ein Reichsgutachten
einzuholen und sich dann weiter zu entscheiden. Selbst der hinterlistigen
Forderung Kölns um Aufnahme in das Marienburger Bündnis gab er nicht
die verdiente Abfertigung, sondern äusserte seine Geneigtheit zur Aufnahme
Kölns. Nur die Beschuldigungen Lisolas wurden entschieden zurückgewiesen.
Nichtsdestoweniger war man in Köln mit dem Ergebnis der Wiener
Reise Bockhorsts unzufrieden; „man könne genugsam abnehmen, wie sich
der kaiser von seinen in Wien und im Haag befindlichen ministem habe
verleiten lassen“ 23 ). Köln scheute eben eine Verhandlung der Angelegenheit
auf dem Reichstage, fürchtete, von Reichswegen zur Abrüstung und Ent¬
lassung der französischen Hilfsvölker gezwungen zu werden.
Der Kölner Gesandte nahm seinen Weg wieder über München und
stellte hier im Auftrag seiner Regierung au den Kurfürsten das Ersuchen,
die kurbayerischen Gesandten am Regensburger Reichstage dahin zu instruieren,
dass in der holländischen Angelegenheit kein Beschluss gefasst werde,
bevor Köln darüber vernommen sei. 23 ) Wie sich Köln seine Aktion am
Regensburger Reichstage zurechtlegte, erkennt man aus einem ziemlich
gleichzeitigen Schreiben 24 ) an den Kurfürsten von Bayern. ,Wenn das Werk
auf dem Regensburger Reichstage zur Verhandlung kommen sollte, würde dem
Kaiser anzuraten sein, die Staaten von Holland zu. erinnern, nicht allein die
Stadt Rheinberg, sondern auch die anderen Ständen weggenommenen Plätze
zu restituieren, ihre Völker vom reichsboden abzuführen, und, falls sie gegen
den einen oder anderen stand etwas zu fordern hätten, solches auf ordentlichem
wege gehörigen Orts zu suchen, widrigenfalls aber nicht übel zu vermerken,
wenn die Beschwerten sich selbst recht schaffen und das ganze reich dazu
helfende Hand bieten würde/ „Es wird auch der kaiser erinnert werden müssen,
dass der Münsterisch und Osnabrückische friede gewissenhaft beobachtet, den
Staaten von Holland bei einem französisch-holländischen kriege vermöge des
§ et ut eo sincerior keine hilfe weder direkt noch indirekt geleistet und den
paciscierenden krönen kein anlass gegeben werde, sich an das juramentum
pacis nicht mehr binden zu lassen.“ Mit welchen Mitteln man auf den Kur¬
fürsten einzuwirken suchte, erkennt man aus einer anderen Stelle desselben
Schreibens: „E. Ld würden ein gutes und zur konservation unserer allein
selig machenden katholischen religion, so am meisten leiden wird,
gereichendes werk verrichten, wenn Sie Kurmainz und Kurtrier, auch dem
kaiser selbst in particulari ein und anderes zu gemüte führen wollten“ 24 *).
Wirklich erklärte sich Bayern in dem schriftlichen Bescheide vom 29. März 25 )
bereit, seine Regensburger Gesandten anzuweisen, die Kölner Intentionen
bestens zu sekundieren, namentlich aber dahin zu wirken, dass in der
holländischen Angelegenheit kein Reichstagsbeschluss gemacht .werde, bevor
Kölns Erinnerung und Information vernommen wäre.
Bei diesem zweiten Aufenthalte Bockhorsts wurde noch eine andere
Frage zum Gegenstand der Erörterungen zwischen dem Kölner Abgeordneten
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26
Michael Doeberl
und dem bayerischen Hofe gemacht. Die Ziele der Kölner Politik liefen von
Anfang an auf eine aktive Beteiligung am holländischen Kriege hinaus, Köln
wünschte daher nicht bloss die diplomatischen Dienste Bayerns auf dem
Reichstage, sondern auch eine militärische Unterstützung im künftigen Kriege.
Bockhorst hatte schon für seinen ersten Münchener Besuch die Weisung er¬
halten, 26 ) um eine zweite Audienz nachzusuchen, hier der Befürchtung Aus¬
druck zu geben, dass Köln angesichts der herausfordernden Haltung der
Holländer schwerlich die Neutralität behaupten könne, und auf grund dieser
Befürchtung den Kurfürsten zu ersuchen um Ueberlassung seines General¬
wachtmeisters, Statthalters von Ingolstadt, Grafen von Berlo, ferner eines
feldmässig ausgerüsteten Regiments zu Fuss in der Stärke von 2000 Mann,
mit wenigstens 1200 altgedienten Soldaten (sogenannten „versuchten Leuten“),
zweier Dragonerkompagnien zu 160 Mann unter dem Befehle des Obersten
de Martin, dem dann in Köln noch weitere drei Kompagnien unterstellt
werden sollten, endlich um Überlassung von 400 Reitern zu 6 Kompagnien
unter dem Befehle des Obersten Nicola. Graf Berlo war für das Kommando
der gesamten auf 14000 Mann berechneten kölnischen Infanterie in Aussicht
genommen; er sollte keinem anderen General als dem französischen Feld¬
marschall oder Generallieutenant unterstellt, ihm selbst aber zwei oder mehrere
Generalwachtmeister untergeben werden. Man erbot sich, ihn in der Eigen¬
schaft eines Feldmarschalllieutenants oder eines Generals der Infanterie zu
übernehmen und ihm zu seiner bisherigen Bestallung eine Zulage von 400 fl.
zu bewilligen; er sollte seines Eides und seiner Pflicht gegen den Kurfürsten
nicht entbunden werden und auf kurbayerischen Wunsch sofort wieder in
bayerische Dienste zurücktreten. Auch die Offiziere und Soldaten der erbetenen
Hilfsvölker sollten in kurba} r erischen Diensten verbleiben, aber nicht vor
Friedensschluss zurückgefordert werden; für das Infanterieregiment sollten
überdies alle 6 Monate 150 Mann Rekruten nachgeschickt werden. Hingegen
verpflichte sich Köln, zur Erstattung der Werbe- und Ausrüstungskosten
20—30000 Reichsthaler zu bezahlen und die bayerischen Truppen in Sold
und Verpflegung seinen übrigen Völkern gleich zu halten. Zeigt der Kurfürst
Neigung, „obige mannscliaft selbsten underhalten zu lassen und noch mehrere
dazu zu stossen umb darmit under i. kf. Dt zu Cölln namen agini zu lassen,“
so soll Kurbayeru nicht bloss 24000 Reichsthaler von Köln ausbezahlt erhalten,
sondern auch nach dem Verhältnis seines Truppenkontingentes an allen Er¬
oberungen und Kontributionen teilhaben, gleich den übrigen deutschen Fürsten,
die sich dem Kriegsbündnis mit Frankreich anschliessen.
Noch während seines ersten Münchener Aufenthaltes war dem Rate Bock¬
horst ein Schreiben 27 ) nachgesandt worden, datiert vom 31. Januar 1672. In die¬
sem ermässigt der Kölner Kurfürst die Stärke des Infanterieregiments auf 12
bis 1500 Manu, lässt das Ansuchen um 400 Reiter unter dem Befehle Nikolas
fort und betont, dass er bei seinem Unternehmen kein anderes Absehen habe
als die Wohlfahrt und Sicherheit seiner Lande, die Hoheit des römischen
Reiches und das Interesse der katholischen Religion. „Es würde meines
erachteus fast unverantwortlich sein, wan eine so stattliche und vielleicht in
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
27
etlichen saeculis nimmer erfindliche gelegenheit, die Holländer ohne gefahr
und schaden über einen häufen zu werfen, anietzo verabsäumet werden sollte“.
Es sei nunmehr fast soviel wie gewiss, dass nicht allein die Kronen England
und Schweden mit Frankreich Zusammengehen, sondern dass auch der
Spanische Hof trotz der Verhetzungen Manteroys und Lisolas sich in den
Krieg nicht einmischen werde.
Bei seiner ersten Anwesenheit in München hatte Bockhorst entgegen
seiner Instruktion in dieser Angelegenheit keinen Schritt gethan; vermutlich
hatte deijenige, an den er zu einer vertraulichen Konferenz gewiesen war,
der Obersthofmeister Hermann Egon von Fürstenberg, den Zeitpunkt nicht
für opportun gehalten. Nunmehr beim zweiten Aufenthalte Bockhorsts in
München war der Boden so weit vorbereitet, dass der Kölner Rat auch diesen
zweiten Vorstoss wagen konnte. Der Kurfürst sah sich vor eine neue, noch
wichtigere Entscheidung gestellt und erklärte sich auch jetzt in einem
Schreiben vom 29. März 28 ) im Sinne des Vertrags von 1670. Zwar das
Kölner Gesuch um Überlassung Berlos beschied er abschlägig; sein Vetter
wisse selbst, wie wertvoll ihm die Dienste des Generals seien, bei dem hohen
Alter seines Generalfeldzeugmeisters Grafen von Arco könne er derselben
gegenwärtig nicht entbehren. Dagegen erklärte er sich bereit, ein Regiment
von 1200 Mann zu Fuss nebst 160 Dragonern nach Köln zu entsenden. Nur
verlangte er vorerst zu wissen, welche Garantie gegenüber dem kaiserlichen
Hofe und anderen in- und ausländischen Fürsten, die sich über kurz oder
lang zur holländischen Partei schlagen könnten, Köln und Frankreich für
diesen Fall übernehme; eine solche „Realversicherung“ sei um so notwendiger,
da seine Lande fast von allen Seiten von den österreichischen Provinzen
umschlossen seien.
So hatte Bockhorst bei seinem zweimaligen Besuche des Münchener
Hofes mit Unterstützung der französisch gesinnten bayerischen Räte, des
Obersthofmeisters Hermann Egon von Fürsteuberg, des geheimen Ratsvize¬
kanzlers Kaspar von Schmid und des Obersthofmarschalls Baron von Rechberg,
erreicht, dass der Kurfürst versprach, die Sache Kölns auf dem Regensburger
Reichstage zu vertreten, dass er sich selbst bereit erklärte, seinen Kölner
Vetter im holländischen Kriege militärisch zu unterstützen. Doch das Er¬
gebnis der Münchener Mission Bockhorsts war nicht vollauf befriedigend. Das
Versprechen der diplomatischen Unterstützung auf dem Reichstage war ein
generelles; es galt noch den Wortlaut des gemeinsamen Votums zwischen
Bayern, Köln und Pfalz-Neuburg zu vereinbaren. In der Frage der militäri¬
schen Unterstützung ferner hatte man lediglich eine Erklärung der Bereit¬
willigkeit vernommen, die an Bedingungen geknüpft war, überdies war das
Gesuch um die Dienste Geueral Berlos direkt abschlägig bescliieden worden;
es galt die letzten Schwierigkeiten zu beseitigen, einen bindenden Vertrag be¬
züglich der Truppenentsendung zu Papier zu bringen und einen nochmaligen
Versuch um Überlassung des Generals zu unternehmen. Endlich hatte Bock¬
horst dem Kurfürsten wohl Mitteilung gemacht von dem kölnisch-französischen
Neutralitätsvertrage vom 11. Juni 1671 und von der Aufnahme französischer
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Michael Doeberl
Hilfsvölker in die kölnischen Festungen, aber die heikle Bekanntgabe der
Offensivallianz, welche Köln im Januar 1672 mit Frankreich geschlossen, hatte
Bockhorst noch nicht gewagt Das von Bockhorst in Angriff genommene
Werk zu einem vollen Abschluss zu bringen, entschloss sich der Leiter der
Kölner Politik, Prinz Wilhelm Egon von Fürstenberg, persönlich an den
bayerischen Hof zu gehen. Schon am 22. März, während Bockhorst noch in
München weilte, kündigte ein Kölner Schreiben 20 ) die nahe bevorstehende
Ankunft Wilhelms in der bayerischen Hauptstadt an, „um mit dem kurfürsten
wegen der jetzigen gefährlichen konjunkturen vertrauliche kommunikation zu
pflegen“. Ein Besuch des Fürstenbergers bei seiner Schwester, der Gräfin von
Löwenstein, diente als äusserer Vorwand für die diplomatische Reise.
Auf dem Wege über Mainz, Trier und Wertheim kam Wilhelm von
Fürstenberg anfangs April in München an, bereits am 8. desselben Monats
überreichte er sein „schriftliches Anbringen“ 30 ). Der Mitteilung der kölnisch¬
französischen Offensivallianz ist ein längeres Expose über die europäische
Lage vorausgeschickt, wertvoll, weil aus der Feder des Mannes stammend, der
einen guten Teil der Fäden der europäischen Politik in seiner Hand hielt.
Nicht bloss England, Köln, Münster und der Malteser Orden stünden in einer
Offensivallianz mit Frankreich, auch Pfalz-Neuburg, Hannover, Paderborn und
Osnabrück seien vertragsmässig verpflichtet, die Sache Frankreichs auf dem
Reichstage zu vertreten und seinen Heeren den Durchzug durch ihre Lande
zu gewähren. Das Gleiche hätten Kurmainz und Kurtrier durch ihre Vertreter
mündlich versprechen lassen, Kursachsen und Kurpfalz würden sich allem
Anscheine nach wenigstens neutral verhalten. Savoyen und die Schweiz stehen
in einem engen Freundschaftsverhältnis zu Frankreich — über 2300 Schweizer
dienen in der französischen Armee —, die italienischen Fürsten haben sämt¬
lich bis auf Mantua dem französischen König die Werbung in ihren Landen
verstattet, Portugal ist gegen Subsidienbezahlung zu einer Offensivallianz be¬
reit. Von den Mitgliedern der „Quadrupelallianz“ haben sich weder Dänemark
noch Schweden bisher zu einer bindenden Zusage zugunsten Hollands ver¬
standen; ersteres dringt vielmehr im Haag auf die Begleichung einer alten
Schuldforderung, und vom schwedischen Hofe erwartet man stündlich die
Ratifikation eines Allianzvertrags mit Frankreich. Der Papst hat das vom
Kaiser und Spanien gestellte Ansinnen, Köln und Münster zu „dehortieren,“
abgelehnt. Offen ist für Holland nur Spanien, welches bereits den Haager
Traktat ratifiziert hat; die spanischen Niederlande werden aber durch ein
französisches Beobachtungskorps in Schach gehalten werden. Die Sympathien
Brandenburgs sind zwar schon aus religiösen Gründen ebenfalls für Holland,
Brandenburg wird aber von einer Kriegserklärung an Frankreich solange Ab¬
stand nehmen, als es nicht der Haltung Schwedens und des Kaisers ver¬
sichert ist. Es kommt also in erster Linie auf die Entscheidung des Wiener
Hofes an. Zwar hat sich der Kaiser erklärt, Spanien zu unterstützen, falls
Frankreich mit ihm brechen sollte; im übrigen aber wird er sich einer Ein¬
mischung in den französisch-holländischen Krieg enthalten, es wäre denn, dass
das ganze Reich sich dazu verstünde. Dieses wird sich angesichts der
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
29
drohenden Türkeninvasion vor einer Verwickelung in einen so gefährlichen
und langwierigen Krieg hüten; wohl aber ist ein Reichstagkonklusum zu be¬
fürchten, welches Köln zur Entlassung der fremden Völker und zur Neu¬
tralität zwingen könnte.
Die Mitteilung von dem Inhalt der kölnisch-französischen Offensiv¬
allianz ist begleitet von einer ausführlichen Darlegung der Kölner Motive.
Die Offensivallianz mit Frankreich sei notwendig durch die Erklärung der
Holländer, in der Gewährung des Durchzugs und der Verproviantierung an
die Franzosen einen „casus belli“ zu erblicken und die Kölner Lande anzu¬
greifen, sei notwendig durch die „böse gegen den kurfürsten und dero erzstift
führende intention“ des Kaiserhofes und Brandenburgs. Im Reiche hätte Köln,
abgesehen vom Kurfürsten von Bayern, von Münster und Pfalz-Neuburg, keine
Unterstützung gegen einen holländischen Angriff zu erwarten. Köln habe
anfangs die Offensivallianz nur „eventual“ geschlossen, müsse aber vor dem
20. dieses Monats sich endgiltig entscheiden. Diese Entscheidung könne nur
im Sinne der Aufrechthaltung der Offensivallianz ausfallen. Köln müsste im
Falle einer Kündigung derselben überdies die französischen Subsidiengelder
zurückbezahlen, ohne sich imstande zu sehen, aus den Mitteln der eigenen
Lande das nötige Kriegsvolk zu unterhalten. In der kurfürstlichen Audienz
sowohl wie in den Ministerkonfereuzen verwertete Wilhelm auch das, was er
unterwegs an den rheinischen Höfen Mainz und Trier in Erfahrung gebracht 81 );
nicht bloss der Trierer, auch der Mainzer Erzbischof, der Urheber der Marien¬
burger Allianz, trieb damals unter dem Scheine der Neutralität eine franzosen¬
freundliche Politik.
Nachdem so Wilhelm von Fürstenberg bei dem Kurfürsten die Über¬
zeugung von dem Siege und der gerechten Sache Kölns gefestigt zu haben
glaubte, erneuerte er das Gesuch um 1500 Mann zu Fuss und 160 Dragoner
und um Überlassung des Generals Berlo, wenn auch nur für einige Monate.
Sollte Bayern deshalb vom Kaiser angegriffen werden, so versicherte Köln die
Stellung eines Hilfskorps von 600 Mann zu Pferd und 2000 Mann zu Fuss.
Im Laufe der späteren Konferenzen erklärte sich der Kölner Minister im
Namen seines Herrn, der zugleich Administrator von Berchtesgaden war, auch
bereit, die Werbe- und Ausrüstungskosten für das Hilfskorps von den Berchtes¬
gadener Salzintradeu, deren Verwaltung Kurbayern führte, abziehen zu lassen 82 ).
Weil der Kaiser mit Hilfe des Reichstages Köln zur Abrüstung und zur Ent¬
lassung der fremden Hilfsvölker zwangen wolle, w r eil der Kaiser im Wider¬
spruche mit dem instrumentum pacis Westfalicae selbst das Vorhaben Branden¬
burgs, die General Staaten gegen Frankreich und deren deutsche Bundes¬
genossen zu unterstützen, zu begünstigen scheint: so wiederholte überdies
Fürstenberg das frühere Ersuchen, der Kurfürst von Bayern möge dahin
wirken, dass zu Regensburg nichts vorgenommen und beschlossen werde, was
den so teuer erkauften Frieden des Reiches stören oder Köln statt einer
Genugthuung Schädigung seiner Lande bringen könnte.
Am frühesten einigten sich die bayerischen Räte mit dem Prinzen
Wilhelm und dem gleichzeitig ein getroffenen Pfalz-Neuburger Abgeordneten
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30
Michael Doeberl
über den materiellen Inhalt des gemeinsamen Reichstagsvotums in der kölnisch-
holländischen Angelegenheit; schon am 14. April konnte der Kölner Kurfürst
seinen Dank hiefür aussprechen 88 ). Die Verhandlungen über die militärischen
Forderungen dagegen zogen sich mehrere Wochen hin. Gleichzeitig fand in
derselben Angelegenheit ein lebhafter Schriftenwechsel zwischen Köln und
München statt; der Erzbischof erinnerte unter anderem an die vielen Tausende,
mit denen in früheren „trüben Zeiten“ das Hochstift dem Kurhause Bayern
assistiert habe. Die Hauptschwierigkeit machte die Garantiefrage; wiewohl
Köln nicht bloss für die eigene, sondern auch für die französische Garantie
Bürgschaften bot, verweigerte Kurbayern den Abschluss, bevor die französische
Garantie zu seinen Händen gelangt. Wieder und wieder betonte Köln, dass
„maximum in mora periculum“ sei 84 ). Schon hatten England und Frankreich
den Krieg gegen Holland eröffnet, schon hatte Wilhelm Egon von Fürste n-
berg einen eigenen Kurier von München nach Frankreich entsandt 36 ), um
die Verhandlungen über den französischen Garantie vertrag zu beschleunigen,
da endlich, ehe noch die Antwort vom französischen Hofe eingetroffen, kam
es am 25. April 1672 zu einer vertragsmässigen Vereinbarung 36 ). Die letzte
Redaktion des bis jetzt unbekannten Vertrages stammt von der Hand Kaspars
von Schmid. Zwar das Gesuch um den General Berlo wird auch jetzt ab¬
schlägig beschieden, aber der Kurfürst von Bayern überlässt seinem Vetter,
dem Kurfürsten Maximilian Heinrich von Köln, zu seiner und des Erz¬
stifts Verteidigung ein Regiment von 1200 Mann zu Fuss in feldzugsmässiger
Ausrüstung mit den dazu gehörigen Ober- und Unteroffizieren und verspricht,
dieselben auf seine Kosten bis nach Wertheim in Franken, den Herrschafts¬
sitz des Schwagers der Fürstenberger, zu liefern, wo es dann von einem
Kölner Kommissär übernommen werden soll. Hingegen verpflichtet sich Köln,
die Hilfsvölker, falls Bayern derselben zum eigenen Schutze benötige, sofort
zurückzusendeu und den etwaigen Abgang zu ergänzen, beim Eintritt des
Friedens aber das Regiment nicht ohne Vorwissen Bayerns abzudankeu. Ferner
verschreibt es dem Kurfürsten 8000 Gulden von den Berchtesgadener Salz¬
geldern zur Erstattung der Werbe- und Ausrüstungskosten, jedoch mit der
Klausel, dass solche zurückerstattet werden sollten, falls der Kurfürst vor Ab¬
dankung der Kölner Truppen das Regiment zum Schutze des eigenen Landes
in seine Dienste zurückfordere. Im letzteren Falle übernimmt Köln auf seine
Kosten den Truppentransport bis Wertheini. Der 160 Dragoner, die that-
sächlich ebenfalls später nach Köln abgingen, geschieht in der Urkunde keine
Erwähnung.
Unmittelbar nach Abschluss dieses Vertrages verliess Fürstenberg
München; anfangs Mai ist er bereits wieder in Köln 87 ). So hatte derselbe
Mann, der die Generalidee zum bayerisch-französischen Bündnis von 1670
entworfen, das bayerisch-kölnische Waffenbündnis zustande gebracht. Wenn
auch Bayern in den holländischen Krieg nicht aktiv eingriff, wenn auch das
bayerische Kontingent, das unter kölnischer Flagge für Frankreich fechten
sollte, an Zahl unbedeutend war, der bayerisch-kölnische Vertrag war für
Frankreich und für das in französischen Diensten stehende Haus Fürstenberg
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
31
doch eine wertvolle Errungenschaft. Der Vertrag war ein neues Glied in der
Kette, welche Bayern an die Interessen Frankreichs knüpfte; fortan war Bayern
im holländischen Kriege persönlich engagiert.
III. Doch mit der Entsendung des bewilligten Hilfskorps nahm der
Kurfürst von Bayern trotz des Vertrags vom 25. April so lange Anstand, als
nicht die verlangte französische Garantie in völlige Richtigkeit gebracht war.
Daran vermochte auch das Anerbieten des Kölner Kurfürsten nichts zu ändern,
„er werde, bis solche garantie gänzlich adiustirt, berürte Völker nicht allein
nicht im feld gegen die Holländer gebrauchen, sondern, dafern wider verhoffen
und alle apparenz i. k. M* in Frankreich dieserthalb einige difficultet machen
solten, dieselbe sogar auf seine kosten in Bayern zurückliefern oder, wan
s. L/* es also lieber haben würden, noch einmal so viel an gelt, als bereits
ausgezahlt worden, dafür erlegen“ 88 ).
Schon in seiner am 8. April überreichten Note hatte Prinz Wilhelm
von Fürstenberg ein Kölner Hilfskorps von 2000 Mann zu Fuss und 600
zu Pferd zugesagt, falls Bayern wegen der Unterstützung Kölns angegriffen
werden sollte. Und noch während seiner Anwesenheit in München war hier
vom Vizekanzler Kaspar von Schmid ein Garantieentwurf 39 ) niedergeschrieben
und Wilhelm von Fürstenberg eingehändigt worden. Darnach sollte unter
der erwähnten Voraussetzung der König von Frankreich sich verpflichten zur
einmaligen Bezahlung von 180,000 Thalern für Werbung und Ausrüstung
einer Armee von 3000 Mann Kavallerie und 6000 Mann Infanterie und zur
jährlichen Bezahlung von 400,000 fl. Unterhaltungskosten. Die ziffermässige
Feststellung des Kontingentes, bezw. der dafür zu zahlenden Subsidiengelder
erfolgte unter ausdrücklicher Berufung auf einen analogen Fall,
welcher in einem Artikel des AllianzVertrages von 1670 vorge¬
sehen war. Gestattet die Nähe der Gefahr keine vollständige Durchführung
der bayerischen Werbung, so soll der König von Frankreich für einen vom
Kurfürsten zu bestimmenden Teil des Kontingents mit Mannschaft statt mit
Geld aufkommen. Diesen Garantieentwurf scheint Fürstenberg seinem Kurier,
den er von München an den französischen Hof entsandte, mit auf den Weg
gegeben zu haben. Die französische Antwort traf längstens am 16. Mai in
Köln und ziemlich gleichzeitig beim französischen Gesandten am Regensburger
Reichstage, Gravel 40 ), ein, demselben, der von 1663 bis 1672 im Aufträge seines
Königs die Verhandlungen mit Bayern führte. Frankreich erklärte sich darin
bereit, dem Kurfürsten von Bayern, falls er wegen der Truppensendung nach
Köln sich von dem Kaiser oder irgend einem Reichsfürsten angegriffen sehe,
die Truppenzahl zu bewilligen, die er verlangen sollte, ihm nötigenfalls mit
seiner gesamten Macht beizustehen und zwar auf den ersten Hilferuf ohne
Zeitverlust; die Regelung der (weiteren) Subsidien, mag diese der Kurfürst in
Truppen oder in Geld begehren, wird einem besonderen, auf den Zeitpunkt
des Angriffs verschobenen Vertrag Vorbehalten 41 ). Unterm 12. und 15. Mai
setzte Gravel den Obersthofmeister Hermann Egon von Fürstenberg von
dem Eintreffen und dem materiellen Inhalt des königlichen Garantieerbietens in
Kenntnis. Er sei bereit, dem Aufträge seines Königs gemäss mit den vom
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Michael Doeberl
Kurfürsten delegierten Räten an einem beliebigen Orte über den Garantie¬
vertrag in Unterhandlung zu treten, sei auch bereit, einen Vertragsentwurf,
der bayerischerseits auf der Grundlage des königlichen Anerbietens abgefasst
wäre, ohne weiteres im Namen seines Königs zu unterzeichnen 42 ).
Wirklich überschickte Fürstenberg bereits am 17. Mai ein Vertrags¬
projekt zur Unterschrift an Gravel. Es war aber nicht ein Entwurf im Sinne
der von Gravel mitgeteilten königlichen Ordre, sondern derselbe Entwurf,
welcher während der Anwesenheit Wilhelms von Fürstenberg in München
niedergesetzt worden war und eine spezifizierte Angabe der Truppenzahl und
der Hilfsgelder enthielt Eine solche Spezifikation, fügte Fürstenberg hinzu,
sei unerlässlich, um eintretenden Falls keine Zeit mit Verhandlungen zu ver¬
lieren; der König habe ja versprochen, den Kurfürsten mit seiner gesamten
Macht zu unterstützen, umso leichter könne er eine so niedrig bemessene
Hilfe gewähren 43 ). Gravel beantwortete am 19. Mai das Schreiben Fürsten¬
bergs mit der Übersendung eines Gegenprojekts 44 ), welches sich im allgemeinen
an den Wortlaut des bayerischen Projektes anschloss, an der entscheidenden
Stelle aber, bei der Feststellung des materiellen Inhalts der französischen
Garantie, sich innerhalb der Grenzen der königlichen Instruktion bewegte;
diese könne von ihm nicht überschritten werden, biete übrigens die grösst-
mögliche Sicherheit. Finde der Entwurf die Zustimmung des Kurfürsten, so
möge er in zwei Exemplaren vollzogen und ihm zugeschickt werden; er werde
dann im Namen seines Königs das Gleiche thun 45 ).
Der bayerische Kurfürst war von dem Vertragsentwürfe Gravels höchst
unangenehm überrascht. „Ich hab den aufsatz des Gravells empfangen und
gelesen“, schrieb er am 21. Mai eigenhändig aus Dachau an seinen Obersthofmeister,
„unverhofft aber kombt mir vor, das man difficultirt, aniezo die resolution zu
geben, ob und wie vil volks oder gelts an seiten Frankreich auf bewusten fall
man zu liefern schuldig sein solle. Erst alsdann vil zu tractieren, wann die
gefahr und der casus vorhanden, ist nit de tempore, sonder man wolle zuvor
wissen, auf was man sich zu verlassen, und kann ich nit erdenken, was es
haissen solle, dass darüber an seiten Frankreich man sich nit recht ausführlich
erkleren will“ 46 ). Er bittet Fürstenberg um Übersendung seines Gutachtens.
Wir kennen die weiteren Vorgänge am bayerischen Hofe in der Angelegenheit
nicht, da die erhaltene Korrespondenz zwischen dem kurfürstlichen Kabinets-
sekretariate und dem Kanzellariate uns an dieser Stelle im Stiche lässt Es fehlt
auch in dem einschlägigen bayerisch - französischen Korrespondenzakte das
Konzept des Briefes, welchen Fürstenberg in den nächsten Tagen nach Regens¬
burg entsandte; derselbe w r urde vermutlich wegen seines heiklen Inhalts bei den
Akten nicht hinterlegt. Doch erfahren wir aus dem Antwortschreiben Gravels
vom 26. Mai, dass Fürstenberg die eingetretene Verzögerung mit der Ab¬
wesenheit des Kurfürsten ausserhalb der Stadt und mit Geschäftsüberhäufung
entschuldigen musste. In dem envähnten Antwortschreiben bietet Gravel
noch einmal seine ganze Beredsamkeit auf, um den Widerstand am bayerischen
Hofe zu brechen; er habe sein Möglichstes gethan, um den Abschluss des
Garantievertrags und die Entsendung des von Köln so heiss begehrten Hilfs-
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
33
korps zu beschleunigen; je mehr er dem Werke nachdenke, desto mehr müsse
er sich von der Solidität des königlichen Garantieversprechens überzeugen;
übrigens habe es gar nicht den Anschein, -dass der Kaiser oder irgend ein
anderer Reichsfürst Anstoss nehme, wenn der Kurfürst von Bayern einem so
nahe verwandten geistlichen Fürsten ein kleines Hilfskorps übersende zur
Verteidigung der gerechtesten Sache, die jemals im Reiche verfochten werden
wird 47 ).
Am nämlichen Tage, an welchem dieser Brief in München eintraf, am
27. Mai, wurde das von Gravel überschickte Vertragsprojekt vollzogen 4h ). In
der aus dem bayerischen Entwurf herüber genommenen „narratio“ gedenkt die
Urkunde der Gewaltthätigkeiten der Holländer, der dadurch veranlassten Be¬
willigung eines Hilfskorps und der Bedingung, welche Bayern daran geknüpft.
In dem von Gravel redigierten Hauptkörper der Urkunde verpflichtet sich
Frankreich, dem Kurfürsten von Bayern, falls er wegen der militärischen
Unterstützung Kölns von einem Bundesgenossen Hollands angegriffen werden
sollte, sofort auf den ersten Hilferuf das von Bayern erbetene Hilfskontingent
an Reiterei und Fussvolk zu übersenden, ja ihm nötigenfalls mit seiner ge¬
samten Macht beizustehen. Überdies solle zu diesem Zeitpunkt, da ein
solcher Angriff erfolgt, die weitere Unterstützung, sei es in Truppen, sei
es an Hilfsgeldern, in einem besonderen Abkommen zwischen dem König von
Frankreich und dem Kurfürsten von Köln einerseits, dem Kurfürsten von
Bayern anderseits geregelt werden. Es ist eine fast wörtliche Wiedergabe
der im Schreiben Gravels vom 15. Mai mitgeteilten königlichen Ordre, mit
Hinzufügung zweier freilich nicht bedeutungsloser Wörter: insuper (überdies)
und ulterior (weiter).
Der Vertrag wurde von Bayern am nämlichen Tage vollzogen, an welchem
Maximilian die Kriegserklärung an Holland erliess. Die Notrufe aus Köln,
vom Kurfürsten sowohl wie von den Fürstenbergischen Brüdern, haben auch,
wie es scheint, den letzten Widerstand des bayerischen Kurfürsten gebrochen.
Noch jenem Schreiben Gravels, welches am 27. Mai in München eintraf, war
ein Brief des Bischofs von Strassburg, Franz Egon von Fürstenberg, beigelegt,
worin er bat, alles in Bewegung zu setzen, um den Abmarsch der Truppen
zu ermöglichen. Und am nämlichen Tage langte in München ein Hand¬
schreiben Maximilian Heinrichs an seine Base, die Kurfürstin Adelheid, an,
die sich selbst so gerne ihi;es Einflusses auf ihren Gemahl rühmte, mit der
Bitte, die Absendung des bayerischen Hilfskorps zu befürworten; sie könne
versichert sein, dass der König von Frankreich eher Krone und Szepter daran
setzen als zulassen werde, dass deswegen „unser“ Kurhaus in die geringste
Ungelegenheit gerate 49 ). Daher liess denn auch der Kurfürst am nämlichen
Tage, an welchem der Garantievertrag unterzeichnet wurde, dem Kölner
melden, er habe die Verfügung getroffen, es sollten sowohl das Regiment zu
Fuss als die zwei Kompagnien Dragoner sich so zeitlich in seiner Stadt
Wemding einfinden, dass sie den 4. Juni den Marsch nach Wertheim an treten
und dort am 9. oder 10. desselben Monats eintreffen könnten 50 ).
IV. Schon mit Beginn des Jahres 1672 hatte die Werbung begonnen,
Bayer. Forschungen VI, 1. 3
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Michael Doeberl
am 14. Mai 1672 war die Formationsordre für das nach Köln bestimmte
bayerische Hilfskorps erschienen, um freilich nachträglich einige Änderungen
zu erfahren 51 ). Das Hilfskorps bestand vertragsmässig aus einem Infanterie¬
regiment, in 10 Kompagnien zu je 120 Mann formiert, und aus 2 Kompagnien
Dragoner zu je 80 Mann. Den Befehl über das Regiment führte der Kom¬
mandant von Ingolstadt, Oberst und Kriegsrat Johann Wilhelm Culer, dem
als Oberstlieuteuant Claude Chevalier de Bronne, der bereits als Oberst¬
wachtmeister 1669 die Expedition nach Candia mitgemacht hatte, und als
Oberwachtmeister anfangs Ludwig Lünkh von Kirchheim, später Pfisterer
beigegeben war. Der übrige Stab war wohl ähnlich formiert, wie er sich
1673 unter dem Kommando Bibous ergeben wird. Die erste Kompagnie,
die sogenannte Leibkompagnie, war nach damaligem Herkommen vom Obersten,
bez. seinem Kapitänlieutenant, geführt, ebenso die beiden nächsten vom Oberst¬
lieutenant und Oberstwachtmeister; die folgenden von den Hauptleuten Jakob
Vieuxfume, dem Grafen Johann Baptist Arco (Arch), dem Sohne des
gleichnamigen Generalfeldzeugmeisters, vom Grafen Alfons von Berlo, dem
Sohne des gleichnamigen Generalwachtmeisters, vom Grafen Christian August
von Öttingen, von Cosmo Compagni. Für die beiden letzten Kom¬
pagnien waren ursprüglich als Hauptleute bestimmt Johann Öpfler und
Matthias Renner; noch vor dem Ausmarsch aber traten an ihre Stelle
Ernst von Helmstätt und wahrscheinlich Baron von Mercy 52 ). Mit
dem Kommando der beiden Dragonerkompagnien war Oberst Philipp de
Martin betraut; ihm war für die zweite Kompagnie als Hauptmann Niko¬
laus Dubelier beigegeben, in Köln sollten ihm drei weitere Kompagnien
mit drei Hauptleuten unterstellt werden 53 ).
Entsprechend dem bayerischen Schreiben an Kurköln vom 27. Mai rückte
das bayerische Hilfskorps am 4. Juni vom Sammelplatz Wemding ab und traf
am 9. in Wertheim ein. Hier nahm die bayerischen Truppen ein Kölner Kom¬
missär, der Oberkellner zu Bonn, in Empfang, der bereits am 15. Mai nach
Wertheim entsandt war 51 ). Das Infanterieregiment setzte auf den in Bereit¬
schaft gehaltenen Schiffen die Reise fort, die beiden Dragonerkompagnien
aber auf dem Landwege 55 ). Zwar wird die Führung des bayerischen Hilfs¬
korps von zeitgenössischen Stimmen gerühmt, trotzdem wurde es bei der Ge¬
reiztheit der öffentlichen Meinung gegen die Politik Kölns überall mit dem
grössten Misstrauen empfangen. Schon vor Wertheim, in dem Gebiete des
mit Frankreich doch in einem gewissen Einvernehmen stehenden Mainzer
Kurfürsten, war verboten worden, ihm „etwas mehr als das blosse Dach zu
gewähreu.“ Selbst die Thore Wertheims, der Residenz des Schwagers ^der
Fürstenberger, des Grafen von Löwenstein, waren den bayerischen Truppen
versperrt; sie mussten sich ausserhalb der Stadt lagern 56 ). Als das Regiment
vollends vor Bacharach kurpfälzisches Gebiet passieren wollte, wurde ihm der
„Durchpass“ verweigert, obwohl man sich erbot, zwei Hauptleute als Geiseln
zu stellen. Das Regiment musste die Schiffe verlassen und eine Zeit lang
zu Lande den Weg fortsetzen unter Umgehung des mit Bewaffneten ange¬
füllten kurpfälzischen Territoriums 57 .
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
35
In einer späteren Note beschwerte sich der Pfälzer Kurfürst über eine
Äusserung, welche Culer gegenüber dem Oberamtmann von Bacharach gemacht
habe: „Wenn er gewusst hätte, dass uns die Dorfschaften Weisel und Dor-
scheidt 58 ) zugehörten, hätte er mit allem seinem Volk das Nachtlager daselbst
nehmen wollen.“ Im Feldlager vor Groningen musste sich der Oberst vor
dem Bischöfe Franz Egon von Fürstenberg verantworten und schrieb dann
in dieser Angelegenheit an den Kölner Kurfürsten, er könne von tapferen
Leuten bezeugen lassen, dass er weder von dem Oberamtmann zu Bacharach
noch von einem andern Beamten ein Quartier, sondern lediglich den Durch¬
pass gegen Stellung zweier Hauptleute als Geiseln verlangt habe. „Nachdem mir
aber mein nicht unbilliges und, soviel mir bekannt, den zu Regensburg gefassten
reichsresolutionen nicht zuwiderlaufendes anerbieten nicht gehört worden, habe
ich ohne weiteres das regiment aussteigen lassen und den umweg dergestalt
genommen, dass ich das kurpfälzische mit vielen hundert bereits bewaffnete
territorium zur linken hand ohne die geringste berührung und dies alles zu
schuldigem respekt seiner kf. Dt zu Pfalz, wohl überlegend, dass, weil der
verwilligungsbefehl für das durchmarschieren nicht erfolgt, ich mich einiger
eigenthätlichkeit zu meiner schweren Verantwortung unterstehen würde.“ „Des
kominandanten zu Bacharach scharfe procedur ist dermassen strenge gewesen,
dass er auch ein oder zwei buschen lullten und ein fässlein kugel, ja sogar
eines oder anderen kranken gewehr bei der dreimaligen ernstlichen visitierung
auf der schiffung nicht dulden wollen.“ Culer schliesst sein Schreiben mit
der Berufung auf den Kölner Begleitkommissär. Diese Rechtfertigung
wurde abschriftlich dem pfälzischen und dem bayerischen Hofe mitgeteilt
Damit war der Zwischenfall erledigt.
Am 16. Juni 1672 landete das Regiment in Kaiserswert, am folgenden
Tage brach es mit dem Reste der Kölner Truppen nach Holland auf 59 ).
Bereits hatten die Franzosen jenseits der Ijssel, ihre Kölnischen und Münsteri-
schen Bundesgenossen diesseits der Ijssel den Feldzug eröffnet. Am 23. Juni,
also vielleicht noch vor dem Eintreffen des bayerischen Hilfskorps, war fast
ganz Oberijssel in der Gewalt der Kölner und Münsterer. Der Streit um die
Eroberungen führte vorübergehend zu einer Trennung der beiden Bischöfe;
Maximilian Heinrich blieb mit seinen Truppen in Deventer und Zwoll,
Christoph Bernhard von Galen dagegen setzte seinen Raub- und Plünderungs¬
zug nach dem Norden fort! Als jedoch der Bischof von Münster nach der
Einnahme Coevordens (11. Juli) zur Belagerung Groningens schritt, forderte
der Kölner für seine Truppen Anteil an den militärischen Aktionen und den
winkenden territorialen Erwerbungen 60 ). Am 22. Juli begannen die Münsterer
und Kölner unter dem Oberbefehle des französischen Generals Marquis de
Resnel die später so berühmt gewordene Belagerung Groningens, der Haupt¬
stadt der gleichnamigen Provinz. Im Belagerungsheere befand sich auch das
bayerische Hilfskorps, das Infanterieregiment, wie die Dragoner.
Vom Abend des 24. bis zum 25. Juli errichtete das bayerische
Regiment eine „über die massen stattliche“ Batterie und schlug wieder¬
holte Ausfälle der Garnison und der Bürgerschaft ab. „Die Soldaten
3 *
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36
Michael Doeberl
und burger seiud von der stat zu underschidlichen malen ausgefallen, aber
von dene Bayerischen inusquetieren iedesmal alsbald widerumb abgetriben
worden.“ Am 27. Juli erprobten sich auch die bayerischen Dragoner unter
ihrem Obersten de Martin mit 5 Kompagnien friesländischer Reiterei in einem
tapferen Vorposten gef echte bei dem in der Umgegend Groningens liegenden
Dorfe Drachten. Die Gegner wurden in die Flucht geschlagen und Hessen
zwei Standarten, 50—60 Tote und 50 Gefangene zurück, darunter einen Haupt¬
mann und mehrere Lieutenants. Vom 28. bis 29. Juli, dann wiederum vom
31. Juli bis 1. August arbeitete das bayerische Fussvolk an einer zweiten
grösseren Batterie für 8 Kanonen und nahm überdies eine neue für 5 Kanonen
in Angriff. Am 29. Juli zählte das Regiment einen Toten und drei Ver¬
wundete, am 31. Juli zwei Tote und 8—10 Verwundete.
Bis jetzt dienten als Quelle für die Vorgänge bei Groningen tagebuch¬
artige Aufzeichnungen — „Journal“ oder „Relation“ —, welche Prinz Wilhelm
von Fürstenberg aus dem Lager an den in Zwoll zurückgebliebenen Kurfürsten
Maximilian Heinrich, dieser in Abschriften an den bayerischen Hof entsandte 61 ).
Dieser aus der Feder Wilhelms von Fürstenberg stammende Bericht lässt uns
seit dem 2. August im Stich; offenbar haben die damals beginnenden starken
Verluste der Belagerer den Kölner Kurfürsten bestimmt, die Übersendung der
weiteren Fortsetzungen der Relation einzustellen. Groningen wurde unter
Leitung des deutschen Kommandanten Rabenhaupt heldenmütig verteidigt;
Garnison und Bürgerschaft hatten sich eidlich verpflichtet, die Stadt bis aufs
äusserste zu halten. Groningen konnte überdies „wegen inundation deren
umliegender landen“ 62 ) nur von einer Seite angegriffen werden, war daher in der
Lage, von Friesland und Holland Unterstützungen an Lebensmitteln, Waffen,
Munition und Mannschaft an sich zu ziehen. Die Belagerer hatten erhofft,
eine englisch-französische Flotte würde mit Truppen an Bord vor dem nahen
Delfzijl erscheinen; statt dessen fuhr die holländisch-ostindische Kauffahrtei¬
flotte im Hafen ein. Schon am 14. August beginnen die Äusserungen des
Kölner Kurfürsten gegenüber seinem bayerischen Vetter kleinlaut zu werden,
schon rechnet er mit der Möglichkeit einer Aufhebung der Belagerung 68 ). Am
28. August war die Aufhebung der Belagerung bereits beschlossene Sache.
„Zwar waren alle Vorbereitungen getroffen den graben zu füllen und zum
sturm zu schreiten“ — schreibt am 28. August Kurfürst Maximilian Heinrich
von Zwoll nach München —, „allein durch das fortwährende regemvetter war
unser volk sehr ermattet, alle umliegenden wege derart unter wasser gesetzt,
dass es unmöglich, an der anderen seite der stadt sich zu nähern, diese also
einen succurs von etlich 1000 mann und viel geschützen und munition er¬
langt, auch viele Münsterische Soldaten verlaufen oder erkrankt, auch der
feind unsere batterien und approchen mit 60 schweren geschützen unaufhör¬
lich beschossen. Deshalb hat die generalität die aufhebung der belagerung
für nötig gehalten und die aus dem reich dem verlaut nach anmarschierende
armee dieserorten abzuwarten. Gestern wurden bereits die stück von den
batterien abgeführt und die tranchee verlassen, nachdem der feind beim ver¬
such eines ausfalls am vorigen abend mit ziemlichem verlust zurückgetrieben.
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
37
Dabei ist aber Ihr Oberstlieutenant de Bronne i stund oder 2
vorher durch einen musquetenschuss in der tranchee geblieben;
wir sehen daher einer baldigen Wiederersetzung entgegen“ 64 ).
Die deutschen Verbündeten hatten vor Groningen schwere Verluste er¬
litten, besonders hart war das bayerische Regiment mitgenommen worden.
Nach einem zeitgenössischen Berichte im Theatrum Europaeum 66 ) zählte es
nur noch 800 Mann; darf man ein im Münchener Staatsarchiv befindliches
Verzeichnis 06 ) hieher beziehen, war der Stand des Regiments sogar auf 650
Mann herabgesunken. Noch in letzter Stunde, am 26. August, hatte der
Oberstlieutenant des Regiments, Claude Chevalier de Bronne, in den Lauf¬
gräben von Groningen seinen Tod gefunden; an seine Stelle wurde später
vom bayerischen Kurfürsten der bisherige Oberstwachtmeister Pfisterer be¬
fördert, Oberstwachtmeister wurde V i e u x f ü m e ei ). Es klingt fast wie eine
Ironie, wenn man das Schreiben liest, in welchem Rabenhaupt dem ihm
von früherer Zeit her befreundeten bayerischen Kurprinzen Max Emanuel
die ruhmreiche Verteidigung Groningens schildert 68 ), Groningens, das dem
bayerischen Hilfskorps die Hälfte seiner Mannschaft gekostet
Die missglückte Belagerung Groningens bedeutete einen Wendepunkt
im holländischen Kriege. Dem Siegeslauf der deutschen Verbündeten
Frankreichs war ein Ziel gesetzt, ihr militärisches Prestige erschüttert. Die
beiden geistlichen Reichsfürsten behaupteten in Holland nur noch wenige
Plätze und mussten überdies einen grösseren Teil ihrer Truppen in ihre
eigenen Lande zurückführen, da diese von einer kaiserlich-brandenburgi sehen
Invasion bedroht wurden. Schon in dem Schreiben vom 14. August hatte
Kurfürst Maximilian Heinrich die Notwendigkeit einer Aufgabe der Be¬
lagerung Groningens mit der Befürchtung begründet, dass „in den Kölni¬
schen und Münsterischen landeu icht was widriges zu befahren sein würde“.
V. Über die Schicksale des bayerischen Hilfskorps nach der Schlacht
von Groningen wie über die Veränderung im Kommando, mit anderen Worten
über die Abberufung Culers und seine Ersetzung durch Siegfried von Bibou,
fehlen bis jetzt alle Nachrichten. Ich hoffe auch hierin das Dunkel etwas
zu lichten. Das Regiment hatte, wie bereits erwähnt, starke Einbussen er¬
litten, man war in Köln deshalb in einiger Verlegenheit und hüllte sich
längere Zeit in Stillschweigen. Vom Regimentskommandeur scheinen zwar
Briefe in München eingetroffen, wegen ihres bedenklichen Inhalts aber auf
Veranlassung Fürs teil bergs dem Kurfürsten geheim gehalten wordeu zu
sein. Da, am 5. Oktober 1672, wendet sich Ferdinand Maria direkt an seinen
Kölner Vetter mit der Bitte, ihm von dem Zustande seines Hilfskorps, dem
Befinden des Obersten Culer und der ihm untergebenen Offiziere Nachricht
zu geben. Seit geraumer Zeit sei ihm weder von dem Obersten noch von
anderen Offizieren irgendwelche Mitteilung zugegangen. Er gibt seiner Be¬
fürchtung Ausdruck, es möchte mit der Bestellung der Briefe „nicht richtig
hergegangen“ oder dieselben von anderen „interzipiert“ worden sein 69 ). Darauf
sucht Kurfürst Maximilian Heinrich den Kurfürsten zu beschwichtigen
mit der Erwiderung, er lasse sich das Wohl des ihm untergebenen Regimentes
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Michael Doeberl
möglichst angelegen sein; er habe demselben bereits die Löhnung bis auf den
13. November auszahlen lassen und sei gegenwärtig damit beschäftigt, die
Soldaten auch mit Kleidung und sonstiger Notdurft zu versehen. Weil aber
das Regiment „durch die kampagne in etwas geschwächt sei,“ so stelle er an
seinen Vetter das Ersuchen, zur Werbung neuer Rekruten einem der Offiziere
die Erlaubnis zum Hinaufreisen zu erteilen. Der Graf von Öttingen eigne
sich dazu am besten; er könne bei der Werbung auf die Unterstützung
des Herzogs von Württemberg wde seines Bruders rechnen 7< ). Aus diesem
Kurkölner Schreiben erfahren wir aber auch — und das ist für uns das
Wertvollste—, dass Maximilian Heinrich dem Obersten Culerdas
Kommando in seiner Stadt Neuss übertragen hatte, dass dieser
hier mit sieben Kompagnien einquartiert war; wir erfahren
ferner, dass die bayerischen Dragoner bei den noch in Fries¬
land stehenden kölnischen Völkern sich befanden. Nach der
Schlacht von Groningen w^ar nämlich der eine Teil des Kölner Kontingentes
in die früher eroberten festen Plätze Hollands eingezogen, ein anderer war
in die Kölner Stiftslande zurückgekehrt, um sie gegen einen eventuellen An¬
griff der Kaiserlichen und Brandenburger zu verteidigen; beim letzteren befand
sich das bayerische Infanterieregiment, beim ersteren die bayerischen Dragoner.
Der Kurfürst gab sich mit der Mitteilung zunächst zufrieden und
scheint durch seine französisch gesinnten Räte über das Schicksal seines
Regimentes noch weiter beruhigt worden zu sein. Doch das Kölner Ersuchen
um Werbung neuer Rekruten beantwortete er soviel wie ablehnend. Die
Berichte ergäben täglich, dass mit den Werbungen dieser Orten und auch in
Schwaben je länger, je schwerer fortzukommen sei. Nur wenn der Graf von
Öttingen bestimmte schriftliche Zusicherungen vonseiten des Württemberger
Herzogs habe, könne er ihm die Heraufreise bewilligen 71 ).
Das war Ende Oktober. Um dieselbe Zeit traf am bayerischen Hofe
als kaiserlicher ausserordentlicher Gesandter der Reichs Vizekanzler Graf Leopold
Wilhelm von Königsegg ein. Bereits hatte der Kaiser gemeinsam mit Branden¬
burg die erste gegen Frankreich wie Köln und Münster gerichtete „Expedition
ins Reich“ angetreten; die Bemühungen der kaiserlichen Diplomatie gingen
in jenen Tagen dahin, die deutschen Reichsstände, insbesondere Bayern zur
Teilnahme an den eventuell nötigen Zw T angsmassregeln gegen Frankreich
und dessen deutsche Bundesgenossen zu bestimmen. Königs egg nun erhielt
in der zweiten Hälfte des November durch einen „guten Freund“, welcher
seine Informationen unmittelbar von dem Sekretär der Kurfürstin Lantoeri
hatte, Kenntnis von einem Briefe Culers an den Generalfeldzeugmeister
Grafen Prospero d’Arco. I11 diesem beklagte sich der Oberst in den bittersten
Worten über den Zustand seines Regiments, während der Kurfürst „berichtet
war, als wann es damit zum besten stunde“ 72 ). Arco, den Königsegg als den
treuesten Diener des Kaisers bezeichnet, händigte den Brief der Kurfürstin
ein und stellte ihr dabei vor, wie w r enig seitens des Kölner Vetters die
bayerische Freundschaft geachtet, wie sehr durch die Entsendung des Hilfs¬
korps im Kölner Dienste die bayerische Werbung diskreditiert sei; es w T äre
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
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besser, das Hilfskorps zurückzuforderti, und das umsomehr, als zu befürchten,
dass Kurköln sich mit Frankreich auch gegen den Kaiser verbinden werde,
„worbey Völker des Churbayerischen namens zu haben vor der weit scandalos
sein würde.“ Adelheid war zwar aufgrund ihrer Abstammung sowohl wie
ihrer inneren Neigungen französisch gesinnt und hatte Hermann von
Fürstenberg wie dem Vizekanzler Kaspar von Schmid kräftig vorge¬
arbeitet, um Ferdinand Maria zum Anschluss an Frankreich zu vermögen.
Aber diese allmächtige „Trinität“ war, um mit den Worten Königseggs zu
sprechen, „gar keine Unität“ Adelheid war, wie sich nicht bloss aus den Be¬
richten der kaiserlichen, sondern auch der französischen Gesandten am
bayerischen Hofe 78 ) ergiebt, eifersüchtig auf den immer wachsenden Einfluss
Fürstenbergs und Schmids, konnte auch nach einer Äusserung ihres
Beichtvaters Spin eili nicht verwunden, dass man in dem Allianzvertrag von
1670 Frankreich die Unterstützung zur Erwerbung der Kaiserkrone zugesagt
und ihrem Kurprinzen damit nur die Aussicht auf die römische Königskrone
gelassen, und erörterte schon damals in dem Verkehre mit Königsegg als
Lieblingsprojekt die einstige Vermählung ihres Sohnes Max Emanuel mit
der Kaiserstochter Marie Antonie 74 ). Die Vorstellungen Prospero d’Ar cos
fanden daher bei der Kurfürstin ein williges Ohr, sie versprach auch das
„alsogleich mit nachtrucklicher representation dem churfürsten zu überschicken;
solle auch gar harte wort gegen Fürstenberg und in specie dises ge¬
meldet haben, nach Cölln würde er alle hiesige Völker schicken, ob es schon
wider kais. M* were, nach Savoyen kene er es wohl difficultiern“.
Der Zwischenfall verfehlte nicht seine Wirkung. Mitte Dezember, zu
derselben Zeit, da sich das kaiserlich-brandenburgische Heer in die Kölner
Lande, nach Westfalen, in Bewegung setzte, erliess der Kurfürst eine scharfe
Note nach Köln. Auf grund der Vertröstungen vom 15. Oktober habe er
sich der sicheren Erwartung hingegeben, sein Regiment würde sich in An- •
sehung der geleisteten tapferen Dienste einer solchen Behandlung erfreuen,
dass Offiziere wie gemeine Knechte sich wieder erholen könnten. „Nachdem
ich aber vernehme, dass ungeacht der grossen teuerung ihnen gar schlecht
an hand gangen und mit der bezahlung nicht zugehalten wird, folglich in
entstehung zeitlicher remedierung die ruin meines regiments nicht unbillig zu
besorgen sei: also ersuche ich E. L d auf Conservation dieser leut, daran Ihro
sowohl als mir gelegen, welche noch weiter gut dienste leisten können,
mehrers bedacht zu sein und zu verfügen, damit ihnen über der gewöhnlichen
servis ihre gage zu richtiger Zeit ordentlich geraicht und sie hiedurch zu
erzaigung ihres valors und Schuldigkeit bei firfallenden occasionen zu fernerem
eifer an gefrischt und aufgemuntert werden“ 7 B ). Kurfürst Maximilian
Heinrich, dessen finanzielle Mittel damals völlig erschöpft waren, dessen
eigene Regimenter wegen unregelmässiger Soldbezahlung täglich zu meutern
drohten, 'erwiderte, er habe den Befehl gegeben, das bayerische Regiment in
bezug auf Geldverpflegung und Bekleidung vor allen anderen zu befriedigen;
ihm liege das bayerische Regiment mehr am Herzen als seine eigenen
Regimenter. Er verhoffe, dasselbe werde keine gerechte Ursache mehr zu
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Michael Doeberl
einer Beschwerde haben 76 ). Damit verschwindet die Angelegenheit für längere
Zeit aus dem Auge.
Die österreichische Partei am Münchener Hofe in Verbindung mit dem
kaiserlichen Gesandten hatte wohl eine vorübergehende Verstimmung des Kur¬
fürsten gegen Köln zustande gebracht, aber eine Abberufung des Regiments
hatte sie nicht erreicht. Bald kamen andere Ereignisse hinzu, welche eine
solche Hoffnung völlig aussichtslos machten. Immermehr zeigte sich der
mangelnde Emst in der kaiserlichen Kriegsführung. Mitte Januar erschien
Tu renne auf dem niederrheinischen Kriegsschauplätze und erwies sich sofort
durch seine energischen und meisterhaft geführten Operationen den Kaiserlich -
brandenburgischen überlegen. Um dieselbe Zeit hatte der gleichzeitig mit
Königsegg in München eingetroffene französische Gesandte Herzog von
Vitry seinen österreichischen Rivalen aus dem Felde geschlagen und auf
Grundlage des Vertrags von 1670 eine neue Vereinbarung zustande gebracht,
in welcher sich Bayern verpflichtete, mit einer auf Kosten Frankreichs anzu¬
werbenden und zu erhaltenden Observationsarmee von 9000 Mann den kaiser¬
lichen Truppen den Durchzug durch Bayern zu verwehren 7 7 ). Ende Februar
löste sich das Waffenbündnis zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von
Brandenburg, knüpfte letzterer Verhandlungen mit Frankreich an 78 ). In der
ersten Hälfte des April aber schloss Köln zu Soest einen neuen Subsidien-
vertrag mit Frankreich, der seine Spitze auch gegen den Kaiser richtete 79 ),
und einigten sich Bayern und Frankreich zu einer gemeinsamen diplomatischen
Aktion gegen den Kaiser auf dem Reichstage.
Nunmehr glaubte die französische Partei am Kölner wie am Münchener
Hofe den Zeitpunkt gekommen, um gegen den unbequem gewordenen Obersten
des bayerischen Regimentes vorzugehen. Man hatte ihm die Ungelegenheit
nicht vergessen, welche sein Schreiben an den Generalfeld zeugmeister bereitet,
man hatte auch nicht mehr das Zutrauen, um ihn zu einem weiteren Kriege
gegen Holland oder gar gegen den Kaiser selbst zu verwenden.
Vor langer Zeit hatten sich einzelne bayerische Soldaten ohne Urlaub
vom Regimente entfernt und waren nach ihrer Heimat zurückgekehrt; hier
setzten die Gegner ein. In einer nach Bayern abgegangenen Note vom
30. April 1673 erhob Köln beim bayerischen Kurfürsten Beschwerde darüber,
dass vom bayerischen Regimente „verschiedene auch mit weib und kind ver¬
sehene und aus den kurbayerischen landen gebürtige alte knechte das regiment
verlassen, sich nach Bayern hinaufbegeben und sogar in der bayerischen
residenzstadt unterhalt gefunden“. Vor wenigen Wochen habe sich auch ein
Korporal der Öttingischen Kompagnie mit mehreren gemeinen Knechten
hinaufgemacht und sei laut schriftlicher Meldung bereits in München ange¬
kommen. Ein solches Vorgehen — „es sei durch veranlassen der
Offiziere oder nicht“— müsse den Ruin des Regimentes nach sich ziehen.
Köln fordert exemplarische Bestrafung der Deserteure und Absendung einer
kurfürstlichen Signatur an den Obersten Culer des Inhalts, dass, wer fernerhin
ohne Urlaub sich nach Bayern begebe, „in banden herunter zum regiment
und zu behörlicher bestrafung geschickt werden solle“ 80 ). Der Hofkriegsrat,
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
41
welcher zum Bericht und Gutachten aufgefordert wurde, verantwortete sich
dahin: allerdings seien vor längerer Zeit 5—6 Soldaten ohne Pass herauf¬
gekommen, mit der Entschuldigung, sie hätten keine Lebensmittel mehr ge¬
habt, „viel weniger sei ihnen etwas an leib geschafft worden“. Diese Soldaten
seien allerdings unter die Münchener Kompagnien aufgenommen worden, aber
nur aus dem Grunde, weil man einerseits die Kosten für einen Gefangenen¬
transport scheute, anderseits fürchtete, sie möchten, wenn man sie ohne
Bedeckung hinunterschicke, einem fremden Herrn zulaufen. Die anderen
herauf gekommenen Soldaten, wohl ebensoviel an Zahl, hätten vom Obersten
oder ihren Hauptleuten Urlaubspässe gehabt, um sich wegen der im Kriege
erhaltenen Wunden oder anderer Krankheiten in ärztliche Behandlung zu be¬
geben. Von einem Korporal und sonstigen gemeinen Knechten der Öttingischen
Kompagnie sei hier nichts bekannt, weder der Korporal noch einige Knechte
hätten sich angemeldet. Doch sei bereits an die Aussenbehörden ein Haft¬
befehl ergangen. Es unterliege der kurfürstlichen Entscheidung, ob die ohne
Pass heraufgekommenen Soldaten unter Bedeckung zum Regiment zurück¬
geführt werden sollten. Im übrigen geht das Gutachten des Hofkriegsrates
dahin, den Obersten Culer mit der Bekanntmachung folgenden Befehls zu
beauftragen: „wenn ein oder andere Soldaten sich unterfangen würden, mein¬
eidig zu werden, solle er alsogleich in eisen und banden zum regiment ge¬
schickt und ihm der process formirt werden“. Auch empfehle es sich, „dass
einige offizire ohne sonderbare erhebliche Ursache ferner nicht mehr herauf¬
gelassen würden; denn dies verursache, dass alsdann noch mehr Soldaten
naehfolgen möchten“ 81 ). Der Kurfürst entschied sich später im Sinne des
letzterwähnten Gutachtens des Hofkriegsrates.
Bevor aber in der Angelegenheit der Deserteure der bayerische Be¬
scheid an Kurköln gelangte, war in der Frage Culer die Entscheidung ge¬
fallen, hatte sich der Kurfürst zur Abberufung des Obersten bestimmen lassen ;
natürlich war es Culer schon vorher kölnischerseits nahe gelegt worden,
um seine Rückversetzung nach Bayern einzugeben. Bereits am 28. Mai 1673
schreibt Köln an Bayern: „Indem E. L^ befelchs geines deroselben kriegsrat
und oberster Culer sich wieder hinauf begeben thuet, derselbe auch mir alle
satisfaction gegeben: so habe ich billig ihm dies Zeugnis mitgeben und
E. L d zugleich versichern wollen, dass Sie gewisslich an demselben einen
guten offizir und treuen diener haben“ 89 ). Schon vierzehn Tage vorher, am 13. Mai,
also zur selben Zeit, wo jener erste Vorstoss gegen Cul*er in der Desertions¬
angelegenheit gemacht worden war, hatte sich im Aufträge Kölns der Bischof
von Strassburg nach Paris an den Herzog von Mecklenburg gewendet, mit
der Bitte um Überlassung des französischen Obersten Bibou, damit dieser
an Stelle Culers das Kommando über das kurbayerische Regiment übernehme.
Noch am 17. Mai gewährte der Herzog zu Mecklenburg dem Obersten
Bibou den erbetenen Urlaub, sich „mit eid und pflichten dem kurfürsten
von Bayern verbindlich zu machen und die dem vorigen obersten erteilte in-
struction zu observiren.“ Nur behielt er sich das Recht der Rückberufung
Bibous in seine Dienste vor 88 ).
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Michael Doeberl
In demselben Schreiben vom 28. Mai teilt Köln dem Kurfürsten von
Bayern mit, dass auch der Oberstlieutenant Pfisterer hinwegverlange, „in¬
dem er fast zu seinen jahren gekommen,“ und schlägt an seiner Stelle den
bisherigen Oberstwachtmeister Vieuxfume zum Oberstlieutenant, zum Oberst¬
wachtmeister aber den bisherigen Hauptmann Grafen von Arco (Arch) vor.
„Dieser ist zwar annoch jung, jedoch ein wackerer und verständiger kavalier,
welcher sich befleissigen wird, das regiment in gutem stand zu erhalten.“
Darauf erwiderte der Kurfürst unterm 20. Juni 1673: dass der Oberstlieutenant
seine Entlassung begehre, darüber habe er bis jetzt nichts vernommen; er
wolle hierüber den Obersten C u 1 e r, der inzwischen bei ihm an gekommen
sei, befragen, wegen der Beförderung der vorgesclilagenen Offiziere aber seinen
Hofkriegsrat vernehmen und sich dann weiter erklären 84 ). Pfisterer kehrte
erst zu Anfang des Jahres 1674 nach Bayern zurück. Nunmehr erfolgten
Beförderungen im Sinne der Kölner Vorschläge, Vieuxfume wurde Oberst¬
lieutenant, Graf von Arco Oberstwachtmeister; des letzteren Dekret ist vom
16. Januar 1674 datiert 85 ).
VI. Die weiteren Schicksale des Hilfskorps bis zur Rückkehr nach
Bayern sind wiederum in völliges Duukel gehallt. Eine von mir aufgefundene
„Lista des Bibouischen regiments de dato 5. Juli 1673“ 86 ) in Verbindung mit
der bayerisch-kölnischen Korrespondenz lichtet in etwas den Schleier. Aus
der sonstigen Kriegsgeschichte ist bekannt, dass die Truppen des Kölner
Kurfürsten im Sommer 1673 teils beim Heere Turennes am Rhein standen,
teils in den Kölner Festungen lagen 87 ). In Holland beschränkte sich der
Erzbischof auf die Behauptung Zwolls und Deventers. Hier in Deventer be¬
gegnet man am 5. Juli dem bayerischen Regiment, hieher war es im Juni
desselben Jahres von Neiss verlegt worden, vermutlich um nicht in die Lage
zu kommen, gegen den Kaiser selbst kämpfen zu müssen. In einem Schreiben
vom 8. Juni gab Kurköln an Kurbayern bekannt, „wohin es bei jetziger
kampagne das bayerische regiment zu gebrauchen Vorhaben sei.“ Bayern er¬
hob gegen die Verlegung des Regiments von Neiss nach Deventer keinen
Einspruch; „gleichwie dasselbe zu dero freiem gebrauch überlassen worden,
also haben Sie damit nach ihrem willen zu disponieren.“ Dagegen erklärte
der Kurfürst, dem Gesuche um 200 Rekruten könne er mit dem besten Willen
nicht willfahren, „weil bei so vielen aller orten vorgehenden Verfassungen
meine sowohl ausser als inner landes angestellte Werbungen eben langsam von
statten gehen und ich meiner Völker umso vielmehr von nöten habe, weil
scheint, dass bei jetzigem veränderten stand des krieges mehr in hierobigen
als druntigen kreisen zur vigilanz angesagt seie“ 88 ). Trotzdem muss in der
Zwischenzeit zwischen der Schlacht von Groningen und dem 5. Juli das
Regiment um etwas über 100 Mann verstärkt worden sein. Am 5. Juli hatte
es nämlich nach Ausweis der erwähnten „Lista“ einen Effektivbestand von
769 Mann. Der Regimentsstab bestand aus 19 Personen, dem Obersten Bibou,
dem Oberstlieutenant Pfisterer, dem Oberstwachtmeister Vieuxfume,
einem Regimentsquartiermeister, einem Kapellan etc. Der Oberst, Oberst¬
lieutenant und Oberstwachtmeister waren die Inhaber und Führer der drei
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
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ersten Kompagnien, die anderen Kompagnien waren befehligt von den Haupt¬
leuten Graf Arco, Graf Berlo, Graf Öttingen, Baron de Mercy, Wun-
disch, Graf Stanga, Schmidt. An die Stelle Vieuxfumes, Kompag-
nis und Helmstetts waren also Wundisch, Stanga und Schmidt ge¬
treten. Überdies scheint damals Graf Öttingen abwesend gewesen zu sein.
Der Durchschnittsetat einer Kompagnie war: ein Hauptmann, ein Lieutenant,
ein Fähnrich, ein Feldwebel, ein Sergeant, ein Führer, ein Furier, ein Muster¬
schreiber, ein Feldscherer, fünf Korporals, zwei bis drei Spielleute, zwei bis
drei Schützen, zehn bis zwölf Gefreite, ca. 40 Gemeine, vier Offizierknechte.
Die Durchschnittsgesamtstärke betrug 75 Mann.
Im Juli und August 1673 bildete sich eine grössere Koalition gegen Frank¬
reich, zwischen dem Kaiser, Spanien, Dänemark und deutschen Reichsständen.
Im August trat die kaiserliche Armee die zweite Expedition ins Reich an,
anfangs November vereinigte sie sich am Niederrhein mit der holländisch -
spanischen Armee unter dem Prinzen von Oranien. Am 12. November fiel das
kölnische Bonn in ihre Gewalt, am 14. Februar 1674 wurde der bisherige
Leiter der Kölner Politik, Prinz Wilhelm von Fürstenberg, „diese Pestbeule
des Reiches,“ wie ihn Lisola bezeichnet hatte, von dem Kölner Kongress
durch die Kaiserlichen verhaftet, wenige Wochen später, am 11. Mai, schloss
Kurfürst Maximilian Heinrich unter Vermittelung Lisolas Frieden mit
Holland 39 ). Köln wurde in dem Vertrage zwar Rheinberg zurückgegeben, dasselbe
musste aber die eroberten holländischen Plätze, insbesondere Zwoll und Deventer
räumen. Damals wohl wurde das bayerische Regiment aus Deventer nach
Neuss zurückverlegt; die erste Nachricht, welche über das Regiment nach dem
5. Juli 1673 auf uns gekommen, weist es nach Neiss in Garnison.
Schon am 27. Mai 1674 (am Tage vor dem Reichskriegsbeschluss an
Frankreich) erhielt der bayerische Kabinettssekretär Huber den Auftrag, im
Archiv nachzusehen, was mit Köln über das bayerische Hilfskorps vereinbart
worden sei 110 ), und am 3. Juni fragt der Kurfürst von Köln bei Bayern an,
wie man es mit dem in Neiss liegenden Regimente gehalten wissen wolle.
Da der Friede mit Holland geschlossen, auch der Vergleich mit dem Kaiser
baldigst seine völlige Richtigkeit haben werde, sei er entschlossen, einen Teil
seiner Völker abzudanken. Er w r olle jedoch das bayerische Regiment noch
so lange in Neiss liegen lassen, bis die Fortifikation daselbst demoliert sei** 1 ).
Bayern erklärt sich mit dem letzteren Wunsch einverstanden, erbittet aber
näheren Aufschluss über den Zeitpunkt der Entlassung der Völker sowohl
wie über den „sichersten und bequemsten Weg“, den das Regiment auf seiner
Rückkehr einschlagen könnte 92 ). Köln erwidert, die Entlassung werde auf
den Wunsch Bayerns ehestens geschehen, giebt aber seiner Befürchtung Aus¬
druck, es möchte das Regiment „bei jetzigen konjunkturell nicht mit Sicher¬
heit hinauf gebracht ^werden können,“ und verweist auf eine Mitteilung, welche
der aus bayerischen in Kölner Dienste getretene Hofkammerdirektor Widmann
dem bayerischen Vertreter auf dem Kölner Kongress, Franz von Mayr,
geschrieben 93 ).
Worin diese Mitteilung bestand, erfährt man aus einem Berichte
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Michael Doeberl
des kaiserlichen Residenten am Münchener Hofe Rassler vom 17. Juli
1674 94 ). Darnach hatte Lisola geäussert, „das man ehender selbige Völker
zu stucken zerhauen als wiederumb in diese land ziehen lassen wolte.“ Über
diese Äusserung erhob der bayerische Obersthofmeister Hermann Egon von
Fürstenberg im Namen seines Kurfürsten beim kaiserlichen Residenten Be¬
schwerde und fügte entschuldigend hinzu, das bayerische Hilfskorps sei ledig¬
lich gegen Holland geschickt worden: „wasmassen i. kf. Dt zue Cöllen, als
die motus mit denen generalstaaten von Hollandt ihren anfang gewonnen,
von s. gdsten herren auch ainige assistenz an Völker begehrt, wormit s. kf.
Dt nun ihren h. vettern gratificiert und in die 1200 mann ungefähr zuege-
schickt hetten.“ Der Kurfürst verhoffe, dass eine derartige Zurückhaltung seiner,
wie er glaubt, auf etwa 600 Mann zusammengeschmolzenen Völker nicht vom
Kaiser befohlen sei, sondern vielmehr aus einem „unzeitigen eifer“ Lisolas her-
fliesse, „massen dieselbe den reichsconstitutionibus gemäss ohne betrangnus ain
und anderen Stands herauf geführt werden sollen.“ Der Kurfürst erwarte
nächstens eine willfährige kaiserliche Resolution. Noch am 18. August er¬
neuerte Fürstenberg das Gesuch um einen kaiserlichen Pass für die
bayerischen Völker 9 6 ).
Derselbe scheint zuletzt auch gewährt worden zu sein. Immerhin
aber hatte die Befürchtung, es möchte das Regiment auf seiner Rückkehr
von den Kaiserlichen angegriffen werden, zur Folge, dass es erst am
14. September in Aschaffenburg eintraf, wo es dann von einem bayerischen
Kommissär in Empfang genommen wurde 96 ). Der Effektivbestand des Regiments
betrug noch 767 Mann. Die Löhnung war seit September 1673 sehr unregel¬
mässig bezahlt worden; Köln schuldete an das Regiment 12872 Gulden
52 1 /2 Kreuzer.
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Quellennachweise.
1) Vgl. Scheielil, Leopold I. und die österreichische Politik während des Devo¬
lutionskrieges 1667'68.
2) Zwiedineck-Südenhorst, Deutsche Geschichte im Zeitraum der Gründung
des preussisclien Königtums (Bibliothek deutscher Geschichte) I, 294.
3) Heigel, Quellen und Abhandlungen zur neueren Geschichte Bayerns. I, 40.
4) Pribram, Lisola und die Politik seiner Zeit. S. 537.
5) Münchener Staatsarchiv (M. St. A.) Kasten schwarz (K. schw.) Paris 1669 Juli 15,
Wilhelm Egon von Fürstenberg an seinen Bruder Hermann Egon von Fürstenberg.
6) Ebenda. München 1669 August 1, Hermann Egon von Fürstenberg an den
Kurfürsten Ferdinand Maria.
7) Ebenda. Mauerkirchen 1669 August 12, Ferdinand Maria an Hermann Egon
von Fürstenberg.
8) Das lateinische Original befindet sich im Archiv des Ministeriums des Aus¬
wärtigen in Paris. Ich werde dasselbe nebst den bis jetzt nur bruchstückweise bekannten
beiden Geheimdeklarationen an anderem Orte publizieren.
9) Zeitschrift für Bayern und die angrenzenden Länder. IV, 210 ff, 222 ff.
10) Ebenda IV, 198 f.
n) M. St. A. K. schw. 44/13. Hauptinstruktion für Bockhorst vom Januar 1672
(eingereiht zwischen Schreiben vom 27. und 29. März). Die Mission Bockhorsts ist bis jetzt
so viel wie unbekannt. En neu, Frankreich und der Niederrhein S. 257, kennt wohl aus
den französischen Akten die Thatsache einer Sendung Bockhorsts, nicht aber deren Inhalt,
nennt überdies den Gesandten Bokort.
12) Ebenda. Anbringen Bockhorsts.
13) Ebenda. Ingolstadt 1672 Februar 6, kurfürstlich bayerischer Bescheid.
14) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei und Reichskanzlei. Wien
1672 Januar 27, zwei kaiserliche Instruktionen. München 1672 Februar 29, zwei Berichte
Troyers und Wittenbachs, der eine für die Staatskanzlei („geheime Hofkanzlei“), der andere
für die Reichskanzlei („Reichshofkanzlei“). München 1672 Februar 11, Bescheid aus der
kurfürstlich bayerischen geheimen Kanzlei für die kaiserlichen Gesandten Troyer und
Wittenbach wegen der mit Bayern vorhabenden Defensivallianz. München 1672 Febr. 13,
kurfürstL Bescheid für die kaiserlichen Gesandten Troyer und Wittenbach wegen der
Kölner Händel und anderer Reichssachen. — Vgl. dazu M. St A. K. schw. 6 6. „Kaiserl.
Negotiation Kölner Händel betr.“
15. Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis
zum Regierungsantritt Friedrichs des Grossen. 1648—1740. Bd. 1, 546. — Vgl. über das
Marienburger Bündnis auch die daselbst S. 545 zitierten Arbeiten von Gulirauer, Droysen,
Auerbach, Gehrke.
16) Siehe Anmerkung 14.
17) Siehe Anmerkung 14.
18) M. St. A. K. schw. 6/6 München 1672 Februar 10, Kurbayern an Pfalz-Neuburg
und Kurköln.
19) Ebenda. München 1672 April 4, Kurbayern an den Kaiser.
20) M. St. A. K. schw. 44/13. Kaiserliche Resolution, eiugereiht vor den 29. März;
am 27. März war sie bereits in Köln eingetroffen. (Vgl. das Sehr. Anmerkung 22).
21) Vergleiche Pribram, Lisola und die Politik seiner Zeit S. 545 ff.
22) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 März 27, Kurköln an Kurbayern.
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Michael Doeberl
23) Ebenda. „Anbringen“ Bockhorsts in München, eingereiht nach dem Bescheid
vom 29. März, siehe Anmerkung 25.
24) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 März 27, Kurköln an Kurbayern.
24a) Über das religiöse Motiv des Bischofs von Münster zum Kriege gegen Hol¬
land s. Hüsing, Christoph Bernhard v. Galen S. 250.
25) Ebenda. München 1672 März 29, kurfürstl. Bescheid für Bockhorst. Konzept
mit Korrekturen von der Hand Schmids.
26) Ebenda. Bonn 1672 Januar 16, „Nebeninstruktion für i. kf. D* zu Cölln
herzogen Maximilian Heinrich in Bayern Hildesheimb. rat den v. Bockhorst, welche er zu
München zu sollicitirn hat“. Vergleiche Beilage I.
27) Ebenda. Bonn 1672 Jan. 31, Kurköln an Kurbayern.
28) Ebenda. München 1672 März 29, Kurbayem an Kurköln.
29) Ebenda. Bonn 1672 März 22, Kurköln an Kurbayem.
30) Ebenda. München 1672 April 8, schriftliches „Anbringen“ Wilhelms v. Fürstenberg.
31) Ebenda. München 1672 April 13, Kurbayem an Kurköln.
32) Ebenda. Bonn 1672 April 25, Kurköln an Kurbayem.
33) Ebenda. Bonn 1672 April 14, Kurköln an Kurbayem.
34) Ebenda. Bonn 1672 April 23, Kurköln an Kurbayern.
35) M. St. A. K. scliw\ 279/29. Regensburg Mai 12, Gravel an Hermann v. Fürstenberg.
36) Siehe Beilage III.
37) M. St A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 Mai 5, Kurköln an Kurbayem.
38) Ebenda.
39) Den Garantieentw r urf s. Beilage IV.
40) M. St. A. K. schw. 279/29. Regensburg 1672 Mai 12, Gravel an Hermann v.
Fürstenberg.
41) Die kgl. Ordre s. Beilage IV.
42) M. St. A. K. schw r . 279'29. Regensburg 1672 Mai 15, Gravel an Hermann
v. Fürstenberg: Si vous trouvez bon de former le project du traite de lad te garantie, a
peu pres sur la condition, que j’ay marquee cy dessus, je seray prest de le signer au 110m
du roy».
43) Ebenda. München 1672 Mai 17, Hermann v. Fürstenberg an Gravel: < Le projet
ayant este forme en termes, comme vous voyez par l’enclose, en la presence du mon
fr£re le prince Guillaume et estant de la mesme teneur de ce, que vous dites d’avoir ordre
du roy d’y consentir ny ayant autre difference que le nombre et la quantit6 des subsides
d’hommes et d’argent specific, vous le pourrez soubscrire saus aucun scrupule et tant
plus que le roy asseurant s. A. E. soU genereusement l’assistance de toutes ses forces en
cas mentionn£e, il est beaucoup plus aise d’accorder seulement une partie assez moderne.. .
Tout consiste en cela, que le nombre et quantite des subsides d’hoinmes et d’argent soient
specific^, pour n’estre point oblige le cas venant de perdre beaucoup du teinps ä traiter
les particularit£es».
44) Siehe Beilage IV. Interessant ist ein Vergleich dieses Vertrages mit der 1669
mit Venedig geschlossenen Kapitulation. Vgl. Würdinger, Die Bayern in Candia. München
vS. B. 1881, S. 339.
45) M. St. A. K. schw. 279/29. Regensburg 1672 Mai 19, Gravel an Hermann Egon
v. Fürstenberg: *il ne in’est pas permis de passer les bomes du pouvoir, que j’ai en cela.
Si s. A. E. de Bavi£res juge a propos d’y vouloir aussy donner les mains de sa part, j’ay
joint icy un autre project couceu dans les termes, qui so nt conformes ä mon
instruction, qu’elle pourra faire signer, si eile la trouve aggreable, en double, et j’eu
feray de mesme, dez aussitöt* qu’il lii’aura este envoye* etc.
46) Ebenda. Dachau 1672 Mai 21, Ferdinand Maria an Hermann v. Fürstenberg.
47) Ebenda. Regensburg 1672 Mai 26, Gravel an Hermann Egon v. Fürstenberg.
48) Siehe Beilage IV.
49) M. St. A. K. schw. 44/ r3. Bonn 1672 Mai 23, der Kf. von Köln an die Kur¬
fürstin Adelheid-
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
47
50) Ebenda. München 1672 Mai 27, Kurbayem an Kurköln.
51) Vergl. Staudinger, Das K. bayer. 2. Infanterieregiment, I, 17—19.
52) Ich schliesse letzteres aus Beilage VI; dort zählt Baron v. Mercy zu den vier
dienstältesten Hauptleuten.
53) Siehe Seite 48.
54) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 Mai 15, Kurköln an Kurbayern.
55) Ebenda. München 1672 Mai 27, Kurbayern an Kurköln.
56) Staudinger, a. a. O. I, 21.
57) Über dieses und das folgende M. St. A. K. schw. 44/14. Heidelberg 1672
Juli 23, Kurpfalz an Kurköln. „Im feldlager vor Groningen“ 1672 Aug. 17, M. Culer an
Kurköln. Zwoll 1672 Aug. 20, Kurköln an Kurpfalz, Kurköln an Kurbayern.
58) Zwei Pfarrdörfer im Nassauischen, Amt S. Goarshausen.
59) Staudinger, a. a. O. I, 21.
60) Depping, Gesch. des Krieges der Münsterer und Kölner S. 40 ff.; E11 neu,
Frankreich und der Niederrhein S. 260 ff.
61) Siehe den Auszug daraus in Beilage V. Damit tritt zu dem von Depping be¬
nützten „Bericht Wilhelms v. Fürstenberg an Louvois über die Belagerung Groningens“,
zu dem Bericht im Theatrum Europaeum XI 260 ff. und bei Valkenier, Verwirrtes
Europa S. 760 ff. eine vierte Quelle.
62) Siehe nächste Anmerkung.
63) M. St. A. K. schw. 44/14. Zwoll 1672 Aug. 14, Kurköln an Kurbayem.
64) Ebenda. Zwoll 1672 Aug. 28, Kurköln an Kurbayern.
65) XI, 268.
66) K. schw. 44/15.
67) M. St. A. K. schw. 44/17. Bonn 1673 Mai 28, Kurköln an Kurbayem.
68) M. St. A. K. schw. 346/45. Rabenhaupt und v. Tücher an den bayer.
Kurprinzen, die Belagerung der Stadt Groningen betr.
69) M. St. A. K. schw. 44/14. München 1672 Okt. 5, Kurbayern an Kurköhl.
70) Ebenda. Bonn 1672 Okt. 15, Kurköln an Kurbayem.
70a) Über die weiteren Schicksale der Dragoner konnte ich bis jetzt keine Nach¬
richt ermitteln.
71) Ebenda (A. 69). München 1672 Okt. 26, Kurbayern an Kurköln.
72) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei. München 1672 Nov. 18,
Bericht Königseggs an Kaiser Leopold I., nebst Beilagen.
73) Recueil des instructions donn6es aux ambassadeurs et ministres de France VII, 47.
74) Über diese Verhältnisse am bayer. Hofe geben die zahlreichen und umfang¬
reichen Berichte Königseggs im Wiener Staatsarchiv aus derZeit von 1672 Nov. 1 bis
1673 Febr. 28 interessante Aufschlüsse. Ich werde dieselben an anderem Orte publizieren.
75) M. St A. K. schw. 44/14. München 1672 Dez. 13, Kurbayern an Kurköln.
76) Ebenda. Bonn 1672 Dez. 25, Kurköln an Kurbayem.
77) Zeitschrift für Bayern und die angrenzenden Länder IV, 210 ff.
78) Peter, Der Krieg des grossen Kurfürsten gegen Frankreich 1672—75. S. 138 ff.
79) Ennen, a. a. O. Seite 294.
80) M. St. A. K. schw. 44/17. Bonn 1673 Apr. 30, Kurköln an Kurbayern.
81) Ebenda. München 1672 Mai 15, Hofkriegsratspräsident und Räte an d. Kf.
82) Ebenda. Bonn 1673 Mai 28, Kurköln an Kurbayem.
83) Ebenda. Paris 1673 Mai 17, Der Herzog zu Mecklenburg an den Fürstbischof
von Strassburg.
84) M. St. A. K. schw.. Altötting 1673 Juni 20, Kurbayern an Kurköln.
85) Staudinger, a. a. O. 32 und 33.
86) Siehe Beilage VI.
87) Depping, a. a. O. Seite 185.
88) M. St. A. K. schw. 44/17. Altötting 1673 Juni 20, Kurbayern an Kurköln.
89) Ennen, a. a. O. 337 f.; Pribram, a. a. O. 672.
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Michael Doeberl
90) M. St A. K. scliw. 44/13.
91) M. St. A. K. schw. 44/21. Köln 1674 Juni 3, Kurköln an Kurbayern.
92) Ebenda. München 1674 Juni 13, Kurbayern an Kurköln.
93) Ebenda. Köln 1674 Juni 24, Kurköln an Kurbayem.
94) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei. München 1674 Juli 17.
Des kais. Residenten am bayer. Hofe Jak. Christ Rassler Bericht an Kaiser Leopold I.
95) Ebenda, Reichskanzlei. Bericht Rasslers vom 18. August.
96) Siehe Beilage VII.
I. Kölner Antrag auf Entsendung eines bayerischen Hilfskorps zum
holländischen Kriege.
Aus der „Nebeninstruktion für i. kf. D l zu Cölln herzogen Maximilian Heinrich
in Bayern Hildeslieimb. rat den von Bockhorst, welche er zu München zu sollicitim hat“,
dat. 1672 Jan. 16.
„Weil dieser enden mit den Werbungen gar schwerlich fortzukommen, so wurden
s. kf. D* zu Bairn s. kf. Dt zu Cölln gar hochen faveur erweisen, da dieselbe über sich
nemen wolten, gegen anfang des monats Aprilis auf ihreu kosten bis in hiesigem erz-
stüft zu lifem ein regiment zu fues von 18 Compagnien under dem commaudo eines
wackeren und erfarnen obristen wie auch gueter capiteine und anderen subalternen offi-
cire stark zu 2000 mann wolgeklaidet und mit ober- und uudergewehr versehen, da¬
von auf das wenigst 1200 mann alte 1 eu t sein müsten, so bereits gedient,
sintemalen i. kf. Dt solchen regiments in dem veld sich zu bedienen gedächten. Item
zwei compagnien dragoner ad 160 mann underm com in an do des obristen
De Martins, dem allhier noch drei andere compagnien, iede ad 86 köpf, mit einem obrist-
leutenant zugegeben werden sollen. Und dann under dem cotum an do des obristen
Nicola 400 reit er in 6 compagnien. Und zwar unter nachfolgenden conditionen:
I. dass officir und Soldaten in churbayr. diensten zwar verbleiben, aber nit ehender
zuruck sollen können gefordert werden, ehe und zuvor i. kf. Dt zu Cölln frid gemacht
haben wurden; 2. dass i. kf. Dt zu Cölln für anwerbung und Überlassung gemelter Völker
von 20 bis 30 m reichsthaler bezalen sollen; 3. dass von dem tag an dieselbe in
dem erzstüft Cölln kommen, bis daran sie in Bayern widerumb angelangt sein werden,
denen übrigen i. kf. D l trouppen der Zahlung halber und sonsten in allem
übrigen gleich gehalten werden sollen; 4. dass i. kf. Dt zu Bayern alle 6 monat
150 mann recrute für ged. regiment nachschicken sollen, worab iedermann
mit 6 reichsthaler bezalt werden solle, sobald sie nur in dem erzstüft angelangt sein werden.
Sölten aber i. kf. Dt zu Bayern lust haben obige inannschaft selbsten underhalten zu
lassen und noch mehrere dazu zu stossen, um darmit under i. kf. Dt zu Cölln namen
agim zu lassen, so wolten i. kf. Dt nicht allein ihro ein als den andern w r eeg 24 m reichs¬
thaler ein zweimonat malen, als zu end des monats Februarii 12 m reichsthaler und dann
zu end des monats Martii die übrige I2 m reichsthaler, auszalen lassen, sondern sollen
pro rata an allen conquesten und contributioneu ihre parte haben, gleich die übrige
teutsche kff. und ff., so mit eintreten. M. St. A. K. schw. 44'13.
II. Erklärung des Prinzen Wilhelm von Fürstenberg Uber die europäische Lage zu
Beginn des zweiten Raubkriegs, abgegeben am kurbayerischen Hofe am 8. April 1672.
So viel die parteien, wne selbige in und ausserhalb des reichs laufen, betrefen thut,
da ist i. kf. Dt zu Bayern bereits bekant, dass gegen Holland Frankreich und Engel¬
land, auch eventualiter Churcöllen und Münster wie nit weniger der Malteser¬
orden dergestalt mit einander verbunden, dass keiner ohne den andern 3 iahr lang
frieden mit ihnen Holländern einzugehen vermag. Über dies so ist Pf al zn eubu rg,
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
49
lierzog Johann Fridrich von Hanover, bischof v. Osnabrug und biscliof von Pader¬
born durch schriftliche tractaten obligirt i. kgl. M* nit allein den pass in ihren landen,
auch die erkaufung und niederlegung munition und vivres zu gestatten, sondern auch
ihres orts nit zuzugeben, dass von wegen des reichs einig resolution genommen w’erde,
so in favor von Holland gegen Frankreich sein könne. Churmaynz und Churtrier
haben auch eines gleichmässigen i. kgL M l in Frankreich durch den h. Heiss versichern
lassen. Der könig in Portugal ist auch bereit gegen erlegung gewisser subsidien mit
Holland zu brechen. Frankreich hat sich bis hieher darzu nit verstehen wollen. Wie
Savoya mit selbiger cron stehet, ist i. kf. D* zweifelsohne besser dann niemanden be¬
kannt. Und seind die Schweizer wieder von neuem mit Frankreich gar enge verbunden,
wie dan i. kgl. M l von solcher nation allein 23000 mann zu fuss und 400 pferd in dienste
haben. Alle Italianische fürsten ausser Mantua haben die Werbung in dero landen
Frankreich zugeben; die republique von Venedig aber i. kgl. M fc versichern lassen, dass
in diesem krieg dero dissegni merers befördern dan zuwieder sein wolte. Soviel aber
Schweden und Dänemark betrifft, da haben die Holländer bis hieherzu nit allein
keine cathegoricam resolutionem wegen der vermög der quadrupelalliance schuldiger hülf-
leistung von der letztem erhalten können, sondern thut auch selbiger könig anietzo in
dem Haag gar stark urgiren lassen, dass die h. Staaten ihme par arbitrage des königs in
Frankreich zuerkante sumrnam gelts, so sich ad etliche millionen belauft, auszalen sollen;
so ein schlechter anfang zur assistenz ist. welche Holland von daraus verhofen thut. Mit
Schweden aber wäre bereits der tractat geschlossen, wan der mr. de Pomponne vor seiner
abreis von Stockholm die Vollmacht gehabt hätte dieienige subsidien zu bewilligen, so
anietzo dem mr. Coursin anbefohlen werden zu offeriren. Man ist also an dem Franzö¬
sischen hof alle stund eines couriers mit der ratification gewertig. Die ursach aber,
warumben Schweden mit ged. ratification eingehalten, ist dieses, dass sie eines teils ver-
hoffen, den kais. hof dadurch zu disponiren, dass ihnen Bremen abandonniren solle,
andemteils aber damit Brandenburg oder Braunschweig in hoffnung, dass Schweden sich
nit contrari von Holland erklären wurde, mit selbiger republique gegen Frankreich enga-
giren mögten, uinb damit dardurch mittel bekämen mit ihnen krieg zu führen, weilen auf
solchen fall Frankreich obligirt sein würde, ged. cron alle monat 50™ rthaler subsidien
zu bezalen; da sie sonsten, so lang als niemands in Teutschland gegen Frankreich bricht,
nur allein 25 m rthaler zu geben schuldig. Also dass aus allem diesem und wegen der so
starker zwischen Engeljand und Schweden obhandener union und dass solche cron nichts
zu gewinnen weiss, wan sich mit Holland einlassen solte, schwerlich den tractat mit
Frankreich wird aus lianden gehen lassen. Den papst hat man von kais. und Span, hof
gesucht zu vermögen, dass derselbe Churcöllen und bischofen von Münster imponiren oder
auf das wenigste dehortiren wolle sich gegen Holland zu erklären. S. heiligkeit haben
abgeschlagen. Wegen Chursachsen ist man au Churcolnischen hof durch gewisse
hand benachrichtet, dass der kf. zu Brandenburg zwar sehr bei demselben insistirt eine
dritte als protestirende partei zu machen, es wolte aber Chursachseu keineswegs darzu ver¬
stehen, mit vorgeben, dass schon zu oft von Churbrandenburg wäre angeführt worden.
Churpfalz wird sich aller apparenz nach indifferent halten, nichts gar favorables für
Holland noch auch ganz contrari gegen Frankreich thun.
Für Holland seind ofentlich geportirt Spanien, indeme sie den Haagischen
tractat de succurrendo mutue zu Madrid, wie wüssig, ratificirt haben. Dieselbe versichern
aber, dass dieserthalb mit Frankreich zu brechen nit gedächten. Ob aber solcher soucours
gross sein und viel würkung haben werde, muss mau derentlialben sehr anstehen, weilen
i. M‘ i 1 Frankreich über alle gamisonen ihrer plätze ein corpo von 22 ™ mann zu fuss
und 14 m pferd in Niederlanden stehen lassen werden, welches dem Spanischen guber-
natori nit wohl zulassen will, die mehrentheils noch offene und nicht vollendete vöstung
volklos stehen zu lassen. Churbrandenburg affection gehet propter religionem zwar
mehrere für Holland als dargegen, thut auch alles mögliches, damit neben i. kais. M* oder
auf das wenigste unter dero autoritet eine starke partei in Teutschland formirt werden
mögte. Weilen aber der herzog von Zell mehrere inclinirt still zu sitzen als für Holland
Bayer. Forschungen VI, 1. 4
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Michael Doeberl
sich zu erklären, so kan keiner, deine die beschaffeuheit des Churbrandenburg, hofs, auch
Situation seiner landen bekant ist, andersten urteilen, dass s. kf. Dt alleweilen negociren,
aber sich nit ofentlich gegen Frankreich erklären werden, solang sie nit gewiss wissen,
was der kaiser und Schweden eigentlich thun w r erden. Also dass principaliter alles darauf
beruhen thut, was i. k a i s. M 1 für eine resolution fassen werden. Und weilen Churmaynz
und Churtrier versichern thun gewisse nachricht zu haben, dass i. kais. M*, ob sie sich
schon gegen Spanien erklärt haben sollen, dieselbe mit starkem soucours zu assistiren,
falls die cron Frankreich mit Spanien brechen solte, so wurden sie sich doch ausser diesem
des Holländischen wesens durch würkliche hülfleistung nicht annehmen, es wäre dann,
dass das ganze Röm. reich darzu verstünde und i. kais. dieserthalb ersuchen wurde.
Weilen aber solches nit geschehen kan, sondern dass das Röm. reich in ein gefährliche
langwürigen und schweren krieg eingeflochten und die ganze reichsmacht in i. kais. Mt und
des kf. zu Brandenburg — als die dermalen allein armirt stehen — händen gestehet werde
oder, dae auch solches schon nit wäre, gleicliwolen zu befuhren stunde, dass wann der
Türk in Ungarn einfallen solte, die reichsmacht gänzlich zerteilt und den Franzosen recht¬
mässiger fug und ursach gegeben werden mögte, ein oder andern reichslande und pläzen
alsdann zu bemächtigen: so ist geringe apparenz, dass die meistere stände des reichs zu
einer solcher schädlicher resolution ausländischer interesse halber werden verstehen wollen.
Zu befürchten aber ist, dass die majora in den reichscollegiis aus teils Unverstand teils
passion der volanten, allein umb den kaiserlichen das placebo zu spielen, dahin gehen
dörften, man solte Churcöllen von i. kais. Mt und reichswegen ernstlich erinneren und
ermahnen, die frembde Völker aus seinen landen zu schafen und mit Holland in keinen
krieg einzulassen, sondern mit des reichs garantie, auch dass dasselbe sich interponiren
wolle, umb damit Rheinberg durch gütliche tractaten wieder bekomme, begnügen zu
lassen. M. St. A. K. schw. 44/13.
1672 April 25. Kurkölnisch-bayerischer Vertrag.
Von gottes gnaden wir Maximilian Henrich ertzbiscliof zu Cöllen etc. bekennen
hiemit und in kraft dieses: Demnach uns unsere freundlich geliebten vettern des herren
kf. in Bayeren L, d auf unser freundvetterliches ersuchen zu sonderbahrem hohen dank die
bewilligung gethan, bei jetzigen anscheinenden gefährlichen coniuncturen zu unserer und
unsere erzstifts defension und Versicherung ein re gi ment ad zwölfhundert man zu
fuess mit den darzu gehörigen ober- und underofficieren, auch der knecht ober- und
undergewehr zu uberlassen und in ihrem underhalt bis nacher Wertheimb in Franken zu
liefern; dass wir uns gegen deroselben hinwider freundvetterlich obligirt haben, obligiren
uns auch hiemit und in kraft dieses bei unseren kfl. wahren worten.
1. Im fall s. L d zu ihrer und ihrer selbsteigenen land und leuten bewahrung
und beschützung ermelter Völker über kurz oder lang, auf was gefahr es immer sein
möge (derentwegen wir s. U d worten zuetrauen wollen) vonnöten haben solte 11, dass
wir solche ohne einige ausred alsogleich wieder zuruck lassen;
2. Auch da entzw’isclien etwas an manschaft, durch was zuefall es immer sein
möge, davon abkommen solte, solches wiederum b ersetzen und also das
völlige regiment ohne abgang zuruckgeben;
3. Auch da es der orten bei und umb unsere erz- und Stifter wiederumb zu fried¬
lichem ruhestand kommen und wir Vorhabens sein würden, unsere Völker abzudanken,
dass doch die abdankung dieses regiments ohnes. L d vorwissen nit geschehen;
4. Ihro auch zu einiger weniger erstattung der werbungs- und be-
welirungsunkösten von unseren Berchtesgadischen salzgelderen acht¬
tausend gülden in handen zu behalten bevoretehen und hiemit zuegelassen sein
solle; jedoch dass s. Churbayerns L d gehalten seien, wan sie ermeltes regiment zu ihrer
landen defension vor der zeit, als wdr zur abdankung schreiten wolten, wieder abforderen
und zue sich nehmen wolten, dass uns hingegen die iubehaltenen achttausend gülden
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
51
zuruck gegeben, dagegen s. L, d die Völker auf unsere Unkosten wieder bis nacher besagtem
Wejtheimb geliefert werden sollen.
Dessen zu wahrem urkund haben wdr dieses eigenhändig underschrieben, auch
unser kfl. insiegel herunder auftrueken lassen. Geben in unserer residentzstatt Bonn den
25. Aprilis 1672.
Maximilian Heinrich
Churfürst zu Cöln.
J. B. Burman.
M. St A. K. schw. 44/15 (Original).
K. schw. 44/13 bef. sich das Konzept von der Hand des Vizekanzlers Kaspar v. Schmid.
IV.
1) Bayerischer Entwurf für das französisch-
kölnische Garantie versprechen.
Posteaquam serenissimus elector Bavariae
ad requisitionem serenissimi patruelis sui archi-
episcopi et electoris Coloniensis consensit, quod
serenitati suae electorali adversus confoederatos
Hollandiae Status, qui non solum restitutionem
civitatis Rheinbergensis et refusionem damno-
rum archiepiscopatui Coloniensi inique illato-
rum contumaciter detrectant, sed etiam sereni¬
tati suae electorali quaevis hostilia minantur,
consilio et opere assistere et pro defensione
subditorum et iurium archiepiscopatus aliquas
copias militares hac conditione subministrare
velit, si Christianissimus rex cum electorali
sua serenitate Coloniensi spondeat, quod sere-
nissimo electori Bavariae in eum casum, quo
subditis et provinciis suis occasione et intuitu
huius assistentiae ab amicis aut confoederatis
Hollandorum vel quibuscumque aliis aliquid
hostilitatis obtingeret, forti manu assistere et
indemnem praestare velit:
idcirco pro exactiore huius garantiae de-
claratione couventum est, ut articulus tertius
membri secundi confoederationis anno mille- A. E. de Bavieres
simo sexcentesimo septuagesimo decimo sep- auroit envoyees a s.
timo Februarii inter Christianissimam suam A. de Cologne, eile
regiam maiestatem et serenitatem electoralem se trouvoit attaqu£e
Bavariae initae etiam ad praesentem casum ou par l’empereur
extendatur, ita, ut vigore huius novae con- ou par quelque prin-
ventionis Christianissima sua maiestas obligata ce de l’empire, sa
sit serenissimo electori Bavariae, si a qui- M'e s’engage del’as-
buscumque et iis maxime, qui partes Hollan- sister de toutes ses
dorum suscipiunt aut eisdem auxilia et sub- forces, s’il en estoit
sidia praestant, subditis aut provinciis suae besoing, ou de luy
serenitatis quidquam adversi aut hostilitatis accorder tel nombre
obveniat, pro conscriptione et armatura trium de trouppes, qu’elle
millium equitum et sex millium peditum desire, mesme a la
summa centum et octoginta millium imperi- premi£re requisition,
alium sive thalerorum et pro illorum stipendiis qui luy en sera faite,
2) Königliche Ordre
nach dem Wortlaut
in Gravels Schreiben
von 1672 Mai 15.
Si a l’occasion des
trouppes, que sad te
3) Französischer Gegen¬
entwurf für das franzö-
sich-kölnische Garantie¬
versprechen, ratifiziert
1672 Mai 27.
Dieser Teil wörtlich
nach dem bayerischen
Entwurf.
idcirco pro exactiore
huius garantiae decla-
ratione conventum est,
ut Christianissima regia
sua maiestas serenissi¬
mo electori Bauariae, si
a quibuscumque et iis,
qui maxime partes Hol¬
landorum suscipiunt
aut eisdem auxilia et
subsidia praestant, sub¬
ditis aut provinciis suae
serenitatis quiequam
aduersi aut hostilitatis
obveniat, promptissi-
mum auxilium et eam
seu equitum seu pedi¬
tum copiam, quae a sua
4 *
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52
Michael Doeberl
et annua sustentatione in singulos annos, quatu-
diu durat liostilitas, quadringenta millia flo-
renorum Gernianicorum solvere aut si forte
etiam maior necessitas conscriptionis moram
non patiatur, ad requisitionem serenissimi elec-
toris ex supradictis noveui millibus equituni
et peditum aliquam parteni, cuius determina-
tio in serenitatis suae electoralis arbitrio erit,
mittere, ita tarnen, ut vicissim pro rato ex-
pensae conscriptionis et arniaturae remittan-
tur. Et hanc solutionem pecuniae sive sub-
ministratiouem militum ad requisitionem sere¬
nissimi electoris Bavariae ita in promptu et
parato praestare promittit Christianissimus
regia M 1 ** cum electorali sua serenitate Colo-
niensi, ut nulla omnino excusatio, cunctatio
aut mora admitti debeat aut possit. In quo-
rum fidem etc. M. St. A. K. schw. 279/29.
Vermerk: „Ist lialbbriicliig geschrieben
und dem prinzen Wilhelm v. Fürste 11-
berg alhie zugestellt worden, April 1672.
Hernach wideruni halbbrüchig geschrieben,
so dem msr. de Gravel nacher Regensburg
übersandt, von deine aber ein anderes proiect
alliero überschickt worden, so alhie auch ver¬
fertiget und ihme zu ebenmessigem ende re¬
mittiert worden. So datiert den 27. Mai 1672»
daher gilt dies nihil.
et sans aucune perte serenitate desiderabitur,
de temps, et pour ad primam ipsius requi-
ce, qui est des sub- sitionem mittat, imo si
sides, l’on en traitera opus sit, totis viribus
et l’on en convien- eam absque mora de-
dra au cas et au fendat. Insuper in
temps, que s. A. E. eum casum si contin-
vieudroit d estre at- gat, tune Christianissi-
taquee, soit que les rnuin regem et serenissi-
assistences, qu’elle mum electorem Colo-
desirera, doivent niensem inter et sere-
estre donnees en nissimum electorem Ba-
troupesouenargent. variae de ulteriori
M. St. A. K. schw\ assistentia aut in copiis
279/29. aut in aliis pecuniae
subsidiis convenietur.
In quorum fidem etc.
(Ztschrift f. Bayern
und die angrenzenden
Länder IV, 198 f.).
V. Der belagerung zu Groningen relation. Auszug.
24. Julii 1672: Diesen abend hat das Bayrische regiment den laufgraben aufge¬
worfen und die zwei batallionen von dem Fürstenbergischen regiment abgelest
Den 25. Julii ist man mit der Cölnischen trancli£e weit kommen und haben die
Bayrischen ein über die massen stattliches werk gemacht, darab die generales von denen
officieren und Soldaten all vollkomene satisfaction bekomen. . . . Die Soldaten und burger
seind von der stat zu underschidlichen malen ausgefallen, aber von denen Bayrischen
musquetieren iedesmal alsobald widerumb abgetriben worden. . . . Die batterie ist disen
tag ganz verfertigt worden; es hat aber der lierr bischof von Münster gleichwohl kein
stuck wollen alda aufführen lassen, bis auch die andere batterie, welche er die nacht
hernach bauen ze lassen Vorhabens gewest, zu ihrer perfection gelangt ist. Disen abent
ist das Bayrische regiment von einer Fürstenbergischen rott und des obristen Weixs regi-
ment tragoner abgelest worden.
27. Julii: Diesen tag hat auch der obrist Borensem und der graf von Homburg,
weliche auf die partei gegangen waren, in einem dorfe genannt Drachten (sic!) 5 kompagnien
Friesländische reiter angetroffen, weliche reiter, nachdem sie ein prugen bei besagtem
dorf, den unserigen den pass zu verwehren, eine zeit dapfer defendiert, von dem obrist
St Martin und seinen untergebenen Bayrischen dragonem, die dermassen wol gefochten,
dass sich daryber zu verwundern gewesen, also scharpf charchirt, dass sye die flucht zu
nemen gezwungen w'orden, und seind deren 50 in 60 auf dem plaz gebliben, etlich
leutenant und comet sambt einem haubtmann und 50 reitern gefangen und ihnen zwei
Standarten abgenommen worden.
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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
53
28. Julii: Diesen abend ist auch der obrist Zurlaube von dem Bayrischen regiment
abgelest worden.
Den 29. Julii ist der Cölnische und Miinsterische lauf graben gleich weit gebracht
und diese nacht nit mehr als 1 mann erschossen, aber 3 von dem Bayrischen regiment
verwundet worden. So hat man auch an ainer batterie von 8 canonen angefangen zu
arbeiten, von darauf man die bateri des feinds, weliche der bastei gleich im gesicht stehet,
so die Cölnische angreifen wollen, ruiniren kann. Man hat aber besagte bateri nicht
weit gebracht wegen der dicke, so man ijir zu geben vermeint, um selbe canonfrei zu
machen. Diesen abend ist das Bayrische regiment durch die Bellerosische Encheringisclie
und 1 Fürstenbergisches bataillon abgelest worden.
31. Julii: Der obrist Zurlauben ist diesen abend durch die Bayrische abgelest
worden, und hat dieses regiment einen sergenten, einen corporal und 5 gemeine knecht
verloren, seind auch 8 oder 10 verwundet worden. Diese Bayrische haben fleissig ge¬
arbeitet, die grosse bateri zu ihrer perfection zu bringen und eine neue von 5 stuck
geschüz anzufangen, damit sye die seiten bestreichen künen, seind gegen der mina des
abschuss ungefehr 5 schrutt avancirt.
1. August. Das Bayrische regiment ist diesen abend von dem Bellerose, Enchering
und der dritten bataillon vom Fürstenbergischen regiment abgelest worden.
(Fortsetzung fehlt — s. dazu S. 36).
M. St. A. K. schw. 44 17.
VI. Summarischer verschlag
wie stark i. kf. D l zu Bayern meines g st . herrn dieser ortes u. mir g 3 '. untergebenes
regiment zue fuess sich alhier zu Deventer den 5 . Julii anno I673 effective befunden.
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(sic!) 19 personen b. dem staab*)
tliut mit dem staab die summa 769 köpf
S. Bibous.
*) Der staab:
1 obrist
1 obristlieutenant
1 obristwaclitmeister
i regimentquartiermeister
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54
Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten.
i kapellan
i adjutant
i auditor und sekretär
i feldscherer
i tambur
1 profoss mit seinem knecht
4 knecht vor den obristen
2 knecht vor den obristlieutenant
i knecht vor den kapitänlieutenant
19 mit dem Stallknecht
M. St. A. K. schw. 44/15.
VII. Conto oder bilanz.
was i. kf. D l zu Cölln wegen des zurückgeforderten regiments zu fuess underm obristen
B i b o u s noch bezalen zu lassen.
I. kf. D sollen:
Vermög attestirter abreclinung mit dem Churcöllnischen commissari
Eckhel hat das regiment für den monat September a. 1673 (dann
nischen Verpflegung.
für den monat Januar a. 1674 laut obiger abrechnung
,, „ ,, Februar ,, „ „ attestation von dies
,, ,, „ Martz ,, „ ,, ,, ,
trifft also .dessen sold für das monat April
M a i
für den halben September
Juni. .
Juli . .
August
I. kf. D* sollen haben:
Vom major Hagedorn in Deventer empfangen.
Vom commissari Eckharte 11.
Von dessen Schreiber aufm rathaus.
herr obristwachtmaister empfangen.
Noch gehen ab die officir, so nach er Bayern gangen .
h. comissari Lankh dem veldscherer vom graf Zacco.
In courant seind vom commissari Lankh in Neuss erhoben.
Noch von demselben bei dem abzug an durat(en) und courant
l-
fl.
kr.
2739
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4000
—
4587
7 */-
12894
45
12877
52 '/.
Restirt also von i. kf. D l zu Cölln dem regiment noch zu bezalen
M. St. A. K. schw. 44/13.
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
(7. September 1796).
Von
Richard Graf du Moulin Eckart
hat es sich nicht nehmen lassen, gleichsam im Anschluss an die
erhebende Jubelfeier für die Errungenschaften des deutsch-französischen
Krieges, auch jener Tage zu gedenken, an denen nunmehr vor hundert Jahren
Erzherzog Karl, der heldenmütige Führer kaiserlicher Heere, mitten im
Taumel französischer Eroberungslust und revolutionärer Propaganda noch
einmal den Sieg an die deutschen Fahnen heftete. Freilich lässt sich ein
schärferer Kontrast nicht denken als zwischen jenem Feldzuge und dem letzten
Kriege mit Frankreich. Hier ein mit allen strategischen und politischen Kon¬
sequenzen durchgeführter Feldzug, ein ungeahnter Erfolg, der die Erfüllung
des Sehnens und Strebens des deutschen Volkes, die Gründung des neuen
Reiches brachte, dort aber eine Reihe versäumter Gelegenheiten, von Miss¬
erfolgen, sodass selbst die Siege des jungen Erzherzogs lediglich strategische
Vorteile zu bringen vermochten, während infolge der strategischen und politischen
Fehler dieses Feldzugs das alte Reich einen tödlichen Stoss erhielt. Längst
war der Zusammenbruch nur noch eine Frage der Zeit, aber Erzherzog Karls
Rückzug vom Rhein hat ihn zweifellos beschleunigt; es war der Anfang
vom Ende!
Wenn man sich daher frägt, ob es sich der Mühe gelohnt hat, die
Freude über den alten Sieg laut werden zu lassen, so dürfte man sich ruhig
eingestehen, dass es besser gewesen wäre, nicht an alte Wunden zu rühren,
wenn nicht gerade in diesem Augenblicke grenzenlosen Elends, das der
kaiserliche Feldherr über Süddeutschland gebracht hat, die ersten Keime
deutschen Nationalgefühls im Volke erwacht wären, sodass es schon damals
bereit war, im alten „furor teutonicus“ die Waffen zu ergreifen, aber am eigenen
Leibe die ganze Erbärmlichkeit des alten Reiches empfand, und in ungewissem
Sehnen nach einem festen deutschen Staat verlangte, in dessen starkem Waffen¬
schutz Haus und Ehre des deutschen Bürgers sicher geborgen war. So
erweckt denn diese Verknüpfung von Sieg und Uusieg, von Ruhm und
Schmach das Interesse und die Teilnahme des Historikers immer aufs neue 1 ).
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56
Richard Graf du Moulin Eckart
Den jungen Feldherrn selbst scheint ein eigenartiges Verhängnis zu
verfolgen. Eine lautere Heldengestalt, voll Opfermut, voll Klugheit und
Scharfsinn, ist er als Theoretiker einer der grössten Heermeister der neueren
Geschichte. Doch lässt gerade sein berechnender Geist den Helden nicht völlig
zum Durchbruch kommen, und es versagt ihm die Initiative in einem Augenblick,
wo ihr der Sieg gewiss, der Sieg selbst aber eine politische Notwendigkeit
gewesen wäre. Es sei ferne, an den verdienten Lorbeeren des später so ver¬
bitterten Helden zu rühren. Die Schlachten von Amberg und Würzburg
zieren ihn nicht minder wie der Sieg von Aspern, wenn auch hier ein Grösserer,
als er selbst war, das Feld räumen musste. Aber trotzdem steht fest, dass er
durch diese Siege lediglich wieder gewonnen hatte, was verloren war. Es war eine
glänzende Wiederherstellung der Waffenehre 2 ). Und es wird immer eine Leistung
ersten Ranges bleiben, dass er nach all den Fehlern, die er selbst und in noch
weit höherem Grade seine Unterfeldherren begangen, nach der Deroute, die in
den kaiserlichen Heeren herrschte, noch an dem festen Plane, beide Heere zu
vereinigen, festhielt, und durch die Ausführung desselben die Franzosen zum
Rückzug über den Rhein zwang. Aber was zwischen seinem Abzug vom
Rhein und dem Morgen des 24. August lag, wo von den Höhen bei Amberg
Kanonendonner die Vereinigung der beiden Armeen verkündete 8 ), das schloss
eine Reihe schlimmer Fehler in sich, die nicht wieder gutgemacht werden
konnten. Es ist indes nicht Absicht dieser Zeilen, den Rückzug Erzherzog
Karls durch alle einzelnen Phasen zu verfolgen. Es genügt zu zeigen, wie
er mit dem Verzicht auf eine strategische Stellung für den Kaiser eine poli¬
tische verloren hat, die nicht zurückerobert werden konnte.
Nach den Erfolgen der kaiserlichen Heere gegen Ende des Jahres 1795
und bei der militärisch-politischen Lage Frankreichs wäre es für die deutschen
Generäle ein Leichtes gewesen, jenseits des Rheins, wo sie bereits Stand ge¬
fasst hatten, einen entscheidenden Schlag zu führen. Erzherzog Karl be¬
fehligte 81000 Mann, während Feldmarschall Wurms er über 91000 Mann
verfügte. Die Hauptarmee stand auf dem jenseitigen Rheinufer in einem
weiten Bogen tief zwischen die beiden Heere hineingeschoben, sodass diese
schon durch diese Stellung so gut wie getrennt waren. Aber die Konzen¬
trierung der beiden kaiserlichen Armeen wurde wie der Angriff auf die Gegner
versäumt. Die Hofburg hatte, um dadurch auf die Bewegungen Bonapartes
in Italien hin zu wirken, einen Einfall ins Eisass gewünscht, ein Gedanke der
dem Erzherzog zu riesenmässig erschien und daher unausgeführt blieb. Es
geschah vielmehr das Unglaubliche, dass Karl die ganze Rheinlinie aufgab
und der französischen Invasion Thür und Thor öffnete 4 ). Der Abzug der
Kaiserlichen aber war zugleich das Signal für den Abfall der süddeutschen
Staaten von der undankbaren kaiserlichen Sache. Es war keine erfreuliche
Erscheinung, dass man sich bei dem Herannahen der französischen Horden
in Stuttgart und Karlsruhe entschloss, dem Unheil durch schleunige Friedens¬
unterhandlungen zu wehren; ebenso unerfreulich aber war es, dass jeder Verlass
auf die kaiserliche Armee aufhörte. Hatte zum Beispiel Graf Latour, der
Unterfeldherr Karls, dem wir alsbald am Lech wieder begegnen, am 4. Juli
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
57
dem Markgafen von Baden melden lassen, dass die Residenz Karlsruhe nicht
das Geringste zu befürchten habe, so sah er sich schon am folgenden Tage
gezwungen, eine Alarmnachricht zu senden, die zu schleuniger Flucht auf¬
forderte 5 ). In der That rückten bereits am n. Juli die Franzosen in Karls¬
ruhe ein. Am 8. Juli war Freiherr von Reitzenstein mit der Führung
der Waffenstillstands Verhandlungen betraut worden, die indessen erst am
25. Juli zum Ziele führten, nachdem Wiirtemberg am 17. Juli seinen Vertrag
mit der Republik geschlossen hatte 6 ). Der schwäbische Kreis schloss sich
am 27. Juli dem Vorgehen der beiden Staaten an. Das waren die nächsten
Folgen von Karls freiwilliger Retirade. Was bedeutete dagegen seine ehrliche
Entrüstung, was mochten die Zwangsmassregeln fruchten, durch die er den Treu¬
bruch der deutschen Reichsfürsten zu bestrafen gedachte! Die Entwaffnung ihrer
Kontingente konnte ihnen im gewissen Sinne nur erwünscht sein 7 ). Ward doch da¬
durch ihren Verträgen mit Frankreich nur vorgearbeitet, welche die Zurück¬
ziehung der Kontingente von der kaiserlichen Armee forderten. Und bald ge¬
nug vollzogen sich die Verhandlungen mit der Republik hinter der weit vor¬
geschobenen französischen Front. Denn am 4. Juli war die Rheinposition,
am 9. Juli die Schwarzwald kette verloren, und zwar auf völlig unnötige Weise.
Denn Karl war zwar geschwächt, aber nicht geschlagen 8 ). Sieht sich doch sein
Verhalten an, wie die Lösung eines glänzenden strategischen Exempels. Dann
aber, als der Führer der Niederrheinarmee, Graf Wartensleben, im fort¬
währenden Rückzug vor General Jourdan, sich von der geradezu krank¬
haften Idee leiten liess, Böhmen schützen zu müssen, und infolge dessen be¬
reits am 1. August in Bamberg angelangt war, da wurde das Spiel bitterer
Ernst, und Karl musste zurück bis Regensburg, um einer augenscheinlichen
Gefahr zu entgehen. Denn nun wäre es General Jourdan ein Leichtes ge¬
wesen, sich zugleich mit Moreau auf den isolierten Erzherzog zu werfen
und sein Heer völlig aufzureiben. Die Verblendung der beiden französischen
Feldherren machte indessen gut, was die kaiserlichen gefehlt hatten. Mit
grossem Geschick wich Karl dem drohenden konzentrischen Angriff der
beiden Gegner aus, um dadurch Zeit zur Vereinigung mit Wartensleben zu
gewinnen und so gekräftigt den offensiven Vorstoss gegen den Feind zu
wagen. Das war ein kühner, aber wohlberechneter Entschluss, der denn auch
den Wendepunkt des Krieges bezeichnet und den kaiserlichen Waffen den
Sieg zurückbrachte. Durch den berühmten Uferwechsel bei Donauwörth lockte
er Moreau glücklich auf die rechte Seite des Flusses, um dann selbst un¬
weit Regensburg glücklich auf das linke Ufer zurückzukehren und bei Am¬
berg den Schlag gegen Jourdan zu führen 9 ).
Freilich war dadurch die letzte Position gefährdet worden, die den
bayerischen Kreis vor dem nahenden Feinde schützte, die Lechlinie. Es ist
keine Frage, der Erzherzog hatte sie unter allen Umständen halten wollen 10 ).
Er hatte zu diesem Zwecke den Feldzeugmeister Latour zurückgelassen.
Doch dieser kam rascher, als es notwendig war, zu der Überzeugung, dass er
den Lech nicht würde behaupten können. Die Schlacht bei Friedberg ent¬
schied denn auch am 24. August diese Frage zugunsten der Franzosen.
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5«
Richard Graf du Mouliu Eckart
Moreau nahm noch am gleichen Tage Stellung an der Paar und Aisch, und
Latour gab Bayern so gut wie verloren 11 ). Er wollte sich zwar noch an
der Ammer behaupten, doch wurden schon alle Eventualitäten für den weiteren
Rückzug bis an die Isar, ja selbst bis an den Inn erwogen. Auch die Sieges¬
nachrichten von Amberg vermochten ihn nicht zu neuer Thatkraft aufzumuntem.
Gerade unter dem Eindrücke jener Botschaft schrieb er an den Erzherzog, er
könne es unter den obwaltenden Umständen auf eine zweite Schlacht nicht
ankommen lassen. Im Falle er die Isar verlassen müsse, bleibe ihm nichts
übrig, als Schritt für Schritt auf Braunau zurückzugehen, wo er dann bei
Altötting zuwarten werde, bis er durch Verstärkungen oder die glänzenden
Fortschritte des Erzherzogs wieder in den Stand kommen würde, dem Feinde
die Spitze zu bieten. So schrieb Latour am 27. August aus Riem an den
Erzherzog. 12 ). Dieser hatte gesiegt, aber Bayern war und blieb preisgegeben.
Und hier fiel, während Karl bei Würzburg das klare Fazit seiner klaren
Rechnung zog, eine Entscheidung, die ebenso schmachvoll war wie der Sieg
bei Würzburg glorreich: der Vertrag von Pfaffenhofen vom 7. September 1796.
Beide waren zweifellos die unmittelbare Folge der Heerführung des kaiser¬
lichen Feldherra.
Doch soll die Schuld an dem Ereignisse keineswegs dem Erzherzog
allein aufgebürdet werden. Man muss selbst zugeben, dass sein Sieg bei Am¬
berg jede Notwendigkeit eines solchen Schrittes beseitigt hatte, ja ihn um so
jämmerlicher erscheinen lässt. Der Vertrag ist vielmehr die Folge weitver¬
zweigter politischer Konstellationen, auf die der Erzherzog in der Verfolgung
seines Feldzugsplanes keine Rücksicht nahm. Die Vereitelung wäre auch
ohne Sieg in der Schlacht ein moralischer Erfolg gewesen, der für die kaiser¬
liche Politik schwerer in die Wagschale gefallen wäre, als weitere siegreiche
Feldzüge, deren Früchte durch Bonapartes Fortschritte in Italien in schwerer
Weise beeinträchtigt wurden. Er hätte, das steht fest, jedenfalls im Sinne
des Leiters der kaiserlichen Politik gehandelt, wenn er diesen Vertrag
Bayerns gehindert hätte. Und Bayern selbst hätte ihm Dank dafür wissen
müssen, wenn auch seine leitenden Kreise an der Ausführung eines Lieblings¬
wunsches gehindert worden wären. Denn die Konsequenzen des Vertrages
waren unheilvoll für lange Zeit, boten der französischen Politik eine Hand¬
habe, die noch im Jahre 1800 schwer auf Regierung und Volk lasten sollte.
Es scheint daher nicht überflüssig, den Ursachen dieses seltsamen Waffen¬
stillstandes nachzugehen, der ja immer in der Form schmachvoll bleibt, aber bei
näherer Beleuchtung trotz der Kopflosigkeit der bayerischen Unterhändler
erklärlich ist.
Man hat Moreaus Haltung nach der Schlacht bei Friedberg stets
verurteilt, ihm unerklärliche Saumseligkeit vorgeworfen 13 ). Ich finde nichts,
was sein Verfahren vom strategischen Standpunkte aus rechtfertigen könnte.
Er unterschätzte und überschätzte eben zu gleicher Zeit seine Lage. Er
glaubte nicht mehr an den Sieg der österreichischen Waffen. Er hatte politische
Belege dafür, dass Österreich mehr und mehr isoliert stand. Darum hielt er
auch die Niederlagen Jourdans für Schlappen ohne Bedeutung. Aber er
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
59
hielt sich auch wohl zu schwach zur Offensive. Dagegen überschätzte er
seine politischen Erfolge, die ihm jetzt und später mehr am Herzen lagen als
der Sieg auf dem Schlachtfeld. Das Beispiel Bonapartes verlockte und
reizte ihn. Dazu kamen seine bisherigen Erfolge in Süddeutschland. Eine
Reihe von „Freunden“ hatte er seiner Republik gewonnen. Und er hoffte,
so heisst es, auf unvorhergesehene Fälle 14 ). Es mag sein. Das lag in der
Luft Er hatte selbst nichts gesehen als Deroute und Retirade. Er glaubte
nicht mehr an den feindlichen Feldherrn noch ah sein Heer. So konnte er sich
den Maximen seiner Regierung, dass Krieg den Krieg ernähre, um so leichter
hingeben und zugleich billige politische Lorbeeren sammeln. Ein solcher war
der Vertrag, den er am 7. September mit Bayern abschloss, in voller Kenntnis
von Jourdans Niederlage, aber auch noch im Glauben an die Nichtigkeit
seiner Gegner. Der Kurfürst hatte bei seinem Nahen seine Truppen völlig
zurückgezogen, ein starkes Bollwerk war gefallen, der Vertrag machte ihn
zum Herrn von Bayern, soweit es nicht von Österreich besetzt war. Man
kann aus Posselts Annalen, die in ziemlich lächerlicherWeise für Moreau
Reklame machten, die Ideen Moreaus über seine Lage erkennen, die er im
Augenblicke hegte, da er jenen Vertrag abschloss: „Wie stolz war itzt nicht
die Lage dieses Feldherni“ ,5 ). Diese Überschätzung der Bedeutung des
Waffenstillstandes wie Bayerns ist charakteristisch. Sie entsprach aber der in
Paris Mode gewordenen Auffassung der bayerischen Verhältnisse. Er sah in
dem Vertrage ein politisches Resultat von grösster Tragweite, den Erfolg der
französischen Politik, die gerade wegen Bayern ein höchst seltsames Spiel
getrieben hatte.
Die Republik hatte bald den Hass des bayerischen Volkes gegen die
Annexionsgelüste Österreichs, sowie den Gegensatz des Prinzen von Zwei¬
brücken gegen diese Pläne als willkommenes Moment für ihre Politik aufzu¬
greifen und die Furcht vor diesen Plänen in Zweibrückeu stets zu steigern
verstanden. Aber nicht bloss das. Während sie durch die geeignete Ver¬
wertung dieses Moments den Herzog von Zweibrückeu mehr und mehr in
die Schlingen ihrer Politik zu locken versuchte, wusste sie das Land Bayern
dem Kaiser stets als Lockmittel zu zeigen und die Spannung zwischen den
Beteiligten nicht minder wie bei den Mächten fortwährend zu erhalten und
zu steigern 16 ). Seit der Matmheimer Kapitulation und dem kaiserlichen Straf¬
gericht gegen die vermeintlichen Verräter au der kaiserlichen Sache war ihr
dies noch leichter. Es war zweifellos Frankreich, welches das Tauschprojekt
mit geschickter Hand stets aufs neue als Zankapfel zwischen die Mächte
warf. Und das gelang ihm vortrefflich. Oesterreich, Preussen, England ge¬
rieten in die französische Falle. Und vor allem Herzog Maximilian von
Zweibrücken. Das konnte nicht wundernehmen. Das Verfahren des Kaisers
gegen ihn und seinen Minister Salabert, der Ton der gegen ihn auf dem
Reichstag und von den Generälen angeschlagen wurde, musste ihn nicht nur
empören, sondern auch mit erhöhtem Misstrauen erfüllen 17 ). Sollte doch schon
General Clerfayt sich zu der Erklärung haben hinreissen lassen, er wolle
durch Franken und die Oberpfalz, Wurmser durch Schwaben und Bayern
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6o
Richard Graf du Moulin Eckart
marschieren, um bei der allgemeinen Verwirrung des Reiches die alten Pläne
auszuführen 1 "). Unter solchen Umständen warf sich Max Joseph Preussen
in die Arme, das ihm in seiner scharfen Stellungnahme gegen den Wiener
Hof den Rücken decken sollte. Das wollte und konnte zwar Preussen in
diesem Augenblicke nicht, aber es ebnete durch seine eigene Politik seinem
Schützling die Wege nach Paris. Am 5. August hatte der König selbst seinen
Vertrag mit der Republik geschlossen, der in den offenen Artikeln lediglich
eine Beschränkung der Demarkationslinie festsetzte, während die Geheim¬
artikel provisorisch die Abtretung des linken Rheinufers zusicherten, für den
Fall, dass der Reichsfriede diese ausspreche. Alsdann würden die Ent¬
schädigungen die Saekularisation der geistlichen Reichsstände bedingen und
würde Frankreich die Vermittelung Preussens für die deutschen Fürsten an-
nehmen 12 ). Unmittelbar an diesen Schritt des preussischen Hofes schloss
sich die Absicht Max Josephs an, seinen früheren Unterhändler Cetto
unter preussischer Ägide nach Paris zu senden, um die Verhandlungen mit
Frankreich nachdrucksvoller zu betreiben. Die nächste Veranlassung hiezu
gab neben den allgemeinen Gesichtspunkten der bevorstehenden Friedensver-
handlungen der Rückzug der Kaiserlichen nach Bayern: Die österreichischen
Armeen, die sich von den Ufern des Rheines bis an die Donau fechtend zu¬
rückgezogen haben, machen in Bayern Halt und schicken sich au, dies Land
festzuhalteu, indem sie die Festung Ingolstadt und alle militärischen Stellungen
auf dem rechten Donauufer besetzen. Ferner stimmen alle Nachrichten darin
überein und finden durch alle diesbezüglichen Broschüren in Deutschland und
Frankreich Bestätigung, dass der Wiener Hof die öffentliche Meinung für
seinen bayerischen Acquisitionsplau zu gewinnen sucht, in dem Augenblicke,
wo er daran geht, es durch Waffengewalt zu halten, um daraus ein Friedens¬
objekt zu schaffen 20 ). I11 diesem Sinne sollte Cetto die französische
Regierung überzeugen, dass die Erhaltung des pfälzischen Hauses wie der
Integrität Bayerns im eigenen Interesse der Republik liege, dass eine Zer¬
stückelung dieser Provinz die gleichen schweren Nachteile haben würde wie
die gänzliche Abtretung. Aus den gleichen Erwägungen darf Österreich an
seinen Grenzen keine Erwerbungen machen, die Bayern in Abhängigkeit
brächten, dadurch, dass sie das Land der Mittel, sich gegen die offenen Feind¬
seligkeiten nicht miuder wie gegen die geheime Untergrabung seiner politischen
Existenz zu schützen 21 ), beraubten. Mau sieht, der Republik war ihre Absicht
vollkommen geglückt. Grösser wie je war die Furcht des künftigen Thronfolgers
vor den österreichischen Machenschaften. In diesem Augenblicke wenigstens
mit Unrecht. Der Wiener Hof hatte Gründe genug, seine Wünsche vorder¬
hand nicht laut werden zu lassen. Die englischen Vorschläge in Berlin,
welche Preussen die belgischen Provinzen antrug, wenn Österreich sie gegen
Bayern austauschen wolle, hatten für Thugut die leidliche Frage vorderhand
undiskutierbar gemacht 22 ).
Trotzdem erreichte gerade jetzt das Misstrauen gegen Thugut in
München seinen Höhepunkt und machte sich besonders bei den Vertretern
der Landschaft geltend. Der Einfluss der Agnaten trat hiebei stark hervor,
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
61
freilich, ohne die Bewegung in die richtigen Wege leiten zu können. Diese
hatten nach der Mannheimer Katastrophe und ihren demütigenden Folgen
Grund genug gehabt, einesteils mit dem Kurfürsten mehr Fühlung zu
suchen, andemteils mit den leitenden Kreisen der Hauptstadt sie nicht zu
verlieren. Der Herzog wollte den Kurfürsten bei dieser günstigen Gelegenheit
zum direkten Anschluss an Frankreich gewinnen. Dies war freilich vergeb¬
lich, ebenso wie der Versuch, ihn zu energischeren Schritten gegen die Ver¬
haftung seiner Mannheimer Beamten zu bewegen. Denn je klarer Karl
Theodor sah, dass sich sein Verhältnis zu Österreich bessere, desto mehr
gab er seiner Schwäche nach und suchte alle Schuld auf den Herzog abzu¬
wälzen. Und darin kam er den Wünschen des Wiener Hofes nur entgegen 28 ).
Max Joseph wurde als Feind behandelt, weniger von der Hofburg selbst,
als von den eigenmächtigen Generälen der österreichischen Armee, denen das
politische Verständnis fast ebenso mangelte wie der diplomatische Takt.
Daraus ergab sich denn ein Zustand, der an sich schon geeignet war, bei
Fürst und Volk die Stimmung gegen Österreich zu wenden. T h u g u t
selbst war damit ebenso wenig einverstanden wie mit der Haltung Seilerns
in München, die ihn in der Folge noch zu mancher sarkastischen Bemerkung
veranlasste. Aber sie war doch bezeichnend für Seilern selbst und die
allgemeine Stimmung am Wiener Hofe, die ja Thugut selbst nicht zu be¬
herrschen vermochte* 4 ). Nach der Reklamation, die Max Joseph gegen die
Vergewaltigung der Mannheimer Beamten beim Reichstag eingebracht hatte,
erklärte der österreichische Gesandte den Ministern, er hoffe, dass der Kurfürst
keinen Augenblick mit der offiziellen Erklärung zögern werde, dass er an der
Forderung des Herzogs keinerlei Anteil habe. Sei doch diese Erklärung das
einzige wirksame Mittel, jeden Verdacht eines geheimen Einverständnisses
zwischen beiden oder selbst einer übertriebenen Nachsicht des Onkels gegen¬
über den Verirrungen des Neffen zu beseitigen, einen Verdacht, der um so
gefährlicher sei, als er die heilsame Hilfe, die der Kurfürst allein von seinem
Vertrauen in den Kaiser erwarten könne, beeinträchtigen müsste 2 '). Zu
dieser Erklärung hatte nun freilich Seilern keinen offiziellen Auftrag, aber
sie war geeignet, die Sympathie der Bevölkerung mit dem Vorgehen Max
Josephs gegen den Wiener Hof noch zu erhöhen. Diese wäre zweifellos
vollkommen gewesen, hätten sich die verhafteten Minister einer grösseren Be¬
liebtheit erfreut. Aber trotzdem wurde durch die weitere Entwickelung der
Affäre der Argwohn gegen Österreich noch gesteigert. Als die kurfürstlichen
Beamten ihrem Herrn ausgeliefert wurden, der Zweibrückische Minister S ala-
bert aber unter verschärften Bedingungen in kaiserlicher Haft verblieb, da
bedurfte es vonseiten der Agnaten keinerlei grosser Anstrengungen, um gegen
die angekündigte Mission des alten Unterhändlers Lehrbach in München,
die ganze Furcht vor dem Tauschprojekt aufs neue lebendig zu machen 26 ).
Sie war indes verzeihlich. Sah man doch auch in Berlin in der doppelten
Behandlung der Zweibrückisclien und kurfürstlichen Beamten einen Versuch,
den Kurfürsten von den Interessen seines Neffen zu trennen und ihn mehr
und mehr zu umgarnen, was, wie man meinte, bei der Stimmung jenes Fürsten
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Richard Graf du Moulin Eckart
nicht schwer sei 27 ). So war es kein Wunder, wenn ein Schritt des Herzogs
von Birkenfeld ausserordentliches Aufsehen erregte, zumal er mit besonderer
Wichtigkeit vorbereitet wurde: eine persönliche Vorstellung beim Kurfürsten,
um ihm über die österreichischen Machenschaften die Augen zu öffnen 28 ). Die
Furcht wurde dadurch aufs äusserste gesteigert, obwohl sie, wie gesagt, ge¬
rade jetzt wenig berechtigt war. Da halfen auch die Versicherungen des
russischen Gesandten, Baron Bühl er und des Grafen Tattenbach, dessen
wenig glückliche Mission nach Wien eben zu Ende ging, nichts mehr. Der
Prinz hatte im voraus erklärt, dass die eventuelle Ablehnung seines Besuchs
als schlimmstes Zeichen aufzufassen wäre. Diese aber wurde glücklich ver¬
mieden. Mit einem weitschweifigen Memoire ausgerüstet, erschien er in
München und fand beim Kurfürsten unerwartet gute Aufnahme. Er durfte
sein Memoire überreichen und mit dem nötigen mündlichen Kommentar be¬
gleiten. Der Kurfürst las das Schriftstück, hörte ihn ruhig an und erwiderte:
Er erkenne das Kritische und Schwierige seiner Lage recht wohl. Aber auf
die vorgeschlagene Weise könne er nicht daraus befreit werden. Im Gegenteil.
Er müsse bei seiner Stellung die Haltung aller Höfe nützen. Gerade die
Gegensätze in ihren Anschauungen von Bayern biete grössere Sicherheit als
jede andere Partie, die man ergreifen könnte 29 ). Er hatte darin nicht Un¬
recht. Von keiner Seite war unbedingter Schutz zu erwarten, keine Macht
war imstande, für sich allein Bayerns Integrität zu decken. Preussen ge¬
stand es offen ein, Österreich und Frankreich nützten die Lage in ihrem
Sinne, jederzeit bereit, einen guten Frieden auf Kosten des unglücklichen
Landes zu schliessen. Von Russland war in dieser Zeit ebenso wenig Hilfe
zu erwarten wie von England, das ebenfalls Bayerns Integrität nicht höher
stellte als die übrigen Mächte 80 ). So schloss denn diese Sendung des Birken¬
fel der s mit einem vollständigen Fiasko. Gelang es doch sogar dem kur¬
fürstlichen Hofe, die Gemüter über das Tauschprojekt zu beruhigen 31 ). Freilich
nur für einen Augenblick. Es war Max Joseph selbst, der neue Alarm¬
nachrichten nach München sandte und, wie es scheint, für deren Verbreitung
Sorge tragen liess. Die Wirkung war bei den Hiobsposten vom Kriegsschau¬
platz eine doppelte. Dazu kamen weitere Schritte vonseiten des Wiener
Hofes, die als eine wahre Landplage empfunden wurden. Lehrbach sollte
eine neue Millionenanleihe in dem ausgesaugten Lande vermitteln und vor
allem den Antrag stellen, alle im Privatbesitz befindlichen Feuergewehre zur
Bewaffnung der Tyroler über die Grenze zu schaffen: eine Massregel, die
dadurch, dass sie auf Befehl und im Namen des Kurfürsten durch geführt
werden sollte, eine ungeheure Erregung hervorrief. Im ersten Augenblicke
glaubte man darin die Absicht zu erkennen, das ganze Land zu entwaffnen.
Bei dem drohenden Rückzuge der Österreicher, die, wie es hiess, sich in
Bayern festsetzen würden, legte man der Sache eine Bedeutung bei, die sie
nicht hatte und nicht haben konnte. Man sah die Tage Max Emanuels
und der Sendlinger Schlacht wiederkehren 32 ). Dazu kamen die immer lauter
werdenden Gerüchte von der Flucht Karl Theodors. Da verlor auch die
Landschaftsdeputation die Ruhe und begann nun, unbekümmert um die ab-
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
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lehnende Haltung des Kurfürsten, diesen mit einer ganzen Reihe von Postulaten
zu bestürmen. Nachdem sie auf ihre Anfrage wegen der bayerischen Integrität
eine beruhigende Antwort des Ministers Grafen von Vieregg erhalten,
forderten sie am 21. Juni Herstellung des Friedens, und als ihre Verhand¬
lungen sich zu Ende neigten, verlangten sie wegen der bedenklichen Lage
beisammen bleiben zu dürfen. Auf all dies antwortete Karl Theodor ver¬
neinend 83 ). So wurde die Stimmung immer gereizter. Und immer mehr näherten
sich die retirierenden kaiserlichen Armeen dem Lande. Vortrefflich schildert
der preussische Ministerresident Harnier die damalige Stimmung in München:
„Die allgemeine Besorgnis gilt im Augenblicke viel mehr dem Rückzug der
kaiserlichen Truppen als dem Herannahen der Franzosen. Die nationale Ab¬
neigung scheint aufs neue erwacht. Man äussert laut den Wunsch, dass es
den Franzosen glücken möge, die Österreicher von der Donau abzuschneiden“.
Flugblätter forderten allgemeine Mobilmachung, nicht gegen Frankreich,
sondern gegen die Kaiserlichen 84 ). Und dabei wurde die Situation in der
That täglich bedenklicher. Der Kurfürst freilich liess sich dadurch nicht aus
seiner guten Laune bringen. Seine heitere Miene gab allen Rätsel auf. Man
wusste nicht, ob er geheime Abmachungen mit der Republik getroffen, oder
ob er sich dem Wiener Hofe in die Arme werfen würde 86 ). Man war aufs
höchste gespannt, wohin er seine Flucht wenden würde. Verschiedene Mut-
massungen wurden laut. Man sprach von Sachsen und der Schweiz, wohl
auch von Österreich und von Wien selbst 86 ). Die Stände aber Hessen in
ihren Bitten und Forderungen nicht nach. Während in der Residenz mit
aller Eile die Kostbarkeiten gepackt wurden, forderte die Deputation in richtiger
Ahnung der künftigen Dinge das Hof- und Kircheusilber zur Einschmelzung
für das allgemeine Beste. Der Kurfürst solle bei seinem Volke bleiben, die
Emigranten aus dem Lande schicken und die Agnaten in diesem Augenblicke
der Gefahr um sich versammeln. Für den bevorstehenden Einmarsch der
Kaiserlichen, für die drohenden Exzesse derselben sollten bei der K. K. Ge¬
sandtschaft die nötigen Schritte geschehen, für die Lieferungen und Transporte
die nötigen polizeilichen Bestimmungen erlassen werden. Vor allem aber sollte
er die kurfürstlichen Truppen zurückziehen 37 ). Der Kurfürst ging nun doch
in letzter Stunde auf die Vorstellungen seiner Landschaft ein. Er erklärte
ganz in ihrem Sinne, dass es für militärische Massregeln zu spät sei, dass er
den Weg gütlicher Verhandlungen für das Beste halte. Er selbst würde
sich nur im Falle der äussersten Not entfernen. Indessen sei die Zu-
rückrufung der Kontingents nicht zu erlangen. Jede Änderung im Militär¬
wesen und jede Heranziehung des kurfürstlichen Privatvermögens wurde
energisch abgewiesen 38 ). Die Entscheidung rückte indessen immer näher.
Schon hatte auch der fränkische Kreis mit Frankreich seinen Waffenstillstand
geschlossen, und zwar unter verschärften Bedingungen. Und nun erschien
zu allem Unglück noch Graf Lehrbach in München und forderte die Ver¬
einigung der kurfürstlichen Truppen mit der kaiserlichen Armee zur Ver¬
teidigung des Landes. Das schlug dem Fass den Boden aus. Das letzte
Vertrauen in Karl Theodor schwand. Man misstraut, schreibt Harnier
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Richard Graf du Moulin Eckart
am ii. August, dem Kurfürsten mehr denn je. Der Anhang des Herzogs,
vor allem Käser, befürchtet das Schlimmste. Das wirkte unmittelbar auf die
Landschaft zurück. Sie gab ihren Deputierten Spezialvollmacht, beim Kurfürsten
darauf zu dringen, dass er entweder selber Schritte thue, um die Intervention des
Königs von Preussen bei der Republik zu erlangen, oder doch die Genehmigung
zu solchen Schritten erteile. Der Kurfürst lehnte dieses Begehren nicht völlig ab* 9 ).
In der That wurden die bayerischen Truppen um die Hauptstadt zusammengezogen,
eine Massregel, die freilich vom militärischen Standpunkte aus völlig verfehlt
war. Die Unbestimmtheit in den Befehlen war vielmehr geeignet, den Un¬
willen der beiden Armeeleitungen in gleichem Masse zu erwecken. Der
Herzog von Birkenfeld hatte sich nach Ingolstadt begeben, dessen Verteidigung
dem General Kerpen übergeben worden war. Es lässt sich nich feststellen,
ob nicht gerade die Anwesenheit des Prinzen verhängnisvoll für das Schicksal
der Festung gewesen ist. Jedenfalls wurde Ingolstadt — ob nun infolge eines
Missverständnisses oder eines geheimen Befehls, wie auch Montgelas ver¬
mutet, mag dahin gestellt bleiben — ohne Schwertstreich und selbst ohne
jede Aufforderung geräumt. Und doch wäre es für das Schicksal Bayerns
von grösstem Vorteile gewesen, wenn die Festung nicht bloss gehalten, sondern
auch zum Sammelpunkt der Truppen gewählt worden wäre. Denn es musste
sich bald zeigen, dass sie in ihrer Stellung bei München, der Hauptstadt nicht
nur keinen Nutzen bringen konnten, sondern die Verwirrung noch erhöhen
mussten. War doch für die Unterkunft und Verpflegung dieser 14,000 Mann
gar nichts geschehen: keine Quartiere und kein Mundvorrat, in einer Stadt,
die von den Isarhöhen vollständig beherrscht wurde! So war an Widerstand
nicht zu denken, während Ingolstadt mit dieser Besatzung gegen Franzosen
und Österreicher in gleicher Weise ein festes Bollwerk geboten hätte. So fiel
die Festung den Österreichern in die Hände, die sie besetzten und bis nach dem
Frieden von Luneville als ein Unterpfand von Bayerns Treue festgehalten
haben. So war die Nachgiebigkeit des Kurfürsten in bezug auf seine Truppen
unheilvoll in jeder Beziehung. Wäre nicht in letzter Stunde Graf Rumford
nach München zurückgekehrt, es hätte die höchste Verwirrung um sich ge¬
griffen 40 ). Nicht minder bedenklich waren die übrigen Massregeln, die Karl
Theodor vor seiner Flucht ergehen liess: die Sendung des Obersten Reibold
ins französische Hauptquartier und die Vollmacht an die Landschaft, mit
dem Feinde zu unterhandeln.
Baron Reibold hatte am 22. August die Hauptstadt verlassen, um
über Ansbach, wo er den Herzog Max Joseph sprechen wollte, nach
Basel und gegebenen Falls nach Paris zu eilen. Seine Instruktion ging
dahin, die Vorbereitungen für einen Waffenstillstand und einen Neutralitäts¬
vertrag zu treffen. Eine gleiche Vollmacht erhielten die Deputierten der Land¬
schaft, um „eine rücksichtlich auf gegenwärtige Zeitumstände für gesamte
vordere kurfürstliche Lande anzugehende Negociation zu übernehmen und zu
besorgen“ 41 ). So besagte der Wortlaut der von Hertling gezeichneten In¬
struktion. Der Kurfürst hatte somit das Schicksal des Landes oder doch
wenigstens die Haltung Bayerns während der bevorstehenden Okkupation
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
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durch zwei Heere in die Hände jener Heissspome gegeben, aber auch die
Verantwortung übernommen für alles, was sich daraus entwickeln mochte.
Die Regierung selbst wurde einer Kommission übergeben, an deren
Spitze der Kanzler, Minister Freiherr von Hertling, mit dem Hofkammer-
präsidenteu Graf Toerring-Gronsfeld und dem Oberlandesregierungs¬
präsidenten Freiherr von Weichs stand 4 -). Betrachtet man nun die Lage in
München in dem Augenblicke der Abreise Karl Theodors, so ergibt sich,
freilich abgesehen von der beispiellosen Verwirrung, die allenthalben herrschte
und die besonders an den Berichten Seiler 11s nach Wien erkennbar ist 48 ),
ein Bild, wie es die Agnaten gewünscht, wie es vpr allem Max Joseph
bis in die verhängnisvollen Augusttage hinein herbeizuführen gewillt gewesen
war: Rückzug der Truppen, Anknüpfung mit dem Feinde, Vollmacht zu
direkten Verhandlungen mit den Generalen, unter Umständen mit dem fran¬
zösischen Gouvernement selbst. Die ganze politische Thätigkeit, die offene
und geheime, alle Vorstellungen und Umtriebe seiner Parteigänger hatten
dies bezweckt, seine Schritte in Berlin und Gettos Sendung nach Paris
waren damit trotz aller Verschleierung in nächster Beziehung gestanden.
Aber gerade jetzt hatte der Herzog, der in den Schutz des Preussen-
königs nach Ansbach geeilt war, sich eines Anderen besonnen. Ihm waren
über die Absichten der französischen Armee die Augen aufgegangen. Er hatte
erfahren, dass die Generäle Befehl hätten, möglichst weit nach Deutschland
vorzudringen, und so sah er ein, dass es mit ihnen keine andere Unter¬
handlung gebe, als mit der Waffe in der Hand. Er benachrichtigte seinen
Oheim von den Absichten der Feinde, hatte aber keinen Erfolg damit 44 ).
Gerade jetzt schien der Kurfürst bereit, mit Frankreich zu paktieren. Auch
die Bemühungen Käsers, bei der Regierungskommission entscheidende
Schritte hintanzuhalten, waren vorerst umsonst 45 ). Der Stein, den der Herzog
selbst mit ins Rollen gebracht hatte, liess sich nicht mehr aufhalten, so sehr
er es jetzt bei der veränderten Situation gewünscht hätte. Wir werden sehen,
wie er sich bemühte, weiteres Unheil von seinen künftigen Landeu ab¬
zuwenden.
Am gleichen Tage, wo Oberst Reib old München verlassen, um mit den
französischen Generälen zu unterhandeln, wurde die Abreise des Kurfürsten
den Gesandten notifiziert, die alsbald nach der Flucht des fürstlichen Paares
mit Ausnahme des preussischen Ministerpräsidenten Harnier die Stadt ver-
liessen 48 ). Das geschah am 22. August. Karl Theodor wandte seine
Flucht nun doch nach Sachsen, wo er einer Einladung seines Gesandten
Schall nach dem Schlosse Lobkowitz Folge leistete. Dort wartete er den
Abzug der Franzosen ab, die sich indessen trotz all der günstigen Umstände
mit ihrem Vormarsche nicht allzusehr beeilt hatten.
Seit dem Kriegsrat in Augsburg, den Moreau nach dem Siege von
Friedberg gehalten, war er kaum um zwei volle Tagemärsche vorgerückt. In
seiner vortrefflichen Lage zur Offensive geradezu genötigt, wollte er mit den
retirierenden Österreichern Fühlung behalten, hatte er dennoch die kostbare
Bayer. Forschungen VI, 1. 5
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Richard Graf du Moulin Eckart
Zeit in unerklärlicher Weise versäumt. Und als er endlich am 31. August
sich entschloss, gegen Ingolstadt vorzugehen, um den Brückenkopf der
wichtigen Festung zu nehmen, überraschte ihn wiederum die Offensive des
Feindes, zu der sich General Latour auf das Drängen des Erzherzogs hin
entschlossen hatte. Die Bataille, zu der es nun bei Geisenfeid kam, endete
freilich zugunsten More aus: doch da seine Kräfte zerstreut, sein Gang
aber langsam und unbestimmt war, so brachte das Gefecht bei Geisenfeid den
Österreichern keinen andern Nachteil, als einen bedeutenden Verlust an
Menschen. Also Erzherzog Karl* 7 ). Indessen stand es doch schlimmer.
Denn die Schlappe hatte für die österreichischen Operationen den schwer¬
wiegenden Nachteil, dass sie jede offensive Regung neuerdings zurück¬
drängte 48 ). Zum Glück benützte auch Moreau diesen Sieg nicht. Er that
keinen entscheidenden Schlag, nicht einmal zur Konzentrierung seiner Truppen
vermochte er sich zu entschliessen. Er gab infolge des Gefechtes den An¬
griff auf Ingolstadt auf — gleichfalls ein Fehler! Trotz alledem musste
er in der bayerischen Hauptstadt als Sieger gelten, der jeden Augenblick vor
den Mauern der Stadt erscheinen konnte. In der That verlegte er nunmehr
das Schwergewicht der Operationen gegen die Isar und gegen München.
Schon stand Saint Cyr an der Ammer und hatte seine Vorposten bis
Kirchdorf, Thalhausen und Tuntenhausen vorgeschoben. Ferino lag, nach
einem vergeblichen Versuch, sich der Isarbrücke bei München zu bemächtigen,
zwischen Dachau, Schleissheim und München. Überdies Hess Moreau am
3. September durch Saint Cyr einen Vorstoss gegen Freising machen, um
dort den Übergang über die Isar zu gewinnen 49 ). Ein neuer Vorteil, der
in München bei der Beurteilung der Lage schwer ins Gewicht fallen musste,
wenn er dessen überhaupt noch bedurft hätte. Dort fehlte trotz Rumfords
Anwesenheit jedes Verständnis für die militärische Situation. Indessen hätte
diese wohl auch klügere Köpfe täuschen können, denn sie war zwischen den
beiden Armeen eine äusserst schwere. Freilich, die österreichischen Generäle
hätten in ihrer Stellung auf den steilen Isarhöhen München sicher halten
können, wie es die militärische Pflicht und die politische Klugheit erfordert
hätte.- Doch fanden sie in den bayerischen Beamten und Soldaten schon
keine Verbündeten mehr. Selbst am äussersten Anstand Hess man bayerischer-
seits es fehlen. Trefflich charakterisiert Montgelas dieses Verhältnis: „Die
kaiserlichen Generale waren durch die barsche und unschickliche Weise, mit
der man ihnen bei jeder Gelegenheit begegnete, erbittert: denn es fehlte
damals durchaus an Gewandtheit im Verkehr unter derartigen Umständen,
indem man Schroffheit der Formen für Fertigkeit und Unhöflichkeit für
Würde hielt“. Freilich Hess die persönliche Gereiztheit des General Latour
anderseits wieder das Schlimmste befürchten 50 ).
Aber selbst wenn man die durch die Siege des Erzherzogs doch
immerhin unsicher gewordene Situation Moreaus erkannt hätte, man würde
kaum anders gethan haben. Mau wollte mit Moreau unterhandeln. Ein all¬
gemeiner Franzosentaumel hatte die Hauptstadt ergriffen. Hätte nicht die
Regierungskommission damit sympathisiert, man hätte ihrer Autorität nicht
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
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weiter geachtet. So waren es denn in der That die Vertreter der Stadt,
welche zuerst eine Deputation dem Feinde entgegengesendet haben.
Nichts ist charackteristischer für die damalige Stimmung in München
als der Bericht dieser Abordnung, welche bereits am 26. August mit „Vor¬
wissen und Genehmigung des hohen Landesdirektoriums“ zur französischen
Armee aufgebrochen war. I11 einzelnen Partien, um allzugrosses Aufsehen zu
vermeiden, hatten sie zu früher Morgenstunde München verlassen. Nach
allerlei Irrfahrten seltsamer Art stiessen sie in Dachau auf die feindlichen
Vorposten. Sie vernahmen die düstersten Berichte über das Betragen der
Franzosen von Plünderung und Freibeuterei der schlimmsten Art und gerieten
bei der Nähe der Österreicher in die doppelte Besorgnis, durch kaiserliche
oder Condesche Truppen aufgehoben oder aber von französischen Freibeutern
ausgeplündert zu werden: „nach genauer Überlegung fanden wir aber, dass
es besser sei, von französischen Freibeutern überfallen zu werden, als zum
grössten Schaden unserer Mitbürger uns samt unseren Depeschen von kaiser¬
lichen oder Condeschen Truppen aufheben und wohl gar als Geisel fort¬
führen zu lassen“. Ihre Furcht trieb sie zu fortwährender Flucht vor den
Kaiserlichen und machte ihnen selbst die Rückkehr nach München unmöglich.
Sie waren nach Fürstenfeldbruck gekommen, aber auch hier war ihnen der
Weg verwehrt, und als sie nach Dachau zurückkehrten, fanden sie auch
dieses von den Österreichern besetzt. „Ein glückliches Ungefähr verhütete,
dass nicht die ganze Deputation von den kaiserlichen aufgehoben wurde“.
„Gerade zur Zeit unserer Ankunft und zwar in unserem Absteigequartier be¬
fanden sich Kaiserliche. Sobald wir dieses vernahmen, trachteten wir gleich
wieder fort, schickten unsere Kutschen voraus und schlichen ihnen, einer
nach dem andern nach“. Doch wurde einer der Deputierten von einem kaiser¬
lichen arretiert, äber von einem französischen Offizier dadurch befreit, dass
dieser ihn für einen französischen Marschkommissär ausgab. Sie wandten
sich nuu ohne besondere Fährlichkeiten nach Augsburg, wo sie im Hotel zu
den drei Mohren den General Moreau antrafen. „Die Art, wie er uns
empfangen und unsere Bitten aufgenommen hat, entsprach um so mehr unseren
Wünschen, als er auch den Generaleu die nachgesuchte Schonung der Stadt,
sowie die Sicherheit des Eigentums und der Person, nicht minder feierlich
zugesagt hatte“. Auch den französischen Kriegskommissären machten sie ihre
Aufwartung. Die Schlacht bei Geisenfeid ermöglichte ihnen endlich am
31. September die Rückkehr nach München 51 ).
In dieser Zeit hatte aber auch die Laudschaftsverordnung nach langem
Drängen die Regierung für ihren Wunsch gewonnen, eine Deputation zu
Moreau behufs Anknüpfung von Waffenstillstandsunterhandlungen zu senden.
Die Regierung willigte nicht ohne Zögern ein und beauftragte den Baron
Leyden und den Grafen Karl Arco mit der verhängnisvollen Mission.
Zu diesen gesellte sich der Marschkommissär Oberst von Reibold, der vom
Kurfürsten persönlich Vollmacht zur Negoziation hatte. Die Regierungsver¬
treter wurden den Abgesandten der bayerischen und neuburgischen Stände nicht
übergeordnet, sondern bei geordnet. Bei Leydens engeren Beziehungen zur
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Richard Graf du Moulin Eckart
Landschaft war dies von Anfang an bedenklich. Denn die Landschaft pochte
nicht nur auf die Vollmacht des Kurfürsten, sondern auch auf die ihr zustehende
Berechtigung zu solchen Schritten. Die Kommission begab sich dann auf
den Weg — einige ihrer Vertreter stiessen unterwegs in Eurasburg auf die
städtischen Abgesandten — und begannen in Pfaffenhofen die Unterhand¬
lungen. Der Empfang war kein freundlicher; der Ton More aus hart und
schneidend, die Bedingungen, die er stellte, unerschwinglich. Die Kommission
willigte auch nicht in die ersten Forderungen. Auch holte sie sich von
München neue Informationen.
Inzwischen begann dort der Regierung doch das Gewissen zu schlagen.
Sie fühlte die Verantwortung, die Vollmacht des Kurfürsten in solcher Weise
preisgegeben zu haben. Es ist auf die Bemühungen Max Josephs und
seines Bevollmächtigten zurückzuführen, dass sie einen Weg einschlug, der
in diesem Augenblicke der Not der richtigste war: sie rief die preussische
Intervention an. Freilich kam sie sehr spät auf diesen Gedanken. Die
Kommission war längst unterwegs, als die Stände daran gingen, Harnier um
seine Vermittelung zu bitten. Trotz der unbestimmten Haltung, meinten sie,
in welcher der Hof bis aufs äusserste beharrt, hofften sie doch von
dem König von Preussen Erfüllung ihrer Wünsche, die der Herzog von Zwei¬
brücken in Berlin vertreten habe. In der That hatte Max Joseph die
ersten Schritte getlian und besonders Hardenbergs Hülfe gewonnen, der
denn auch Harnier in einem Schreiben vom 30. August über die Lage ver¬
ständigte und beruhigte. „Sie werden“, schrieb er, „wie ich fest glaube, nach
der Intention des Königs und dem Interesse handeln, das er an allem
nimmt, was den Herzog von Zweibrücken berührt, wenn sie sich bei dem
General (Moreau) nach ihren Kräften verwenden, den Abschluss der frag¬
lichen Arrangements zu erleichtern und zu beschleunigen, und zwar unter
billigen und am wenigsten lästigen Bedingungen“. Harnier war mit diesem
Winke Hardenbergs keineswegs einverstanden. Hatte er doch bereits jede
Vermittelung bestimmt abgelehnt und erklärt, er sei nicht in der Lage, den
Weisungen seines Königs irgendwie vorzugreifen. Inzwischen aber hatte die
Kommission in Pfaffenhofen das Missliche ihrer Lage doch erkannt und den
Archivar der Landschaft, Panzer, nach München gesendet, um der Regierung
nahe zu legen, wie wichtig es sei, Harnier für die Intervention zu ge¬
winnen. Er sollte sich bei dem Kommissär Haussmann verwenden, dem
Moreau das Gegenprojekt des Vertrages gesandt, um es nötigenfalls dem
Direktorium vorzulegen. An Stelle der ersten ungeheuren Forderung von
30 Millionen hatte man alles in allem zehn Millionen geboten. In Begleitung
des Grafen Preysing eilte er zu Harnier, um ihn um seine Hilfe zu
bitten. Dieser erklärte denn auch, dass er in anbetracht der Unmöglichkeit,
die Ordres seines Köuigs zu rechter Zeit zu erhalten, sich entschlossen habe,
gemäss dem Beispiel des Freiherrn von Hardenberg den gewünschten
Schritt zu wagen. Er werde aber dem französischen Agenten eröffnen, dass
er ohne Vollmacht und einzig in Rücksicht auf die dringenden Umstände und
in der Hoffnung auf nachträgliche Sanktion vonseiteu seines Hofes handle.
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
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Ferner verhehlte er ihnen nicht, dass er die Beiziehung des Zweibrückischen
Bevollmächtigten für passend halte, zumal der Herzog die Wünsche der Stände
bei Baron Hardenberg vertreten habe, uud Kaeser allein schon durch
die Stellung seines Herrn gegenüber dem französischen Gouvernement bei
den Verhandlungen den grössten Nutzen bringen konnte. Auch das hatte
man bisher völlig ausser acht gelassen. Nun aber schwankte man keinen
Augenblick, und auch Kaeser liess sich bereit finden, den Wünschen der
Stände Folge zu leisten. Noch aber war das Ministerium nicht verständigt.
Der preussische Gesandte selbst musste daran denken, sich hierin den Rücken
zu decken. Er kam mit Kaeser dahin überein, dass letzterer von sich aus
der Regierung von der mit den Ständen getroffenen Übereinkunft Mitteilung
mache, und zwar wie er es stets im Namen des Herzogs zu thun gepflegt,
wenn es sich um gemeinsame Interessen gehandelt. Die Regierung ging in¬
dessen mit Freuden auf den Gedanken von Harniers Vermittlung ein. Die
Minister drückten ihm ihr Leidwesen aus, dass sie in diesem Falle nicht nach
ihren Prinzipien handeln, nicht ihren Gefühlen folgen dürften. Auch war es
ihnen lieb, dass Harnier ihnen nahe legen liess, wie er keineswegs dem
Verlangen der Stände nachgegeben, sondern sich richtig auf die Autorität
des Herzogs von Zweibrücken stütze. Man sieht, es war das seltsamste
Verhältnis, das man sich denken kann. Die Regierung gibt die Zügel
völlig aus den Händen aus Mangel an persönlicher Initiative, die Landschaft
greift sie auf, bittet einen fremden Gesandten um Intervention, und dieser
muss nun selbst, so gut es geht, dem Verlangen der Stände die fehlende
Autorität verschaffen.
Diese Verhandlungen spielten sich vom Morgen bis zum Nachmittag
des 7. September ab: noch in der Nacht trafen Harnier und Kaeser in
Augsburg ein, wo sie um 8 Uhr morgens von dem Armeekommissär Hauss-
maun empfangen wurden. Die Auseinandersetzungen erfolgten in der ge¬
fälligsten Weise. Der Kommissär erklärte, dass er das Vertragsprojekt bereits
in modifizierter Form, in welcher er aber als Ultimatum gelten müsse, nach
Pfaffenhofen zurückgesendet habe. Er versicherte, die Bedingungen seien
jetzt auf bescheidenen Fuss herabgesetzt, die ihn hoffen Hessen, dass man
mit der Unterzeichnung nicht länger zögern werde. Habe er doch die
weitgiebigste Nachgiebigkeit an den Tag gelegt, nur damit man zum Ab¬
schluss komme. Er brachte ihnen das Konzept des Vertrages, las es ihnen
vor und erläuterte ihnen die einzelnen Artikel. Alles in der liebenswürdig¬
sten Weise! „Diese Unterredung“, schreibt Harnier, „zog sich durch mehrere
Stundeu hin und bewegte sich in einem so anstandsvollen und deceuten Tone,
dass Panzer, der in Pfaffenhofen von der unzugänglichen Launenhaftigkeit
und dem satirischen Ton des Kommissärs vorbereitet worden war, Mühe hatte,
seine Überraschung zu überwinden“. Es ist klar, warum Haussmann
die Kommission mit seinen Liebenswürdigkeiten so lange hinhielt. Konnte
es ihm kaum Geheimnis sein, was inzwischen in Pfaffenhofen geschehen.
Denn als Panzer dort eintraf, um die Kommission von der liebens¬
würdigen Stimmung Haus sin an ns in Kenntnis zu setzen und sie zu er-
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Richard Graf du Moulin Eckart
mahnen, daraus den bestmöglichsten Nutzen zu ziehen, fand er den Vertrag
bereits seit dem 7. September unterzeichnet 82 ). Die Abgesandten hatten dem
Drängen Moreaus nachgegeben, dessen überlegener Persönlichkeit sie nicht
gewachsen waren: von Anfang an für die französische Sache begeistert, ohne
jegliche Geschäftsgewandtheit waren sie den Franzosen gegenüber verloren,
zumal Moreau auf das Zustandekommen des Vertrages so hohen Wert legte,
dass er darüber seine strategischen Pflichten einen Augenblick vergass. Längst
hätte er sich nach Norden wenden sollen, und schon hatte er Befehl gegeben,
die Donau zu überschreiten. Aber noch blieb er. Saint Cyr sagt darüber
sehr charakteristisch: „Er war seit kurzer Zeit in Friedensunterhandlungen
mit der bayerischen Regierung, es lag ihm viel daran, sie zum Abschluss zu
führen: das war, wie ich glaube, eines der Motive seines Widerstrebens, diese
Provinz zu verlassen“ 88 ). Dass er sich nicht mehr sicher fühlte und seinen
Rückzug für wahrscheinlich hielt, trat in dem Vertrage selbst deutlich her¬
vor. Denn er bedang sich ausdrücklich aus, dass die Lieferungen an Naturalien
für den Fall einer etwaigen Entfernung der Franzosen aus Bayern durch vier
Millionen Francs ersetzt w T erden sollten 54 ). Die Kommissäre selbst merkten
freilich nichts von dieser inneren Unsicherheit des französischen Generals, so
sehr er auch drängte. Entschuldigte doch Baron Leyden sich später für
sein Verhalten mit der Unmöglichkeit, die Konklusion aufzuhalten, damit dass
Moreau, der eigens wiegen des Vertrages nach Pfaffenhofen gekommen sei, sich
nicht länger habe aufhalten können und deshalb in gleicher Weise wie Kom¬
missär Haussmann, der das Ultimatum gesendet, gedrängt habe 55 ). So nahmen
die Herren auf nichts Rücksicht, nicht einmal das Ratifikationsrecht des
Kurfürsten behielten sie sich vor, und Unterzeichneten einen Vertrag, der
trotz der eiugetretenen Modifikationen für das arme, von zwei Armeen besetzte
Land von unerträglicher Härte w r ar. Der Vertrag ist ja bekannt: ich kann
mich darauf beschränken, die Hauptpunkte zu rekapitulieren: zehn Millionen
Francs in bar, zahlreiche Lieferungen an Pferden, Naturalien u. s. w., wert¬
vollen Bildern, Zurückziehung aller bayerischen Truppen, die in Bayern zu¬
sammengezogen werden und unter der Waffe bleiben sollten, freier Durchzug
für die französischen Truppen, Friedensuuterhandlungen in Paris! 55 ).
Die Minister standen ratlos vor diesem fait accompli. Sie waren aller¬
dings empört. Die bedingungslose Unterzeichnung erschien ihnen als ein un¬
erhörter Missbrauch der kurfürstlichen Vollmacht. Anders dachten freilich
die Stände. Sie hielten die Signatur für gerechtfertigt nicht nur durch jenes
Pleinpouvoir, sondern vor allem durch ihr gutes altes Recht: der Vertrag
berühre lediglich Geldsachen und ähnliche Leistungen, und diese Dinge lägen
in ihrer Kompetenz. Nach allem schienen sie durchaus nicht unzufrieden
mit dem Machwerk. Denn es entsprach ihren Anschauungen, dass nicht ein¬
mal das Recht der Ratifikation ihrem Souverän gewahrt worden war. Aber
die Regierung konnte ihnen darin doch nicht folgen. Sie schickte vielmehr
den jungen Grafen Arco mit einem neuen Exemplar an Moreau, um es gegen
das in Pfaffenhofen vollzogene auszutauschen. Man hoffte von Moreaus Güte
das Beste und fürchtete nur, dass die erste Urkunde bereits nach Paris ge-
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 71
sendet sei. Dann war allerdings die Publikation des Vertrages in der höchst
bedenklichen Form zu befürchten. Arco hatte noch einen weiteren Auftrag:
die Kommission hatte neben fünfzig Munitionswagen die Lieferung eines
reichlichen Kartenmaterials, handschriftlichen und gedruckten, in zwei ge¬
heimen Artikeln zugesichert. Arco sollte die Streichung dieser Bestimmungen
durchsetzen, beziehungsweise für die Munitionswagen eine Geldleistung an¬
bieten. Durch den Rückzug Moreaus verloren sie indes ihre Bedeutung 67 ).
Aber aus diesem schweren Fehlgriff entsprangen sofort andere Nach¬
teile und Gefahren, die man bei einiger Klugheit hätte leicht vermeiden können
oder doch hätte im Auge behalten müssen. Furcht und Hass gegen Wien
hatten zu dieser ebenso traurigen wie lächerlichen Katastrophe viel mit bei¬
getragen, die doch für sich allein recht wohl geeignet war, den Unmut der
Hofburg auf den ungetreuen Staat zu lenken. Und in der That schien der
Wiener Hof aus dem Verhalten des Nachbarlandes recht ernste Konsequenzen
ziehen zu wollen. Schon am 2. September hatte der bayerische Gesandte in
Wien, Baron Reichlin, in voller Aufregung geschrieben : er habe vernommen,
dass man in München den Kaiserlichen die Thore verschlossen und die Gar¬
nison gegen sie allarmiert habe. Doch nicht bloss das. Man habe eine Depu¬
tation ins französische Lager gesendet, um die feindlichen Generäle zu be-
grüssen. „Ich weiss nicht, ob dies auf Wahrheit beruht; aber das weiss ich,
dass der Kaiser mir in der letzten Audienz gesagt, dies zwinge ihn, dort
einen zweiten Fall Mannheim durchzuführen, die Garnison zu entwaffnen und
seine Armee auf Kosten des Landes zu ernähren 68 ). Der Herzog suchte ihn
zu beruhigen in einem Schreiben, das zeigt, wie er noch am 8. September
die Münchener Lage auffasste: Die Nachricht von der Sendung einer Depu¬
tation an den französischen General ist durchaus fehlerhaft und beruht auf
völlig fehlerhaften Berichten, wenn diese nicht der Absicht entspringen, einen
neuen Vorwand zu schaffen, die pfälzischen Prinzen zu massregeln und Bayern
von Grund aus zu ruinieren. Was an der Sache Wahres ist, beschränkt sich
darauf, dass man bis zum 5. (September) weder den Österreichern noch den
Franzosen den Eintritt in die Stadt erlaubt hat, und dass — nach den Nach¬
richten von diesem Tage — die Neutralität Münchens von den Chefs der
beiden Armeen respektiert worden ist. Ich weiss auch, dass die Deputation,
von welcher Ihnen gegenüber die Rede war, sich nach der Retraite von Fried¬
berg in das französische Hauptquartier begeben hat, um über eine bestimmte
Kontribution übereinzukommen und somit willkürlichen und endlosen Requi¬
sitionen vorzubeugen. Dieser Schritt ist vonseiten der kurfürstlichen Kom¬
mission in Übereinstimmung mit der Deputation der Stände geschehen.
Man hat dabei das Beispiel derjenigen Lande befolgt, die sich der Gnade des
siegreichen Feindes preisgegeben sahen. Ich verhehle Ihnen nicht, dass ich,
um die französischen Generäle für billige und annehmbare Bedingungen zu
gewinnen, das Wohlwollen geltend gemacht habe, mit welchem mich der
König von Preussen beehrt, in Anbetracht des Interesses, das ich in der
Lage bin, an dem Schicksale Bayerns zu nehmen; ich werde mich ferner
ebenso an den Kaiser wie an meine Mitstäude wenden, wenn jene verhäng-
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Richard Graf du Moulin Eckart
nisvollen Entschlüsse zu despotischen Massregeln gegen die Erblande meines
Hauses veranlassen sollten. Ich habe dann wenigstens meine Pflicht gethan,
und vielleicht lassen sich die Mitstände durch die Gefahr, die auch für sie
darin liegt, unsere Unterdrückung zuzulassen, bestimmen, für unsere Sache
einzutreten. Schliesslich vermute ich, dass der Kurfürst seinen Ministern
Vollmacht und Instruktionen hinterlassen und er selbst, indem er eine Partie
ergriffen, die Mittel erwogen haben oder erwägen wird, um ihr Geltung zu
verschaffen, wie ich wenigstens an seiner Stelle gethan haben würde. Das
ist. was Sie in die Lage setzt, die Thatsachen richtig zustellen, von denen man
Ihnen in Wien gesprochen hat, und durch energische Vorstellungen zu ver¬
hindern, dass man in der That auf solche Redensarten hören wollte zu noch
grösserem Unglück von Bayern als das ist, welches es bereits für die Sache
des Hauses Österreich trägt 59 ).
Das war ein tapferes Wort in dieser Zeit des Schwankens und der
Verzagtheit! Freilich konnte der wannherzige Prinz nicht ahnen, für welche
Schwäche er eintrat, welche schmachvollen Schritte er verteidigte. In München
war jetzt niemand mehr, der so zuversichtliche Sprache geführt hätte, und
der Gang der Ereignisse gab jedem Worte des Kaisers erhöhten Nachdruck.
Denn Moreau hatte in dem Augenblicke, da er seinen Namen unter den Vertrag
setzte, gleichsam sein Pferd bereits zum Rückzug satteln lassen. B)r musste nun
auch an die^Nachhaltigkeit der Siege des Erzherzogs glauben. Doch zeigte sich
die Wirkung früher bei ihm selbst als bei seinem Gegner Latour, der gleichfalls
lange genug brauchte, die Konsequenzen aus den Fortschritten des Prinzen zu
ziehen. Die Haltung seiner Armee in Bayern, welche ihre Aufgabe völlig
verkannt, hatte zu dem Abschlüsse des Vertrages mit Frankreich unbedingt
berechtigt. Auch noch nach dem 7. September war Moreau ihm gegenüber
durchaus im Vorteil, Latour stets im Rückzug begriffen. Es war lediglich
das Verdienst des Generals Nauendorf, wenn die österreichische Armee im
Augenblicke des Würzburger Sieges nicht über den Iun in die Erblande
retirierte. Er hatte sich ritterlich dem zaghaften Befehle widersetzt. Aber
auch Moreau sah sich zur Einstellung seiner Offensive genötigt. Er hatte
immer noch eine Wendung in Jourdans Schlachtenglück gehofft. Doch
als er von dem schnellen Vormarsch nach dem Rhein vernahm, da erkannte
er klar die Absicht des Erzherzogs, ihn in Bayern so weit wie möglich Vor¬
dringen zu lassen, um ihn dann von allen Seiten zu fassen: eine Falle, die
ihm hätte verhängnisvoll werden müssen. Er entging ihr glücklich, und trotz
seiner gefährlichen Lage kam er ohne übermässige Verluste vom Lech an
den Rhein 60 ).
In Bayern aber hatte der Wiener Hof nun freie Hand. Das Nächste,
was er that, war, dass er die Vereinigung der bayerischen Truppen mit seiner
eigenen Armee aufs neue forderte 01 ). Latour Hess den Befehl ergehen, der
Kaiser gab ihm dem Gesandten gegenüber den nötigen Nachdruck: er könne
nicht länger dulden, dass die pfalzbayerischen Truppen unthätig blieben,
während sich die seinigeu für die Verteidigung Bayerns schlügen. Er ver¬
sprach sich auch in Anbetracht ihrer Zahl und ihrer Vortrefflichkeit von
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
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dieser Vereinigung hervorragenden Nutzen. Bliebe man aber auf der Weigerung
bestehen, dann müsste man mit Bayern wie mit den übrigen Ländern und
Kreisen verfahren, die sich des Abfalls schuldig gemacht: er werde die Truppen
entwaffnen, das Land wie ein erobertes behandeln 62 ). Das war ein neuer
Schlag. Man beeilte sich, ihn, so rasch wie möglich abzuwenden. Die Vereinigung
schien in Anbetracht des Vertrages mit Frankreich unmöglich. So wurde
denn Graf Arco zu Latour und nach Wien gesendet, um dort die Kon¬
vention vorzulegen, während Baron Leyden nach Lobkowitz geeilt war, um
deu Kurfürsten von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen.
Mit begreiflicher Ungeduld sah das Ministerium der Abwickelung der
Sache entgegen. Es hoffte, dass der Kurfürst durch den Dresdener Hof zur
Annäherung an Preussen gewonnen werden könnte. Freilich waren hiefiir
die Aussichten sehr gering. Zwar hatte auch Leyden Auftrag, jeden gün¬
stigen Augenblick wahrzunehmen, um den Kurfürsten auf die gesteigerte Be¬
deutung hinzuweisen, welche das Zusammengehen mit Preussen in diesem
Augenblicke hätte. Doch Leyden war nicht der Mann, den Kurfürsten in
die richtigen Bahnen zu lenken. Diejenigen, meint Harnier, welche den
Kurfürsten kennen, erwarten nichts mehr von ihm. Und sie behielten Recht 6Ü ).
Sofort nach seiner Rückkehr verwarf er, wie zu erwarten war, den Ver¬
trag und sprach gegen seine Regierung den schärfsten Tadel aus, dass sie
ihm nicht die Ratifikation Vorbehalten. Nur die Rücksicht auf seine pfälzi¬
schen Lande, die noch immer der Rache der Franzosen ausgesetzt waren,
hielt ihn von offenem Proteste zurück 64 ). Nachdem indes von der Ausführung
des Vertrags vorderhand nicht die Rede sein konnte, schien er geneigt,
sich mit der stillschweigenden Abweisung zu begnügen und den weiteren
Verlauf der Dinge abwarten zu wollen 65 ). Österreich gegenüber war er weniger
zurückhaltend als vor der Flucht. Er nahm nichts übel: Die Verhaftung des
Obersten Reibold schien ihm sogar --- nachdem dessen Papiere, die ihn
hätten kompromittieren können, in Sicherheit waren — mehr Vergnügen als
Verdruss zu bereiten. Des Herzogs Bemühungen, ihn durch die Minister zu
energischem Protest zü veranlassen, waren vergeblich 66 ). Kurzum, es kamen
die Beziehungen wieder ins alte Geleise. Graf Seilern eröffnete freilich seine
Thätigkeit mit Beschwerden gegen die Regierung wegen ihres Benehmens
gegenüber den kaiserlichen Generälen — Klagen, die auch nach Montgelas’
Auffassung nicht unberechtigt waren. Der Wiener Hof hatte indessen keinen
Grund, dem Kurfürsten das Vorgefallene uachzutragen, denn dieser erklärte
sich alsbald bereit, im Frühjahr wiederum sein Kontingent zu stellen 67 ).
Mit Paris hatte Max Joseph nicht so leichtes Spiel. Der leidige
Vertrag bereitete ihm manche Unannehmlichkeiten. Man wollte ihn sogar
verbindlich für ihn machen. In der That wirkten die Folgen bis in seine
Regierung hinein nach und traten bei allen Angelegenheiten hindernd in den
Weg 68 ).
Die französische Ansicht, ihn für den Waffenstillstand verantwortlich zu
machen, war indesserl nicht ganz unberechtigt. Denn kein anderer als Max
Joseph war es gewesen, der die Idee, mit Frankreich zu paktieren, sich ihm zu
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Richard Graf du Moulin Eckart
nähern, in München geweckt und genährt hatte. Schon die Sendung Cettos
in der Zeit des französischen Vormarsches nach Bayern musste für die Stim¬
mung in München von Einfluss sein. Freilich hatte er nicht an bedingungs¬
lose Unterwerfung gedacht. Er zählt somit in erster Reihe zu den intellek¬
tuellen Urhebern des Vertrages. Für das Wie freilich bleiben natürlich die
Unterzeichner verantwortlich, die sich in die Falle locken Hessen. Dann aber
auch das Ministerium, welches die Vertreter der Landschaft frei schalten Hess,
aus Mangel an eigener Initiative, aus Furcht vor Verantwortung. Der Kur¬
fürst selbst aber war es, der durch das erteilte Pleinpouvoir die seltsame
Komödie überhaupt möglich gemacht hat. Dass es jedoch zum Vertrage
kam, dafür sind die österreichischen Heerführer verantwortlich, die Bayern
unnötigerweise dem Feinde preisgegeben haben. So ist die Schuld sehr ge¬
teilt: der Vertrag aber ist gerade durch die Fehler, denen er entsprungen —
eine Etappe Bayerns auf dem Wege zum Rheinbund.
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Quellennachweise.
1) Vergl. Sy bei, Geschichte der Revolutionszeit. IV, 232 ff.
2) Sy bei, a. a. O. 278 ff. Vergl. Angeli. Erzherzog Carl. Weimar. Leipzig
1896. I, 230 ff. Massenbach, Amberg und Würzburg. 1796. Ein Säkularbeitrag zur
Kriegsgeschichte. 23 ff.
3) Angeli, a. a. O. 360.
4) Sy bei, a. a. O. 236.
5) Erdmann sdörffer, Politische Korrespondenz Carl Friedrichs von Baden
Heidelberg 1892. II, XXXIV f.
6) Pol. Corr., a. a. O. XXXVII. Martens, Recueil des principaux traites etc.
VI, 676. Koch, Abrege etc. VI, 197 ff. 200 ff. Posselt, Europ. Annalen 1796.
III. 232 ff. La Souabe apr£s la paix de Bäle. Utrecht 1879. Klüppel, Die Friedens-
verh. Würtembergs mit der französischen Republik. Sy bei, Hist. Zeitsclir. 46, S. 385 ff.
7) Sy bei, a. a. O. 236.
8) A. a. O.
9) Angeli, a. a. O. 330 ff.
10) Angeli, a. a. O. 416 ff.
11) A. a. O.
12) A. a. O.
13) Sy bei, a. a. O. 235 ff.
14) Erzherzog Carl, Schriften, Wien 1894. IV, 332..
15) Posselts Annalen 1796. IV. 249 f. Vgl. Häusser, Deutsche Geschichte,
(4. Aufl.) II, 87 f.
16) Hüffer, PUiropa im Zeitalter der fr. Revolution. I, 207 ff.
17) Montgelas, Denkwürdigkeiten, 10 f. Du Moulin Eckart, Bayern etc.
T, 36 ff.
18) Vergl. Vivenot, Th u gut, Clerfayt und Wurmser. Wien 1869. S. 388 ff.
Du Moulin Eckart, a. a. O. 38.
19) Bailleu, Preussen und Frankreich. I, XXII. ff. Hüffer, a. a. O.
20) Begleitschreiben zu Gettos Instr. Ansbach 20. Aug. 1796. (Berl. G. Lt. A).
21) Instruktion für Getto. (Kopie).
22) Vivenot, Vertrauliche Briefe, I., 404. Hüffer, S. 225. Correspondance of
Eord Auckland III. 360, 368.
23) Du Moulin Eckart, a. a. O.
24) Vivenot, Vertrauliche Briefe I, S. 332, 334, 335.
25) Bericht von Harnier. München, den 6. Mai 1796.
26) Bericht von Harnier. München, den 3. April 1796.
27) Erlass an Harnier. Berlin, den 4. April 1796.
28) Herzog von Birkenfeld an Kaeser. Landshut, den 29. März 1796.
29) Bericht von Harnier. München, den 13., 14. April, 7. Mai 1796.
30) Hüffer, a. a. O.
31) Bericht von Harnier. München, den 26. Mai 1796.
32) Bericht von Harnier. München, den 5. Juni 1796.
33) Bericht von Harnier. München, den 10. Juli 1796. Nebst den anliegenden
Postulaten der Landschaft d. d. 13. Juni, 21. Juni u. s. w. 1796.
34) Bericht von Harnier. München, den 17. Juli 1796.
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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen.
35) Bericht von Harnier. München, den 31. Juli 1796.
36) A. a. O.
37) Vergl. die obigen Depeschen.
38) Bericht von Harnier. München, den 24. Juli 1796.
39) Bericht von Harnier. München, den n. August 1796.
40) Montgelas, a. a. O. 17 f.
41) Instruktion für die Landschaftsverordnung. Beilage zu Harniers Bericht
vom 2. Okt. 1796.
42) Montgelas, 18.
43) Vivenot, Vertrauliche Briefe, a. a. O.
44) Montgelas, 16.
45) A. a. O.
46) Vgl. Bericht von Harnier. München, den 17. August.
47) Erzherzog Carl Schriften IV, 332.
48) Angeli, a. a. O. 422.
49) Angeli, a. a. O. 422 ff.
50) Montgelas, 17.
51) Bericht u. s. w. Abgedruckt bei Mussinan, Geschichte der französ. Kriege.
1, 209 ff. Beil. IX.
52) Bericht von Harnier. München, den 9. September 1796.
53) Gouvion Saint Cyr. Memoires. III. 250.
54) Sy bei, IV, 297.
55) Bericht von Harnier. München, am n. Sept. 1796.
56) S y b e 1 , IV, 297. Martens, a. a. O. 294 ff. Montgelas, 18.
57) Bericht von Harnier. München, den 11. September 1796.
58) Baron Reich lin an Herzog Max Joseph von Zweibrücken. Wien, den
2. September 1796.
59) Max Joseph an Reichlin. Ansbach, den 8. September 1796.
60) Sy bei, IV, 293 ff. Angeli, 429 f.
61) Seilern hatte schon am 30. August die gleiche Forderung gestellt.
62) Bericht von Harnier. München, den 14. September 1796.
63) Bericht von Harnier. München, den 25. September 1796.
64) Bericht von Harnier. München, den 9. Oktober 1796.
65) A. a. O.
66) Bericht von Harnier. München, den 9. Okt. 1796.
67) Bericht von Harnier. München, den 3. Xov. 1796. Montgelas, 19.
68) Montgelas, 19. Du M o u 1 i 11 Eckart, a. a. O.
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Johann Franz von Kohlbrenner.
Von
Karl von Reinhardstöttner.
*^^enige Wochen nachdem Johann Franz von Kohlbrenner
den Schauplatz seiner verhältnismässig kurzen, aber rastlosen Thätigkeit ver¬
lassen hatte, setzte ihm der berufenste Geschichtschreiber Bayerns in jenen
Tagen, Lorenz von Westenrieder, ein biographisches Denkmal 1 ). Das
Wohlwollen des Freundes, der die „Drangsal* alle“ des verschiedenen Patrioten
„gesehn und meistens selbst erfahren“, sowie auch dessen Aufzeichnungen
besass 2 ), blieb nicht ohne Widerspruch. Unmittelbar auf Westenrieders
Lebensbeschreibung folgte eine anonyme überaus gehässige Entgegnung 3 ), in
der Absicht geschrieben, Kohlbrenners Charakter nach allen Seiten hin
herabzusetzen und seinem gesamten Wirken unlautere Beweggründe zu unter¬
schieben. Wohl vermöchten schon diese beiden sich widerlegenden Kund¬
gebungen allein, die am Ende doch nur den Gedanken des alten Horaz
bestätigen, dass ohne Fehler niemand geboren wird, der beste vielmehr der¬
jenige sei, der unter den wenigsten leide 4 ), zu einer wiederholten Beschäftigung
mit dem so verschieden beurteilten Manne zu reizen, wenn auch die günstigere
Darstellung seines Charakterbildes in den späteren Biographien 5 ) im allge¬
meinen die Oberhand behielt
Allein dieser Reiz wird dadurch noch wesentlich erhöht, dass ein
ziemlich reiches archivalisches Material 6 ) und die weit verzweigte lite¬
rarische Thätigkeit des Mannes, von der die grosse Zahl seiner gedruckten
Schriften zeugt, den Forscher in den Stand setzt, seine gesamte Entwickelung
aktengemäss zu verfolgen und sich auf diese Weise ein vorurteilsfreies
Bild, das von Freundes Lob und gegnerischem Hasse unbeeinflusst bleibt,
zu schaffen. Was ferner nicht minder anregt, dem Wirken des eifrigen Be¬
amten und staunenswert beharrlichen Patrioten nachzuspüren, ist die ganz
hervorstechende Eigenart seiner Entfaltung. Angesichts seiner mangelnden
Vorstudien tritt uns der noch dazu mit einem abstossenden Äusseren und
krüppelhafter Gestalt 7 ) behaftete Mann, der zu einer angesehenen staatlichen
Stellung emporklomm, als das Muster eines ,self-made man* im besten Siune
des Wortes entgegen, als ein Manu, der soziale Stellung und Adel, Beamten¬
würde und literarische Erfolge lediglich sich selbst und seinem zielbewussten
Ringen verdankt. Siebzehn Jahre führte er unter aufreibenden Kämpfen und
jenen Nergeleien, welche die Schaffenslust am ehesten untergraben, in un-
Bayer. Forschungen VI, 2. 6
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Karl von Reinhardstöttner
unterbrochenem offenen oder stillen Streite mit feindseligen Klerikern und
büreaukratischer Engherzigkeit das leitende Organ des damaligen Bayerns,
die „Intelligenzblätter“, stets eigentlich nach seiuem Sinne, ob auch
bald ausweichend, bald anstossend, bald gefügig, bald sich aufbäumend, ge¬
hasst und nicht selten in seinen Lebensinteressen gefährdet.
Endlich gebührt Kohlbrenner keine unbedeutende Stelle im Kreise
der bayerischen Aufklärer des vorigen Jahrhunderts, und hierin liegt der
unvergängliche Wert seines unermüdlichen Wirkens.
Eine abgeschlossene Geschichte der Aufklärung in Bayern wäre eine
der willkommensten Gaben. Wohl besässen wir eine solche in scharfen Um¬
rissen, hätte der Tod August von Kluckhohns geplantes Werk „Zur
Kulturgeschichte Bayerns“ reifen lassen. Solange nicht eine zusammenfassende
Darstellung dieser Periode in Bayern vorliegt, können Bausteine zu einer
solchen nicht unwillkommen sein. Es mag lohnend erscheinen, den einen
und anderen der bewährten Vorkämpfer der Geistesfreiheit in unserm Lande
etwas näher zu betrachten, wie dies ja mit manchem derselben bereits ver¬
sucht wurde.
Dass die Bestrebungen aller dieser Männer sich vielfach gleichen
ist schon in den Hindernissen, auf welche sie gleichmässig stiessen, und in
der Ähnlichkeit ihrer oft recht bescheidenen Ideale begründet. Es ähneln
sich darum auch die Schilderungen ihrer Kämpfe und Leiden, ja meist sogar
die Aussprache ihrer Empfindung 8 ). Diese Gleichartigkeit in vielen Stücken
vermag uns nicht zu hindern, jedem einzelnen die ihm gebührende Be¬
achtung zu widmen. Gewiss würdig aber, im Kreise dieser Männer mit
Ehren genannt zu werden, ist Kohlbrenner.
Johann Franz Kohlbrenner — so zeichnet er selbst und die
Behörden stets, nicht Franz Seraph 9 ) — ist am 17. Oktober 1728 10 ) zu
Traunstein (im Salinenbezirke Au) geboren, wo sein Vater Rupert beim
Salzamte bedieustet war. Seine Mutter war Maria Jacoba Aufleger, ein
Name, der sich noch in der Pfarrei Traunstein und den Nachbarpfarreien
findet. Des Alters seines Hauses erwähnt Kohlbrenner gelegentlich in
einem später zu besprechenden Bittgesuche aus dem Jahre 1771, wo er schreibt,
dass „seine Voreltern schon anno 1429 unter Herzog H ei nri ch dem Reichen,
unter Ludovico divite, Herzog Georg, Herzog Al brecht dem Weisen,
Wilhelm dem IV., Alberto V., Wilhelm dem V., Max I., Ferdinand Maria
bis hieher redliche Baiern, Beamte und Landsassen waren, und mit ihrer Tlireu,
und patriotischen Geist gegen das durchlauchtigste Churhaus sich verdient
gemacht haben, W’ie die Urbarung, Rechnungen und acta bewehren“ 11 ). Auch
sein Adelsdiplom (1778) hebt hervor 12 ), „dass dessen Vorältern schon vor
dreyhundert und fünfzig Jahren eigene Häuser und ansehnliche Güter in
Baiern besessen, darauf gelebet und stetshin nützlich und getreue Unterthanen
gewesen seyen, deren Treue und Fähigkeit die nach und nach regierenden
Herren Herzogen und Kurfürsten in Baiern auch zu benutzen und zu be¬
lohnen gewusst haben, wie denn unter anderen Kurfürst Ferdinand Maria
im Jahre 1679 bey entstandenen grossen Holzmangel zur Salzsiederey des
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Wolfgang Kohlbrenners als seines Grossvaters angegebene kurfürstliche
Wasserleitung vor allen anderen Vorschlägen vorgezogen und gewählet, folg¬
lich diesem wichtigen Werke vorgesetzet, wobei er 40 Jahre als Holztriftmeister
beim Salzsiedwerke Dienste geleistet, hernach dessen Söhne Philipp und
Matthias Kohlbreuner 44 Jahre lang solcher Bedienung obgelegen, und
sich meisterlich hervorgethan haben, und da das Haus zu Kohlbrenn schon
1429 unter Herzog Heinrich in Niederbaiern geblühet; So hat einer der
Kohlbrenner seinen Landesfürsten in den Gefahren des Todes errettet,
auch Rupert Kohlbrenner des obbemeldteu Wolfgang Kohlbrenners
ehelicher Sohn hat dem Kurhaus Baiern beim Salzsüdwesen in Trauenstein
als Vermehrer der Salzvorräthe mit getreuer jährlicher Verrechnung und mit
guten Anstalten von Anno 1719 bis 1752 seinem Lebensende Pflicht getreue
Dienste geleistet“.
Dies alles bestreitet nun der anonyme Biograph; er meint „Kohl¬
brenner war sehr erfinderisch“ (22), Wolf sei nur ein „Taglöhner“, Rupert
„Hausknecht oder eigentlich Salzdörrer“ und Franz überaus ehrgeizig ge¬
wesen, so „dass er sich schämte, eines Hausknechts Sohn zu sein“. (24). Wir
werden in der Annahme, dass die Behörden die Akten wohl kannten, ehe sie
den letzten Kohlbrenner adelten, kaum irre gehen und ihnen darum auch
Glauben schenken dürfen. Die Matrikel der Traunsteiner Pfarrei bezeichnet
den Vater als ,operarius ad Salinam*.
Kohlbrenner genoss keine gelehrte Erziehung, dagegen war er frühe
schon praktisch thätig. Der Bräuamtspäcliter von Picheleck nahm ihn in
seine Dienste, alsdann der Salzmaier von Traunstein, von Sedelinayer,
auf seine Schreibstube. Dieser empfahl (1753) den fleissigen und pünktlichen
Jüngling dem Hofkammerrat und Salzkommissär Joseph Hermann von
Plank auf Haidenhofen in München, „bey dem er eine Zeit lang den In¬
formator bey seinen Kindern machte“ 13 ). Untenn 2. Januar 1754 berichtet
die Hofkammer an den Kurfürsten, Kohlbrenner habe ein Gesuch einge¬
reicht, „vmb Er bey Euer Churftl. Drl. Geheimmen Canzley zu einem Canzley
Verwandten gdst. angenommen werden möchte“. Sein Gesuch ist indes schon
früheren Datums, denn bereits am 12. Dezember 1753 hatte sich der Rat über
seine Aufnahme, wie folgt, geäussert 14 ):
„Nachdem Wür nun mit woll Beträchtlicher einsieht wahrgenommen,
wassmassen der Supplicant nach seinem Vorschreiben vnd mit herauss ge¬
schlossenen Salzmayrambts attestato nit nur ainige Jahr, solang Er conditio*
nirt gewesen, iederzeit besonderu fleiss, threu, vnd verschwigenheit erwisen:
vnd Vollkhommenes contento gegeben habe, sondern auch in oballegirt her¬
aufgeschlossenen hiebey zurückhkommeuten aigenhendig geschribeuen deco-
rirten Anlangen vud attestation darlege, dass Er eine ausserordentlich zier¬
liche Schreibarth vnd eine solch Künstlich miniaturmässige excollirung mit
der feder besitze, welche bey höchsten höfen vnd Canzleyen villmelir aufge-
suecht, dass auf anmelden vnd Suppliciren dissimulirt zu werden würdtig seye.
Also waren wir der Unterthänigsten Mainung, dass weillen bey der
HofCammer Canzley schon ville Supernumerarij, welche keine besoldung haben,
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Karl von Reinhardstöttner
sondern gar schlecht vnd Kuinerlich leben müssen, derentwillen Eure Churfrtl.
Drchl. immer baldt vmb eine gelt ausshilff, baldt vmb ainige Naturalien an¬
gelassen werden, deren nachfolge vnd langwürige Zuewartt dan Ihm Suppli-
cierenten Kohlbrenner vmb so schmerzlicher fahlen misste alss seine grosse
Fähigkeit, vnd künstliche Schreibarth mehrers als der erst besoldtete Canzelist
meritirte, widerholter Kohlbreuner bey höchst Dero geheimbeu Canzley,
alwo desselben künstliche feder mit bessern Ruemb vnd nuzen gebraucht
werden khau, dermahlen als Supernumerarius mit wo nit halber besoldung
doch wenigest ioo fl warttgelt gndst. an- und aufgeuommen oder aber bey
entäusserung aines vnd dess andern Ihm Supplicanten eine gesicherte Ver¬
tröstung gdst. erthailt werden möchte, dass bey nächst sich ergebenter vaca-
tur derley Canzley Stehle vnd besoldtung dann würklich gdist. conferirt
werden solle“.
Am 15. Januar 1754 erfolgte bereits die Entscheidung 15 ):
„Ihre Churfstl. Drchl. wollen gnädigst, dass der supplicant wegen seiner
kunstreich vnd seltenen handschrifft bey der Hof Cammer Canzley als super-
numerari Cancellist angestellet, vnd ihme einstweillen jährlich ainhundert
Gulden alss ain Warthgelt verraicht werden solle“.
Vier Tage später erhielt der „Schreiber bei dem Chf. Salzmeyerambt
zu Traunstein“ Franz Kohlbreuner die Zustellung und den Auftrag,
sich verpflichten zu lassen. Sein Gehalt wurde ihm „in quatemberlichen
ratis und zwar vom 1. Martij 1754 an“ unterm 8. März angewiesen.
Kohlbrenner fand sich nicht sofort ein. Am 14. Juni 1754 wurde er
darum beauftragt, „dass derselbe seinen Jhm obliegenden Schuldigkeiten da¬
selbst gleich andern abwarten solle“, da er „diese durch seine allzulange Ent-
fehrnung zu dato noch immer ausser acht gelassen hat“. Er habe demnach
Traunstein zu verlassen, um „seinen CanzleiVerrichtungen, wie siclis schon
längstens gebührt hätte, behörig abzuwartteu“ 16 ).
In seiner neuen Stellung „erwarb er sich nun durch seine Brauchbar¬
keit, Geschicklichkeit und Fleiss die Aufmerksamkeit seinerObern“; so lauten
die Worte seines Gegners, des anonymen Biographen (S. 26). Nebenbei war
Kohlbrenner auch mehrfach auswärts beschäftigt, so (1757) bei dem Halleini¬
schen Salzwesen zu Salzburg als kurbayerischer Legationskanzellist.
Sein spärlicher Kanzellistengehalt von hundert Gulden jährlich machte
ihm zur Pflicht, sich hier und dort um Nebenverdienst umzusehen. Am
21. Februar 1758 sendet er an den Grafen Emanuel von Törriug Jetteu¬
bach ein Gesuch „um hochgnädige Zuewendung der Praesidial-Protliocols
Mundirungen, wouon der verstorbene Canzelist Empel 50 fl. beym Churfürstl.
Hofzahlamt genossen“. Er bittet darum: „Weillen ich nun mein vast unterm
Tach bewohnendes Cämmerl verlassen muss, und mich gerne in eine Wohnung,
welche gleichwohl mit einem Ofen versehen wäre, von darumme sezen möchte,
dass mich im Stand befündete, eine über Tag und Nacht pressirende Canzley -
Arbeit ... zu versehen; jedoch zu einer solchen Wohnung nicht hinlängliches
Einkommen habe“ 17 ). In diese Stelle wurde er denn auch am 19. März 1758
ein gewiesen.
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Zu dem Stübchen mit einem Ofen brauchte man nun freilich auch das
nötige Brennholz, und so finden wir im Winter 1759 die Bitte des Hof¬
kammerkanzellisten „vnd beym hochlöbl. Trifftamt 18 ) seith 2 Jahren gebraucht
wordenen Canzelisten“, „um demselben wegen ex propriis bestrittenen Costen
und beweis der Acten so viel gelieferter Schreiberey ein wenigs Trifftholz
gdst. angeschafft werden möchte“.
Am 8. Februar 1759 erhält er „zwey Claffter feichtenen 19 ) Trifftholzes“
zugesprochen. Er war, wie das Gesuch sagt, „in die zwey Jahr schon in
Trifftamts Sachen, besonders in dem beym Schluss stehenden Waldverwech-
selungs-Geschäft der hindern Riss 20 ) gleichsam als Amtsschreiber gebraucht“
und hat „manchesmal schon in Zusammen Schreibung eines und dess anderen
ganze Nächte zur beschläunigung der Sache, besonders der Recessen . . .
aufgeopfert“, des gleichen „Rezess Pappier, Einbindung, Waldbuch etc. ex pro¬
priis besorgt 31 ).
Überall auf solche Weise verwendet, erwarb sich Kohlbrenner eine
grosse Erfahrung in allem, was in das Gebiet der Waldwirtschaft, sowie des
Salz- und Mautweseus 22 ) einschlägig war. Seine Regierung war mit ihm
nicht minder zufrieden, als die auswärtigen Behörden, was das Vertrauen
beweist, mit dem der Fürstbischof von Chiemsee, Graf von Zeil 2?? ), den
jungen Beamten auszeichnete. Man übertrug ihm 1762 die Errichtung des
Holzgartens in Lechhausen bei Augsburg, die er musterhaft durch¬
führte, man sandte ihn in Zollangelegenheiten nach Regensburg und hatte
ihn als den richtigen Mann ausersehen der unter Oberleitung des geheimen
Rates Maximilian Nepomuk von Stuben rauch auf Lenting eine voll¬
ständig neue Mautordnung ausarbeiten sollte 24 ).
Kohlbrenner selbst, scheint es, wollte draussen wirken. Mit dem
Beginne des Jahres 1762 bittet der „Salz- und Bräudeputatiousunterregistrator“
„um Permutirung nacher Traun- oder Marquartstein für den allenfalls uacher
Lauffen kommenden Waldmeister Hoff mann“. Er verspricht unter anderem,
„alle Jahre des Winters Zeit alhier alle vorfallende Schreib-Arbeiten befördern
zu helfen“. Das Gesuch ging am 26. Januar 1762 au die Salzdeputation.
Ein weiteres Gesuch erliess Kohl brenn er um das Salzfertigeramt
Laufen; er habe, schreibt er wohl um die gleiche Zeit, „schon oftmals um
die Permutation uacher Traun- oder Marquartstein unterthänigst gebetten,
weilen ich in Wald- dann hällenischen und Reichenhaller Salz-Wesen von
jugend auf solche Information erlangt, mittls welcher daselbsten auch nüzliche
Dienste leisten würde“. Unterm 13. Februar 1762 wird es nicht begutachtet, „ob-
schonn dem Supplicantn seine gebettene Permutirung wohl zu göhnnen were,
da Supplicant.in verschidenen Arbeithen nuetzlich zu gebrauchen:
vnnd in Wahrheit fleissig vnnd mühesamb ist“. Man solle ihn hier belassen
„und anstatt seiner dermahl geinisseudeu 450 fl. entweder 650 fl. geben oder
sonst etwas für ihn thun“. So die Hofkammer. Abermals am 11. März 1762
abgewiesen, erhält er doch am 31. August 1762 in anbetracht seiner bis¬
herigen Verwendbarkeit die ganze Registratorsbezahlung von 650 fl. „in quar-
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Karl von Reinliardstöttner
talligen ratis vnd zwar von Anfang gegenwärtigen Monatks“. Dies die Ant¬
wort auf eine Befürwortung der Hofkammer vom 13. Juli 1762.
Am 15. September 1762 wurde Kohlbrenner mit einer Bitte, „wegen
gratis besorgung der Manufacturscassa vnd Verrechnung bey der Reichen-
hallischen Manufactur (wobei der Kurfürst zwei Aktien hatte) in dem fabrica-
haus das Unterkommen gnädigst gestehet“ zu erhalten, abgewiesen. Der
Kurfürst verfügt darauf in wahrhaft klassischer Kürze: „Du bist zwar vmb
dir dass Vuderkhommen in dem Fabrica Haus gdst. verwilligt werden möchte,
unterthänigst eingelanget, Wür wollen dich aber mit dem Gesuech abgewiseu
haben“ 5 * 5 ).
Im Jahre 1764 veröffentlichte Kohl brenn er seine: „Geographische
Mauth-Charte von Bayern. Vorstellend: alle zu Wasser und zu Land
hergebrachte Mauth-Stationeu und Accis Ämter, samt denen dahin führenden
Commercial- und Land-Strassen entworfen Anno 1764“. Sie enthält „59 Nämen
deren Mauth-Stationen“ und ist von Tobias Conrad Lotter in Augs¬
burg gestochen. Die sehr genau ausgearbeitete Karte wurde 1768 „renoviert“.
Im Jahre 1769 folgte noch eine Spezialkarte der Oberpfalz, die, nicht
minder pünktlich gezeichnet, den Titel führt: „Geographische Mauth-
Charte von dem Herzogthum der Obern Pfalz und der Land¬
grafschaft Leuchtenberg. Vorstellung deren althergebrachten Mauth¬
und Zoll Stationen, und Accis-Ämter, samt den dahin führenden Commercial
und Landstrassen. Entworfen im Jahr M. D. CC. LXIX“. Sie umfasst vier¬
zehn Mautämter und ist gleichfalls von Lotter gestochen.
Mit dem Jahre 1766, wo er (28. März) zum wirklichen Rat in geo¬
graphischen Dingen ernannt worden war, begann K 0I1 1 brenn er jene Thätig-
keit, welche ihm Quelle unendlicher Kämpfe wurde, doch ihm aber auch eine
zweifellose Macht in die Hand gab, die Herausgabe des wichtigsten Münche¬
ner Wochenblattes, das er bis zu seinem Tode leitete. Kohlbrenners
ganze Thatkraft war nötig, um sich diese mächtige Waffe der Presse sein
Leben lang zu erhalten. Hätte er nichts Anderes als die Herausgabe dieser
Zeitschrift betrieben, so würde dieses Werk allein Westenrieders Wort
vollauf bestätigen, der (S. 1) sagt, er sei ein „ausserordentlicher Mann, wie
nur selten einer kommt, und hat sich durch einen ununterbrochenen, unge¬
wöhnlichen und ganz heroischen Fleis, durch die ausdauernde Kühnheit in
seinen Unternehmungen, durch das Verharren auf denselben mitten unter
Verfolgungen der oft ungerechtesten und immer bittern Laune seiner Zeit¬
genossen, und durch den unmittelbaren Einfluss seines Bestrebens, uns allen
äusserst wichtig gemacht“. Nirgend bedurfte Kolilbrenner in der That
mehr seines Fleisses, seiner Kühnheit und Beharrlichkeit, als bei Herausgabe
dieser Zeitschrift; seines Fleisses, um die zerstreuten Materialien zu sammeln,
die auswärtige Presse zu verfolgen, Redaktion, Druck, Versand der Blätter
zu leiten, die verzweigte Korrespondenz zu führen; seiner Kühnheit, um Dinge
zu berühren, die nun doch einmal berührt werden mussten, dem „erleuch¬
teten“ Zeitalter aber seltsam, ja frevelhaft, freigeistig, gottlos dünkteu; seiner
Beharrlichkeit, um, verfolgt und verleumdet, nicht mürbe zu werden und die
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Flinte ins Korn zu werfen, womit er den Gegnern die grösste Freude, der
Sache des Fortschritts aber schwere Enttäuschung bereitet hätte.
Kohlbrenners Zeitschrift trägt zwar den stolzen Titel „Mit Chur¬
fürstlichem gnädigsten Privilegium“; empörend aber ist es, aus den Akten zu
entnehmen, wie wenig sicher der Herausgeber dieses Privilegs werden konnte.
Eiu unrichtiges Wort, eine noch so kindische Klage von irgendwelcher Seite
her, eine unbedachte oder übel ausgelegte Äusserung — sofort suchte man
Kohlbrenner an seinem Lebensnerve zu verwunden, indem man ihm
drohte, ihm das Privileg zu entziehen oder es thatsächlich entzog. Wirklich
heroisch, um Westenrieders Wort zu gebrauchen, ist Kohlbrenners
Verhalten in so schweren Krisen. Alles opfert er; kalt und besonnen ver¬
liert er seinen Zweck nicht aus den Augen; er beugt sich knurrend, er folgt
widerwillig, er bedauert, wo er wohl keinen Grund sah, irgend ein Wort
zurückzunehmen — alles der Idee zuliebe, die er nicht fallen lassen will.
So einfach der Anfang seines „zu Behuf und mehrern Beförderung des
Commercii“ begonnenen Unternehmens ist, brachte es ihm doch schon in
seiner ersten Gestalt zahlreiche Verdriesslichkeiten. Vor allem der Abdruck
der Preise der Lebensmittel in einzelnen Städten des bayerischen Landes ver-
anlasste massenhafte Beschwerden, deren die Akten des Kreisarchives München
voll sind. Im Februar 1766 beklagen sich die Metzger von Rege 11sbürg
über den auf gestellten Fleisch tarif, der zu hoch sei, Burghausen über
Fleisch- und Holzpreisangaben, der Vizedom von Straubing verlangt unterm
15. Februar 1766 mehr „offiziöse Führung der Intelligenzblätter“; auch
den Münchener Magistrat beschäftigte die gleiche Angelegenheit. Erst in
späteren Jahren bemerkte der Herausgeber, „dass die hierinn angesetzten Vena-
lienpreise keineswegs als obrigkeitliche Sätze und Taxen der Feilschaften an¬
gesehen werden müssen“.
Kohlbrenner hatte auch bald zu erfahren, dass die Einnahmen sich
nicht so glänzend gestalteten, als er wohl dachte. Am 8. Februar 1766 wandte
er sich an den Kurfürsten um einen Zuschuss, und bereits unterm 18. März
1766 erhielten die „Entrepreneurs“ „in Rücksicht ihrer dabey habenden viel¬
fältigen Auslagen einen Beitrag von höchstihren Mauthgefällen ä 300 fl. in
Halbjahrsraten“ 26 ).
Auch die Portokosten wurden bald schwer empfunden. Der Kurfürst
wünschte zwar, dass die Blätter „postfrei“ versendet werden könnten; Kohl¬
brenners Gesuch fand aber keinen Anklang, da, wie es in einem Schreiben
vom 23. März 1767 heisst, „einzelne die Intelligeuzblätter als keine causa
Dominj“ ansehen, sondern als eine Sache, „welche blos zum Verlage für die
chf. Ämter versendet, also bezahlt werden müsse“. Der Hauptmautdirektor
meint unterm 1. April 1767, man solle sich an Taxis in Regensburg
wenden, auf „dass hochselbiger denen Postämtern zu Abhelfung dieses Un¬
fugs und der Behinderung durch die Postwagen das Behörige dahin aus¬
fertigen lassen möge“ 27 ). Erst spät erlangte man gewisse Postfreiheiten 28 ).
Wichtig für Kohlbrenner war der 14. März 1768, an dem er ein
erneutes kurfürstliches Privileg auf die Dauer von zehn Jahren erhielt. Am
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Karl von Reinhardstöttner
15. Oktober 1768 bat er auch „um Confirmation der jährlichen dreihundert
Gulden“, welche ihm am 15. November gewährt wurden. In seinem Gesuche
betont er nachdrücklichst, dass „der Verfasser dieser Blätter nicht blos aus
Büchern etwas zusammenschmiren darf, sondern selbst denken, mit Überlegung
denken und zur Ehre und Nutzen der baierischen Nation schreiben muss.
Es erfordert aber ein besonderes Genie, und welches ermuntert werden muss“ 29 ).
Wohl erzielte Kohlbrenner hier und dort Anerkennung. In einem
Schreiben vom 10. Januar 1768 bestellt der Markt Pfaffenhausen eine
verlorene Nummer der Intelligenzblätter, aus denen „nichts alss lautter patrioti¬
scher eifer zu lesen wäre“. Sie wollen die Nummer ersetzt haben, weil sie
„diese nuzliche Blätter, Unsere Nachkommenschaft damit zu belehren“ „ein-
zubüuden verleithet“ wurden. Die Regierung empfahl die Anschaffung wieder¬
holt, so z. B. unterm 28. Februar 1769 nach Amberg; es sei „den Städten
und Märkten aber gemessenst aufzutragen, dass sie sich derley Intelligenz
Blätter aus der in Amberg und zwar unter der Aufsicht unsers aldortigen
Regierungs Secretarij Herzendorfer haltenden Vorlage gegen die geringe
Gebühr das Stück künftig vor 4 kr. selbst anschaffeu, fleissig durchlesen,
daraus für Handlung und Gewerbe einen nutzen schöpfen“ 80 ). Aber man
nahm sich die Empfehlung der Behörden draussen nicht allzusehr zu herzen.
Eine Abrechnung des Intelligenzblattes vom 14. Februar 1772 ergiebt
einen Absatz von 477 Exemplaren. Aber nicht alle Abonnenten zahlen; trotz¬
dem schickt ihnen Kohlbrenner die Zeitung, denu „man muss sich um
die Wohlfahrt des gemeinen Wesens, um die Ehre des Vaterlandes auch etwas
kosten lassen. Mau justificire, män henke, köpfe und brauche das Rad: es
wird doch das Laster nicht aufhören, so laug man schlechte Schulmeister,
und kein Schulmeister Seminarium hat, so laug die Lesung guter Bücher
Zeitungen, und anderen blättern, wo eine gesunde Moral, und die lehrart der
öconomie vorgelegt wird, bey der Nation nicht mehrere, als bisher in Übung
gebracht wird. Derowegen ist es auch gewiss, dass in jenen Staaten, wo gute
Schulen sind und der Geist der Nation durch die Lectur gebessert wird, das
ist, wo der Verstand des Volkes immer aufgeklärt wird, das malefiz nicht so
häufig anwächst. Das herz muss zuerst gebildet werden. Und ist ein Regent
nicht glücklicher, wenn Er gehorsame und sanfte herzen zu regiren als wenn
mau es mit faulen und wilden zu thun hat“ 81 )?
Auf diese Gedanken kommt Kohlbrenner, wie wir im weiteren
sehen werden, in seiner Zeitschrift immer wieder zurück. Bald beginnen je¬
doch auch die Schwierigkeiten mit der Zensur.
Untenn 14. März 1772 frägt Kohlbrenner an, ob die Intelligenz-
Blätter überhaupt noch weiter geführt werden sollen, und wie hoh die Auflage
werden müsse. Er könne nicht mehr so fortmachen; die Pfarrer sollen zur
Abnahme „vermahnt werden“. Auch S. Exz. der Geheime Rat von Stuben¬
rauch wird am Ende die Zensur nicht mehr so wie bisher leiten wollen:
„Denn wenn ein Manuscript einmal die Censur passirt und äclit abgedruckt
ist, darf man den authorn nicht mehr darum hernehmen oder quasi strafen,
wie dies ao. 1769 & 71 geschehen“. Noch weniger will der Herausgeber „ein
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Johann Franz von Kohlbrenner.
»5
ungnädiges bezeigen verursachen“. „Ausser deme gethraute sich niemand mehr
eine Zeile öffentlich zu schreiben, am wenigsten die Wahrheit“ 82 ).
Mit diesem Hinweise auf das Jahr 1769 gedenkt Kohlbrenner eines
unangenehmen Vorfalles. Er hatte durch einen Artikel in No. 16 (199—202)
des Intelligenzblattes über „Projectisten . . Goldmacher, ehrsame Betrüger . . .
adelige Bassgeiger“ Jemand, den er doch nicht einmal von Person ge¬
kannt hatte, angegriffen“ 88 ). Obwohl der Artikel unbeanstandet durch die
Zensur gegangen war, erhielt Kohlbrenner vierundzwanzig Stunden Hof¬
arrest Auf diese zweifelhafte Art der Zensur kömmt er noch oft zurück.
Am 17. März 1772 klagt er neuerdings über die jährlichen 2500 Gulden
Kosten, welche Druck, Papier und Porto der Intelligeuzblätter beanspruchen.
„Wer solle aber diesen Unkosten aufwenden, ohne eines sichern Ver-
schleisses oder sonstig höchst landesherrlicher Unterstützung sich bewusst zu
sein ? zumal in einem Lande, wo die Lectür noch eine so fremde beschäfftigung
ist. Daher kommt es, dass sowohl die geistliche als die gelehrte Zeitung,
wie die Wochenschrift des so betitelten Patrioten 84 ) wieder zu Grabe gegangen“.
Das Intelligenzblatt habe es auf sechs Bände gebracht; Dresden, Witten¬
berg, Wien, Inspruck, Sulzbach haben es uachgeahmt. Der Heraus¬
geber hatte es „nicht auf einen niederträchtigen Gewinn oder Eigennutz ge¬
gründet“. „Durch so viele herbe Schicksale aber ist der Verfasser der Chur-
baierischen Intelligenzblätter, gegenwärtig sehr niedergeschlagen. Und er muss
es um so mehr seyn, als er (auch der Censur ungeachtet) über jeden kleinen,
von ihm unbemerkten Ausdruck die bittersten Vorwürfe und Ungnaden zu
gedulden hatte. (Nota: der Author muss vollkommene Sicherheit haben und
zwar durch die Censur, sonst leidet der Respect der Censur selbst)“. Es folgt
nun ein Vorschlag: „Der Kohlbrenner hat noch eine rechtmässige Forde¬
rung wegen glücklicher Etablirung des Holzgartens in Lechhausen von
1630 fl. zu suchen. Werden nun S. Chf. Drlt. ilime die 2 actien von der
Fabrick und Strickerey-Waaren jede ad 2000 fl. gdst. überlassen, so verbleiben
noch 2370 fl. Die Iutelligenzblätter betragen nach Zeugniss obiger Speci-
fication jährlich 950 fl. und pro 1772. 1773 et 1774 auf 3 Jahre zur Schuldig¬
keit 2850 fl. Diese 2850 fl. dürfen also nicht bezahlt werden und fallen da¬
her dem aerario heim zur Ersparung gegen obige 2 actien. Auch künftig
von anno 1775 an solle an dem jährlichen betrage der 950 fl. nämlich ab
19° Quartbände die Helfte mit 475 fl. dem aerario zu und heimfallen: wenn
S. Chi. Drlt dem Kohlbrenner die ohnedem halb eingegangene academische
Buchdruckerei jure reali cum requisitis überlassen: oder ihme ein neues Privi¬
legium zur Erhebung eines Landesnuzlichen Werks gdst. ertheilen. Abermal
pur in der reinen Absicht, dass man nicht immer alle Staatsschriften, sogar
Evangelieu müsse ausser Landes drucken lassen, zu jenen Zeiten, wo man
davon redet, den Geldausfluss zu verhindern“. Im weitern werden noch Steuern
an die Stadt versprochen und von den Lettern u. dgl. gehandelt 35 ).
Ein anderes Memoria von 1772 (25. März) handelt über allerlei die
Intelligenzblätter Betreffendes. Wieder spricht Kohlbrenner dafür, dass ein
einmal approbiertes Blatt nicht mehr aufgehalten w r erden dürfe.
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Karl von Reinhardstöttner
„Denn es wurde von mir eine Thorheit seyn, wenn ich zum bessten
des Landes, zum Vortheil der litteratur eine bemühung über mich nähme, die
mich nur unglücklich machen, die mich etwa gar der höchsten Huld berauben
könnte, und, wo ich nicht sicher wäre, in die Gefahr zu laufen, von einem
unberuffenen Kunstrichter in arrest gesetzt zu werden. So rohe bin ich wahr¬
lich nicht bearbeitet, dass ich Satyren von Scoptischen Schriften nicht zu
unterscheiden wüsste. Jene haben eine feine Moral zum Grunde, daher sind
sie so nothwendig als nützlich; diese aber gränzen an die Pasquillen, die so
niederträchtig als zu verbiethen sind.Der Author muss seine Sicher¬
heit gegen alle Anfälle haben, sonst liegt Wissenschaft, Studium, Kunst und
Litteratur alles zu boden. Se. Churfürstl. Durchl. werden also unterthänigst
gebethen: einen censorem gnädigst zu ernennen: ob der herr Bibliothecarius
von Öfele 36 ) oder des wirkl. Herrn geheimen Raths von Stubenrauch
Excell. künftig die censur übernehmen; oder des herrn geheimen Raths von
Lory Excell. 81 ) diese, wie die Münchnerzeitung besorgen sollen: Denn der
Author will seine vollkommene Sicherheit haben: widrigenfalls der dermalige
Verfasser der Intelligenzblätter gebethen haben will, ihn von diesem Geschäffte
zu entlassen“.
Am i. April 1772 beklagt sich Kohl brenn er, der dem geheimen
Rate von Stuben rauch „ein gethreuer Achilles, ein redlicher Mitarbeiter
war“, und dessen Patriotismus nicht erkalten würde, „wenn er auch Schaden
leiden sollte“, dass der „Verschleiss des Intelligenzblattes ebenso unsicher sei,
als die Bezahlung“. Der Preis für die 477—499 Bände sei zwar mit 1633 fl.
20 kr. angesetzt, aber der Kurfürst zahle nur 650 fl., und von diesen falle für
die Zensur u. a. so viel weg, dass der Verfasser nur 390 fl. erhält. „Bey der
P)inbuss von jährlich 1243 fl. 20 kr. dürfe der Patriotismus schon ziemlich
warm seyn“. Er bittet um eine „actie der Strickerey fabrick“. Von sich rühmt
er: „Der Churfürstl. Rath Kohlbrenner dienet in Traunstein und Mün¬
chen schon im 23 ten Jahr und, wenn er seine dem höchsten Dienste aufge¬
opferten Nachtstunden dazu rechnet, w ? ohl 46 Jahre“. Auch die „Pfärrer“,
meint er, sollten angehalten werden, die Blätter zu halten. „Eine landesväter¬
liche Ermahnung ist noch kein Zwang; sie kann aber für das Land viel
gutes schaffen“ 38 ).
Aber auch mit den Hofbehörden ging die Abnahme der Iutelligenz-
blätter nicht immer nach Kohlbrenners Wunsch. Unterm 21. Juli 1768
war verfügt worden, dass dem Hofrat „von dem Intelligenz Blat alerwegen
zwey Exemplaria cominuniciert werden sollen“. Am 20. Juli 1770 bittet
Kohlbreun er, das kurfürstliche Hofkammerexpeditionsamt möge 24 bis
30 Exemplare zu je fünf Kreuzer übernehmen; unterm 31. August 1770
wurden jedoch nur neun Stück als zur Abnahme nötig befunden.
Am 8. Oktober 1771 wird verfügt, da allen Ämtern die Intelligenzblätter
zugestellt werden, „so fünden S. Churfstl. Drchl. ganz überflüssig, dass die In¬
telligenz-Blätter auf höchst dero Unkosten an die Räthe und andere bey Chur-
frst. Ämtern Bedienstete noch ferners ausgetheilet werden“. Es ist darum den
sämtlichen Expeditionsämtern aufzutragen, „dass diese bey dem Intelligenz
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Johann Franz von Kohlbrenner.
37
Comtoir solche Blätter von ao. 1772 an alsogleich aufkünden sollen, gestalten
von dieser Zeit an nichts mehr hieran bezahlt oder in Verrechnung passirt
werden derffe“.
Unterm 26. Februar 1772 beschwert sich Kohlbrenner wiederholt
beim Kurfürsten, dass die dem Hofkriegsrat gelieferten 640 Stück der Intelli¬
genzblätter nicht bezahlt wurden, „gestalten höchstdero besitzende preiswürdige
Gerechtigkeitsliebe nicht zu geben kann, dass ich die auf meine eigenen
grossen Spesen und Kosten gedruckten Blätter umsonst, mithin zu meinem
Schaden abgeben solle“. Gleichzeitig frägt er an, „ob und wieviel Intelligenz¬
blätter ich für das laufende Jahr zu höchstdero löbl. Hofkriegsrath von jeder
Ausgabe liefern solle“.
Unterm 29. Februar 1772 wird erwidert, dass die Exemplare wohl ge¬
liefert wurden, „hingegen diessorts aber niemalen der Antrag war, das der
Betrag von dem Kriegs aerario bezalt werden solle, allwo keine Gelter vor¬
handen seynd, aus welchen dieser Betrag abgeführt w r erden könnte, zu malen
da diese Bestellung diessseits nicht, sondern von höchsten Ort aus . . . ge¬
macht worden ist“. (Sigl. in Cons. aul. bell.).
Am 29. Februar schreibt ihm der Kurfürst einen Erlass, der mit dem
des Kriegsrats übereinstimmt: „Wornach du dich zu richten“. Er erreichte
also nichts 39 ).
Am 21. März 1772 wiederholt Kohl brenn er die Bitte um die 53 fl.
20 kr. In der Rechnung vom 8. Februar 1772 steht zum ersten Male der
Name Franz Seraph Kohlbrenner. (Vgl. S. 78).
Indessen strebt Kohlbrenner den gesamten Gewinn durchaus nicht
für sich an. In einem Vorschläge (ohne Datum) will das Intelligenz Comtoir,
das „alle mittel zusammensuchet, einer Real-Schule den Anfang zu geben“,
für sechs arme Knaben in der Realschule je 50 fl., also 300 fl. beisteuern;
„weiters von jedem Blatt, so die HH. Pfärer in Baiem und der Pfalz ab¬
nehmen (denen die Lesung dieser Blätter, wie schon [S. 86] gebethen, gdist.
aufzutragen wäre) weiters 1 kr., von welchem Geld abermals 6 Kinder zu er¬
halten, Hoffnung sein dürfte“.
Wie schon aus einem Aktenstücke (S. 85) zu ersehen war, beschäf¬
tigte den unternehmungslustigen Geist K oh Ihren uers im Jahre 1772 die
Idee, eine Druckerei zu erwerben.
Im Gesuche um die akademische Druckerei (ohne Datum) wird der¬
selben ein bisheriger Verlust von 14068 fl. 56 kr. nachgerechnet; in einem
anderen stellt er sie als „in gebrechlichen Umständen sich befindend“ dar.
Es wird diese Druckerei auch in Zukunft nichts abwerfen, „indeme
diese Druckerey (welche, weil sie keinen aufgeschworenen Principal hat, von
Ausländem für eine Hudeley geachtet, und desswegen jeder Gesell von andern
Druckereyen abgestrafft wird, eine völlig neue Einrichtung erfodert, auf dass
man in den Stand gesetzt werde, alles und jedes, aus allerley Sprachen zu
drucken. Ich habe diese Kunst gelernt, und darf nur frey gesagt werden.
Die Erfahrung dieser Kunst war mir um so nothwendiger, als ich Zeit 7 Jahren
her, in Buchdruckereyarbeiten und meuagirlichen Anstalten dem höchsten
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Karl von ReinhardstÖttner
aerario schon manchen Nuzen geschafft habe. Euere Churfürstl. Drlt. werden
demnach nicht ungnädigst bemerken, wenn ich in dem Entschluss, diese
Druckerey in den ansehnlichsten Stand zu erheben, unterthännigst bitte: die¬
selbe mir cum Requisitis et Privilegiis als ein wahres reales Eigenthum gdist.
zu überlassen“.
Kohlbreuner will dafür jährlich fünfzig Gulden der Akademie zahlen,
die akademischen Arbeiten billigst liefern und für Lettern und Vignetten
sorgen. Aber das Privileg muss dergestalt sein, „dass solches nach meinem
Tode oder andern Veränderungsfall, nicht erloschen sondern meinem Erkäufer
oder meinen Erben verbleiben, sodann diese Druckerey für allzeit als mein
reales Eigenthum geachtet, noch jemals mit Bürden überlegt werden solle“ 40 ).
Man sieht, K o hl brenn er s geschäftliche Fähigkeit blickt überall
durch. Die Bedingungen, die er der Akademie stellte, „die Lettern nach dem
Centner und diese als abgenutzt nebst den Pressen zu bezahlen“ 41 ), sind so
selbstverständlich, dass es der ganzen Bosheit des Anonymus bedarf, darin
das „so filzige kuickerische und verdächtige Betragen des Kohlbrenners“
zu erblicken. Weit mehr müssen wir mit Westeurieder bedauern, dass
Ko hl brenn er, „der die Sache verstund“, nicht dazu kam, eine grosse Druckerei
in München zu errichten, und dass also auch in der Folge, z. B. die Mess¬
bücher für mehr als 23000 Gotteshäuser und die Breviere für 6500 Priester
„vom Auslande“ zugeschickt wurden. Niemand sah den Wert der Fabrikation
ein; wollte aber jemand das Geschäftsleben zur Höhe bringen, wie Kohl¬
brenner, so erklärte man „seine Absicht für Eigennutz und machte sich so¬
gar ein Geschäfft, vielleicht in der Dummheit des Sinns, ein Verdienst daraus,
das Werk zu hintertreiben“ 42 ).
Übrigens zeigte sich schon in den ersten Jahren, da Kohlbrenner
die Intelligenzblätter redigierte, welchen Kämpfen er entgegen ging. Sein
stetes Verlangen, nach geschehener Zensur für den Inhalt nicht mehr haftbar
zu sein, beweist wie schwierig sein Standpunkt war; denn uns möchte das¬
selbe sehr natürlich Vorkommen. Aber auf diese Weise allein gelang es den
Gegnern, Kohlbrenner zu verdächtigen. Schon auf eine Sitzung vom
8. Februar 1771 hatte Kohlbreuner (am 16. Hornung) ein kurfürstliches
Dekret des bedenklichen Inhalts bekommen:
„Von höchster Stelle ist die gnädigste Anbefehlung geschehen, dass
Wir dir die in denen von Zeit zu Zeit in Druck legenden Intelligenz Blättern
immerhin sehr unanständige Anführungen, Critiques und Politisirungen,
dann ungeziemende Einmischungen und moralisirungen für das konftige mit
geschärftem Ernst, und zwar bey Verlust des dir gnädigst ertheilten privilegii
auf der Stelle verbietheu sollen“. (Betr. Die gnädigst abgeschafte moralisirungen
und Critiquen in denen Intelligenzblättern) 43 ).
Auch im nächsten Jahre, am 30. April 1772 erging ein Erlass an das
Bücherzensurkolleg, dass die Iutelligenzblätter „aufmerckhsam censirt und dem
Verfasser nichts anstössiges connivirt und passirt werde“ 44 ).
Wieder galt es, Kohlbrenners Privileg zu erschüttern, doch gelang
dies auch dieses Mal seinen Verdächtigen! nicht. Am selben Tage erhielt er
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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ex iutimo den Bescheid, er dürfe die Intelligenzblätter weiter führen, habe
aber „aller Anzüglichkeiten und was immer auf einige Weise austössig sein
dorfte, sich sorgfältig zu enthalten“.
Der Kurfürst übernahm 475 Exemplare, wofür in monatlichen „ratis“
650 Gulden bezahlt werden sollten. Auch wird Kohlbrenner eine der ge¬
wünschten Aktien (S. 85. 86.) bewilligt, „dergestalteu das Er gehalten seyn solle,
eine deren hiesigen bürgerlichen Buchdruckereyen an sich zu bringen und in
den angerühmten Verbesserungs Stand zu setzen, gestalten dem Magistrat
ihme darzu zu verhelffen sub hodierno allschon bedeutet worden ist“.
Am 14. Juli 1772 erklärte sich Kohlbrenner damit einverstanden;
die Aktie betrug zweitausend Gulden. Am 30. Dezember 1772 hatte er noch
nichts davon, was aus einem Aktenstücke, in dem er wieder leise um Porto¬
freiheit auklopft, hervorgeht 45 ).
Während dieser ganzen Zeit hatte Kohlbrenner die Besserung seiner
Lage nicht ausser Acht gelassen. Untenn 26. September 1766 erhält er „an¬
statt das dem Supplicanteu gnädigst zu gemeinten Zohlhaus am Frauen
Brünl zu Straubing“ „das daselbst annoch lehr stehende Zohl Hauss beim
steinern Thor zur gnädigs vertrösteten Belohuung“.
Schon am 15. Juli 1768 geruhte der Kurfürst, „dem Mauthdirectorial
Secretarius Franz Kohlbrenner“ „in vorzüglicher betrachtnamme seiner
Amtsfähigkeit, uud benüzender sonder Capacitet, dan seiner zu iedmahlig
gnädigster Zufriedenheit bisshero sowohl beym Mauthwesen alss auch in viel
andere wege geleisteter Treu, ohnermieth und erspriesslicher Diensten das
Caractere unseres würcklichen Raths in höchsten Gnaden zu conferiren 45 ).
Noch immer jedoch hatte Kohlbrenner eine Stelle ausserhalb der
Hauptstadt im Auge. So bittet er im Jahre 1771 „in landeskindlichem Ver¬
trauen den huldreichsten Vater des Vaterlands“ um das erledigte Salz- und
Mautamt Rosen hei 111.
„Nun habe ich mich Zeit meiner 18jährigen Dienstleistung dahin be¬
strebet, durch ausserordentliche Mühe; durch pressante Schreibarbeiten; durch
Aufopferung halb und ganzer Nächte, durch beschwerliche Reisen, Abschwä¬
chung der Augen, der Kräfte und Gesundheit solche Verdienste zu sammeln,
die mir die sichere Hoffnung gewehren, auch in meinen älteren Tagen in
einem Amte auf dem Lande meinem gnädigsten Landesfürsteu und Herrn
nüzlich zu dienen“. „Aktengemäss“ verzeichnet Kohlbreuuer die „Beweise
seines Diensteyfers uud der meriten“. Er hebt hervor: 1. „Die glücklich be¬
sorgte Eiuricht- und Verbesserung der Forst und Trifftanstalten auf der Isar,
dann die neu accordirten Wasser Risen in der Hinder Riss, wodurch dem
höchsten aerario gegen vorige Jahre eine jährlich beträchtliche Unkosten¬
ersparung von 2- bis 3000 fl. gemacht worden ist. (von ais. 1757 bis 1761)“.
2. „Die Beförderung der Mundirung der 3 voluminösen Process - Schriften
respectu des obmannschaftlichen Ausspruchs über die hälleinisclien Salztrac-
taten; daran ich ganze Nächte geschrieben, um den Termin zu erreichen.
Obgleich dieses Geschäfft nicht mir, sondern meinen Kanzelisten obgelegeu
gewesen wäre, (de ais. 1758. 59. 60. 61 et 1766)“. 3. „Die in A. 1762 an-
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Karl von Reinhardstöttner
gefangene und ao. 1763 glücklich vollbrachte Anlegung eines Holzgartens zu
Lechhausen, wobey ich schwere Verfolgungen erlitten, und unter Tausend
Schwirrigkeiten, die ich standhaft überwunden, ein Werk gegründet habe,
welches der höchstlandesherrlichen Casse einen jährlich beträchtlichen Ein¬
fluss bewirket“. 4. „Die getreue Mitarbeit bey Einrichtung des Mauthwesens
in Baiem und in der obem Pfalz, die mit äusserster Möglichkeit beförderte
Anstalten, und die in den Druckereyen in München gemachte actenmässige
Ersparung von mehr als 19500 fl.“
„Ja“, fährt Kohlbrenner weiter, „ich erinnere mich keines Geschäffts,
keiner Unternehmung, welche nicht unter dem Schutz Gottes von mir glück¬
lich vollendet oder ausgeführt worden ist Dieses alles lässt mich gründlich
hoffen, dass ich mich dereinst auf eine unterscheidende Art, auf eine höchste
Landesväterliche Special-Gnade (die mir mehrfältig in Zeit 19 Jahren ver¬
sichert worden) sicher verlassen kann“.
Zugleich legt er einen „ohnmassgebigen Vorschlag“ bei, wie am Haupt¬
mautamte jährlich 3384 fl. erspart werden könnten, „wenn das überflüssige
Personale seiner Zeit, und nach und nach anderswohin placirt werden würde“.
Noch liegt eine weitere Darstellung seiner Verdienste vor. Ausser der
bereits oben (S. 78) erwähnten Thätigkeit seiner Ahnen in bayerischen Diensten
führt er seine schon auf gezählten Arbeiten neuerdings in ähnlicher Fassung
wie oben auf und fügt ausserdem an:
„Man hat ihm (Kohlbrenner) als er wegen eines ihme dato noch un¬
bekannten Passgeigers wegen seiner patriotischen Wahrheit etc. eingespert
und seine Unschuld erfunden worden, eine höchste Special Gnade gnädigst
versprochen, die er bis dise Stund noch nachzusuchen hat und davor er
sich 2 actis bey der Baumwollfabrick unterthänigst erbath aber das gdigste
Fiat noch nicht erhalten hat.
Und Er hat die gdste. versprochene Vergütung der Reisekosten nach
Schottland bey dem höchstpreisswürdigeu, gerechtigkeitliebenden landesväter¬
lichen Herzen annoch zu suchen und verhofft sie in der einsmaligen Ver¬
ehrung seiner unterthänigsten Bitte“.
Bei seinen unbestreitbaren Verdiensten ist es nicht übertrieben, wenn
Kohlbrenner schreibt, die Gewährung seines Gesuches verbreite des Kur¬
fürsten Ruhm, „wenn Höchstderselbe wahre Verdienste belohnen und andurch
eine edle Nacheyferung bei anderen veranlassen wolle“ 47 ).
Kohlbrenner erhielt zwar die gewünschte Stelle nicht; aber am
27. Juli 1773 wurde er zum wirklichen Hofkammerrat ernannt. Die ihm
unterm 8. Oktober 1773 zugegangene Mitteilung hierüber rühmt sein dienst¬
liches Verhalten mit den Worten:
„L. G. In huldreichster Erwägung der von dir seit ao. 1753 bei ver¬
schiedenen Departements und Commissions mit erprobten Nutzen, Treue und
Eyfer geleisteten Diensten haben Wir dich vermög Gdst Decrets de dato
27. 7bris abhinn zu Unserm würkl. Hofkammer Rath cum Voto et sessione
und mit Beybehaltung deines actu geuüssenden Gehalts gdst ernennet“ 48 ).
Die Kämpfe, welche Kohlbrenner mit seinem Intelligenzblatte zu
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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führen hatte, beeinträchtigten, wie wir sehen, glücklicherweise seine Stellung
als Beamter nicht; ja im Jahre 1771 sandte ihm der Kurfürst durch seinen
Kabinettssekretär von Er dt sogar „eine goldene Medaille, und Hess ihn
dabey in den gütigsten und ermunterndsten Ausdrücken der vollkommensten
Zufriedenheit mit seinen Arbeiten, besonders dem Intelligenzblatt, versichern“ 49 ).
Es erscheint nun wohl angezeigt, die ersten Bände dieser so viel um¬
strittenen Zeitschrift etwas näher an zu sehen.
Im Juni 1765 erschien ein „Intelligenz- oder Commercien-
Communicatious-Blat“ 50 ) zum ersten Male. Es enthält auf seinen vier
Seiten Landesedikte, kurfürstliche Erlasse, bürgerliche und Handelsanzeigen.
Etwas erweitert trat das unbedeutende und wohl unbeachtete Unternehmen
unter Kohlbrenners Leitung mit seinem Wahlspruche: „Serit arbores, quae
alteri saeculo prosint“ als „Churbaierische Intelligenzblätter“ mit
dem Jahre 1766 auf, indem es neben den landesherrlichen Edikten, Kauf- und
Verkaufsanzeigen, Preisangaben der Lebensmittel u. dgl. auch von „nützlichen
Büchern und Erfindungen“ berichtet In Nummer 8 steht bereits eine gereimte
Fabel (die gefährliche Sicherheit), was sich fernerhin öfter wiederholt. Zwei
derselben (Getreuer Rath an einen armen Gelehrten Nr. 11) und die Schluss¬
rede (Nr. 15) atmen den Geist Kohlbrenners völlig. Im letzteren heisst es:
„I)u kannst, wenn Dirs beliebt, die ärgsten Posen schreiben,
Wie wirs, zum Überfluss, an Hofmannswaldau sehn
Doch eines muss ich Dir, als treuer Freund berichten:
Tliu alles, was Du wilst, schreib nur die Wahrheit nicht“.
Schon die fünfzehn Nummern des ersten Jahrganges 1766 sind für denjenigen,
der die Gesetzgebung, Statistik, Gestaltung von Handel und Gewerbe, das
innere Leben Bayerns studieren will, eine unerschöpfliche Fundgrube. Die
weiteren Bände werden dies natürlich um so mehr. Man begreift leicht, wenn
man sie durchblättert, wie trotz der ewigen Reibereien zwischen Kohl brenn er
und der Regierung es nie zu einem wirklichen Bruche kam. Kohlbrenner
hatte in den Intelligenzblättern eine mächtige Waffe; ihre Redaktion befriedigte
nicht nur seinen Ehrgeiz, sondern schaffte ihm auch ein anständiges Ein¬
kommen, das mit der Zeit wachsen musste. Die Regierung aber besass an
den Intelligenzblättem ein praktisches Repertorium der neuesten Erlasse, ein
überaus brauchbares Organ und war sich um so mehr bewusst, dass kaum
einer der Leitung des Blattes so sehr gewachsen sei, als der fleissige Hof¬
kammer- und Mautdirektions-Sekretarius Kohl brenn er, als ja beim Beginne
niemand dieselbe hatte übernehmen wollen 51 ). So kam es zwar oft zu Meinungs¬
verschiedenheiten, manchmal zu schweren Streitigkeiten, wobei der Staat rück¬
sichtslos das Faustrecht, das Recht des Stärkeren, übte, nie aber zum end-
giltigen Bruche.
Der Jahrgang 1767 brachte es bereits auf vierundzwanzig Nummern;
er zählt, wesentlich erweitert, schon 260 Seiten und hat ein Register.
„Patriotische Wünsche zu dem neuen Jahre 1767“, die nicht
in allen Exemplaren stehen, verraten in den ersten Zeilen Kohlbrenners
Hass gegen die Fremdwörter („wie excusiere, gratuliere“).
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Karl von Reinhardstöttner
„Jedoch, wie abgenutzt, ist diess lateinisch Wort,
In lieber Muttersprach’ kommt mancher auch noch fort“.
Auch seine Wünsche sind die an vielen Orten ausgesprochenen:
„Ich wünsche redlich deutsch, denn baierisch muss es seyu:
Dem Bürger gutes Bier, dem Dichter klaren Wein.
Dem weisen Alter Kraft, mehr Witz der dummen Jugend
Den Armen mehrer Geld, den Reichen aber Tugend
Ein w'ohlfeil Brod und Fleisch, dem braven Handw’erksmann,
Damit er Weib und Kind fein selbst ernähren kann.
Ein gut Salarium dem Schulmann unsrer Zeit
Und den Discipulis mehr Ehrerbietigkeit,
Ein gute Handschrift soll, die Hand des Schülers führen,
Die reine Muttersprach’ soll seine Mundart zieren.
Und was bestimm ich dann, fürs ganze Publicum?
Ein herrlich, Florisant, und gross Commercium.“
Doch gingen die Kämpfe mit stillen und offenen Gegnern frühzeitig
an. Die Kritik einer Predigt gelegentlich eines Benediktinerfestes in Frei sing
mit dem Titel „Benedictus eines bessern Parnassus besserer Apollo“, die
1767. XVI. S. 154 stand, scheint böses Blut gemacht zu haben. Uns könnte
ja schon der alberne Titel einen Vorgeschmack des Inhalts geben. Der
Rezensent bedauert es zunächst, dass trotz der Bemühungen des Kanonikus
Braun 52 ), „den üblen Geschmack in der deutschen Redekunst zu verdrängen“,
es noch immer Leute giebt, „welche bei dem alten Schlendrian bleiben, und
keiner vernünftigen Regel Gehör geben.“ „Der (Franziskanerpater Edmund
Schmaus) geht her, und machet eine heydnische Fabel gar zum Hauptsatz
einer katholischen Predigt.“ . . . „Ein Fleschier 58 ), ein Bourdalou 54 ),
Segaud 55 ), Ciceri 56 ), ein Torne 57 ) und dergleichen Redner würden einen
andern Stoff gefunden haben, den heiligen Benedictus zu loben. Aber, der¬
gleichen Redner lesen unsere Redner nicht vielleicht kennen sie dieselben
nicht einmal dem Namen nach. Dennoch dünken sie sich Redner zu seyn;
dennoch rücken sie mit ihrem elenden Zeuge in die Welt heraus und setzen
sich bedaurerlich dem Gespötte aller vernünftigen Leute, sonderbar aber der
Ausländer aus.“
Wie Nr. XIX (S. 196) zeigt, griff man Kohlbrenner mit dem Ein¬
wurfe an: „Man soll seine eigene Landsleute nicht so sehr prostituiren: was
werden die Ausländer darzu sagen“. Ganz trefflich aber kehrt Kohlbrenner
die Sache um und sagt: „Sollen unsere Landsleute durch elende Schriften
unser liebes Vaterland so sehr prostituiren ? — An wem ist mehr gelegen, an
der Ehre eines Privaten, oder an der Ehre des Vaterlands selbst? Wer einmal
eine Schrift in Druck giebt, der legt sie dem Urtheile der ganzen Welt vor,
und hat entweder Ehre oder Schande zu gewarthen“. Werden darum schlechte
Schriften strenge kritisiert, so sieht aus diesen Abweisungen das Ausland,
dass man in diesem Lande dem Besten nachstrebe und „den üblen Geschmack
verdrängen“ wolle.
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Ein Artikel „Gedanken über die Landwirtschaft in Baiern“ (1767 Nr.
XX, 205) beginnt mit dem unbestreitbaren Satze: „Eigensinn, Aberglaube,
Müssiggang und Unverstand sind bisher die stärksten Hindernisse gewesen,
warum vieles in der Landwürthschaft vernachlässiget“ worden ist. Schon in der
übernächsten Nummer (S. 229) sieht sich der Herausgeber veranlasst, da „ein
unseriger Leser (wir wollen nicht hoffen, dass seines gleichen mehr seyen)
sich sehr darüber geärgert“, den Verfasser, „der ein rechtschaffener Bürger
hiesiger Residenzstadt ist“, zu verteidigen. Auch diesmal meint der Leser,
„ein rechtschaffener Patriot“ müsse „die Mängel unserer Landleuten“ „ent¬
schuldigen und rechtfertigen, ja wohl gar rund weglaugnen“. Das hiesse,
sagt Kohlbrenner ganz richtig, „der anerkannten Wahrheit zum Ruhm
des Vaterlands widerstreben“. „Wir bemitleiden solche Leser, welche nicht
urtheilen können, ohne ihren Mangel der Beurtheilungskraft an den Tag
zu legen!“
Zu besonderem Verdienste muss man es Kohlbrenner anrechnen,
dass er auch in der „Hexenfrage“ offen den Gegner „unsers lieben“ Ster-
zinger (1774 S. 248), den unsinnigen Benediktiner P. Angelus März 68 ),
lächerlich macht (S. *155) „Wir wünschen“, schreibt er an einer andern Stelle
(9), „auch der Hexerey die völlige Verbauung“. Vor allem die stilistischen
Mängel jener „Schrift zur Vertheidigung der thätigen Hexerey“ werden (85)
vernichtend bespöttelt. Ihm ist ja der „Irrwohn“ nichts Anderes, „als in der
Finsternis seine Nahrung suchen, herumtauzen, alles beschmutzen, und dann
wieder sich in die Mauslöcher verschliefen“ (226). Dieses Eintreten für
Sterzinger bezeichnet Westenrieder in seinen „Baierischen Beyträgen“ 69 )
als Quelle der Verfolgungen Kohlbrenners. „Diess war Verbrechen genug“,
sagt er, „um ihm den Hass aller dummen Köpfe, und die Verfolgung aller
Schwärmer zuzuziehen.“
Mit warmer Anerkennung bespricht dagegen der Aufklärer (209) Frz.
Steers 60 ) Rede von „der Nothwendigkeit der Wissenschaften dem Lehr¬
stande“, die für einen gediegenen und anständig bezahlten Lehrerstand eintritt;
er kämpft (218) für pädagogisch richtige Behandlung der Jungen.
Den Hauptanteil der Intelligenzblätter beanspruchen neben den Edikten
und Geschäftsanzeigen noch landwirtschaftliche Artikel; zu jeglichem Ver¬
suche wird auf diesem Gebiete geraten, so soll auch Safran in Bayern gebaut
werden, wozu sich die Gegend um Landshut und Abbach an der Donau
am besten eignet (160).
Des damals in Bayern aufkommenden „inländischen“ Kaffees — des
„Kneippkaffees“ — gedenkt Kohlbrenner mehrfach (61) 6I ), nicht minder
des Nationalgetränkes. Zwar haben sich Völker, welche sich des braunen
Gerstenbiers bedienen „über den Überfluss von gelehrten Einfällen wenig zu
beklagen“, „indeme das Bier, wenn es zu frequent genossen wird, zur Trägheit,
und zu einer dummen Forcht auleithet“ (156) 62 ); doch bringt er einen ein¬
gehenden Artikel (161) zur Kenntnis des Bieres und gedenkt seiner oft (206).
Für alle Krankheiten endlich von Mensch und Tier, selbst gegen das Zahn¬
weh (105), weiss das Intelligenzblatt Mittel.
Bayer. Forschungen VI, 2 . 7
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Karl von Reinhardstöttner
Wiederum erweitert (auf 294 Seiten uud Iudex) erscheint der Jahrgang
1768, im ganzen seinen Vorgängern gleich. Das Bestreben des Herausgebers,
Aufklärung in die weitesten Kreise zu tragen und so sein Volk zu heben,
entscheidet über die Aufnahme der einzelnen Artikel. Dieselbe Absicht liegt
auch allen litterarischen Beigaben, Gedichten und Fabeln, den Abhandlungen
und Dialogen (wie z. B. die moderne Menschenliebe, und die alte Ehrlichkeit
1768 S. 133) zu gründe. Die Landwirtschaft bleibt das Lieblingskind des
Herausgebers nebst allem, was auf sie bezug hat. Darum der fortgesetzte
Kampf gegen die Kirchenfeiertage 63 ) und „blauen Montage“ (49). „Man kann
ja diese freywilligen Andachten entweder auf die Sonntage oder auf den späten
Herbst versetzen, wo auf dem Feld dagegen die Sommerfrüchte in schönen
Tagen gut eingebracht, und nichts mehr versäumt werden können“. Darum
das Lob des Pfarrers, der seinen Leuten Sonntagsarbeit auf dem Felde ge¬
währte, wenn es an Werktagen regnete (201).
Die Vermehrung der Besoldung der Lehrer 64 ), besonders auf dem
Lande, verliert Kohlbrenner nie aus den Augen; hier (18) macht er sogar
direkte Vorschläge. Zehn Prozent der Kirchenopfer wären auf die Schulkasse
zu geben; dem Pfarrer würde gewiss ein reichlicheres Opfer fliessen, „denn
das Volk rechnet und siehet auf die nützliche Verwendung für den besseren
Unterricht der Jugend“. Es sollen ferner von jedem Ehepaar zwei Gulden der
Schulkassa gezahlt werden, von jedem Sterbefalle je nach Vermögen. Die
Früchte guter Schulbildung würden sich alsbald zeigen; doch „wir müssen
einen thorrechten Irrwohn 65 ), die gelehrte Dummheit, und den armen Stolz auch
noch fortkommen lassen.“ — Noch wärmer tritt Kohlbrenner für die Schule
an einer andern Stelle des gleichen Bandes (212) ein. „Gute, examinirte, wohl
besoldete Schulmeister sind das Erste, worauf wir denken müssen. Denn diese
sind es, welche die Schulordnungen zur Execution bringen müssen. Daher
ist eine Schulakademie, worinne die Schullehrer, Land- und Dorfschulmeister
abgerichtet, exerciret, und so examiniret und geprüfet werden, dass man sich
darauf verlassen könne, fast unentbehrlich.“ Wie sollte nun das Geld hiefür
gewonnen werden? Man sollte „auf die Hunde eine Anlage“ machen 66 ). „Der
Hund ist ein gar unnützes gefährliches Thier, weil es einerseits bloss zur
Lust oder närrischer Liebe gewidmet: anderseits die Quelle einer grausamen
Krankheit, der Wasserscheu oder Wuth ist . . . Die Hunde müssen alle mit
einem Halsband versehen und ihnen ein messinges Zeichen in einer Grösse
eines Groschens mit dem Steuerstempel das erstemal darauf genäht werden . . .
Ein Hund, der in die Kirche kommt, wird nicht ausgepeitscht, aber gefangen,
und mit 12 kr. ausgelöst ... Für jede Hauskatze wird nur die Helfte,
nemlich 15 kr., bezahlt ohne Ausnahm aller Stände. Jeder Bauer . . . bringt
zu Gericht jährlich 6 Spatzenköpfe bey Gelegenheit der Steur: widrigenfalls
zalilete er für jeden Kopf 3 kr. zur Schulcassa“ u. s. w. 67 )
Ist Kohlbrenner, der „nicht gerne unter die Projectenmacher gezählet
werden“ (19) möchte, etwa derjenige, der die gleichen Vorschläge der öko¬
nomischen Gesellschaft zu Burghausen machte? Die Gedanken sind dieselben.
Ganz besonders beschäftigt sich Kohlbrenner mit den lateinischen
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Schulen. Vor allem bekämpft er stets die grosse Anzahl der Studierenden
der Gymnasien 68 ), während ihm die Hebung der Realschulen am Herzen liegt.
Ein Jüngliug von achtzehn Jahren hat „fast ein Drittel seiner Jahre wegen
der lateinischen Sprache aufopfern“ müssen. Will er aber „bey dem anfangend
lüstern und flüchtigen Alter zum geistlichen Stand“ nicht aspirieren und hat
er die Mittel nicht, um „als ein Weltlicher die hohen Schulen zu besuchen“,
„woaus alsdann mit einem solchen überstudierten Handwerker oder privi-
legirten Müssiggänger ? Da ihn der Lehrbub mit den Schustemeibe 69 ) noch
auslachen wird“. Darum wünscht Kohlbrenner Unterricht im Französischen
und meint, „dass anstatt der griechischen Sprache (die zwar für die, sogar
Hochgelehrte und Schriftsteller werden wollen, nothwendig ist) die gründliche
Erlernung der Deutschen- als der Muttersprache, nebst der Französischen,
etwa auch der Italienischen . . . hundertmal nothwendiger und nützlicher seye“
(17. 18). An einer andern Stelle (214 ff.) greift er dieselbe Frage noch ein¬
gehender auf. Es kommt nicht darauf an, dass die Kinder „6. 7. 10 Jahre
mit dem Griechischen und Lateinischen verzehren sollen, und im übrigen
unwissende Tölpel bleiben dörfen“. Nicht alle, meint er, könne man „blos
zu Gelehrte und Priester abrichten“. Deutsche Sprache, Französisch, Italienisch
sei nötig; „auch in der Poesie muss man deutsche Verse machen lernen“
(216). Die Überzahl der Studierenden ist die Vernichtung der andern Stände.
Sie sind „müssige Zöhrer“ — (157) diese „ausgelernten Studenten, die B /s Juristen,
die zu vielen oder faulen, und ungeistlichen Geistlichen“ . . . „alles will stu-
diren, alles will geistlich, alles Richter, Räthe und Schreiber werden, ohne
sich um ihren wahren Beruf, oder um eine dem Staate nützliche Arbeit zu
bekümmern“.
Kohlbrenner nimmt hierbei das Mass von sich, der ohne Studien
durch Energie und Fleiss so weit gekommen. Er hatte den Vorwurf der
mangelnden Studien erfahren müssen (S. 139), das macht ihn gegen die Stu¬
dierten und klassischen Studien bitter. Darum wird er oft so ungerecht, wie
mancher Schreier unserer Tage, der aus ähnlichen Gründen sich gegen dieselben
äussert. Wohl sagt er: „Aus zwölfhundert Studenten werden kaum ein Drittl
zu brauchbaren Gelehrten werden; jetzt fragt sich, was sollen die überigen
800 Knaben lehren? auch lateinisch und griechisch?“ (215) Also den 800,
die „ohne Rücksicht auf das Temperament, auf das Genie, auf die Fähigkeit,
auf die Gemüthsneigung“ in das Gymnasium geschickt werden, sollen die
vierhundert Tüchtigen geopfert werden. Daran liegt nichts, wohl aber um¬
gekehrt!! Man glaubt die Forderung unserer Zeit zu hören, die Fakultäts¬
studien müssten den übrigen Beschäftigungen geopfert werden, indessen die
Schuld doch nur am Staate liegt, der durch Forderung dieser Laufbahn für
alle Fächer auch die Unbefähigten in die Gelehrten schulen zwängt und diese
auffordert, sie mitkommen zu lassen.
Darum wirkt es bei Kohlbrenner trotz seines nichts weniger als
unbestochenen Urteils über die Gymnasien wohlthuend, dass er die Gründung
von Realschulen für eine grosse Wohlthat hält. „Wir halten dafür, dass ein
Reicher hiemit eine GOtt weit gefälligere Stiftung machen würde, als wenn
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Karl von Reinhardstöttner
er ioo geistliche Beneficien und io Kloster stiftete, die nur dem zöhrenden
Stand ein müssigen Bolster bereithen“ (130).
Wohl auch auf die eigenen Erlebnisse gründet sich Kohlbrenners
stete Ermahnung zu einer schönen Handschrift (54).
Auch aus diesem Jahrgange (1769) erfahren wir allerlei zur Kultur¬
geschichte. Treu seinem Wahlspruch (13)
„Komm nimmer, böse Zeit, du Fassnacht blinder Lappen!
Da Irrwohn, Dummheit, Stolz, uns lässt im Finstern tappen“,
macht er die „Leichtgläubigkeit, die Schwester der Einfalt“ lächerlich (202).
In scharfen Worten eifert er (172) gegen die Damen „und deren manchfaltige
Frechheit und ärgerliche Entblösung“ 70 ) besonders in den Kirchen. Entschieden
greift er den „in unserm Lande immer mehr einreissenden Modetrank vom
Caffee und Thee“ (170) an und empfiehlt statt des schädlichen Getränkes den
„gebrannten Roggen“ (175). Von erfolgreichen Impfungen in Stockholm wird
(258) berichtet, und „die Einimpfung der Blattern als eine zu Conservation
der Völkerschaft gedeyliche Nothwendigkeit“ erklärt, welche „eben daher unter
die Policey-Anstalten gehörig ist“. Die Aufgabe der in den Händen des
Fürsten befindlichen Fabriken wird nachdrücklich empfohlen (148) 7 0a ); die
Anfänge einer Statistik werden (245) gefordert, freilich mit dem Hinweise auf
China, damit „wir uns nicht gar zu sehr bey dem Pöbel recommendiren, wie
bey dem letztem Hundsproject“; Listen über die Sterblichkeit grosser Städte
werden angelegt (10. 19. u. s. w.) kurz, man sieht allenthalben, wie befähigt
Kohlbrenner war, die Intelligenzblätter geschickt zu leiten.
Indessen beschränkte sich Kohlbrenners Thätigkeit bei weitem nicht
bloss auf das Iutelligenzblatt. Er gehörte der (Altöttinger) Burghausener Ge¬
sellschaft als überaus fleissiges Mitglied und Aktuar bis 1780 71 ) an und trat
wiederholt für dieselbe ein (I. B. 1768. S. 182. 1779. S. 93) 78 ); er veröffent¬
lichte 1769 sein bürgerliches Handbuch zum nützlichen Gebrauch
der Handlung und Gewerbschaften in und ausser Land Baiern,
und im gleichen Jahre den „baierischen und pfälzischen Laudmann“,
endlich (1773) schritt er zur Herausgabe der „Materialien“.
Nicht mit Unrecht war man in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun¬
derts in Bayern der Meinung, die Kultur des Landes, die Nutzbarmachung aller
Ödungen, das Trockenlegen der Moose, also die Hebung der Landwirtschaft
sei das Vorteilhafteste, was mau für die gedeihliche Entwickelung des Landes
thun könne, dessen mangelhaften Anbau, ungenügende Bevölkerung und daraus
erwachsende Übelstände mehr oder minder heftig alle Reisenden überein¬
stimmend beklagen 78 ). Die Landwirtschaft zur Höhe zu bringen galt als die
vornehmste Aufgabe jedes bayerischen Patrioten, welche die im Jahre 1765
gebildete sittlich - ökonomische Gesellschaft zu Burghause 11 am ausge¬
sprochensten zu der ihrigen machte. Wie bemerkt, zählte Kohlbrenner
zu ihren hervorragendsten Mitgliedern und Förderern. So erschien i. J. 1769
„Der baierische und pfälzische Landmann in der verbessern-
deren Landwirthschaft. Enthält, Nützliche Vorschläge, angestellte Ver¬
suche, und Erfahrungen in dem Acker- und Wiesenbau, der Viehzucht, der
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Johann Franz von Kohlbrenner. 97
Baumpflanzung, dem Forstwesen und der Dorfpolicey. Erste Sammlung. (112 S.)“
Das Büchlein trägt den Vermerk: „Herausgegeben von der patriotischen
Gesellschaft der sittlichen und landwirthschaftlichen Wissenschaften zu Alten-
ötting“ und ist von Kohlbreuner. I11 seinem „Vorbericht“ (vom 13. Juli)
beginnt er. „Seinem Vaterlande nützlich seyn, und für das allgemeine Wohl
desselben sich verwenden, dem arbeitsamen Landmann den Weg auszeichnen,
wodurch derselbe reich und beglückt werden kann; aber nebenbey sich be¬
mühen, mit einem heissen Eifer bey allen Schwirigkeiten durchzubrechen;
um den Endzweck des Guten die wirkliche Verbesserung des Zustandes
der Einwohner zu erlangen: dieses möchte so beyläufig der Charakter eines
redlichen Patrioten sein“. Immer handelt es sich darum, „die Vorurtheile zu
zerstreuen“; die wirkliche „Glückseligkeit eines Staates“ hängt „allein von den
guten Umständen des Nahrungsstandes“ ab. Zwar zählen neben der Land¬
wirtschaft auch Handwerker, Künste und Handel zum Nahrungsstande, aber
die Landwirtschaft bleibt „deijenige erste Theil des Nahrungsstandes, von
welchem wir das Nothwendigste und Unentbehrliche, uud, wenn sie in gute
Umstände versetzet oder gebessert wird, den Grund der Wohlfeile zu erwarten
haben“. Es bedarf der Beihilfe der Regierung; „der Unterthan muss sie willig
annehmen, und schicklich befolgen, oder benutzen“. Da nun „das erste und
allgemeine Mittel, die Unterthanen reich und beglückt zu machen, somit den
Staat in einen blühenden Zustand zu setzen“, „ohne Widerrede die edle Land-
wirthschaft in einer guten Verfassung“ ist, so sind zur Hebung derselben
„aussetzende Prämien“ nötig. „Diese reitzende Mittel haben in England so
gute Wirkung gemacht, dass der Feldbau, wie man weiss, in kurzer Zeit mehr,
als um die Hälfte verstärket worden ist. Würden die Prämien in dieser
Absicht auch in Baiem bekannt, und ausgesetzet werden: so würde man
Wunder sehen wie viele arbeitsame Hände eine Menge Früchten aus dem
Reiche der Natur, blos durch den Wetteifer, hervor zu bringen wüssten“. So
steht Kohlbrenner also auch auf dem Gebiete der Hebung der Landwirt¬
schaft in Bayern unter den ersten Vorkämpfern.
Obwohl die Schrift rein ökonomische Abhandlungen (über Dorfpolizei,
Urbarmachung von Ödungen, gemeinschaftliche Viehweiden, Benutzung von
Brachfeldern, Krappbau, Bienenzucht u. s. w\) enthält, begegnen wir doch
allenthalben Kohlbreuners stets und überall gepredigten Grundanschauungen.
„Nicht gar zu hoch“ darf man anfangen, „sonst verliert der gemeine Mann
den Geschmack an der Verbesserung, oder man verdirbt seinen guten Willen.
— Die Sternkunde ist eine der höchsten Wissenschaften; die Redekunst, und
die Poesie haben ihr Erhabenes, und die Geschichte im Alterthum ihren be-
sondem Rang im Reiche der Gelehrsamkeit. Aber alle diese hohen Schön¬
heiten tragen w r enig Brod ins Haus, und gehn bey dem Landmann fast un¬
bedeutend vorüber. Lasset uns vorher das Land verbessern, lasset unsere
Einsicht auf sperre 74 ) Erdflächen herabsteigen, w r ie sie fruchtbarer zu machen;
sonst handelt man, wie jener, der, um die Wunde im Kopf zu heilen, sich
die gesunde Kniescheibe verband“ (14).
An Unterstützung der Landwirtschaft darf es nicht fehlen, wobei „aus
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Karl von Reinhardstöttn er
den Gotteshausgeldern oder Bruderschaften“ manches beigesteuert werden
könnte. Kohlbrenner ist kein Freund von Schankungen an die tote Hand.
„Es würden sich (ich rede als ein aufrichtiger Baier zu meinen allerliebsten
Landesbrüdern) gar viele Altern selbst entschliessen, ohne Ermahnung, die
sonst in die Frauenklöster gemeinte Gelder in die Schule der Landwirt¬
schaft und der guten Sitten aus angebohmer Grossmuth hinüber zu geben.
Wir sind nicht mehr so verblendt, dass wir aus übel verstandener Andacht
das todte Erdreich dem blinden Schicksal überlassen: Nein! wir erkennen es
nun nur allzuwohl, dass die Lehre JEsu Christi nicht allein im Bethen, son¬
dern auch im Leiden, in der Abtödtung, und in der Arbeit besteht“ (13).
Um die Lehren der fortschreitenden Ökonomie zum Gemeingute aller
zu machen, müssten dieselben in kleinen Schriften dem Landmanne geboten
werden, ja man müsste sie „unter die Untertanen allenfalls gratis verteilen
lassen“. „Der nachforschende Bauersmann wird so eine Abhandlung dieser
Art nicht ungelesen auf die Seite legen, sondern gewiss seine Vernunft damit
beschäftigen“. „Aber die Büchel von den Heumannskindern, das Leben des
Kaisers Octavian, Glücksrad und Träumlegungen, und was den Aberglauben
und die Dummheit bisher noch auf guten Füssen erhielt, diese werden freylich
dagegen fallen.-“ (12.) Bei dieser Aufzählung der volkstümlichen Litteratur
vermisst man den sonst nie fehlenden Pater Cochem, der nach den treffenden
Worten einer Flugschrift von 1780 „allen Glauben bis zur Wissenschaft herab¬
gestimmt“ hatte 76 ).
Alles Heil wird nun von einer tüchtigen Dorfpolizei erwartet. „Die
Dorf-Inspectores müssen vor deren Aufnahm bey der Landwirtschafts-Gesell¬
schaft auf ein so anders Monath unterrichtet, und mit guten Grundsätzen
versehen werden. Ohne das Examen ausgehalten, und hinlängliche Proben
eines gesunden Begrifs und Erfahrenheit gezeigt zu haben, soll man keinen
zu derley Verrichtung annehmen; sonst würde der ganze Endzweck verfehlt
seyn“. (12) Aus „der Gemeins-Cassa, oder von alten Stiftungen, deren Vor¬
teile nur müssigen Leuten und faulen Bethlern bisher zugekommen sind“,
sollen diese Dorf-Inspectores ihre Besoldung beziehen. Ihre Thätigkeit ist
eine viel umfassende. Sie wachen über den Zustand des „Ackerbaus, der
Vieh- und Baumzucht“ (15) bis ins kleinste, über die Anlage der wirtschaft¬
lichen Baulichkeiten (18) und den sittlichen Zustand (19). Hier obliegt ihnen
mancherlei. Sie wachen über Kinderzucht und Jungendverderbnis, „ob ein
Schulmeister vorhanden ? was er kann; wie seine Conduite, Einkommen, Hand¬
schrift etc. beschaffen? — Und ob die Altern die Kinder fleissig zur Schule
schicken? Wie das Einkommen des Schullehrers zu verbessern, dass er auch
arme Kinder von Kleinhäusern, und Tagwerkeni gratis in die Schule nehmen
möge. Ob nicht Altern ihre Kinder aus Einfalt, oder Hochmut studiren
lassen, und zu ihren eigenen Abbruch viel Kostgelder in die Städte bezahlen:
und somit die stärkesteu, geschicktesten Leute der Landwirtschaft entziehen,
um aus ihren Kindern in voller Andacht bequeme Müssiggänger, und faule
Christen zu machen“.
Jede Zeile Kohlbrenners beweist, wie sehr er sein „dermalig öco-
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Johann Franz von KolilbreiMier.
99
nomisches Jahrhundert“ erfasste und sich im Geiste desselben redlich „beeifert,
alles dasjenige so begierig als rühmlich, was sowohl dem Nahrungsstande
eines Landes mehrers aufhelfen, als was die Ausgaben deren Geldmitteln, als
die Kräften des Lands, und deren Abfluss in andere Länder einzuschränken
und behindern kann.“ (69), zu suchen oder ferne zu halten. Alles ergreift er
mit gleichem Eifer. So wird auch die Bienenzucht, die „in unserm Vaterlande
so weit herabgekommen und so sehr vernachlässiget worden, dass man darüber
bittere Thränen vergiessen sollte“ (91), als ein „so leicht zu erwerbender Vor¬
theil“ warm empfohlen.
Mit dem 1. Mai 1773 begann Kohlbrenner die Herausgabe seiner
„Materialien für die Sitteulehre, Litteratur, Landwirthschaft,
zur Kenntniss der Producte, und für die Geschichte alt- und
neuer Zeiten“, die bis zum 22. Dezember 1774 (in 16 und 13 Stücken)
erschienen. Das Entstehen der neuen Zeitschrift rechtfertigt der Herausgeber
mit den Worten: „Ich habe in dem alle vierzehn Tage erscheinenden Intelligenz-
Blatte viel zu wenig Raum, nützliche Materialien für die Litteratur, Moral,
Ökonomie, Mathematick und dergleichen Nachrichten einzuschalten: ich muss
daher bey häufiger eingehenden besonders Landwirthschafts - Abhandlungen
dasjenige in einem Suplemente oder in Beyträgen der gnädigsten Intention
zu folge nachliefem, was sonst dem Intelligenz-Blatt, wie wohl mit der grössten
Einschränkung einverleibt worden ist“.
Der Standpunkt der Redaktion wird gleich im Vorworte dargestellt:
„Abhandlungen von unnützer Weitläufigkeit, niederig oder schleppend, und
was den guten Sitten, der Religion anstössig, oder der Ehre der Regenten zu
nahe tretten würde, werden verbethen oder nicht ein verleibt“. Ferner heisst
es: „Wir Baiern wollen, soviel wir können, ganz Original bleiben. Denn zu
diesem Endzwecke wird gegenwärtig alles dasjenige Merkwürdige, Nutzbare
und Schöne gesammelt, was ausser dessen der Nachwelt vielleicht auf ewig
entrissen würde.“ Und von sich selbst sagt Kohlbrenner nicht ohne
Richtigkeit: „Ich, der Verfasser oder Sammler nützlicher Materialien für die
Sittenlehre, Oekonomie u. s. w. befinde mich mit dem Diogenes in ähnlichen
Umständen; mit dem Unterschiede, dass dieser dem Staate aus cynischem
Eigensinn nicht dienen, sondern sich nur reiben wollte; und ich einen rauhen,
schlüpfrigen Weg zu einer Zeit vor mir sehe, da meine Laterne noch nicht
ausgeflicket ist, die man mir so oft eingerennet hat.“
Kohlbrenners gesamte Anschauung sowie seine Absicht enthält
seine „Einladung“ (I, 15), die er an alle Stände „geistliche und weltliche,
Klosterherren und Pfärrer, alle Gönner der schönen Wissenschaften, alle
Freunde der reinen Litteratur“, richtet. „Wir wollen uns entschliessen und
denken lernen“. Die Wissenschaft erwartet auch von Bayern etwas, „weil
auch in Baiern, sagt sie, so öde sonst der Boden beschrieben wird, gleichwohl
glückliche Genies blühen, und wachsen: nur Schade, wenn sie verdorren.
Gottlob! die alten Zeiten, wo Denken eine Sünde und gute Bücher lesen ein
Verbrechen hiess; wo eine, mit einem auswärtigen evangelisch- oder refor-
mirten Gelehrten gepflogene Correspondenz bey nahe ein Staatsverbrechen
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Karl von Reinhardstöttner
war 76 ), wo tugendhaft vernünftig seyn, und die fremden glaubensgenossenen
Menschen freundlich ehren und lieben, schon erklecklich 77 ) war, den ehrlichsten
Mann unglücklich, und seine Treu verdächtig zu machen. Diese würgenden
Zeiten der Dummheit, und des gelehrten Despotismus sind nun in dem grössten
Theile Europens, auch in unserm baierischen Vaterlande verschwunden. Die
Wissenschaften haben sich von dem Monopolio losgerissen, und treiben jezo
einen freyen Handel“. . . „Auch uns wird man die Ehre zu Recht erkennen,
wenn wir zu einem heilem Lichte eilen, und der alten Barbarey der Unwissen¬
heit und des Aberglaubens muthig und trotz biethend absagen, um nicht
immer die letzten zu seyn“. So hat Kohlbreuner bei Anlage seiner
Zeitschrift die Absicht, „der Nachwelt zu zeigen, dass Baiern auch seine
Authoren und seine Künstler gehabt habe.“ Solch ein Unternehmen, meint
er, müsste die Asche des Göttinger Professors Hamberger 78 ) noch „er¬
freuen“. „Und da ich“, schliesst er, „nicht so kriechend denke, um Lohn zu
schreiben, da meinen Patriotismus kein unreiner Vorwurf beflecken, nein alle
Bemühung mit Freuden dem Vaterlande geopfert werden soll“, so ist auch
die Mithilfe aller „Herren Baiern und Pfälzer und aller Gönner der schönen
Wissenschaften“ zu erwarten.
In jedem, wenn auch etwas volltönenden Worte tritt uns der Aufklärer
der Periode Maximilian III. Joseph entgegen. Während er das „wahre
innere Christenthum“ (I, i) überall verlangt und dem Modechristeutum mehr¬
fach entgegentritt (I, 2, 97), geisselt er in seinen wohl durch La Bruyere
(1645—1696) veranlassten Charakterbildern (z. B. der Gleissner I, 114) scharf
die Auswüchse der „heut zu Tage zu beliebten Gleissnerzunft“. „Und solte
je ein Katholick mit einem Christen von einer andern Religion, einige Gemein¬
schaft haben, solte er so kühn seyn, so gar mit ihm zu correspondiren, ihn
lieben und ehren: und den heiligen Hass gegen ihn, wie seine Voreltern
löblicher Gedächtniss in Worten und Werken wirklich vergessen haben, so
kann er nimmermehr anderst, als dass er ihn für einen Freygeist, für einen
offnen Sünder, für einen Ketzer oder Samariteu achte, mit denen die Juden
keine Gemeinschaft haben dörften“. Er rühmt (I, 9) „die ehrwürdige Gesell¬
schaft der Freymaurer“ wegen „der Wohlthätigkeit gegen die nothleidenden
Hausarmen, abgebrandten verdienstvollen Künstler, und verwaysteu Kinder“
und ruft auch angesichts ihrer Mildthätigkeit in Dresden aus (I, 44): „Möchten
doch alle begüterte Menschen in diesem Stücke Freymäurer sein!“ Mutig
kämpft er gegen den Aberglauben der Landwirte, wenn ihr Vieh erkrankt
(II, 28): „Das erste ist, dass man sich zu einem Heiligen verlobt, mit Opferung
eines Ochsen von Wachs.“ Man glaubt, es seien „wegen aufgehobenen Feyer-
tagen, ein Paar Heilige zornig geworden“ und hätten „das Dorf oder die
Bürgerschaft mit der Viehseuche gestraft“. „Die liebe Dummheit sucht den
Fehler allemahl dort wo er nicht ist“.
Mit diesen abgeschafften Feiertagen berührt er allerdings eine der
brennendsten Zeitfragen, deren schon gleich anfangs (I, 4), anknüpfend an eine
eben erschienene Broschüre, gedacht wird. Die gebotenen, „theils von den
Dorfsgemeinden ehedem verlobten, theils freiwilligen Feyertage“, die Feier-
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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abende vor „allen Sonn- und Feyertagen Nachmittag um 3 oder 4 Uhr ange¬
fangen“, die „Kreuzgänge“ und „Kirchfährten“ die „Nachkirchweihtage“ u. s. w.
(I, 11) erscheinen ihm als Haupthindernis der Hebung der Landwirtschaft;
beifällig wird (I, 67) Zaupsers Übertragung des Breve Klemens XIV, das
gegen die Feiertage gerichtet ist, und eine darauf bezügliche Predigt (I, 82)
angezeigt Auch der „Rath: dass man es doch dahin bringen möchte, dass
unzufriedene Klosterleute und geistliche Personen von dem ehelichen Stande
nicht auf Zeitlebens ausgeschlossen werden möchten“, wird (wie bei Zaupser)
gelegentlich (II, 204) gestreift; allein der kluge „Intelligenzer“ deckt'sich mit
Matthäus XVIII, 12.
Wiederholt tritt Kohlbrenner für die Verfeinerung des Predigtstiles
ein 79 ). „Man ist“, heisst es in den Materialien (I, 3), „sehr irrig, wenn man
glaubt, man müsse auf der deutschen Kanzel die gemeine Sprache des Pöbels
beybehalten. Nein! auch das gemeine Volk höret eine schöne Mundart, die
reine Muttersprache gern. Es liebet einen zierlichen wohlgebaueten Vortrag,
und das Herz der Zuhörer wird dadurch sanft gerühret; sie nehmen die
Wahrheiten williger auf und behalten sie länger. Die Erfahmiss macht den
bessten Beweis. Und es ist überdas leicht zu glauben, dass ein ausgepleuetes
Gewäsche nicht so in das Herz dringen kann, als körnigte Wahrheiten in
einer Ordnung nach dem guten Geschmacke“.
Es ist w r ohl selbstverständlich, dass auch in seinen „Materialien“
Kohlbrenner sein Lieblingsthema, deutschen Gottesdienst und deutschen
Kirchengesang zu pflegen, kräftig und wiederholt erörtert „Könnten die
Klosterfrauen nicht deutsch singen, deutsch bethen, deutschen Flachs spinnen,
deutsche Hemder machen: oder ist eine wälsche Bulle darum da, dass sie
ein lateinisches Brod auf deutschem Boden verdienen müssen“ (II, 144). Und
an einer anderen Stelle (II, 204) wünscht er, dass „die Klosterfrauen ohne
Ausnahme (wie es die Paulanerinnen, Salesianerinnen, Urselinen und englischen
Fräulein dem Staat gewiss zu grossem Nutzen thun) anstatt des zeitfressenden
lateinischen Brevirs deutsch bethen, deutsch singen und deutsch zu sagen,
für deutsche Jugend den Unterricht in Sprachen und guter Hauswirthschaft
über sich nähmen . . . , damit ein ehrlicher Bürgersmann oder Officiant doch
eine Braut aus ihren Schülerinnen wählen könnte, welche weiss, wie die
Hünlein auf die Welt kommen“.
Über den deutschen Kirchengesang lässt sich ein warm empfundener
Aufruf (I, 52) vernehmen, der wünscht, „dass sich christliche Dichter hervor-
thuu und ein so andern Versuch thun möchten, geistliche Gedichte, Oden
und Kirchenlieder zu verfertigen“. Kohlbrenner meint, „das Gemenge der
lateinischen Stimmen, der schreyende Saitenton, das Geräusche von Trompeten
und Pauken“ könne „unser schlafend Herz gegen Gott“ nicht „erwecken“.
„Wenn wir gute Dichter für das Theater bekommen“, schliesst er, „warum
nicht auch für den Tempel Gottes?“ Sorgfältig verfolgt er auch die betreffende
Litteratur, indem er auf alle neuen Erscheinungen auf dem Gebiete des Kirchen¬
liedes (wie z. B. Riedels 80 ) Dichtungen, I, 137) hinweist.
Alle Wünsche über einen Musterstaat fasst ein „Kleiner Entwurf zu
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Karl von Reinhardstöttner
dem grossen Bild eines glücklichen Staates“, eingesandt „von einem Freunde
der gemeinsamen Wohlfahrt“ (I, 172) zusammen, der auch die Anschauungen
des Zeitalters treulich widerspiegelt. Man müsste „einen Lehrstuhl für die
Policey- Kameral- und ökonomischen Wissenschaften haben, und die jungen
Herrchens prüfen, ehe sie Menschen regieren“. Man müsste wenig Feiertage
haben, dieselben aber „desto christlicher zugebracht werden“. Man bräuchte
„wenig lateinische, aber desto mehr Realschulen“, „worinn nicht allein fran¬
zösisch, italienisch, und die deutsche Sprache, schöne Wissenschaften gelehrt,
sondern auch die Kinder zu Handwerksübungen vorbereitet werden“. Der
Bettel müsste beschränkt, „prompte Justitz ohne Formalitäten auf dem Wege
der Gerechtigkeit, gratis“ gepflogen werden, die Steuern wären nach Bonitäts¬
klassen des Bodens einzurichten, das Jagdwesen dürfte nicht so übertrieben
werden, „dass es der Landeskultur, dem Feldbaue nachtheilig ist.“; „der ehe¬
liche Stand bey den Kleinhäuslern und Söldnern“ müsste „möglichst befördert
werden“. Kein Kreuzgang, keine Wallfahrt dürfte selbst auf Gelöbnis hin
gestattet werden, indem man „derley willkürliche Andachten auf die Sonntage
verschiebet und den wahren Gottesdienst bessert“; kurz — der beste Staat ist
da, „wo man die Rechte der Menschheit nicht verkürzet“. „Denn“, heisst es
an einet andern Stelle (I, 5), „wenn es dem Unterthan wohl gehet, so gehet
es dem Regenten und seiner Kammer auch wohl“.
Ununterbrochen beschäftigen sich die „Materialien“ mit dem Glücke
des Volkes. „Der wahre Adel gewinnt allein durch die Tugend; und ohne
diese verlieret er“ (I, 49); „Tisch und Haus“ eines wahrhaft Edlen „stehen
einem jeden verdienstvollen und würdigen Manne bereit“. Aber nicht mit
Almosen geben wird den Armen geholfen. Ihnen Arbeit verschaffen, ist das
eigentlichste Werk der Milde (I, 6). Bettler und Müssige 81 ) könnten Bäume
pflanzen (I, 168), Moos abgraben (II, 47), Land- und Dorfstrassen herstellen
(II, 71) und ähnliche Arbeiten vollbringen.
Als Hauptmittel, dem Wohlstände aufzuhelfen, galt in jenen Tagen die
Landwirtschaft, die auch die „Materialien“ stets und zunächst im Auge
haben. Geradezu überschwenglich klingt (I, 177) die „Betrachtung über die
Landwirtschaft“ ein Stück echt physiokratischer Anschauung 82 ). Das Lob
des Bauers erschallt allenthalben. „Jene Nation hat gewiss den höchsten Grad
der Tollsinnigkeit erreicht, welche den Bauer für ihren Sclaven hält, von
dem sie doch als einem fleissigen Diener der Natur, zum Ge¬
nüsse der nährenden Früchte geführet wird“. „In den benebelten
Augen stolzer Müssiggeher ist der alles belebende Land mann ein
niederträchtiges Geschöpf.“ Er aber erblickt in ihm, übereinstimmend mit
Francois Quesuay 83 ), die «classe productive», und noch im Neujahrs¬
wunsche von 1783 heisst es (in den Intelligenzblättern):
„Wünscht, Landesbrüder, wünscht vor allen,
Dem Bauersmann ein fruchtbar’s Jahr;
Denn höret dieser auf zu zahlen,
So ist es mit uns allen gar.“
Dies Interesse für den Bauern bekunden zahllose Artikel über alle erdenk¬
lichen Kulturen, über Bienenzucht (I, 52), Schafzucht (II, 174) u. a. Von dem
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Johann Franz von Kolilbremier.
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Streurechen wird (I, 13) behauptet, dass es „dem Gehölze bey weitem so
schädlich nicht ist, als man dafür hält. Und dass hingegen die Einschränkung
des Streurechens sowohl dem Ackerbau als der Viehzucht weit nachtheiliger
ist, als man glaubt“. Die Teilnahme Kohlbrenners an der Entfaltung der
Landwirtschaft bekundet sich auch in seiner steten Förderung der ökonomi¬
schen Gesellschaft zu Burghausen (S. 96). Ja selbst der Wetterbeobachtung zum
Nutzen der Landwirtschaft hat er später in seinem Intelligenzblatte (1779.
S. 326) sein Augenmerk zugewendet, indem er eine solche in verschiedenen
Gemeinden aufzeichnen liess. (1780. S. 21. 75.)
Der Kampf für die Entwickelung des Schulwesens und die Stellung
der Lehrer bildet, so natürlich er ist, doch ein besonderes Verdienst der Auf¬
klärer. Auch Kohlbrenner darf sich „als ein alter Vertheidiger der Noth-
wendigkeit über wohleingerichtete Schulen, als das erste Augenmerk eines
wohl eingerichteten Staates“ bekennen (I, 146). „Die Jugend, die Landeskinder
sind alles werth, und deren gute Erziehung, erlernende Künste und Wissen¬
schaften kommen dem Staat allemal zum wahren Nutzen“ (I, 218). Mit Be¬
geisterung verfolgt er Ickstatts 84 ) schulfördernde Thätigkeit (II, 115) als
„ein Werk, welches nach dem Wunsche der Patrioten schon vor drey Gene¬
rationen in Bayern hätte eingeführt werden sollen“ . . . „Allein wir haben das
Recht dazu, dass wir immer etwas später kommen dörfen: und dieses Recht
beweiset uns eben diese schöne, gründliche und nachdrückliche Rede (Ick¬
statts von der stuffeumässigen Einrichtung der niedem und höhern Land¬
schulen, 28. März 1774), die wohl aus gerechtem Zorn zu Ehren der oft so
sehr belobten Unwissenheit der Vorzeit geschrieben sein mag, die uns jetzt
aber von rechtswegen aufwecken sollte, Systematiker zu werden, da ein ge¬
wisser Orden, dem man die Schuld giebt, und den man zu befehlen hatte,
erloschen ist. Hätten wir doch nicht gar so lange geschlafen! 85 ) — Der
Verfasser dieser Blätter schreyet schon seit Anno 1766 um bessere Einrichtung
der hohen und niederen Schulen, um Realschulen, um gute Dorf- und Trivial¬
schulen. Nun, er hat sich heisser geschrieen und müde geschrieben.“
Will man nun allerdings gute Schulen, so bedarf man auch guter
Lehrer, und für solche streitet, wie alle Aufklärer, Kohlbrenner. Die Vor¬
bildung der Lehrer muss eine entsprechende sein, dann wird auch ihre Lage
sich bessern 86 ). „Möchten doch auch die Wünsche zu einem Schullehrer-
Seminarium in Erfüllung gehen . . . Gutgewählte aus einem Schulmeister-
Seminario entnommene praktische Schullehrer sind es, diese müssen es praktisch
ausüben lehren; aber zuvor selbst lernen. Verlasse man sich ja nicht auf
Schulbücher allein, ohne Männer, die sie verstehen oder lehren, oder nützlich
anwenden können.“ (II, 135). Was man auch allenthalben von Schulver¬
besserung spricht, „wenn es au Schulmeister-Seminarien, woraus die Lehrer
wie aus einem Vorrathskasten für Dörfer und Städte genommen werden sollen,
mangelt; wenn die Schullehrer nicht zu essen, nicht ehrlich zu leben haben,
wenn die Regierung auch bey dem für den Staat so wichtigen Erziehungs-
geschäffte, bey der bessern Bildung des Landvolkes, noch Ersparungen machen
will: und wenn der verheurathete Schulmeister mit seiner äussersten Spar-
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Karl von Reinliardstöttner
samkeit nicht leben, kaum sich selbst beherbergen, noch weniger ein Schul¬
haus im Dorfe finden kann, o! da ist freylich ein verdriesslicher Handel.
Wir haben uns seit Anno 1766 in der Fortsetzung dieser Blätter über die
Nothweudigkeit der Schullehrer-Seminarien, Real- und Trivial - Schulen oft
heiser geschrieen. Und es muss jedem Manne, der Ehre liebt, im Herzen
wehe thun, wenn er bey den angerühmten aufgeklärten Zeiten noch im Kirch¬
hofe auf einem hölzernen Brette lieset: hier liegt Hanns Huber, Tagwerker
und Schullehrer zu R. Es giebt alte Leute in München, welche es noch
denken, dass die Schulmeister in der Procession eine Fahne hatten, wie die
Handwerker und Bierbräu. (Auf diese letzteren ist Kohlbrenner überhaupt
nicht gut zu sprechen; vgl. S. 122. 139 87 ); I, 215 meint er, mau müsse verhüten,
„dass ein jeder Bierbräu seinen starken Hiessl müsse studiren lassen, um
, dereinst ein gelehrter, ein grosser Herr zu werden“ und auch ihr Bier, das
früher „viel stärker und geistiger war“ (I, 119), lobt er selten, während ihm
der „glücklichste“ Staat deijenige ist, „darinn . . . gesundes, recht wohlfeiles,
lauters und starkes Bier zu haben“ ist (I, 176),) . . .Jetzt fcaben wir das Schul-
einrichtungs-Säculum erlebt; jetzt reformirt man aller Orten.“ (II, 74). An
einer anderen Stelle (II, 116) meint Kohlbrenner, es wäre nichts „er-
wünschlicher“, als dass die Trivialschulen einmal geordnet, und mit tüchtigen,
aber N. B. besoldeten Schullehrern besetzt würden, und dass unsere
Felbiger 88 ) aufstehen und vorher ein Schullehrer-Seminarium in einem leer¬
gewordenen Jesuiter-Collegium errichten möchten. Wir haben bey 60 Bene-
ficiaten, und über 100 unbedingte Messpriester allhier, deren Eifer, weil sie
sonst nur müssig auf dem Markte stehen, gewiss so erhaben ist, dass sie
auch ihren Groschen in dem Weingarten des Vaterlands in einem Priester-
Prediger- oder Schullehrer-Seminarium gerne verdienen wollen und können.“
Kohlbrenner vertritt hiebei ganz vernünftige Gedanken. Einem
Anonymus J. M. P. erwidert er (II, 13) ganz sachlich, dass es doch zu weit
ginge, wenn er behaupte, „dass alle Geistliche, und besonders alle Cominuni-
täten von Geistlichen, zum Unterricht, zur Erziehung unfähig sind“. Er meint
nur ganz zutreffend, „in diesem Stücke versah man es in unsem Schulein¬
richtungen eine lange Zeit, man gab die Aufsicht zu weit aus den Händen.
Allein der Fehler ist verbessert, da ein hohes Dicasterium es über sich ge¬
nommen, für den Unterricht der Jugend zu wachen“. Mit Freude verfolgt er
(I, 149) die öffentliche Preiseverteilung an die Schuljugend, „wenn der Sohn
des guten Bürgers mit einer Prämie im rothen Bande mit dem Ritterorden
vom Verdienste pranget“. „Was uns im gemeinen Leben das Licht der Sonne
ist, für alle eine gleiche Nothwendigkeit, . . . das sind die ersten Schulen für
Kinder.“
Von der heilsamen Wirksamkeit der Schulen überzeugt, begrüsst er
auch die Ferienordnung von 1774, der zufolge die Hochschulen von Mariä
Geburt bis Allerheiligen, die Gymnasien von Mariä Geburt bis Lucas (18.
Oktober) „Vacanzzeit“ haben sollten (II, 187).
Alles, was die Schule betrifft, wie Orthographie (I, 133), findet seinen
Widerhall in den „Materialien“. Den „scholastischen Dünkel“ (II, 58) der
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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höheren Schulen weist Kohlbrenner stets zurück. Damals wie heute ertönt
die Klage (II, 136), „dass alles lateinisch lernen, alles studiren will. Welch
tüchtige Subjecta bleiben dann dem Bauern-, dem Bürgerstande noch übrig?
. . . Es ist daher ein göttlicher Gedanke, auch die Real- und Trivialschulen
im Lande anzubauen. Dieses ist die edelste Beschäfftigung, die das Vater¬
land segnet“.
Ganz im Sinne des Aufklärers und Freundes der Wissenschaft ist der
Artikel „Von dem vielfachen Nutzen, den ein Land von errichteten öffentlichen
Büchersälen zu hoffen hat“ (II, 92) gehalten. Um den bayerischen Buchhandel
ist es schlecht bestellt. Da ist keine einzige Handlung, „die mit einer nur
mittelmässigen Leipziger oder Frankfurther in Vergleichung zu setzen“ wäre.
„Einige leben blos von Martin von Cochems Leben Christi, andere haben
keine gute entfernte Correspondenz: wieder andere kein Geld. Sie sind
sämmentlich zu erbarmen; viele hälfen gern, und können nicht; etwelche
können, aber wollen nicht. Ihre Anzahl allein ist schon gar gering und steigt
wohl nicht an die Menge derer in Leipzig; zu geschweigen, dass sie wohl
alle zusammen nicht so viel zu bedeuten haben, als die breitkopfische
und weidmännische und heinzinsische daselbst Was dabey die grösste
Aufmerksamkeit verdienet, ist dieses, dass auswärtige Buchhändler, die zu
Ulm, Nürnberg, Augsburg und Regensburg auf den Münchner¬
messen und Märkten, die sie besuchen, die meisten Klöster, öffentliche und
Privatbibliothecken mit gebundenen und rohen Büchern hinlänglich und im
Überflüsse versehen. Es ist daher kein Wunder, wenn es um die Bibliothecken
in Baiern sowohl, als um einen vornehmen Zweig der Commercien, ich meyne
um den Buchhandel, noch sehr schlecht aussieht“. Die Klöster, fährt Kohl¬
brenner fort, sind nun allerdings mit Büchern versehen; aber „glauben nicht
viele, die in ihren Klöstern befindlichen Schätze gehören nur für ihr Convent?“ 89 )
Die Bibliothekare sind nicht immer die rechten Leute. Kurfürst Max I. hat
„die Mauuscripte in allen Klöstern in ein Verzeichniss bringen lassen“, doch
aber ist zu befürchten, „dass vielleicht viele deren wo nicht verbruunen, ge-
trenkt, maculiret, oder gar verlohren gegangen sein dürften. Alles kann man
ums Geld haben, nur das verlohrne Alterthum, die verbrunnenen Manuscripte
nicht mehr“. In Rom, Florenz, Wien giebt es allen zugängliche Biblio¬
theken. „Wer sollte nicht wünschen, dass das Vorhaben in München, und in
den vier Regierungsstädten eine öffentliche Bibliotheck zu errichten, bald zu
Stande kommen möchte?“ Ja die Begeisterung, eine Bibliothek in München
zu bekommen, führt Kohlbrenner zu der Idee der seltsamsten Konventional¬
strafen. Wer Hunde in die Kirche nimmt, wer mutwillig einen Prozess anfängt,
wer unüberlegte Eheverlöbnisse ohne Wissen und Willen der Eltern eingeht,
„die eigensinnige Verschwendung der Zeit und des Müssigganges in den
abgeschafften Feyertagen, das abgeschmackte Gesundheittrinken, die über- #
triebenen Gastereyen, die geldverschleudemden Hochzeiten und Leichbegäng¬
nisse“ 90 ) — alles das soll zu gunsten der Bibliothek bestraft werden. Da
Hesse sich wohl bald eine herrliche Büchersammlung anlegen!
Wiederholt kommt er auf die Idee der Bibliotheken zurück. Der König
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106 Karl von Reinliardstöttner
von Schweden 91 ) hat den Fonds hiefür vermehrt, überall sind öffentliche
Bibliotheken, „ja ja, eine öffentliche, und wir in München, in Arnberg sollten
keine haben“ (II, 159).
Alle die Ideen, die wir bei den übrigen Aufklärern finden, begegnen
uns auch in den „Materialien“. Wiederholt wird für das Säugen der Kinder
durch die Mutter eingetreten 92 ) (I, 211) und Vorschriften für die Wahl einer
Amme, „ein nothwendiges Übel“, erteilt (II, 29 ff.). Das Schnüren der Damen
wird, damals wie heute freilich vergeblich, gebrandinarkt, „damit sie doch
einmal sich von dem unsinnigen Gebrauch dieser für das menschliche Geschlecht
so schädlichen Maschinen überzeugen und davon ablassen möchten“ (II, 9).
Kohlbrenners Kampf für Anlage von Friedhöfen ausserhalb der
Stadt wird auch in den „Materialien“ lebhaft geführt. „Todte in die Kirchen
zu begraben, Freythöfe in Mitte der Stadt zu gedulden oder nahe bei den
Kirchhöfen zu wohnen“, ist für ihn ein gefährliches Ding. Es „ist lächerlich
für vernünftige Geschöpfe, wie wir Menschen sind, w r enn wir aus einem steifen
Ceremoniel, aus einer althergebrachten Gewohnheit, mag sie unserer Erhaltung,
unserm Leben noch so schädlich seyn, gleichwol etwas thuu, was der ganzen
Natur entgegen stehet.“ (I, 61). Diesem Gedanken widmet er lange Seiten
(I, 70 ff.). Die Abschaffung der Grüfte in den Kirchen macht dem bayerischen
Adel alle Ehre (I, 214—220, II, 10). Ja er schreckte sogar vor Leichen¬
verbrennung (I, 77) nicht zurück, wenigstens findet er (I, 215) H. P. Leve-
lings 98 ) Rat, „dass die Beerdigungen in Städten gänzlich abgeschafft, oder
wenigsten auf die ansehnlichsten vom Adel und besonderen Verdiensten ein¬
geschränkt (!), die Leichen nach dem Befehl Kaisers Augusts vier Stund
vor der Stadt verbrennet“ werden, aller Beachtung w r ert.
Ein anderer von Kohlbrenner stets bekämpfter Punkt ist die üppige
Kleidertracht. „Kleiderordnungen werden selten oder gar nicht befolget, weil
ein jeder von der Regel eine Ausnahme haben will. Wenn aber der hohe
Adel, und die im Range stehenden Patrioten sich unterredeten, hierinn ein
Beyspiel zu geben: o! so würden sich die andern gerne gefallen lassen, in
ihren Schranken zu bleiben.“ (II, 77).
Ausser diesen allgemein „moralischen“ Abhandlungen berichtet der
Herausgeber der „Materialien“ aber auch über alle Vorgänge der Welt,
von Erfindungen und Entdeckungen. Er erzählt, dass in Rostock „Johann
Franz Grote die Quadratur des Cirkels erfunden. Wir wollen es kurz sagen:
der Diameter verhält sich zur Peripherie, wie 16 zu 50, 8 zu 25 oder 100 zu
312^, Also 1 zu 3-J- oder 3 zu 9|tel“ (II, 76); er sammelt „Nachrichten von
den Reisen der Mäuse“ (I, 91), er bringt medizinische Anweisungen und
Geheimmittel gegen Entzündungen und Heiserkeit (I, 32), Thee „für Phleg¬
maticker, Lunglsiechen oder Engbrüstigen“ u.s.w. (I, 90), Anleitung, „Ertrunckene,
Erstickte etc. (!) vom Tode zu retten (I, 213), ja er meint (I, 71): „Das
Cranium humani in Apothecken die gebrannten präparirten Gebeine von
Kindern ist denen, die die böse Krankheit, die hinfalleude Sucht, die Fraiss
haben, sehr dienlich: doch mit Rath eines Arztes zu gebrauchen.“ — Die Sterb¬
lichkeit in München war damals hoch. „Im Durchschnitt kann man aus den
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Johann Franz von Kohlbrenner.
107
Verstorbenen der letztem Jahre sicher rechnen, dass in Mönchen von 27
Lebenden eines stirbt“ (I, 74).
Wer die Geschichte der schönen Litteratur in Bayern verfolgt, wird
wie auf die „Intelligenzblätter“ so auch auf die „Materialien“ angewiesen sein.
Zahlreiche Dichtungen, teils eigene des Herausgebers, teils eingesandte, sind
hier zu finden; vor allem aber lässt sich die Geschichte des Theaters in Bayern
hier verfolgen; hat ja Kohlbrenner „die Hoffnung noch nicht aufgegeben,
in unserm Baierlande die Musen immer glänzender zu sehen“. (II, 36). Er
empfiehlt J. J. A. von Hägens „Magazin zur Geschichte des deutschen Theaters“
(II, 91), er bespricht eine Reihe von Bühnenstücken (I, 120, II, 99, 153, u. ö.)
und erörtert eingehend (II, 42 ff.) „die Orts-Einheitsregeln“. Von der Bühne
der Hauptstadt rühmt er (I, 120): „Wir müssen dem Münchnerischen deutschen
Theater den Ruhm zu gesteheu, dass selbes, nachdem die Lebensgöttin der
deutschen Vernunft den französischen Liebestäudeleven ihren Faden abgeschnitten
hat, unter der Direktion eines ansehnlichen Cavaliers im Jahr 1771 das Fest
der Reinigung zum erstenmal gefeyert, und bisher mit deutschen, meistens
Original-Werken den Beyfall gnädigster Landesherrschaft zu conserviren ge-
wust hat: ja, was unsern Zeiten gleiche Ehre bringet, und dem guten Ge¬
schmack in den schönen Wissenschaften zu Hülfe kommt, so haben, um die
vaterländischen Genies aufzuwecken, sogar Personen vom höchsten Range,
grosse Prinzesinnen (gemeint ist „Der Nothleidende“ (I, 21) ein Schauspiel,
„von Ihrer churfürstl. Durchl. unser gnädigsten Landesfrau (1773), ins reine
Deutsch übersetzt“) und der baierische Adel sich gewürdiget, für das hiesige
deutsche Theater zu arbeiten“.
Fast alle hervorragenden deutschen Schriftsteller jener Zeit finden, wie
das Register ausweist, in den „Materialien“ ihre Erwähnung. Kohlbrenner
entwirft (I, 144) sogar die Idee eines Schriftstellerlexikons, indem er sich er¬
bietet, bayerische Schriftsteller gegen Einsendung ihrer Personalien in Ham-
bergers und Meusels 94 ) „Bibliothek der jetzt lebenden Gelehrten“ „der
klügem Nachwelt zum Andenken“ zu überliefern; ein Gedanke, auf welchen
er im Intelligenzblatte (1775 S. 244) zurückkommt.
Für Klopstocks deutsche „Gelehrten-Republik“ hat Kohlbrenner
„die Collecte übernommen“, „um besonders denen Gelehrten in unserm baie-
rischen Vaterlande Gelegenheit, und mit leichter Mühe, ohne vorher bezahlen¬
den Kosten, blos auf Subscription, ein schönes Werk von einem berühmten
Authorn in die Hände zu spielen“ (I, 140), ebenso für Winckelmanns 9B )
Werke, „und wir erfreuen uns sehr, wenn viele Baiern nach solch rarren Werken
ein Verlangen tragen, und dadurch ihren Eifer für die Wissenschaften, öffent¬
lich an den Tag legen“ (I, 140); mit Freuden begrüsst er den Gedanken,
Geliert ein Denkmal zu setzen (II, 11); Moses Mendelssohn nennt er
einen „der grössten Philosophen“, (I, 86); den Roman * Friedrich Nicolais
(1773) „Sebaldus Nothauker“, der die Kämpfe eines freisinnigen Geistlichen
darstellt, zählt er „den besten Schriften unsers Jahrhunderts“ bei (I, 136);
Rabeners Satiren nennt er (I, 48) „eines der vortrefflichsten Werke, für die
galante Welt, für das Reich des Witzes — für die guten Sitten“; er sucht
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Karl von Reinhardstöttner
zeitgenössische Dichter und Gelehrte, wie den „gebohmen Baier“ Denis® 6 )
(II, 4, 20, 56, 154 u. ö.), den Dulder L. Fronhofer (II, 88, 99 u. ö.), Adam
Weishaupt (I, 22) und viele andere zu fördern, er verbreitet Karl Linnes
(1707—1778) Kenntnis (I, 92); er wagt es H. F. Daniel Schubarts 97 )
„Deutsche Kronik“, die mehrfach bayerische Verhältnisse wenig rücksichtsvoll
aufdeckt, zu empfehlen (I, 160). Ihm ist Schubart „ein Mann von Welt-
und Bücherkenntniss. Er schreibt die Wahrheit nicht lau, nicht warm, nicht
heiss, aber glühend. Man liest seine Blätter mit Vergnügen, gewiss niemand
wird dabey einschlafen. Er besitzt eine vorzügliche Stärke der deutschen
Sprache, die Nachahmung verdient: und er verdienet in Betrachtung des
Reichthums seiner litterarischen Kenntniss wirklich einen bessern Beruf, als
ein Blätterschreiber zu seyn. Wiewohl“, fährt Kohlbrenner in richtiger Wür¬
digung der Presse weiter, „auch diese dem gemeinen Wesen viel Nutzen schaffen,
und wenn sie die Geisel der Satyre recht zu regieren wissen, den Schwarm
der Dummheit, wie die Hummeln gar sicher vertreiben können“.
Schubart, den drei Jahre später (1777) der Zorn seines tyrannischen
Herzogs Karl Eugen ereilte, hatte (Chron., 1774, I, 410, im 52. Stücke) Kohl¬
brenner geraten, niemand mehr zu erlauben, ohne Ansehn der Person, seine
Notdurft in seiner Materialienbude verrichten zu dürfen. Kohlbrenner aber
meint dagegen, in der Gelehrtenrepublik sei das „Autorfieber“ das gefährlichste.
Auch über historische Personen finden sich in den „Materialien“
mancherlei Sätze, die von des Herausgeber Anschauung zeugen. Von
Machiavelli heisst es (I, 33): „Was er für das Theater gearbeitet: das war
gewiss gut. Was er aber für die Staatsklugheit geschrieben: hatte freilich
einen schlimmen Exequirer. So geht es wenn der Sittenlehrer ein Projectant
und der Komödiant ein Staatsmann w r ird.“ Von Ludwig dem Vierzehnten
sagt ein Artikel von „Steckenpferden“ (II, 16), auch er habe eines gehabt.
„Wenn er sich darauf setzen wollte, so sattelten es die Mitglieder der Aka¬
demie, die Geschichtschreiber zäumten es auf, und die Poeten hielten die
Steigbügel. Denn sich weidlich loben hören, das war sein Steckenpferd.“
In warmen Worten gedenkt der Aufklärer natürlich seines Kurfürsten
Maximilian III. Joseph. „Er, gleich der Sonne, vertrieb die traurigen
Nebel der Finstern Nacht; färbte die Morgenröte mit hellern Farben; und
schenkte uns unter freyen Flügeln der Zeit, den wohlthätigen Einfluss auf
eine dürre Erde. Er ist der Stifter einer ansehnlichen Akademie und einer
ökonomischen Gesellschaft zu Belehrung des Landvolks, zu Verbesserung der
Sitten und des Ackerbaues. Und er eiferte in weislichen Mandaten für die
Excolirung der deutschen, der vaterländischen Sprache; als das erste Mittel
zum guten Geschmack“ (I, 16).
Wie reich der Inhalt der „Materialien“ ist, beweist ihr Personen -
und Sachregister. Über die mannigfaltigsten Dinge findet der gewöhnliche
Mann Belehrung, und wie durch einen breiten Kanal drangen die aufkläre¬
rischen Ideen langsam und sicher in die Schichten eines Volkes, das derselben
so sehr bedürftig w r ar. Was Wunder, wenn Kohlbrenners journalistische
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Johann Franz von Kohlbrenner.
Iö$
Thätigkeit nicht allen willkommen schien, wenn viele die Einziehung dieser
Blätter sehnsüchtig erwarteten!
Dass Bayerns Schriftsteller auch ausserhalb des Landes bekannt wurden,
und dass wir bei Hamberger und Meusel auch ihre Namen finden, ver¬
danken wir nicht nur Kohlbrenners Aufruf, den er (S. 107) in seinen Zeit¬
schriften erliess, sondern einem eigenen Rundschreiben, das er an alle baye¬
rischen Schriftsteller (im August 1773) gedruckt versandte, und in dem er sie
aufforderte, durch Zusendung ihrer Personalien das Werk der Göttinger zu
unterstützen ").
Nicht minder bestrebt zeigte sich Kohlbrenner stets, die Kunstschätze
seines Vaterlandes in weiten Kreisen bekannt zu machen. Durch ihn erhält der
thätige Fritz Gottlieb Murr") im Jahre 1775 Kenntnis von alten Bildern
in Amberg, die er ,,von des Herrn Medailleur Wisger 100 ) geschickten
Töchtern accurat im Kleinen auf Pergamen mit Wasserfarben copieren“ Hess 101 ).
Wie Kohl brenn er alles im Auge behielt, was er für erspriesslich er¬
achtete, zeigt selbst mancher missglückte Vorschlag, zu den ihn gewiss ein wirk¬
liches Vorkommnis veranlasste. Am 5. Oktober 1773 wurde in pleno ein Antrag
Kohlbrenners abgelesen: „Preservativmitl wider die Amtshinterstände“, der
nicht sehr geschickt gewesen zu sein scheint. Er will Beamten schon gleich bei
ihrer Installierung den „Straffgradus der Hinterstelligkeit“ „in die Pflichtsformul
setzen und diese von ihnen dergestalten unterschreiben lassen, dass sich an-
durch ieder selbst bey sich ereignenden Verbrechen schon verurtheilt erkennen
solle, das man ohne vieles Processieren wider selben verfahren durfte“. Die
Motivierung der Ablehnung macht übrigens dem Rate alle Ehre. Schlechte
Beamte, meint er, könnte man damit nicht fernehalten; „einem Ehrlich und
ansehentlicheu Mann aber dörfte ein dergleichen Verschreibung zu Geld und
Malefiz Straffen, zu einer Zeit wo er noch nichts verbrochen, und nicht anderst
dann Ehrlich und redlich zu amtieren denkt, doch nicht gleichgültig und
noch mehr bedenklich seyn, wenn caracterisirte, graduirte oder wohl gar
adeliche Persohnen sich auf eine dergleichen Art engagiren solten“. Auch sei
es für die Gesetze nicht eben schmeichelhaft, wenn sie „ihr Kraft und Be¬
stärkung erst durch die Unterschrift des Beamtens erlangen“.
An zweiter Stelle verlangt Kohlbrenner, dass man „den Credit und
Porgen oder Leihen an unvermögliche mit Immobilien nicht ausessige Beamte
verbieten oder eine solche Schuld aller Prorogatio entsezen sollte.“ Der
Rat meint: „Verbietet sich ohnedem bey gegenwärtigen creditlosen Zeiten von
selbsten“; immerhin aber könnte einem ehrlichen Manne, der Unglück hat,
„ein einsweiliger Credit gutherziger Leuten noch das einzige nahrungs- und
Rettungsmittel“ sein.
Auch das Lottospiel wünschte Kohlbrenner, als ein arger Gegner
desselben (I. B. 1780, S. 492) den Beamten verwehrt. Aber der Rat meint:
„Das Verboth in Lotterien zu legen, wäre zwar nicht nur bey Beamten sondern
bey jeder männiglich wohl zu wünschen; allein, da es zu übersehen ohn-
möglich ist, das nicht dergleichen Spillsichtige Leute entweder unter dem
3ten fremden Nammen solang nur Lotterie existierte, hierlands einlegen, oder
Bayer. Forschungen VI, 2 . 8
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Karl von Reinhardstöttner
ausser dem wohl gar das Geld ausser Lands verschickhen dörfteu, so würde
ein derley Verboth ohne Frucht sein.“
Mit Kohlbrenner übereinstimmend erklärt dagegen das Plenum des
Rates öftere Visitationen als das beste Mittel, den Unterschlagungen vorzubeugen.
Nicht ohne bösen Seitenhieb auf den allzu geschäftigen Antragsteller schliesst
der Bericht mit der Frage, „ob nicht Euer Clif. Drtl. dem Secretario Kohl¬
brenner auf sein Project bedeuten lassen wölten, das auch er bey seinen
Beruef des Secretariat- und Buchhaltung bei der Mauth verbleiben, und seinen
Patriotismum über seine Spheram nicht übertreiben möchte“ 102 ).
Verhängnisvoll gestaltete sich für Kohlbrenner das Jahr 1775. Kaum
hatte er nämlich die „Materialien“ abgeschlossen, als er mit einer neuen
moralischen Zeitschrift begann. Das „Magazin für das Nützliche und
Schöne“ erschien, sechzehn Seiten stark, am 21. Januar 1775. Doch nur noch
ein einziges „Stück“, das zweite, sollte in gleicher Stärke am 28. Januar folgen.
In seinem Intelligenzblatte vom 7. Januar 1775 hatte er (S. 16) das neue
Unternehmen angezeigt: „Die Materialien cessiren künftiges Jahr: dagegen
sich einige Gelehrte im Vaterlande zu Bey trägen in ein Magazin für das
Nützliche und Angenehme giitigst entschlossen; um die Baierische Literär-
Gescliichte so viel möglich nach und nach in das Licht zu bringen.“ Auch
„Kupfer“ hatte er zu bringen vor.
Der Inhalt des „Magazins“ teilt sich in: I. Poesie und Moral, II. Vater¬
ländische Litteratur, III. Ausländische Litteratur, IV. Landwirtschaft, Staat¬
wirtschaft, Politik, V. Vaterländische Geschichte, VI. Vermischte Sachen.
Die Poesie ist in der ersten Nummer durch den „Neujahrswulisch des
Nachtwächters zu Ternate“ von Johann Peter Uz 103 ) vertreten, in der zweiten
durch „Die Stimme des Volkes“ von Denis. Was aber Kohlbrenner zum
Verderben auschlug, war die „Beschreibung der Gemälde und anderer Kunst¬
sachen bey den (P. T.) Herren P. P. Theatinern in München (S. 11 ff.)“, eine
ganz objektive Darstellung der Kunstschätze und ihres dermaligen Zustandes.
Er findet, dass die Madonna von Carlo Zignani 104 ) vorteilhafter auf dem
Chor stünde, wo sie „unstreitig eine weit bessere Wirkung thun“ würde (11).
„Das einzige, was an diesem Blatt zu ahnden ist, ist der Kopf unser lieben
Frau, welcher nicht edel und schön genug. Übrigens ist zu bedauren, dass
dieses so grosse Kunststück eben nicht am besten erhalten worden, indem es
ganz ausgewittert ist. Sollte man noch länger mit so vieler Gleichgiltigkeit
den Staub darauf sehen können.“ Im heiligen Kajetan von J akob Sandrart ,0B )
„sehen wir auch schon überein halbes Jahr ein ziemlich grosses Loch. Möchte
man doch diese Herren zum Mitleid bewegen, dass sie es zu machen Hessen“
(12). „Der Staub legte sich auch ziemlich an“ den heiligen Andreas Ave-
linus von Carlo Loth; 106 ) dagegen wurde das Bild des heiligen Schutz¬
engels von Zan c hi 107 ) „zum Vergnügen aller Kunstliebenden das vorige Jahr
gebutzt; wollte Gott, dieser gute Gedanke wäre nicht durch den Tod eines
so kunstliebenden Mannes, wie P. Edlwök 108 ) war, unterbrochen worden“ (12).
Die unbefleckte Empfängnis V a n n i s findet seinen vollen Beifall; „nur die
Vorstellung Gott Vaters will dem Publico nicht gefallen, den man etwa aus
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Johann Franz von Kohlbrenner.
III
übelverstandener Andacht hat einschmieren lassen, er ist so übel zugerichtet,
dass er in dem ersten Ansehen dem ganzen Bilde seinen Werth benimmt“ (12).
Auch ein weiteres Bild „Die vier Jungfrauen“ von Liberi ,09 ) „sind vollkommen
überschmiert.“ „Möchten sich doch diese Herren überreden lassen, dass sie die
angeschmierte Farbe (denn dieses lässt sich thun) an diesem Blatt wieder auf-
heben, und an den vorigen den Gott Vatter mit einer nochmal so dicken Farbe
überstreichen Hessen.“
Im weiteren werden einige Gemälde der Kirche kritisiert, gelobt oder
getadelt, von mehreren meint der Berichterstatter, man müsse sich wundem,
, wie man in diesem prächtigen und majestätischen Tempel dergleichen Tafel¬
werk leiden mag“ (27). Ein Bild der heiligen Ottilia ist der Sonne ausgesetzt;
„möchte man doch auf den Gedanken kommen, es entweder wegzuhängen,
oder doch vor das Fenster einen Fürhang machen zu lassen“ (28); der „Tod
des Königs Agas“ von Hans Bocksberger ,10 ) ist „ziemlich verdorben, und
stehet in Gefahr wegen der nahen Ofenhitze noch gänzlich verdorben zu
werden“ (29). Eine heilige Adelheid von Faistenauer 111 ) „mag ehemals
eines von seinen besten Stücken gewesen sein, doch die meisten Schönheiten
sind verbutzt“ An dem toten Christus von Faistenauer bedauert Kohl-
brenner mit vollstem Rechte, dass er eine „ungeheure silberne Krone trage
und über die Brust hanget ein grosses silbernes Herz herab, womit ihn
Zweifelsohne die Andacht einiger frommen Weiber beschenket. — Man kann
sich leicht vorstellen, wie übel derley Dinge einer schönen Bildniss anstehen;
— und dennoch wollen sich unsere Landsleute den Unform nicht abgewöhnen
lassen, die Kunststücke auf diese Art zu verderben, und Christum und seine
Heiligen lächerlich zu machen.“ Freilich haben kaum „vier lebende Seelen
in der ganzen Stadt München dieses Kunststück einmal gesehen“; „es bleibt
das ganze Jahr in einen dicken und schmutzigen Schleyer eingehüllet, und
diesen darf man erst durch ein abgestandenes Glase sehen: nur der Sacristan
hat die Erlaubniss es alle Jahre abzustauben. — Was doch ein altes Herkommen
nicht vermag! — Ich glaube, manche Leute Hessen sich ehender die Nägel
von den Fingern ziehen, als nur einen Nagelbreit von einem Unform weichen,
den eine alte Gewohnheit eiugeführet“ (29). Ähnlich ist es um ein Kruzifix
in der Kreuzkapelle bestellt; „es ist ebenfalls schön, aber in abstracto muss
man es betrachten, denn die schlechte Fassung, wiederum eine grosse silberne
Krone auf dem Haupt, ein silbernes Herz auf der Brust, und zwey gar elende
kleine Bildnisse Mariä und Joannis, und so noch dazu über ihre geschnitzte
Mantelkleidung mit andern Mänteln und Fleckarbeit versehen sind, geben der
Bildnisse ein so erbärmliches Ansehen, dass es alte Weiber etwann zur An¬
dacht bewegen kann, allen Künstlern aber, und verständigen Leuten ein billiges
Mitleiden verursachen muss“ (30).
Die Kanzel (mit Abrahams Opfer), „Faistenauers Meisterwerk, und
die Krone aller seiner Arbeiten“, ist nur in der Karwoche zu sehen. Ist diese
vorüber, „so wird dieses so schöne Werk wieder zu Finsterniss verdammt,
und man gehet so höflich damit um, dass ich, noch alle Jahre wenigstens
etwelche Finger vermisste, zugeschweigen der Löcher, so den Figuren an Arm
8 *
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I 12
Karl von Reinhardstöttner
und Beinen geschlagen werden; — wie sehr wurde man diesen Herren ver¬
bunden seyn, wenn dieses Stück aufgerichtet das ganze Jahr zu sehen wäre,
man wurde eine Neugierde so vieler Reisenden, und die Wünsche aller Künstler
begnügen.“ Der Aufsatz endet mit einer Aufforderung an alle „Besitzer herr¬
licher Kunststücke“, für deren Erhaltung etwas zu thun. „Das Publikum ver¬
spricht sich auch dieses von dem jetzigen Herrn Probst, der ein hoch ver¬
nünftiger, gelehrter, rücksichtsvoller und kunstliebender Mann ist. Schön
lässt es, wenn man sagen kann: auch die Ordensleute, (auf die man sich oft
viel zu schmähen herausnimmt) sind Patrioten, und Kunstliebende“ (31).
Wenn man die ganze Besprechung Kohlbrenners liest, in der er
seine — gleichviel ob richtigen, ob unrichtigen — ästhetischen und kunst¬
geschichtlichen Anschauungen über einzelne Kunstgegenstände ausspricht, so
mag man zwar zugestehen, dass eine Verwaltung nicht Grund dazu hat, sich
geschmeichelt zu fühlen, wenn ihr vorgehalten wird, dass Staub die Gemälde
deckt und ihnen nicht die geforderte Pflege gewidmet wird; über dieses Ver¬
derben des Kirchenschmuckes klagte freilich Westenrieder in ganz gleicher
Weise 11 *); ob aber ein Grund gegeben war, den Verfasser beim Kurfürsten
anzuzeigen und ihn massregeln, ja sogar die Zeitschrift aufhebeu zu lassen,
das möchte man stark in Zweifel ziehen. Das war auch für jene „erleuchteten“
Zeiten 113 ) wohl kaum genügend; es liegt vielmehr der Verdacht nahe, dass
manches Andere, was die beiden Nummern des Magazins enthalten, unan¬
genehmer berührte, als die harmlose Plauderei über den Kunstwert einzelner
Gemälde, Übermalungen, die irgend einmal an ihnen vorgenommen wurden,
und den Staub, der sie deckte.
Der feierliche Leichengottesdienst, der für den „so hochverdienten“
Papst Klemens XIV. in Ingolstadt gefeiert wurde, für ihn, „den Urheber
des wiederhergestellten alten Glanzes und Ansehens“, steht hier (31) beschrieben:
„Das finstere Wesen der ehemaligen Zeiten und den heutigen glänzenden
Schimmer der Ingolstädtischen hohen Schule“ vergleicht der Berichterstatter
und giebt die Schuld dieser günstigen Entwickelung Ganganelli, dem Feinde
der Jesuiten. — Die „Theorie des Händeküssens“ (18 ff.) enthält verfängliche
Stellen. Den „Feinden der menschlichen Gesellschaft“ wird (S. 3) gelegentlich
der Besprechung von Sutors 114 ) „Allgemeiner practischer Weltweisheit, Ein
Versuch für die Philosophie in Baiern“ (Jena 1774) zugerufen, wie unrecht
derjenige habe,
Der voll Trübsinnigkeit gleich alle Lust verflucht,
Und nur mit Traurigkeit den Herrn zu ehren sucht,
Der unschuldvolleu Scherz, und auch der Weisen lachen,
Und unverderbte Lust gleich will zur Sünde machen.
Die Rede des Kapitulars des Steingadener Prämonstratenserordens,
Heinrich Arr ent, wird (3) „ein elendes Gewäsche auf ein paar Bogen“ ge¬
nannt und gefragt, „müssen denn alle Gelegenheitsreden gedruckt werden“ ?
Au einer anderen Stelle (12) kommt der Herausgeber wieder (vgl. S. 108) auf
DanielSchubart zu reden. Er „ist noch immer der alte, sich noch immer
durchaus ähnlich: in einem körnigten Styl trägt er die neuesten Begeben¬
heiten vor, begleitet sie mit den auserlesensten Anmerkungen: man sielits dem
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Johann Franz von Kohlbrenner.
113
Mann an, er glüht ganz von Patriotismus und Menschenliebe“. Dabei schreibt
er eine Stelle aus dem 77. Stücke der deutschen Chronik Schubarts ,1B )
ab. Ein Engländer ergeht sich in Klagen über England. Nun, „wenn die
Britten so klagen, wo doch Freyheit und Fülle herrscht; was sollten wir thun.
Wir arme leidende Deutsche .... Unsere Heerstrassen wimmeln von Bettlern.
Tagdieben, und Jaunern. Himmelschreyend ist es, wie bey dem augenschein¬
lichen Segen Gottes die Preise der Lebensmittel (worunter die wohlfeile Gerste
und das theuere Bier, so jetzt in Adelstand erhoben worden ist, nicht ver¬
standen werden darf) erhöhet werden . . . . O Engelland, Engelland, sey nicht
undankbar, und klage nicht! — Erstaunend ists, mit welcher Freyheit der
Verfasser einer Abendzeitung jetzt in Engelland schreibt! er sagt Sachen laut,
die man in Deutschland kaum denken darf.“
Besonders die Anmerkung findet Kohlbrenner „lesenswürdig“. Sie
ist ihm aus der Seele geschrieben und klingt, als ob sie aus seiner Feder
stammte. „Wir Deutschen haben keine so freymüthigen Schriftsteller wie die
Engelländer! — Glaubs wohl, Hunger, Schmach, öffentliche Schande erwarten
den, ders wagt, frey von der Brust zu schreiben. Wenn in den Stunden der
Begeisterung uns die Freyheit einen kühnen Gedanken geschickt, und mit
dem Flammenblicke auf das schöne Mägdchen der Wahrheit mit dem fliegen¬
den Haare ans Pult tritt, so schleicht gleich die kalte Behutsamkeit auf den
Zehen herbey und führt ihn langsam wieder zum Zimmer hinaus. Wenn man
die verschiedenen Zeitungen, Tagbücher, Zueignungsschriften, Lobreden,
Progratnen u. d. g. aus allen Provinzen Deutschlands sammelte, so sollte man
glauben, Deutschland wäre von lauter Göttern, Seraphins und Cherubins be¬
herrschet — Mein Fürst ist ein Gott! Meine Obrigkeit untrüglich! Welche
gute Policey! Welche menschenfreundlichen Anstalten! Welche Sorgfalt für
den Ackersmann! Für die im Bettel herum irrenden Kinder! Spricht der
Lobredner auf der Kanzel, und im Rednerstuhle. — Und unten steht der
Patriot, macht zwo Fäuste in der Tasche, beisst die Zähne zusammen, und
Thränen rieseln in seinen Bart.“
Gewiss, Kohlbrenner hat auf den zwei und dreissig Seiten des
„Magazins“ bereits zu viel gesagt, zu viel verraten. Um sich die Intelligenz¬
blätter zu erhalten, musste er dort zahmer auftreten; um seine Meinung aus¬
zusprechen, wollte er sich in den „Materialien“ und dann im „Magazin“ ein
freies Organ schaffen. Ihn gleich bei den Anfängen zu fassen, gaben jene
Artikel über die Theatinerkirche den erwünschten äusseren Vorwand; die
wirklichen Gründe jedoch lagen sicher tiefer.
Noch am selben 28. Januar, wo das zweite Stück des „Magazi ns“ er¬
schienen war, reichte der Propst D. Max Ginsheim eine Klageschrift bei
dem Kurfürsten selbst ein, die beginnt l16 ): „Es ist eine offenbare sach, dass
dero Hofkammerrath Kohlbrenner sich ohne scheu angemasset in seinen
Intelligenz und Materialien Blättern verschiedentliche Handlungen sowol
geistlich als weltlicher Personen recht ärgerlich abzuschildern und deren thatten
und handlungen aller Welt auf das Spöttlichste darzustellen keine scheu traget
und somit hauptsächlich geistliche Persohnen und deren Handlungen verächt
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Karl von Reinhardstöttner
114
und lächerlich zu machen unaufhörlich bemüht ist. Das letzthin heraus¬
gegebene Magazins Blat giebet dessen genügsames Zeugnuss, allwo er der
Lange nach die in Unser Kirch sich befundende Kostbare gemählde mit einer
solchen critic beschreibet, dass ein leser leicht glauben solt, als wenn Wir
diesen von Unsem durchlauchtigsten Baierischen Stiftern uns anverthrauten
Kirchenschatz und dergleichen Kostbarkeiten wie Pappier Lumppenfetzen be¬
sorgten. Bey diesem uns zur grösten Verläumdung und Prostitution gereichen¬
den Verfahren will es besagter Kohlbrenner noch nicht bewenden lassen,
dann das beyliegende exemplar zeiget mit mehreren, dass er in seinen Intelli¬
genz Blätem mit der ferneren Beschreibung und vor aller Welt schimpflichen
critic fortzufahren sich unterstehet.“ Im weiteren verwahrt sich der Propst
gegen den Vorwurf nicht genügender Schätzung des Kirchengutes, dass „uns
verstandene Kohlbrennersche öffentliche und unwahrhafte Verläumdung, Ehren
Verletzung und Beschuldigung sowohl in als ausser lauds äusserst schwer fallen“
muss und stellt die bedenkliche Bitte an den Kurfürsten, er „möchte gnädigst
geruhen, gedachtem Kohlbrenner die Fortsetzung gedachter unwahrhafter
und verläumderischer Beschreibung und unüberlegten Ehren verlezlichen critic
gnädigst und ernstlich zu inhibirn“, ja er spricht sogar von einer „öfentlichen
genuegthuung“ Kohlbrenners.
Die gewünschte Massregelung erfolgte rasch. Schon am 31. Januar 1775
erhielt Kohlbrenner nachstehendes kurfürstliches Dekret: „Wir wollen dir,
als Verfasser des Intelligenzblats das beyliegende Impressum gemessenst ver¬
weisen, vnd solches Stuck hiemit supprimirt haben, in dessen conformität du
also dieses ganze Stuck abzuändern, in den künftigen Intelligenz Blättern
aber allschon anbefolchener massen dich aller Critique, vnd büssigen Zügen
umso mehr zu enthalten hast, also wir in widrigen bey ersten übertrettungs-
fall neben dem bereits abgeschafften Magazin auch das Intelligenz Blat dir
gänzlich und ebenfalls abschaffen, fogl. in. hierzu einen bescheidenen Verfasser
bestellen würden.“ Das Schriftstück w’urde auch dem „würdigen und hoch¬
gelehrten“ Probste „Clericorum regularium Theatinorum“ zur „Satisfaktion“
zugeschlossen.
Kohlbrenner schien vorerst Schweigen für das Beste gehalten zu
haben, bis ihn später ein anderer Vorfall veranlasste, am 1. April 1775 durch
den Comes Palatinus et Notarius Joh ann M artin Maximilian Einzinger,
einen biederen Mann, den die Armut sein Leben lang drückte 117 ), dem
Propst Baron von Ginsheim einen Brief persönlich überreichen zu lassen.
Die Notariatsurkunde bestätigt, dass der hoch würdige Herr das Schreiben in
Einzingers Gegenwart gelesen habe. Kohlbrenner war nämlich im Kloster
beleidigt w r orden, als er den Pater Rittershausen 118 ) besuchen wollte.
Die Einleitung seines Briefes stellt fest, dass er es nicht pflege, „oft in
Klöstern Besuch abzustatten; in denselben etwas anzunehmen, zu Speisen, zu
Trinken.“ Er kenne von den Patres nur P. Edlweck, v. Reisach, v. Wass¬
mann, v. Sterzinger und Rittershausen; auch verehre er den Propst
„in Ansehung grosser Gelehrtheit und Liebe zu den schönen Wissenschaften.“
„Ganz unerwarthet“, fährt er fort, „war mir daher die Ausrichtung, die
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Johann Franz von Kohlbrenner.
115
mir ein unbekannter ihres Ordens unlängst bey der Porte, als ich R. P. Ritters¬
hausen Abends besuchte, in desselben und eines Weltmeuschen Gegenwart
gemacht hatte: injuriosa formalia: „R. P. Brobst lasse mir sagen, brauche
keinen Spion, solle sein Haus meiden“. Noch nicht genug, als ich Ihm die
Versicherung meines schuldigen Respects an Eure Hochwürden Unsem lieben
R: P: Brobst aufgeben wollte, und sagte: Herr frater Portner richten sie
meinen gehorsamen Respect aus: so fiel mir Derselbe mit Ungestimm ins
Wort: er seye kein frater, sondern ein Pater: und als ich ihn desswegen um
Vergebung bath: so liess er mich vor Zorn kein Wort mehr reden, sondern
drohete immerfort mich zu verklagen: und, statt die Geduld zu haben, meine
Entschuldigung zu hören, packte Er mich beym Rock, und zoh mich auf eine
Art, die dem verächtlichsten Menschen empfindlich fallen müsste, zur äussern
Porten hinaus: wo eben einige Personen vorbeygiengen, die dieses Verfahren
wohl sehen konnten: so, wie gedacht Sr. Hoch würden R. P. Rittershausen
und die weltliche Person Zeugen dieser ganz unverdienten Grobheit sind.
Belieben Eure Hochwürden, Hoch- und Wohlgebohrn nur, sich bey diesen
zweeu Zeugen genau zu erkundigen.
Ich schwieg: weil mir mein Christenthum nach dem Beyspiel des gött¬
lichen Lehrmeisters auch Schmach zu leiden befiehlt Nachdem aber neulich
im gesessenen Rath mir über diese angethan-wordene Schmach von einem
Meiner Raths-Coli egen Vorwurf gemacht worden: so bin ich in die Nothwendig-
keit gesetzt, eure Hochwürden, Hoch- und Wohlgebohrn, darüber höflichst zu
ersuchen, sich zu äussern, ob sowol die grobe Ausrichtung, als das noch
gröbere und Ehrverlezliche Verfahren auf ihr Gebiethen und Geheiss: oder
aber wider ihren Willen, guter Geburth, Modestie, und reglmässiger congruität
geschehen seye?
Geschah es wider Ihren Befehl, so bitte ich, Eure Hochwürden, Hoch-
und Wohlgebohrn wollen den Pater der mir diese Schmach angethan, abzu-
büssen, sohin mir die behörige Genugthuung zu verschaffen, und in wenig,
Respec. 5. Tagen mir schriftliche Antwort zu ertheilen nicht entstehen, (sic!)
Indem ich mich ausser dessen nach Verfluss dieser Zeit behörigen Orts be¬
schweren müsste.“
Wohl durch Freunde gedrängt, wendete sich indessen Kohlbrenner
am 21. April 177-5 in derselben Sache an den Kurfürsten; er glaubt, er könne
den Vorfall ».umsoweniger mit Stillschweigen umgehen, als es mir ungnädigst
bemerket werden dürfte, wenn ich darüber keine Anzeige machte“.
Er erzählt in ziemlich ähnlicherWeise, wie er „vor ein paar Monathen
Abends um halbe 6 Uhr den R. P. Rittershausen Theatiner und Lectorn
in seinem Zimmer“ besucht und „die von ihm verfertigten Gemählde besach“,
wie er dort fast hinausgeworfen worden sei. „Ich schrieb“, fährt er weiter,
„zuerst dem R. P. Probst der H. H. Theatiner, wie beilag weisset, und bath
um genugthuung: und fragte mich an, ob dieses auf Personen von Adel so
unschickliche, als den guten Sitten entgegenstehende Bezeigen mit- oder wider
desselben Befehl und Willen geschehen sey ? Allein dieses mein höfliches An-
suchungsschreiben, auf welches mich circa factum beziehe, blieb bis daher ohne
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116 Karl von Reinliardstöttner
Antwort; ob selbes gleich, wie beyliegendes Notariats-Instrument bezeiget,
richtig eingeliefert und gelesen wurde. Eben dieser Notarius fragte sich vor
einigen Tagen daselbst an, und R. P. Probst sagte ihm, er gebe keine Antwort:
wormit also derselbe stillschweigend eingestehet.
Gleichwie nun aber durch diese auf keine Weise verschuldete Unbild
und öffentlich mir angethane Schmach vorzüglich der Charakter eines in Euerer
Churfrstl. Drtl. Pflichten und Diensten stehenden Hofkammerraths beleidiget,
und wider die guten und geistlichen Sitten und Polizey, worüber der Churfrtl.
Hochlobl. Geistl. Rath Suprematum hier zu Eand und Orte hat, gröblich
pecciert worden ist; als muss ich es Euerer Churfrtl. Drtl. unterthänigst vor¬
stellen, und erwarten, wie Höchstdieselbeu dieses factum (ohne Weitläufigkeiten
und Prozessgestattung) ansehen; zugleich unterthänigst bitten, um dem fernem
Vorwurf widerstehen zu können, den- oder die Beleidiger zur Verantwortung
zu ziehen, sodan mir Communicieren, und mir in höchsten Gnaden eine gnädigst
gefällige Genugthuung zu verschaffen, oder den Pater, der mir die Grobheit
gethan, abbiissen oder glaubwürdig abbitten zu lassen. Denn ausser dem
dürfte so etwann auch einem anderen Churfrtl. Rath begegnen, wenn die
robusten Ordens Obern einmal wüssten, dass so eine That, die den moralischen¬
den Civil- und Eandsgesetzen zuwider, gegen eine Charakterisirte Persohn von
einem Ordensmanne in ihren Ordensliäusem begangen worden ist, vom hochlobl.
geistl. Rath (Höchstweichem die Jurisdiction über dergleichen Ordenshäuser
zukommt) ungeahndet gelassen worden wäre. Und zulezt wäre man auch in
deren Kirche nicht mehr sicher, ob man nicht durch den Messner oder Eayen-
bruder (wenn man ein Kirchbild ansäche und venerirte) aus antrieb des un¬
günstigen Obern affrontiert werden würde.“
Unterm 29. April 1775 erhielt nun der Propst den kurfürstlichen Auf¬
trag, über Kohlbrenners Klage seine „Erläutterung abzugeben“, welchem
er unterm 30. Mai in einem langen Schreiben nachkam. Dort heisst es unter
anderm, es sei „Stadt und Landküudig, wie ehrenriehrerisch, unverständig,
spöttisch und verächtlich gedachter Intelligenzbläter Verfasser Kohlbrenn er
die in unser Hofkirche sich befindende Altär und andere Kostbare Gemählde
vor einigen Monathen in einem seiner Bläter hingeschrieben.“ Diese „Straff¬
bare Beschreibung“ der Kajetanskirche ist also der eigentliche Grund des
Zwistes. Der Probst gesteht Kohlbrenner das Recht nicht .zu, die Stiftungen
der Regenten zu bekritteln, „sowie seiner eigenen Eandesleuthen vermeintliche
gebrechen und endlich gar als Dum Köpf, wie es vielfältig aus seinen Intelli-
genzblätern unlaugbar erhellet in die Welt, in welcher er gar nichts bewandert,
auszuschreiben und verächtlich zu machen.“ Der Propst habe sich beim ersten
Erscheinen dieser Kritiken mit dem P. And. Avel. Go bei zu Kohlbrenner
begeben, und „ihme inständigst ersuchet, er mechte in Zukunft in Beschreibung
unserer Hofkirche und Kirchenschäze so andern in sich halten, damit das
hiesige Volk und die Welt keinen anlass zum schlechtdencken nehmen möge
u. s. w.“ Kohlbrenner habe dies zugesagt, aber nach wenigen Tagen es
„noch weit ärger gemacht, welches blat aber uns annoch vor der Ausgab, und
ehe es völlig den Druck verlassen, in die Hände gefallen.“ Sie wendeten sich
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Johann Franz von Kohlbrenner.
117
an den Kurfürsten, es erfolgte das bekannte Dekret Aber auch dies habe
Kohlbrenners Verhalten nicht geändert. Ist nun Kohlbrenners Ver¬
fahren „den guten Sitten und der Pollicey gemäss“? Man wies ihm die Thüre
aus diesem Grunde, indes lagen auch noch andere „gelegenheitlich“ zu er¬
öffnende vor, um ihn zu veranlassen, „unser geistliches Haus zu meiden.“
Kohlbrenner habe bei seiner Abweisung den P. Go bei „als den
schlechtesten Layenbruder tractirt und verhönnet solchermassen, dass er
P. Gobel um der sach doch ein ende zu machen, selben ganz glimpflich
beym rock genohmen und in aller stille und ohne lärmen unlaugbar bis zur
äussern Pforten begleithet.“
Dem Kurfürsten die Entscheidung über die Berechtigung dieser Ab¬
weisung überlassend, beschäftigt sich der „hochgelehrte“ Propst auch mit dem
„Caracteur“ (!) seines Gegners; „er solle wissen, dass Schmähen und Lästern,
besonders über geistliche und dergleichen Sachen kein Werk einer Caracteuri-
sirten (!) Persohn“ sei. Ganz geschickt wird dann die Anschauung vertreten,
der Beschimpfte habe in dieser Sache nicht den „Caracteur eines Hofkammer¬
raths“, sondern nur den des „Verfassers des Intelligenzblates“. Dennoch aber
verlangen die Theatiner, der Kurfürst wolle Kohlbrenner, „da er die geistlich
Vorgesetzte als robuste Obere vorschreibet, diese seine abermal grob und un¬
bescheidene Schreibart ernstlich gnädigst verweisen“ lassen.
Am 20. Juni 1775 wallfahrte Maximilianill. Joseph ihrem Wunsche
mit dem Dekret: „Wir haben euere zu unserem geistlichen Rathe wider unsem
Hofkammerrath Kollbrenner puncto injuriarum gehorsamst abgegebene
Eijnnerung sub hod. ersagten Kollbrenner mit dem gnädigsten Befehl
abschriftlich zuschlüssen lassen, dass Wir diese Causam ex officio aufgehoben
wissen wollen.“
Mit einem Akte von Kabinettsjustiz, als eine causa ex officio also,
endete der ganze schwere Streit, in welchem es Kohlbrenner wieder hart
an sein Privilegium gegangen war. Er war zu drei Tagen Arrest verurteilt
worden, wovon ihm zwei erlassen wurden, und unterm 1. Februar 1775 war
der weitere Verlag seiner Blätter „beständig verbothen und aufgehoben.“ Später
teilte man im Intelligenzblatte (1775 S. 448) dem Dichter My riander 11 ®) mit,
dass das „Magazin“ „eben zur selben Zeit, als es noch kaum das Tageslicht
erblickt hatte, vor Hauptschmerzen, selig entschlafen sei“. Man suchte um
einen neuen Verleger, und Stubenrauch schlug (am 7. Februar) als solchen
den Drucker Johann Paul Vötter in München vor. Dieser wandte sich
denn auch an den Kurfürsten zu einem „vor andern ganz sichern leydentlicheren
Preissaccord“, da „dem sichern Vernehmen nach ... Kohlbrenners Privileg
— aus seinen besondern Ursachen aufgehoben werden“ sollte.
Drei Gesuche Ko hl brenn er s an den Kurfürsten liegen in dieser An¬
gelegenheit vor. Er macht geltend, das zehnjährige Privileg dauere noch drei
Jahre, man scheine es ihm aber nehmen zu wollen. Er verspricht, dass er
künftig die „äusserste Behutsamkeit gebrauchen und sogar dem Schatten aus-
weichen werde, welcher mich zu einem anstössigen Ausdruck verleithen könnte.“
Er will sich „der strengsten Censur unterwerfen, ja das Manuskript zu höchster
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Karl von Reinhardstöttner
118
Stelle senden.“ Dann fährt er fort : „Euere Churfürstl. Drtl. bitte ich demnach
fussfällig, mir das gdist. ertheilte Privilegium (welches ich unter gdsten. Hand¬
zeichen in Händen habe) bis zu dessen Expirierung geniessen und ausdauem
zu lassen. Ich habe, wie ich hoffe, mit dem erlittenen Arrest die Schuld aus¬
gelöscht, und die preiswürdige Gerechtigkeit, Milde und Grossmuth von Eure
Churfürstl. Drlt. lässt mich gründlich hoffen, dass Höchstdieselbe . . . mich
nicht weiter oder aufs neue werden bestrafen lassen.“
Unterm 22. März 1775 wird ihm die Fortsetzung des Blattes weiter
gewährt, aber unter Beigabe eines Planes, was in demselben zu stehen habe.
Er darf um nichts mehr bitten, als um die 650 fl.; alles Andere habe er ex
propriis zu bestreiten; strenge Zensur werde geführt, das Privileg erlösche
am 14. März 1778 und könne dann jedem andern verliehen werden. Überdies
lautet § 5: „Weil endlich derselbe in Befolgung dessen, so ihm in dieser Sache
von Zeit zu Zeit aufgetragen und verbothen worden, sich immerhin wiederum
ungehorsam benommen und sogar die gegen ihn vorgenommenen Correctiones
sich zu keiner Warnung hat seyn lassen, so ist ihm unverhollen zu lassen,
dass gegenwärtige die allerletzte Verwilligung sey, und wenn er wiederum zu
einiger Contravention schreiten wird, alsdann sein Privilegium ipso Facto
verlohren seye und auch einiges Indemnisations Gesuch nicht mehr statt
haben solle.“
Dazu kam ein strenger Revers vom 5. April 1775 und Kohlbrenners
Entgegnung. Er will nach Zensur frei sein. „Denn wenn ich mein Blatt der
Censur, dem höchstlandesherrlichen Gesetze unterwerfe, wenn ich mich, wie
im Jahre 1769 und 1775 geschehen, gegen die Anklagen anstössig scheinender
Ausdrücke mit der Zensur förmlich legitimiret und die Approbation des Censors
eingeschickt habe: aber gleichwohl ungnädigste Ahndungen und sogar Civil
Arrest leiden musste; so habe ich aus Gehorsam, und weil dieser eine Tugend
ist, mit Verdienst gelitten; aber künftig wird es billig und gerecht seyn, dass
nicht der Autor sondern der Censor demjenigen Rede und Antwort geben soll,
der in dem censirten Blatt etwas irriges oder ihm anstössiges zu finden glaubt
Denn ausserdem wäre ich nie gesichert, ob nicht mancher (vielleicht in der
Absicht, mich um das gnädigste Privilegium zu bringen) in dem censirten
Blatt einen anstössigen Ausdruck entdecket, welchen er als strafbar ansiehet,
woran weder ich jemal gedacht habe, noch der Censor für bedenklich er¬
kennet hat.“
Er schildert nun seine Bemühungen um die Hebung des Blattes und
führt auch ein ehrenvolles Gutachten der Universität Erfurt (aus dem 28. Stücke
der Erfurtischen Gelehrten Zeitung, Donnerstag den 7. April 1774 Seite 228)
über seine Intelligenzblätter an, dessen Abschrift er beilegt
„Man hatte bisher“, fährt Kohlbrenner fort, „auch in den heurigen
und fertigen Intelligenzblättem nichts anstössiges gefunden. Nur Nr. 1 des
heurigen Magazins oder monathlichen Beytrags zum Intelligenzblatt hiebey
hatte darum zur Suppression Anlass gegeben, weil die R. R. P. P. Theatiner
die Beschreibung der Kunststücke von Mahlereven dasiger Hofkirche ungern
sahen. Das gedruckte Blatt, das der Censor unterschrieben hat, habe ich zur
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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höchsten Stelle eingesandt; ich bekam nicht nur jene ungnädigste Ahndung,
sondern das Magazin ward auf Instanz der R. R. P. P. Theatiner, (die doch
von offener Kanzel die Wahrheit ganz frey predigen dörfen) ohne mich zu
hören oder zu warnen, plötzlich supprimiret“
Allmählich wurde es ruhig. Am 24. März 1775 erschien das Intelligenz¬
blatt wieder, und nur die Lücke, die es seit dem 4. Februar aufweist, verrät
den schweren Kampf, der unterdessen tobte. Die ferneren Jahrgänge gleichen
an Inhalt und Durchführung den ersteren; jede Nummer verrät des Heraus¬
gebers ehrliche Absicht, einerseits ein vollständiges Verordnungsblatt für die
kurfürstlichen Lande zu liefern, anderseits über alles und jedes treulich aufzuklären.
Zu den religiösen Fragen nimmt er stets Stellung; er bekennt seinen
katholischen Glauben allenthalben; aber er weiss von demselben, sogar auf
die Gefahr hin, verketzert zu werden, alles Unziemliche strenge zu scheiden.
So tritt er (1778, S. 186) entschieden für die unparteiische Behandlung der
Kirchengeschichte ein, auch wenn sie dahin führen würde, „Fehler und Miss¬
bräuche hier und da aufgedeckt zu finden“. Man muss festhalteu, „dass die
Fehler und Missbräuche, welche sich von Zeit zu Zeit in die Kirche einge¬
schlichen haben, nicht auf das Dogma, welches allezeit unveränderlich ge¬
blieben, sondern auf das Zufällige, oder auf das äusserliche der Religion
fallen, und dass sie nicht der Kirche, sondern den Menschen zuzuschreiben
seyn. 120 ) Wer allen Verdacht der Partheylichkeit in einer Geschichte von sich
ablehnen will, muss mit edler Einfalt, und Aufrichtigkeit das sagen, was wahr
ist: man darf das Gute weder verschweigen, noch das Böse bemänteln.“ Den
Aberglauben sucht er unermüdlich zu verbannen (1782. 432, 433). In allem
kämpft er für Toleranz. So wie er (1777, S. 351) Zaupsers Ode an die
Inquisition ins Publikum einführte und verteidigte 121 ), so begrüsst er jeden
Akt der Toleranz in ganz Europa. Er erzählt von der Medaille der öster¬
reichischen Protestanten auf dieselbe (1782. S. 224). Warnend berichtet er
den Vorgang unter Gordon 122 ) in London (1780. S. 307). Er feiert die
Erbauung einer katholischen Kirche zu Mors (1779. S. 237) l28 ), sowie den
Entschluss des schwedischen Königs, der sich an den Papst wegen seiner
katholischen Unterthanen wandte (1783. S. 11). „So verbreiten sich auf den
Ruinen der Intoleranz, durch den mächtigen Schutz weiser Regenten mit
Engelsfreude die Menschen in der Erkenntniss Gottes weit zahlreicher, als mit
Blut und Schwerdt und Inquisitionswuth“ 124 ). Nachdrücklich betont er, da er
Basedows 126 ) pädagogisches Elementarwerk anzeigt (1771. S. 58 ff.), es sei
ein „gemeinnützliches, für alle Menschen in allen Religions-Partheyen
brauchbares und wichtiges Werk“. Eben diese Unparteilichkeit veranlasst
Kohlbrenner aber auch, dem angegriffenen Prediger von St Michael,
J. Gruber, sein Intelligenzblatt (1782. S. 507) zu einer Erklärung zur Ver¬
fügung zu stellen.
Die Entwickelung des Schulwesens und des Lehrstandes bleibt durch
alle Jahrgänge Kohlbrenners höchstes Ziel. Schon im Jahre 1774 ver¬
anlasst ihn der Fortschritt der Schulen (256) zu dem Ausrufe: „Wehe euch:
Dummheit, Vourtheile, und Aberglauben! Euer Reich geht zu Trümmern! —
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120
Karl von ReinhardstÖttner
Weisheit, Vernunft, und Tugend werden in ihre Rechte wieder eingesetzt, und
besteigen den Thron, von dem sie das Verderben der Menschen schon so
lange verdrungen hat!“ Ihm ist das Gedeihen der Trivial- und Realschulen
die „Grundlage der ganzen National-Erziehung“ (282). Jede Schrift, die sich
mit der Schule befasst, findet in seinem Blatte die eingehendste Erörterung
(1775. S. 103; 1777. S. 6. 63. 74 u. ö.). Noch in seinem letzten Jahrgange
(1783. S. 23) sagt er: „Wenn noch ein Rathsherr oderein Staatsmann aus den
Zeiten des Faustrechts leben sollte, welcher behauptet: ein Volk sey leichter
zu regieren, sey williger, sey frömmer und besser, wenn es keine Schulen hat,
und stille in der Dummheit und Unwissenheit fortlebt, fleissig Korn eindient,
und beym Jagen die Hunde weiset, so bethet christlich gute Eaudsbürger!
für diese Frötter 1 * 6 ) in der alten Staatskunst einen Vater Unser, dass er und
seine dumme Unterthanen aus Unwissenheit nicht den Weg auch in die
andere Welt verfehlen, weil sie solchen für die gemeinsame Wohlfahrt hier
nicht gefunden, auch ihren Beruf und Amt nie gekannt, nie verstanden haben.“
Auch Westenrieder behandelt ja die Frage, ob man aufklären dürfe 127 ).
In demselben Artikel (23. 6) weist er den sittlichen Verfall der Bauern
durch die mangelnde Erziehung nach; daher die Unzahl von Verbrechen, die
130 Galgen in Baiern und der obern Pfalz, die noch nicht hinreichen 128 ), die
„Malefitz- und Gefangnisskösten“, die man verringern könnte, wenn nur die
Helfte dieser blutenden Kosten für die Dorfschulmeister verwendet würde“.
So bestätigt der Patriot Kohlbrenner schmerzerfüllt, was zahlreiche Reisende 122 )
in Bayern oft bissig und boshaft berichten; er giebt zugleich auch die Ursache
dieser Erscheinung an. „Wenn in Baiern aus 98000 Menschen $ sind, welche
weder lesen noch schreiben können, wer kann glauben, dass diese grosse Zahl
der Unwissenden gute Christen, verständige, fleissige Hauswirthe sind . . .
Durch den Mangel der Dorfschulen kommt alles in Unordnung.“ Freilich
singt der kleine Hanns (1782. S. 208):
„Dorfschul’ hin, Dorfscliul’ her,
Lieber dumm und lustig.
Der Verstand war’ mir zu schwer,
Und macht mich nur durstig.“
Was Kohlbrenuer am Beginne seiner publizistischen Thätigkeit ver¬
focht, zieht sich durch sein Blatt wie ein roter Faden hindurch. Es ist der
nie aufgegebene Kampf für die Freiheit der Presse (1774. S. 23), das Ver¬
langen nach Abschaffung der zahlreichen Feiertage, deren finanzielle Verluste
ziffermässig belegt werden (1777. S. 46); ,jeder versäumter Tag, oder abge¬
schaffter, oder Bauemfeyertag“ kostet Bayern 393002 Gulden, „welches nur
auf 20 solch verfeyerter Tage in einem Jahr zum Verlurst für das Vaterland
beträgt: 7 Mill. 860040 fl.“ (1779. S. 231). Aber „der Bauemfeyrtag sitzt
noch immer fest wie das goldne Kalb in den Herzen der Israeliten“ (1779.
S. 395). Nicht minder bekämpft er die Kreuzgänge und berichtet mit Ver¬
gnügen (1782. S. 273) das Verbot der sittenverderbendeu „übernächtenden“
Wallfahrten im Gebiete von Berg.
Die Verbreitung des deutschen Volksliedes im katholischen Gottesdienste
ist der stets wiederkehrende Wunsch, dessen Begründung und Fortschritt in
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Johann Franz von Kohlbrenner. 121
jedem Bande besprochen wird (Vgl. z. B. Benedikt Stadlers Aufsatz über
deutschen Gesang 1782. S. 460—464); und wie sehr muss man Kohlbrenners
Bestrebung gutheissen, wenn in den Kirchen unterm Gottesdienste Lieder ge¬
sungen wurden, wie die beiden Weihnachtslieder in Neuuburg v. W. im
Jahre 1782:
„Matz (— Matthias), blausn Sock af, lausn wacka brumma,
Da Hiesl und Veith sollu ä mit kumma
Solln pfeiffa, solln geiga, solln all lusti seyn,
Weil uns heut gebohren ganz rein ausserkohren
Ein Kindelein fein“ u. s. w.,
welche er (1783. S. 90) zum Abdrucke bringt Noch in einem der letzten
Bände (1780. S. 452—458) findet sich eine eingehende Abhandlung „Von dem
Ursprünge, Aufnahme und Verfall des Kirchengesangs“.
Mit gleicher Hartnäckigkeit verfolgt er die Absicht, die Begräbnisse
innerhalb der Städte und Kirchen abzuschaffen (1775. S. 191 ff. 258. 371. 403),
die Moräste trocken zu legen (1775. S. 5); er tritt für eine Reihe gemein¬
nütziger Dinge ein, die damals von den Einsichtsvollen gefordert wurden;
er verlangt das Säugen der Kinder durch die Mutter (1775. S. 95), spricht
für Impfung (1778. S. 99), das Aufstellen von Blitzableitern (1783. S. 21)
statt des „unsinnigen“ Wetterl äutens, Feuer- und Vieh Versicherungen (ebenda),
Besserung des Hebammenwesens — kurz nichts entgeht ihm. Dabei versteht
er es trefflich, seinen Wunsch in ein bescheidenes Kleid zu hüllen. Meist
verlangt er nicht geradezu dies und jenes; er berichtet nur, wie irgendwo in
Paris oder Wien, ja selbst in China (wo es sich z. B. um Hebung des Bauern¬
standes handelt, 1782. S. 257, ein weiser Regent, ein kluger Statthalter, ein
Beamter, eine gelehrte Gesellschaft irgend eine segensreiche Einführung ge¬
troffen habe. Die „Aufgaben und Anfragen“, die er stellt, und die dann meist
eingehende Beantwortung erfahren, die genauen Berichte über technische Er¬
findungen, Heilmittel, Auskünfte aller Art müssen das Blatt allmählich un¬
entbehrlich gemacht haben; denn es diente thatsächlich den weitesten Schichten
des Volkes, das mehr als Anzeigen in ihm suchte und fand. Aber auch die
Anforderungen geistig höher stehender Leser befriedigte das Intelligenzblatt
vollauf. Für eine Geschichte der deutschen Litteratur in Bayern wäre es eine
der hervorragendsten Quellen; nichts erschien in Bayern von 1766 bis 1783,
das sich nicht hier gewürdigt fände; die Entwickelung des Theaters verfolgt
er mit scharfem Blicke, sowie er das Erscheinen des Münchener Wochen¬
blattes „Der Theaterfreund“ (vom neuen Jahre 1778 an) freudig begrüsst
(1777. S. 426). (Vgl. S. 100. 106. 107).
Wir staunen, welche Liebe zur dramatischen Kunst die Bürger der
bayerischen Städte beseelt. Der Landrichter zu Schrobenhausen, Joseph
Valentin von Speckner auf Pilhofen, lässt im Mai 1773 seinen „Butler“,
im Herbstmonate 1774 Schlegels „Canut und Darius“ von Schroben-
liausener Bürgerssöhnen aufführen (1774. S. 257); im Markte Pförring
(B.-A. Ingolstadt) spielt die Bürgerschaft ein Lustspiel „Die Schule der Hand¬
werker“ (1779 S. 395); in Erding giebt man Schauspiele und Lustspiele
(1783. S. 117) zum besten; in Kelheim produzieren die Stadtpfarrer Musici
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Karl von Reinhardstottner
die Königin Esther und den Daniel (1777. S. 280), was alles Kohlbrenner
mit Genugthuung anführt.
Aber nicht nur bayerische Dichter und ihre Werke verzeichnet das
Intelligenzblatt; es verfolgt die Weltliteratur und vermittelt meist die Be¬
schaffung fremdländischer Dichtungen. Eschenburgs 181 ) Shakespeare
wird empfohlen, und (1775. S. 12) „wir erfreuen uns, wenn wir viele Liebhaber
eines solchen grossen Dichters, zur Ehre Baiems, zählen können. Wenigstens
könnten unsere jungen Dramenschreiber aus diesem Theatralschriftsteller
mehrer lernen, als aus 100 Aesthetikern; sie würden Kunst, Natur, und das
menschliche Herz in seynen Handlungen, aus solchen Beyspielen gewiss besser
studiren.“
Im selben Bande wird (S. 36) Cervantes (von Bertuch) 182 ) und
Tassos befreites Jerusalem (von Heinse 188 ), S. 361) angezeigt; an anderer
Stelle (1777. S. 261) finden wir Auszüge aus Chesterfields Briefen an seinen
Sohn und ähnliches in der gesamten Zeitschrift allenthalben. Wie sehr liegen
Kohlbrenner die öffentlichen Kunstdenkmale und ihre Erhaltung am
Herzen! Der Artikel über „die Ökonomie, Reinigkeit und wahre Schönheit
in den Kirchen-Gebäuden“ (1774. S. 198 ff.) enthält Grundsätze, welche heute
noch beherzigenswert erscheinen dürften. „Es gehet oft“, meint er, „in einem
Unkosten hin, ob wir lauter Kunststücke in die Tempel GOttes bringen oder
ob wir Geld um eine nur vermeyntliche alberne Zier . . . verschleudern.“
Noch richtiger urteilt Kohlhrenner (S. 200) über die Restaurationen. „Der
Kirchenprobst in einer Gäupfarre ist vielleicht ein Metzger, in einer Stadt
vielleicht ein Bierbräu. Der Herr Pfarrer aber hat in lateinischen Schulen
vom Geschmacke des Guten, des wahrhaft Schönen vielleicht ebensowenig
gehört, als von der Kunst, nach der Natur zu urtheilen. Nun! eben nach dem
elenden Geschmacke dieser Leute, die es zwar gut meynen, aber nicht wissen,
was wahre Schönheit, was Harmonie und Ordnung ist“, werden Restaurie¬
rungen vorgenommen.
Aber auch vorhandene Kunstschätze werden nicht geschont Ja
die Augustinerkirche hat „durch vieles Lichterbrennen und Lampenruss
durch das stätswährende, ungeschickte, und der wahren Andacht selbst an-
stössige Kerzelbrennen die unschätzbarsten Gemälde“ verdorben. Auch des
„zerschnittenen, dem völligen Ruin ausgesetzten Bildes“, der Kreuzigung
Christi von Tintoreto, erwähnt er, dessen Vernichtung auch Heinrich
Sanders 184 ) brandmarkt. Die Mönche, erzählt der bekannte Reisende, „schnitten
das Meisterstück durch, um mit einer Leiter aus dem Chor hervor steigen zu
können und die Lichter zu putzen!“ In diesem Artikel werden die Theatiner
noch belobt, dass ihre kostbaren Gemälde besser verwahrt seien; ein Jahr
später entbrennt gerade ihrethalben der schwere Kampf. Der Ruf Kohl¬
brenners: „Wie wäre es, wenn man durch einen höheren Befehl dazu ge¬
zwungen würde“, die Kunstschätze zu schonen und zu erhalten, erschallt wohl
heute noch.
Mit allen diesen Anregungen und naturgemässen Angriffen machte sich
Kohlbrenner natürlich viele Feinde gerade in den höheren Kreisen, die in
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Johann Franz von Kohlbrenner. 123
ihrer behaglichen Ruhe nicht gestört sein wollten. Dass er dadurch unendlich
viel für sein Vaterland that, fiel wenig in die Wagschale, ebensowenig dass
er bei keiner gemeinnützigen Sache fehlte, für abgebrannte Ortschaften (z. B.
Murnau 1775. S. 4) ergiebig sammelte u. dgl.
Die Intelligenzblätter sind, wie man sieht, allen alles. Sie gelten als
offizielle Gesetzesanzeiger, als Handels- und Börsenblatt, als Gerichtszeitung,
als politisches und schöngeistiges Journal, als litterarische Rundschau. So
enthalten sie denn auch eine grosse Anzahl von gediegenen Abhandlungen
nach der Art des Spectator, aus denen sich die ganze ästhetisch-moralische
Anschauung jener Tage ergiebt, sowie eine Reihe von Gedichten, unter denen
zahlreiche aus Kohlbrenners Feder geflossen sind. Auch inVersen werden
dieselben Ideen verfochten oder bekämpft, welche den Inhalt des ganzen Unter¬
nehmens ausmachen. Charakteristisch ist ein satirisches Gedicht „Lehrreiche
Bauernregeln, oder des Schulmeisters und Cantors Niclas väterliche Warnung
und mündliche Grundsätze vor seinem Absterben an die Dorfgemeinde“ an
das Tageslicht gebracht von Ant. Nagel B. T. z. M. (1778. S. 187), weil
dieser alte Schulmann, „klug wie seine Trachtperrücke“ alles gegenteilig lehrt
Die neueren Lehren, sagt er, taugen alle nichts:
Suchet ihr die Fruchtbarkeit
Müsset ihr, gut auszusäen
Mit dem Mond zu Felde gehen
Dieser bringt der Emdte Freud . . .
Ehinals wuchs Getreid und Wein
Besser, häufiger, und ehnder
Hundertjährige Kalender
Müssen also klüger seyn.
Unheilwinselnd Hundgeschrey,
Rothe Schwänze der Kometen
Sind des Kriegs und Tods Propheten;
Diese, diese höret treu!
Lehrt euch einer Sumpf und Moos
In die Wiesen umzuschaffen;
Rücket auf den Modeaffen
Mit Gehöhn’ und Flegel los.
Kömmt wer, junger Bäume Zucht
Um die Zäune einzusetzen;
Fremde Reiser einzuätzen;
Schreyet: das sey Modesucht.
Aber nichts von alle dem, was auf dem Gebiete der Landwirtschaft an Neu¬
erungen auftrat, vermochte den Schulmeister, der für Viehkrankheiten und
Hagelschlag seine Mittel besass, so zu vernichten, als die versuchte Ein¬
führung des deutschen Kirchengesanges. Er schliesst:
„Schreibt auf meinen Leichenstein;
Diess schlug mich zu Grabe nieder,
Dass die neuen Kirchenlieder,
Auch in unsern Hallen seyn!.
Fünfzig, — fünfzig Jahre schon
Hat mein Kyrie euch allen,
Auch der Nachbarschaft gefallen:
Und der Neuling spricht ihm Hohn!
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Karl von Reinhardstöttner
Und wär es auch Christenpflicht:
Sollte mich sein Lied beglücken,
Mich zum Engelchor entzücken:
Trotzt’ ich ihm und sang’ es nicht. —
Auch der Landmann findet allenthalben seine poetische Verklärung. Im „Lied
des baierischen und pfälzischen Ackersmannes“ (1778. S. 227) fühlt sich der
Bauer so ganz als den Herrn der Schöpfung:
Ich bin beim Ackerbau zufrieden,
Da gell’ ich allen andern vor.
Den Bauern muss man niemal kränken,
Im Schweiss des Angesichts,
Wo geht kein Pflug, musst du dir denken,
Hat selbst der König nichts.
In ähnlicher Weise verherrlicht eine Schulaufführuug der heil. Geistspital¬
verwaltung (Die Ährenleserinnen) den Bauernstand, wovon Kohlbrenner
(1779. S. 266) lange Auszüge giebt. Der Neujahrs wünsch für 1783 spricht
wiederum den Gedanken aus (S. 8).
Dich du bessre Zeit von Jahren braucht zuerst der Bauersmann,
Sonst ist es mit uns geschehen; helfe, wer sich helfen kann.
Einige der ziemlich zahlreichen Gedichte tragen Kohlbrenners Chiffre,
andere, die sicher von ihm verfasst sind, entbehren dieses Kennzeichens; alle
aber enthalten sie keinen anderen Gedanken, verfolgen sie kein anderes Ziel,
als in Versen zu wiederholen, was in Prosa immer wieder gesagt wird. Es
ist das ständige Lob des Bauernstandes; er „muss nähren; dann giebt er
seinen Herren von dem, was GOtt ihm hat geschickt“ (1775. S. 292); es sind
Kirchenlieder, die dann der Sammlung einverleibt werden, und deren viele
sich noch in Gesangsbüchern vorfinden (z. B. 1779. S. 132. Gott! vor Deinem
Angesichte liegt die arme Büsserschar, 1777. S. 108. Trauert, ihr englischen
Chöre, und weinet); sie kämpfen gegen die Feiertage; denn (1778. S. 97):
„Der Heilige, wenn Wetter dräun,
Wird nicht der Heu- und Fuhrmann sein
Statt sorgenloser Knechte.“
Aber auch Gedanken allgemeiner Art finden sich reichlich unter den Gedichten.
Es ist eine hübsche Idee, wenn (1783. S. 204) der Bauer im Felde sitzt und,
dem Sange der Lerche lauschend, sagt:
„Wie arm sind doch die Könige,
Die keine Lerche hören.“
Ein gelungenes Zeitbild ist der Sang des Fraters Gerundio (1779. S, 11), und
eine für alle Jahrhunderte passende Lehre giebt die Schnecke (Ebenda. S. 186)
dem Hahne:
. . . Fliegen bringt kein Frommen.
Kriecht, Kinder, kriecht mit Fleiss um hoh zu kommen.
Der Umgestaltung, welche der Kaffee hervorrief, wird manchmal (z. B. 1775.
S. 124b) gedacht, wobei Kohlbrenner in Wertschätzung des „süss be¬
zaubernden Kaffees“ wohl mit seinem Freunde Westenrieder 135 ) einig war,
kurz, keine Tagesfrage blieb uuerörtert.
Auch in stilistischer Beziehung sind die Aufsätze und Gedichte der
Intelligenzblätter ein Fortschritt. Zwar ist der Stil der gesamten Zeitschrift
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Johann Franz von Kohlbrenner.
125
der entschieden süddeutsche; der Münchener Dialekt kommt, wie bei den
meisten und bedeutendsten Zeitgenossen Kohlbrenners, gehörig zur Geltung;
doch aber kämpft man zielbewusst gegen das frühere Deutsch:
„Als jener bündige alte Styl,
Den man itzt ganz verwerfen will,
Noch weit und breit regierte.
Da schrieb man fliessend, stäts fieng man
Mit diesen prächtigen Worten an:
Wassmasseu, alldieweilen —
Wie herrlich glänzten dazumal
Latein’sehe Wörter ohne Zahl
Aus allen deutschen Zeilen.
(1778. S. 164). Es war ohne Zweifel verdienstvoll, als die Intelligenzblätter
im Jahre 1778 (S. 122 ff.) die schauderhaften Dichtungen brandmarkten, die
gelegentlich des Todes Maximilians III. Joseph erschienen, und mit dem
Wunsche schlossen: „Möchten doch alle Herren Reimer, Groschen- und Halb¬
patzendichter sich nicht der Gefahr aussetzen, dass uns Ausländer mit Schriften
dieser Art (wie wir neuerlich von Augsb. sind beehret worden) als eine Satyrc
auf den Geschmack des Landes beehren. Möchte doch der Thron der Fürsten
mit solchen Alltagsversen nicht entehret werden.“
Unter jedem Gesichtspunkte gebührt den Intelligenzblättem Kolil-
brenners die wärmste Anerkennung. Sie nehmen in der bayerischen Li¬
teratur eine ganz hervorragende Stelle ein. Nur einem so gewandten Geiste
wie Kohlbrenner war, gelingt es, alle Gleichgesinnten zu gemeinsamer
Arbeit in so geschickter Form Jahrzehnte lang zu vereinigen. Treffend würdigt
darum auch Westenrieder in seinen „Bayerischen Beyträgen“ 186 ) das Verdienst
der Intelligenzblätter, die sich eine weite Aufgabe gesteckt haben; denn, meint
er, die Zeitungen sollen endlich einmal aufhören, nur zu berichten, „wer heute
an diesem oder jenem Hof gespeiset“.
Als Kohlbrenners Mutter hochbetagt gestorben war, dachte er daran,
sich zu verheiraten. Am 11. August 1776 erholt er sich die Lizenz zur Ehe¬
schliessung; er schreibt: „Da meine liebe Mutter, die mir die häuslichen Ge¬
schäfte besorgt hat, durch den Tod entrissen worden, so nöthigen mich die
Umstände, wenn sich eine schickliche Parthie äusserte, meinen noch ledigen
Stand zu verändern. Finden Eure Churfürstl. Drtl. dieses Vorhaben ohne
Bedenken, so bitte ich unterthännigst, mir hierzu die gnädigste Licenz aus¬
fertigen zu lassen.“ Am 13. August erhielt er die Genehmigung, von welcher
er jedoch nie Gebrauch machte. Kohlbrenuer starb unverehelicht.
Unter seine ganz besonders wichtigen Ziele stellte sich Kolilbreuner,
wie bereits mehrfach ersichtlich war, die Einführung des deutschen Kirchen-
gesangs in Bayern und, wo möglich, in allen katholischen Teilen Deutsch¬
lands. Wenn sein feindlicher Biograph (S. 64) bemerkt, „die innere Rührung,
die er in Augsburg bey der Beiwohuung der lutherischen Gottesdienste
und ihrem Singen empfunden“, habe ihn hierzu veranlasst, so führt uns diese
nicht ohne die Absicht der Verdächtigung ausgesprochene Bemerkung mitten
in die Lage ein. Der deutsche Kirchengesang mit seiner erhebenden, durch
Bayer. Forschungen VI, 2. 9
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126
Karl von Reinhardstöttner
nichts zu ersetzenden Wirkung, dem allein es gelingen kann, alle Stände der
Andächtigen zu gleicher Teilnahme und gleichem Verständnisse der heiligen
Handlungen zu erheben und in diesen Gefühlen zu erhalten, galt als pro¬
testantisch.
Nun ist aber diese Anschauung unrichtig. „Es bedarf heute keines
Beweises mehr“, sagt Karl Severin Meister in seinem Buche „Das katho¬
lische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ 188 ) (I. Bd. S. 13), „dass
deutscher Gesang bereits lange vor der Reformation in kirchlichem Gebrauch
war. Die positiven Zeugnisse dafür reichen bis ins neunte Jahrhundert zurück“.
Wie gross die Zahl der in Altbayern erschienenen Gesangsbücher ist, habe
ich bereits in diesen „Forschungen“ (II, 54—57) angedeutet; Westenrieder
lässt sich in Kohlbrenuers Biographie (29*—32.*) darüber vernehmen, wie
seit der Reformation „das deutsche Singen in den Kirchen eingestellt“ wurde,
ja wie mau „in der hiesigen Augustinerkirche Gesangbücher den Leuten aus
den Händen genommen habe“. Ihm erscheint die damalige Kirchenmusik
„theatralisch. Man hört noch diese Stunde Symphonien und Tänze in unsern
Kirchen. Dies erweckt profane, wollüstige Gefühle, welche man wohl auch
für die Süssigkeit seiner Andacht halten mag, und daher ist das Volk ebenso
damit zufrieden, wie über den geschmacklosen, schwelgerischen Putz mancher
Altäre“. Allein trotz dieser Anschauung eines frommen Klerikers, der sich
sogar auf eine Breve Benedikt XIV. berufen konnte, galt zu jener Zeit
deutsch für lutherisch, für ketzerisch 139 ). Will man uns Bayern zu
Sachsen machen? eiferten noch 1772 einige! 140 ) Kohlbrenuer begab sich
also mit seinem Kampfe für den deutschen Kirchengesaug trotz seiner Be¬
rufung auf den heiligen Augustinus 141 ) auf ein Gebiet, das gerade ihm
in seiner Kampfesstellung übel gedeutet werden konnte und wurde — von
Leuten, denen die geschichtliche Entwickelung der Frage nicht bekannt war.
Die ganze Bewegung hat auch, wie wir heute sehen, ihr Ziel nicht erreicht.
In überaus warmen Worten verteidigte noch der Pfarrer Franz Xaver Terer 142 )
in einer Predigt vom 27. Dezember 1794 den „gemeinschäftlichen deutschen
Kirchengesang“. „Feyert“, spricht er (6) zu seiner Gemeinde Wessobrunn,
„eure heilige Gottesdienste mit gemeinschaftlichem Gesänge, und führet diesen
ehrwürdigen, Andacht befördernden höchstvernünftigen Brauch mit vereinigten
Kräften ein“. „Die Einführung des gottesdienstlichen Gesanges darf gewiss
nicht neu, sondern nur erneuert genannt werden“. (11); „sie ist ein wahres
Beförderungsmittel der christlichen Andacht“. (21). „Seyd nicht ängstlich, dass
ihr etwa durch das Singen in euren gewöhnlichen Gebethen oder im Ab¬
bethen des Rosenkranzes gestöret werdet, und denkt.dass der Rosen¬
kranz nie aus der Absicht eingeführt wurde, dass er unter der heiligen Messe
gebethet werde: Zudem bestund ja der gemeinschaftliche Kirchengesang schon
bey den ersten Zeiten des Christenthums; den heiligen Rosenkranz aber bethet
man nur erst seit etwa vierhundert Jahren. Und wenn euch etwa einige eurer
Nachbarn den altklugen Vorwurf machen, dass ihr wie die Lutheraner
in der Kirche singet, so saget ihnen: wenn man das alles abschaffen müsste,
was die Lutheraner mit uns gemein haben, so müsste mau das Schulhalten,
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Johann Franz von Kohlbrenner.
I27
das Predigen, das Bethen, das Taufen, und mehr anders aufhebeu, weil auch
sie Schulen haben, predigen, bethen, und taufen. Man führt ja diesen Brauch
nicht ein, weil ihn die Lutheraner haben, sondern, weil er gut ist, und hier
trift die Ermahnung des Apostels ein: Prüft alles, und was gut ist, behaltet“. (25).
Grosse und billige katholische Gesangsbücher erschienen in Altbayern
allenthalben; so noch 1810! 11 das dreibändige Werk des Freiherrn Kaspar
Anton von Mastiaux us ), des kampfbereiten, streng orthodoxen und musik¬
verständigen Domherrn, das auf 1932 Seiten 544 Lieder -enthält. Kohl¬
brenner nahm sich also einer beliebten und doch bei gewissen Leuten ver-
fehmten Sache an, als er den deutschen Kirchengesang zu verfechten begann,
was er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit unternahm. „Er hat“, berichtet
Westenrieder (32) „von dem Jahre 66 bis 83 alle seine Bittschriften, seine
Briefe und die darauf erfolgten Antworten, und die Nachrichten von allen
Begebenheiten seiner Kirchengesänge, in ordentlichen Bänden gesammelt, und
ein seltnes Denkmal unternehmender und erfindender Industrie hinterlassen,
das ich .mit dem gerührtesten Herzen gelesen habe“.
Wie in den „Materialien“ (S, 101), so kommt er auch in den Intelligenz¬
blättern (S. 120) öfter auf diese Frage zu sprechen. Das von Kohlbrenner selbst
herausgegebene Buch „Der heilige Gesang zum Gottesdienste in der römisch-
katholischen Kirche. Erster Theil (Landshut, Max Hagen 1777)“ wird im
gleichen Jahrgange der Intelligenzblätter (S. 410) an gezeigt. Vorzüglich das
Landvolk hat der Sammler dieser Lieder im Auge. „In Städten, wo eine
figurirte Musik ist, da wünscht man, dass, wo nicht beym reumüthigen
Kyrie: wenigst beim Offertorio, und nach der Consekration bis aufs Pater
Noster, von der deutschen Kirchengemeinde der Akt des Glaubens, der Hoff¬
nung, der Liebe erwecket und die Sprache des Herzens im deutschen Ge¬
sänge mit Gott allein geführt werden möchte. Ohne betäubende Instrumente:
den lärmende Musik schickt sich für die Kirche gar nicht“. Der Erzbischof
von Salzburg befahl die Einführung dieser Lieder „in den baierischen Chur¬
landen, soweit sich höchstdero Kirchensprengel erstrecket, nach und nach auf
eine schickliche Weise“ (377), der Kurfürst verordnet ihre Anwendung in
allen Kapuziner- und Karmeliterklöstern (443), und ein Landpfarrer schreibt
(442) von der tiefen Wirkung dieses Volksgesanges einen begeisterten Bericht.
„Haben Sie Dank von mir und vielen meiner Mitbrüder für eine Sache, welche
uns um so schätzbarer sein muss, je näher wir dadurch zu einem Gebrauche
zurückkommen, welcher mit der Kirche selbst seinen Anfang genommen:
denn niemal ward der Gottesdienst ohne Gesang entrichtet; der aber von
demjenigen, dessen man sich dermahl an den meisten Orten, besonders in
Städten bedienet, sehr verschieden war“.
Der deutsche Kirchengesang kam thatsächlich durch Kohlbrenners
Bemühungen und sein Gesangbuch einige Zeit in die Höhe. Wetzer und
Weltes Kirchenlexikon ,44 ) spricht ihm unter allen Gesangsbüchern „die
grösste Verbreitung im Norden und Süden unsers Vaterlandes“ zu und rühmt
au ihm, dass es „mit ganz neuen Liedern und Melodien, darunter die soge¬
nannte deutsche Singmesse (hier liegt vor Deiner Majestät)“ ausgestattet sei.
9 *
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Karl von Reinhardstöttner
Der innig religiöse Ton der Ko hlb renn ersehen Kirchenlieder verschaffte
ihnen beim Volke Eingang, während es anderen Versuchen, denen diese Vor¬
bedingung fehlte, wie etwa demjenigen von Franz Berg 145 ) gegenüber, kühl
blieb. Trotz seiner grossen Verbreitung ist das K oh 1 brenn ersehe Gesang¬
buch überaus selten geworden und in wenigen Bibliotheken erhalten. Im
Jahrgange 1778 kann der Herausgeber bereits allerlei Erfreuliches berichten.
Am 19. März begann man im Kloster Weyharu mit dem deutschen Gesänge.
„Der gute Ackersmann hörte es! sein Herz voll der frommen Empfindung
über den neuen und jetzt deutschen Gesang zum Lob Gottes! sagte: jetzt
versteh ichs auch — jetzt bethet man auch für den Bauersmann . . . Das ge¬
meine Volk kommt häufiger, eilet fröhlicher in die Kirche“. (98). In Chiem¬
see hielt der Fürstbischof (am 28. Dezember 1777) das Amt, „wobey kein In¬
strument, als die Orgel und die Stimmen des Volkes im neuen deutschen
Kirchengesang sich hören liessen“. (98). Maximilian III. Joseph hatte
sich noch am 9. September 1777 au den Episkopat seines Landes in der
gleichen Sache gewendet; der Kurfürst Karl Theodor befahl den neuen
deutschen „Kirchengesang unterm Amt“, - das gleiche die Kurfürstin Witwe.
Wieder äussert sich „ein Gottesgelehrter Oberlauds Baiern“: „Heute
haben wir das erstemal die deutschen Messlieder gesungen. Ich habe schon
etlich tausendmal das Brevier durchblättert, seitdem ich im Kloster bin; aber
nie hab ich das empfunden, was ich bey diesem Gesang empfand“. (297). Die
Kapuziner in Traunstein führten den deutschen Gesang ein: „Das Volk freuet
sich in dem Herrn, und lobet diese Anstalt, wodurch es nun auch verstehen
lernt, was Capuciner singen : und was gemeine Leute unter dem Gottesdienste
nützliches und heilsames thun und erwägen sollen“. (340).
Freilich kommt auch bald eine Klage, „dass diese Gesänge bis daher
an den wenigsten Orten eingeführt seyn, wo mau jedoch Churfl. höchster
Orten in München ein solches selbst gewunschen“ und der Befehl für die
Einführung erneuert wird (394).
Wie alles, was er einmal in die Hand nahm, verfolgte Kohlbreuner
auch die Verbreitung der deutschen Lieder nachhaltig. Jeder neue Sieg wird
in den Intelligenzblättern verzeichnet; doch fehlt es auch an passivem Wider¬
stand nicht. Im Jahrgange 1779 findet sich eine derartige Bemerkung (76):
„Jetzt ist Fastenzeit, die Zeit sich zu überwinden. — Nun, wenn auch Mönche
und Nonen, an die die Churfl. gnäd. Anbefehlung Ao. 1777 ergangen ist,
den bischöfl. gnädigst approbirten Kircheugesang einzuführen, diesem gnädig¬
sten Befehl Gehorsam leisten, welch eine Ehre für ihren Orden ? welche Ehre
für gesunddenkende Köpfe? welche Ehre fürs Vaterland? — Sich christlich
überwinden ist allemal Tugend und der H. Religion zur Ehre“.
Auch der Bürgermeister von München von Bergmann 146 ) nahm sich
der Sache des deutschen Kirchenliedes an. Das Osterfest 1779 wurde mit
demselben gefeiert, und der Gottesdienst der hl. Geistpfarrei sollte nun allsonn¬
täglich so begangen werden (141). Und immer weitere Kreise nehmen das
deutsche Lied an (174. 422.); „bald dort bald da fliehet eine trübe Wolke des
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Johann Franz von Kohlbrenner.
129
Vomrtheiles“ (463), wovon eine Mitteilung der Pfarreien mit deutschem Kirchen¬
gesang (478) Kunde giebt.
Blieb nun auch der durchschlagende Erfolg trotz aller Bemühungen
Kohlbrenners aus, mit den zahlreichen Approbationen der Bischöfe Bayerns
und Deutschlands und der persönlichen Anerkennung des 1782 in München
weilenden Papstes Pius VI. ,47 ) hatte er doch etwas erreicht. Auch der Be¬
richt ad intimum vom 9. Mai 1780, den Westenrieder (S. 42) erwähnt, er¬
klärt, dass diese Kirchengesänge dem Zwecke, „gottselige Empfindungen zu
erregen und das Andachtsgefühl zu erhöhen“, „ganz und gar angemessen
sind“; das sagen auch „alle Ausländer, welche sie beurtheilt haben, wenn schon
diess die Missgunst einiger Inländer in Zweifel zieht“.
Zu diesen „Inländern“ gehört auch der anonyme Biograph. Auf wel¬
chem Boden der Kritik dieser Manu steht, geht aus dem hervor, was er
(S. 64) von dem Ggsangbuche sagt; er tadelt, dass die Messgesänge aus alten
Jesuitenliedern, den besten Gesängen von Denis und Riedel in Wien ge¬
sammelt sind und meint: „Vieles, ja man darf sagen, die meisten Gedanken
und Verse hat er aus fremden, aus katholischen und lutherischen und kalvi-
nischen Gesangbüchern, oder besser zu sagen, aus den besten Dichtern der
Protestanten gestohlen“. Ohne Zweifel heisst es mit verketzernder Tendenz:
der Protestanten. Man muss sich nur darüber wundern, dass der Mann,
der „in seiner sehr zahlreichen Bibliothek nicht 3 oder 4 Bücher“ „ganz und
durchaus gelesen hat“, der „selbst Gottscheds und Brauns Sprachkunst“
„nicht ganz gelesen“ hat (66), der „vom guten, schönen, und treffenden Styl
gar nichts wusste“ (67), sein Anlehen doch gerade bei den besten Dichtern
machte. Das war wohl auch „bloss ein Ohugefähr, oder die Wirkung seines
gespannten und angefeuerten Genies“.
Wie anders Westenrieder, der es selbstverständlich findet, dass
Kohlbrenner „die Kirchengesänge nicht gar alle verfasst“ und sein Ver¬
dienst darin sucht, wo es eben liegt — in der Sammlung und richtigen Aus¬
wahl; dass er selber dichtete und „seine Freunde eifrig zur religiösen Lieder¬
dichtung aufforderte“ ,48 ).
Kupfer von Sökler 149 ) zieren Kohlbrenners Gesangbuch, das öfter
in verschiedener Form und Gestalt veröffentlicht wurde 1140 ). Wo darum von
den Bestrebungen Deutschlands um eine nationale Kirche und um das Zu¬
standekommen einer deutschen Liturgie die Rede ist, muss Kohlbrenners
Name mit besonderer Verehrung genannt werden. „Es gehört wirklich so¬
wohl zur vaterländischen als zur baierisclien Kirchengeschichte“, um in seinen
eigenen Worten zu sprechen 15 ‘).
Auch bei seinem Tode that sich diese Verehrung kund. In Rauhen¬
lechsberg (B.-A. Schongau) hielt ihm ein Kreis von Verehrern und „Beförderern
der neuen Gottesdienstanstalten“ „um das Andenken des Herausgebers dieser
Lieder zu ehren, und ihre für den verstorbenen Stifter des teutschen Kirchen-
gesangs tragende Achtung“ zu beweisen, ein Seelen amt „im Beyseyn der dazu
beruffenen Schulkinder“ 162 ).
Auch mit dem Tode Kohlbrenners vergass man sein Gesangbuch
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Karl von Reiuhardstöttner
130
nicht. Es erlebte mit den schönen Melodien, welche der Chorherr zu Chiem¬
see, Norbert Hau 11 er 168 ) dazu komponierte, manche Auflage, und noch
i. J. 1790 veranstaltete der treffliche Kirchenkomponist Michael Haydn 154 ),
der Bruder des unsterblichen Joseph, eine neue vermehrte Ausgabe des¬
selben. Aber welche Gegner der deutsche Kirchengesang besonders unter den
Mönchen fand, zeigt ihr Kampf dagegen. Noch am 13. April 1783 erhielt
Kohlbrenner „unter verkapptem Namen über Amberg“ Drohschreibeu
(I. Bl. 1783 S. 196) wegen der „lutherischen“ Neuerung, die er kräftig
erwidert. Und selbst der Wunsch des Verstorbenen, ein deutsches Traueramt
zu erhalten, ward ihm nicht erfüllt.
Nach einer Mitteilung in Nicolais „Allgemeiner Deutscher Biblio¬
thek“ 1BB ) hätte Kohlbrenner schon zu seinen Lebzeiten Bedenken geäussert,
ob sein Testament in seinem Sinne vollzogen würde und erklärt, man möge
in diesem Falle nur einen Seelengottesdienst halten statt der gewünschten
drei. „Herr Pfarrer Scherer 166 ), ein Exjesuit nur leider! Hoftheolog, hatte
die Stirn, das Leztere zu wählen. Er setzte hinzu: „Die Bedingniss von
Absingung der deutschen Kirchenlieder sey eine Conditio turpis, und folglich
pro non adjecta zu halten. Er handele freylicli noch grossmüthig, wenn er
nicht auf die Haltung der drey Gottesdienste dringe“.
Das Urteil des Berichterstatters, der bereits (von Seite 608 an) schlimme
Dinge von Bayern erzählt, muss man leider voll und ganz bestätigen. In¬
dessen hat sich die Anschauung über das Unkatholische des deutschen Kirchen¬
gesanges nicht verloren. Das Drängen jener Zeit nach deutschen Messliedern
gilt den einen heute noch 157 ) als eine Folge „der traurigen Herrschaft“, zu
welcher „auch in der katholischen poetischen und ästhetischen Litteratur“
„die falsche Aufklärung und religiöse Verflachung, wie sie durch Wieland
und die Nicolai sehe Rationalistenschule“ gelehrt wurde, kam, während
andere 158 ) die damaligen Approbationen durch Bischöfe nur aus der Absicht
erklären, „um denen, die zur katholischen Kirche zurückkehren wollten und
die »zuvor des verführerischen Singens gewohnt gewesen 4 , den Rücktritt nicht
zu erschweren“ (!). —
Noch immer nahm Kohlbrenners Sorge um das Privileg für sein
Intelligenzblatt kein Ende; Grund 11m dasselbe zu bangen, hatte er ja stets
genug. Im August 1777 musste er in P'rfahrung bringen, dass der bekannte
Schulkommissär Heinrich Braun nach den Intelligenzblättern strebe, und
sofort wandte er sich darum an den Kurfürsten. Nachdem er Entstehung
und Aufgabe, Zweck und Verbreitung seiner Zeitschrift kurz berührt, fährt
er fort: „Uneracht dessen suppliciert um dieses Blatt gleichwohl der jezige
Schulcommissarius Heinrich Braun, wo ich glauben solte, dass er mit
seinen weitläufigen Schulvisitationen und damit verbundenen Reisen genug
zu thun hat und daher sich in das vom Schulwesen ganz abgesonderte Fach
des Laudesöconomie- Policev- und Comercialwesens nicht wurde einlassen
können, so wenig als ich um eines andern Kalender Privilegium anhalten
möchte.Da die auswärtigen Staaten, Academien und gelehrte Gesell¬
schaften, nähmlich Paris, London, Berlin, Frankfurt, Göttiugen, Prag, Leipzig,
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Erlangen, Wien, Wittenberg, Hamburg etc. das Churbaier. Comercial Intelligenz¬
blatt bisher zum Ruhm meines Vaterlandes sogar in öffentlichen Zeitungen
angerühmt, und daraus abgescliriebeu haben, So sehen Eure Churfürstlichen
Durchleucht etc. erlauchtest ein, dass (wenn die Verfassung desselben einem
andern gnädigst übertragen würde) bey allen diesen Academien und aus¬
wärtigen Gelehrten discretirt, und vieleicht in der stille eines Verbrechens
oder sonst verdienten höchsten Ungnade beurtheilt werden wurde, und ich
mayne nicht, dass ich durch meine 1 ijährige Besorgung dieses Blattes, zulezt
eine solche Prostitution verdient habe. Qual genug für das Herz, wenn sich
schon iezo meine Abholden erfreuen und sagen: nun wird ihme Kohl¬
brenner auch das Comercial Intelligenzblatt genommen. Eure churfürstlichen
Durchläucht etc. erlauben demnach, unterthänigst zu bitten, mich von einer
solch unverdienten Diskretitirung und Prostitution bey Inn- und Ausländern
gnädigst zu bewahren. Es ist eine Sache, welche die Ehre höchst dero Räthe
selbst angehet Denn, Sollte ich die höchste Gnade der Erneuerung des
Privilegii, um welche ich wiederhollt unterthänuigst bitte, wider verhoffen nicht
erlangen, so wird mir nicht ungnädig bemerket werden, wenn ich um die
gnädigste Belassung der 650 fl. (die mir bisher zu meiner Besoldung mitan¬
geschlagen worden) gleich solche auch den vorigen Schulcommissarien be¬
lassen worden, dessgleichen auch um das zu Rettung meiner Ehre nöthig-
habende Attestat unterthänuigst bitte, um mich bei den auswärtigen legitiinireu
zu können, dass die Ausfertigung dieses Privilegii für einen andern, keine
Folge einer höchsten Ungnade gegen mich, sondern mir zur Belohnung meiner
11 jährigen litterar. Bemühungen eine ander weite gnädigste Special gnade liuld-
reichest ertheilt worden sey“.
Der am 12. September 1777 von der Hofkammer abgegebene „ausführ¬
liche Bericht“ darüber, „obe sein Vorschreiben der Wahrheit conform und wie
weith seine petita eine gnädigste Obsicht verdienen“, zeigt klar, dass Kohl¬
brenner in diesem Kollegium keine Freunde besass. Über die Person
Heinrich Brauns gehen sie hinweg, da sie in solchen Fragen nicht kom¬
petent seien. Die übrigen Forderungen Kohlbrenners jedoch wollen sie
genau „zerklidern“. „Den Ursprung des dem Kollprenner verliehenen In¬
telligenz Blats zeigen unsre Acta nicht, noch minder ein Decret oder Reso¬
lution, woraus abzunehmen war, ob dieses Privilegium ab origine ihme per-
petuierlich, oder nur auf gewisse Zeit verliehen worden“. Dagegen fänden
sich wohl wiederholte Verweise vor, welche den Redakteur der Blätter mit
Verlust des Privilegs bedrohen. Wir kennen sie ja bereits; sowie auch den
Vorgang mit dem „Civil Arrest“. Dies alles wird ihm nun vorgehalten, da
er ein Zeugnis, dass nicht allerhöchste Ungnade Ursache seines Abgangs sei,
und die 650 fl. verlangt. Den Hinweis auf seine elfjährige litterarische Thätig-
keit will die Hofkammer nicht berühren; sie will es in „seinem Werth und
Unwerth belassen, obe seine 11 jährige litterarische Bemühungen Belohnung
verdienen, ohne hierüber uns vernehmen zu lassen, da das litterarische Fach
der Gegenstand der Hofkammer nicht ist“. Die 650 fl. aber werden ihm nicht
zuerkannt. Sollte eine ähnliche Gnade je einem Schulcommissarius wider-
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Karl von Reinhardstöttner
fahren sein, so wird sich derselbe jedenfalls „vorher kein Delictum“ wie Kohl-
brenner zu schulden haben kommen lassen und sich „niemahl ... so öffent¬
lich widerspenstig erzeugt haben“. Darum die also „pflichtmässig in Nega-
tivam gehende“ Entscheidung 160 ). Gewiss eine ermunternde Würdigung Jahr¬
zehnte langer litterarischer Bestrebungen !
Am 25. Juli 1778 wurde Kohlbrenner in den erblichen Adelsstand
erhoben l6 °). Hätte er, wie der Anonymus (90) sagt, das Diplom als Reichs¬
ritter gekauft, so wäre ihm sicher jenes Epigramm Myrianders, das er
gelegentlich (I. Bl. 1775, 448) abdruckt, vorgeschwebt, in welchem einem Baron
gegenüber in Abrede gestellt wird:
„Doktor Firmann hab’ aus Stolz sich mit einem Von versehen:
Denn er schwöret, ihn vergnüge, darum nur des Von Genuss,
Weil er so nicht manchen Esel seine Gnaden heissen muss“.
Das Diploma Nobilitatis rühmt „die Ehrbarkeit, adeliche Sitten, gutes
Herkommen, Verstand und Geschicklichkeit, womit unser getreuer J oh an n
Franz Seraph Kohlbrenner begabet ist“, das Alters seines Hauses
(vgl. S. 78.), das Verdienst, „dass er ein zu Aufklärung des Volks und dem
Commercio nothwendiges Intelligenzblatt bis hieher besorget hat“, und er der¬
jenige sei, „welcher mit rein Deutschen von Erz- und Bischöfen approbirten
Kirchenliedern das Lamm Gottes und das Kreuz des Erlösers besungen und
der heiligen Religion gewidmet hat“ l61 ).
Auf diese seine Thätigkeit als Förderer des deutschen Kirchengesangs
wird in seinem ritterlichen Wappen ausdrücklich bedacht genommen; es ent¬
hält ein Osterlamm mit goldenem Kreuze und eine holzfarbene Harfe neben
andern auf seine dienstliche Stellung als Salzbeamter bezüglichen Abzeichen.
Während so der Kurfürst „mit wohlbedachtem Gemüth, gutem Rath
und rechtem Wissen“ den verdienten Mann ausdrücklich wegen seiner
Intelligenzblätter unter die Edlen des Landes versetzt, tobt der Kampf
eben um dieselntelligenzblätter rastlos weiter, ja er nimmt, je näher
der Termin des Ablaufs des Privilegiums rückt, eine um so ernstere Gestalt
an. Bald findet man heraus, dass nicht alle Ämter die Blätter zu halten
brauchen, bald wirft man Kohlbrenner vor, er liefere sie nicht richtig ab.
Am 11. Juli 1778 weist er nach, dass die Intelligenzblätter den Maut¬
ämtern unentbehrlich sind; sie stehen mit gelehrten Gesellschaften in Ver¬
bindung und helfen Werke verschleissen. Die Münchener Zeitung, „die man auf
schwarzen Papier, mit grober schlechter Schrift lesen muss“, kostet 5 - fl., wie
billig ist dagegen das Intelligenzblatt, das nur 5 k. kostet. Er will es aber
von heuer an „um 2 k. wohlfeiler, also um 3 fl. 36 k., an die Dickasterien
u. s. w. geben.“
Er schliesst: „Deijenige würde der Wahrheit eine Unbild zufügen,
welcher behaupten wollte, die Bajern wären in dem moralisch-philosophisch¬
litterarischen Fach (die Geschichte ausgenommen) gegen die Ausländer um
ein halbes Saeculum nicht zurückgeblieben. Unsere Buchläden, der Abscheu
der Nation vom Lesen *•*), rohes Bezeigen und der stille Hass oder Neid gegen
die Authoren beweisen es noch täglich. Vor 10 Jahren noch hätte ein Kanzley-
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Officiant, vielleicht auch ein Hofkamnierrath sich geschämt oder Bedenken
getragen, sich der Presse anzuvertrauen. Patrioten und Philosophen haben es
mir zum Verdienst angerechnet, dass seith ao. 1766 als ich durch das Intelli¬
genzblatt der Nation etwas neues zum Denken geliefert, mehrer authores von
Adel und geringerm Stande jezo im Lande sich hervorgethann, und gezeigt
haben, dass sie auch schreiben können. Gewis ein unschuldiger Beweis für
den Nutzen des Intelligenzblattes, dessen Verfasser die wahre Staatskunst in
dieser Rücksicht vielmehr eine Prämie zuerkennet und den Märtyrer der
Wahrheit beherziget, dem man die 1768 gdgst. bewilligte jährliche 300 fl.
1772 wieder entzohen hat“
Unterm 31. Juli 1778 verfügt Karl Theodor (d. d. Mannheim), „dass
Unserm Hofkammer und Mauthdirectorial Rath Kollbrenner die aus denen
Mauthgeföhlen extra genossene Pension ad 235 fl. nicht mehr gereicht werden
solle“, was ihm unterm 13. August zugestellt wurde. Schon am 10. Juli hatte
Kohlbrenner erklärt, er könne die Lieferung an die Ämter nicht mehr
selbst bewerkstelligen, wenn ihm alles entzogen werde. Auf eine Anfrage vom
21. August 1778, welche Dikasterien und Ämter die Intelligenzblätter „ohn-
umgänglich“ haben müssten, und was der äusserste Preis sei, führt am
28. Oktober 1778 Ko hl brenn er alle namentlich auf; hinsichtlich des Preises
fügt er an:
„Ich bin zu schüchtern, der Grossmuth des bessten und höchsten Fürsten
einen Preis anzusagen. Der liebreichste Landesvater, der selbst die besste
Einsicht in litterarische Geschäfte, Arbeit, Mühe, weitläuftige Correspondenz,
Briefporto, dann Correctur, Druck und Papierkosten hat O! dieser weis seine
getreuen Landskinder, die sich zum bessten des Vaterlands auch durch Litteratur
verwenden, grossmüthig zu belohnen, und sie noch ferner zu ermuntern, fort¬
zufahren in dem, was dem gemeinen Mann zu wissen nothweudig, iustructiv,
und nützlich ist“
Er bittet zunächst um 300 fl. „Bevhilfe“, „umso mehr als man mir heuer
an meinen vorigen Gehalt 235 fl. in Geld und 1 Salzscheibe abgebrochen hat.
Ich muss auf dieses Intelligenzblatt 2 Schreiber halten: soviel Brief Porto be¬
zahlen, Plag und Gefahr und sichere Ausgab gegen unsichem Verschleiss
und Bezahlung tragen, da mir der Debit der Blätter im Rentamt Straubing
jetzt soviel als gescheret ist. Da mich Neid und Chicaue auch gehindert
haben, zeither, die mir gdist. verwilligte Buchdruckerey zu errichten, folglich
der mir zur Erleichterung des Preises zugemeynter Genuss entgangen ist“
Mit dem 4. Januar 1779 erhielt Kohl brenn er ein erneutes Privileg
auf zehn Jahre, allein der Streit war darum lange nicht abgethan, im Gegen¬
teile erstanden ihm neue Feinde. Die Beratungen in intimo fallen selten zu
Kohlbrenners gunsten aus. Am 3. Mai 1779 wird die Zahlung der
650 Gulden an die Bedingung geknüpft, dass eine Reihe von Exemplaren
nachgeliefert werde. Unterm 15. September ergeht an Kohlbrenner das
Verbot, amtliche Nachrichten, „Standes Erhöhung der Civilpersonen“ nachzu¬
drucken, sowie „der schärfste Auftrag, dass ersagter Satz also gleich wieder
abgelegt werde“. Die Folge war eine Klage der Druckerin Magdalena
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134
Karl von Reinliardstöttner
Mayrin gegen Kohlbrenner auf Zahlung eines Arbeitslohnes von zehn
Gulden, zu deren Erlag Kohlbrenner am 29. September Befehl erhielt.
Wohl wandte sich Kohlbrenner bereits am 16. September an das
Präsidium der oberen Landesregierung, er habe ein Privileg vom 5. Jannuar 1779,
das „Blatt nach bisheriger Art und Eintheilung fortzusetzen“, seit einigen Jahren
seien die kurfürstlichen Gesetze und Verordnungen in demselben Hauptsache.
„Nun aber vernehme ich von der Buchdrucker-Mayrin, dass der Churfürstl.
geheimbe und Regierungs-Secretair v. Drowin in der Druckerey den schon
gesezten ersten Bogen des Edicts und der Regierungs Instruction als eine
Forthsezung des Intelligenzblattes verbothen und respective obsigniert habe, ohne
dass mir ein schriftliches Verboth ausgefertigt worden.“ Er bittet, ihn „vor
gehörter prostituirlicher Hemmung in der Druckerey und vor aller privilegii
widrigen Zutringlichkeit in hochgdign. Schutz zu nehmen.“ Doch die Ant¬
wort lautet: „Es bleibt bey der bereits ergangenen resolution, und ist also
diese Vorstellung ad Priora zu legen (17. Sept. 1779)“.
Einer der schamlosesten Gegner Kohlbrenners wird in diesem Ge¬
suche zum erstenmal genannt, der Oberlandregierungssecretarius und imma¬
trikulierte Notarius l6S ) Joseph Ludwig Drouin. Er hatte die Stirne,
gegen Kohlbrenner vorzugehen und sich an seiner Stelle anzubieten. 164 )
Was man sich trotz des Privilegs erlauben konnte, zeigt diese unver¬
schämte Eingabe des „wirklichen Rats, geheimen und Oberlandesregierungs-
Sekretär“ Joseph Drouin vom Dezember 1779, in der er die direkte Bitte
stellt, die Intelligenzblätter ihm zu übertragen. Das Gesuch ist charakteristisch.
„Eur Chf. Drtl. Höchste Gnade, und Hulde gegen meiner bisher ge¬
leisteten geringen Verdienste“, heisst es im Extrakt, den die Landesregierung
unterm 13. einsandte, „machet mir Mutli, höchst dieselben um Vollendung der
mir Gdgst. erwisenen höchsten Gnaden Bezeugungen Vnterthenigst anzuflehen.
Eur Chf. Drtl. wird es noch wohl erinnerlich sein, was massen mir
höchstdieselben die Censur der hiesigen Zeitung sowohl als des Intelligenz
Blattes zu ybertragen geruhet haben. Nun aber gebühret nach allem Rechte
dem arbeither der Lohn. Ich habe die Zeitung zu uerfassen, zu Censireu,
zu revidiren vnd yberhaupt den ganzen Druck desselben zu befördern:
bin den Druckereien des Publicums, vnd der ofentlichen Kritik ausgesetzt,
habe Correspondenzen, vnd schriftliche Nachrichten zu vnterhalten, vnd mehr
dergleichen andere Bemühungen zu Vnternehmen, vnd für das alles keine ge¬
ringste Entgeltung; die Buchtruckerin Vötterin welche die Zeitungsabdrücke
bisher besorget, vnd die gauze beträchtliche Einnahme dafür eingenohmen hat,
weigert aber aus Eigennüzigkeit, oder aus Vnuermögenheit dem zeitlichen
Verfasser vnd Censor ein Jährl. es wohl Verdientes Gehalt auszusprechen.
Ihr Druck Privilegium die Zeitung betreffend, hat sich dises Jahr
souill mir bewust ist, Verfahlen, und sie befindet sich nicht mehr im Stande
der bereits sehr vernachlässigten Zeitung eine bessere Gestalt zu geben, oder
sie zur Ehre des Vatterlaudes wieder empor zu bringen. Nun dachte ich Eur
Chf. Drtl. wurden sowohl meinen geringen Verdienst belohnen, als auch dem
zeitung Blat Von hier, woran dem Vaterlande souiel gelegen ist, wieder auf-
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Johann Franz von Kohlbrenner.
135
helfen können, wenn höchstdieselben das Privilegium das Zeitungs Blatt zu
verlegen künftighin mir allein zu ybertragen geruheten vnter dem Bedingnüsse,
dass ich der Buchdruckerin V e 11 e r i n yber die Druck Kosten, welche bey ihr
fort an verbleiben solten, noch 200 f. Ausstand Geld auf zeit Lebens geben,
vnd vielleicht auch nach höchsten Gutbefinden etw r as an das höchste aerarium
jährl. zu uerreichen haben solte, welches beides ich in disem Fahl zu leisten
verspreche. Auf solche weise wurde ich mich im stände sehen, die Zeitung
in einen solchen Flor zu bringen, woraus Unsern Vatterland Ehre erwachsen
müste, vnd allseitiges Vergnügen befördert wurde. Wass die Censur des In¬
telligenz Blates anbelanget, so könten Eur Chf. Drtl. selbst Gdgst. vermuthen,
was mir diser äusserst gefährliche Man, der wider mich schon Viele Ein¬
wendungen gemacht hatte, und schon so oft von höchsten Stellen abgewisen
werden muste, für grosse Mühewaltung machen müsse, weil ich ihm gar nicht
trauen darf; so hab ich original vnd abdruck mehrmal zu durchlesen, vnd
mich bey iedem Stücke besonders zu uersichern, welches mir sehr vielle Zeit
wegnimt, ohne die vielen Verdruss zu berechnen, welche mir diser so schikanen¬
volle Man jmmer zu machen fort fahrt Nun dafür habe ich mehr keinen
Heller als Verdruss, vnd nicht selten wohl gar Verleumdung vnd Verkleinerung
bey dem Publicum. Eur Chf. Drtl. dachte ich ohnmasgeblich könten einen
theill sowohl, als den andern helfen, wen höchst dieselbe den Kolbrener,
der ohnehin seines Eigennuzes wegen so grossen widerspruch leidet, vnd sich
auf Kosten des Vatterlandes, wie bekant, bereichet hat, das Intelligenz Blatt
abnehmen, selbes mir oder einen andern tichtigen Man auf Rechnung geben,
vnd den überflus der Erungenschaft dem höchsten aerarium einuerleibten,
welches keine geringe Summa ausmachen, vnd sich beylaufig gegen die 3000 f.
belaufen wurde, hierdurch wurden taugsame Köpf Vnterhalt finden, die ich
mir gewies aus zu suchen wüste, und die vielen Zwistigkeiten des Inteligenz
Blates wegen wurden füglich gehoben seyn.“ A65 )
Auf dies Gesuch Drouins erfolgte bereits am 3. Dezember Recherche.
Drouin hiess es, wolle „das Intelligenzblatt mit aufnehmen dürfenden ge¬
schickten Subjectis zu höchst dero Vortheil auf Rechnung geben“ und dafür
nur von Büreauarbeiten entlastet sein. Man glaubt seinen Augen nicht, wenn
man in Nummer 5 des Intelligenzblattes vom 13. Februar 1779 (S. 49) das
kurfürstliche Privilegium impressorium liest, wo erklärt ist, man habe das
Privileg „vom heutigen Dato an, auf weitere zehen Jahre in höchsten
Gnaden respect. extendirt, sohin ihme diese gemeinnützliche Herausgabe
seines so rubricirt Churpfälzisch-Baierischen Intelligenzblatts, nach bisheriger
Art und Eintheilung, fortsetzen zu können, gnädigst gerne bewilligt“ und
dagegen das kühne Ansinnen eines Beamten um die gleiche Vergünstigung
unter gewalthätiger Entfernung des Privilegierten hält.
Kohl brenn er erhielt am 13. Dezember wirklich die Weisung, sein
Patent vorzulegen. Schon am 8. Dezember hatte er dargestellt, wie er, ge¬
stützt auf sein allerhöchstes Privileg, Papier an gekauft und Drucker bestellt
habe, also ohne schwere Schädigung seines Vermögens plötzlich gar nicht
aufhören könnte.
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136
Karl von Reinliardstöttner
„Gleichwol getrauet sich mein Censor v.Drowin die hohen und höchsten
Stellen mit Suppliquen und Vorschlägen anzulaufen, um das mir gdgist. er-
theilte Privilegium an sich zu ziehen und wie ich vernehme, sollen seine
Schriften anbey auch mit Verunglimpfungen angefüllt seyn, von Triebfedern
des Neides getriben, um die Lust nach fremden Gut zu befriedigen. Da nun
derselbe durch dieses ungesittete Bezeigen sich selbst wider mich zur Parthey
macht, wie kann er dann ferner mein Censor, mein Richter im litterarischen
Fach, in der Moral seyn ?“
Er bittet um Herausgabe der Drouinscheu Schriften. „Es fil mir zu
schmerzlich, wenn solch verkleinernde Schriften von meinem Abholden, wie
ich vernehme bey der hohen Landes - Regierung in actis liegen verblieben“.
Er ahnt, dass einstens auch die Archive ausgegraben würden!
In seiner Antwort vom 23. Dezember spricht sich Kohlbrenner
unter Vorlage des Privilegs und Wiederholung der grossen Schädigung, welche
ihm ein plötzlicher Entzug der Blätter bringen würde, schärfer über Drouins
Bewerbung aus.
„Desto auffallender war es mir“, schreibt er „dass einer daher kommet,
der mich jetzt aus meinem Eigenthum, aus meinem eingerichteten Haus ver¬
treiben will, welches ich unter höchst landesherrlicher Begünstigung auf meine
Kosten und Risico gebauet habe. Der sich nicht gescheuet hat, ohne Einsicht
in dieses Geschäfft, ohne Berechnung der jährlichen schweren Ausgaben und
hieraus erlauffenden Unkosten nur aus Habsucht, Neid oder Desperation um
mein mit saueren Schweis errungenes Vermögen anzuhalten; der sich nicht
schämet sogar die höchste Stelle mit einer Blend - Rechnung anzulaufen.
Der weil ihm Christen - Pflicht und Recht entgegen sind, zur Verläum-
dung seine Zuflucht nihmt, und mich als einen äusserst gefährlichen Mann
angibet, den Beweis aber schuldig bleibt. Und wer ist dieser? -- Mein
Censor selbst, der es übernohmen hat, im litterarischen Fach, über Relligion,
und gute Sitten Richter zu sein. Ich habe ihn nicht darzu erbethen: vielmehr
die gerechte unterthänigste Bitte gestehet, die Censur dem eigends ungeord¬
neten Churfrtl. Censur Collegio gdst. zu überlassen, wohin ich mit der Censur
seith ao. 1769 an gewissen war: und diese Censur erst durch den Droin vom
Censur Collegio abgerissen worden ist: einem Mann, welcher seine Censur zu
vertheidigen einmal die Kräften nicht hat. Ich bitte dahero unterthänigst
nochmal Euere Cliurftl. Drlt. wollen mich mit der Censur eines Mannes, der
um mein Vermögen anhaltet gnädigst verschonnen. Daher die Censur höchst
dero Censur Collegio gdigst. zu übertragen. Der Author muss seine Sicherheit
haben, welche Euer Churfrt. Drtl. jedem gnädigst versprochen, der sich höchst
dero Censur Collegio unterwirft.“
Nach einigen geschäftlichen Erörterungen gegen Drouins Projekte
und Berechnungen schliesst er in der Hoffnung, „das gdst. abgegebene
heiligste Wort des Privillegij“ werde seine „beste Schutzwehr wider alle Un¬
fälle solcher Rechenmeister und Adepten, welche aus den Wolcken Dünste
fangen und daraus Gold machen wollen“, bleiben. Er erbittet sich einen
andern Zensor, „damit die höchste Stelle von allen solch unruhigen Köpfen,
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Johann Franz von Kohlbrenner.
137
Käufern, und hungerigen Projectanten wie Drowin sich signalisirt hat, hin¬
künftig unbehelliget bleiben möge“.
Nach verschiedenen Unterhandlungen über Lieferung der Blätter erfolgte
am 22. April 1780 ein kurfürstliches Dekret: „Anlangend das Intelligenzblatt
sind höchst dieselbe nicht gemeinet, dass solches dem zeither allerdings es
wohl besorgten und dazu absonnders gefreyten Titel Kohlbrenner entzohen
werde, sondern wolle selbiges ihme fernerhin belassen . . . Die Übersehung des
Intelligenzblatts aber wollen höchst dieselbe dem Bücher Censur Collegio
gnädigst überlassen.“ So hatte also Kohlbrenner doch gesiegt. Das um¬
fangreiche Gutachten der Hofratskammer vom 29. März 1780 gereicht dem
Gerechtigkeitsgefühle dieses Kollegiums zur Ehre. Sie äussern sich scharf
über die „Spöttereyen“ Kohlbrenners und meinen, „dass die Intelligenz¬
blätter auf einen bessern Fuss eingerichtet werden sollen“. Sie machen zahl¬
reiche VerbesserungsVorschläge, aber sie sind „der unfürgreifliehen Meynung,
dass dem dermaligen Inhaber das Privilegium impressorium dermal noch nicht
abgenommen werden solle, weil ihm dasselbe neuerdings bestätigt worden“.
Auch halten sie Drouiu nicht für den geeigneten Zensor 166 ). Die Abweisung
liess Drouin nicht zur Ruhe kommen. Noch am 15. März 1783 (Int. Bl.
Nr. 12. S. 118) verwahrt sich Kohl brenn er öffentlich gegen seine „neue
sogenannte gelehrte Zeitung“ und dass „darinn offenbar falsche Sachen wider
uns ausgestreuet werden“. Vor allem Drouins Vorschlag für das Intelligenz¬
blatt „ein Paar gelehrte Schreiberlinge zu halten“ (S. 135) empört Kohl¬
brenner aufs tiefste.
Aber auch das Jahr 1780 verging unter ständigen aufreibenden Kämpfen.
Die umfangreichen Akten enthalten stets dieselben Klagen über Kosten der
Verpackung und Versendung der Blätter. Der Rat dagegen beschwert sich
darüber, dass Kohl brenn er soviel zu schaffen mache; so in einem Schreiben
vom 4. Mai 1780.
„Bey der Persöhnlich-geschehenen Vorrufung hat der von Kohl-
brenner ganz andere Saiten aufgezogen und durch allerhand gegebene Vor¬
schlag gesucht, von dem jährlichen aversionsquanto abzuweichen und die
Bezahlung nach den abgesandten Stücken bey den Ämtern zu erhaschen,
welche jme ganz unlaugbar einen grossem Nuzen als die aversionssumme
verschaffen würde“. Der Rat verfährt sehr kalt. Er glaubt, dass „des von
Kohlbrenners Absicht ohnehin nur dahin gerichtet ist, dass selber die
proponentes und Kanzley mit vnaufhörlichen neuen Vorschlägen, welche mau
immerhin zergliedern, widerlegen — und die vnthunlichkeit mit nicht geringer
mühe aufklären solte, mithin hierdurch desto mehr seinen suchenden Profit
erhaschen mochte ... Wür sind Endlich betnüssiget, all dieses nicht aus Miss-
gunsst, sondern einzig und allein darum hinzuschreiben, damit dieses Mauus
vorgeblicher Patriotismus und Vneigennüzigkeit höchsten Orts selbsten auf
die ächte Waagschal geleget werden möge.“
Doch erhält er die 650 fl., aber alles wird peinlich festgesetzt; bald
jedoch mangelt wieder die Lieferung nach Mannheim. Der Kurfürst lässt
Kohlbrenuer am 10. Mai 1780 wissen: „Wormit also wollen wir den immer-
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Karl von Reinhardstöttner
wahrenden belästigungen wegen dem Intelligenzblat einmal um so mehr ein
Ende wissen, als diese Sache so klar auseinander gesezet ist, dass ihr euch
dereinst hiemit allerdings beruhigen könnet.“
Diese Antwort bedauert Kohlbrenner unterm 19. Juni 1780 sehr
schmerzlich. „Nur will mir schwer fallen, dass Euere Churfirtl. Drtl. unterm
10. May a. c. dero gnädigstes Gehör übers Intelligenzblatt zwar nicht bei
höchst dero Person, sondern bey dero Löbl. Hofkammer versaget haben. Ich
bin doch auch ein wirklich frequentirendes Mitglied dieses hohen Collegii
und höchstdieselben haben mir schon ao. 1765 von Mannheim aus, das gnä¬
digste Decret eines Raths in geographischen Geschäften huldreichst herauf -
geschickt; nur bey höchstdero lobl. Hofkammer, wo ich schon 22 Jahre diene,
und mit wahrhaft patriotischen Eyfer merkwürdige treue Dienste geleistet habe
nur da ist mein Namme so schwarz angeschriben. Ich kann nicht davor, dass
meine Vorältern seith 1429 in Bajern sich Kohlbrenner benamset haben.“
Das Privileg bezeichnet Kohlbrenner als einen Teil seines Ver¬
mögens, er muss lange voraus arbeiten. „Da ist mir nicht geholfen, dass man
heuer unterm Jahr mir nicht aufkindet, wie ao 1778 ex abrupto zu meinem
grössten Schaden geschehen ist. Selbst der Proponent (welcher jene Sicher¬
heit, die Er selber gern hat, nach der Lehre des Evangeliums auch andren
nicht hinterhalten darf) würde darüber für die Zukunft schüchtern seyn, wenn
ihm jenes begegnet wäre, was mir begegnet ist: Da nämlich als ich das
gnädigste Privilegium von jetzig gnädigster Landsherrschaft fortan erhalten
habe, heuer dennoch einer auf den frommen Einfall gerathen ist, nicht aus
Neid, sondern aus etwa guter Meynung, der hiesigen Academie anzutragen,
ob es nicht gefällig wäre, das Intelligenz Comtoir zu übernehmen, folglich
mich trocken zu setzen. (*Eben heut Abends bey dem Neuhauserthor sagte
mir der Churfürstl. Hofkammersecretarius Spann, dass er nächstens einen
befehl aufsetzen werde, wo das Intelligenzblatt gar aufhören muss. Bin ich
darüber zu verdenken, wenn ich bey einer solchen Libe des Nächsten auf
meine Sicherheit bedacht sein muss? um die Sicherheit bei meinem Vermögen
hat man noch keinem Unterthan noch ihm das gnädigste gehör versagt.) Zum
Glück für mich, dass die academie die Beschwernisse, Risico, und schwere
Ausgab und Arbeit besser als der Rathgeber eingesehen und sich dafür
bedankt hat“ 167 )
Am 8. Mai 1780 schrieb Kohlbrenner aufs tiefste beleidigt
seine „Anmerkungen über das Inteligenz Blat und die trangsaalen, Schäden,
Schmach und Unbilden, so man demselben erst neulich wieder angethan“
nieder. Vergeblich habe er laut Kontrakt die Intelligenzblätter hinausgegeben,
da wurden 119 Bände „abgekündigt“; dadurch erwuchs ihm ein Schaden von
428 fl. 24 Kr. Über diesen und anderen Schaden, um dessen Ersatz er bat,
„ist der Herr Proponens so aufgebracht, dass er nicht nur drohet, mit einem
bericht ad Intimum mir das Privilegium zu nehmen, sondern Er ist auch un¬
erwartet gehässig, dass er mir beynahe den gesunden Menschenverstand und
alle Wissenschaft abbricht, indem er mir laut Befelch vom 2. May ai. curr.
drohet und dieses der ganzen Kauzley zu meinen grössten Schmach lesen lässt,
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Johann Franz von Kohlbrenner.
139
dass man das Intelig. Blat einem gelehrten wie in andern Ländern zu über¬
lassen einrathen würde.*) Und das hohe Kammeral Directorium hat diesen Be-
felch auch wirklich unterzeichnet, folglich ist selbes hiemit einverstanden.“
Von den bewilligten 650 fl. verbleiben Kohlbrenner pro 1780 nur
noch 185 fl. 36 Kr., „um welche der Neid ja nicht ursach haben wird, mir
Grobheiten anzuthun, mich in den Kanzleyen zu prostituiren und mir alle
Wissenschaft oder Litteratur abzusprechen.**) Ich mache verzieht auf dem
titl eines gelehrten, aber der Baur ist ein gelehrter der seinen acker genau
kennet, und ihn recht zu bearbeiten gelehrnt hat. Und Kaniz sagt: Ein
Deutscher ist gelehrt, wenn er sein Deutsch versteht. Im übrigen wil ich
obige beschädigungen iedem auf sein zartes gewissen überlassen, es zu be-
dencken und das hohe Directorium gebethen haben, wenigst mit neuem Schmach
und Unbilden mich verschonen zu lassen.“ 168 )
Den 3. Juni 1781 >macht Kohlbrenner den Vorschlag, die General -
mandate drucken zu lassen. Bisher wurden die landesherrlichen Verordnungen
von dem Schergen oder Gerichtsdiener „an die Würthshäuser“ angeschlagen,
„wo weder der Durstige noch der Betrunkene sie liesst, wohl aber von der
muthigen Bauernjugend in etwelchen Tagen verrissen oder von dem ungewitter,
welchen selbe ausgesetzt sind, verderbt und unlesbar gemacht werden“. Er
will „den ganzen Jahrsgang, welcher in 25 bis 30 Bogen samt einem Register
bestehen soll, vor 54 kr“ liefern und „das ganze Jahr vor 12 kr“ an die
Behörden spedieren.
Schon am 13. Juni wurde Kohlbrenner zurückgeschlossen, dass sein
„Vorschlag sowohl als auch die hiernach bemessene Vergütung auss guten
und wohlüberlegten Ursachen nicht thunlich“ sei.
Unterm 30. August 1781 bringt Kohlbrenner ein Verzeichnis aller
jener Städte und Märkte, die „zugegen der unterm 17 Xbris a. 1766 ergangen
gdsten Anbefehlung die Intelligenzblätter dermahlen nicht mehr abnehmen“. Es
sind ihrer 53 aufgeführt. Es sei dies zu bedauern; denn auch der Bürger
könnte manches aus ihnen lernen. „Eine aufgeklärte Bürgerschaft wird allzeit
in bessern Vermögen stehen als eine trübe, in tiefer Unwissenheit steckende,
deren Vorurtheile sie in der Armuth erhalten.“ Wohl kommt es vor, dass „der
Marktskammerer, der etwa ein dicker Bierbräu ist, dieses Blatt für unnöthig
hält . . . die Cf. landsväterliche besstgemeynte Absicht glischt ab bey einem
solchen Bierbräu . . .“ Diese rückständigen Märkte sollen neuerdings auge¬
halten werden, das Blatt zu abonnieren. „Damit man aber besser erkennen
möge, wie sehr übel ein Author heut zu tags noch in Baiern daran ist, eine
periodische Schrift pro bono publico herauszugeben, so kann ich mit meinen
*) Man wird hoffentlich nicht blos denjenigen allein für einen gelehrten halten,
der die lateinische Sprache besitzt, ich habe etliche davon, der ich ein Deutscher bin, in
meiner deutschen Schreib-stube nicht brauchen können, weil sie ihr eigne Mutter-spracli
nicht gekonnt
**) Entzwischen ist es eine Ehre fürs Vaterland Baiern, dass ein Landskind, und
zwar ein Deutscher, ein Ungelehrter 16. Quartbände von Landsverordnungen, Preise der
Venalien, Künsten und Erfindungen, Wissenschaften, Sitten und Gebräuche zum Nuzen
des Vaterlandes mit Beyfall des Auslands, ediret hat.
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Karl von Reinhardstöttner
Registern beweisen, dass mir seith 5 bis 6 Jahren 1143 fl. böse Schulden von
schlechten Zahlern angewachsen sind, folglich der Profit vom Intelligenzblat
um so kleiner ausfällt, als mir dermal Papierer und Drucker aufgeschlagen haben“.
Nochmal kommt er am 21. Juni 1781 mit der Idee des Monatlichen
Intelligenzblattes, das alle Verordnungen enthalte und legt No. 5 (Mai) als
Probe vor.
Am 4. Oktober 1781 erhält Kohlbrenner zugeschlossen, „dass sich
jene allegierte Ausschreibung d. d. 17. Dez. 1766, welche an die sammentlichen
Stätt und Märckte hinausgegangen seyn solle, bey denen Hofkammer actis
nicht vorfündtet, mithin diese Ausschreibung vermuetlich von einer andern
Stölle geschehen sein müsse, derohalben Ihr auch dahin umso mehr ange¬
wiesen werdet, als man diesorts aus aigenen Machten sich nicht getrauen
könnte, die angezeigteu Stätte und Märckte zur abnahme erwähnten Intelligeuz-
blats absolute anzuhalten.“
Dennoch geht man Kohlbrenners Idee der monatlichen Intelligenz¬
blätter für Obmänner weiter nach. Man recherchiert die Kosten des Druckes
der Verordnungen (14. Nov. 81). Von 1772—81. 7332 fl. 14 kr., also 733 fl.
13 1 kr. per Jahr; die Zahl der Obmänner kann die Obere Landesregierung
(18. Nov. 1781) nicht feststellen; es sei „nur soviel bekannt, dass in einem
jeden grossen Dorf ein Obmann aufgestellt worden seye. Da nun Kohl¬
brenner gesagt hat, 3000 fl. sei jährlich auf den Druck verwendet worden,
werden ihm (12. Dez. 1781) die 733 fl. entgegen gehalten.
Eine neue Klage Kohlbrenners vom 16. Dezember 1781 führt aus,
er habe lauter Makulatur; er drängt auf fixe Bestellung; noch schärfer thut
er dies am 31. Dezember 1781. „Mit einem Wort, ich bitte um die schleu¬
nigste Heraussendung der Specification pro 1782.“ 169 )
Alle diese schweren Kämpfe bestand Kohlbrenner unter überaus
schlimmen Gesundheitsverhältnissen, sodass schon im August oder September
1781 — das Gesuch trägt kein Datum — der bekannte Peter Paul Finauer 170 )
sich um das Intelligenzblatt bewerben zu müssen glaubte. Das Schriftstück lautet:
„Dem sichern Vernehmen nach soll Euerer Churfürstl. Durchleucht
wirklicher Hofkammer und Mauthrath von Kohlbrenner sich in solchen
Gesundheitsumständen befinden, die ihme eine kurze Lebensfrist mehr ver¬
sprechen können; und im Falle derselbe mit Tod abgehen sollte, so erlöscht
das ihme auf die Intelligenzblätter gnädigst ertheilte Privilegium.
Die von mir in Drucke gelegten Schriften mögen die Gewähre leisten,
dass ich mich auf verschiedene Wissenschaften geleget habe, und da zu Ver¬
fassung der Intelligenzblätter ein in der Litteratur und vaterländischen Ge¬
schichte ziemlich bewanderter Mann erfodert wird, so ergeht an Eur kurfürst
Durchlaucht meine unterthänigste Bitte, Höchstdieselben wollen mir ein gnä¬
digstes Exspectanz Decret huldreichst ertheilen, dass ich nach Ableiben des
von Kollbrenners die bajrischen Intelligenzblätter fortsetzen und auf
meine eigene Kosten verlegen dürfte.
In Anhoffung einer gnädigsten Bittserhör mich zu churfürstl. höchsten
Hulden und Gnade unterthänigst empfehle. Peter Paul Finauer“.
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Johann Kranz von Kohlbrenner. 141
Am 15. September 1781 erhält Fi n au er Mitteilung, dass Kohl¬
brenner die „zugestossene Unpässlichkeit“ in Besorgung der bayerischen
Intelligenzblätter „nicht gehemet hat, noch das ihme hierüber gnädigst er-
theilte Privilegium impressorium erloschen ist“. (24. Sept. zugestellt) 171 ).
Trotz dieses, wie Finauers Gesuch zeigt, allgemein bekannten schlechten
Gesundheitszustandes arbeitete Kohlbrenner sowohl dienstlich als schrift¬
stellerisch ununterbrochen weiter, ohnedass sich seine Verhältnisse angenehmer
gestaltet hätten. Der alte Gegner Drouin schweigt nicht; er beklagt sich
im Juli 1782, dass man der Staatszeitung („wovon ich die höchste Gnade des
Verlags geniesse“) die Veröffentlichung der Generalien erschwere, während das
Intelligenzblatt die Erlasse eher bekomme; die Streitigkeiten wegen des Ver¬
sands der Blätter setzen sich auch im Jahre 1782 fort, obwohl unterm 22. März
eine Preiserhöhung auf 2 fl. 30 kr. gewährt wird. Am 19. Dezember weist
Kohlbrenuer noch zahlreiche Städte und Markte nach, die entgegen der
höchsten Verordnung die Blätter nicht haben oder nicht bezahlten n ").
In dienstlicher Beziehung hatte Kohlbrenner einen unangenehmen
Prozess mit dem kurpfalzbayerischen Hofsiegellackfabrikanten Franz Joseph
Kulnigg zu führen, dessen Verfolgung er unterm 1. Mai 1782 beantragte.
Kulnigg hatte das Privileg, alle bayerischen Mautämter mit dem nötigen
Wachs zu versehen, dessen Güte Kohlbrenner in ernste Zweifel zog. Der
Prozess war bei Kohlbrenners Tod noch anhängig und letzterer zu einer
monatlichen „Alimentation“ an Kulnigg verpflichtet worden. Wieviel Kohl¬
brenner an der Lösung dieses Ehrenhandels lag, geht daraus hervor, dass
er selbst in seinem Testamente noch (S. 147) die Klarlegung dieses Rechts¬
streites verlangt.
Von der ungeschwächten Schaffenslust Kohlbrenners zeugt ein
neues Unternehmen aus dem Jahre 1782. die „Materialien zur Geschichte
des Vaterlandes, dessen heutige Geographie, Natur-Producte, Landwirth-
schaft, Manufacturen, Nahrungsstaud, alte Sitten und Gebräuche in verschie¬
denen Gegenden Baierns, dann der Herzogthümer obern Pfalz, Neuburg und
Sulzbach“. (I. Stück, 96 SA — Die Intelligenzblätter werden ihm zu enge.
Immer wieder macht er den Versuch, in einem Beiblatte, das einzig der Be¬
lehrung gewidmet sein soll, Licht zu verbreiten unter allen Kreisen der Be¬
völkerung. „Der Flor der Laudwirthschaft“, heisst es auf dem ersten Blatte,
„ist die Grundquelle, welche in alle übrige Nahrungsarten einen gesegneten
Einfluss hat: und nichts ist so nothwendig, als ihr die höchste Vollkommen¬
heit zu geben“. Darum soll nach dem Vorberichte eine Darstellung der in
den vereinigten Herzogtümern vorhandenen „Natur- und Landesproducte,
Ackerbau und Laudwirthschaft, wie sie vor Alters war, und wie sie heute ist“,
gegeben werden, ein Beitrag, der gewiss jenen willkommen ist, „welche über
vorangesetzte Gegenstände seiner Zeit eine vollständige Geschichte unsers ge-
sammten Vaterlandes verfassen“ wollen. Die älteste Geschichte Bayerns, Bio¬
graphien berühmter Persönlichkeiten, historische Anekdoten sollen den Inhalt
der Materialien bilden; es soll nicht „aus 9 Büchern das zehende gemacht“,
sondern neue Forschungen zutage gefördert werden. ,,Ich wall meinem Vater-
Baver. Forschungen VI, 2. 10
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14 2 Karl von Reinhardstöttner
lande dienen“, erklärt Kohlbrenner, „und ihm nutzen. Und wenn dieses
meinen Abholden und Neidern nicht gefallen sollte: so bitte ich sie, mich
darüber zu belehren und recht laut zu schmähen, damit die Exemplare der
kleinen Auflage geschwinder vergriffen werden“.
Man sieht, mit welch richtigem Blicke der Herausgeber an seine Arbeit
schritt, indem er wünschte, was fast fünfzig Jahre später Bayerns grosser
König, Ludwig der Erste, in einem Kabinettsbefehle vom 29. Mai 1827
zur That machte 178 ) und in wiederholten späteren Erlassen anbefahl. Er hatte
es auf Beschreibung und Erhaltung alter Denkmäler und geschichtlicher Über¬
reste abgesehen, indem er sich an den „Patriotismus aller (PI. T.) Kloster-
Vorsteher, Archivarien, Bibliothekarien, Diplomatiker, Alterthumsforscher,
Bürgermeister und Stadt-Obrigkeiten, Fabrikanten und geschickter Landwirthe“
wendete, mit der Bitte, ihm „ihre gute Bemerkungen einzusenden, und das
Wissenswürdige zum Nutzen der Nachkommenschaft mitzutheilen, damit sie
dereinst nicht sagen könne, wir hätten nichts beobachtet, nichts aufgeschrieben,
und nichts gethan“.
In stilistischer Beziehung hat er das Volk im Auge; denn „der Mittel¬
stand unserer lieben Mitbürger in Baiern, für den wir eigentlich zu seiner
Belehrung schreiben, ist vielleicht der grösste Theil von unsern Lesern“. Auch
schöne und zahlreiche Kupfer „von guten Meistern“ zieren das Buch; denn
nur durch gute Zeichnungen bekommen junge Leute einen guten Geschmack;
es „wird ihre Einbildungskraft sich an bessere Ideen gewöhnen“. So bringt
er ein altes Titelblatt von Raphael Sadeler 174 ), achtzehn Medaillen baye¬
rischer Fürsten, die Maximilian III. Joseph von Schega 175 ) hatte
schneiden lassen, von J. Mich. Söckler und ein Bild des heiligen Winthir
in Neuhausen (bei München).
Wie sehr Kohlbrenners Gesundheit bereits erschüttert war, als er
an das neue Unternehmen schritt, beweist die Anmerkung (S. 96), dass diese
„Materialien“ erscheinen werden, „wie es Zeit und Gesundheit des Ver¬
fassers gestatten“.
Ein begeistertes „Lied an Bojoarien“ eröffnet die neuen „Materialien“:
„Du schönes Baierland!
Wie schon, wenn Frühlingsblumen blühen,
Im göttlichen Gewand’:
Noch schöner, w'enn die Herzen glühen,
Aus Lieb zum Vaterland.
Den Landmann reizen deine Felder,
Der fetten Rinder Flur.
Du mahlst ihm Berge, Thal und Wälder
In schönerer Natur!“
Das Lied sollte heute noch in keiner Sammlung patriotischer bayeri¬
scher Dichtungen fehlen; denn es ist überaus warm empfunden und verrät
aufrichtige Liebe zur engeren Heimat.
Die nun folgende „Reihe der Churfürsteu von der Pfalz aus dem Durch-
leuchtigst-regierenden Hause“ (8—16) erläutert und übersetzt teilweise die
lateinischen Inschriften der Medaillen Scliegas. Einige Jahreszahlen (Ludwig
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Johann Franz von Kohlbrenner.
*43
der Bayer 1282 st 1287, Albrecht der Fromme 1401 st 1396) sind
schon bei Schega zu verbessern.
Ein überaus interessanter Artikel „Etwas für Genealogisten. Von
Lauingen“ (16—47) behandelt die Inschriften auf Särgen in der Herzoglich -
Pfalzneuburgischen Kirchengruft zu Lauingen, wie sie auf allerhöchsten
Befehl von dem Hofrat Ferdinand von Sezger (1781) abgenommen wurden.
Noch Haeutle bezieht sich in seiner Genealogie (1870) auf diese Arbeit
(153. 154. 155), die einige Zweifel löst
Überaus lehrreich ist die Abhandlung „Zur Geschichte, wie Manufak¬
turen und Fabricken in Baiem nach und nach entstanden sind, vom Handel
mit Salz, Eisen, Getreide und Vieh“ (48—92), eine auf archivalischer Forschung
beruhende, mit vielen Dokumenten begründete Geschichte von Traunstein und
seinem von Kurfürst Max dem Ersten erbauten Salzsudwerke, sowie des
Chiemsees.
Die „Legende eines frommen seligen Ackersmann eines Bauern in
Baiem“ (92) (Winthir) schliesst das Werkchen. Auch hier entwickelt Kohl¬
brenner, wie allenthalben, seine physiokratische Anschauung in überschweng¬
lichster Weise. „Aus allen Ständen ist der Bauernstand der erste, fürnehmste,
und der nothwendigste; eben darum weil alle übrige Stände von dem gut
bestellten Ackerbau abhangen, und weil, wenn dieser nachlässig besorget wird,
daraus für alle andre nichts als Mangel, Armuth, Theurung, Seuchen, und
Elend entstehen. Der Ackersmann ist es, der Landwirth, der alle hohe und
niedere Stände, den Geistlichen und Weltlichen, den Soldaten wie den Bürger,
kurz alle übrige Stände, ja ganze Armeen ernähret“. (93).
In einem umfangreicheren dienstlichen Gutachten vom 13. Juni 1782
versucht Kohlbrenner den „Beweiss dass die Blombierung bei jetzig ver¬
änderten Umständen in den hirobern 4 Herzogthümmern unnüz und vergeb¬
lich, dem Commercio hinderlich, und dem aerario selbst lastbar und schädlich
sey“. Die Stempelung der accisbaren Waren (nach der Mautordnungsbeilage
Lit 8.) habe sich als unpraktisch erwiesen. Im Jahre 1768 habe man „wegen
bevorgestandenen neuen Tabackpacht oder Appalto“ 19 B ) die Stempelung noch
schärfer betrieben, habe aber infolge davon jährlich 5—6 Zentner mehr Wachs
bedurft; aber das Ärar hatte nicht bloss diese Auslagen, es wurde auch viel
Wachs veruntreut und die Stempelung überdies nachgemacht „Es ist un¬
schwer zu zeigen, dass die Stempelungsanstalt, so gut und vorsichtig sie auch
eingerichtet werden mag, in Rücksicht des hierzu erforderlichen mehreren
Personalis, des Stempelwachs, der Landesvisitations Reisen und Recompensen,
Kerzen, Licht, Seiden, Zwirn, gemodelten Papieres und Bley jährlich dem
aerario 3 bis 4000 fl. oder vielleicht eben so viel kostet, als selbst der Landes¬
herrliche Antheil an den Confiscat: Strafen beträgt“. Überdies lässt sich
das Plombierzeichen nicht überall anbringen, z. B. an Galanterie, Uhren,
Tabackdosen, Stahl, Kupfer, Gold etc.; andere Ware (Seide etc.) wird ver¬
dorben. Dabei ereignen sich allerlei Schikanen seitens des Zollpersonales und
Unterschleif seitens der Krämer. „Wenn man heute hier in der Stad, und bey
unsere beyläuftig 4600 Landkrämmem nachsehen wollte, würde man dennoch
IO*
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44
Karl von Reinlianlstöttner
vieleiclit den io. Theil unplombirte Waareu antrefen“, was meist auf Zufälle
hinausläuft, „die nicht doloso animo geschehen“. Kohlbrenner vertritt
darum den Grundsatz: „Eine geringe, billige Ein- und Ausfuhr-Zoll-Tarif
hindert die Defraudationen von selbst“. Das Volk sei bös auf die ganze
Mautverfassung zu sprechen, ja 1770 beschwerte sich die ganze hohe Reichs¬
versammlung in Regensburg über dieselbe.
Für das sicherste Mittel, den Güterabstoss im Lande zu verhüten, gilt
die Vornahme aller Visitationen gleich bei den Grenzmautämtern. Die eigenen
Landesfabrikate sollen gestempelt werden, und wenn ein Meister seine Arbeit
ausser Landes schickt, so soll er vom Zentner nur einen Kreuzer Zoll bezahlen.
„Denn wie kann die Landesindustrie emporkommeu, wenn sie, da sie öfters
vom rohen Materiali herein schwere Zölle und Frachten zu tragen hat, hinaus
von der Arbeit wider bezahlen solle? — In Engelland gibt mau Prämien zu
Vergrösserung der Industrie und der Ausfuhr innläudischer Fabrikaten und
Producten, weil mau Geld ins Land bringt. Dises wäre in Baiern um so
nöthiger, als sehr viele unserer Handwerker und Fabrikanten au der Wohl¬
feile in der Verfertigung der Waare und an der Güte, au Desseius, Schönheit,
Farbe, Geschmack, Kunst und Qualität gegen die Ausländer noch sehr weit
zurückstehen“ 176 ).
Auch im letzten halben Jahre seines Lebens gab Kohlbrenner seine
gewohnte Thätigkeit ebenso wenig auf, als die Schwierigkeiten, mit denen er
zu ringen hatte, nachliessen. Noch am 3. März 1783 plant er den Druck eines
Neuen Testamentes. Er hofft, dass er höchsten Ortes „wenigst mit der Sub¬
scription auf 500 Exemplaren für den Adel, für die Räthe und Beamten, für
die, welche etwa kein Evangelium im Haus haben oder für die Landschulen
gdst. Unterstützung“ finde. Dabei beruft er sich auf seine Vorsicht in Publi¬
kationen und meint, auch „unsre Prediger“ sollten „auf der Kanzel von diesem
oder jenem schädlichen Buch schweigen, weil es vile von dem auditorio zum
vorweg verleitliet dasselbige zu kaufen. Daher auch eine Ermahnung an die¬
selben gar nicht schaden konnte, ja um so nothwendiger, besonders an die
Stegreifprediger ergehen sollte, als wir noch bis jetzt kein Prediger Seminarium
haben, welches wenigst doch bey den Capucinern (die über 45 Kanzeln im
Lande besetzen) ohne Landsherrliche oder neue Kosten so gut als von Welt¬
priestern in München errichtet werden könnte“ 177 ).
Das Intelligenzblatt blieb indes bis zum letzten Augenblicke Kohl¬
brenners hauptsächlichste Sorge. Zwar dankt er unterm 7. März 1783 für
mannigfache ihm gewordene Förderung, allein der wirkliche Erfolg desselben
ist nicht bedeutend. Viele, wie z. B. der Markt Nandelstadt, zahlen die Blätter
nicht, weil sie noch für die nichtperiodische Druckschrift des Hofkammerrats
von Hilleshe im 178 ) „Der Hausvater“ 3 fl. 44 kr. zu erlegen haben 179 ).
Die letzte Klage Koh 1 brenn ers stammt vom 7. Februar 1783. Er
diktiert bereits einem Schreiber und unterzeichnet nur noch. Man wird dem
letzten Wehruf des Unermüdlichen seine Berechtigung nicht abstreiten.
„Nun ist Euer Churfrl. Durch!, gdist. bekannt, wie hart und schwer
es ist, in Baiern eine nüzliche Lecture, ein öffentliches Commercial und oeco-
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Johann Franz von Kolilbrenner.
145
nomisclies Blatt in die Hände der Leser zu spielen, wo wir bekannter Dingen
auf dem flachen Land kein besonders Publicum antreffen, wobey manchem
Bürgermeister auf dem Lande ein Cochem, und ein Kalender die ganze
Bibliothek ausmachen, wo sovile geistl. und weltl. selbst heut zu Tage es
für ein Problem halten, ob die Aufklärung der Vernunft dem Vaterlande 1111z-
lich seve? Daher gehts auch mir mit dem Intelligenzblatt eben oft sehr hart.
Viele Städt und Märkte nemen selbes gar nicht, ungeachtet der gdist. Spezial
Anbefehlung de ao. 1766. Noch zur Stunde hab ich keine Postfreyheit an
die Städt und Märkte. Sie müssten für jedes Blatt 6 und 8 kr. bezahlen,
mithin mehr als ich das Blatt selbst verkaufe, wenn icli nicht deren Versendung
au viele Städt und Märkte auf der Post veraccordirt hätte.“ Nun führt er
all die Städte und Märkte au, die ihm (wie Aibling, Mainburg, Deggendorf,
Moosburg, Landau, Simbach und viele Private) noch schulden. Mit Recht
kann er sich rühmen: „Diess ist die einzige periodische Schrift, die sich in
diesem Jahrhundert zur Ehre Baierns noch erhalten hat, und welche ein anderer
Author vor Menge der Stürme, die dieses unschuldige Blatt schon ausgehalten
hat, längstens würde von sich gegeben haben, wenn ich (nicht) mit patriotischer
Standthaftigkeit die gute Sache unerschüttert in den Gang erhalten hätte, weil
dieses Blatt kraft der Mauthordnung Lit. D. ein Mandatmässig vom Landes
Regenten selbst dem inn- und auswärtigen Publico der Städt und Märkte
versprochenes Blatt ist.“
So bittet Kohlbrenner denn, die Zahlung der Säumigen zu ver¬
anlassen, sowie das Abonnement der noch Ausstehenden zu fordern. 18ü )
Welch überaus thätiges an Plänen noch reiches Leben der Tod Kohl¬
brenners abschnitt, zeigt, dass dieser eben ein neues Unternehmen begann,
die „Beiträge zur Landwirtschaft und Staatistik in Baiern“, deren erster Theil
(92 S.) als „Ein hinterlassenes Werk“, gedruckt bei P\ J. Th ui Ile „und zu
haben bey den von Kohl brennerischen Erben auf dem Schrannenplatze“
noch 1783 erschien. Die überaus frische Vorrede, die von dem Satze ausgeht,
„dem alten Bojer ist nichts zu schwer“, wendet sich an das Volk und be¬
handelt in populärer Form das Dörren des Getreides, dessen Mehl besser und
dessen Brot dann kräftiger sei; ferner giebt Kolilbrenner eine Übersicht
der Getreidepreise von 1584 bis 1700 auf die neue Währung ausgerechnet;
dann eine solche der Viktualien älterer Zeit aus der Kammermeisterrechnung
Ludwigs in Bayern (Laiidshut 1539), endlich spricht er von Münzen und
ihrem wechselnden Werte. Diese Studien, die auf archivalischem Boden
wurzeln, sind trotz ihrer volkstümlichen Art wertvoll.
Nach schwerem Krankenlager verschied Kolilbrenner am 4. Juni 1783
geduldig und ergeben. „Er starb“, sagt Westenrieder (122), „wie er lebte,
äusserst mühselig für sich, und eben darum merkwürdig, erbaulich und lehr¬
reich für uns.“ Das Versehen Wes teil r i eders, der ihn (142) am 6. Juni
(entgegen den Intelligenzblättern) sterben lässt, ist auf alle Biographen Kohl¬
brenners übergegangen und findet sich auch auf dem Leichensteine. Auf
meine Anfrage am Metropolitanpfarramte zu Unserer lieben Frau erwiderte
mir der hochwürdige Herr Dompfarrer Dr. Lech 11 er, dass der in den Toten-
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146
Karl von Reinhardstöttner
büchem jener Zeit eingetragene Tag stets der Begräbnistag sei. Da sich
nun Kohlbrenner im Totenbuche unterm 6. Juni eingetragen findet so
wurde er an diesem Tage begraben. Für die gefällige Mitteilung spreche
ich dem hochwürdigen Metropolitanpfarramte meinen besten Dank aus.
Am 6. Juni 5 Uhr abends wurde er zu Grabe getragen. Sein Denk¬
mal verkündete über ihn die wahren Worte: „Er war ein bürgerlicher Schrift¬
steller, und ein thätiger Bürger. Eine seltene Kühnheit im Unternehmen und
eine nie besiegte Standhaftigkeit im Ausführen zeichneten ihn bey seinen Zeit¬
genossen aus.“
Am 26. Mai 1783 hatte er sein Testament in 27 Punkten gemacht;
einige derselben spiegeln die ganze Gesinnung des Mannes in ihrer vollen
Eigenart so getreulich wider, dass eine Biographie desselben nicht erschöpfend
wäre, wenn seine hauptsächlichsten letzten Bestimmungen fehlen würden. Er
verordnet unter anderem 182 ):
i mo . Meine Seele gehöret Gott, die ich, wie Jesus mein am Kreuz
sterbender Heiland, in die Hände des himmlischen Vaters übergebe. Mein Leib
gehört der Erde: und man soll mich 2 do . zu U. L. Frau Gottesacker, wo meine
liebe Mutter liegt, hin zu ihr begraben, und uns beyden soll ein Grabstein
von schwarzen, oder braunen Marmor gemacht, und deutsch unsere Namen
hingeschrieben werden.
3 tio . Meine Gottesdienst, alle drey müssen mit deutschen Text von den
Choralisten gesungen werden: dafür sollen sie doppelten Lohn erhalten, als
sie sonst von einem figurirten Seelamt anzusezen pflegen. — Für die Seel¬
messen hat er bereits gesorgt; sie müssen abgeschrieben werden. Der Chor¬
regent erhält hiefür und für die Direktion fünf Dukaten. Im ganzen sollen „bey
allen 3. Gottesdiensten 108 heilige Messen, nebst drey Ämter, mit deutschen
Seelenliedern“ gehalten werden. Nur drei Bruderschaften sollen mit der Leiche
gehen, wofür sie je 5 fl. erhalten. „Die Studenten, welche mitgehen, singen
deutsch das dies jrae, dies jllae (sic), wie es bereits im Drucke vorhanden.“
Als Testameutsexekutor wurde der Oberlandesregierungsrat Benno von Hof¬
stet t er ernannt. Sollte er es nicht allein übernehmen, so wäre Kohl-
brennners Gevatter, Hofrat Ferdinand von Sezger, zuzuziehen. Es soll
alles friedlich abgehen und vorausgesagt werden, „dass derjenige, der ohne
Noth murret oder mit Unzufriedenheit sich wider diesen meinen letzten Willen
auflehnet, sich des ihm legirten Betrags auch verlurstiget machen kann.“
Universalerben sind Kohlbrenners beide Schwestern, „Maria Eva Krö¬
nin ge rin von Neudenstein Wittwe und Rosina Oberinayrin Salz- und
Wegbereiterin zu Traunstein.“ Für den Grabstein werden 300 Gulden ein¬
gesetzt. „Herr Professor Westenrieder und Herr geistl. Rath von Kohl-
mann 188 ) besorgen die Aufschriften, welche ganz kurz seyn müssen, um dem
Neid keinen Anlass zum gespött zu geben.“
Kohlbrenner verfügt über eine grosse Anzahl von Gemälden, Büchern,
Uhren, Ringen und anderen Wertsachen, die er einzelnen Genannten (Westen¬
rieder, Kohlmann) vermacht.
„Meine Bibliotheck erachte ich, wer die Seltenheit und räre Werke
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Johann Franz von Kohlbreuner.
147
kennet: den wahren jnneren Werthund den kostbaren Band zu schätzen weis,
dass sie mir sey auf 6- bis 7000 fl. zu stehen geckommen. Ich verstehe aber
hier jene Bibliotheck, welche in meinem ord: Schreib- und Schlafzimmer be¬
findlich ist, sammt dem Naturalien Cabinet lS4 \ in dem grünen Kästl daselbst,
welches meistens in Landesproduckten bestehet.“ Diese Bibliothek erhielten
die drei Söhne des Hofkammerdirektors Joseph von Plank.
Allein diese Bibliothek darf erst dann übergeben werden, „wenn dem
Titl. Herrn Testamenti Executori und meinen beyden Frauen Schwestern, und
universal Erbinnen das Absolutorium über die bekannte K u l.n i g g ische
Asserta wird vorgezeigt werden, oder vielmehr, wenn eine neue Hofkammer
Resolution oder eine in Pleno verfasste Erklärung, oder Gutachten des Inhalts
gnädigst vorgelegt, und herausgegeben worden sein wird, dass die über meine
abgelegte aufgenommen, und justificirte Rechnungen von Ao. 1770 bis 1782
ausgestellte Hofkammerquittungen, jährliche Resten communication, und Ab-
solutorien ihre Rechts Kraft, Giltigkeit und Ehren-Versicherung haben; denn
es liegt die Ehre der hochlöbl. Hofkammer, sowie die Meinige daran * und es
leidet in Sachen keinen Vergleich — weil der verläumderische Kullnig, so¬
wie er es schon lange hätte thun sollen, die Probe seines falschen Asserti
machen, oder widerrufen oder abbitteu muss. So muss auch die aus Ver¬
schulden der vorigen Hofkammer Proponenten, welche die Acte so lang im
Staube liegen Hessen, veranlasste Alimentation, so dem Kulnigg bisher hat
verreicht werden müssen, meinen Erben vor der Extradition dieser Bibliotheck
und des Naturaliencabinets baar ersetzet werden, oder sie muss vom Titel
Herrn Expeditor Erhard, der sie dem Kulnigg an der Wachslieferuug
wieder abziehen kann, meinen Erben bezahlt werden: oder sie muss in der
1783 Hauptbuchhalterey - Rechnung in Ausgab passireu, weil das Stempel¬
wachs nicht die Person des von Kohlbrenners angehet, sondern das cameral-
amt der Hauptbuchhalterey- und das cameral Schreib Material Magazin; denn
ich versire in facto licito; ich musste meine erhaltene Hofkammer Instructionen
befolgen, daher weder ich noch meine Erben deshalb etwas zu entgelten haben.“
Vielfach bedenkt Kohlbrenner arme Leute, Stiftungen u. s. w. mit
Legaten und legt auch seinen Erben noch mancherlei in dieser Hinsicht auf;
doch sorgt er auch für alles, das „Klaggewand“ der Schwestern und das
„Klaggleid“ der „zwei Dienstbothen“. „Das vorhandene graue Stuck Tuch,
so gegen 28 Ellen hält, soll unter 6 arme Singknaben nach Siegsdorf“ ver¬
teilt werden. „Von dem grünen Stuck Tuch von beyläufig 25 Ellen sollen
dem Schulhalter zu Häching 5 Ellen zu einer Kleidung abgefolgt, der Über¬
rest aber unter die Schulkinder zu Siegsdorf nach der Beschaffenheit ihres
Fleisses im Lehmen als Proemien zu 4 Ellen ausvertheilt werden.“ Auch für
sein Seelenheil stiftet er einen „von Koh 1 brennerischen Jahrtag“ nach
St. Oswald in Traunstein mit 1260 fl., deren Zins er auf 50 fl. 24 berechnet.
Nach Abzug von 1 fl. für jede Messe und 2 fl. 24 k. für das Amt verbleiben
jährlich 46 fl. Diese „gehören dem Organisten und Chorregenteu und cautorn
für Absingung des deutschen Pange lingua in den monathlichen und doners-
täglichen Processionen, dann des deutschen Predigtgesangs: Jch glaube Gott
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148
Karl von Reinliardstöttner
mit Zuversicht etc., dann des Seegengesanges bey jedem heil. Seegen: Wir
bethen au etc., so sie das ganze Jahr hindurch beobachten und singen. Dess-
gleichen für den producirenden deutschen Ölberg in den 6 Fasten-Donerstagen.
Ein Nachtrag bedenkt auch noch seine „Taufgöthen“ und „Firmgöthen“.
Nummer 23 des Intelligenzblattes vom 6. Juni 1783 enthält (S. 220)
die schlichte Anzeige von Kohlbrenners Tod „nach einer langwierigen
schmerzhaften Krankheit, an der Windwassersucht. Seine herausgegebenen
Schriften und sich darum erworbenen Verdienste sind in der gelehrten Republik
hinlänglich bekannt.“ Mit mehr Wärme berichtete die „Allgemeine Deutsche
Bibliothek“ 185 ) das Ereignis mit den Worten: „Den 4 ten Juuius starb zu
München der Herr Hofkammerrath von Kohlbrenner, ein überaus einsicht¬
voller, wohldenkender und thätiger Mann, der gewissermassen ein Märtyrer
seiner redlichen Absichten zu Beförderung der Aufklärung und gesunden
Vernunft geworden ist. Er hatte besonders einen grossen Eifer, deutsche und
vernünftige Kirchenlieder in die katholische Kirche einzuführeu und dadurch
bessere Gesinnungen unter dem Volke zu bewirken. Er konnte aber nicht
durchdringen, und ward darüber sehr verfolgt.“ *
Nun sah auch die Regierung ein, dass nicht jede Persönlichkeit ge¬
eignet sei, die Intelligenzblätter zu leiten. In der amtlichen Anzeige von
Kohlbrenners Tod (6. Juni) heisst es u. a. „Das Intelligeuzblat aber, ob¬
schon auch ein Unstreutiger Theil des Mauth und Comercien wesen, wegen
welchen es urspringlich aussgekommen, wäre ein besonderes Privilegium,
welches nicht so glatterdings, wie ein Zeitungsschreiben zu beobachten, sondern
von denen in der Mauth und Comercialwesen einschlägig articlen nur Ver¬
ordnungen selectain Personae industriam erfordert, Welches auch einen be¬
sonders importanten Verlag und einen berechtigten Zusammenhang des Jahr¬
laufs verlanget.“ 186 ) Die Wahl einer geeigneten Person fiel auf Peter Paul
Fi 11 au er, wovon unterm 28. Juni 1783 die K ohlbreu 11 er sehen Erben
verständigt wurden.
„Da Seine Kurfürstliche Durchleucht bereits unterm dato Neapel des
11 hujus eventualiter gnädigst resolviert haben, dass das Privilegium des
Intelligenzblattes, im Falle der Hofkammerrath von Kohlbrenner mit
Tod abgehen wird auf den Peter Paul Finauer in der Maas, wie es jener
inne hatte, ausgefertigt werden solle, als bleibt der Oberlandes Regierung ein
solches mit dem Auftrag unverhalten, dass den Kohlbrenuerischen Erben
hiervon Nachricht ertheilt werde.“ 187 )
Als später Finauer am 22. November 1788 aus dem Leben schied,
bewarb sich ein Mann um die Redaktion des Intelligenzblattes, der wie keiner
berufen war, es zu führen, Dichter und Schriftsteller, Gelehrter und Patriot,
ein Märtyrer für das bayerische Schulwesen — Ludwig Fron¬
hofer. Um der trefflichen Biographie Muggeuthalers ,8S ) ein neues Blatt
ein zu verleiben, mag das Gesuch Fronhofers in den Anmerkungen folgen 189 ).
Dass man für den edlen Patrioten nichts that, im Gegenteile ihn auch hier
abwies, versteht sich von selbst. Der Ehrenmann und Patriot war nicht
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Johann Franz von Kohlbrenner. 149
genehm. Burgholzer 190 ) übernahm nach Fi n au er bis zum Jahre 1795
die Leitung des Blattes.
Überblicken wir Kohlbrenuers gesamte Thätigkeit, so fällt es auf,
dass man trotz der ununterbrochenen Reibereien und Verfolgungen, welche
ihm seine litterarische Arbeit eintrug, ihn niemals fallen liess, dass strenge
Massregelungen des Schriftstellers häufig mit Beförderung des Beamten gleich¬
zeitig erfolgen. Diese überraschende Erscheinung hat ihren zweifellosen Grund
in der seltenen Verwendbarkeit, dem hochgradig entwickelten Verwaltungs¬
talente und dem unentwegten Fleisse, den Kohlbrenner in allen dienst¬
lichen Angelegenheiten entfaltete, Eigenschaften, von denen die beiden Kur¬
fürsten, welchen er diente, sicher überzeugt waren. „Was aus seiner Hand
kam“, sagt Westenrieder, (S. 9), „war mit der äussersten Genauigkeit und
Einsicht bearbeitet.“ „Er entdeckte Fehler und Mängel, oder Quellen er¬
giebiger Vortheile, die kaum jemand wahrnahm, und wo es darauf ankam,
weitläuftige Pläne oder Tabellen herzustellen, und in einer langwierigen Mühe
auszuhalten, da war man überzeugt, einen erfahrnen, richtigen und höchst
sorgfältigen Mann vor sich zu haben.“ (S. 12).
Er regelte das Triftwesen nach eigenen praktischen Gesichtspunkten,
er gab der Mautverwaltung eine völlig neue Gestaltung; nichts, was dem
Staate von Nutzen war, entging seinem Scharfblicke, keine günstige Gelegenheit
übersah der gewandte und kluge Beamte zu einer Zeit, wo mau allen Ernstes
lehrte, „die Quellen der Landesnahrung aufdecken sey gerade soviel als die
Geheimnisse des Landes verrathen“ 19 J ).
fcur der Beharrlichkeit Kohlbrenners gelang es, Amtsarbeiten durch¬
zuführen, unter deren Erledigung andere thatsächlich erlagen 192 ). Nur ein so
klarer Geist, wie derjenige Kohlbrenners, konnte sich an derartig wichtige
Aufgaben wagen, wie die Herstellung einer umfassenden Statistik Bayerns
war, zu deren Bewältigung er eingehende, überaus geschickt abgefasste und
sachlich gehaltene Fragebogen entwarf und drucken liess 193 ).
Dass er gleich streng gegen seine Untergebenen, wie gegen sich selbst,
war, dass er von seinen Hilfsbeamten dieselben Anstrengungen forderte, denen
er selbst sich unterzog, erweckte ihm selbstverständlich zahlreiche Gegner; es
fehlte nicht an Spottschriften und satirischen Zeichnungen über ihn, an
Schmähartikeln, die besonders auch seine krüppelhafte Körpergestalt in un¬
flätigem Witze lächerlich machten; ja er hatte zeitweilig sogar für seine
persönliche Sicherheit zu bangen 194 ). Er „stund eben“, wie Westenrieder
(S. 87) sich äussert, „gar vielen im Weg; er sagte durch seine Handlungen
gar vielen, dass er sie kenne und nicht fürchte, und er nahm es, wie bekannt
ist, immer mit ganzen Partheyen auf“.
Dabei war Kohl brenn er s amtlicher Wirkungskreis noch dazu von
jener heiklen Art, die den damit Betrauten nur zu leicht dem Gerede böser
Zungen preisgeben kann. Wenn ersieh (i. J. 1770 bis 1773) aufs entschiedenste
für die Aufhebung des Tabaksappalto 195 ) und die Freigabe des Tabakshandels
verwendete, so lag es den Feinden wohl nahe, ihn zu verdächtigen, als ob
allerlei durch private Interessen an der Sache beteiligte Händler hinter ihm
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Karl von Reinhardstöttner
150
stünden; allein trotz seiner höhnischen Bemerkungen (S. 51) bringt der
anonyme Biograph hiefür auch nicht den allergeringsten Beweis; ebenso kann
man die weitere Bemerkung desselben, man könne aus der Freigebigkeit des
Linzer Lederfabrikanten Bernhard Ha yd 196 ) gegen die Kanzlisten „auf
dessen Freygebigkeit an den Kohlbrenner schliessen“ (52), nur als eine
unbewiesene, freche Verleumdung ansehen. Gerade als Beamter steht Kohl-
breuner unantastbar da, und in dieser seiner Unbescholtenheit allein müssen
wir die Ursache erblicken, warum der gehasste und beneidete Mann, dessen
Sturz kurzsichtige Vorgesetzte, engherzige Amtsgenossen und streng über¬
wachte Unterbeamten, beschränkte Dunkelwichte und abgewiesene Bestecher
als den höchsten Triumph begrüsst hätten, sich allezeit fest zu behaupten
vermochte und dies in eben jenem Amte, dessen Handhabung durch die
schwierige Stellung dem Publikum, den Industriellen, den Pächtern und
Monopolinhabern gegenüber nicht nur der Unbestechlichkeit zahlreiche Ver¬
suchungen nahelegte, sondern auch der üblen Nachrede manchen scheinbaren
Anhaltspunkt bot.
Nur ganz nebenher lief die umfassende literarische Thätigkeit des
rastlosen Mannes, die ihm bei seiner mangelhaften Vorbildung gewiss nicht
so leicht wurde 197 ), wie manchem in den Schulen herangereiften. Bedenkt
man dazu noch, wie zutreffend Westenrieders Urteil (S. 19) ist, dass
Werke, wie das Iutelligenzblatt nur „mit der Keule in der einen und dem
Schwert in der andern Hand auf geführt werden“ können, so muss sich unsere
Bewunderung vor dem nie ruhenden Geiste noch wesentlich erhöhen.
Auch das Ausland erkannte Kohlbrenners Verdienste au 198 ). Zahl¬
reiche gelehrte Gesellschaften (die fürstlich deutsche zu Anhalt Bernburg
1772, die ökonomische zu Diespa in der Lausitz 1774, das Institut der
Moral auf der Akademie zu Erlangen 1776, die naturforschende Gesellschaft
zu Zürich 1778, die Accademia degli Aspiranti zu Conegliano 199 ) 1782)
ernannten ihn zu ihrem Mitgliede. Et selber zeichnet sich sehr häufig als
solches der k. k. Akademie zu Rovcreto 2Ü0 ), der er seit 1773 angehörte.
Auch sein Adelsdiplom führt diese Ehrungen alle auf.
Diejenigen, welche wiederholt sagten und sagen, Kohlbrenner habe
bei allem sein eigenes Interesse im Auge gehabt und nur Dinge ernstlich
vertreten, aus welchen ihm selber irgend ein Vorteil erwuchs, kennen das
innere Wirken des Mannes nicht. Jahre verwendet er z. B. darauf, die seit
undenklichen Zeiten gefeierte kirchliche Erinnerung au die Schlacht am Weissen
Berge (8. November 1620), die durch Prozessionen und Umzüge nicht minder
als durch Gottesdienste in der Kirche begangen wurde, abzuschaffen. Immer
und immer wieder hielt er dem Kurfürsten und den Verteidigern dieses Festes
vor: „Wir haben den nächsten Agnaten unsers des gemeinschaftlichen Stamm¬
hauses, dem unglücklichen Friedrich V., ein Königreich entrissen, und
darüber sollen wir Baiern uns freuen, darüber sollen wir Jubelfeste halten
können?“ 201 ) Eher wären doch jene Helden zu feiern, die gegen Türken
und Ungläubige fielen, oder ein Erntefest dankbar zu begehen. Nach fünf
Jahren (1777) stets erneuter Vorstellungen gelang es Kohlbrenuer, dass die
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Johann Franz von Kohlbrenner.
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Prozession auf den 14. September verlegt, als Erntefest behandelt und nur im
allgemeinen für die pro religione et patria gewonnenen Siege abgehalten und
das unselige Andenken der Prager Schlacht seitdem nicht mehr aufgewärmt
wurde. Wie viele Gegner — offene und geheime — erwarb sich Kohlbrenner
durch den Kampf um eine Sache, die er gewiss nicht aus persönlichen
Rücksichten vertrat, und mit der er sich lediglich nur neue unversöhnliche
Feinde zu den zahlreichen alten schuf.
War nicht der (S. 125 ff.) besprochene Kampf für den deutschen Gesang
beim katholischen Gottesdienste, die rastlose Bemühung für Aufhebung der
Begräbnisse innerhalb der Stadt 802 ) und vieles Ähnliche dem gleichen un¬
eigennützigen Streben Kohlbrenners entsprungen — einem Streben, für
das er, gleichviel ob er durchdrang oder unterlag, nur Widersacher und Feinde
erwarb und Vorwürfe erntete, die er sicher nicht verdiente?
Kohlbrenners Absicht, praktisch und für die weiteren Massen
des Volkes zu wirken, beweist nichts so sehr, als seine kleineren Schriften,
die nach seinem Tode seine Hinterbliebenen im Intelligenzblatte (1783. S. 311.
376. 448. 472) zum Verkaufe ausbieten. Die Mehrzahl derselben 808 ) sind
Kirchenmusikalien (Messen, Christenlehrlieder, Predigtgesänge, Litaneien). Da¬
bei aber findet sich auch eine „Schreibschule oder Unterricht für die
Anfänger in der Schreibkunst“ (1775. zwei Teile), Ölbergandachten, Be¬
trachtungen der Schmerzen Mariä (1783) u. a. Bei all dieser überraschenden
Thätigkeit leitete ihn irgend ein gemeinnütziger Gedanke. Er wollte
stilistisch unschöne Gebete durch bessere ersetzen, ihm unkirchlich oder
unbiblisch scheinende Bräuche, wie den dreimaligen Fall des Heilandes am
Ölberge, wegbringen — kurz, stets war es ein praktischer Zweck, der
ihn zu so kleinen Arbeiten veranlasste, bei denen er meist einen weitgehenden
Hintergedanken hatte.
Kohlbrenners Charakterbild entwickelt sich zurgenüge aus der
Darstellung seiner umfangreichen dienstlichen und schriftstellerischen Thätig¬
keit Von dieser Seite betrachtet, steht er vor uns, wie Wes teil rieder ihn
zeichnete, der, zugleich sein Freund und selbst ein edler Mann, sich gewiss
nur mit einem solchen zu näherem Umgänge verband. Was dagegen der
anonyme Pamphletist vorbringt, liest sich wie ein gehässiger Klatsch; er reiht
eine Masse von Einzelheiten aneinander, die nirgend bewiesen werden und
sicher, selbst wenn ihr Kern etwas Wahres enthielte, im Zusammenhang der
Ereignisse sich wohl wesentlich anders ausnehmen würden. Die Andeutungen
von dem Verfahren gegen die „arme insolvente Witwe“ (16. 80) oder den Land¬
hauspfleger Joseph Jesenwanger (74) 204 ), gegen Bettler und Bedürftige
(82. 87 u. ö.) 205 ) entbehren in dieser Fassung der Wahrscheinlichkeit, be¬
sonders wenn das Zeugnis eines unbestochenen Geschichtschreibers, wie
Westenrieder, die klaren Thatsachen vor Augen legt. Auch Friedrich
Nicolai 206 ), der im sechsten Bande seiner „Beschreibung einer Reise durch
Deutschland und die Schweiz“ (1785) dem verstorbenen Kohlbrenuer (S. 675
bis 678) ein Blatt der Erinnerung widmet, weist die „unwürdigste Art“ ab,
mit der dieser sein Gegner ihn verunglimpft. Mit allem Rechte bemerkt
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Karl von Reinhardstöttner
Nicolai unter anderem, dass es einen „edelmüthigen Mann“ nicht schänden
kann, „wenn er deswegen ins Gefängniss geworfen wird, weil er die Un¬
gerechtigkeiten der Mächtigen öffentlich rügte“. Er erklärt sich Kohlbrenner
zu besonderem Danke verpflichtet, weil er ihm auf seine „Anfragen sehr
richtige und vollständige Nachrichten ertheilte“, wovon er vieles, was er über
München sagte, brauchte, und setzt mehrfach die Bosheit des Anonymus ins
richtige Licht.
Kohl brenn er war ohne jeden Zweifel ein tiefreligiöses Gemüt. Man
kann gegen „Bruderschaften und andere Andächteleyen öffentlich schriftlich
und mündlich“ eifern, wie ihm der Anonymus (87) vorwirft, man kann glauben,
dass die Kapuziner und Franziskaner „doppeltes Allmosen“ erhielten, wenn
sie „statt ihrem Chor, von dem wir nichts verstehen, auf den Dörfern Schule
halten und Bäume setzen“ wollten (I. B. 1783. S. 30), dabei aber eine recht
fromme und christliche Gesinnung besitzen und sie auch ungescheut bekennen.
Deshalb ist einer noch kein „vollkommener Bigot, der immer Gott im Munde
führt“ (86), und auch kein „Heuchler“ (17. 91). Man braucht kein Freund
der Wallfahrten und Bittgänge zu sein, kein Vorkämpfer für Feiertage, kein
Verfechter des damals allenthalben beklagten Bettels, der in Bayern zu jener
Zeit die grösste Landplage geworden war- 0 '), um als ein gläubiger Christ
zu gelten. Das richtige Urteil fällt wohl Wes ten ri eder, der Priester, der
von ihm (142) sagt, er „erfüllte die Pflichten eines weisen Christen mit
einem Eifer, der sich auf die f r e v w i 11 i g s t e 11 Handlungen der Andacht
erstreckte“.
Kohlbrenner war überaus nüchtern, einfach und sparsam. I111 Dienste
des Staates hatte er diese weise Sparsamkeit gelernt, die er dann auf seinen
eigenen Haushalt übertrug. Er hat. im Gegensätze zu vielen Anderen, mit
fremdem Gute gespart und Tausende dem Ärar erhalten, warum sollte er
diese hier geübte Tugend nicht an seinem eigenen Vermögen gleichfalls üben?
Er hat es auch zu einem Besitz gebracht; allein schon W es ten ri eder weist
nach, dass der ehelose, an mässige Einfachheit gewöhnte, schwächliche Mann
sich leicht etwas zurücklegen konnte 209 ). Freilich meint Westenrieder (86):
„Man ertanzt sich wohl, aber man erschreibt sich kein Herzogthum.“ Hart¬
mann klagt drei Jahre später, wie sich nicht der Patriot, sondern nur „der
Hämmling Caffarelo“ „ein Herzogthum ergurgelt“ 208 ). So erwarb er schon im
Jahre 1771 (am 16. November) das schöne Hiebersche Haus am Haupt¬
platze (Markt Mariae), in welchem (1632) Gustav Adolf gewohnt hatte,
und das heute die Nummer 5 (Marienplatz) trägt, um 13000 Gulden 210 ).
Geizig und eigennützig war er nach W e s t en r i e d e r s Zeugnis nicht;
sollte er auch „in einzelnen Fällen seine Häuslichkeit übertrieben“ haben
„oder zu unbesorgt gewesen seyn, um ihr einen bessern Schein und wohl gar
den Schein der Tugend zu geben“ (89). Auch mag er in mancher Beziehung
der Sonderling gewesen sein, als den ihn viele ansahen 211 ); dazu wird das
Bewusstsein seiner mangelnden Körpergestalt und das Gefühl, auch dessent-
halbeu verhöhnt zu werden, viel bei getragen haben. Charakteristisch ist ein
Gedicht Kohlbrenners in dem Intelligenzblatte (1777. S. 420), „An die
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Johann Franz von Kohlbrenner. 153
Verfasser meiner Grabschrift *. Die Freunde pflegen, „den guten Narren“ nicht
zu vergessen; am Grabstein soll nichts stehen, um nicht Neid oder Tadel
(S. 146) wach zu rufen; doch, schliesst „der Intelligenzer“:
„Gesetzt ihr wollt aus Eigensinn
Mein Daseyn nicht vergessen lassen,
Schreibt über meine Bahre hin,
Hier liegt ein Narr,
Ders oft um Christi willen war.
So wird gewiss mich Niemand hassen,
Nein! mich im Grab’ mit Klir’,
I11 Ruh und Frieden lassen.“
Noch auf dem Totenbette (am 28. Mai 1783) sagte er zu Westenrieder:
„Sie müssen mir meine Grabschrift machen“. „In dieser Totenbahr liegt ein
patriotischer Narr, Franz Kohlbrenner, ein Bayer.“ 212 )
Selbst an seinen Umgangsformen und Eigenheiten sucht der Anonymus
(93) das Schlimmste heraus, indem er ihm seinen „Hang zu Anzüglichkeiten
und seinen satyrischen Witz“ (94) verargt und meint, „er war furchtsam und
höchst argwöhnisch und traute also keinem Menschen“. Dazu hätte der viel¬
geprüfte Mann wahrlich allen Grund gehabt; erzählt doch derselbe Tadler
einige Seiten vorher (63), dass in dem schweren Jahre 1775 „Kohlbrenner
just denjenigen für seinen besten Freund und Vorsprecher im Hofratli hielt,
der eben in dieser Sache der eifrigste Proponent und sein Verfolger war, und
ihm die Strafe so hart zuspitzte“.
Es scheint nach all den persönlichen Zügen, die wir lesen, dass Kohl-
brenner die Eigenart der alten Junggeselleu, pünktliche Genauigkeit, Spar¬
samkeit, ein schärferes Urteil über die Mängel der Mitmenschen, ein Teilchen
Egoismus und ähnliches nicht verleugnete. Aber mit Westenrieder, der
ja bekanntlichst ein besonderer Verehrer des ehelichen Lebens war 213 ), müssen
wir dem Manne, „der die Freuden der ehelichen Liebe“, „die Liebe eines
Vaters für Kinder nicht“ kannte, müssen wir Kohlbrenner „die bürger¬
lichen Vollkommenheiten und Bestrebungen“ (140) doppelt hoch anrechnen,
doppelt hoch schätzen, dass er selbst in Dingen, die „seine Person im ge¬
ringsten nichts angiengen“ (46), nicht nachliess, sondern das angestrebte Ziel
mit seltener Hartnäckigkeit verfolgte, ob auch persönliche Demütigung damit
verbunden sein mochte (75).
Westenrieder entwirft ein genaues Bild sowohl der äusseren Er¬
scheinung, als des inneren Wesens des Mannes, mit dem er in aufrichtiger
Freundschaft lebte. „Kohlbrenner“, sagt er (134), „verdient in allem Be¬
tracht, dass ich das Geinählde seines Charakters so gut als möglich vollende“.
Der Zeichnung des Augenzeugen 214 ) ist wohl nichts anzufügen. Auch des
körperlichen Mangels gedenkt Westenrieder (132. 133) ohne Rückhalt;
der niedrig gesinnte Anonymus hätte nicht zuerst festzustellen brauchen, „dass
er ein bucklichtes, missgewachsenes Zwerglein war“ (19). Wes te 11 r i eder gab
seiner Biographie ein von Weissenhahn 215 ) nach einem Ölbilde von Oefele 216 )
gestochenes Bildnis Kohl brenn er s bei.
Westeurieder fasst am Schlüsse seiner Monographie (141) die Be-
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Karl von Reinhardstöttner
deutung Kohlbrenners in die Worte zusammen, „dass er zur Aufklärung,
zur Tilgung alberner Misbräuche, zur Belebung der litterarischen und bürger¬
lichen Thätigkeit, bey schweren Schicksalen so viel gethan habe, dass, wenn
andere nur die Hälfte davon thun wollten, unser Baiern in Deutschland hoch
empor gegen Himmel schauen, und ... in Dingen einer gegründeten Gelehr¬
samkeit, einer gegründeten, reinen, durch ein frommes Leben bestättigten
Frömmigkeit, in Abstellung der Misbräuche, in Verbesserung bürgerlicher
Gewerbe etc. die Richtschnur und Regel aller Provinzen rings um uns sein
würde — das wir gegenwärtig wahrhaftig nicht sind“.
Der k. geheime Rat B. von Münchshausen schrieb ihm (1783) in
ähnlich anerkennender Weise 217 ): „Ich ... bewundere oft die standhafte Mühe,
mit der Sie fortfahren, alles, was für Ihr Vaterland gemeinnützlich seyn kann,
hervorzuziehen. Diess ist . . . so gewiss ein doppeltes Verdienst, als es Ihnen
einst zur besondem Ehre gereichen wird, in einem Land, wo, nach meiner
Vorstellung, der Geschmack an dem Einheimischen der Gelehrsamkeit, noch
im Entstehen ist, denselben nach gründlichen Gegenständen geleitet zu
haben . . . Manche bittere Laune Ihrer Landsleute werden Sie indess er¬
dulden müssen, bis der Weg, worauf das Nachdenken gedeihet, geebnet seyn
wird ... Und Sie sind zuversichtlich ganz der gefasste und entschlossene
Mann dazu, und vorübergehende Widerwärtigkeiten werden Sie vielmehr er¬
muntern und bestärken, als niederschlagen.“
Wiederholt 218 ) stellt Westenrieder Kohlbrenner und seine Lebens¬
schicksale als Ermunterung für „manchen jungen Landsmann“ hin, um ihn,
„den die ersten herben Streiche auf immer abschrecken möchten, heilsam zu
beschämen, und ihm, was unbeugsamer Muth heisse zu zeigen“ (20). Das
schönste Lob und die für einen Vaterlandsfreund höchste Anerkennung aber
spricht er in den wenigen trefflichen Worten (137) aus: „Er hat in seinen
Umständen das Möglichste, das er thun konnte, gethan.“
Sollte man darin das Urteil des Freundes erblicken, so kommt uns ein
anderes ausländisches zu Hilfe, das fast wörtlich das Gleiche von
Kohlbrenner rühmt. „Durch seine patriotische Thätigkeit“, sagt die „All¬
gemeine Deutsche Bibliothek“ 219 ), „trug er zur Aufklärung seines Vaterlandes
so viel bey, als gewisse bekannte Hindernisse zuliessen“. Ja noch mehr!
Die gegnerische Zeitung selbst lässt sich in einer Besprechung der Westen¬
ried er sehen Biographie Kohlbrenners, wie folgt 220 ), vernehmen: „Es ist
wahrlich genug — genug gesagt, wenn man beurkunden kann, dass es keine
gute Neuerung unter uns gab, die er nicht unterstützte, beförderte, vollenden
half; und kaum noch eine nüzliche Disziplinär Reform mehr möglich ist, die
er nicht, villeicht gerade in Zeiten, wo sie wegen mächtigerem Widerstande
nicht zur Reife gedeihen konnte, voraus geahndet, oder wohl gar mit edler
Kühnheit gerüget hatte.“
Aus alle dem, w T as bei Kohlbrenners Tode für die Aufklärung noch
zu thun war, mag sein Kampf für dieselbe am besten gewürdigt werden 221 ).
Der Mann, dem Heimat und Ausland ein solches Lob zuteil werden
Hessen, hätte wohl ein Recht, von sich mit dem Sänger von Venusia zu
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Johann Franz von Kohlbrenner.
15.5
sagen: Non omnis moriar. Der Teil aber von ihm, der nicht mit ihm bestattet
wurde, um das Wort Horazens weiter zu führen 322 ), sind die fortschrittlichen
Ideen, die durch seine opfermutige Mithilfe in seinem Vaterlande Wurzeln
schlugen, die Wurzeln jener mächtigen Bäume eines freiheitlichen bürgerlichen
und politischen Lebens, die seine spätem Nachkommen erquickend beschatten.
Quellennachweise.
1) Leben des Johann Franz Seraph edlen von Kohlbrenner, kurfürstl. wirkl.
Hofkammer- Mauth- und Commercienraths in Baiem. Von Prof. Westenrieder. Samt
seinem Portrait München, 1783. Bey Johann Baptist Strobl. (148 S. 36 kr.) —
Nach dem Intelligenzblatt 1783. No. 25 S. 235 im Juli erschienen. — Der Verleger Professor
und Buchhändler Strobl kündigt es am 30. Juli 1783 zum ersten Male im „Münchner
Wochenblat“ (No. 31) an.
2) In No. 24 (1783) der „Münchner Stats- gelehrte, und vermischte Nachrichten
(„Münchens Woclienblat“) wird angezeigt, Kohl brenn er habe „die umständliche Geschichte
seines Lebens .... mit eigener Hand niedergeschrieben, dem Professor Westenrieder
übergeben“.
3) Kohlbrenner wie er war oder Anmerkungen und Anekdoten zu dem von
Hm. Prof. Westenrieder verfassten Leben des Johann Franz Seraph Edlen von Kohl¬
brenner. 1783. (m S.).
4) Satir. lib. I. 3, 68.
5) Ausser dem (Anm. 1. u. 3.) Aufgeführten ist über Kohlbrenner nachzusehen:
Des Herrn Abts Ladvocat historisches Hand-Wörterbuch worinnen von den Patriarchen,
Kaysern, Königen, Fürsten, grossen Feldherren, heydnischen Gottheiten und andern Helden
des Alterthums, Päbsten, Kirchenvätern, Bischöffen und Kardinalen, Gelehrten aller Wissen¬
schaften .... Nachricht ertheilet wird .... Fünfter Theil. Ulm 1785. S. 1030. — Das
Gelehrte Baiern oder Lexikon aller Schriftsteller, welche Baiem im 18. Jahrhunderte
erzeugte oder ernährte von D. Klement Alois Baader. Erster Band A—K. Nürnberg
und Sulzbach 1804. S. 606—610. — Allgemeine Deutsche Biographie (1882) Artikel
von G. Westermeier Bd. XVI, S. 431. 432. — M(ax) F(ürst), Johann Franz von Kohl¬
brenner, ein interessanter Traunsteiner. In „Der Erzähler“. Unterhaltungsbeilage der
Traunsteiner Nachrichten. April u. Mai 1891. (No. 17. 18. 19. 20. S. 67. 68. 71. 72. 75. 76. 80).
6) 1. Im Königl. Allg. Reichsarchive München: Aktenstücke von 1773—83.
Kohlbrenners Ernennung zum Hofkammerrat, seine Nobilitierung und seine letzt¬
willigen Dispositionen betreffend. — 2. Im Königl. Kreisarchive München:
a) Hofkammerpersonalakt, den kurf. Hofkammerrat Franz Kohlbreuner betreffend, von
1754—1783. b) Generalakt, das Münchener Intelligenzblatt, dessen privilegierte Heraus¬
gabe durch Franz Kohlbrenner betreffend, von 1764—1783. — 3. Im Kgl. Kreis¬
archive Landshut ein kleiner Faszikel mit Produkten vom 15. Juli 1768 und 10. Februar
1779, anlangend Ernennung zum wirklichen Rat und Erhebung in den Adelsstand.
7) Er war, durch ein heisses Bad in seinem vierten Jahre gekrümmt, im Wachs¬
tum zurückgeblieben und am Rücken erhöht. Westenrieder, a. a. O. 132 ff.
8) Vergleiche das gelegentlich der Biographie Zaupsers (Forschungen zur
Geschichte Bayerns, I, 121 ff.) hierüber Gesagte.
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156 Karl von Reinhardstöttner
9) So z. B. vereinzelt und zum ersten Male in einer Rechnung vom 8. Febr. 1772.
10) Dies allgemein angeführte Datum urkundlich zu belegen, gelang mir
nicht. Nach Mitteilung des Hochwürdigen Herrn Kooperators A. Klier in Traun¬
stein, dem ich für seine Mühewaltung auch öffentlich besonderen Dank ausspreche,
findet sich unter den zehn Kindern des Rupert Kohlbrenner in den Matrikeln
keines mit dem Namen Johann Franz und keines, das im Jahre 1728 ge¬
boren wäre. Ruperts Kinder sind: 1. Maria Eva, 17. Dezember 1720. 2. Anna
Rosiua, 18. Oktober 1722. 3. Maria Barbara, 1. Dezember 1724. 4. Josephus,
fil. Ruperti Kollbrenner operarii ad Salinarn et Jacobe ux. lev. Georgius
Koller(er). Min. Georg Udalricus Mayr, 14. Dezember 1725. 5. f Joannes
Franciscus, f. 1 . Ruperti Kollbrenner operarii ad Salinam et Jacobe ux. lev.
Georgius Koller operarius ibidem. Min. Fer din an d us Wider. 3. Oktober 1727,
(scheint wegen des f als Kind gestorben zu sein). 6. Franc. Ant. f. 1 . Ruperti Kol-
prenner in augia (Au) et Jakobe auflögerin uxoris. f. lev. Georg Koller ibid.
Minister Ferdinandus Wider, 1. Mai 1730. 7. Maria Th e res i a, 29. September 1731.
8. Dominicus (das übrige wie sub 6) Minister Udalricus Mayr, 1. November 1732.
9. Mathias Rupertus (wie oben 6) lev. Joan. Georg Öggl; Minist. Petrus Stett.
20. September 1734. 10. Catharina Waldpurga, 19. Februar 173S.
n) Kgl. Kreisarchiv München. General Reg. Fase. 796 No. 49.
12) Bei Westenrieder S. 143. 144. — Über einige seiner Vorfahren ebenda
S. 6 und 7.
13) Anonyme Biographie S. 25.
14) Kgl. Kreisarchiv München. A. a. O.
15) Ebenda. A. a. O.
16) Ebenda. A. a. O.
17) Ebenda. A. a. O.
18) Trift von treiben. Holz im Wasser treiben. Kluge, Etymologisches
Wörterbuch der deutschen Sprache S. 381. Schmeller-Frommann, Bayer. Wörter¬
buch I, 651. 652.
19) Fichtenholz, S c h 111 e 11 e r - F r o m m a 1111 I, 688.
20) Riess von Rhaetia s. Sch mell er- Fromm an n II, 149.
21) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O.
22) Von ahd. müta Zoll. Kluge a. a. O. S. 252. Schmeller-Frommann I, t6S6.
23) Ferdinand Christoph Zeil und Trauchburg, von 1772—1786 Bischof.
(Gams, Series Episcoporum S. 268).
24) Churbaierische Mautli- und Accis-Ordnung zur allgemeinen Beobachtung vor¬
geschrieben im Jahre 1765. (Maillinger J., Bilderchronik der kgl. Haupt- und Residenz¬
stadt München vom XV.—XIX. Jahrhundert. München 1876. I S. 128 n. 1255).
25) Sämtliches im K. Kreisarchive M ü 11 c li e 11, a. a. O.
26) Ebenda.
27) Ebenda.
28) S. die Note I. Bl. 1783. S. 59.
29) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O.
30) Ebenda.
31) Ebenda.
32) Ebenda.
33) Westenrieder, a. a. O. S. 22.
34) Der Patriot in Baiern. Eine Wochenschrift mit Kupfern. München 1769.
I. Teil 320 S. (Monatliliche Beyträge 124 S.). II. Teil 336 S. (Monathliclie Beyträge 96 S.).
S. 96 nimmt der Herausgeber vom Publikum Abschied. „Die auswärtigen gelehrten Nach¬
richten“, sagt er, „haben gütiger von diesem Blatte geurtlieilet, als viele unsrer Landsleute
es getlian. So kann Niemand von dem Verfasser fodern, dass er nebst Mühe und
Arbeit auch Schaden haben soll“.
35) K. Kreisarchiv München, a. a. O.
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157
Johann Franz von Kohlbrenner.
36) Andreas Felix 1706—1780. Allg. D. Biogr. XXIV, 162—165.
37 ) 1723—^1783. Allg. I). Biogr. XIX, 183-195.
38) Sämtliches im K. Kreisarchiv München, a. a. O.
39) Sämtliches ebenda, a. a. O.
40) Ebenda.
41) Anonyme Biographie S. 57.
42) Westenrieder, a. a. O. S. 90.
43) K. Kreisarchiv München, a. a. O.
44) Ebenda.
45) Ebenda.
46) Kgl. Kreisarchiv Lands h 111. Rep. C. A. Fase. 456. No. 66. Lit. K.
47) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O.
48) Kgl. Kreisarchiv Landshut, a. a. O. — Kgl. B. Allgemeines Reichsarchiv
München, S. XX lit. C. 183.
49) Wes teil ri ed e r, a. a. (). S. 26.
50) Intelligenz- oder Commercien- | Communications-Blatt | der | Churbaierischen
Lande. | Mit Churfürstlichem gnädigsten Privilegio. | Für den Monat Junii 1765. | Mün¬
chen, | Gedruckt bei Joli. Friedr. Ott, Churfürstl. akademischer Buchdrucker, | und zu
haben bev Franz Lorenz Richter, akademischen | Bücherverlagsinspector.
51) Westenrieder, a. a. O. S. 17. 18.
52) Heinrich B. 1732 — 1792. Forschungen III, 51, 139. Anin. 27.
53) Espr. 1632 — 1710 (Nouvelle Biographie genörale. XVII, 878).
54) Louis 1632—1704. (Ebenda VII, 51).
55) Guill. 1675—1748. (Ebenda XLIII. 683, C. Sommervogel, Bibi. VII, 1047).
56) Paolo Cesare, 1678 — 1759. (Dizionario biogr. univ., Firenze 1862. II, 23).
57) Pietro Anastasio 1727 — 1797. Ebeuda V, 372.
58) Vgl. Sig. Riezler, Geschichte der Hexenprozesse in Bayern (Stuttg. 1896),
S. 306 ff. — Ferd. St. 1721 1786. A. I). Biogr. XXXVI, 124. Forschungen I, 61.
An 111. 58. 59.
59) Baierische Beyträge zur schönen und nützlichen Litteratur. Des ersten Jahr¬
ganges erster Band 1779. & 252.
60) Siehe darüber Forschungen I, 55 ff.
61) Vgl. hierüber Forschungen I, 22.
62) Siehe den gleichen Gedanken Forschungen I, 23.
63) Vgl. über diesen langwierigen Kampf Forschungen I, 119; III, 91, 92.
— A. v. Kluckholin, Über Lorenz von W e s t e n r i e d e r s Leben und Schriften. Bam¬
berg 1890. S. 8.
64) Vgl. Forschungen III, 55, 56, 101 ff. — Kluckholin, a. a. O. 44.
65) Mhd. töreht, toerelit, torrecht = thöricht. (Grimm, D. W. XI, 401). —
Irrwohn (wie oben S. 93. 96) = Irrwahn. (Scli m eil er-Fr om man 11 II. 918).
66) Vgl. über diese damals allgemeine Idee Forschungen III, 61. — Münch¬
ner Stats-gelehrte und vermischte Nachrichten. 1781. S. 2.
67) Forschungen III, 61.
68) Ebenda III, 101.
69) = Kneip (Messer). Ein Feminin ,kneipe* sowie eine Form mit b ,kneib*
weist Grimm (Deutsches Wörterbuch V, 1403, 1404) nach.
. 70) So wohl auch anderweitig. Vgl. die Schrift: Unpartheyische Gedanken über
die unverschämt und leichtsinnig Entblöseten Brüste des I'rauenzimmers. Jena 1759. (2. Aufl.)
70a) Ebenso Forschungen III, 87, 98.
71) Westen rieder, a. a. O. S. 85.
72) Forschungen III, 59.
73) Vgl. z. B. Forschungen III, 249 u. allenthalben.
74) — Fehlerhaft trocken, dürr. (S c h m e 11 e r- F r o in 111 a 1111 II, 683).
Bayer. Forschungen VI, 3. 11
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Karl von Reinhardstöttner
158
75) Die Reise in die Hölle, oder Martin Kochern, das edelste Genie aus dem
goldenen Zeitalter Deutschlands. 1780. (Vgl. auch Annalen der baierischen Litteratur
[1781] I, 232). — Zuschauer in Baiem. II, 547. — Freilich klagt eine satirische Schrift vom
Jahre 1778 „Die Bürger im Bierhause“. (Thomas, Jakob und Hanns). S. 3. „Wo sieht
man jetzt mehr einen, der an Sonn- und Feyertägen zu Hause blieb, und zu Hause
tränke, und ein Kapitel aus P. Kochern läse“. (V. I. Bl. 1783. S. 30).
76) Vgl. Forschungen I, 117.
77) — Genügend, hinreichend. (Grimm, D. W. III, 877).
78) G. Christ. H. 1726—1773. Allg. D. Biogr. X, 471.
79) S. Forschungen I, 164.
80) Franz Xav. 1738—1773. Allg. D. Biogr. XXVIII, 521. Nach C. Sommer¬
vogel, Bibi, de la Compagnie de Jesus (VI, 1839) ist er 1737 geboren.
81) Die Plage der Bettler und alle Zeitfragen (Maut, Lotto u. dgl.) findet man
humoristisch besprochen in einem Heftchen „Die münchnerisehe Assembl6e gehalten dem
Doppelbier, oder sogenannten Bock“. 177S.
82) S. Forschungen III, 96. 98.
83) Vgl. CEuvres £conomiques et philosophiques de F. Quesnay, fondateur du
Systeme physiocratique . . . Publikes . . par Auguste Oncken (Franckfort 1888. 814 S.)
z. B. S. 306. < La classe productive est celle qui fait renaitre par la culture du territoire
les ricliesses annuelles de la nation; qui fait les avances des depenses des travaux de
l’agriculture et qui paye annuellement les revenues des propri£taires des terres .
84) 1702—1776. A. D. Biogr. XIII, 741. Kluckhohn, a. a. O. 8.
85) Forschungen I, 60 Anm. 32.
86) Forschungen III, 56.
87) lut. Blatt 1783. S. 91.
88) Joh. Ig. v. 1724—1788. Allg. D. Biogr. VI, 610. (Vgl. über ihn I. Bl. 1775. S. 37 e).
89) Trefflich lässt sich in älinlicherWeise Meie hell) eck (Histor. Frising. Tom. II
1 1729 1 S. XVII) vernehmen: Quidam membranas suas autiquas tarn solerter in scriniis suis
custodiunt, quasi, si eae in lucetn prodirent, omuem vigorem exhalaturae essent, aut
timendum foret, ne jura domestica periculo exponerentur, ipsique ceu malae fidei possessores
arguerentur. Cum hujusniodi possessoribus nihil agitur.
90) Vgl. Forschungen I, 61.
91) Gustav III. (1771 —1792). Vgl. Forschungen III, 110. Wegen des steten
Lobes dieses Landes s. Forschungen III, 68. — Auch das Bild des Königs, von J. F.
von Goetz gefertigt, wird in der Münchener Statszeitung 1783. No. 176 zum Ver¬
kaufe ausgeschrieben.
92) Forschungen III, 112.
93) 1742—1798. Forschungen III, 70. Allg. I). Biogr. XVIII, 502.
94) Johann Georg M. 1743—1S20. Allg. D. Biogr. XXI, 541—544.
95) Joh. Joach. 1717—1768. — Über die Verehrung Gellerts (1715—1769. Allg.
D. B. VIII. 544—549) s. Forschungen I, 219, Anm. 216. — Nicht minder schätzte man
Rabener (1717 —1771. A. D. B. XXVII, 78 — 85) und Mendelssohn (1729—1786.
A. D. B. XXI, 316—324). Vgl. Forschungen I, 50. 62. 128.
96) Michael D. 1729— 1800. Allg. D. Biogr. V, 51. — W e i s li a u p t Ada m. 1748—
1830. (A. D. B. XLI, 539—550). — Fronhofers. Anm. 188.
97 ) 1739 — 1 79 1 - Allg. D - Biogr. XXXII, 588—599.
98) Einzelblatt (2° Bavar. 1400, VI (33 m ) der k. Hof- und Staatsbibliothek Mün¬
chen, dem Revisionsrate von Lippert zugesandt.
PRO MEMORIA.
Die Liebe für das Vaterland; ja der patriotische Eifer, dem bairischen Vaterlande
Ehre und Ruhm zu vergrössern, wenn seine Gelehrten, die selbes zwar, in öffentlichen
Bibliothecken bekannt gemacht, oder der klügern Nachwelt zum Andenken überliefert
werden, diese beyden Gegenstände sind es, die dem (sic!) Endsgesetzten veranlasset haben, bey
unsern jetztlebenden Gelehrten geziemend anzuhalten, und zu bitten, sich der Bibliotheck
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Johann Franz von Kohlbrenner. 159
der jetztlebenden Gelehrten von der Römischen Kirche, welche Herr Professor Ham-
berger zu Göttingen angefangen, und nach dessen Tode, jetzt (Titl.) Herr Hofratli und
Professor Meusel zu Erfurt fortsetzet, zur Ehre Baiems einverleiben zu lassen. Hierzu
wird erfodert, hierunter gefällig einzuschreiben:
a) Namen und Charakter des Autliors
b) Geburtsjahr, oder Alter
c) der Presse anvertraut, und herausgegeben sub Titulo Wie folgt.
Das Churfürstl. Intelligenzcomtoir wird diese anher zurückerbittende Auskunft mit
Vergnügen übernehmen, und solche zweckmässig an obgedachten Herrn Professor förder¬
lich übersenden. München den 13. August 1773.
Von Sr. Churfürstl. Durchleucht gnädigst privilegirten Intelligenz-Comtoir.
J oli. Franz Kohlbrenner, Churfürstl. wirklicher Rath.
99 ) 1 733 —1811. Allg. Deutsche Biogr. XXIII. (76—80).
100) Joh. Georg 1722—1797. Nagler, Künst. Lex. XXI, 557.
101) Nachrichten von sehenswürdigen Gemälde- und Kupferstich-Sammlungen . . .
in Teutscliland . . . hsg. von Fried. Karl Gottlob Hirsch i 11g. Erlangen (1789).
IV. Band. S. 256.
102) K. Kreisarchiv München, a. a. O.
103) Etwas abweichend von der Ausgabe von Chr. F. Weise. Wien 1804.
II. Bd. S. 71. ■# Uz, 1720—1796. (Allg. D. Biog. XXXIX, 443- 449).
104) Cignani. 1628—1719. Nagler, a. a. O. II, 537.
105) Forschungen III, 33—48.
106) 1632—1698. Nagler, Künstlerlexikon VIII, 77.
107) Antonio 1639—1722; Nagler, Künstlerlexikou XXII, 210.
108) Don Johann, 1705—1773; der letzte Freiherr dieses Namens. Kl. Baader,
Das gel. Baiern. S. 281.
109) Pietro, gest. 1687. Nagler, Künstlerlexikon VII, 503.
110) Geb. 1530. Allg. D. Biogr. II, 788.
1 r 1) Andreas; i. J. 1658 Kammermaler in München. Nagler, Kiinstlerl. IV, 266.
112) Kluckholm, a. a. O. S. 31.
113) So sprach man gerne (!). Vgl. Forschungen I, 10, 59. Anm. 27.
114) Johann Paul, der jüngere. Gestorben 1782. (Kaysers Vollst. Bücher¬
verzeichnis V, 374).
115) Deutsche Chronik auf das Jahr 1774. ITm. S. 612.
116) Sämtliche hier angeführte Akte ebenda. Hofamts Reg. Fase. 369. No. 312. —
Vermutlich hängt der von Burghausen aus am 13. Januar 1775 gegen Kohlbrenner
geführte Schlag (vgl. Forschungen III, 142 Note 67) mit der allgemeinen Stimmung
gegen ihn zusammen.
117) 1725—1798. Kl. Baader, Das gelehrte Baiern. S. 289.
118) Jos. Sebast. 1748—1820; nicht nur als Kunstkenner bekannt (Forschungen
III, 246), sondern auch wegen der Massregelung und Verfolgung, die er sich als Gegner
Napoleons I. zuzog. Kl. Baader, Baierisclies Gelehrtenlexikon II, 38.
119) Der Jurist Johann Karl N i e d e r 111 a v e r 1703 — 1797. Kl. Baader,
Lexikon I, 2. S. 87.
120) Vgl. Forschungen I, 137.
121) Vgl. Forschungen I, 165 ff.
122) Ebenda I, 169, 170.
123) Ebenda I, 171, 183.
124) Vgl. Forschungen I, 176.
125) 1723—1790. Allg. D. Biogr. II, 113—124. Vgl. dazu Forschungen I, 173, 180.
126) — Wer auf seinem Gebiete sich kümmerlich fortbringt, vom ahd. fratöu =
reiben. Schmeller-Frommanu, Bayr. Wörterbuch I, 830.
127) Kluckhohn, a. a. O. S. 28.
128) Forschungen I, 37. III, 95. Kluckhohn, a. a. (). S. 42, 43.
11*
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l6o Karl von Reinhardstöttner
129) Vgl. Forschungen II, 232.
130) Ebenda III, 245.
13 1 ) Johann Joachim 1743—1820. Allg. D. Biogr. VI, 346.
132) Frd. Just. 1747—1822. Allg. D. Biogr. II, 552.
1 33 > Joh. Jak. Wilh. 1749—1803. Allg. D. Biogr. XI, 651, 652.
134) Forschungen III, 251; V, 192.
135) Kluckhohn, a. a. O. S. 15.
136) A. a. O. (siehe Anmerkung 59) S. 252—256.
• 137) Kgl. Kreisarchiv Mönchen. Gen. Reg. Fase. 796. Xo. 49.
138) Freiburg i. B. 1862.
139) Forschungen III, 58.
140) Ebenda I, 11.
141) I11 der 119. Epistel (S. Int. Bl. 1777, S. 443 und öfter).
142) Vgl. Forschungen II, 57. Zur Geschichte des Kirchenliedes überhaupt
von S. 54 an.
143) 1766-1828. Allg. D. Biogr. XX, 574.
144) Freiburg i. B. 1891. Bd. VII. S. 610.
145) 1 753 —1821. Allg. D. Biogr. II. 361—363. Forschungen V, 19. Die
Kirchenlieder stammen aus 1781.
146) Michael Adam 1733—1783* Kl. Baader, Das gel. Baiern, S. 89—92.
147) Am 30. April. So nach der Allg. D. Biogr. (Kohlbrenner). Vgl. auch
Forschungen I, 218. Aiim. 193.
148) M. Koch, Geschichte der deutschen Litteratur. Stuttg. 1893. S. 87.
149) Joseph Michael, 1744—1781. Nagler, Künstlerlexikon XVI, 552. Erstach
auch das Porträt Pius VI. (I. Bl. 1775, S. 148).
150) Westenrieder, a. a. O. S. 34. 35.
151) Intelligenzblatt 1778. S. 95.
152) Intelligenzblatt 1783. S. 235.
153) Bei Fetis nicht genannt.
154 ) 1737— i8 o 6. Allg. I). Biogr. XI, 143—157.
155) Berlin u. Stettin. Bd. 54. Zweites Stück. S. 614.
156) Franz Xav. Nepom. Von 1781 —1800 Dompfarrer. F<. Geiss, Die Reihen¬
folge der Pfarr- und Ordensvorstände Münchens. Münch. 1858. S. 9. — Ant. Mayer,
Die Domkirche zu U. L. Frau. Münch. 1868. S. 201. 202.
* 57 ) J- Schafler, Handlexikon der kathol. Theologie. Regensb. 1883. II, 379.
158) Wetzer u. Weltes, Kirchenlexikon VII, 613.
159) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. ().
160) Kgl. B. Allgem. Reichsarchiv, a. a. O. Die Anzeige der Adelung von Mann¬
heim, 25. Juli 1778. — Ad Cameram Electoralem vom 7. Sept. 1779. — An den Kriegs¬
rat vom 10. Februar 1779.
161) Bei Westeurieder, a. a. O. S. 143—148. — Durch die Freundlichkeit des
Magistratsregistraturvorstaudes in München, Herrn Joseph Sporer, hatte ich Gelegen¬
heit, das Adelsdiplom Kohlbrenners einzusehen, welches sich dermalen im Besitze der
Kandidatin des hiesigen Kindergärtnerinnenseminars, Fräulein Marie Fanschuh aus
Rosen heim, befindet. Es umfasst sieben Seiten, deren Text mit jenem bei Westen¬
rieder genau übereinstimmt, nur dass letzterer die ältere Schreibweise (wdrcklich, Hertzog,
Ertz, ieder u. dgl.) abgeändert hat. Das Wappen ist auf Pergament von A. Ege 11 sehr
hübsch gemalt.
162) Vgl. oben S. 98. 105 und Zuschauer in Baiern IV, 73.
163) Hof und Staatskalender 1783. S. 104. 195. 215.
164) Sämtliche Akte aus dem K. Kreisarchiv München.
165) Ebenda.
166) Ebenda.
167) Ebenda.
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Johann Franz von Kohlbrenner.
161
168) Ebenda.
169) Ebenda.
170) Geb. 29. Juni 1733 in München; gest. 22. Nov. 1788. Baader, Das ge¬
lehrte Baiern. S. 317.
171) Sämtlich Akten des Kgl. Kreisarchivs München.
172) Ebenda.
173) Vgl. Jahrbuch für Münchener Geschichte II, 170.
174) 1561—1628. Allg. D. Biogr. XXX, 165.
175) 1711 — 1787. Nagler, Künstlerlexikon XV, 168. Riggauer, Geschichte
des Kgl. Münzkabinetts in München. 1890. S. 15. 16.
176) Kgl. Kreisarchiv München.
177) Ebenda.
178) Siehe Forschungen I, 161; III, 77 ff.
179) Akten des Kgl. Kreisarchivs München.
180) Ebenda.
181) Nach Kl. Baader, Das gel. Baiern S. 609. — A. Mayer, Die Domkirche
zu U. L. Frau. S. 394. — Das Denkmal stand auf dem Frauenfreithof „gleich bei der
Kirchenthüre linker Hand“. (W es t e n r i ed e rs Tagebuch s. Anm. 270a; heute in der
Domkirche nahe dem Ecce Homo Altar).
182) Kgl. B. Allgemeines Reichsarchiv, a. a. O.
183) Jakob Anton 1728—1787; der freisinnige Theologe. Kl. Baader, Das
gel. Bayern. S. 617.
184) Dieses „artige und gewählte Naturalieukabinet“ erwälint auch Westen¬
rieder, a. a. O. S. 119. — Auch Zaupser hatte sich eine Naturaliensammlung angelegt.
(Forschungen I, 206).
185) Berlin und Stettin 1783. 54. Band. Zweites Stück. S. 613.
186) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O.
187) Ebenda.
188) Jahrbuch für Münchener Geschichte II, 363—470. — Forschungen I, 169.
189) Euer Churfürstlichen Drlt. ist von Selbst gnädigst bekannt, dass ich und
meine unschuldige Ehegattin schon über 3 Jahre im äussersten Elende schmachten, und
nur zu einiger Linderung desselben all unser weniges fast ganz beysetzen mussten. Es
wurde mir zwar im Monat September und Dezember 1785, folglich zweimalen eine ander-
wärtige Placirung gnädigst zugesichert; allein ich wurde ungeachtet ich mich dieser
Zeit öfter um erledigte Bedienstungen meldete, doch nicht erhört.
Gnädigster Herr Herr! nun wäre eine Gelegenheit vorhanden, wo die zweimalig
gnädigst gemachte Zusicherung in Erfüllung gebracht und ich aus meinem so trübseligen
Zustand ohne das höchste aerarium zu beschweren wieder herausgerissen werden könnte,
wenn Eure Churfürst. Drlt. geruhen wollten, die Verfassung des Intelligenz Blattes, welches
bisher Peter Paul Finauer, der nun plötzlich gestorben, zu besorgen hatte, mir unter-
thänigst Bittenden in höchsten Gnaden zu übertragen. Ich wäre nicht nur unterthänigst
erbietig, der hinterlassenen Wittwe und Kindern des Verstorbenen ein jährlich gnädigst
zu bestimmendes Absent zu verreichen, sondern auch noch andere obwaltende Obligen-
heiten und Bedingnisse in genaueste Erfüllung zu bringen, zu welch gnädigster Erhör
dann ferneren höchsten Hulden und Gnaden ich mich unterthänigst gehorsamst empfehle.
E. C D. Ludwig Fronhofer
höchstdero ehemalig wrirkl. frequentirender Schulrath und Rector der deutschen Schulen.
190) Joseph Burgholzer (geb. 21. Mai 1758). Kl. Baader, Das gelehrte
Baiern. S. 173. Forschungen III, 253. Er ist auch den Mitgliedern der Burghausener
Gesellschaft (Forschungen III, 129 ff.) beizuzählen.
191) Westenrieder, a. a. O. S. 21.
192) Ebenda, S. 76.
193) Ebenda, S. 106—110.
194) Ebenda, S. 78.
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IÖ2
Karl von Reinliardstöttuer, Johann Franz von Kohlbreuner.
195) Appalto, ital. Pacht. Du Lange, Glossarium I, 309. = locatio.
196) S. meine Abhandlung: Die Anfänge von Münchens Industrie und Gross¬
gewerbe im Bayer. Industrie- und Gewerbeblatt (1895. S. 6). — Intelligenzblatt 1778. S. 373.
197) Wenn darum der Anonymus von Kohlbrenners vielen stilistischen Korrek¬
turen spricht (S. 92), so kann dies nur zu seinen Gunsten angeführt werden.
198) Die „Literatur der Statistik“. Ausgearbeitet von Johann Georg Meusel.
Leipzig (C. Fritsch) T790 führt (S. 320. 321) Kohlbrenners Intelligenzblatt, das
bürgerliche Handbuch und die Materialien auf.
199) Conegliano im Venezianischen. Die Akademie ist i. J. 1603 gegründet.
Dizionario Coreografico dell’ Italia. Milano. III, 144.
200) Die Akademie degli Agiati zu Rovereto wurde 1753 von Maria
Theresia diplomiert. Siehe Diz. Coreogr. VI, 1316.
201) Westenrieder, a. a. O. S. 50.
202) Eingehend bei Westenrieder, a. a. O. 53—65.
203) Bei Westenrieder S. 115 und Kl. Baader, Das gel. Bayern. S. 609. 610.
204) Später Hofkammersekretär. S. Hof- u. Staatskalender 1783. S. 237.
205) Man sehe z. B. das Gedicht I. B. 1774. S. 16.
206) 1733—1811. A. D. Biogr. XXIII, 580—590.
207) S. Jahrbuch für Münchener Geschichte I, 178. Kluckhohn, a. a. O. S. 8.
208) Forschungen III, 67.
209) W e s t e n r i e d e r, a. a. O. S. 86. 88. 134.
210) Gefällige Mitteilung des Kgl. Archivrates Herrn Ernst von Destouches,
Vorstandes des städtischen Archives. — Die Angabe des Anonymus (S. 53) ist also dem
Datum und der Kaufsumme nach falsch. — Das Haus ging i. J. 1783 auf Kohl¬
brenners beide Schwestern über, welche es bis zum Jahre 1799 innehatten. — Lächer¬
lich ist die Berechnung des Anonymus (S. 89), wie hoch etwa bei äusserster Sparsamkeit
Kohlbrenners Ersparnisse sich belaufen mochten. Dass er mit dem ersparten Kapital
doch auch wirtschaftete, versteht sich wohl von selbst. Von seinen litterarischen Arbeiten
stammte in erster Linie sein Wohlstand nicht. (Vgl. S. 152).
211) So Allg. D. Biogr., a. a. O.
212) S. Weste 11 rieders Tagebuch, Abliandl. der Kgl. b. Akademie d. Wissen¬
schaften. Hist. Klasse XVI, 2. S. 21.
213) Kluckhohn, a. a. O. S. 41, 44, 45, 46 und Heigels Artikel in der
Allg. D. Biogr. Bd. XLII. S. 176.
214) Georg Michael 1744 1795. Nagler, Künst. Lex. XXI. S. 263.
215) Westenrieder, a. a. O. S. 125—142.
2r6) 1721—1797. Allg. I). Biogr. XXIV, I65. Ein von J. A. Friedrich (1769)
gestochenes Bild s. bei Jos. Maillinger, Bilderchronik der K. Haupt- und Residenz¬
stadt München. 1876. I. Bd. S. 117. No. 1106.
217) Westenrieder, a. a. O. S. 83.
218) Siehe besonders S. 71.
219) Berlin und Stettin 1783. 55. Band. I. Stück. S. 308.
220) Münchner gelehrte Zeitung 1783. VII. Stück. S. 49.
221) Man vergleiche z. B. eine Schrift aus dem Todesjahre Kohlbrenners, die
unendlich viel Wahres enthält: „Der Patriot, oder gemeinnützige Vorschläge zum
Bessten der Religion und des Vaterlandes samt wichtigen Vorstellungen an die hohen
Ordinariaten. Wien 1783. LVI u. 288“.
222) Hör. Carm. III, 30. 6.
Anmerkung. Die rastlose Korrespondenz Kohlbrenners im Interesse seines
Kirchengesanges hat zur Folge, dass sich wohl noch au vielen Orten Briefe desselben
finden. Nach einer gefälligen* Mitteilung des Herrn Dr. Karl Brunner enthält der
Nachlass Lameys im g. Archive zu Karlsruhe allein an vierzig Briefe von Kohl¬
brenners Hand.
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher
Grundlage a. d. J. 1665 und die sich daran schliessenden wirt¬
schaftspolitischen Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich.
Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Dr. Johann Joachim Becher
und des Bischofs Christoval de Roxas.
Von
Michael Döberl.
I.
dreissigjährige Krieg hatte Deutschland eine Zerstörung seiner
Kultur gebracht, wie sie kein modernes Volk jemals erfahren hat Das Ge¬
werbe lag darnieder, namentlich diejenigen Gewerbezweige, welche für den
entfernten Absatz gearbeitet hatten. Das in Bayern dereinst so blühende
Tuchmachergewerbe war so zurückgegangen, dass es nicht einmal die Be¬
dürfnisse des einheimischen Marktes mehr decken konnte, das Münchener
Kunstgew r erbe, das noch vor dem Kriege in Italien, in Frankreich, in Spanien
Absatzgebiete gehabt, also einen angesehenen Platz auf dem Weltmärkte sich
erobert hatte, schien vernichtet. Der deutsche Handel hatte schon durch die
Entdeckung des Seewegs nach Ostindien einen schweren Stoss erlitten und
lag nun infolge der Verwüstungen des greuelvollen Krieges völlig zu Boden;
der Ausschluss der Deutschen vom Weltverkehr schien eine unwiderrufliche
Thatsache geworden zu sein. Ganz besonders waren die ehemaligen süd¬
deutschen Stapelplätze des deutsch-italienischen Handels und mit ihnen auch
die bayerischen Städte zurückgegangen. Deutschland war ein geldarmes Land
geworden. ,,Wenn die eine zeithero zu Regeusburg gehaltenen conventen (Reichs¬
tage) nicht gewesen wären“, klagt ein bayerisches Gutachten aus der Zeit Fer¬
dinand Marias, 1 ) „wäre gewiss, dass schon längst in dem Walde, in der
Oberpfalz, ja auch diesseits der Donau um Straubing und Regensburg herum,
da doch sonst die vermögendsten landleute wohnhaft gewesen, gar kein geld
mehr bei Privatleuten zu finden sein würde.“ Wenn eben der Gewerbe- und
Handelsstand leidet, dann fehlt es auch den Bauern an Geldmitteln.
Und doch gingen aus demselben Deutschland jährlich viele Tausende
für wirtschaftliche Bedürfnisse ins Ausland. „Hat mich vielmals sehr wunder
genommen“, klagt dasselbe Gutachten, „dass eine geraume zeit hero viel schlechte
personen geringer dienstcondition von der Scheitel des kopfes bis zum untersten
tail ihrer solen in lauter frembden ausser landes erkauften oder doch gemachten
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164
M. Döberl
mid hereingebrachten Sachen angethan und beklaidt seint, als die hüte müssen
etwau Bredauer sein, die kragen von Niederländischer leinwand, .wohl auch
spitzwerk, die klaider von Holländischem tuch oder frembden zeug mit sei¬
denen, wo nicht gar güldenen knöpfen, borten und nesteln ausgemacht, die
strümpf wohl auch seiden, wenigst etwan Pariser, die schuch von Castebon,
wie auch die Stiefel von Preussischem ausser landes gearbeiteten und herein¬
gebrachten leder. Sogar die hemder und andere leinwandsachen aus dem
lande ob der Enns, wo nit weiter hergebracht werden.“ Ganz besonders klagte
man über die ungeheueren Geldsummen, welche die holländisch-ostindische
Kompagnie seit mehr denn 60 Jahren mit ihrem ausschliesslichen Kolonial¬
handel aus den deutschen Landen ziehe, ohne irgend ein Äquivalent zu
bieten. 3 ) Deutschland war wie auf politischem, so auch auf wirtschaftlichem
Gebiete ein Ausbeutungsfeld für fremde Völker geworden, für fremde Gewerbe,
für fremde „wagende“ Kaufleute. Das war zu derselben Zeit, da von Frank¬
reich her der Merkantilismus seinen Weg durch Europa machte, jenes System,
das als Endzweck aller Politik die Vermehrung der Geldmittel im Lande er¬
strebte und als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes den bestmöglichen Stand
des Handels, des Gewerbes, der Bevölkerung empfahl.
Ein Gefühl des Unbehagens ob dieser traurigen wirtschaftlichen Ver¬
hältnisse durchzieht die weitesten Kreise unserer Nation. Bei blossen Klagen
ist es aber nicht verblieben. Den Fürsten und den leitenden Staatsmännern
ist es keineswegs entgangen, dass es galt durch positive Arbeit die heimische
Industrie und den heimischen Handel zu heben, sie von der Zwingherrschaft
ausländischer Interessen zu erlösen. Das Beispiel Frankreichs wirkte auf-
muntemd; französische Wirtschaftspolitik auf Deutschland zu übertragen wurde
ein Losungswort der französisch wie der anti-französisch gesinnten Kreise,
nach letzteren sollte Frankreich mit den eigenen Waffen bekämpft werden.
Auch die Entwickelung der Wissenschaft in Deutschland kam diesem Streben
der Fürsten und Staatsmänner entgegen; sie wandte sich gerade in dieser
Zeit, ganz im Gegensatz zum 16. Jahrhundert, mit Vorliebe von der Ver¬
gangenheit zur Gegenwart, vom Jenseits zum Diesseits, von der Pflege
philologischer und theologischer Studien zur Erforschung naturwissenschaftlicher
und wirtschaftlicher Probleme, sie stellte den Fürsten befähigte Gehilfen in
der Durchführung ihrer wirtschaftlichen Projekte. Es gab freilich Fürsten,
die nur allzu grosse Anforderungen machten, es gab kühne Projektmacher,
welche die Kunst, für ihre Absichten die glänzendsten Erfolge in Aussicht
zu stellen und mit Umgehung der Wahrheit phantastische Zukunftsbilder zu
entwerfen, in nur zu grossem Masse besassen, Männer, die an dem Übermass
ihrer Versprechungen scheiterten. I11 Projekten ist eher zu viel als zu wenig
geleistet worden. Wie den einzelnen, so verführt auch ein ganzes Volk ge¬
rade das Bewusstsein von versäumten Gelegenheiten nur zu häufig zu einem
ungeduldigen Drang, der den zweiten Schritt vor dem ersten macht, zu einem
nervösen Schaffenstrieb, der gerne von Plan zu Plan springt. Man beobachtet
in dieser Zeit auf dem wirtschaftlichen Gebiete nur zu häufig dieselbe ruhe¬
lose Unternehmungslust, dieselbe ruhelose „PraktiZierlichkeit“, wie in der aus-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 165
wärtigen Politik. Ruhigere, besonnenere Köpfe konnten sogar darüber Klagen
führen, dass man. namentlich an den geistlichen Höfen, vor den wirtschaft¬
lichen Fragen die politischen in den Hintergrund dränge: „Es ist bekannt,
dass die geistlichen stände zu dieser zeit, da der Staat in gefahr ist, den
consiliis oeconomicis gar zu sehr inherieren, fürnemblich diejenigen, welche
wohl wissen, dass ihre dignität, land und leute nicht an ihrem geschlecht
bleibt. Die anderen hohen stände müssten deshalb umso viliganter sein.“ 6 )
Diese warnenden Worte schrieb im August 1667 der ausserordentliche
Gesandte am Württemberger Hofe, Ewald von Kleist, an seinen Herrn,
den Kurfürsten von Bayern. Wenn man die Verhältnisse am Münchener
Hofe kennt, möchte man fast glauben, dass diese Worte nicht bloss formell,
sondern auch inhaltlich an die Adresse des bayerischen Hofes gerichtet waren.
Die finanzielle Lage des Landes durch Erschliessung neuer Einnahmequellen
zu heben, gehörte zu den Lieblingsideen Ferdinand Marias; der Kurfürst
ging hierin sogar weiter, als seinem nüchtern abwägenden Kanzler Kaspar
von Schmid lieb war. „Das gute vermögen ist nervus rerum agendarum
et couservandarum“, hatte Kurfürst Maximilian I. am Schlüsse seines Lebens
in der „Information für seine Gemahlin“ 1 ) geäussert, in welcher er ähnlich
wie in seiner „Unterweisung an seinen Sohn“ 5 ) die Summe seiner Lebens¬
erfahrungen, seiner politischen Weisheit niedergelegt hat. Und Ferdinand
Maria blieb hierin der väterlichen Mahnung getreu. Als er einmal auf der
Jagd in Geisenfeid weilte, verschrieb er sich für die Rückfahrt von Geisen-
feld nach München als Reiselektüre - ein Verzeichnis der österreichischen
Einkünfte. „Serenissimus erinnert sich“, schrieb der Kabinetssekretär Priel¬
mayer an den Kanzler Kaspar von Schmid, 6 ) „eines ihm von Ew. Gnaden
vor diesem fürgelegten geschriebenen puechs, darin des kaisers einkünften, so
er aus den Oesterreichischen landen zieht, beschrieben sein. Das verlangt der
kurfürst unter der reise zu seiner distraction zu lesen.“ Und wie Maximilian,
so suchte auch Ferdinand Maria nicht bloss die unmittelbaren Einkünfte
des Fiskus zu mehren, sondern auch den Volkswohlstand zu heben durch
Förderung der Landwirtschaft sowohl wie des Gewerbes und des Handels,
in der richtigen Erkenntnis, dass sein eigenes Einkommen von der Steuer¬
kraft des Landes bedingt sei. „Ein landesfürst ist reich genug, wenn in
seinem lande viel geld ist; denn der herrschaften schätz und reich tum be¬
steht in der privaten reichtum.“ „Salus populi suprema lex“. In diesem ganz
modernen Sinne äussert sich bereits eine Stimme aus der Umgebung des
Kurfürsten. 7 ) In diesen seinen wirtschaftlichen Bestrebungen wurde Ferdinand
Maria durch seine Gemahlin Adelheid von Savoyen bestärkt, die sich
Zeit ihres Lebens mit dem ihrem Naturell entsprechenden Feuereifer für wirt¬
schaftliche Projekte erwärmte: kam sie ja aus einem Lande, das Bayern wirt¬
schaftlich weit überlegen war. Wie Vertreter der Kunst, zog sie auch Ver¬
treter des Handels und des Gewerbes aus Italien nach Bayern. Von der Sorge
Ferdinand Marias für die materielle Wohlfahrt seiner Unterthanen legen
noch heute Zeugnis ab die umfangreichen Gutachten, die auf seine Initiative
ausgearbeitet wurden, legt ebenso Zeugnis ab die vertrauliche Korrespondenz
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l66 M. Döberl
zwischen dem kurfürstlichen Kabinetssekretariate und dem Kanzellariate, die
mir aufzufiuden geglückt ist.
Aus diesen Bestrebungen heraus erklärt sich die Berufung des be¬
deutendsten deutschen Theoretikers des Merkantilismus, der zugleich auch
mannigfaltig als Praktiker auftrat, Johann Joachim Bechers. 8 ) Becher
war nach eigener Angabe 1635 zu Speyer als der Sohn eines protestantischen
Predigers geboren und hatte nach sehr bewegten Lehr- und Wanderjahren in
den Fünfziger Jahren eine feste Stellung in Mainz als Professor der Medizin und
kurfürstlicher Leibmedikus erlangt. I11 dieser Stellung verblieb er bis zum
Jahre 1663. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Würzburg — dieses
Bistum war damals in der Person Johann Philipps von Schönborn
mit dem Erzbistum Mainz vereinigt — und in dem kurpfälzischen Heidelberg
erscheint er seit Mai 1664 an dem mit Mainz in engen Beziehungen stehenden
bayerischen Hofe. Vermutlich lernte der Kurfürst und die Kurfürstin den
Mann auf dem Reichstage in Regensburg kennen, wo sich damals Stellen¬
jäger aus den verschiedensten Gegenden eiufanden. Becher hatte sich in
einer harten Leidensschule eine seltene Arbeitskraft, hatte sich, obwohl nur
Autodidakt, bei seinem heissen Wissensdrange eine ungewöhnliche Vielseitig¬
keit erworben, er erfreute sich bereits eines nicht unbedeutenden Namens,
nicht bloss als Mediziner, noch mehr als Chemiker, Mechaniker, ganz be¬
sonders aber als Kameralist. Er wurde als kurfürstlicher Rat und Leib¬
medikus in bayerische Dienste genommen, sollte aber vornehmlich „gute Ein¬
richtungen in Handels- und Kameralsachen“ treffen. Schon im folgenden
Monat Juni trat er mit einem ganz im Sinne des Merkantilismus ausgearbeiteten
Programm hervor, wie dem Nationalwohlstand Bayerns aufgeholfen werden
könnte. Seine Vorschläge gipfelten in der Forderung der Verbesserung des
Münzwesens, der Errichtung eines Kaufhauses zur Aufnahme der Rohprodukte,
der Fhrichtung eines Werkhauses und einer Landesbank, des Verbotes der
Ausfuhr von Rohprodukten, des Verbotes der Einführung fremder Manufak¬
turen mit Ausnahme derjenigen Artikel, die durchaus nicht im Lande herge¬
stellt werden könnten.
Seine Pläne gingen aber noch weiter. Um Bayern Anteil an dem
Welthandel zu verschaffen, sollte es eine Kolonie jenseits des Ozeans gründen;
namentlich die Kurfürstin wurde für dieses Projekt erwärmt. Noch im Herbste
desselben Jahres 1664 ging Becher im Aufträge des Kurfürsten und der
Kurfürstin nach den Niederlanden, um für seine inländischen Pläne das Gut¬
achten Sachverständiger zu vernehmen und die Beteiligung holländischer
Kaufleute zu gewinnen, um aber zugleich über sein überseeisches Kolonial¬
projekt in Unterhandlung einzutreten mit der westindischen Kompagnie der
Niederlande. Wirklich bot die eine Kammer des Direktoriums ein Stück
Landes in der Länge von 30, in der Breite von 20 Meilen in Nordamerika,
in der Gegend des heutigen Newyork, des damaligen Neu-Amsterdam, an, die
andere ein Territorium in dem südamerikanischen Guyana in der Länge und
Breite von 60 Meilen. Das holländische Kolonisationsprojekt verschwand
ebenso rasch, als es gekommen. Ganz abgesehen von der Utopie, das binnen -
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 167
ländische Bayern, das nicht einmal ein Industriestaat war, zu einem Kolonial -
Staat zu machen, mussten schon die Bedingungen, die von der ostindischen
Kompagnie gestellt wurden, abschrecken. 9 )
So kurzlebig das holländische Kolonialprojekt war, es gab doch den
beiden damals um den Einfluss in Deutschland ringenden
Häusern Habsburg und Frankreich Veranlassung, um durch koloniale
Anerbietungen den bayerischen wie andere deutsche Höfe an sich zu fesseln.
„Es hat das ansehen“, konnte der Obersthofmarschall am bayerischen Hofe,
Hermann Egon von Fürstenberg äussern, „als ob Spanien und Frank¬
reich mit der zeit certieren werden, welches au die kurfürsten und fürsten
die besten conditionen geben werde.“ 10 ) Der Anfang scheint von Spanien
gemacht worden zu sein; doch ist über den Inhalt des spanischen Anerbietens
bis jetzt nichts bekannt geworden. Vermutlich Fürstenberg ist es ge¬
wesen, welcher sowohl das holländische wie das spanische Kolonialprojekt an
Frankreich verriet und seinen Kurfürsten bestimmte, Verhandlungen mit Frank¬
reich anzuknüpfen wegen Abtretung einer französischen Kolonie. Simons¬
feld ist dieses französische Projekt bei seinen Studien entgangen . 11 ) Wir
erfahren hievon aus einem späteren Schreiben des französischen Ministers
Colbert vom 21. Oktober 1665. 1 *) Das Land, das Frankreich Bayern zur
Kolonisation an bot, war ein Teil von Französisch-Guyana. „Das Land“, so
rühmt der französische Minister, „ist mit solchen portes versehen, dass selbige
darinnen ihre guet sichern stand haben und vor übler Witterung beschützt
werden mögen, deren Situation auch ferners also bestellt, dass mau auf den
notfall assistenz und hilf von den anderen Französischen kolouien haben kann.
Zu dieser glückseligen landesart und bestellung kommt noch hiezu die frucht-
barkeit der erden und die gesunde luft, welche stetig und jederzeit erfrischt
wird durch die ostwind, so zumalen auch zu diesem handel sehr dienlich“.
Selbstverständlich ist auch dieses Projekt über das Stadium der Vorverhand¬
lungen nicht hinausgekommen, aus denselben Gründen wie die früheren.
Darauf kam es auch weniger au, die Kolonialprojekte waren, für die habs¬
burgische wie für die französische Diplomatie nur eines der vielen Mittelchen,
um für die eine oder andere Partei Propaganda zu machen. „Es war genueg“,
äusserte man habsburgischer Seits, „datnaln ein und andern Teutschen fürsten
von Frankreich in diser materi divertirt zu haben.“ 18 )
Aber damit war das Bestreben, durch wirtschaftliche Projekte das In¬
teresse und die Sympathien des bayerischen Hofes zu gewinnen, einmal in¬
auguriert, es sollte unmittelbar darauf eine viel groteskere Blüte treiben. Noch
im Herbst des Jahres 1665 geht von österreichisch-spanischer Seite die Idee
aus, durch Errichtung einer „deutschen Gesellschaft zur Einführung der ost¬
indischen Kommerzien“ zunächst eine bessere Verständigung mit Bayern, im
weiteren Fortgang aber nichts Geringeres als eine Einigung Deutschlands
auf wirtschaftlicher Grundlage herbeizuführen.
Die Idee war allerdings nicht völlig neu. Schon im Jahre 1660 hatten
Konferenzen des grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm mit dem ehemals
holländischen Admiral Gysels van Li er den Gedanken gezeitigt, eine ost-
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M. Doeberl
i68
indische Handelskompagnie zu gründen zur Vernichtung der holländischen
Handelsherrschaft, zur Herstellung eines unmittelbaren deutschen Handels¬
verkehrs mit den überseeischen Ländern, zur Anlegung eigener Kolonien, zur
Ermöglichung einer direkten Einfuhr der Kolonialprodukte nach Deutschland,
zur Begründung einer deutschen Marine. Die Direktion sollten Brandenburg
und Österreich übernehmen, zur Teilnahme sollten Brandenburg, Österreich,
Spanien, im weiteren Fortgang auch andere deutsche Fürsten und die Hansa¬
städte herangezogen werden. 14 ) Gysels fand für seine Pläne wirklich einen
Boden am Wiener Hofe und in der Folgezeit eifrige Vertreter seiner Idee in dem
aus den spanischen Niederlanden stammenden Franziskaner Don Christoval
de Roxas, der durch den allmächtigen Fürsten von Portia als Beichtvater
an den Wiener Hof gekommen und zum Titularbischof von Stephanien in
Ungarn erhoben worden war, und in dem Markgrafen Hermann von
Baden. Doch die Reise Roxas’ nach Spanien blieb ergebnislos, auch der
Wiener Hof verlor immer mehr das Interesse für das Projekt. Zuletzt im
Herbst zog sich auch der Kurfürst von Brandenburg zurück.
Roxas wie Hermann von Baden setzten aber in der Folgezeit
ihre Propaganda fort, zunächst an den Höfen von Mainz und Sachsen. 14 *) Jetzt
erst scheint Roxas dem wirtschaftlichen Projekte einen höheren Gesichts¬
punkt zugrunde gelegt, einen deutsch-nationalen Charakter verliehen zu
haben, so dass es die Vorstufe werden konnte zu einer politischen Einigung
Deutschlands, eine Idee, die freilich erst im Zollverein des 19. Jahrhunderts
ihre Verwirklichung finden sollte. „Die Vereinigung der gemüter hebt sich
vom selben augeublick an, da einer dem andern reichtumb verschaffet, und
wird befestigt, wann mau auf ein ewiges zunehmen und Vereinigung der
reichtümber gedenket. Nichts ist stärker als dies band, weil es mit
keiner listigkeit oder auch mit blutigem schwerd nit kau aufgelöst werden.“
Mit diesen Worten lässt Johann Joachim Becher den Bischof sein Pro¬
gramm rechtfertigen, 15 ) mit Worten, die merkwürdig ankliugen au den dich¬
terischen Erguss, mit dem Hof mann von Fallersleben die nationale
Bedeutung des Zollvereins des XIX. Jahrhunderts gefeiert hat:
„Schwefelhölzer, Fenchel, Briken,
Kühe. Käse, Krapp, Papier,
Schinken, Scheeren, Stiefel, Wicken,
Wolle, Seife, Garn und Bier;
Pfefferkuchen. Lumpen, Trichter,
Nüsse, Tabak, Gläser, Flachs,
Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter,
Rettig, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs!
Und ihr andern deutschen Sachen,
Tausend Dank sei euch gebracht!
Was kein Geist je konnte machen,
Ei, das habet ihr gemacht.
Denn ihr habt ein Band gewunden
Fm das deutsche Vaterland.
V 11 d die Herzen hat verbunden
Mehr, als unser Bund, dies Band.“
Im Herbst 1665 zeigte sich Roxas, der inzwischen Vertreter Spaniens
am Regensburger Reichstage geworden war, am bayerischen Hofe. Er er¬
schien in Begleitung eines kaiserlichen Gesandten, des Reichshofvizekanzlers
und Prinzipal gesandten am Regensburger Reichstage Dr. Johann Paul
Hocher. Wir erfahren hierüber aus einem Aktenprodukt im Münchener
Staatsarchiv, „Negotiation der kaiserlichen Abgeordneten am kurbayerischen
Hofe, Christof Bischöfen zu Stefanien und Dr. Hocher österreichischen
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 169
Hofkanzlem wegen obschwebender gefährlicher Konjunkturen im römischen
Reich 1665.“ 16 )
Der kaiserliche Gesandte sollte au die gefährlichen Wirren im Reiche er¬
innern, in erster Linie au den Konflikt in der Reichskapitulationsfrage zwischen
dem Kurfürstenkollegium, das seine alte privilegierte Stellung behaupten, und
den im „Fürstenverein“ verbundenen Reichsfürsten, welche unter Ausnützung
einer Bestimmung des westfälischen Friedens sich einen grösseren Einfluss
auf ~ die Reichsregierung sichern wollten. Schon drohe ein Teil der pro¬
testierenden Fürsten, seinen Forderungen in der Reichskapitulationsfrage mit
den Waffen Nachdruck zu geben. Nicht allein die Herzoge von Braun¬
schweig hätten mehrere Tausend Mann auf den Beinen, auch die Schweden
hätten eine ansehnliche Truppenmacht nach dem Reiche geworfen; wenn die
braunschweigischen und die schwedischen Truppen sich vereinigen und andere
protestantische Kontingente an sich ziehen würden, dann stünde eine gefähr¬
liche protestantische Macht unter den Waffen. Die Gefahr für den Frieden
sei umso grösser, als die protestantischen Stände den Krieg des Bischofs von
Münster gegen Holland dahin deuten wollen, als ob er nur die Einleitung
zu einem allgemeinen Vorstoss der Katholiken gegen die Protestanten, zu
einer Unterdrückung des Protestantismus sein würde. Der Kaiser habe zwar
durch seinen Residenten im Haag den Generalstaaten seine Vermittelung
gegen Münster augeboten, habe durch seinen Prinzipalgesandten in Regens¬
burg den protestantischen Ständen den Wahn zu nehmen gesucht, als ob der
Münsterische Einfall mit Wissen des Kaisers oder gar sämtlicher katholischer
Fürsten im Reiche geschehen, und er werde durch seinen Residenten in
Berlin, Baron von Goes, dem Kurfürsten von Brandenburg, durch einen
ausserordentlichen Gesandten den Herzogen von Braunschweig dieselben Ver¬
sicherungen wiederholen lassen. Doch wenn das Reich, insbesondere die be¬
nachbarten Kreise nicht in den Krieg eingeflochten, wenn der so teuer er¬
kaufte Friede erhalten werden solle, dann bedürfe der Kaiser vor allem des
Rates und der Mitwirkung des Kurfürsten von Bayern.
So der Inhalt des offiziellen schriftlichen „Anbringens." Man darf
sich aber durch solche Aktenstücke nicht irre führen lassen. Die schriftlichen
Propositionen sind ebenso, wie die schriftlichen Bescheide, meist für die Öffent¬
lichkeit, für die Kommunikation an andere Regierungen bestimmt und gehen
nur zu häufig dem Kernpunkt der Mission, wenn dieser heiklen Inhalts ist,
aus dem Wege. In Wirklichkeit strebte der Kaiser eine Allianz zwischen
Bayern einerseits, dem Kaiser und Spanien anderseits an, eine Allianz, die
ihre Spitze gegen Frankreich richten sollte. In diesem Sinne wurden auch
die Anträge der österreichischen Gesandtschaft von dem bayerischen Hofe
aufgefasst: „Der Kaiser“, so schrieb gleichzeitig mit den Münchener Kon¬
ferenzen die Kurfürstin Adelheid an ihren Bruder, den Herzog Karl
Emanuel von Savoyen, „hat einen ungarischen Bischof, welcher die Ge¬
schäfte Spaniens am Regensburger Reichstage besorgt, hieher geschickt, um
eine Union Bayerns mit dem Kaiser und mit Spanien zu stände zu bringen".
Der Weg, auf dem der Kaiser das Ziel erreichen wollte, war eine
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17 ° M. Doeberl
nähere wirtschaftliche Verbindung. „Durch kommerziell sollte zwischen Bayern
und Oesterreich eine bessere versteudnus gestiftet werden“, hat später der
geheime Ratsvizekanzler Kaspar von Schmid geäussert. Nachdem sich
Bischof Roxas mit kaiserlicher und spanischer Vollmacht legitimiert hatte,
legte er den zu einer Konferenz deputierten bayerischen Räten ein Programm 17 )
vor, das in seinen wesentlichen Artikeln also lautete:
Der Anfang zu einer wirtschaftlichen Vereinigung soll zwischen
Bayern und Österreich gemacht, im weiteren Fortgang sollen aber auch
die anderen deutschen Fürsten oder wenigstens die Mehrzahl derselben auf
dem Wege von Separatverträgen zugezogen werden. Am Rhein sollen die
Verhandlungen einsetzen bei Mainz und Köln, an der Elbe bei Brandenburg,
und ihnen nachfolgen die übrigen Fürsten, deren Territorien am Rhein oder
an der Elbe liegen.
Innerhalb des wirtschaftlichen Unionsgebietes besteht möglichst freier
Verkehr für die Erzeugnisse des Inlandes sowohl wie für diejenigen Waren
aus dem Auslande, welche von den Kaufleuten des Unionsgebietes eingeführt
sind. Um den Handel von lästigen Fesseln zu befreien, geht man zwar noch
nicht so weit, wie der Zollverein des 19. Jahrhunderts, fordert noch nicht
völlige Zollfreiheit, wohl aber Zollerleichterung für die Schiffahrt auf der
Donau, der Oder und anderen Flüssen des Unionsgebietes. Zu diesem Zwecke
soll zwischen Österreich und Bayern, den ersten Mitgliedern der wirtschaft¬
lichen Union, ein gemeinsamer ermässigter Zolltarif festgestellt werden, der
nach Gewicht und Wert zu bemessen und einer jährlichen Revision zu unter¬
ziehen ist. Überdies übernimmt der Kaiser die Verpflichtung, für die Waren
der beiden Staaten von der hohen Pforte auf dem türkischen Anteil der Donau
Freiheit von Durchgangszölleu zu erwirken, übernimmt anderseits der Kur¬
fürst von Bayern die Verpflichtung, diejenigen deutschen Fürsten, deren Ge¬
biete an Strömen liegen, jetzt schon für den ermässigten Zolltarif zu gewinnen.
Gegenüber dem Auslande stellt die wirtschaftliche Union eine ge¬
schlossene Einheit dar. Als Ausland gelten aber nicht diejenigen deutschen
Territorien, welche der wirtschaftlichen Union ferne stehen, sondern nur die
ausserdeutschen Staaten; die Union hat also von Anfang an einen rein
deutschen Charakter. Von diesem Auslande, namentlich von Holland, soll
sich die Union wirtschaftlich möglichst emanzipieren, nach folgenden Grund¬
sätzen: Um die Waren nicht mehr aus zweiter oder gar letzter Hand be¬
ziehen zu müssen und dieselben um einen niedrigeren Preis an die Deutschen
verkaufen zu können, als sie bisher über Holland bezogen wurden, sollen die
Kaufleute der Unionsstaaten selbst nach den fremden Weltteilen gehen,
insbesondere nach Ostindien. Im Interesse eines kürzeren und zugleich
sichereren Weges gilt es, einen Versuch zu machen, ob die indischen Waren
nicht den Weg über den Ozean umgehen und von Ormus und dem schwarzen
Meere her direkt auf der Donau oder von Aleppo über Venedig nach den
deutschen Landen geführt werden könnten. Selbst der Transitverkehr
soll möglichst durch die deutschen Lande geleitet werden, um den deutschen
Konsum zu heben. Die Waren fremder Gesellschaften sind vom
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Das Projekt einer Peinigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 1 7 I
deutschen Markte zu verdrängen, was umso leichter möglich sein wird, als
nach Erfüllung der obigen Voraussetzungen die Waren der Gesellschaft um
einen billigeren Preis losgeschlagen werden können. Das deutsche Kapital
soll im Inlande behalten, die Belehnung fremder Gesellschaften verboten, da¬
gegen fremde Kapitalien nach Deutschland gezogen werden. Auch bezüglich
seiner Seehäfen hat sich die Union vom Auslande unabhängig zu machen.
Damit der Handelsverkehr im Kriegsfälle keine Störung erleide, hat man sich
neutraler europäischer Häfen, vor allem deutscher Häfen zu versichern, so
für die Elbe Hamburgs, für den Rhein Ostendes. Fremde Nationen sind
von der Union grundsätzlich fern zu halten. In der Absperrung gegen das
Ausland macht eine Ausnahme nur Spanien; an Spanien muss vielmehr
die Union einen Anschluss suchen, um hier ein Absatzgebiet zu gewinnen
und in seinen Häfen das Gold und Silber Westindiens einzutauschen.
Ein jedes fürstliche Mitglied der Union lässt auf seine Kosten ein
oder mehrere Schiffe herstellen und übernimmt den Schutz derselben, er¬
nennt auch für jedes Schiff einen Direktor und mehrere Kommissäre, welche
über die Waren und deren Verteilung zu wachen haben. Für die Schiffs¬
benützung und für den Schutz zahlen die Kaufleute einen bestimmten Ge¬
winnanteil.
Die Union führt den Namen „Ostindische Kompagnie“, sie hat
eben ihr Hauptaugenmerk auf Ostindien zu richten. Denn Ostindien ist
überreich an Produkten, während von Westindieu, abgesehen von einigen
Strichen Brasiliens, erst nach vieljähriger Arbeit eine Ausbeute zu erwarten
ist, eine Ausbeute, welche überdies von der Habgier der Holländer und der
ihnen gesinnungsverwandten Völker stets bedroht ist.
Die Vertreter Bayerns warnen vor neuen Konföderationen und dem
daraus erwachsenden Parteiunwesen, empfehlen vielmehr einen Weg, der durch
die Reichskonstitutionen und durch die Exekutionsordnung vorgesehen, die
Rückkehr zur Kreis Verfassung. Weil dieses Ziel w r eder mit Reichstags- noch
mit Kreistagsbeschlüssen auf einmal zu erreichen ist, soll der Anfang hiezu
gemacht werden durch einen Zusammenschluss der mächtigeren und politisch
reiferen Stände eines jeden Kreises; dann müssten die andern allmählich von
selber nachfolgen. Um die einzelnen Stände leichter zu gewännen, sollten
keine augenblicklichen Geldbeträge gefordert, wohl aber alle Vorkehrungen in
dem Grade getroffen werden, dass im Ernstfälle lediglich die Werbung übrig
bliebe, mit anderen Worten es sollten unter Zugrundelegung der Reichs¬
matrikel die Kontingente auf die einzelnen Stände verteilt, diese aber erst im
Ernstfälle geworben werden. In dieser Vereinigung dürfen weder Österreich
noch Bayern Vorrechte in Anspruch nehmen, die ihnen nicht schon von
Alters her zugestanden. Stimmenmehrheit sollte entscheiden. Widerstand
gegen Mehrheitsbeschlüsse, Verweigerung der Erfüllung der Bundespflichten,
namentlich der Stellung des Kontingentes soll durch Straf quartiere und durch
Schutzentziehung überwunden werden. Die Propaganda für die Vereinigung
muss in aller Stille gemacht werden: Bayern und Österreich lassen durch
Vertraute oder durch ihre Vertreter auf den Reichstagen erst den Bischof von
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I 7 2
M. Doeberl
Konstanz, dann die übrigen führenden Stände des schwäbischen Kreises heim¬
lich bearbeiten. Dieselbe Verpflichtung übernimmt Bayern für den bayerischen
Kreis. Bayern unterschreibt den eventuellen Rezess lediglich als schwäbischer
Reichsstand, formell auf die Einladung der übrigen schwäbischen Reichsstände
hin, ebenso sorgt Bayern dafür, dass Österreich zu demselben Zwecke von
den bayerischen Kreisständen eingeladen werde. „Hiedurch“, fügte der kur¬
fürstliche Bescheid hinzu, „würde den protestierenden zu einer jalousie nicht
Ursache gegeben, weil sie mit eingezogen werden; sie würden vielmehr von
ihren aufrührerischen dessins, wenn sie überhaupt solche Vorhaben, di vertiert
werden. Die katholischen aber kommen zugleich in postur. Und würde
solcher gestalt durch die gnade Gottes ein schwert das andere in der scheide
halten, mithin aber auch das Römische reich wider alle aus- und einwärtige
zufälle in Sicherheit gesetzt.“
Mit diesem Gegenprogramm war natürlich Österreich, das damals Bayern
in der niederländischen Frage gegen Frankreich engagieren wollte, nicht ge¬
dient; denn die von Bayern vorgeschlagene Verfassung konnte ebenso gut
gegen wie für Österreich Verwendung finden. Aber man hatte eine sehr ge¬
schickte, sehr legale Form gefunden, um die österreichische Einladung abzu-
lehnen. Und diese Ablehnung war von Anfang an beschlossene Sache.
Bayern war damals schon mit sich im Reinen, um des seit den Tagen
Maximilians so sehr verhassten Spanien, um der dem Reiche völlig ent¬
fremdeten Niederlande willen den so teuer erkauften Frieden nicht preiszu¬
geben. Bayern war damals schon Frankreich zu enge befreundet, als dass es
sich den Franzosenkönig zum Feinde machen wollte. Schon in den letzten
Jahren der Kurfürstin-Mutter, der Habsburgerin Marianne, hatte die junge
Kurfürstin Adelheid, die Enkelin des grossen Franzosenkönigs Heinrich IV.,
jede Gelegenheit wahrgenommen, um gegen den verhassten Wiener Hof An¬
klagen zu schmieden, um ihren Gemahl in den Guerillakrieg gegen das habs¬
burgische Kaisertum mit fortzureissen; die Fehler der österreichischen Diplomatie
waren ihr bester Bundesgenosse. Im Sommer des Vorjahres 1664, während
des Türkenkrieges, war es bereits mit Hilfe der beiden einflussreichsten Räte,
des Obersthofmarschalls Hermann Egon von Fürstenberg und des
Vizekanzlers Kaspar von Schmid, zum ersten bayerischen Vertragsent¬
wurf gekommen. Am 12. August des Jahres 1665 selbst konnte die Kur¬
fürstin gelegentlich eines Reiseprojektes Kaiser Leopolds I. nach Tirol
ihrem Bruder triumphierend mitteilen : „Der Kurfürst wünscht nicht, dass der
Kaiser seinen Weg nach Tirol durch unser Land nehme. Ich glaube sogar,
dass wir, um einer Begegnung mit dem Kaiser bei dessen Rückkehr auszu¬
weichen, nötigenfalls eine Reise nach dem Fürstentum der Obern Pfalz an-
treten. Das Gegenteil hiesse nachgerade alles zum Fenster hinauswerfen;
denn wo der Kaiser dem Kurfürsten widersprechen oder vor dem Kopf stossen
kann, thut er es redlich. Der Kurfürst braucht also keine so grosse Sorge
zu tragen, um sich einem Fürsten zu verpflichten, der keine Erkenntlichkeit
besitzt, der nichts hält von dem, was er versprochen, wie das Haus Savoyen
reichlich erfahren hat.“ lb ) Unmittelbar vor dem Eintreffen der spanisch-öster-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage.
173
reichischen Gesandtschaft, in der zweiten Hälfte des September 1665, starb über¬
dies die Kurfürstin-Mutter. Seitdem setzte Adelheid noch rücksichtsloser
die Bearbeitung ihres Gatten fort, und Ferdinand Maria ging immer
williger, aber auch immer überzeugter auf die Ideen seiner Gemahlin und
der für einen Anschluss an Frankreich arbeitenden Räte ein. Um dieselbe
Zeit, da die österreichisch-spauischen Bevollmächtigten am Münchener Hofe
verhandelten, konnte Adelheid nicht bloss das Anerbieten des ersten öster¬
reichischen Ministers, des Obersthofmeisters Lobkowitz, ihr und ihrem
Hause in der M011 tfortsehen Angelegenheit seine Unterstützung zu leihen,
in brüsker Form abweisen, sie konnte sich auch bereits der Hoffnung hin¬
geben, ihren Gatten völlig bekehrt zu haben: „Ich glaube nicht, dass der
ungarische Bischof (Roxas) sein Ziel erreichen wird. Ich sehe nicht die
geringste Neigung hiezu beim Kurfürsten. Dieser weiss nunmehr, Gott sei
Dank, dass das Haus Österreich dem Hause Bayern nichts Anderes wünscht
als den Untergang.“ ,9 )
Aber Bayern war nicht bloss abgeneigt, in ein besonderes Bündnis mit
Österreich und Spanien einzutreten, Bayerns leitenden Staatsmännern erschien
selbst der Weg, der von österreichischer Seite eingeschlagen wurde, utopistiscli.
Allerdings Dr. Johann Joachim Becher wurde dafür gewonnen, arbeitete
dem Bischof Roxas in die Hände, aber Becher war zweifellos von Roxas
bestochen. Allerdings finden sich Anzeichen, als ob selbst der Obersthof¬
marschall Hermann von Fürstenberg die Thätigkeit des Bischofs be¬
günstigt hätte, aber derselbe Fürstenberg war in Wirklichkeit französisch
gesinnt, war das Sprachrohr seiner in französischen Diensten stehenden
Brüder. Hat er also wirklich dem Projekte des Bischofs Sympathiebeweise
entgegengebracht, so waren sie nicht ernst gemeint und hatten noch weniger
eine politische Folge, sondern waren nur erkauft mit österreichischem Gelde.
Angesichts der notorisch frivolen Gesinnung F ürsteil bergs, angesichts der
auch sonst bezeugten Thatsache, dass er sich zu derselben Zeit, da er für
Frankreich arbeitete, von der österreichischen Regierung bezahlen liess, darf
seinen Erklärungen gegenüber Vertretern Österreichs keine Bedeutung bei ge¬
legt werden. Wie man in Wirklichkeit in den ernsten Regierungskreisen
Bayerns über das Projekt dachte, das wissen wir aus dem Munde des Vor¬
standes der geheimen Ratskauzlei, der Seele der bayerischen Politik, durch
dessen Hand alle Regierungsakte gingen, des Vizekanzlers Kaspar von
Schmid. Als nämlich 13 Jahre später der inzwischen zum Bischof von
Tinin (Knin) vorgerückte Roxas am bayerischen Hofe einen ähnlichen Ver¬
such wagte, da schrieb Schmid in einer vertraulichen Korrespondenz an
den Kabinetssekretär Huber: 20 ) „Es ist die alte uaradey, die er vor diesem
in seinem köpfe gehabt, durch konunerzien zwischen Kurbayern und Oester¬
reich eine bessere verständnus zu stiften.“ Wie man selbst in den höchsten
Finanzkreisen Österreichs das Projekt beurteilte, dafür genügt das Zeugnis
des obersten Finanzbeamten, des Hofkammerpräsideuten Grafen Georg Lud¬
wig von Sinzendorf: „Ohne sei nicht, dass der P. Roxas von einer Ost¬
indischen compagnie und einer handlung nacher Persien ein konzept gehabt,
Bayer. Forschungen VI, 3. 12
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174
M. Doeberl
ein solches auch nacher München überschrieben, mau hat es aber allhier als
ein gar zu weit aussehendes und viel difficultäten nach sich ziehendes werk
in keine sonderbare konsideration gezogen noch dermalen eine reflexion darauf
gern ach t. 4 ‘ 21 )
In der That, so weitblickend das Projekt des Bischofs Roxas war,
so gesunde Gedanken es enthielt, es war doch für die damalige Zeit utopi-
stisch. Aber spurlos ist die Gesandtschaft des Franziskanermönchs keines¬
wegs verlaufen. Nicht bloss wurde in den Münchener Konferenzen das von
Roxas empfohlene Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher
Grundlage mit dem bayerischen Gegenprojekt zu einem Gesamtentwurf ver¬
einigt mit dem ausgesprochenen Zwecke, den gegenwärtigen und künftigen
Schwierigkeiten im Reiche zu begegnen, es fanden sogar im unmittelbaren
Anschluss an die Vorschläge des Bischofs fast zwei Jahre lang wirtschaftliche
Verhandlungen in Wien statt, die im Aufträge der bayerischen Regierung
erst von Dr. Johann Joachim Becher, später von dem Hofkammerrat
Leidl und dem Regierungskanzler Barbier, zuletzt von Barbier allein ge¬
führt wurden. Und diese geben uns nicht bloss ein Bild, wie allmählich die
Idee des Bischofs Roxas verblasste, sie machen uns zugleich bekannt mit
anderen wirtschaftlichen Ideen jener projektenreichen Zeit und den wirtschaft¬
lichen Gegensätzen zwischen Bayern und Österreich, sie bilden endlich einen
Beitrag zur Geschichte des Bischofs Roxas und des Dr. Becher und l£gen
gegen Erdberg 22 ) Zeugnis dafür ab, dass zur Kontrolle und Ergänzung der
von Becher selbst überlieferten Aktenstücke archivalisches Material heran¬
zuziehen ist.
II.
Noch im Dezember 1665, „gegen dem ende jüngst verwichenen
i665sten jahres“, * 8 ) erschien Johann Joachim Becher in Wien und zwar
nicht bloss mit Erlaubnis, sondern im Aufträge des Kurfürsten von Bayern. 23 ‘)
Seine Sendung war dieser Zusammenhang ist bis jetzt nicht erkannt worden
— eine Erwiderung der kaiserlichen Mission des Bischofs Roxas. Wie
Roxas, führte sich auch Becher mit wirtschaftlichen Projekten ein, machte
im Namen des Kurfürsten mündlich und schriftlich Vorschläge, wie in den
kaiserlichen Erblanden Manufakturen eingeführt, wie damit der Handel ge¬
hoben und zugleich die Bevölkerung gemehrt werden könnte. 24 )
Wie Roxas, hatte aber auch Becher noch eine sehr reelle politische
Mission. In dem von Roxas entworfenen Projekte war möglichst freier
Verkehr, möglichste Erleichterung der Schiffahrt innerhalb des wirtschaftlichen
Unionsgebietes einer der wichtigsten Programmpunkte gewesen. Im Anschluss
daran sollte Becher Vorschläge machen, „wie sowohl in denen kaiserlichen
erblanden wie in dem kurfürstentumb Bayern die kommerzien also erhoben
werden möchten, dass sie einander nicht zuwiderlaufen, sondern
beiderseits vereinigt in grossem flor und bessern bestand
gereichen thäten“. 2ft ) Mit anderen Worten, er sollte im Aufträge des
Kurfürsten Abstellung der langjährigen wirtschaftlichen Beschwerden Bayerns
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Das Projekt einer Kinigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 175
fordern, Abstellung der hohen Donauzölle, Abstellung des im Jahre 1639 ein¬
geführten Aufschlags auf das von Bayern nach Böhmen gehende Salz, durch
welchen das Salzmonopol, eine Haupteinnahme des bayerischen Staates, bedeu¬
tend geschmälert worden war. Vergebens war man bisher von Leopold I. auf
bessere Zeiten vertröstet worden, in Frankfurt sowohl bei der Kaiserwahl als in
München bei dem Kaiserbesuche. Darf man Becher Glauben schenken, so
hat er schon während dieses ersten Münchener Aufenthalts im Prinzip die Zu¬
stimmung des Kaisers dafür gewonnen, einen „kaiserlichen Akt“ erwirkt, „wo¬
rinnen man, weil die Bayern sich so über die kaiserlichen zöll auf der Donau
beschweret, sich resolvirt, solche nach ihrem belieben zu moderiren“. 96 )
Das Projekt des Bischofs Roxas hatte aber auch den Vorschlag ge¬
macht die ostindischen Waren, um sich vom Auslande wirtschaftlich frei zu
machen, von Ormus und dem schwarzen Meere her direkt auf der Donau
nach den deutschen Landen zu führen. Nun brachte der bayerische Kurfürst
nach der Abreise Bechers (vielleicht durch eine Mitteilung Bechers selbst)
in Erfahrung, dass die Wiener Regierung mit dem daselbst beglaubigten
türkischen Botschafter Unterhandlungen pflege zur Hebung des Donauhandels
nach den türkischen Landen. Damit schien wirklich ein Teil des von Roxas
entworfenen Projektes verwirklicht werden zu wollen. Auch hier setzte der
Münchener Hof ein, wohl auf unmittelbare Initiative des Kurfürsten selbst.
Becher erhielt unterm 15. Januar 1666 die kurfürstliche Weisung, über den
Verlauf der Verhandlungen sowohl beim Hofkammerpräsidenten Grafen von
Sinzendorf als beim Bischof von Stefanien Erkundigungen einzuziehen
und darüber nach München zu berichten. 27 ) Der kurfürstliche Befehl ver¬
anlasst Erdberg 98 ) zu der Behauptung, der bayerische Kurfürst habe Becher
beauftragt, den deutschen Kaiser (!) für eine orientalische Kompagnie zu in¬
teressieren (!). Die Antwort, die Becher dem kurfürstlichen Hofe über¬
bringen konnte, war freilich eine wenig befriedigende. Man gab lediglich
bekannt, dass der kaiserliche Botschafter Graf Leslie für diese Verhand¬
lungen (von der hohen Pforte ?) an den Pascha von Ofen verwiesen worden
sei; das Ergebnis der Verhandlungen könne man erst nach der Rückkehr
des Grafen mitteilen. 29 )
Von all den von Becher in Bayern geplanten Gründungen war vor
seiner Abreise wenigstens eine ins Leben getreten, eine vom Kurfürsten privi-
legirte Seidenkompagnie, welche das ausschliessliche Recht der Herstellung
und des Verschleisses der Seidenmanufakturen im Umfang des ganzen Kur¬
fürstentums erhielt. Unterm 10. Januar 1666 nun, als Becher bereits in
Wien weilte, übersandte ihm die bayerische Seidenkompagnie eine schriftliche
Vollmacht 80 ) zu Verhandlungen, um ihren Erzeugnissen den österreichischen
Markt zu eröffnen, oder, wie man sich ausdrückte, zur Erwirkung eines kaiser¬
lichen Privilegs, „alle seidenmanufakturen in den kaiserlichen erblanden, gleich¬
wie wir allhier in unseres kurfürsten landen thun, zu verlegen“. Wie hat
sich nun Becher dieses Auftrages entledigt? Die bayerische Seidenkom¬
pagnie machte ihm später den Vorwurf, dass er die Ursache für die Gründung
einer österreichischen Kompagnie gewesen sei und diese den Ruin der baye-
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rischen nach sich gezogen habe. 81 ) In der That wissen wir aus österreichi¬
scher Quelle, dass Becher der kaiserlichen Regierung die Einführung der
Seidenindustrie und die Gründung einer Seidenkompagnie in Vorschlag ge¬
bracht hat, unter ausdrücklichem Hinweis auf die angeblichen Erfolge der
bayerischen Seidenkompagnie. 32 ) Nach seiner eigenen Verteidigungsschrift 88 )
hätte aber Becher anfangs allerdings zu gunsten der bayerischen Seiden¬
kompagnie ein kaiserliches Privileg für den Vertrieb ihrer zu produzierenden
Seidenwaren in Österreich nachgesucht, es sei ihm jedoch eingewendet worden,
dass sich für den Verlag in Österreich eine besondere Kompagnie bilden und
die Teilnehmer der bayerischen Kompagnie, wenn sie die Aktien auch dieser
österreichischen Kompagnie übernehmen wollten, über ein weiteres Grund¬
kapital von mindestens 100000 Gulden verfügen müssten. Eine solche Ver¬
pflichtung habe er nicht übernehmen können; es habe ihm hiezu an einer
Vollmacht gefehlt; auf eine Anfrage bei Fürstenberg sei ihm lediglich die
Antwort zugegangen, die Sache bedürfe weiterer Überlegung, er solle nach
hause kommen; Dr. Jobst aber habe ihm mitgeteilt, die bayerische Seiden¬
kompagnie stehe unmittelbar vor einem Krach, „es stünde mit der Bayerischen
kompagnie wegen allerhand Unordnung und Uneinigkeiten, auch misstrauen
so schlecht, dass sie sich mit nächstem mit schand und spott dissolvieren
würde“. In der That hat auch Becher, wie selbst Erdberg zugiebt, die
bayerische Kompagnie bei seiner Rückkehr in einem höchst traurigen Zustand
vorgefunden, zu einer Zeit, da die österreichische Kompagnie noch nicht ein¬
mal kreiert war, geschweige der bayerischen Konkurrenz machen konnte.
Wir dürfen sagen, wenn Becher wirklich obigen Antrag gestellt hat, so war
es ihm damit nicht ernst. Wir dürfen aber auch hinzufügen, es konnte ihm
vernünftigerweise nicht ernst sein, wir dürfen sagen, Becher konnte sich
einem solchen Aufträge entziehen, ohne deshalb den Vorwurf Erdbergs zu
verdienen, dass er die bayerische Sache verleugnet und seine Arbeit aus¬
schliesslich den Interessen des Hauses Österreich gewidmet habe. Die baye¬
rische Seidenkompagnie hatte nicht einmal die für den bayerischen Konsum
nötigen Kapitalien beisammen, war überhaupt noch nicht lebensfähig; wie
hätte sie die Kapitalien für den Verschleiss in Österreich aufbringen sollen.
Und selbst wenn ihr das gelungen wäre, konnte ein vernünftiger Mensch
erwarten, dass Österreich, das ein ungleich grösseres Absatzgebiet darstellte
als Bayern, dessen Hauptstadt Wien allein mehr Seide konsumierte 34 ) als das
ganze Kurfürstentum, die Seidenindustrie völlig in die Hand fremder Aktionäre
ausliefern würde, so lange es im Lande selbst Unternehmer finden konnte?
Und das zu einer Zeit, da man Projekte im Sinne des Merkantilismus schmie¬
dete? Die Forderung der bayerischen Seidenkompagnie war in Wirklichkeit
höchst naiv. Das einzige, was Becher für dieselbe leisten konnte, war,
ihren Mitgliedern die Möglichkeit der Erwerbung österreichischer Aktien zu
verschaffen und die bayerische und die österreichische Seidenkompagnie in
eine engere Verbindung (Ring) zur Regelung der Produktion und des Absatzes
zu bringen. Und das hat auch Becher thatsächlich gethan, wie wir nicht
bloss aus seinen Verteidigungsschriften, sondern auch aus völlig unbedenk-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 177
liehen Dokumenten wissen. Freilich die Erklärung, 35 ) welche seitens der
kaiserlichen Regierung erwirkt wurde, war unbefriedigend, wurde mit Recht
als zu generell bezeichnet: Die Beantwortung der Frage, welcher Anteil
Bayerns Unterthanen an der Wiener Seidenkompagnie gewährt wurde, wurde
abgelehnt mit der Begründung, man könne nichts versprechen, da das Unter¬
nehmen erst in der Organisation begriffen sei. Selbst die Frage, ob über¬
haupt bayerische Aktionäre in dieselbe aufgenommeu würden, fand nur eine
unbestimmte Antwort: „Weilen nicht zu zweiflen, dass frembde verlaeger ein¬
genommen werden müssen, als wird man in ansehung des hauses Österreich
und Bayern nahenden verwantschaft und nachbarschaft, auch anderer Ursachen
auf etliche glieder der Bayerischen Kompagnie billich vor anderen eine re-
flexion machen“. Noch ausweichender klang die Antwort auf die Frage nach
einer Fusion der beiden Kompagnien: „Man wisse noch nicht, wie sich die
proben anlassen und was künftig vor ein verlag und Capital von nöten sein
möchte“. Im Gegenteil, Becher erhielt den Auftrag nachzuforschen, ob
nicht für die österreichischen Unterthanen Anteilscheine bei der bayerischen
Kompagnie zu erwerben seien. Allerdings das Memorial, 36a ) welches der
Bischof von Stefanien vermutlich an die Adresse des Vizekanzlers Kaspar
von Schmid dem Becher mit auf den Weg gab, kam weiter entgegen. Dar¬
nach sollten sowohl in die österreichische Kompagnie bayerische, als in die
bayerische österreichische Unterthanen zugelassen, sollten beide Kompagnien
nebeneinander bestehen, aber einem gemeinsamen Generaldirektorium unter¬
geordnet werden. Der Sitz des letzteren wird für die österreichischen Erb¬
lande in Anspruch genommen, mit der wohlbegründeten Motivierung, dass
„der fümehmste verschleiss und gleichsam völliger nutz der participauten in
i. k. Mt. erbkönigreich und Österreichischen wie auch Hispanischen ländern
und des ganzen erzhauses untergebener botmässigkeit und in dessen strömen,
auch unter dessen autorität solle gesucht werden“, er versprach sogar dem
Vizekanzler S c h m i d, wenn derselbe „dieses beiden häusern so nützlich und
bei gegenwärtigeu conjunkturen zu deren bestand so hochnöti¬
ges werk“, zustande zu bringen helfe, am Tage des Abschlusses des Trak¬
tates eine goldene Kette im Werte von 1000 fl. einhändigen, der Frau Kanz¬
lerin aber 3000 fl. „für ein paar Handschuhe“ bezahlen zu wollen. Wir
glauben, dass es dem Bischof mit seinem Vorschläge ernst war: die Begrün¬
dung entspricht ja ganz dem in München vertretenen Programm. Nicht
darauf kam es ihm an, wie Erdberg meint, die bayerische Kompagnie der
österreichischen wirtschaftlich dienstbar zu machen, sondern darauf, auf dem
Wege wirtschaftlichen Zusammengehens eine politische Annäherung zwischen
Bayern und Österreich zu erzielen. Aber es war und blieb eine Privaterklärung,
und es ist sehr zweifelhaft, ob Roxas imstande gewesen wäre, sein Versprechen
zu erfüllen.
Dieses geringe Ergebnis für die Seidenkompagnie musste in einem
umso bedenklicheren Lichte erscheinen, als gleichzeitig Becher für seine
Person sehr viel herausschlug. Er erreichte mit Hilfe des Bischofs Roxas
nicht bloss, dass der Beschluss gefasst wurde, mit der Seidenmanufaktur zu-
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nächst unter seiner Direktion einen Anfang zu machen, er erreichte auch,
was ihm in Bayern versagt blieb, dass ein „collegium commerciorum“ unter
der Direktion des Hofkammerpräsidenten errichtet und Becher demselben
als Ratsmitglied mit einem Gehalt von 1000 Thalem bei gegeben, er erreichte
sogar, dass er mit einer wirtschaftlichen Mission nach den Niederlanden be¬
traut wurde. 36 )
Becher versprach nämlich, in den spanischen Niederlanden sowohl
als unter der gedrückten katholischen Bevölkerung Hollands Arbeiter für die
zu eröffnende Seideumanufaktur und einen technischen Leiter für das Unter¬
nehmen zu gewinnen. Er liess sich aber eine noch viel wichtigere Mission
erteilen. Das von Roxas dem Münchener Hofe vorgelegte Projekt hatte
seine Spitze ganz besonders gegen die wirtschaftliche Ausbeutung Deutsch¬
lands durch Holland gerichtet. Den Wiener Kreisen, soweit sie das Projekt
überhaupt ernst nahmen, in erster Linie dem Bischof Roxas und dem neu
ernannten Kommerzienrat Dr. Becher, mochten denn doch in letzter Stunde
Zweifel an der praktischen Ausführbarkeit desselben gekommen sein, und so
wollten sie vor Beginn des wirtschaftlichen Feldzugs den Versuch machen,
auf dem Wege friedlicher Verhandlungen oder durch Drohungen Holland zu
Zugeständnissen zu bewegen. Die Wiener Regierung ging scheinbar auch
auf diesen Gedanken ein, es galt eben den bayerischen Hof noch weiterhin
mit wirtschaftlichen Problemen zu unterhalten. Die für Becher ausgestellte
kaiserliche Instruktion 87 ) » Erdberg kennt sie nicht, er meint daher, die
Initiative zu diesem Versuche sei von Bayern ausgegangen — erteilt die
Weisung: Becher solle die holländisch-ostindische Kompagnie an den grossen
Gewinn erinnern, den sie seit mehr denn 60 Jahren mit ihrem ausschliess¬
lichen Spezereihandel aus den kaiserlichen Erblanden gezogen habe, ohne
denselben irgend ein Äquivalent zu bieten. Der Kaiser erwarte daher einen
Meistbegünstigungsvertrag, welcher den österreichischen Erblanden eine Preis-
ermässigung für die Spezereien gewähre und zugleich den österreichischen
Industrieerzeugnissen ein Absatzgebiet eröffne. Sonst sehe man sich genötigt,
den Bedarf der kaiserlichen Erblande an Spezereien anderwärts zn beziehen.
Da Becher noch immer in bayerischen Diensten stand, so gab dies die er¬
wünschte Gelegenheit, um auch mit diesem scheinbar viel versprechenden
Projekte vor den bayerischen Kurfürsten zu treten und diesen um beschleu¬
nigte Gewährung eines Urlaubs für die Reise Bechers nach Holland zu
ersuchen, „wie es die kürze der zeit und die bevorstehenden konjunkturell
der Niederlande zu fordern scheinen“. 88 )
Am 7. März 1666 — dieses Datum trägt das kaiserliche Rekreditiv, 89 )
Becher gibt irrtümlich den 1. März an — reiste Becher von Wien nach
München zurück. Erst am 14. Mai 40 ) reagierte man am bayerischen Hofe
auf die kaiserliche Anregung, der Kurfürst erteilte dem Becher nicht bloss
die Erlaubnis zur Reise nach Holland, er gab ihm auch die Vollmacht, in
seinem Namen mit der holländischen Kompagnie dieselben Unterhandlungen
zu pflegen, wie der Kaiser: Auch aus Bayern habe die Kompagnie viele Jahre
lang grossen Nutzen und Gewinn gezogen, auch Bayern erwarte, dass die
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 179
Kompagnie nicht nur die Geldmittel aus dein Lande ziehe, sondern dem¬
selben durch Empfang bayerischer Industrieerzeugnisse auch einen Vorteil
gewähre. Doch als Bayern diese Vollmacht ausstellte, hatte bereits die Wiener
Regierung, welcher es von Anfang an mit solchen Verhandlungen mit Holland
nicht ernst war, welche das versprochene kaiserliche Dekret an die General¬
staaten in Wirklichkeit niemals ausgestellt hat, durch den Hofkammerpräsidenten
Sinzeudorf dem Becher den Befehl erteilen lassen, 41 ) von Verhandlungen
mit der ostindischen Kompagnie bis auf weiteres abzusehen, hatte thatsäch-
lich Becher die ganze Reise nach Holland auf gegeben oder wenigstens bis
nach der Rückkehr von einer weiteren Reise nach Wien aufgeschoben. Und
das musste auch die bayerische Regierung wissen; denn schon am 16. Mai
reiste Becher nach Wien zurück. 42 ) Der bayerischen Regierung war es mit
der Vollmacht an die ostindische Kompagnie ebensowenig ernst, wie der
kaiserlichen. Man hat, wie am Kaiserhofe, so auch am bayerischen von An¬
fang an Anstand genommen, dem Becher ein förmliches Kreditiv zu diesem
Zwecke auszustellen, weil, wie ein Kanzlei vermerk besagt: „es mit einem
patent und sonder dem, unter dessen namen es atigefertigt werden möchte,
seine Schwierigkeiten hat“. 48 ) Man spielte bayerischerseits dieselbe Karte gegen
die Wieuer Regierung aus, mit der diese den Münchener Hof düpieren zu
können glaubte. Der bayerischen Regierung lag damals etwas ganz Anderes
am Herzen, was man dem Becher ebenfalls auf den Weg mitgab, und aus
diesem Grunde bestärkte man denselben Becher, dem man soeben eine
Vollmacht nach den Niederlanden überreicht hatte, in seiner Absicht einer
Rückkehr nach Wien. Doch bevor wir diesem Aufträge näher treten, gilt es,
die übrigen Ereignisse während des Münchener Aufenthaltes Bechers nach¬
zuholen.
Die Aufnahme, welche Becher von der Münchener Seidenkompagnie
zu teil wurde, war keine schmeichelhafte. 44 ) Man legte ihm die in der Gründung
begriffene Wiener Konkurrenzkompagnie zur Last, welche die Münchener Seiden¬
kompagnie ruinieren würde, mau demolierte seine Seidenmühle, man lauerte
ihm und seinen Leuten in nächtlicher Stunde auf der Strasse auf, mau for¬
derte vom Kurfürsten, Becher solange in München zurückzuhalten, bis sie
eiuer bestimmten „Quote“ an der österreichischen Seidenkompagnie versichert
seien. Becher fand jedoch Schutz bei der kurfürstlichen Regierung; das
giebt er selbst in einer Zeit zu, wo er mit dem Münchener Hofe zerfallen
war. Die Münchener leitenden Staatsmänner störten nicht bloss seine Reise
nach Wien nicht, sie wünschten dieselbe vielmehr. Sie hatten eben für die
Seidenkompagnie wie für das Projekt einer Kompagnie für den Donauhandel
kein oder doch nur ein ganz geringes Interesse. Allerdings erklärte der Kur¬
fürst es für billig, dass der bayerischen Kompagnie oder einzelnen Mitgliedern
derselben einige portiones an der österreichischen Kompagnie überlassen würden,
„angesehen sie gleichwohl dieses werks, wie mau nicht leugnen kann, causa
movens seien“, 46 ) allerdings erwiderte der Vizekanzler Kaspar von Schmid
das bekannte Memorial des Bischofs von Stefanien mit dem Wunsche, dass
Bayern entweder ein gewisser Anteil an der Kompagnie oder eine gewisse
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vSpezies von Manufakturen zugesichert werde. 4 c ) Aber das war nichts Anderes
als ein höfliches Eingehen auf das vorher von Roxas gemachte Anerbieten.
Was Becher Martin Ölers an die Kurfürstin Adelheid schreiben lässt 47 ),
ist sehr glaublich: „wann Ew. kf. Dt. die sach nicht so nachdrücklich be¬
fördert hätten, es wäre niemals so weit gekommen, weilen der meiste teil der
geheimen räte der Sachen heiniblich nicht günstig gewesen und nur nach
mittel und weg getracht, wie sie einen prätext möchten finden, wordurch sie
die sach strecken möchten“. Wie geringes Interesse, wie geringes Vertrauen
Schmid in Wirklichkeit für die Seidenkompagnie hatte, verrät die vertrau¬
liche Korrespondenz zwischen dem kurfürstlichen Kabinetssekretariate und
dem Kanzellariate. „Der Kurfürst“, so schreibt der Kabinetssekretär Huber
an Schmid, „hat mir zu schreiben befohlen, ob nicht zu besorgen, dass
Ew. G. das seidenwesen, weil Sie es für unpraktizierlich gehalten, etwan mehr
zu hintertreiben als zu befördern suchen möchten“. 48 ) Allerdings verlangte
man von der Wiener Regierung neuerdings Mitteilung von den türkisch¬
österreichischen Verhandlungen über den Donauhandel, weil inzwischen Graf
Leslie sicher zurückgekehrt und Bericht erstattet haben müsse, weil über¬
dies das Gerücht gehe, dass man eine konstantinopolitanische Kompagnie
aufrichten wolle. 41 ') Aber auch das war es nicht, worauf es der Regierung
ankam.
Man verlangte - und damit war es allein den leitenden Staats¬
männern enist — eine förmliche Konferenz zur Abstellung der langjährigen
bayerischen Beschwerden, zur Abstellung der Donauzölie und des böhmischen
Aufschlages auf das bayerische Salz, mau verlangte mit anderen Worten defi¬
nitive Regelung dessen, was Becher schon während seines ersten Wiener
Aufenthalts angeregt, wofür er Vertröstungen bekommen hatte, mau verlangte
aber auch Kreieruug eines schiedsgerichtlichen Forums, um künftige Streitig¬
keiten friedlich beizulegen. Das erklärte mau für die erste Vorbedingung
einer wahren „unio commerciorum et animorum“. 50 ) In diesem Sinne hatte
Fürstenberg das an ihn gerichtete Schreiben des Bischofs Roxas beant¬
wortet: „ohne satisfaction im salzwesen sei nichts zu erreichen, dieses werk
müsse der kardinalpunkt der konferenz sein“. 61 ) In diesem Sinne hatte Becher
von München aus nach Wien geschrieben und im Auftrag der bayerischen
Regierung mit Repressalien gedroht; ein in Bayern entdecktes Eisenwerk sei
geeignet, dem österreichischen Eisen und Stahl die schwerste Konkurrenz zu
machen, schon habe auch der Herzog von Württemberg sich erboten nur baye¬
risches Salz in seinen Landen verbrauchen und durch seine Lande gehen zu
lassen, wenn der Kurfürst von Bayern die österreichischen Werne verdränge zu
guusten der württembergischen. Schon weist man auch auf die wirtschaftlichen
Verhandlungen hin, die andere deutsche Staaten, voran Sachsen und Branden¬
burg, mit Frankreich führten, auf die verlockenden Anerbietungen, die von letz¬
terer Seite her an die deutschen Stände ergingen. 52 ) Diese Vorstellungen, aber
auch diese Drohungen sollte Becher nunmehr persönlich nach Wien über¬
bringen, um mit Hilfe des Bischofs Roxas eine Konferenz zu erzwingen. Das
war der Grund, weshalb die leitenden Staatsmänner Münchens den in Wirklich-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 181
keit gehassten und verachteten Mann gegen die Seidenkompagnie noch hielten,
weshalb sie ihn zum zweiten Male nach Wien entsandten.
Am 16. Mai brach Becher von München auf, am 22. Mai war er in
Wien. 53 ) Sofort nach seiner Ankunft erwirkte der bayerische Rat eine kaiser¬
liche Audienz, übergab hier das kurfürstliche Schreiben vom 14. Mai und
ersuchte im Namen Kurbayems um Bewilligung einer bayerisch-österreichi¬
schen Konferenz „zur erhaltung beiderseits guten Verständnisses, stabilierung
der kommerzien und beilegung nachbarlicher differeuzen“, unter
besonderer Betonung der bayerisch-österreichischen Salzirrungen, bat zugleich,
man möge zur Beschleunigung der Verhandlungen kaiserlicherseits einige Räte
ausschliesslich dazu verordnen. 54 ) Beides wurde von dem Kaiser, der eine
Verständigung mit Bayern aus politischen Gründen dringend wünschte, der
gleichzeitig auch von Roxas bearbeitet wurde, sofort bewilligt; schon vor
dem 2. Juni war das kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten ausgestellt.
Becher war entschlossen, entsprechend der kurfürstlichen Weisung, sofort
nach München zurückzukehren, und in den politischen Kreisen Wiens hatte
man auch das kaiserliche Handschreiben mit der Absicht verfasst, es dem
Becher zur persönlichen Überbringung einzuhändigen.
Anders dachte man in den obersten Finanzkreisen Wiens; ein einiges
Zusammengehen zwischen den Ministerien Kaiser Leopold I. hat ja stets
gefehlt. Der Empfang, der hier dem Dr. Becher zu teil wurde, war kein
freundlicher. Man hatte sich inzwischen überzeugt, dass Becher bei der
Aufstellung des Rechnungskalkuls für die Seidenkompagnie, in welchem er
den Gewinn auf 30 — 40# berechnete, die elementarsten Vorschriften ausser
acht gelassen, dass er weder an ein Risiko noch an eine Provision noch au
ein Wechselgeld gedacht habe. Man hatte ferner Becher wohl entbunden
von seinen Verhandlungen mit der ostindischen Kompagnie, nicht aber von
seiner Reise nach Holland, um Arbeitskräfte und einen technischen Leiter
für die Seidenkompagnie zu gewinnen. Trotzdem man ihm zu diesem Zwecke
2000 Gulden eingehändigt hatte, war er über München nicht hinausgekommen.
Er hatte, wie mau ihn beschuldigte, versprochen etliche 1000 Menschen, lauter
Katholiken und in der Seidenbrauche wohl bewanderte Arbeiter, ins Land zu
bringen. Was er mitbrachte, waren 6 ganze Personen, 4 männliche (1 Meister,
1 Geselle und 2 Lehrlinge in der Seiden Zwirnerei) und 2 weibliche Arbeiter.
Er hatte versprochen keine Italiener anzuwerben, sondern nur gedrückte katho¬
lische Unterthanen aus den holländischen Provinzen. Nunmehr kam er mit
der Mitteilung, dass er einen Seidenfärber aus Venedig verschrieben und mit
ihm bereits einen Gehalt von 1650 Gulden (!) nebst freier Wohnung verein¬
bart habe. Was er zur Entschuldigung 55 ) vorbrachte, war: eine Reise nach
Holland sei nicht nötig; er könne aus Italien und Frankreich, wo die Industrie
in der grössten Blüte stehe, Arbeiter genug haben, er könne nötigenfalls sich
solche auch aus Holland durch seine Korrespondenten verschreiben. Der
Präsident habe ihm ja selber geschrieben, man solle sich „mit leuten nicht
überhäufen“, die mitgebrachten Arbeiter seien genügend, um einen ersten
Versuch zu wagen; wolle man dann das Werk fortsetzen, so werde er binnen
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Jahresfrist 1000 Menschen in die Arbeit stellen. Von der Anwerbung eines
technischen Leiters habe er zunächst abgesehen, weil sich für die erste Organi¬
sation eine fremde Persönlichkeit nicht eigne und er selbst diese mühsame
Arbeit auf sich nehmen wolle. Sei einmal das Werk in Gang, dann könne
man es füglich einem fremden Direktor überlassen, und für diesen Fall habe
er bereits eine geeignete Persönlichkeit im Auge. Trotz dieser höchst faden¬
scheinigen Rechtfertigung machte man gute Miene zum bösen Spiel, und liess
der Hofkammerpräsident die Arbeiter nach seinem Schloss Walpersdorf ver¬
bringen, um hier mit der Seidenindustrie den ersten Versuch zu machen.
Statt-sich aber zur Einrichtung der Fabrik dorthin zu begeben, quälte
Becher das Kommerzkollegium mit neuen Projekten, stellte bald den Antrag
auf Errichtung einer Kompagnie für den Handel nach der Türkei, bald auf
Einführung der Zuckersiederei und Tuchweberei, bald auf Errichtung einer
indianischen Kompagnie: vermutlich tauchte jetzt unter Mitwirkung des durch
Becher zum Kommerzienrat empfohlenen Kraft das Projekt einer Vereini¬
gung der ostindischen und westindischen Kompagnie auf. 56 ) Die Folge davon
war, dass sich die Aktionäre zurückzogen und die Arbeiter umsonst unter¬
halten werden mussten.
Auch als sich der Hofkammerpräsident erbot, auf sein eigenes Risiko
den ersten Versuch zu wagen, machte Becher keine Miene, sich nach Walpers¬
dorf zu bemühen, erklärte vielmehr, man fordere ihn nach München zurück.
Nun griff Sinzeudorf zu einer List. Becher hatte, wie bereits geschildert,
beim Kaiser auf eine Konferenz an getragen, man hatte bereits ein kaiserliches
Handschreiben abgefasst, um es Becher mit auf den Weg nach München
zu geben. Sinzendorf nahm das kaiserliche Handschreiben zu sich und
trat am 2. Juni eine Wallfahrt nach Zell auf dem Wege über Walpersdorf an,
um auf diese Weise Becher zu zwingen, ihm nach seinem Schlosse tiachzu-
reisen. Statt dessen schickte Becher einen Boten mit der Forderung, ihm
sofort das kaiserliche Handschreiben auszuliefern: er sei neuerdings nach
München zurückgefordert worden.
Zu derselben Zeit lief beim Hofkainmerpräsidenteii ein Schreiben von
vertrauter Hand, vermutlich aus Bayern ein Becher schrieb es einem
Mönch zu, der durch die Kaufleute innerhalb wie ausserhalb der kaiserlichen
Erblande dazu gedungen worden sei 57 ) — des Inhalts, Becher und sein
Anhang stünden am kurbayerischen Hofe in schlechtem Kredit, seine Unter¬
nehmungen hätten keinen PMolg, man solle sich nicht zu tief mit ihm ein-
lassen. Sinzendorf sandte das Schreiben zu weiterer Recherche an den
Hofkannnerrat von Selb, der zugleich Mitglied des Kommerzkollegiums war,
und zwar durch denselben Boten, den Becher nach Walpersdorf geschickt
hatte. Dieser traf am 23. Juni in Wien ein und lieferte die beiden Schreiben
in die Hände Bechers. Becher erbrach dieselben und erging sich nun
gegenüber Selb in den heftigsten Anklagen wider den Hofkammerpräsidenten:
Sinzendorf sei ein falscher Mann, stehe der Einigung der Häuser Öster¬
reich und Bayern im Wege, er werde die Briefe dem Kaiser und dem Kur¬
fürsten von Bayern persönlich vorzeigen. Selb liess sich durch diese Droh-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 183
ungen so einschüchtern, dass er einen Eilboten an Sin zendorf schickte
mit der Bitte, ihm das kaiserliche Handschreiben zur Aushändigung an Becher
zu übermitteln. Trotzdem — so erklärt wenigstens die Anklageschrift wider
Becher — war Sinzendorf nochmals entschlossen die Angelegenheit auf
sich beruhen zu lassen, als von Selb ein zweites Schreiben einlief, Becher
sei noch am nämlichen Tage bei ihm erschienen und habe wenigstens das
an ihn (Selb) gerichtete Schreiben ausgehändigt, habe sich zugleich ent¬
schuldigt, dass die Eröffnung der Briefe nur durch ein Versehen geschehen
sei, und sich bereit erklärt, nach Walpersdorf zu reisen und dort seine Schuldig¬
keit zu thun.
Wirklich begab sich Becher in Begleitung des Sekretärs des Hofkammer¬
präsidenten nach Walpersdorf. Aber was er an die Adresse seines Vorgesetzten
mit auf den Weg nahm, war ein Brief, der statt der erwarteten Abbitte noch hef¬
tigere Anklagen wider Sinzendorf enthielt: Der Hofkammerpräsident habe
Bechers Gehaltsanweisung an das Hofzahlamt zurückgehalten, er allein habe
durch seine Zuziehung von Kaufleuten verschuldet, dass bis jetzt noch keine
Seidenkompagnie ins Leben getreten, habe als Entgelt für die Verdienste Bechers
„schwarze rekommendationes“ über ihn in die Welt hinausgesendet, habe das
kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten von Bayern unerlaubter Weise
zurückbehalten, arbeite an der Auflösung des Kommerzkollegiums, ohne seine
Mitwirkung wäre man längst mit dem Unternehmen zu Ende gekommen.
Übrigens, wenn er, Becher, das kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten
und die Gehaltsanweisuug an das Hofzahlamt in Händen habe, dann möge
Sinzendorf ruhig nach Mariazell oder gar nach St. Jakob wallfahren gehen
und seinetwegen das ganze Jahr dort bleiben.
Nach einem solchen Auftreten eines Untergebenen gegen den Finanz-
minister musste ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Becher erhielt
den dienstlichen Befehl, bis zum Eintreffen der kaiserlichen Entscheidung das
Schloss Walpersdorf nicht zu verlassen. Becher entsprang aber über die
Schlossmauer, und, als er durch die Leute des Schlossherrn auf der Flucht
festgenommeu wurde, beschwor er den kaiserlichen Obersthof marschall Frei¬
herrn von Windisch-Grätz in einem Schreiben, er möchte ihn vor der
Rache des Hofkammerpräsidenten schützen, da dieser ihm nach dem Leben
trachte.
Das im wesentlichen der Inhalt der Anklageakte, welche unter dem
Titel „Gründliche information über des Dr. Bechers verübte insolentien“ 57 *) am
3. Juli im Aufträge des Präsidenten an den Kaiser ging, von der eine Ab¬
schrift auch an den bayerischen Hof gesandt wurde. Ein Aktenstück, das
für die Würdigung Bechers als Praktiker vielleicht wichtiger ist als alle
die Mitteilungen und Dokumente, welche Becher in die zweite Auflage seines
politischen Diskurses aufzunehmen für gut befunden hat, ein Aktenstück,
welches mit beredter Sprache die Notwendigkeit darthut, das von Becher
einseitig gebotene Material durch archivalische Quellen zu ergänzen und zu
berichtigen! Wenn auch im einzelnen die Darstellung des selbst nicht makel¬
los dastehenden' Hofkammerpräsidenten gefärbt sein mag, im grossen und
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M. Doeberl
ganzen entspricht sie gewiss der Wahrheit. Soweit eine Verteidigung von
seiten Bechers überhaupt versucht wurde, bestätigt sie nur die darin er¬
hobenen Anklagen. Natürlich ist es nach der Darstellung Bechers wiederum
die Beschränktheit und der Geschäftsneid der Kaufleute, die, wie sie ihm in
München alles verdorben, so auch in Wien den Konflikt zwischen ihm und
den Hofkammerpräsidenten künstlich heraufbeschworen hätte.
Allerdings wurde der Konflikt zwischen dem Hofkammerpräsidenten und
dem Kommerzienrat noch im Juli 1666 beigelegt. Schon am 25. Juli konnte
Sinzeudorf nach München, wo man wegen des langen Ausbleibens des
kaiserlichen Bescheides unruhig, über die Thätigkeit Bechers vielleicht be¬
denklich geworden war, auf eine Anfrage Fürstenbergs berichten, dass
ihm Becher volle Genugthuung gegeben, dass derselbe deshalb „ad cousilium
et sessiouem“ wieder zugelasseu, mit anderen Worten rehabilitiert sei, er be¬
zeugte ihm sogar, dass er sich das Intefesse des Kurfürsten von Bayern alle
Zeit habe aufs beste angelegen sein lassen. 58 ) In der That verfasste Becher
noch im nämlichen Monat, am 28. Juli, eine Geschäftsordnung für die Seiden-
manufaktur in Walpersdorf. 59 ) Indes die Aussöhnung Bechers mit Siuzen-
dorf war nur eine äussere, war, wie Becher selbst hierüber schreibt, nur
„zusammeugeflickt und gelappt“ 60 ), die erwähnte Geschäftsordnung rechnet
bereits mit der Abreise des Verfassers aus den österreichischen Erblanden.
Noch im August, längstens im September kehrte Becher nach München zu¬
rück. Auf eine Reihe von Jahren, bis zum Herbst 1670, war ihm die schöne
Kaiserstadt an der Donau versperrt. Er selbst klagte von München aus, dass
ihm die Wiener Regierung nicht die nötige Sicherheit für eine Rückkehr
nach Wien biete, dass man ihn hinunterbefehle, unterwegs aber verbiete ihn
hinunter zu lassen; 61 ) und das wird auch durch die Berichte der bayerischen
Teilnehmer an der späteren Wiener Konferenz bestätigt. Becher verbrachte
daher die Jahre 1666—68 in München und widmete sich fast ausschliesslich
der litterarischen Thätigkeit, verfasste in dieser Zeit eine chemische und päda¬
gogische Abhandlung, die „Physica subterranea“ und die „methodus didactica“,
„welche zwei bücher hoffentlich von den gelehrten leuten mehr werden esti-
miert werden, als wenn ich 10 jahre mich in Wien mit den kaufleuten ge¬
zankt hätte“, brachte auch am Jahrestage des Disziplinarverfahrens, „dem
dritten tag Julii, an dem vierten sonntag post Trinitatis, vou dem Splitter und
balken in des nächsten aug, anno 1667“ 62 ) das Manuskript desjenigen Werks
zum Abschluss, das ihn von seiner vorteilhaftesten Seite zeigte, als hervor¬
ragenden Theoretiker der Nationalökonomie. Es ist die erste Edition seines
berühmten „politischen Diskurses“, die im folgenden Jahre im Druck erschien.
In den Jahren 1669 und 70 wandte er sich dann seinen früheren Koloni-
sationsplänen zu und wusste eine Zeit laug einen kleinen binneuländischen
Reichsstand, den Grafen Friedrich Kasimir von Hanau, für die Gründung
einer Kolonie in Südamerika zu erwärmen, ein Projekt, das dem Grafen wohl
die Börse erleichterte und den Titel eines Königs vom Schlaraffenland ein¬
trug. das aber wie alle früheren Kolonisationspläne im Saude verlief. Erst
im August 1670 wagte es Becher seine Schritte wieder nach Wien zu
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• Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 185
lenken, fühlte sich aber selbst jetzt, wiewohl er inzwischen seinen politischen
Diskurs dem Hofkammerpräsidenten gewidmet und dieser die Widmung auch
dankend angenommen hatte, 68 ) gedrungen, sich in aller Form bei Sinzeudorf
zu vergewissern, dass dieser ihm den früheren Zwischenfall nicht mehr nach-
trage. Erst als er im Besitze eines förmlichen Amnestieschreibens des Hof¬
kammerpräsidenten war, 64 ) betritt er zum dritten Male Wien.
Die politische Mission Bechers im Sommer 1666 hatte aber trotz des
Konfliktes mit Sinzendorf ihren Zweck erreicht. Schon am 3. Juli 1666, also
am nämlichen Tage, an welchem die Anklageschrift wider Becher eingereicht
wurde, war das Schreiben des Kaisers, welches die von Becher angeregte
Konferenz bewilligte, wirklich an den Kurfürsten von Bayern abgegangen. 66 )
Der Kaiser entschuldigte sogar die verspätete Absenduug seiner Antwort auf
die bayerische Propositiou: „hätte auch derentwegen das verfasste schreiben
an Ew. Libden durch Becher schon überliefern lassen, wenn nicht inzwischen
von demselben einige ungelegenheit gemacht worden und also in etwas an-
stehen geblieben wäre, wie Ew. Libden zweifellos mit mehreren informiert
sein werden“. Am 21. August desselben Jahres sodann gab die kaiserliche
Regierung dem bayerischen Hofe bekannt, dass die Konferenz Mitte Oktober
an getreten werden solle. 66 )
Das war aber auch die letzte politische Mission, mit der Becher
seitens der bayerischen Regierung betraut wurde. Hatte Becher seit dem
Sommer 1666 am Wiener Hofe vorübergehend, so hatte er seit derselben Zeit
am Münchener Hofe dauernd seine Rolle ausgespielt. Dem Kurfürsten und
dessen Gemahlin mochte ja bei ihrer Vorliebe für wirtschaftliche Probleme
der Projektenmacher Becher eine Zeit lang innerlich nahe gestanden sein,
für den Fürsteuberg, ganz besonders aber für Schmid war der Mann
mit seinen ausgedehnten persönlichen Beziehungen und seiner diplomatischen
Gewandtheit von Anfang nichts Anderes als ein vorübergehendes Werkzeug
für ihre politischen Absichten. Becher teilte das Schicksal so vieler Ver¬
treter einer augenblicklichen Modeidee. Sie mochten glauben, die Staats¬
männer lenken zu können, und waren doch nur die Werkzeuge für deren
politische Ziele, Werkzeuge, die man wegwarf, wenn sie schadhaft geworden
oder wenn man ihrer entraten konnte. Wir wissen, wie skeptisch der Vize¬
kanzler Kaspar von Schmid von Anfang an den Projekten Bechers
gegenüber stand. Der realistische Staatsmann war ein Gegner aller chimeri-
schen und phantastischen Pläne, ein Gegner des Staatsbetriebes, ein Gegner
der Kolonialpläne, ein Gegner der Seidenindustrie. Der nüchterne Jurist
Schmid stand aber auch von Anfang an dem in Entwürfen sich überbieten¬
den Becher unsympathisch gegenüber. Schmid beurteilte ihn als einen
phantastischen, ruhelosen Projektenmacher, der in der Praxis fast immer
fallierte, als einen Mann, der sich um Geld zu allem gebrauchen liess, bald
für politische, bald für wirtschaftliche Aufträge: 67 ) „Der gibt alles ab, bald
einen Statisten, bald einen commercisten“.
Und bei aller Hochachtung vor dem Theoretiker Becher, der Prak¬
tiker Becher verdiente kein besseres Urteil. Becher selbst beklagte sich
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186 M. Doeberl
später, dass ihn der Kanzler verachtet und verfolgt habe. 68 ) Schon hatte er
auch den Rückhalt an der Kurfürstin verloren; Becher hatte nach eigenem
Geständnis die Kurfürstin „gewaltsam gegen sich alteriert“, weil er dem von
der Kurfürstin begünstigten Vorschläge Martin Oelers, für die bayerische
Kompagnie Fühlung mit Frankreich zu suchen, in dem kapitalkräftigen Frank¬
reich Aktionäre für dieselbe zu gewinnen, entgegen gearbeitet hatte. 69 ) Um
ihu beim Kurfürsten unmöglich zu machen, setzte man bei dem unüberwind¬
lichen Misstrauen Ferdinand Marias gegen die Kurpfalz und bei seiner
notorisch streng katholischen Gesinnung ein. Man beschuldigte Becher,
dass er mit Kurpfalz wider Kurbayern korrespondiere, 70 ) man benützte eine
als Motto für den politischen Diskurs benützte Stelle aus dem Juristen (!)
Kalvillus, um diese Worte dem Stifter des reformierten Bekenntnisses zu¬
zuschreiben und den Becher beim Kurfürsten zu beschuldigen, dass er kal-
vinisch wäre. 71 ) Wenn er auch letztere Anklage mit Hilfe eines Jesuiten
selbst leicht widerlegen konnte, wenn er auch noch nach dem Jahre 1668
öfter vorübergehend Aufenthalt in München nahm, eine politische Bedeutung
konnte er nicht mehr zurückerlangen, noch weniger aber wurde er zu den
Verhandlungen der bayerisch-österreichischen Konferenz zugezogen, die er
angeregt hatte, und die seit dem Herbst 1666 in Wien tagte. Ein solches
Vertrauenskommissorium war ihm wohl von Anfang an nicht zugedacht
III.
In der zweiten Hälfte des Oktober 1666 trat die von Becher an¬
geregte Konferenz in Wien zusammen. Seitens Bayerns waren dazu delegiert
der Hofkammerrat Dr. Joh. Baptist Lei dl und der Kanzler der Regierung
Landshut Dr. Johann German Barbier, seitens Österreichs der Hof¬
kammerpräsident Sinzendorf und die Hofkainmerräte von Selb und Mör-
bolt. Ein volles Jahr währte die Konferenz, die Berichte der bayerischen
Gesandten allein füllen drei Foliobände, 78 ) Tausende verschlangen die Kosten
der Konferenz. Ominös für den Ernst der Verhandlungen war schon der
Anfang; am 14. November fand die erste Sitzung statt, und doch weilten die
bayerischen Abgeordneten bereits seit der zweiten Hälfte des Oktober in Wien.
Nach den .Intentionen der österreichischen Regierung sollte sich die
Konferenz in erster Linie mit neuen gemeinsamen wirtschaftlichen Problemen
tragen, aber wie wenig es der bayerischen Regierung damit ernst war, be¬
weist allein schon die mangelhafte Instruktion der bayerischen Vertreter, be¬
weist der Umstand, dass weder sie noch selbst die bayerische Hofkammer
über die Verhandlungen des Bischofs Roxas und des Dr. Joh. Joachim
Becher informiert waren.
Allerdings berührte die Instruktion der bayerischen Abgeordneten
den Donauhandel nach der Türkei und die Seidenkompagnie, aber,
selbst hier erteilte sie nicht Vollmachten, sondern lediglich den Auftrag an¬
zufragen. Übrigens verschwand der erste Gegenstand sehr bald von der Tages¬
ordnung. Auf die Anfrage der bayerischen Räte, ob das Gerücht begründet
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 187
sei, „dass man mittels der Donau die Orientalischen waren herausbringen wolle",
erwiderte der kaiserliche Hofkammerpräsident, es hätte allerdings Roxas ein
ähnliches Projekt vorgelegt, aber man habe an eine Verwirklichung dieses weit¬
aussehenden und schwierigen Unternehmens niemals gedacht. Mit dem' Be¬
richte der bayerischen Gesandten, dass man österreichischerseits keine Neigung
verraten habe, eine Kompagnie für den Donauhandel nach der Türkei auf¬
zurichten und bayerische ünterthanen in dieselbe aufzunehmen, war dieses
Projekt für die bayerische Regierung wenigstens begraben. 73 )
Die Seide 11 ko mpag nie beschäftigte die Konferenz längere Zeit,
man sah sich bayerischerseits sogar genötigt eingehendere Weisungen an
die Abgeordneten zu schicken. Aber diese Weisungen dokumentierten nur
den Gegensatz zwischen den Anschauungen des nüchternen Vizekanzlers
Kaspar von Schmid und der Männer, welche den Gedanken einer wirt¬
schaftlichen Annäherung Bayerns und Österreichs angeregt hatten. Wenn
man das Kommerzwesen in Bayern und Österreich in einen gemeinnützigen
Stand bringen wolle, so schrieb 74 ) Schmid im Aufträge seines Kurfürsten
an die bayerischen Vertreter, dann dürfe das Hauptabsehen nicht auf die
Seidenmanufaktur gerichtet werden, sondern auf jene Industriezweige, wozu
man die Rohprodukte in den beiderseitigen Erbländern in grossen Massen in
Vorrat habe; das sei vornehmlich Tuch, Leinwand, Golschen und Loden.
Diesen Manufakturen müsse man den heimischen Markt erobern und zugleich
ein Absatzgebiet im Ausland erwerben, dann könne man das Geld im Laude
erhalten und zugleich fremdes Geld ins Land hereinziehen. Weil es bis jetzt
an einem wirtschaftlichen Zusammengehen zwischen Bayern und Österreich
gefehlt, hätten die Ausländer die Rohprodukte beider Länder haufenweise
ausgeführt, sie an anderen Orten verarbeitet und dann mit grossem Gewinn
nach dem Ursprungslande selbst wieder zurückgeführt. Um dem zuvorzu-
kommeu, gebe es kein besseres Mittel, als dass aus den Ünterthanen der
österreichischen und bayerischen Lande eine starke Kompagnie sich bilde und
den Verlag sämtlicher genannter Waren auf sich nehme. Nur nebenher ist
der Seidenindustrie gedacht, und das nur in Rücksicht auf den Kurfürsten
und auf Österreich. So ist es begreiflich, wenn bei dem prinzipiellen Gegen¬
satz auch dieser Konferenzgegenstaud immermehr in den Hintergrund trat,
zuletzt ganz verschwand. Auf Anregung der bayerischen Vertreter wurden
von österreichischen Kaufleuten zwei Gutachten über die Seidenindustrie ein-
gefordert und dem bayerischen Kurfürsten überschickt, aber eine Resolution
erfolgte nicht. Mit Freuden ergriff man den Umstand, dass das Gutachten
über eine Aufnahme bayerischer Ünterthanen in die Kompagnie sich aus-
schwieg, als Vorwand, um die Verhandlungen über diesen Gegenstand abzu¬
brechen: „aus dem gutachten der Wiener kaufleute könnte man ersehen, dass
denen heim Österreichern nicht gemeint, unsere ünterthanen in ihre auf zu-
richten vorhabende kompagnie mit einzunehmen, deswegen ihr denn bei selbigen
fernere instanz auch umsoweniger darum zu machen habt, weil sie sich allein
beim seidenwesen und deroselbigen manufaktur aufhalteu, welches aber uns
noch ein für allemal von solcher importanz zu sein nicht fürkommen will.“ 7 *)
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i88
M. Doeherl
Wofür die bayerischen Abgeordneten besser instruiert waren, das war
kein neuer kommerzieller Gegenstand, sondern eine alte Forderung der bayerischen
Regierung, die Forderung auf Abschaffung der während des dreissigjährigen
Krieges erhöhten österreichischen Zölle und Mauten auf der Donau. Schon in
der ersten Sitzung stellten sie diese Forderung mit der Motivierung, dass durch
die exorbitanten Zölle und Mauten, insbesonders beim roten Turm, die Schif¬
fahrt auf der Donau fast gänzlich eingestellt und damit zugleich dem Kurfürsten
an seinen Zoll- und Mautstätten ein grosser Schaden zugefügt wordeu sei.
Der kaiserliche Hofkammerpräsident, welcher die Maut am roten Turm pfand¬
weise in Nutzgenuss hatte, verhielt sich gegenüber den bayerischen Wünschen
völlig ablehnend, die beiden anderen kaiserlichen Konfereuzmitglieder zeigten
zwar mehr Entgegenkommen, stellten aber die Gegenforderung, dass auch an
den kurfürstlichen Mautstätten eine Reduktion auf den Massstab der alten
Zeit vorgenommen werde, und hielten an dieser Gegenforderung selbst dann
fest, als die bayerischen Vertreter einwanden, die bayerischen Zölle w r ürden auf
Grund uralter kaiserlicher und königlicher Privilegien erhoben, die öster¬
reichischen seien dagegen erst im letzten Krieg so hock gesteigert wordeu.
Eine Ermässigung der österreichischen Zölle wurde nicht erzielt, eine solche
erschien den bayerischen Bevollmächtigten selbst völlig aussichtslos, schon
aus dem Grunde, weil die meisten, wenn nicht alle Zölle im Nutzgenuss der
österreichischen Minister sich befanden.
Am meisten lag der bayerischen Regierung am Herzen die Abstellung
der Salzbeschwerde. Die bayerischen Abgeordneten forderten denn auch
gleich in der ersten Konferenz völlige Aufhebung des böhmischen Salz¬
aufschlags, doch zu ihrer grössten Überraschung weigerten sich die kaiser¬
lichen Deputierten, über diesen Gegenstand auch nur in Verhandlungen ein¬
zutreten. Sie erklärten und zwar ganz im Widerspruch mit dem thatsächlicheu
Hergang, die Konferenz hätte sich nur mit dem Kommerzienwesen zu be¬
schäftigen ufid sei nur in diesem Sinne von Becher gefordert, vom Kaiser
bewilligt worden. Vergebens wiesen die bayerischen Gesandten darauf hin,
dass die Konferenz nicht nur „der kotnmerzien, sondern auch der Ursachen
halber begehrt werden, damit zwischen dem kaiser und dem kurfürsten das
gute ein vernehmen desto besser stabiliert und die obhandeuen nachbar¬
lichen differenzen hingelegt werden möchten.“ 76 ) Als dann auf bayerisches
Andringen die Entscheidung des Kaisers an gerufen wurde und dieser sich
für die Zulassung der bayerischen Salzbeschwerde als Konferenzgegenstand
aussprach, lehnten die kaiserlichen Abgeordneten anfangs jegliches Zugeständ¬
nis ab. Der Kaiser sei auf grund der von Bayern ins Feld geführten alten
Verträge lediglich verpflichtet, dem Halleiner Salz die Einfuhr nach Böhmen
zu verstatten. Dergleichen Aufschläge würden nicht bloss von dem fremden
Halleiner Salz erhoben, sondern auch von dem eigenen Gmundener Salz
und auch nicht bloss in Böhmen, sondern ebenso in den übrigen kaiserlichen
Erbländern. Würde Böhmen davon befreit, würde dieselbe Befreiung auch
von den anderen Erbländem gefordert und damit die Gmundener Salzgefälle
des Kaisers allein um 100,000 Reichsthaler geschmälert werden. 77 ) Vergebens
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 189
erinnerten die bayerischen Vertreter an die früheren schriftlichen wie münd¬
lichen Zusagen der kaiserlichen Regierung. Vergebens betonten sie, es sei
förderlicher den bisherigen auf altem Herkommen und alten Verträgen be¬
ruhenden Handel zu erhalten als denselben zu gründe gehen zu lassen und
neue weitaussehende und höchst schwierige Unternehmungen ins Leben zu
rufen. Vergebens auch drohten sie damit, dass die bayerischen Uuterthanen
alles wirtschaftliche Vertrauen zu Österreich verlieren müssten, wenn sie
sähen, dass ihr Landesfürst den alten Verträgen zum Trotz in dem Verschleiss
des Halleiner Salzes gehemmt würde. 78 )
Nachdem sich so die bayerischen Abgeordneten von der Aussichts¬
losigkeit ihrer Forderung nach Aufhebung des Salzaufschlags überzeugt hatten,
versuchten sie den andern in ihrer Instruktion vorgewiesenen Weg, den
Appalt. Auch dieser Vorschlag scheiterte an der Erklärung der kaiserlichen
Deputierten, dass sie einen Appalt auf nicht mehr als 24000 Scheiben ab-
schliessen könnten, während die Kurbayerischen 8—900000 Liter forderten.
Nun schlugen die Kurbayerischen einen dritten Weg ein und begehrten
die Überlassung des weiter zu erhebenden Aufschlags an Bayern. Auch
dagegen verhielt sich der Hofkammerpräsident anfangs völlig ablehnend. Er
werde, so erklärte er, 79 ) dem Kaiser niemals zumuten, einem fremden Potentaten
auch nur einen Groschen, geschweige mehr an seinen Aufschlägen und Ge¬
fällen zu opfern. Mau habe während des dreissigjährigen Krieges und noch
während des letzten Türkenkrieges genug Einnahmen versetzen müssen. Nur
durch Vermittelung des zur Konferenz deputierten Hofkammerrates von Selb
wurde der Präsident und mit ihm die gesamte kaiserliche Hofkammer für ein
Gutachten gewonnen, welches sich für die Überlassung des halben Aufschlags
auf 10 Jahre aussprach. Und wirklich gab diesem Vorschläge der Kaiser in
dem unterm 12. März 1667 ausgefertigten Hofkammerdekret Folge. 80 )
Doch die bayerische Regierung gab sich damit nicht zufrieden, sie bestand
auf völliger Überlassung. Nunmehr reichte der kurbayerische Abgeordnete
Barbier ein Memorandum ein, in welchem er die kaiserliche Interpretation
der alten Salzverträge widerlegt zu haben glaubte. Schon erhofften sich die
bayerischen Abgeordneten von dieser Denkschrift sowohl wie von dem Ver¬
sprechen des Ministers Lobkowitz, ihre Sache zu unterstützen, den besten
Erfolg, schon sprachen sich selbst die kaiserlichen Hofkammerräte in ihrem
Gutachten für Erstattung des jährlichen Betrags des Aufschlags aus. Doch in
der obersten Zentralbehörde, dem geheimen Rate, wurde anders beschlossen
und durch Dekret 81 ) vom 18. Juli nicht bloss bekannt gegeben, dass es bei
dem früheren Hofkammerdekrete zu verbleiben habe, sondern auch hinzu¬
gefügt, dass dieses Zugeständnis nicht auf grund einer rechtlichen Verpflich¬
tung, sondern nur aus gutem Willen gemacht worden sei, und dass mau er¬
warte, der Kurfürst werde zum Entgelt die Zölle für österreichische und
Tiroler Weine herabsetzen.
Die bayerischen Abgeordneten schrieben diese veränderte Haltung der
Wiener Regierung einem Umschwung am kaiserlichen Hofe zu. Zu der
Zeit, als Bischof Roxas Bayern die Hoffnung auf den ganzen Aufschlag er-
Bayer. Forschungen VI, 3. 13
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190 M. Doeberl
weckt, habe der Kaiser niemand anderen zu Rate gezogen als den Nachfolger
des (1665 verstorbenen) Obersthofmeisters Portia, Lobkowitz, und den
Oberstkämmerer Lamberg; darauf habe Roxas einzig und allein seine
Hoffnung aufgebaut. Im Laufe der Verhandlungen aber habe sich eiu sicht¬
licher Umschwung vollzogen. Auersperg sei in der Achtung des Kaisers
gestiegen, habe einen dominierenden Einfluss erlangt. Dieser aber sei nach
den Äusserungen des Hofkammerpräsidenten Sinzendorf und des Hof¬
kammerrates von Selb die Hauptursache gewesen, weshalb dem Kurfürsten
von Bayern nicht der ganze Aufschlag bewilligt worden wäre. Bayern wäre
nicht einmal die Hälfte zugestanden worden, wenn nicht Sinzendorf und
Selb hiefür bereits gebunden gewesen wären. 82 ) In der That war der Ein¬
fluss des Ministers Auersperg im Frühjahr 1667 gewaltig im Steigen, und
war derselbe Auersperg ein persönlicher Gegner des Fürsten Lobkowitz,
der ihm nach dem Tode Portias die Stelle eines Obersthofmeisters und da¬
mit des ersten Ministers weggenommen hatte, war zugleich als Anhänger
Spaniens ein politischer Gegner Lobkowitz’, der eine friedliche Verständi¬
gung mit Frankreich befürwortete, 8 war ebenso ein Gegner des Bischofs
Roxas. Roxas hatte im Jahre 1665 im Aufträge des Erzbischofs von Mainz
und des damals noch lebenden Portia eine Mission übernommen, 84 ) um eine
gütliche Verständigung zwischen dem Kaiser und Frankreich in der spani¬
schen Erbfolgefrage zu vermitteln. Auersperg hatte dieses Projekt durch
Verrat an Spanien zu Fall gebracht. Doch was Auersperg zu der feind¬
seligen Haltung gegen Bayern bewog, war nicht bloss der Gegensatz zu Lob-
kowitz und Roxas, es war in erster Linie die Politik Bayerns vor und
während des Devolutionskrieges. Darüber schweigen sich freilich die Berichte
der bayerischen Vertreter am Wiener Hofe aus.
Schon in der zweiten Hälfte des April 1667 hatte der gerade auf Ver¬
anlassung des Fürsten Lobkowitz zu den wirtschaftlichen Verhandlungen
beigezogene Hofkanzler Hoch er, derselbe, der seinerzeit in Begleitung des
Bischofs Roxas nach München gekommen war, heftige Klage geführt, dass
Bayern in dem Streite zwischen Österreich und dem Bischof von Bamberg
wegen der Bainberger Güter in Kärnten auf dem Regensburger Reichstage
die Partei des Bischofs ergriffen habe, „es sei dem kaiser schwer gefallen
und von demselben ungleich aufgenommen worden, dass der kurfürst bei dem
instehenden reichstag und vorhero des bischofs von Bamberg intention be¬
ständig sekundieren helfen und seine partes susteniert habe, indem man nicht
sehen könne, dass der kurfürst das geringste interesse dabei zu suchen oder
einige präjudiz zu befahren habe, indem der bischof von Bamberg wegen der
in Kärnten liegenden güter ein bekannter vasall und landesunterthan sei ... .
Wenn der kurfürst eine gute verständnus mit dem kaiser und dem erz¬
hause stiften wolle, sei von nöten, dass man sich dergleichen Streitigkeiten
entäussere und die Österreichischen unterthanen wider den kaiser als ihren
erbherrn nicht fomentieren helfe. Es würde dem kurfürsten auch nicht ge¬
fallen, wenn der kaiser deroselben unterthanen wider ihn foviere und ihnen
assistenz leisten wollte.“ 85 ) Und derselbe H ocher hatte zuerst die Forderung
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 191
nach Aufhebung des bayerischen Aufschlags auf die Tiroler Weine erhoben.
Als dann im Mai 1667 der längst in der Luft liegende Krieg Frankreichs um
die spanischen Niederlande, der sogenannte Devolutionskrieg, wirklich begann,
war der bayerische Gesandte in Regensburg, Franz von Mayr, der thätigste
Bundesgenosse Frankreichs auf dessen diplomatischem Feldzuge am Regens¬
burger Reichstage, lief sich, um mit den Brandenburger Gesandten zu sprechen, 8 ®)
förmlich die Füsse ab, um eine Intervention des Regensburger Reichstags zu
Gunsten der spanischen Niederlande fern zu halten, erklärte den österreichi¬
schen Gesandten, „sein herr halte, damit nicht zu mehrer Weitläufigkeit anlass
gegeben werde, für nötig, dass der kaiser sich in dieses werk nicht mesliere,
viel weniger Spanien assistenz leiste“. Er ging sogar in seinem Eifer für
Frankreich über seine Instruktion noch hinaus, sodass der damals in Italien
weilende Kurfürst ihm ernstliche Vorstellungen machen liess. 87 )
Unter diesen Umständen war es der kaiserlichen Regierung nicht zu
verdenken, wenn sie geringe Neigungen zeigte zu wirtschaftlichen Konzessionen
an Bayern. Trotzdem gab sich der Kanzler K. von Schmid mit dem kaiser¬
lichen Dekret vom 18. Juli nicht zufrieden, sondern erklärte den bayerischen
Vertretern am Wiener Hofe, man werde den halben Aufschlag nicht anders
annehmeu, als wenn er „zu freier disposition nachgegeben“, wenn zugleich
auf zeitliche Fixierung und auf die Forderung von Gegenleistungen verzichtet
und die beiderseitigen Rechte ausdrücklich Vorbehalten würden. 88 ) Die bayeri¬
sche Regierung forderte freie Disposition, weil es ihr weniger darum zu thun
war, augenblicklich einige 1000 Gulden Mehreinnahmen für den Fiskus zu
erzielen, sondern vielmehr darum, durch Erlass oder Ermässigung des Ein¬
fuhrzolles den bayerischen Salzverschleiss nach Böhmen zu heben. Sie forderte
Streichung des zeitlichen Termins und Vorbehalt der beiderseitigen Rechte,
um in der nächsten Zeit nicht verhindert zu sein, günstige Konjunkturen zu
völliger Aufhebung des Salzaufschlags zu benützen. In der vom Kaiser an
die Bewilligung geknüpften Hoffnung auf Gegenleistungen vollends erblickte
sie eine Verpflichtung, zu welcher das ganze österreichische Zugeständnis in
keinem Verhältnis stand.
Auf erneute Vorstellung Barbiers — Leidl war am 18. Juli bereits
abgereist —, dass das Wort „nachgeben“ eine Aufhebung des böhmischen
Salzaufschlags bedeute, also eine Forderung, auf die man bereits verzichtet,
nahm die bayerische Regierung zwar von dem Worte „uachgeben“ Umgang^
ebenso von der Streichung des zeitlichen Termins, bestand aber auf der Ein¬
rückung der Worte „freie disposition“ und des Vorbehalts der beiderseitigen
Rechte, wie auf der Streichung der Forderung von Gegenleistungen. Wirklich
machte die kaiserliche Regierung unterm 30. Sept. 1667 88 *) einen weiteren Schritt
des Entgegenkommens. Sie bewilligte Bayern den halben Salzaufschlag auf 10 Jahre
ohne die Bedingung einer Gegenleistung und unter ausdrücklichem Vorbehalte
der beiderseitigen Rechte. Die bayerischen Abgeordneten schrieben das Zu¬
geständnis vornehmlich der Vermittelungsthätigkeit des Pater Roxas zu, der
beim Kaiser sowohl wie beim Hofkammerpräsidenten aufs wärmste die Sache
Bayerns vertreten habe. Doch erklärt sich das Zugeständnis nicht minder
13*
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192 M. Doeberl
aus dem politischen Zusammenhang, aus der Wechselwirkung der politischen
Ereignisse. Gerade damals gingen kaiserliche Gesandtschaften an die deut¬
schen Fürstenhöfe, um diese in der burgundischeu Frage zum Anschluss an
den Kaiserhof zu vermögen, gerade damals (vom 18. Sept. bis 3. Okt) weilte
mit einer solchen Mission am Münchener Hofe der kaiserliche Gesandte Graf
von Waldstein. 8 ®)
Aber freilich auch in dem neuen kaiserlichen Dekrete suchte man ver¬
geblich nach den Worten „freie Verfügung“. Am 14. Okt 1667 erging daher
an Barbier von der Hand Kaspar von Schmids eine neue Weisung, auf
der Einrückung dieser Worte zu bestehen. Das war zu derselben Zeit, da
Waldstein seinen Generalbericht über seine bayerische Gesandtschaft ein¬
reichte, welche mit einem völligen Fiasko geendigt hatte zu derselben Zeit,
da Bayern im Sinne Frankreichs an einer bewaffneten Neutralität der süd-
westdeutscheu Kreise 89 ) arbeitete, um einen Angriff des Kaisers auf das
französische Eisass zu verhindern, da es seine ganze Kraft einsetzte, um den
Kölner Mediationskonvent 89 ) lebensfähig zu erhalten, welcher als eine Art
Nebenreichstag der Regensburger Versammlung die Fassung eines Reichs¬
kriegsbeschlusses zu gunsten der burgundischen Niederlande unmöglich machen
sollte. Barbier sah sich unter den gegebenen Verhältnissen vor eine schwie¬
rige Aufgabe gestellt, er suchte vor einem offiziellen Schritt Fühlung mit
Lobkowitz und Sinzendorf. Beide rieten dringend ab, mit einem Heuen
Ansinnen an den Kaiser heran zutreten. Der Kaiser würde bei den Worten
„freie disposition“ sofort Verdacht schöpfen und die Frage neuerdings vor
den geheimen Rat bringen; hier wäre dann zu befürchten, dass nicht bloss
diese neue Forderung abgelehnt, dass vielmehr das ganze Werk sich zer¬
schlage. Barbier stand also von der Einreichung eines weiteren Memorials
ab, umsomehr als Selb ihn versicherte, dass das kaiserliche Dekret, indem
es an die Bewilligung keine Bedingungen knüpfe, dasjenige thatsächlich schon
gewähre, was Kurbayem mit dem Worte freie Disposition anstrebe.
Barbier selbst ging in seiner optimistischen Interpretation des kaiser¬
lichen Dekretes sogar noch weiter: die bedingungslose Überlassung des halben
Aufschlages sei thatsächlich gleichbedeutend mit einer Aufhebung desselben,
Sin zendorf und Selb hätten nur aus Furcht vor den anderen Ministern
Scheu getragen, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Damit sei that¬
sächlich mehr erreicht, als wenn das kaiserliche Dekret auf volle Überlassung
des Aufschlags lauten würde. Denn wenn dieser ganze Aufschlag auch jähr¬
lich 7 — 8000 Gulden eintragen würde, er müsste in Böhmen vereinnahmt
werden, und es wäre daher unmöglich, auf diesem Wege den Salzverschleiss
nach Böhmen zu steigern. Dieses Hauptziel der bayerischen Regierung sei
aber mit dem kaiserlichen Dekret zu erreichen; der Kurfürst könne dort, wo
es ohne Schaden des Salzverschleisses sich vollziehen lasse, den Aufschlag
erheben, an anderen Orten aber auf denselben verzichten und dadurch den
Absatz heben.
Freilich am Münchener Hofe teilte man diese optimistische Auffassung
nicht. Gerade in der hartnäckigen Weigerung der Wiener Kreise, die ge-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage.
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wünschten Worte in das Dekret aufzunehnien, in der Drohung, eventuell die
gemachte Bewilligung zu widerrufen, erblickte man vielmehr ein deutliches
Zeichen dafür, dass die Auffassung Barbiers nicht im Sinne des Erlasses
sei. 90 ) Und schon früher hatte sich die bayerische Hofkammer dahin ausge¬
sprochen, es lieber beim alten zu belassen als sich mit einem Zugeständnis
zu begnügen, das nicht geeignet sei, den Salzexport nach Böhmen zu heben. 91 )
Zu Beginn des Monats November kehrte Barbier nach München zu¬
rück. So sehr er sich in seinem Finalberichte bemühte, seine Wiener Thätig-
keit in ein helles Licht zu setzen, sie liess doch nur geringe Spuren im Wirt¬
schaftsleben Bayerns zurück. Neue Merkantilprojekte waren zuletzt ganz von
der Tagesordnung verschwunden, und selbst in der Salzangelegenheit war
der Zweck der Sendung nicht erreicht. Allerdings hatte man sich auch im
Sinne der Verträge des 16. Jahrhunderts mit der Kreierung eines „forum
Austriacum“ beschäftigt, einer schiedsrichterlichen Instanz, vor welcher künf¬
tige Irrungen zwischen Bayern und Österreich friedliche Erledigung finden
sollten, aber es war bei einer blossen Anregung verblieben. Als der Reichs¬
vizekanzler H ocher die Ausfolge der einschlägigen Verträge von bayerischer
Seite forderte, liess man die Angelegenheit auf sich beruhen; Bayern scheute
wohl das Misstrauen Frankreichs. Das Einzige, was die bayerischen Ge¬
sandten am Wiener Hofe erzielt hatten, war neben dem halben Salzaufschlag
die teilweise Regelung der sogenannten Tarvissehen Schuld, jener von Maxi¬
milian I. im dreissigjährigen Kriege dem Kaiserhause vorgestreckten Kapitalien,
wofür sich Bayern die Einnahmen des Amtes Tarvis hatte verschreiben lassen.
Die Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich hatten im Herbst
1665 eingesetzt mit dem Projekte einer wirtschaftlichen Einigung Deutsch¬
lands, Bayerns und Österreichs. Das Ergebnis am Schlüsse des Jahres 1667
war ein wirtschaftliches Zugeständnis Österreichs, das von kompetenter Seite
eher als Nachteil denn als Vorteil Bayerns angesehen wurde.
Die wirtschaftliche Einigung hätte nur der Weg sein sollen zu einer
politischen Einigung zunächst Bayerns und Österreichs. Davon war aber,
offiziell wenigstens, seit Monaten nicht mehr die Rede gewesen. Der einzige,
welcher diesen Gedanken noch hie und da wach zu erhalten suchte, war
Roxas. Er rief den bayerischen Gesandten warnend zu: „Denique plus
utrique coram Deo prodest mutuae coufidentiae continuatio quam unius vel
alterius mercatorii grossi augmentatio“, er beschwor sie, „man solle ein mit-
leid erzeigen wegen des Niederländischen wesens“. 99 ) Aber dieser Roxas
diente zwar als Vermittler zwischen den Vertretern Bayerns und Österreichs,
war jedoch kein offizielles Mitglied der Konferenz. Und die Mitteilung seiner
Äusserungen beantwortete der Kurfürst damit, dass er Barbier durch seinen
Kabinetssekretär Huber in einem Postskriptum verwarnen liess: „weil wir
nicht mehr verstehen können, warumben man am kaiserhofe unsere salzhand-
lung mit dem Niederländischen wesen vermischen wolle, also scheint, dass
du dich von Roxas zu viel einuehmen und regieren lasst“. 98 ) Barbier
vermied es seitdem ängstlich, das rein politische Gebiet in seinen Berichten
auch nur zu streifen.
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94
M. Doeberl
IV.
So arm die Wiener Konferenzen an positiven Ergebnissen waren, für
diejenigen Persönlichkeiten am Münchener Hofe, welche einen Anschluss an
Frankreich befürworteten, hatten sie doch etwas Wertvolles gezeigt, ein Agi-
tatiousmittel gegen Österreich. Schon am 22. März 1667 hatte Kaspar von
Schmid im Namen seines Kurfürsten an die bayerischen Abgeordneten mit
bezug auf das kaiserliche Dekret vom 12. März geschrieben: 94 ) „Da man
kaiserlicherseits von solcher resolution nicht weichen sollte, gedenken wir
zwar wegen des völligen salzaufschlags nicht viel instantias weiters machen
zu wollen . . ., sondern wir nehmen daraus diese mensur und ermässigung,
wie man uns anderweitig beim kaiserlichen hofe an die hand zu gehen ge¬
neigt sein müsste, nachdem wir daselbst in denen Sachen, darinnen wir den
höchsten fug haben, zu keiner billigmässigen satisfaction gelangen können“.
Bayern kehrte zur Zeit der Krisis, die sich damals in Europa vorbe¬
reitete, sein Angesicht nach dem Westen, lieh sein Ohr den Liebeswerbungen
Frankreichs. Der Mann, der diesen Bund eiuleitete, der französische Ge¬
sandte am Regensburger Reichstage, Robert de Gravel, war kein Roxas
und verfügte über rascher wirkende Mittel als der Frauziskanermönch und
das geldarme Österreich.
Allerdings hat auch Frankreich den deutschen Fürsten eine wirtschaft¬
liche Einigung angeboten, sie zu einer ostindischen Kompagnie eingeladen.
Es hat sogar einige Wahrscheinlichkeit, dass das berühmte undatierte Memoire 95 )
des französischen Ministers Colbert unmittelbar durch die Gesandtschaft des
Bischofs Roxas an den bayerischen Hof veranlasst worden sei. Der Um¬
stand, dass Gravel schon im November 1665 von letzterer Kenntnis hatte, 96 )
dass Becher eine „refutatio der französischen Präsentation“ schrieb, 97 ) der¬
selbe Becher, der sich rühmte, den Plan der Kurfürstin Adelheid und
Martin Ölers, für die bayerische Seidenkompagnie französische Aktionäre
zu gewinnen, vereitelt zu haben, könnte für diese Vermutung ins Feld ge¬
führt werden. Aber das war lediglich ein Gegenzug gegen die von Roxas
vermittelten österreichisch-spanischen Wirtschaftsprojekte und politisch ebenso
unwirksam, wie diese, auch von Anfang an ebensowenig ernst gemeint „Hat
benebenst zu diesem weitaussehenden trafik- und kommerzienwesen gelacht
und, wie andere, nicht viel darauf halten wollen“, so urteilt der bayerische
Gesandte am Regensburger Reichstage Franz von Mayr über den Stand¬
punkt Gravels zu diesen Projekten. 98 )
Geld ins Land zu ziehen war der oberste Grundsatz des Merkantilis¬
mus und zugleich der deutschen Fürsten der zweiten Hälfte des 17. Jahr¬
hunderts. Hier hatten jene Versuche, auf wirtschaftlichem Wege eine poli¬
tische Annäherung zu erreichen, eingesetzt. Es gab aber noch ein kürzeres
und rascheres Verfahren des * tirer de l’argent'>, das waren französische Sub-
sidiengelder. Und dieser Weg empfahl sich nicht bloss vom fiskalischen
Standpunkte, es fand sich sogar in der Umgebung des Vizekanzlers Kaspar
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 195
von Schmid eine Persönlichkeit, welche in einem „kommerziediskurs“ ")
einem bestellten Gegenprojekt zu Bechers Entwürfen, französische Sub-
sidiengelder in den Mittelpunkt seiner Darstellung rückte und ihnen eine volks¬
wirtschaftliche Bedeutung gab: Bayern würde um etliche 100000 Gulden reicher
gemacht, da das Geld im Lande selbst Verwendung fände; „die landleute
würden, umsovielweniger oneriert, sich nach und nach oder auch bald wieder
erholen“. I11 der That bildeten die französischen Subsidiengelder zwar nicht
das ausschlaggebende, aber immerhin ein nicht unwichtiges Moment in der
Entstehungsgeschichte des bayerisch-französischen Vertrages von 1670. Das
von Roxas aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus empfohlene Bündnis
mit Österreich war gescheitert, das ebenfalls aus wirtschaftlichen Gesichts¬
punkten empfohlene Bündnis mit Frankreich kam zur Reife.
Als sich im September des Jahres 1678 der inzwischen zum Bischof
von Tinin in Dalmatien ernannte Franziskanermönch Roxas mit einem ähn¬
lichen Versuche an den bayerischen Hof wagte, wie im Herbste des Jahres 1665,
da lachte man nicht bloss über die „naradev, zwischen Kurbayem und Oester¬
reich durch kommerzien eine bessere verständnus zu stiften“, dem eitlen Träger
der Mission selbst wurde die schlimmste Aufnahme zu teil. „Es ist halt“, schrieb
damals Kaspar von Schmid von seinem Gute Schönbrunn an den Kabinetts¬
sekretär Huber, ,0 °) „wiederumben eineSpanische tentation, die mir zweifels¬
ohne einen kurs nach München verursachen wird; dazu ich wohl schlechte
, lust habe, weil dieser fux mir gar zu bekannt ist und ich nicht mehr viel
mit ihm zu thun haben will“. Der Kurfürst selber aber weigerte sich ganz
entschieden, den Bischof, der sich inzwischen überdies eine verletzende Äusse¬
rung über ihn hatte zu Schulden kommen lassen, auch nur zu einer Audienz
vorzulassen: „Der mann ist genugsam, was herr er ist, bekannt. Also begehr
ich ihn wohl nicht vorzulasseu, welches er auch selbst bei einem so schlechten
Vasallen, wie er mich tituliert, nicht begehren soll . . . Ein für allemal mag
ich ihn nicht vorlassen oder mit ihm zu thun haben. Dem Lei dl (damaligen
ausserordentlichen bayerischen Gesandten am Wiener Hofe) kann man schon
die Ursache des verächtlichen traktameuts überschreibeu, dass sie also zu Wien
nicht wunder nehmen wird, warum mau mit diesem nichts zu thun haben will“. ,01 )
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196
M. Doeberl
Quellennachweise.
1) ,, Verschiedene politische und oeconomische gutachten von einem bairischen kava-
lier um a. 1670 verfasst“. Münchener Staatsarchiv (M. St. A.) Kasten schwarz (K. schw.) 377/28.
2) S. Beilage II.
3) M. St A. K. schw. 81/7.
4) Oberbayerisches Archiv Bd. 49, Heft 1, S. 316.
5) Schmidt, Gesch. d. Erziehung der bayerischen Wittelsbacher, S. 142 ff.
6) M. St. A. K. schw. 4/8. Geisenfeid 1677 Nov. 9, Prielmayer an Schmid.
7) S. Anm. 1.
8) Neben der älteren Biographie von Bücher vgl. über ihn namentlich Simons¬
feld, Bayerische Kolonialpläne itn 17. Jahrhundert (nach den sogenannten „Kloeckeliana“
der Münchener Staatsbibliothek) und Erdberg-Krczenciewski, Johann Joachim Becher,
ein Beitrag zur Geschichte der Nationalökonomik. 1896.
9) Das englische Kolonialprojekt übergehe ich, da dieses nur darauf hinauslief
„ein stück geld von Bayern herauszufischen“.
10) Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung und Staats¬
verwaltung seit den Zeiten Maximilians I., Bd. II, Beilagen S. 33.
11 > Simonsfeld a. a. O. s. Anm. 8.
12) Freyberg, a. a. O. S. 27.
13) So äussert Becher später in der 2. Auflage seines ,,Politischen Diskurses"
a. d. J. 1673, einer Zeit, da Becher in sehr intimen Beziehungen zur Wiener Regierung stand.
14) Vgl. hierüber Droysen, Gesch. der preussischen Politik, 3. Teil, 3. Abschn.
3531 Heyck, Brandenburgisch - deutsche Kolonialpläne, Zeitschr. f. Gesch. d. Ober¬
rheins N. F. II, 135 ff.; Schiick, Brandenburger Kolonialpolitik I, 55 ff., Erd man 11s-
dörffer, Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt
Friedrichs des Grossen I, 326 ff., 443 ff.
14a) Auerbach, La diplomatie Fran9aise et la cour de Saxe 139, 225 ff. Der
französische Gesandte Gravel erkannte schon 1663, dass diese Propaganda nichts anderes
bezwecke als «affaiblir ou contrecarrer l’alliance du Rhin .
15) Politischer Diskurs, A. v. 1673, S. 965.
16) M. St. A. 8/60.
17) S. Beilage I, B. Teile des Projektes finden sich in deutscher Übertragung bei
Becher a. a. O. S. 963 ff. Vgl. auch O. Klopp, Werke Leibniz’ IV, XXVII.
18) Karlo Merkel, Adelaide di Savoia pg. 296.
19) Ebenda, München 1665 Nov. 6, Adelheid an ihren Bruder, den Herzog Karl
Emanuel von Savoyen.
20) M. St. A. K. schw. 4/8. Schönbrunn 1678 Sept. 20. Schmid an Huber.
21) M. St. A. K. schw. 6/3. Negotiation Leidls und Barbiers in Wien. 1666 Nov. 14,
Bericht und Protokoll.
22) a. a. O. S. Anm. 8.
23) S. Beilage III.
23a) Ich betone das; denn Erdberg lässt ihn bald im Aufträge der bayerischen
Seidenkompagnie, bald in Privatsachen seine Reise nach Wien unternehmen. Beides ist
falsch, wie sich aus dein kaiserlichen Rekreditiv vom 7. März 1666 (M. St. A. K. schw. 6/3)
wie aus einer späteren Äusserung des Wiener Hofkammerpräsidenten (an dem Anm. 21
bezeichneten Orte) ergibt. Die Instruktion selbst hat sich leider bis jetzt nicht gefunden.
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage.
24) S. Beilage III.
25) Becher, Politischer Diskurs, A. v. 1673, S. 421.
26) Ebenda S. 430.
27) M. St A. K. schw. 6/3. Gedruckt bei Becher a. a. O. S. 422.
28) a. a. O. S. 51.
29) Kais. Hofkaninierdekret vom 22. Febr. 1666 bei Becher a. a. O. S. 510.
30) Becher a. a. O. S. 419 f.
31) Becher a. a. O. S. 526 f.
32) S. Beilage III.
33) Becher a. a. O. S. 514 ff.
34) Äusserung des kaiserlichen Hofkaiuinerpräsidenten von Sinzendorf an dem
Anm. 21 a. O.
35) Kais. Hofkammerdekret vom 22. Febr. 1666 bei Becher a. a. O. S. 510 f.
35a) Becher a. a. O. 428 ff. Wien 1666 März 1.
36) S. Beilage III.
37) Beilage II.
38) M. St. A. K. schw. 6 3. Kais. Rekreditiv vom 7. März 1666.
39) Ebenda.
40) M. St. A. K. schw. 6/3. München 1666 Mai 13. Der Kf. an Becher. Gedruckt
bei Becher a. a. O. 422 (hier dat. Mai 14!)
41) Becher a. a. O. S. 517.
42) a. a. O. S. 516.
43) Kauzleivermerk zu dem Anm. 40 angef. Schreiben.
44) Becher a. a. O. 526 f.
45) a. a. O. 527.
46) Ebenda.
47) Becher a. a. O. S. 432.
48) M. St. A. K. schw. 370/1. Schleissheim [670 Sept. 18, Huber an Schmid.
49) Becher a. a. O. 524.
50) Becher a. a. O. 525 f. Wird weiter bestätigt durch ein späteres Rechtferti¬
gungsschreiben, dat München 1666 Nov. 30, M. St. A. 6 3.
51) S. das zuletzt erwähnte Rechtfertigungsschreiben.
52) Becher a. a. O. S. 524 und 519.
53) a. a. O. S. 516.
54) Ergibt sich aus dem kaiserl. Antwortschreiben vom 27. Juli 1666. M. St A.
K. schw. 6/3.
55) Becher a. a. O. S. 521 ff.
56) Ebenda S. 970—991.
57) Becher an verschiedenen Stellen, so z. B. im Vorwort zur Ausgabe seines
Politischen Diskurses v. J. 1668.
57a) S. Beilage III.
58) Becher a. a. O. S. 581 f.
59) Becher a. a. O. 553 ff.
60) Becher, Polit. Diskurs, A. v. 1668, Widmung.
61) Ebenda.
62) Ebenda, Schlusswort.
63) Becher, Polit. Diskurs A. v. 1672, Vorrede.
64) Becher a. a. O. S. 583.
65) M. St A. K. schw. 6/3.
66) Ebenda.
67) M. St A. K. schw. 378/48. Landshut 1670 Okt. 15, Schmid an den Kurfürsten.
68) Becher a. a. O. 430.
69) Becher a. a. O. 432.
70) Becher a. a. O. 436.
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M. Doeberl
71) Becher a. a. O., Vorrede.
72) M. St. A. K. schw. 6/3, 4, 5.
73) Nicht aber für die kais. Erblande. Wie aus den Berichten des bayerischen
Residenten am Wiener Hofe, Stovberer (M. St. A. K. schw. 6/10 ff.) hervorgeht, trat die
Kompagnie auf Veranlassung eines gewissen Lelio de Luka und unter Beteiligung „unter¬
schiedlicher Granden“ im Frühjahr 1667 wirklich ins Leben. I11 den ersten Jahien bringen
die Berichte von dem neuen Unternehmen die rosigsten Schilderungen: Grosse Waren¬
ladungen seien aus der Türkei nach Wien, von Wien nach der Türkei gegangen, schon
verspreche man sich von den Handelsbeziehungen die Herstellung eines freundschaftlichen
Verhältnisses zwischen Österreich und der Türkei, schon denke man an eine Ausdehnung
des Handels bis nach Persien. Da am 9. Februar 1670 bringt der Resident die völlig
überraschende Nachricht: „Es scheint, dass dieser compagnie nicht unlieb wäre, wann
sie mit guter manier dieser handlung möchte los werden. Dann wie der gehoffte gewinn
sich bishero noch nie bezeigt, auch dass solcher erfolgen werde, noch lange kein ansehen
hat, also nimb bei denen interessenten der eifer merklich ab.“ Auf diese „orientalische
Handelskompagnie“ bezieht sich die bei Fiedler, Relationen II, 135 angeführte venetia-
nisclie Notiz aus dem Jahre 1670, nicht aber, wie Erdmannsdörfer a. a. O. I, 449 meint,
auf eine zu gründende „west- und ostindische Kompagnie“. Diese Notiz lautet: „Trä li
beneficij, che si presumono dal mantenimento della pace, si numera l’introduttione della
Compagnia di Levante con capitale di trecento mille Fiorini in circa; vi concorrono pri-
marij ministri, oltre li negotianti. L’imperatore provarä in breue considerabile discapito
per la dimiutione de suoi datij, et al paese tutto ridondarä incomodo. L’estendermi minu-
tamente portarebbe tedio sovercliio. E beu da credere, che la Compagnia non sussista
lungamente, mancando chi la dirige di cognition, et insieme non vi sono le strade per
raccoglier il profitto, che con vanitä viene promesso dagramministratori. Essi aumenta-
ranno notabilmente le proprie fortune, et venendosi poi ä calcoli veri, et sinceri scopri-
ranno gl’interessati, in vece degl’interessi vantagiosi, scemati li capitali.“
74) M. St. A. K. schw. 6/3. 1666 Dez. 7, Kf. an die bayer. Gesandten.
75) M. St. A. K. schw. 6/4. 1667 Apr. 29, Kf. an die bayer. Gesandten.
76) M. St. A. K. schw. 6/3. Wien 1666 Nov. 14, Bericht der bayerischen Gesandten.
77) Ebenda, Protokoll v. 14. Nov.
78) Ebenda, Protokoll v. 14. Nov.
79) Ebenda, Wien 1666 Dez. 12, Bericht der bayerischen Gesandten.
80) M. St. A. K. schw. 64.
81) Ebenda, 6/5.
82) M. St. A. K. schw. 65. Finalbericht.
83) Pribram, Lisola S. 333.
84) Ebenda 329 b Vgl. auch Mentz, Johann Philipp v. Schönborn Kurfürst von
Mainz I, 124.
85) M. St A. K. schw. 6/4. Wien 1667 Apr. 24, Bericht der bayer. Gesandten.
86) Urkunden und Aktenstücke zur Gesell, des grossen Kurfürsten XII, 832.
87) Näheres hierüber in meiner „Entstehungsgeschichte der bayerisch-französischen
Allianz v 1670“.
88) M. St. A. K. schw. 6 5. [667 Aug. 25, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten.
88a) M. St. A. K. schw. 6 5.
89) Näheres hierüber in meiner „Entstehungsgesch. der bayerisch - französischen
Allianz v. 1670“.
90) M. St. A. K. schw. 6 5. 1667 Okt. 29, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten.
91) Ebenda. Hofkammergutachten v. 1667 Aug. 11.
92) Ebenda. Wien 1667 Juli 7, Bericht der bayer. Gesandten.
93) M. St. A. K. schw. 6/5. 1667 Sept. 23, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten.
94) M. St. A. K. schw. 6 4. 1667 März 22, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten.
95) Clement, Lettres, instructions de Colbert II # , 429 ff.
96) M. St. A. K. schw. 279/28. Regensburg 1665 Nov. 23. Mayr an K. v. Schmid.
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Das Projekt eiuer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage.
199
97) Becher, Pol. Diskurs, A. v. 1672, S. 1006 ff.
98) S. Anni. 96. — Was die französische Regierung von den österreichisch-spani¬
schen Anträgen äussert, gilt ebenso von den französischen Anerbietungen: < Ces ouvertures
chimeriques regardent bien moins les Indes que le dedans de l’empire >. Auerbach a. a. O. 139.
99) S. Anm. 1.
100) M. St. A. K. schw. 4/8. Schönbrunn 1678 Sept. 20, Schmid an Huber.
101) Ebenda. Schleissheim 1678 Sept 17, der Kurfürst eigenhändig an Schmid.
Beilagen.
I. In conferentiis habitis super hanc propositionein generalem, seil, „quomodo
praesentibus et imminentibus difficultatibus s. R. imperii pro eius-
dem stabilitione sit occu-rrendum“, visum est:
1. duplicem viam eligendam, primam quidein, ut absque dilatione, antequam mala
obruant, arma statuum imperialium uniantur; secundam, ut similiter absque mora quae-
rantur media augendi vires et confidentiam Germanorum.
2. Quoad primam, ut serventur consuetudines et constitutiones imperii et conse-
quenter ut declinentur ligae novitatem et particularitatem factionum sapienter (!) et facile
efficientes; et hinc, ut haec annonmi coniunctio fiat per circulos et iuxta taxam im¬
perialem cuiuscunque Status.
3. Quia vero experientia constat moraliter nunc esse impossibile huiusmodi
generalem unionem in plena dieta aut etiam uno eodemque tempore a cunctis niembris
unius circuli obtinere, circa hoc nullatenus laborandum, sed negotium iucipiatur apud
principaliores et prudentiores alieuius circuli. Hi ubi inter se de omnibus convenerint,
alios eiusdem vel cuiuscunque vicinioris circuli succesive ad hoc generale et Obligatorium
imperii foedus incitabunt
4. Ut vero singuli faciliores reddantur, nullus ad actualem pecuniae expositionem
obligetur, sed solum fiant omnes dispositiones ita, ut proxime in imminente aut occurrente
necessitate nil aliud quam actualis militum conscriptio facienda supersit. Si nihilominus
sese aliquis ab omni providentia et onere subtrahere voluerit, cum iniquum sit, ut id, ubi
de omnium conservatione agitur, super reliquos solum cadat, hi illum quartiriorum im-
missione omnisque etiam protectionis subtractione terreant et impellant. Si autem nec
hoc moveat, reliqui nihilominus dicto, revera unico securitatis Germanicae medio sese ab
interitu aut libertatis et opum diminutione liberabunt.
5. Ad hoc, ut omnium sinistrarum apprehensionum et aliarum difficultatuiu obstacula
removeantur, tarn domus Austriaca quam Bavarica a publica et directa rei huius sollici-
tatione abstinebunt. Imo nullus circa foedus hoc praetendat novas praerogativas particulares
et sibi hucusque non evidenter compotentes. In dubio autem fiat meliori aut velociori modo
compositio per pluralitatem votorum. Qui hanc detrectaverit, per dictum duplicem moduni
terrebitur aut negligetur, reliquique nihilominus hoc conservationis suae negotium
prosequentur.
6. Ut tarn salutaris operis absque periculosa dilatione fiat velox et efficax initium,
utraque alte memorata domus, sive per confidentes sive per ministros suos in circulo
Suevico votum et corrospondentiam habentes, animuni episcopi Constantiensis et aliorum
primariorum, qui absque hoc ad rem hanc totaliter resoluti videntur, secreto confirmabit
et effectuni Ultimatum iuxta inemoratas regulas procurabit et de hoc per cifram et
personas utrinque deputatas secreto et diligenter correspondebit. Domus Bavarica quidem
in qualitate Status Suevici a reliquis invitata subscribet. Imo quatenus dux et membrum
circuli Bavarici — si alia graviora obstacula, quae nunc non apparent, non occurrant —
idem praestabit domumque Austriacam una cum aliis principibus a praefato circulo
invitari faciet.
A.
Bayerischer
Vorschlag
einer Reor¬
ganisation
der Kreis¬
verfassung.
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200
M. Doeberl
.. B. 7. Quoad secundam supradictam viam, confidentia inter Germanos naturalitcr
stabilietur, per hoc, ut unus status alten procuret divitiarum augmentuni et iu grava"
spanischer ,M * n ^ us occurrentibus possibilem satisfactionem. Dictis de causis incipiatur per partes et
Vorschlag quidem a potentioribus et magis vicinis in situatione ditionum, in sanguine et orthodoxa
einer fide. Cumque hae conditiones utrique praetactae domui quasi uuice competant, exnunc
I^Kimgung^ ut rac j iie applicet media uitiniata, ut utriusque ditionis fructus et metalla terrae manu-
auf wirt- ^ acturae q ue doniesticae per vias, quae illis specialiter sunt ad manum, cum magis possibili
schaftlicher emolumento totaliter divendi possint. Per easdem quoque speciales vias illae merces,
Grundlage, quae ab aliis mundi partibus ad utriusque terras sive per secundam aut etiam ultimam
manum huiusque adductae fuerunt, ab utriusque subditis mercatoribus ex Oriente, Occi-
dente, Meridie et Septentrione adferantur et deinde ad alias Germaniae et Europae partes
distrahantur.
8. Unde tarn S. Caes. M tM quam etiam Ser.Bavariae elector viam Danubii
et Oderae aliorumque fluvioruni, quantum in ipsis erit, sibi mutuo facilitabunt per mutuam
teloniorum compositionem et procurationem moderaminis mox explicandi apud aÜos im-
perii principes. Hoc vero absque ullius praeteriti emolumenti iactura fieret, si praeteritarum
mercium qualitas et quantitas ad eandem persolutionem utrinque obligaretur. Quae vero
huic qualitati et quantitati deinceps nova accederent, generaliter et una duntaxat in
anno vice ad aliquam recognitionem proportionatam, seil, ad novae quantitatis augmentum
astringereutur.
9. S. Caes. M 4 »* pro sua parte autoritatem interponet apud Turcarum imperatorem
pro libero per Danubium transitu mercium utriusque domus. Ser.“”»« V ero Bavariae elector
e contra pro sua parte sub aliis generalibus praetextibus apud aliorum Germaniae fluvioruni
principes pro praefato moderamine teloniorum iuxta memoratam forinam secreto et suo
nomine pro omnium tarnen Germanorum mercibus laborabit personasque bene intelligentes
et tarn sibi quam etiam S. Caes*« M u gratas et fideles sub aliis praetextibus pro omnium
omnino supradictarum materiarum pertractatione et conclusioue Viennani aut ad alia loca
intra et extra imperium mittendas, ad quameunque Caes. M ti8 requisitionem concedet.
Idem serenissimo electori praestabit sua M tM .
10. Servetur in mercium viis maior aut securitas aut brevitas. Quare si omnes
merces Indicae ex Ormus et Ponto Ruxino immediate Danubio vel, si hoc 11011, per Aleppo
Venetias et inde in alias Germaniae et mundi partes adduci possint, nullatenus adferantur
per circuitum et moras Oceani. Si vero post fundamentalem inquisitionem neutra haec
via aperiatur aut expediat, merces Indicae adferantur per Oceanum. Si vero ad supra-
dicta aliorum Germanorum statuum concursus expedierit, ille in ea quantitate et ab iis,
qui utrique domui magis placuerint, tempestative requiratur.
11. Omnia itaque circa supradicta ita individualiter inter utramque doinuin dis-
ponautur et concludantur, ut quocunque alio Germano renitente per unam vel alteram
ex dictis viis negotiationum huiusmodi potentissima macchina nihilominus progressum
sortiatur. Ut vero tantae rei utilitas etiam ad reliquos imperii status transire valeat,
inprimis nullus alterius nationis pro interessente admittatur, quamdiu Germanorum con-
tributio ad intentum habetur aut sufficit. Iisdem omnes merces sive Orientales sive
Huropeae, in quantum possibile fuerit, pro longe ineliori pretio divendantur, quam hucusque
ab Holland» et aliis habere potuerunt. Similiter omnium mercium transitus et maiores
consumptiones potius per Germanorum terras et portus fiant quam per alias liationes.
Kcontra vero Germaniae status nullius alterius extraneae societatis merces, praesertim ubi
per dictas vias et accedente praefato teloniorum moderamine cuncta ad minus aeque bono
pretio obtinere poterit, coemat, inulto minus capitalia sua et pecunias suorum extra
Germaniam ad alias societates transferat, sed potius pro patriae amore et bono per dictas
vias pecuniae aliarum nationum ad imperium trahautur, et in eodem pro eiusdem et
cuiuscunque meliore defensione conserventur.
12. Si tarnen per praecedentem cum peregrinis societatibus participationein Germani
aliqui fructibus, mercibus et possessionibus actu gavisi fnerint aut gaudeant, illi sese ita
de suis propriis Germanicis et aliis neutralibus Europae portubus assecurent, ut, si
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 201
inateria, Status et Germaniae ac propria domestica salus et independentia exigat rupturarn
facere cum natione istius peregrinae societatis, ipsi nihiloniinus ad dictos suos fructus et
possessiones egredi et alibi divendere et pecuniam in Gernianiain et non alio introducere
et inde augere valeant. Hinc iisdem uecessariuni erit occasione huius nostrae novae
Societatis Indicae, eidem sese ita conjungere, ut ad Albim Haniburgensem portuni et pro
Rheno Ostendensem ad man um habeant.
Pro divenditione vero praefatorum fructuum una cum liac nostra societate pecuniam
regnorum Hispaniae et privilegia convenientia obtinere satagant. cum alias certum sit,
quod in nullo alio Europae loco excepta sola Germania et Hispania divenditio admittenda
sit. Si vero haec solum fieret in Germania, tune huius pecuniae et potentia nunquam augerentur.
13. Instituatur ergo inter principes Germanos Societas Indiae Orientalis, ut seil,
per huius merces in Hispanicis portubus acquirant Germani auruni et argentum Indiae
Occidentalis. Nam in Orientalibus mercimonia in abundantia actu creverunt et actu in-
comparabiles mercatores expectant, quae in America excepta Brasilia in nonnullis >partibus
(quae indies a novis dominis rapiuntur vel potius despiciuntur) non nisi per variorum
annoruiti rusticalem laborem sperari possunt et postea pro certo auferentur per Hollandos
aut alios his similes, qui hic nobis videntibus in Europa nulli vicino statui libertatem
promissam relinquuut et multo minus facient in loco a nobis tatn remoto et praesertim,
si hic ruptura cum illis orta fuerit. Invitentur ad hanc societatem non omnes principes
propter confessionem neque nimis pauci ob maiorem ^ei auctoritatem. Fiat tarnen succesive
incipiendo ad Rhenum a domino electore Moguntino et Coloniensi et ad Albim apud
dominum electorem Brandenburgensem et deiude apud reliquos Rheni et Albis principes,
ita tarnen ut 11110 renuente aut tardante res nihilominus in tempore successum liabeat.
Princeps quilibet unam vel alteram navem suo nomine fieri curabit et proteget.
Pro hac protectione mercatores subditi vel alii (qui Amsterodanii vel Hamburgi ad id iam
sunt parati) pro quolibet lucro centenario suo principi certani quotam contribuent. Quae-
libet navis autoritate principis suuiu constituet directorem et commissarios, et tota prin-
cipurn societas suas domos et alia convenientia. Principes per suos intendent materiae
Status huius compagniae (seil, de locis et sociis, bello ac pace), directores et Commissarii
ipsimet mercimoniis et distributationi invigilabunt.
Si quae damna et utilitates oriantur, communiter participabuntur, ita tarnen, ut
principes ob protectionem ad nulla bella a mercatoribus contribuentibus obligari valeant.
£)uoad modos speciales dirigendi hanc societatem, sequendae sunt regulae aliarum socie-
tatum, et pro toto opere iam habetur instructio et portus in Indiis et in Europa. Et
conferet de hac societate serenissimus elector Bavariae cum Emm. et Ser. electoribus
Moguntino et Colonieuse eorumque mentein deinde S. Caes. M 11 aperiet. M. St. A.
K. schw\ 8/60.
II. Aus der kaiserlichen Instruktion für die Reise Bechers nach
Holland.
„Wäre bei Vorweisung der generaivollmacht der Ostindischen kompagnie mit
Holland zu remonstrieren, welicher gestalt selbige nun in die sechzig jahre lang aus den
kaiserlichen erblanden einige tonnen schätz zu gewinn gezogen, angesehen sie den handel
in Spezereien nach ihrem belieben und selbst gesetztem tax allein darinnen geführet. Da-
hingegen gedachte erblanden nit allein kein reciprocum beneficium oder vorteil von
gemelter kompagnie genossen, sondern durch aufnehmen selber kompagnie vielmehr in
einem und anderen handel und manufakturen schaden und mangel gelitten. Man lebte also
kaiserlicher seiten der hoffnung gemelte Ostindische kompagnie werde sich zu einiger
recognition und erkenntnus hinfüro erklären und in ansehung des grossen nutzens und
gewinns, den sie bishero aus gedachten erblanden gezogen, ihre Spezereien, denselben
inskünftige utnb merkliches besseres preises als andern geben oder einige benötigte manu-
facturen aus den kaiserlichen erblanden nehmen oder etwan eine andere erkänntnus zur
ergetzung gedachter lande vorschlagen. Dann da derer keins erfolgete, würde man hinfüro
die in den kaiserlichen erblanden bedürftigte Spezereien anderwerts und an solchen orten
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M. Doeberl
und enden nehmen, da den erblanden und derer unterthanen zum besten auch einige
beneficia wiederumb zu hoffen wären, bereits auch angeboten werden“. M. St. A. K. schw. 6/3.
III. Gründliche information über des Dr. Bechers verübte in-
solentien (während seines zweiten Wiener Aufenthaltes).
Es ist gegen dem end jungst verwichenen 1665. jahrs Hans Ioachim Becher
mediciiiae Doctor alhero nacher Wien kommen und hat sowohl bei Ihrer kaiserl. Majestät
selbsten als bei dem herrn liofkammerpräsidenten allerhand vorschläg schriftlich und
mündlich gethan. wie in den kaiserl. erblanden unterschidliche manufakturn eingeführt,
die länder populos gemacht, die konnuercien erhoben und überaus grosser 11 uzen geschafft
werden können. Insonderheit hat er proponirt eine seidenkompagnie aufzurichten
und diese manufaktur zu verlegen, als welche er bereits in Bayern mit männiglichs wol-
gefallen und des lands sonderbarm vorteil eingeführt und stabilijrt hette. Da ihm dann
an die Hand gegeben worden, die vornehmbste kaiserl. ministros zu informiren und sich
zu insinuiren, damit das werk desto besser von statten gehen möge, welches er auch
gethan und die sach so weit gebracht, dass ein besonders collegium commerciorum
unter des herrn liofkammerpräsident direktion aufgerichtet, ihme der Becher zu einem
rat zugegeben, das jurament von ihme abgelegt, ein salarium konstituirt und nach
gehaltener konferenz mit der königl. Bohaimbischen hofkanzlei resolvirt worden,
mit der seiden manufaktur einen anfang zu machen. Wie dann der Becher
promittirt hat in kurtzer zeit etliche tausend menschen alle katholisch und in diser arbeit
erfahren mit geringer spesa ins iand zu pringen, auch anders nichts verlanget, als ihne
in Holl- und Niderland raisen zu lassen.
Disem seinem begehra hat man statt gethan und zu solcher rais in Niderland
ihme nicht allein eine instruktion, die er mehremteil selbst aufgesetzt, sondern auch
2000 fl. in bahrem gelt, die der herr hofkammerpräsident von dem seinigen hergeschossen,
auf Verrechnung mitgegeben hat. Dieser instruktion ist er in dem wenigsten nachkommeu
und seine rais in Niderland weiter nit alss nacher München gegangen, alda er 4 mannes-
und 2 Weibspersonen, die sich auf das seidenspinnen und zwirnen verstehen sollen,
zusammengeklaubt und selbige mit sich herabgebracht, auch einen seidenfärber aus Italien,
ungeaclit er zuvor die Italianer gar nit gebrauchen, sondern nur die in denen Holländischen
provinzien betrangte katholische befördern wollen, beschriben und demselben jährlich
1650 fl. anneben freier wohnuug paktirt, darauf alsbald ein quartal bezahlt werden müessen.
Und >veilen man nit gewusst, wass mit angeregten wenigen personen anzufangen, hat
selbig der herr hofkammerpräsident interim, bis deren mehrer körnen und das werk
recht inkaminirt wurde, in sein schloss Walperstorff gesetzt und daselbst underhalten lassen,
die der Becher mit Werkzeug versehen und in die arbeit pringen sollen, underdessen ihme
der herr hofkammerpräsident noch 1020 Thaler rohe seiden davor zu erkaufen zu seiner
disposition überlassen.
Indem man ihnen nun fast täglich an gemahnet fleiss anzukehren, damit das
seidenwesen einsmals recht angefangen und der effekt gesehen werde, ist er gleich mit
andern Sachen aufgezogen und hat bald eine handlung in Türkei, bald einen spezerei-
liandl, zuggersiederei, tuechtnacherei, Indianische kompagnie einführen wollen. Sintemal
aber leicht zu gedenken gewesen, dass mit traktirung so vieler Sachen zugleich nur kon-
fusiones enstehen würden, ist er die Seidenmanufaktur vorhero recht zu stabiliren an-
gewisen worden, bevorab da sich leut angegeben, die zum verlag ein kapital herzuschiessen
begert. Denen hernach gueten theils dieses Verzugs halber die sach und sonderlich der
angegebene grosse gewinn verdächtig worden, dass sie sich weiter nit einlassen, sondern
zuvor ein prob sehen, auch solcher prob halber in der geringsten gefahr nit stehen wollen.
Underdessen die vorhandene leut feiernd gesessen und das gelt umsonst verzehrt haben.
Umbweilen aber der Becher bestendig darauf verharret, dass, unerachtet ein anfang
der Unkosten grosser sei, dennoch kein verlust dabei sein würde, ja er selbst andere leut
finden wolte, die diesen verlurst erstatten und den weitern verlag über sich nehmen w f ürden:
als ist der Schluss dahin gegangen, damit dieses dem ganzen land für so nützlich
angegebene werk nit gleich im anfang stecken pliebe, dass die prob auf des herrn hof-
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage.
203
kaininerpräsident Unkosten und gefahr auf das fürderligste fortgesetzt, hernach die
compagnie aufgerichtet, die leut dazu gesuechet und sonderlich aus der Bayrischen
kompagnie der herr graf von I'ürstenberg und Vizekanzler Schmidt darein genomen
werden, auch zu beforderung dessen der Becher sich nacher Walperstorff begehen, den
zu Venedig bestehen ballen seiden dahin schicken, die leut zur arbeit anstellen und sich
umb mehrere, bevorab Spinner und bandwerker. bewerben sollte. Mittlerweil hat der
Becher vorgeben, dass man seiner zu München sehr verlange, l’mbwillen Ihre Churfürst¬
liche Durchlaucht sich vernemben lassen, dass sie wegen besserer inkaniinierung der
kommerziell und beilegung sich eraigneter anderwertiger differenz geni eine konferenz
sehen mögte, haben Ihre Kaiserl. Majestät auf beschehenen allerunderthenigsten Vortrag
darin gnädigst kondeszendirt, auch in dieser konformitet ein kaiserl. handbriefl ausfertigen
lassen, welches man ihme Beher nachgelients bei seiner abfertigung mit nacher München
zu geben willens gewesen, damit er desto besser den kredit erhalten und die übrige
negotiation wegen herbeibringung mehrerer leut verrichten mögte. Nachdem aber unter¬
dessen mehrgenannter herr hofkammerpräsident mit Ihrer Kaiserl. Majestät gnädigsten
erlaubnis den 2. Iunii ein kirchfahrt nacher Cell angestelt und den weg auf Walperstorff,
auch das gefertigte kaiserl. handbriefl mit sich genomen mit der inainung, weilen er
etliche tage daselbst verblieben, dass der Becher alsobald naclifolgen, veranlasstermassen
die leuth zur arbeit und die prob anstelleu, angeregtes briefl daselbst erheben und von
dannen recta nach München raisen würde, hat es der Becher ganz umbgekehrt und an
sein statt ein andere person, so das lestemal mit ihme hiehin kommen und sich Otto Dhrodt
nennt, obermelten tag perposta nach Walperstorff geschickt und sich in einem brief über
die vilfertige abrais beschweret, vorgebend, er habe aus Bayern schreiben empfangen sich
alsobald nacher München zu begeben, dannenhero der herr hofkammerpräsident ihme
seiner pension halber die schriftliche ordinanz in das liofzahlambt ertailen und das
kaiserl. handbriefl zurückschicken solte. Darauf ihme ohne verzug competenter und
glimpflich geantwort worden.
Umbwillen auch gleich dazumal dem herrn hofkammerpräsidenten ein schreiben
von vertrauter hand zukommen, worinnen anregung geschehen, dass der Becher und seine
konsorten an dem churbayrischen Hof nit im kredit sein, wie sie vorgeben, und dass
ihnen nit zu viel zu trauen, auch seine anschläg schlechten succes haben, dahero treulich
gewamet, sich mit ihme nit zu weit einzulassen, hat er solchen brief, soviel zu dieser
materi gehörig, dem hofkammerrat von Selb, als der zugleich in dem kommercienrat
assistiert und hierumb billich Wissenschaft haben sollen, beigeschlossen, ihm auch darneben
geschrieben, in konsideration zu ziehen, was anderer orten von dem Becher gehalten
werde, dannenhero er auf ihnen achtung zu geben, die rechnung der 2 m fl. halber zu weg
pringen und darob sein solte, damit er in anstellung der prob fortfahren mögt, zumalen
er ihme sonderlich der veränderten reise halber vacillirend Vorkommen thete. Als nun
diese brief, darunter auch einer an des herrn kainmerspräsident hofmeister gewesen, dem
Becher durch seinen abgeordneten, deme man selbige an gehöriges ort zu liefern aufgeben
gehabt, den 23. Iunii in die hend kommen, hat er selbige beede erbrochen und mit allen
beilagen gelesen und gleich darüber sehr zornig sich erzeigt, gegen den von Selb sonder¬
lich des vorenthaltenen kaiserl. handbriefls halber es hochempfunden, viel harte böse
wort, als ob der herr hofkammerpräsident der einigkeit des haus Österlich und Bayren
verhinderlich und ein falscher man wäre, gebrauchet, vornehme kaiserl. ministros angelaufen
und darneben die eroffnete brief bei sich behalten und getrohet selbige ihrer kaiserl.
Majestät und churfürstl. Durchlaucht in Bayrn zu zeigen, also dass der von Selb ver¬
ursachet worden, andern tags am hl. frohnleichnambstag eine stafetta nacher Walperstorff
abzufertigen und das kaiserl. handbriefl, welches bei dem regenten daselbst hinderpliebeu
und durch ihn dem Becher hette zugestellet werden sollen, nacher Wien zu begern. Bald
hernach gegen den mittag hat der Becher dem von Selb angezeigt, dass an ihm das vor-
nembste schreiben laute, ihm selbiges mit allen beilagen zugestellet, iedoch den beige¬
schlossenen brief von vertrauter hand zu sich genommen, sich benebenst entschuldiget,
dass die eröffnung der brief per errorem geschehen und ihm derentwegen leid seie; er
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M. Doeberl
wolle selbsten nach Walperstorff kommen, die rechnung ablegen und was sonst seine
Schuldigkeit seie, prästieren. Der von Selb hat solches dem heim hofkammerpräsident
überschriben und vermeint, bei dieser gezeigten besserung nichts aus der sach zu machen.
Der es auch dabei allerdings bewenden lassen und nit gedacht gewesen, vor diesmahl
der erofneten brief halber das geringste zu moviren.
Als nun hierüber gedachter Becher den 27. Iunii mit des herm hofkam merpräsi-
dent secretario nacher Walperstorff gefahren, hat er nit gleich ins schloss gehen wollen,
sondern hat einen weitschweifigen brief hineingeschickt und begert, der herr hofkammer-
präsident solte selbigen zuvor lesen. Welches er wegen gebrauchter arzeney nit also-
bald thuen können, sondern den Becher gleich ins schloss kommen und wol traktirn lassen.
Als aber herr hofkammerpräsident den brief erst in der nacht gelesen und vermeint, dass
es eine deprecation der intercipirten und eroffueten brief halber seie, hat er darinen fast
anders nichts alss lauter scomata und hitzige anzug über die unzimblich eröffnet und gelesene
brief gefunden, worin er Becher allen respekt gegen dem ihme Vorgesetzten Präsidenten
verloren. Und nur etliche wenig hievon, zunrahlen die unwarheit der übrigen sich selbst
zeiget, zu berühren, scliembt er sich nit zu schreiben, es were ihm seiner ausgeworfenen
pension halber die schriftliche intimation an das hofzahlambt aufgehalten worden, derent¬
wegen er alliie nit trauen könte; dass aber gleich nach dem ihme zugekonnnenen
kaiserL dekret die ordinanz mündlich beschehen, kan der Becher derentwegen nit abred
stellen, weilen ihme das erste quartal richtig bezahlt worden und er einig pfennig nit in
ausstand hat. Nachdem er auch die intimation schriftlich begehrt, ist selbige zu expediren
anbefohlen worden, und als man vermeint, dass selbige etwa unter einem secretario oder
konzipisten stecken verpliben, auch derentwegen anmahnung gethan, hat sich’s befunden,
dass sie den 7. Iunij schon expediirt gewesen und der Becher selbige bei der kantzley
unsollicitirter verliegen lassen. Item dass der herr hofkammerpräsident ursach sei, dass
in der seidenhandlung noch keine compagnia aufgerichtet worden; hat doch obengehörter
massen der Becher in volziehung seiner versprochen und vertröster prob, darzu ihme alle
mittel gerichtet worden, noch nie einen rechten anfang gemacht, darauf dass ganze werk
hette fundirt werden sollen, und ihme ausser zeigung einer prob oder anderweitigen
effekts niemands trauen wollen noch trauen wird. Dass man kaufleut darzugezogen; w r eiss
er Becher selbsten, dass er gleich im anfang selbsten vorgeben, dass man in diesem werk
ohne erfahrener kaufleut hilf nicht würde fortkommen können, als die bei dem einkauf
der rohen wahren und verschliess der manufakturn das beste würden thuen muessen,
welches in warheit also sich verhaltet. Man hat auch nicht wohl anders thuen können
als kaufleut zu rat fragen, weil man wahrgenomen, dass der Becher in seinem calculo,
da er den gewin wol auf 30 oder 40 procento aussgerechnet, sich sehr verstosseu und
nit einmal an einem risico, provision und wechselgelt gedacht hat, welches letztere allein
über 8, 9 und mehr der zeit procento kommet, und da man künftig stark handlen
wolte, noch hocher laufen würde. Indem hat sichs klar gezeiget, dass er die seiden nit
verstehe, indem er zu Verfertigung step- und näseiden, womit die erste prob gemacht
werden sollen, einen pallen Artasser seiden bescliriben, das zwar etwas wolveiler als die
Verneser, Mayländer, Rovereitter und dergleichen, jedoch zu dieser wahr, wie der von
ihm selbst aufgenomene seidenfärber bezeuget und alle seidenhändler konfirmiren, gar
nit tauglich oder doch ohne schaden nicht kann verarbeitet werden. Darum es übel be¬
stellt und ein schlechter gewinn zu verhoffen sein würde, da man sich allein auf sein
wort und Wissenschaft verlassen und niemand andern fragen solte. Item der herr Präsi¬
dent hette seinetwegen auch an andere Örter schwarze recommendationes abgeheu lassen,
dies sei ein stück seiner künftigen recompens und der scliluss der konfidenz gegen ihme
heim hofkannnerpräsidenten zu haben. Desselben intention falle in suspect, weilen die
ordinanz wider kaiserl. befelch weder sehrift- noch mündlich erteilt worden. Habe bei
ihm nichts als undank, er würde alle quartal ein newe ordinanz bettlen und darzu tag
und nacht aufwarten muessen. Das kaiserl. handbriefl werde umb privatsaclien halber
aufgehalten, desgleichen ein decret wegen des Churbayrischen vicekantzlers. Es würde
nit gesucht, das conimerciorum collegium zu fundiren, sondern die bereits ausgegebene
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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 205
decreta zurückzugehen, das werk werde liegen pleiben, weilen die leut von disem ver-
triben und disgoustirt werden, mit welchen der herr präsident correspondiret. Er Becher
sehe keine recompens und künftigen dank. Der herr präsident gebe ihme zum vacilliren
selbst ursach, er suche bei andern misstrauen wider ihme Becher zu erwecken und muesse
sehr zaghaft sein, und die grosse forclit muesSe ihn geblendet haben, dass er die öffent¬
liche lugen in dem beigelegenem vertrautem briefl nit observirt Und wan er gar nicht
interessirt gewesen, waer man weiter mit dem werk kommen, als man gegenwertig ist.
Im übrigen wan er nun das kaiserl. handbriefl und seine ordinanz gehabt bette, mochte
der herr präsident nach Mariae Cell oder gar nach St Iacob walfahrten gehen und gantze
jahr auspleiben. Und was dergleichen formalia mehr seind.
Bei allem diesem affront aber hat der herr präsident weiter nichts gethan, als
dem Becher andeuten lassen, so lang in dem schloss Walperstorff, bis die insolenz Ihrer
Kaiserl. Majestät vorgetragen und deroselben allergnädigste resolution eingeholt werde, zu
verbleiben. Dazu er sich zwar anfänglich bequembt, iedocli solchem nit nachkommen,
sondern nebens einem seidenbereuter, welchen er hierzu unzulässig beredet hat, gleich
nach des herrn Präsidenten abreis durch den garten und über die mauer aussgesprungen,
deme die Walperstorffischen leut auss beisorg, sie der ubelen aufsicht halber gestraft
werden mogten, nachgesetzt und ihne erst zu Perstling erreichet und eingeholet haben,
alda er bis auf weitern befelch annocli aufgehalten wird. Und weiters an den freihemi
von Windischgraz zu schreiben sich understehet, dass unter dem schein einer frtl. ein-
ladung er nach Walperstorff kommen und als er daselbst erschienen, arrestirt w'orden
wäre, bette sich aber nach Perstling reterirt und sich aus seines feinds härnlen salvirt,
bittet also ihme nit widrumb nach Walperstorff folgen zu lassen, w T eil der herr präsident
sehr rachgirig und ihme auf seinem haus ermorden lassen niögte.
Und dises ist also der gantze verlauf, welcher Jhrer Kaiserl. Majestät zu dero
höchst erlauchtem, allergnädigsten iudicio anheim!) gestehet wird.
Actum Wien den 3. Iulij 1666.
Nach einer gleichzeitigen Abschrift, M. St. A. K. schw. 6/3.
Bayer. Forschungen VI, 3.
14
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Der Vertrag von Gratschina.
Von
Arthur Kleinschmidt.
^u den interessantesten Staatsverträgen des Wittelsbachischen Hauses
und des bayerischen Kurstaates gehört der Vertrag, den Kurfürst Maximilian
Joseph am i. Oktober 1799 mit Kaiser Paul von Russland in Gatschina,
dessen beliebtestem Lustschloss, einging. Graf Du Moulin Eckart hat
viel Schätzenswertes über die Geschichte des Vertrags im ersten Bande von
„Bayern unter dem Ministerium Moutgelas“ (München 1895) gebracht, ich
aber habe eine lange Reihe noch unbenutzter Akten über die Vorgeschichte
und den Vertrag zuerst verarbeiten können. Der grössere Teil liegt im könig¬
lich bayerischen geheimen Staatsarchive zu München (Kasten rot 47 3“), Kasten
schwarz 398/34”), 508/6'), 577V), 577/2*), 64443^) und im königlich baveri-
sehen Kreisarchive zu München, der kleinere Teil im gräflich Rechberg-
sclien Hausarchive zu Donadorf (Württemberg )% von wo Seine Erlaucht
der regierende Graf Otto zu Rechberg und Rothenlöwen ihn mir
gütigst zugehen liess; im königlich bayerischen geheimen Hausarchive und
im königlich bayerischen Reichsarchive fand sich nichts vor, die Nach¬
forschungen im königlich württembergischen geheimen Haus- und Staats¬
archive ergaben auch nichts, während meinem Gesuche um Benützung des
kaiserlich russischen Reichsarchivs nicht entsprochen wurde.
Bekanntlich beherrschte der Gedanke, Bayern einzutauschen, den Wiener
Hof seit den Tagen des Prinzen Eugen von Savoyen und niemals hatte
letzterer mehr Aussichten auf Erfolg als unter der Regierung des pflichtver¬
gessenen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und Bayern. Katharina II.
von Russland, die Jose p h II. zu liebe dem Ländertausche geneigt war, hatte
bei Karl Theodor den wirklichen Staatsrat Baron Karl von Bühler
als ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister akkreditiert,
in welcher Eigenschaft ihn Kaiser Paul, als er ihren Tod anzeigte, am
12. November 1796**) bei Karl Theodor bestätigte 1 ). Bayerischer Gesandter
in St. Petersburg war der Graf von Wickenburg, doch führte während
a) N6gociations du Duc de Baviöre ä Petersbourg pour un trait£ de manage,
d’alliance et le retablissement de 1’ordre de Maltlie. 1799. 2. b) Rechberg. 1799. c) Reicli-
lin. d) 1. Mission ä Petersbourg 1797/99. Reichlin. Rep. 1. e) 2. Mission ä Petersbourg
1799—1800. Bray. Rep. 2. f) Gesandte im Auslande. Die königliche (!) Gesandtschaft in
Petersburg betreffend 1799. g) Briefe Rechbergs an seine Gemahlin aus dem Jahre 1799.
li) Die Daten sind die des neuen Stils.
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Der Vertrag von Gatschina. 207
dessen Abwesenheit von 1792 bis Anfang 1796 sein bisheriger Privatsekretär
Joseph Friedrich von Sulzer, Major, später Oberst ä la suite, die Ge¬
schäfte; dann kehrte Wicken bürg nach Russland zurück. Die Zeit war durch
die Kriege des Reichs mit Frankreich eminent kritisch, und Paul gab dieser
Erkenntnis Ausdruck, indem er dem präsumtiven Nachfolger des Kurfürsten,
dem Herzoge Maximilian Joseph von Zweibrücken, am 30. Januar 1797
aus St. Petersburg schrieb, das Wohl des Reichs und die Erhaltung seiner
Konstitution liege ihm wie seinen Vorgängern stets am Herzen, und er habe
es stets bewiesen, zumal „in gegenwärtiger Epoche, wo das deutsche Reich
sich in einem ebenso verderblichen wie hartnäckigen Krieg verwickelt finde“;
zugleich besetzte er „in dieser heilsamen Absicht“ den bisher vom Grafen
Nikolai Petrowitsch Rumjauzow bekleideten Posten eines ausser¬
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers am fränkischen, schwä¬
bischen, westfälischen, ober- und niederrheinischen Kreise und bei deren Fürsten
mit dem wirklichen Kammerherm und geheimen Rate Baron Stackeiberg,
der am 20. April 1797 seine Ankunft in Frankfurt Max Joseph meldete.
Pauls Geschäftsträger am oberrheinischen Kreise, von Vukassowitsch,
erklärte dem Kreisdirektorium am 8. Januar 1797: Paul ermahne die ver¬
schiedenen Fürsten und Stände des Kreises zur Vereinigung ihrer gesamten
Kräfte mit dem deutschen Kaiser, damit Deutschlands Ruhe gesichert werde,
und zur Erfüllung ihrer reichsständischen Pflichten. 2 ) Graf Anton von
Wickenburg wurde Ende 1797 von St. Petersburg nach Wien versetzt, er
tauschte mit Reichlin-Meidegg. Johann Franz Xaver Engelbert, 3 )
Reichsfreiherr von Reichliu-Meldegg, (geboren in Regensburg am ßo.Januar
1 757 X pfalzbayerischer Kämmerer, wirklicher Regierungs- und Oberappellations¬
gerichtsrat in Mannheim, war seit Oktober 1793 ausserordentlicher provisori¬
scher Gesandter in Wien und hatte die Verhandlungen wegen des projek¬
tierten Ländertausches zwischen Österreich und Bayern geleitet; seit April 1795
bevollmächtigter Minister in Wien, wurde er Ehrenritter des souveränen
Malteser-Ordens und im Dezember 1797, von Wien abberufen, bevollmächtigter
Minister in St. Petersburg mit 21,000 Gulden Gehalt. 4 ) Bis er eintraf, be¬
sorgte Sulzer wieder die Geschäfte, seit 6. Dezember 1797 wirklicher Legations¬
sekretär daselbst mit 2100 Gulden Gehalt. 6 ) Erst am 12. Mai 1798 traf Reich¬
lin am russischen Hofe ein und fand die gütigste Aufnahme, wie seine Be¬
richte an Maximilian Joseph bezeugen; besonders „schien“ der Vizekanzler,
Fürst Alexander Borissowitsch Kurakin, des Kaisers bester Freund,
ein ebenso unfähiger wie fauler und eitler Herr, der niemanden schadete und
niemanden nützte, „überzeugt, dass das erhabene pfälzische Kurhaus die Auf¬
merksamkeit aller Mächte fesseln müsse, die auf das politische Gleichgewicht
Europas hielten“. 6 ) Paul selbst empfing den Freiherrn bei dem Feste des
Malteserordens, der ja den Zaren so sehr beschäftigte, voll Huld mit den
Worten: „Herr von Reichlin, ich muss diese erste Audienz bei Ihnen
nehmen; es thut mir leid, dass ich Sie noch nicht sehen konnte, da die
Kaiserin unwohl war“. 7 ) Am 3. Juli schrieb Reichlin dem bayerischen
Gesandten in Berlin, Grafen Schall: Kurakin versichere, Paul hege die
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Arthur Kleinschmiclt
besten Intentionen für Karl Theodor und das ganze pfälzische Haus. (Orig.,
Kasten grün 57 38). Österreich gegenüber galt es dem Hause Zweibrücken -
Birkenfeld Russlands Gunst zu sichern, um nach Karl Theodors Tod in
den ruhigen Besitz der Pfalz und Bayerns eintreten zu können, und Reichlin
gab der Hoffnung auf Russlands Schutz in einer langen Note an den Reichs¬
kanzler Fürsten A 1 e x a n d e r Andrejewitsch Besborodko, der auf Paul
grossen Einfluss hatte, am 9. Juli 1798 Ausdruck. 8 ) Zu Pauls bizarrsten
Handlungen zählte es, dass er, der orthodoxe Zar, sich zum Grossmeister
des römisch-katholischen Malteserordens erwählen liess, und man musste
gerade hierin seine Achillesferse sehen; Reichlin, der aus München Weisung
erhalten, Pauls Malteserliebhaberei zu schmeicheln, 8 *) übersandte die kaiser¬
liche Erklärung von der Annahme des Grossmeistertums an Max Joseph
und bemerkte dazu, die Gesandten Österreichs und Preussens am russischen
Hofe hätten sofort namens ihrer Höfe „ihre Befriedigung über dies glückliche
Ereignis“ ausgesprochen; 9 ) im Gegensätze hierzu sei man auf Bayern schlecht
zu sprechen.
Paul war gereizt über den Widerspruch des Zweibrückener Hauses
gegen die Errichtung eines Maltesergrosspriorats in Bayern, mit dem Karl
Theodor seinen Bastard, den Fürsten von Bretzenheim, dotierte, und
Thugut schlug aus dieser Missstimmung gegen Maximilian Joseph
Kapital. Reichlin-Meldegg berichtete nun des Weiteren an letzteren 10 ):
„Im Gegensätze (zur Haltung Österreichs und Preussens) haben die Verzöge¬
rung der Antwort meines durchlauchtigsten Hofs und einige Bemerkungen,
die hierher gelangen zu lassen zu dienstfertige Leute nicht verfehlten, einen
so ungünstigen Eindruck auf Seine Kaiserliche Majestät gemacht, dass ich
auf dem Punkte stand sofort heimgeschickt zu werden; ich wage mir zu
schmeicheln, dass nur aus persönlicher Rücksicht für mich ich diesem un¬
angenehmen Ereignis nicht nur, sondern auch einem vollen Bruch zwischen
dem hiesigen Hof und dem ganzen pfälzischen Hause entgangen bin. Seine
Majestät der Kaiser hat selbst zu Herrn von Litta*) gesagt, am meisten
ärgere es ihn, dass der russische Hof zweimal dem pfälzischen Hause Bayern
gerettet habe und dass gerade dies Haus nicht nur mit der Antwort zögere,
sondern auch feindselige Stimmungen adoptieren zu wollen scheine; ohne die
Erklärung zur Zeit des Friedens von Campo Formio in Wien, wie sie Russ¬
land gemacht, man werde nie in den bayerischen Tausch willigen, wäre es ja
mit dem pfälzischen Hause fertig gewesen“. Dies teilte Besborodko dem
pfalzbayerischen Diplomaten mit, Litta kam selbst zu ihm und machte ihn
mit der Lage bekannt, und Reichlin sandte daraufhin den ebenso thätigen
wie gewandten Legationssekretär von Sulzer ab, um eine definitive Antwort
Max Josephs einzuholen. Dieser schrieb manu propria an den Rand des
Berichts, die Sache sei ihm persönlich so fremd wie die Details unbekannt.
Als der Grossmeister des Malteserordens, Freiherr von Hompesch, abge¬
setzt worden war, protestierte die bayerische Zunge dagegen, was zur Folge
a) Giulio. Graf Litta, geb. 1754, kais. russ. Vizeadmiral, Bailli des Malteserordens,
starb als Oberkammerherr am 5. Februar 183g.
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Der Vertrag von Gatschina.
209
hatte, dass Reichlin-Meldegg des Landes verwiesen ward; er berichtete
an Max Joseph 11 ):
„Die fatale Katastrophe ist eben losgebrochen; angesichts der wenig
gemässigten Note des bayerischen Priorats an das hiesige, welche Seine Kur¬
fürstliche Durchlaucht, mein gnädigster Gebieter, gebilligt hat, erhielt der
Geschäftsträger des hiesigen Hofs bei dem von München Befehl, sofort diese
Stadt zu verlassen und sich hierher zu begeben; ich erhielt gleichen Befehl,
St Petersburg und alle Staaten der kaiserlichen Herrschaft, sobald es meine
Gesundheit erlaube, zu verlassen; jedoch geruhten Seine Kaiserliche Majestät
diesem gnädigen Aufschub einen anderen Beweis Ihres erhabenen Wohlwollens
beizufügen, indem Sie mich versichern Hessen, Sie seien von meiner Haltung
stets befriedigt gewesen seit dem ersten Moment meiner Ankunft bis jetzt.
Ich erwarte nun mein Los, indem ich für die Zukunft zittere, denn ich bin
vollkommen überzeugt, es giebt kein Heil für das erhabene Kurhaus ausser
dem Wohlwollen und dem wirksamen Schutz des hiesigen kaiserlichen Hofs;
alles andere ist prekär, ist illusorisch“. — Reichlin blieb vorerst noch in
St. Petersburg, und Max Joseph schrieb ihm, erhoffe, die Sache lasse sich
beilegen; 12 ) seine Lage war recht unangenehm, er kannte Karl Theodors
Entschliessungen wegen des Malteserordens nicht, sah Litta in Ungnade,
entbehrte Sulzer und war selbst krank.
Am 16. Februar 1799 starb Karl Theodor, und am Abend des 20.
traf der neue Kurfürst Maximilian Joseph in München ein; noch vor
seiner Ankunft hatte Herzog Wilhelm von Birkenfeld, nun Herzog in
Bayern, auf eine längst erteilte Instruktion hin, dem Pursten Bretzenheim
die Aufhebung der bayerischen Zunge des Malteserordens und die Beschlag¬
nahme der Ordensgüter gemeldet, 18 ) was im Hinblick auf Kaiser Paul sehr
unpolitisch genannt werden musste. Reichlin-Meldegg hatte eben an
Besborodko guten Mutes geschrieben, 14 ) Sulzer sei mit befriedigender
Antwort, ganz konform Pauls Wünschen, zurückgekehrt, Max Josephs
Erbfolge werde gewiss den von demselben gewünschten Ausgleich mit Paul
herbeiführen; eben hatte ihn Max Joseph von neuem in St. Petersburg
akkreditiert, 16 ) als das Unheil über ihn hereinbrach. Paul raste über die
Verfügungen der neuen Regierung, die er als persönliche Beleidigung auf¬
fasste, Besborodko rief Reichlin zu sich und sagte ihm, der Kaiser sei
von Max Josephs Absichten auf die Maltesergüter offiziell unterrichtet und
könne wohl einen vorübergehenden Sequester bis zu ihrer vollen Rückerstattung
zugeben, müsse aber eine Aneignung, eine Spoliatiou als Akt der Feind¬
seligkeit ansehen. Er meldete dies, noch ohne Instruktionen, dem Grafen
Vieregg, 16 ) der gar nicht mehr Minister war. 17 ) Diesmal kannte Paul
mit Reichlin kein Mitleid. Am Morgen des 20. März 18 ) Hess sich bei Reichlin
der Polizeimeister Chonaisow melden und sagte ihm, er werde wohl wissen,
dass er in der Frühe des folgenden Tages St. Petersburg verlassen müsse,
der Militärgouverneur Graf von der Pahleu lasse ihn fragen, auf wieviel
Pferde er einen Postzettel habe, und welchen Weg er nehmen werde. Der
Gesandte erwiderte, er wisse von einem kaiserlichen Befehle gar nichts, wenn
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210 Arthur Kleinschmidt
ihm aber der Polizeimeister einen solchen anzukündigen habe, so werde er
trotz seiner Fusswunde denselben befolgen und über Berlin und Memel reisen;
wieviel Pferde er brauche, wisse er vorerst nicht; er hoffe auch, Frau und
Kind“) in Strelna abwarten zu dürfen. Hierüber wolle er P-ahlen befragen,
antwortete der Polizeimeister, sich verabschiedend. Eine Stunde darauf kam
der Geheimrat von Koch, vom Kaiser beauftragt, Reicht in mitzu teilen,
Seine Majestät habe das Aufhebungsdekret im vollen Umfange erhalten, durch
das der Kurfürst die Malteserordensgüter in Bayern eingezogen habe, und
finde „daher für gut, iu Zukunft gar keinen Verkehr mehr mit dem kur¬
pfälzischen Hofe zu unterhalten“; R e i c h 1 i n solle schleunigst St Peters¬
burg verlassen, doch ziele dies keineswegs auf seine Persönlichkeit ab, mit
der Paul stets zufrieden gewesen sei. Während Reichlin und Koch noch
konferierten, trat Chonaisow ein und brachte Pah lens Zusicherung, Reich¬
lin dürfe seine Frau in Strelna abwarten, doch müsse er St Petersburg in
aller Frühe räumen. Am Nachmittag aber kam Chonaisow wieder und
meldete, der Kaiser verlange die Abreise noch auf heute, in Strelna dürfe
Reichlin dann seine Frau abwarten. Reichlin bat um vier Pferde. Cho¬
naisow kam zum vierten Male, brachte den Postzettel für vier Pferde und
die Ordre, noch vor dem Abendrapport müsse Reichlin abreisen, damit
dabei dem Zaren die Abreise als fait accompli gemeldet werden könne. Reich¬
lin war just dabei, das Nötigste zu besorgen, als ein Adjutant Pah lens
ihm erklärte, er müsse auf der Stelle abreisen, könne aber in Strelna ruhig
bleiben. Reichlin fuhr mit eigenen Pferden sofort nach Strelna; er berichtet
wörtlich an Max Joseph 19 ): „Als ich zu meinem Hausthor hinausfuhr, be¬
merkte ich, dass mich auch noch ein Polizeioffizier zu Pferde begleitete, den
ich noch nie gesehen hatte; am Stadtthor musste ich halten lassen; man
brachte meine Poderoschna b ) dem wachthabenden Offizier, der an meinen
Wagen kam, und als er bemerkte, dass ich Pistolen bei mir hatte, liess er
mir solche durch einen Soldaten abnehmen und stellte mir eine Schildwache
mit Gewehr vor die Pferde; so musste ich eine halbe Stunde harren, bis ich
abgefertigt wurde; der Polizeioffizier begleitete mich sodann noch eine Strecke
Weges und fragte meinen Kutscher öfters, wo er hinfahre. Endlich verliess
mich derselbe, und ich fuhr ungehindert meinen Weg weiter fort“. Am 21. März
meldete Reichlin 20 ) aus Strelna dem Grafen V i e r e g g seine Ausweisung;
als er aber dort eine Wohnung mieten wollte, erschien der Polizeikommissär
Rat Hessen und brachte ihm eine Ordre Pah lens vom 21/10. März, 21 )
wonach er sogleich weiter müsse und der Kommissär ihn bis zur Grenze zu
begleiten habe; der Brief Pah lens klang sehr verletzend, sprach aber vom
Befehle der Kaiserlichen Majestät. 22 )
Vergebens hielt Reichlin dem Kommissär entgegen, er habe zur
a) Reichlin hatte 1798 in Wien die k. k. Generalstochter Magdalena Freiin
von Oien hausen geheiratet (geb. 1770), die ihm ein Töchterclien Ida schenkte; das¬
selbe starb jung. (Frlir. von Rei ch 1 i 11 - M el degg, s. o.).
b) Früher übliches Papier mit Angabe der Persönlichkeit, der Route, der Pferde¬
zahl etc,
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Der Vertrag von Gatschina.
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Reise gar nichts mitgenommen, da ihm Pah len wiederholt den ruhigen Auf¬
enthalt in Strelna zugesichert hatte; Gewalt ging vor Recht. Reichlin
schrieb an seine Frau, sie möge ihm das Nötigste schicken; Magdalena,
die bereits von der kaiserlichen Ordre gehört hatte, brachte es ihm selbst.
In einer Kibitka fuhr er mit Hessen ab, hinter Neuenmühlen warf der ent¬
setzlich stossende Wagen um, Hessen brach beinahe den Fuss, und sie sahen
sich in Riga gezwungen, einen Tag zu bleiben; Reichlin hatte bei 13 — 15 0
Kälte die Nase, die Wangen, Hände und Füsse erfroren, die Fusswunde
schmerzte sehr. In Polangen verliess Hessen den Gesandten, der ihm einen
vom 29 10. März datierten Brief an Pah len mitgab. 33 ) Als Reichlin den
Schlitten bestieg, war ein mit Pistolen, Säbel und Speer bewaffneter Kasak
da, der ihn zu Pferd bis zur Grenze begleitete, sich dann ein Trinkgeld
(nawodka) erbat und sich nach Verabreichung empfahl. Was aus Frau und
Kind geworden, was sein eigen Los sein werde, wusste er nicht; er empfahl
sich der Huld Max Josephs und seiner Minister. Er hatte Geld entleihen
müssen, um nach Russland und um aus Russland kommen zu können, seit
Oktober 1798 hatte er kein Gehalt bekommen, anderes Geld besass er nicht,
und so bat er wiederholt um eine Anweisung von 2000 Rbl. auf Berlin zur
Deckung seiner Schuld; 24 ) gleich ihm war auch die spanische Gesandtschaft
aus St. Petersburg ausgewiesen worden, weil Spanien Pauls Anerkennung als
Grossmeister verweigerte. 25 ) Um nicht sein Los noch zu verschlimmern, unter-
liess Reichlin den ausführlichen Bericht seiner Ausweisung, bis er in Imer-
sath auf deutschem Boden war. Dann erstattete er den Bericht, den ich oben
gab, derselbe bedurfte keines Kommentars, „das Faktum war an sich zu
schreiend, um noch die Atrocität zu beleuchten“. „Da meine Frau“, so schrieb
er an Vieregg, „und mein Kind noch im Land waren, so habe ich selbst auf
den satirischen Brief des Herrn Grafen Pah len nicht geantwortet, wie er es
verdiente, denn es war doch unwürdig für einen Mann seiner Stellung, mein
Unglück noch durch so unverschämten Sarkasmus zu steigern. . . . Ich kenne
noch nicht das Los meiner Frau und meines fünfmonatlichen Kindes, die
furchtbare Kälte und die schlechten Wege lassen mich aber alles fürchten“. 26 )
Über Imersath—Königsberg—Hof und Creisen kehrte Reichlin-Meldegg
im Mai nach München zurück; Montgelas hatte ihm nach Berlin 2000 Rbl.
für die Reisekosten angewiesen und ihm dabei sein herzliches Bedauern über
die schlechte Behandlung in Russland ausgesprochen; 27 ) nach einem Erlasse
des Kurfürsten vom 18. September 1799 28 ) wurden ihm für die Rückreise
3488 Gulden vergütet Er wurde im Königreiche Bayern Staatsrat, Appel¬
lationsgerichtspräsident in Straubing, St. Georg-Komthur und Komthur des
Zivilverdienstordens, lebte nach seiner Verabschiedung in Regensburg, wo er
am 22. Januar 1828 starb; Magdalena starb am 26. Mai 1841.
Bayern durfte Pauls Groll nicht einfressen lassen, es musste ihn zu
versöhnen trachten, denn seine Lage war ungemein bedroht. 20 ) Max Joseph
wandte sich an Pauls Schwager, den Herzog Al ex and er von Württemberg.
Schon seit „dem zweiten Jahre seines Regierungsantrittes in Zweibrücken“,
somit 1797, 30 ) hatte Max Joseph ein Eheprojekt im Sinne: sein ältester
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Arthur Kleinschmidt
Sohn Ludwig, der spätere König von Bayern, sollte die Grossfürstin
Katharina Pawlowna, Pauls älteste Tochter,' 1 ) (geb. 21. Mai 1788), hei¬
raten. Aus St. Petersburg erlangte man die Erlaubnis, die Sache vorzubringen,
und es hiess, der russische Resident am Regensburger Reichstage, David
Maximowitsch Alopäus, ein Finnländer, sei mit eventuellen Instruk¬
tionen betraut. Die Zeitlage unterbrach den Gang der eben angebahnten
Unterhandlungen, und schliesslich erklärte der Zarenhof, mau müsse, ehe man
sie erneuere, die Entscheidung des allgemeinen Friedens über Bayern und die
Bestimmungen desselben über das Los Bayerns ab warten. Seit Karl Theo¬
dors Tod unternahm der Bruder der Kaiserin Maria Fedorowna, Herzog
Alexander von Württemberg, wegen des Eheprojekts zwei expresse Reisen
zu Max Joseph, und man hoffte in München mehr denn je auf Erfolg. 81 )
Auf eine in Stockaeh empfangene Staffette des Kurfürsten hin empfahl ihm
Alexander eine neue Annäherung an den durch die Malteserfrage gereizten
Paul und berichtete Max Joseph, er habe wegen des Eheprojekts in St.
Petersburg Mitteilung gemacht. 82 ) Max Joseph entwarf nun ein Memoire
an den russischen Hof, dem ich Folgendes entnehme. 88 )
Kraft Instruktionen Herzog Karls II. von Zweibrücken von 1788, die
Max Joseph 1795 bestätigte, wurden, sobald Karl Theodor gestorben
war, die Güter des Malteserordens in Bayern sequestriert, was noch vor Max
Josephs Ankunft in München kundgegeben ward. Wenige Tage nach seiner
Ankunft in München ernannte Max Joseph eine besondere Kommission
zur Verwaltung der Güter und verordnete, mau dürfe weder an Fonds noch
an Einkünfte rühren. Die rein provisorische Massregel stellte es ihm frei,
die Verfügungen in bezug auf den Orden zu treffen, die er dem Staatswohle
am analogsten hielt, doch stellten unheilvolle Einflüsterungen dies als volle
Abschaffung des nützlichen Instituts hin. Mit grossem Verdrusse erfuhr
Max Joseph von Pauls Missstimmung und vom „wahrhaft betrübenden
Verluste seines Wohlwollens“, darum beeilte er sich, Paul feierlich zu er¬
klären, er habe stets „seinen edlen Eifer für die Erhaltung der konservativen
Prinzipien der Throne geteilt“ und Pauls lebhaftes Interesse am Malteser¬
orden sei „ihm ein genügender Grund, für dies Institut ganz besondere Rück¬
sichten zu tragen“, man könne ihn nicht verdächtigen, als habe er einen
mächtigen Monarchen, dessen Schutz ihm so kostbar sei, verletzen wollen.
Sein Schatz sei zwar — so fuhr er fort — in grosser Not und es sei schwer,
die notwendigsten Ausgaben zu bestreiten, besonders für die Bedürfnisse
nationaler Bildung zu sorgen, für welche die heutigen Güter des Malteser¬
ordens ursprünglich bestimmt gewesen.') Die Regierung befolge nur den
Grundgedanken, einen rein provisorischen Sequester zum Zwecke der Er-
a) Sie heiratete in erster Ehe den Prinzen P. F. Georg von Oldenburg, in
zweiter Wilhelm I., König von Württemberg, und starb, von ihrem Volke vergöttert,
am 9. Januar 1819.
b) Früfier dem Jesuitenorden gehörig, sollten sie nach dessen Aufhebung für
Schulzwecke verwendet werden, Karl Theodor aber hatte sie dem bayerischen Gross¬
priorate überwiesen.
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Der Vertrag von Gatschina.
213
haltung der Ordensgüter zu verhängen; der Kurfürst erkenne den Vorteil, den
die Konstituierung des Ordens biete, wünsche, die Bande mit Russland
enger zu knüpfen, „mehr als einmal dankt ja sein Haus Russland sein Heil“,
und er setze sein Hauptvertrauen in Russland.
Darum liess er Paul wissen, er w r olle sich zum Neubegründer des
von Karl Theodor in seinen Staaten gestifteten Malteserordens erklären,
und versicherte ihm in aller Form, der Orden solle in seinem Wesen und die
Ordensmitglieder sollen im Genüsse ihrer Einkünfte gesichert bleiben, nur
seien Modifikationen für die Besitzungen des Grosspriorates nötig; hierin
wolle er sich nun mit Pa-ul verabreden, soviel er vermöge, ohne die Rechte
des Oberhauptes des deutschen Reiches zu kompromittieren. Am folgenden
Tage erliess er 34 ) die Instruktion für den Diplomaten, der das Geleise nach
der Newa legen sollte, den Freiherrn von Rechberg.
Aloys Franz, Reichsfreiherr von Rechberg und Rothen¬
löwen, geboren am 18. September 1766, war zuerst pfalzzweibrückenscher
Komitialgesandter und Minister am Regensburger Reichstage, Kammerherr
und Geheimrat, später wirklicher Geheimrat, auf dem Rastatter Kongresse
Bevollmächtigter des Herzogtums Zweibrücken; er hatte die Reichsgräfin
Marianne von Görtz zu Schlitz, die Tochter des berühmten preussi-
schen Diplomaten Grafen Johann Eustach, geheiratet, der sich in der
bayerischen Tauschfrage, in der Zeit des Fürsteubundes und bei aller Not
als treuer Freund des Zweibrückener Hauses und der Herzogin Klemens
bewährt hatte; in Rastatt hatte er Thuguts Zorn auf sich geladen, und in
Wien sah man in ihm Görtz* Schüler und Vertrauten, weshalb seine ur¬
sprünglich beabsichtigte Mission an den Wiener Hof unterblieb. 35 )
Der Malteser-Bailli Johann Baptist Baron von Flachslanden, von
dessen Intriguen in St. Petersburg und München Du Moulin Eckart be¬
richtet, arbeitete augenblicklich auch an der russisch-bayerischen Versöhnung,
doch trauten ihm Max Joseph und sein grosser Staatsmann Baron Mont-
gelas nicht, wie die Instruktion an Rechberg zeigt Es galt, freundschaft¬
lich die Differenzen wegen des Sequesters beizulegen, „der in den ersten
Stunden unseres Regierungsantritts verhängt worden“, und dies damit zu
modifizieren, „dass man das Interesse des Staates und die Sorge für Unsere
eigene Würde mit dem lebhaften Wunsche verschmelze, der Uns beseelt, das
kostbare Wohlwollen Seiner Kaiserlich Russischen Majestät zu bewahren, die
an diesem Etablissement das lebhafteste und ausgesprochenste Interesse nimmt“.
Um dies alles einzuleiten, ist Rechberg ausersehen, er soll genau die Lage
des Ordens studieren, sich über alles mit dem Chevalier Bray verständigen,
auch in allem sich mit Graf Goertz bereden, der dem Kurfürsten besonders
zugethan ist, und dessen Regierung letzteren begünstigt; die Haltung Flachs-
landens Max Joseph gegenüber erscheint diesem als „keine solche, dass
sie Uns viel Vertrauen eiuflössen könnte“, er begnügt sich vielmehr damit,
man könne Flachslanden davon unterrichten, falls Goertz dem preussi-
schen Hofe Eröffnungen machen würde.
Franz Gabriel, Chevalier von Bray 36 ), entstammte altnormäuni-
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Arthur Kleiuschmidt
schein Gesclilechte und war zu Rouen am 24. Dezember 1765 geboren; seit
1783 Malteser-Ehrenritter, machte er die Bekanntschaft vieler Ritter der baye¬
rischen Zunge, schon ehe er 1789 zur französischen Vertretung nach Regens¬
burg kam; da er den Eid auf die Verfassung der Revolution verweigerte,
kam er auf die Emigrantenliste und lebte, mit dem preussischen Gesandten
Grafen Goertz eng befreundet, bis 1797 in aller Stille in Regensburg. Als
Begleiter des Bevollmächtigten des Malteserordens, des Komthurs Freiherrn
von Pfirt, besuchte Bray den Rastatter Kongress und zeigte bedeutende
Begabung, sein Freund Rechberg, damals Zw T eibrückenscher Vertreter in
Rastatt, machte ihn mit Max Joseph und Montgelas bekannt, und als
Montgelas bayerischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten geworden,
trat Bray am 12. Mai 1799 als wirklicher Geheimrat in bayerische Dienste;
am 7. August erhielt er taxfrei das bayerische Indigenat. Baron Rechberg
versicherte Montgelas, 87 ) man werde den Baron Flachslanden in seinen
Intriguen aufzuhalten wissen, und berichtete an demselben Tage 88 ) an Max
Joseph. Bray hatte den russischen Gesandten in Mönchen und Stuttgart und
Senator Karl J akowlewitsch Reichsfreiherrn von Böhler (s. S. 206),
einen Bayern sehr wohlgesinnten Mann, und Flachslanden unterrichtet, Rech¬
berg werde ihnen Eröffnungen machen; Rechberg besuchte beide, wobei
Bray zugegen war. Böhler war die Zuvorkommenheit selbst, erbot sich,
alles zu thun, um Max Joseph zu Willen zu sein, und bestätigte Rech¬
berg, was ihm Goertz, Lerchenfeld, der bayerische Gesandte in Regens¬
burg, und Bray versichert hatten, dass Paul sich die Interessen der deutschen
Fürsten zu Herzen nehme und besonders auf die Erhaltung des bayerischen
Kurhauses hohen Wert lege; er fugte hinzu, er selbst habe gezittert, die un¬
glückselige Haltung gegenüber dem Malteserorden möge Pauls günstige
Stimmung hintertreiben, jetzt aber bezweifele er nicht, dass Paul wieder die
alte Gunst bezeuge. Als ihm Rechberg eine Erklärung wegen der Her¬
stellung des bayerischen* Grosspriorats überreichen wollte, wies ihn Böhler
an Flachslanden, dem die Maltesersachen übertragen seien. Rechberg
wollte „diesen Kanal“ vermeiden, drang in Böhler und versicherte ihm,
Max Joseph habe das vorzüglichste Vertrauen zur Erreichung der Annähe¬
rung an Paul in ihn gesetzt. Hierdurch geschmeichelt, frug Böhler nach
einem Briefe des Kurfürsten au den Kaiser, Rechberg hatte zwar keinen,
Böhler aber versprach, er würde, falls Max Joseph einen solchen schriebe,
einen Kourier damit direkt abschicken, alles Missverständnis würde dann auf¬
hören. Böhler bestürmte ihn, Max Joseph zu bitten, er möge im Briefe
an Paul keine Modalität berühren, Paul vielmehr die Gleichartigkeit seiner
Prinzipien für die allgemeinen Interessen Deutschlands aussprechen und ihm
das Sonderinteresse seines Hauses empfehlen. Bühl er gab nun zu verstehen,
der Zar sei nicht allein wegen der Unterdrückung des Malteserordens, sondern
auch wegen der letzten Abstimmung am Reichstage gereizt, wogegen Rech¬
berg alles geltend machte, was die Lage der pfalzbayerischen Lande und der
lange Aufenthalt in Rastatt ihm anschaulich erscheinen Hessen. „Der sehr sanfte
und versöhnliche Minister“, wie ihn Rechberg nennt, schien befriedigt und
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Der Vertrag von Gatschina.
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bezeugte dem Baron seine volle Bereitwilligkeit, an der Aussöhnung mitzu¬
wirken; Rechberg beschloss darum, ihm eine Note zu übergeben. Er hatte
sich erst nach genauer Prüfung mit seinem Schwiegervater an Bühl er ge¬
wendet, hätte eigentlich lieber den Berliner Kanal vorgezogen, aber der preussi-
sche Gesandte in St. Petersburg, Graf Tauentzien, war eine Null und sein
vermutlicher Nachfolger, Baron Jacobi- Klöst, Bayern übel gesinnt. Flachs¬
landen kam darum nicht in die Lage, die preussischen Eröffnungen in
St. Petersburg vereiteln zu können; um ihn zu entfernen, w T ie es Max Joseph
wollte, griff er zum Kanäle Bühlers; dessen Kourier konnte aus St. Peters¬
burg schon zurück sein, ehe sich Flachslandeu dort auskannte. Dabei
durfte man jedoch Flachslanden, dessen Einfluss in der Malteserfrage
„immer überwog“, nicht erbittern; Rechberg teilte deshalb auch ihm Max
Josephs Absichten mit und versprach ihm, „wegen des Vertrauens, das man
in ihn gesetzt, ihm alles mitzuteilen“, was er Bühl er übergebe; es sollte ihm
schmeicheln, zumal Flachslanden piquiert darüber war, dass er nicht aus¬
schliesslich mit der Sache betraut worden. Flachslanden gab Rechberg
einen Brief an Max Joseph, doch war Rechberg gesonnen, vor Fl ach s-
landens Ankunft in St. Petersburg mit Goertz’ kräftiger Unterstützung
über jenen, der zu zähe am Alten hänge, hinaus Pfalzbayern" und Russland
einander zu nähern.
An dem Tage, an dem Herzog Alexander von Württemberg an
Max Joseph zur Feder griff, am 11. April 1799, schrieb Montgelas an
den Schwager seines Herrn, den Herzog Wilhelm in Bayern“), der mit der
Mission nach St Petersburg betraut werden sollte und eben erklärt hatte, 89 )
er habe nicht die erforderlichen Fähigkeiten „zu einer so wichtigen Unter¬
handlung mit so schwer zu behandelnden Leuten“, er gehe ungern, 40 ) füge
sich zwar des Kurfürsten Willen, wenn dieser darauf bestehe, hoffe aber, dass
bis dahin sein Sohn, den er grenzenlos liebe und so ungern verlasse, wieder
genesen sei 41 ): es werde die Sache, von der Max Joseph mit ihm, dem
Herzoge, gesprochen, jetzt weiter verhandelt, die Mitgift der Grossfürstin solle
eine Million Rbl. und Schmuck für 600,000 Rbl. betragen, die Grossfürstin
solle der Erbfolge nicht entsagen und dürfe ihre Religion frei ausüben, falls
sie verwitwe, bleibe sie Kaiserliche Hoheit Manches hierin, gestand Mont¬
gelas, sei ja unbequem, doch müsse man versuchen, dem Wiener Hofe den
von ihm erstrebten Erfolg nicht zukommen zu lassen; es sei für die Be-
schützung Bayerns von hohem Belange, und es müsse darum eine Person nach
St. Petersburg gehen, die so hochgestellt sei, um in direkten Verkehr mit
dem Zaren treten zu können, dies solle Wilhelm sein; Max Joseph
wisse sehr wohl, was er dem Schwager damit zumute, doch müsse dieser das
Opfer bringen. So lief das Eheprojekt wieder neben dem Malteserhandel ein¬
her. Am 19. Mai benachrichtigte der Kurfürst den Kaiser Paul, 42 ) er habe ihm
zu Gefallen die Besitzergreifung der Güter des Malteserordens in Bayern pro¬
visorisch in einen einfachen Sequester umgewandelt, und am 20. Mai schrieb
a) Geboren 10. November 1752, kurpfälzischer Gouverneur in Jülich, heiratete 1780
Max Josephs Schwester Maria Anna.
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Arthur Kleinschinidt
er an Rechberg 48 ): aus einer Berliner Depesche ersehe er, Paul begnüge
sich nicht mit Drohungen, man müsse also notwendig zur Entscheidung über
die Malteserordensstiftung kommen, „die uns soviel Plackerei schafft“; er
sende Rechberg eine Depesche für ihn und einen Brief für Paul; 44 ) in¬
folge der unangenehmen Ereignisse könne man direkt ohne Flachslanden
verhandeln, weil man nicht abwarten dürfe, bis dieser am Ende seiner Reise
anlange. Ausführlicher unterrichtete der Kurfürst den Diplomaten in einer
weiteren Depesche, 4 *') die ihm Gravenreuth überbrachte. Betreffs seines
Briefs an Paul, den er Tags darauf schrieb, 46 ) bemerkte er, er vermeide es,
„sich direkt an die Koalition zu binden“, und wolle die Malteseraffäre isoliert
behandeln, denn wenn er „dem Plane und den Wünschen zustimme, welche
man über ihn hinsichtlich der grossen Politik gemacht haben könnte, so setze
er sich allen gegenwärtigen und zukünftigen UnZuträglichkeiten aus“. „Einer¬
seits“, so fuhr der Kurfürst fort, „haben die kaiserlichen Waffen augenblick¬
lich einen entschiedenen Aufschwung, der Berliner Hof spielt eine passive
Rolle, die ihn absolut null macht. Obwohl das kaiserliche Kabinett uns mehr
schmeichelt als früher, so nährt es im Grunde ganz ebenso verderbliche In¬
tentionen und Projekte gegen das Kurhaus und reizt Russland an, das ihm
allein dabei imponieren kann. Ich laufe das doppelte Risiko, meine Interessen
durch ein Arrangement zwischen den kriegführenden Mächten geopfert zu
sehen, dem der Zar aus Rachsucht kein Hindernis bereiten würde, wie es
schon in Campo Formio geschehen ist, und dem Frankreich selbst beipflichten
würde, freilich gegen sein System, aber weil man dort das Bedürfnis nach
Frieden fühlt und anfängt, die Mittel zu berechnen, die zur Kriegführung
bleiben. Der Rücktritt Reubels (sie)“) aus dem Direktorium befreit das Haus
Österreich von einem seiner grössten Antagonisten; Herr Sieyes, den eine
grosse Partei an seinen Platz führen will, ist der Ansicht, man könne mit
den deutschen Fürsten nichts anfangen, die Republik dürfe nicht zaudern,
sich mit dem Kaiser zu versöhnen und ihm, wenn sie dabei ihre Rechnung
finde, Bayern zu opfern; dieser Ansicht war Sieyes schon letztes Jahr, jetzt
schrieb er in diesem Sinne wieder an seine Regierung. Russland allein kann
auch die Gefahr beschwören, dass die österreichischen Heere die pfälzischen
linksrheinischen Lande, wenn sie dieselben den Franzosen entrissen, für die
Kriegskosten als Unterpfand nehmen. Bayern ist zu wenig in Verteidigungs-
stand gesetzt, um es nicht tausend Chikanen ausgesetzt zu sehen; vielleicht
wird es genötigt, unfreiwillig eine Partei zu ergreifen, in einem Jahrhundert,
wo die Gewalt allein respektiert wird, und wo es sich von allen Seiten von
koalierten Kräften umgeben findet, ohne dass jemand das Wort Neutralität
auszusprechen wagt“. Herzog Alexander von Württemberg, 6 ) russischer
Generallieutenant, war nicht müssig gewesen; er hatte seinen kaiserlichen
Schwager veranlasst, das Anerbieten der bayerischen Annäherung freundlich
aufzunehmen, und machte Max Joseph, auf eine handschriftliche Depesche
a) Rewbell trat am 16. Mai 1799 ab.
b) Irrtümlich spricht Du Moulin Eckart (Bd. 1, S. 109 ff.) von Prinz Ferdi¬
nand von Württemberg.
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Der Vertrag von Gatschina. 217
Pauls hin, eine Reihe Propositionen; die eine besagte: wenn die zur Ver¬
einigung mit der Armee des Erzherzogs Karl bestimmte russische grosse
Armee in Schwaben augelangt und mit dieser vereinigt sein würde, so sollte
der,Kurfürst zur russischen Armee ein Korps entsenden, welches zur Ver¬
fügung des russischen Höchstkommandierenden in Deutschland stände; hier,
durch würde er Paul seine grenzenlose Verehrung beweisen, und als einzige
Gegenleistung sollte er „die gnädigste Garantie der vollsten Integrität seiner
Staaten bei dem allgemeinen Frieden fordern“; unzweifelhaft würde Paul
dieser Klausel zustimmen, „die so wesentlich sei für die Ruhe Seiner Kur¬
fürstlichen Durchlaucht wie Ihrer Nachfolger“. Max Joseph machte hierzu
die Bemerkung: 47 ) entzückt von Pauls Seelengrösse und seinen Absichten
„für die Erhaltung der Throne und der gesellschaftlichen Ordnung“, werde
er es sich zur Pflicht sein lassen, ihm ein Korps zu stellen, „entsprechend
seinen Mitteln, welche die Unglücksfälle und Leiden dieses grausamen Kriegs
unglücklicher Weise sehr geschwächt haben“; er vertraut Pauls Weisheit,
Herzog Wilhelm wird demselben ja über seine Lage genau berichten, als
neuen Beweis von Pauls Gerechtigkeit betrachtet er sein Versprechen, das
bayerische Haus bei dem allgemeinen Friedensschlüsse vor jedem Nachteile
zu bewahren. Zu einer weiteren Proposition Alexanders, Max Joseph müsse,
unbeschadet des zur russischen Armee zu stellenden Korps, dem deutschen
Kaiser gegenüber alle Verpflichtungen als Reichsstaud erfüllen und auf seine
Kosten i\ach wie vor sein Kontingent unterhalten, bemerkte der Kurfürst: er
habe nie daran gedacht, seine Reichsstandpflichten beiseite zu setzen und
sein Korps vom Rheine, wo es zu Philippsburgs Besatzung gehöre, zurück¬
zuziehen, ja er wolle sogar den Schutz, die Proviantierung und die Verteidigung
der Festung Ingolstadt übernehmen und so die dortigen Reichstruppen ablösen,
die dann im Felde dienen könnten. Aus dem Kantonnement Heidenhofen
bei Donaueschingen lud der in St. Petersburg unermüdlich wirkende Herzog
Alexander 48 ) Max Joseph auf den 28. Mai zu einer Besprechung bei Augsburg
ein, von der sein Heil und das seiner Staaten abhänge; da Max Joseph
nicht dorthin wollte, erbot sich Alexander aus Zusmarshausen bei Augsburg, 49 )
am folgenden Abende in tiefstem Inkognito nach Nymphenburg zu kommen,
wobei er bemerkte, er müsse sich enorm mit der Rückkehr beeilen. „Ich bitte
Eure Durchlaucht“, so schloss er, „höflichst, meine Ankunft in Nymphenburg
so geheim wie möglich zu halten, selbst Ihrem Hofe gegenüber. Darum glaube
ich, man logierte mich am besten in einem Gartenhaus oder einem anderen
abgelegenen Orte ein, wo ich volle Müsse hätte, mit Eurer Durchlaucht zu
sprechen, ohne wie Sie, Monseigneur, den Blicken Neugieriger ausgesetzt zu
sein“. Auch Baron Falkenstein frug bei Moutgelas an, wann Alexander
am 28. Mai den Kurfürsten sprechen könne. 50 ) Während Alexander heimlich
in Nymphenburg erschien, schrieb Rechberg an Max Joseph: 51 ) Bühler
sei durch die von Gravenreuth an Rechberg überbrachten kurfürstlichen
Depeschen überzeugt, dass Max Joseph an Paul schreiben wolle; es gelte
nun, Bühler die bayerischen Modifikationen in der Malteserfrage mundgerecht
zu machen und dieselben in St. Petersburg durchzusetzen, ehe Flachslanden
Bayer. Forschungen VI, 4. * 15
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Arthur Klein Schmidt
„der einfache und reine Retablierung verlange“, dahin komme; Bray habe ein
Memoire eingereicht, das aber Bühlers und Flachslandens Billigung nicht
gefunden. Dies Memoire B2 ) besagte Folgendes.
Bei Karl Theodors Tod trat Max Joseph in alle Rechte ein;„schon
im Wittelsbacher Hausvertrage von Pavia von 1329 steht: kein Prinz des
pfälzischen Hauses dürfe ohne formelle Zustimmung aller Agnaten Teile der
Güter und Domänen des Hauses wegnehmen, hierzu bedürfe es der einstimmigen
Einwilligung aller Agnaten, ohne die der Akt ungiltig sei. Karl Theodor
aber hatte, ohne den Konsens zu erbitten und zu erhalten, die Güter des
Jesuiten-Ordens 1787 zu gunsten des Malteser-Ordens verwendet und eine neue
Zunge des letzteren gegründet. Karl II. von Zw r eibrücken setzte nun im Jahre
1788 Instruktionen auf, kraft deren bei seiner Thronbesteigung in Pfalzbayern
das Ordensinstitut abgeschafft werden und der Souverän in Besitz und freien
Gebrauch aller seiner Rechte eintreten sollte; als er 1795 starb, bestätigte
Max Joseph die Instruktionen von 1788 und behielt sich das Recht vor,
die Ordensgüter so zu verwenden, wie es für das Wohl des Tandes am besten
sei; er gab die Instruktionen dem Herzoge Wilhelm von Birkeufeld (seit
1799 Herzog in Bayern) als seinem Bevollmächtigten zur Besitzergreifung
Pfalzbayerns, und Wilhelm, der bei Karl Theodors Tod gerade in München
weilte, verwertete sofort seine Befugnisse auch gegenüber dem Malteser-Orden.
Demgemäss kamen dessen Güter wieder an Max Joseph, dieser suspendierte
provisorisch jede Verwendung der Ordenseiukünfte, ernannte eine Spezial¬
kommission zur Verwaltung der Ordensgüter, die elend verwaltet und vielen
Missbräuchen preisgegeben waren, und verbot, irgend etwas an Kapitalien
und Renten dem Ordensinstitute zu entziehen. Die Schulen in Pfalzbayern
waren verfallen, die Finanzen total zerrüttet, und die bedrohte Lage des Staats
machte es Max Joseph nötig, an Russland einen Rückhalt zu suchen,
darum wollte er das Opfer von 6 Millionen Gulden nicht scheuen und das
Ordensinstitut neu begründen.
Rechberg hielt nun Bühler und Flachslanden vor, es sei doch das
wenigste, dass man Max Joseph den Ruhm lasse, als Neubegründer des
Ordens in Pfalzbayern angesehen zu werden; es kam zu neuen Besprechungen,
und am 27. Mai reiste Baron Flachslanden nach St. Petersburg ab, um zu
wirken „im versöhnlichen Interesse des Kurfürsten, des Kaisers und des
Ordens“. 58 ) Ein Brief des Zaren vom 25. Mai hatte Max Joseph unter¬
richtet, 54 ) Bühler und Flachslanden seien beauftragt, alle fraglichen Punkte
zu verhandeln; Alexander von Württembergs Unermüdlichkeit erreichte in
St. Petersburg am 29. Mai eine Art Punktation, 55 ) „welche der Kaiser als eine
Konvention ansah, deren Ausführung Herr von Bühler jetzt erbat. Niemand
wird“, so hiess es hier, „ihre Notwendigkeit bestreiten können oder in Zweifel
über die ganz eminente Gefahr sein, welcher die Kurlande ausgesetzt gewesen
wären, wenn man nicht das Glück gehabt hätte, jene abzuschliessen“. Paul
erkannte Max Joseph als neuen Gründer des Malteser-Ordens an, über den
in Bayern Flachslanden allein verhandeln sollte; das bayrische Korps musste
zur russischen Armee gestellt werden, ohnedass die Stellung des Reiclis-
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Der Vertrag von Gatschina.
219
kontingeuts unterblieb. Am 1. Juni schrieb Max Joseph an Rechberg: 5 *)
der Zar wolle absolut, dass er sein bisheriges politisches System ändere und
da Bray dies gefühlt habe, so vermenge derselbe stets die Politik und den
Malteser-Orden; in Wien wolle man Paul als Chef-Protektor, nicht aber als
Grossmeister dieses Ordens anerkennen, in diesem Sinne sei Whitworth in
St. Petersburg thätig, um einen Bruch der beiden Kaiserhöfe zu verhüten, in
Wien habe man den Hintergedanken an eine Abdankung beider Grossmeister,
Pauls und Hompeschs, zu gunsten des Erzherzogs Johann. Da Paul
mit Max Joseph anknüpfen wolle, so schrieb letzterer, habe er dem Herzoge
Alexander von Württemberg einen Kourier gesandt, um die Verhandlungen
wieder aufzunehmen, habe auch Pässe für den Herzog von Birkenfeld geschickt
und seine Freude ausgesprochen, ihn bei sich sehen zu dürfen, Alexander
habe dem Kurfürsten mehrere Vorschläge zu einer engeren Allianz mit Paul
gemacht und versprochen, dann würde der Zar auf alle Fälle die Integrität
der pfalzbayerischen Besitzungen und Entschädigung für den Fall ihres Ver¬
lustes garantieren; jetzt aber hänge alles von Wilhelms Unterhandlungen ab.
Der Kurfürst, von dem Paul selbst ausdrücklich Stillschweigen über die
Verhandlungen mit Herzog Alexander und über die Reise des Herzogs
Wilhelm verlangt hatte, befahl Rechberg, dasselbe ein zuhalten; dann belehrte er
ihn, Wilhelms Pässe aus St. Petersburg, die Bühler in Regensburg unterzeich¬
net habe, gingen auf „Graf Neuburg“, von Alexander sagten viele in München
nichts Gutes, man halte ihn „für einen sehr gierigen Intriguauten“, Alexander
habe in München die grösste Abneigung gegen Preussen bekundet und darauf
bestanden, Max Joseph solle nicht nach Ansbach gehen, wo er im Juni mit
Friedrich Wilhelm III. Zusammentreffen wollte, und Wilhelm solle bei der
St. Petersburger Reise Berlin nicht berühren, doch scheine das Geheimnis von
Wilhelms Reise im Hauptquartiere bekannt, da Graf Fugger dem Grafen
Lehrbach davon geschrieben habe. In einem Postskriptum äusserte sich
der Kurfürst noch weit schärfer über den Herzog Alexander; er nannte ihn
einen Lügner und toll wie alle in seinem Hause; er warf ihm vor, er habe
sich gerühmt, nach München zu gehen, um die Heirat abzuschliessen, er
habe sich sehr inkonsequent benommen, denn während er das tiefste Inkognito
affektierte, habe er sich sehen lassen, auch habe er gar wenig Gewicht auf
Bühler gelegt. Am 12. Juni äusserte er geradezu, 57 ) die Heiratsgerüchte
datierten wohl von der Haltung Alexanders oder vom Argwohne der fremden
Diplomaten über seine Anwesenheit in Nymphenburg. Rechberg war
ähnlicher Ansicht über Herzog Alexander; in einem Briefe, in dem
er von Pauls Absicht sprach, bei dem allgemeinen Frieden die Grossmeister¬
würde niederzulegen, r ' 8 ) berichtete er dem Kurfürsten: Bühler wisse gar nicht,
wem er den Pass ausgestellt habe, und habe zu ihm gesagt, er möchte gar
zu gern wissen, wer der Graf von Neuburg sei, dessen Existenz er nicht
ausfinden könne; das Benehmen Alexanders sei ihm, Rechberg, nicht
erstaunlich, denn man kenne ja seinen Charakter; Alexander sei der Vertraute
seiner Schwester, der Kaiserin Maria Fedorowna, und von ihr mit ihren
Privatsachen betraut, doch sei zu bezweifeln, dass er vom Kaiser ins
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Arthur Kleinschmidt
Geheimnis eingeweiht sei, er habe die ersten Vorschläge seitens Marias an
den Herzog von Sachsen-Weimar gemacht, lind dann erst habe Paul Kenntnis
davon erhalten, der Kanal Alexanders könne Paul teuer zu stehen kommen,
denn Alexander, dem seine Schwester gern aufhelfe, sei oft in Geldnot; der
mildeste und versöhnlichste russische Diplomat sei jedenfalls Bühler, und ihn
müsse man für Bayern nutzbar machen; die Verhandlung des Herzogs
Wilhelm werde unendlich wichtig sein, es handele sich um den Staat, der
„den Platz behaupten und einnehmen könne, den er seit einem halben Jahr¬
hunderte unter den Staaten zweiten Rangs verloren“; jede weitere Schonung
Frankreichs werde um so überflüssiger, als dessen Hass und Rache sich nur
nach dem schwachen Widerstande bemessen würde, den mau ihm leiste. Man
braucht einen Subsidientraktat, und die Armee, vereint mit der russischen
und formiert aus der zahlreichen pfälzischen Bevölkerung, wird Bayerns Macht
Ehrfurcht verschaffen, sagt Rechberg; zugleich warnt er vor Pauls miss¬
trauischem Charakter, man darf, um seinen Argwohn nicht zu erwecken, keiue
chiffrierte Korrespondenz aus Russland heimsenden, man muss Briefe schreiben,
die Unberufene lesen dürfen, und muss suchen, durch die Kouriere der fremden
Gesandten das zu befördern, was nicht gelesen werdeu darf.
Sobald durch die in München beglaubigten fremden Gesandten die
Anwesenheit des Herzogs von Württemberg in Nymphen bürg am Regens¬
burger Reichstage bekannt wurde, frug man Bühler um den Grund der
geheimnisvollen Reise; er behauptete, nichts zu wissen. Alopäus, der
Resident am Reichstage, wollte aus St. Petersburg die Anfrage erhalten haben,
ob es sich um eine Heirat mit dem Kurprinzen handle. 59 ) Bühler hatte
die Pässe für den Grafen Neuburg in blanco au Herzog Alexander zum
Ausfüllen geschickt; als er dann von Alexanders Aufenthalt in Nymphen¬
burg und vom Gerüchte einer russischen Reise Wilhelms hörte, sah er sich
düpiert und war voll Ärger. 60 ) Seit der geheimnisvollen Begegnung in
Nymphenburg hatte Alexander nichts mehr von Max Joseph gehört, er
wusste nicht, ob Herzog Wilhelm nach St. Petersburg reisen würde, und mahnte
zur Eile. 61 ) Der Kurfürst erwiderte, 62 ) Wilhelm habe schon den Fuss im
Steigbügel gehabt, um nach St. Petersburg zu gehen, da sei Pauls Brief vom
25. Mai (s. oben) eingetroffen, wonach Bühler und Flachslanden alle
fraglichen Punkte verhandeln sollten, er habe darum Wilhelms Abreise ver¬
schoben, bis ihm Alexander weitere Auskunft erteile. Alexander ver¬
sicherte hierauf, 03 ) Flachslandens Mission berühre das Hauptgeschäft
Wilhelms, die Heiratsfrage, absolut nicht, er solle darum sofort reisen;
Wilhelm könne nicht rasch genug in St. Petersburg sein, schrieb Alexander
gleich darauf, 64 ) Max Joseph solle sofort einen Kourier vorausschicken,
welche Dringlichkeit ihm Paul hoch anschlagen werde. Montgelas meinte, 6i> )
Bühler würde gar gern mit Wilhelm direkt in München unterhandeln,
doch sei zu befürchten, dass die dortige Gegenwart eines russischen Agenten
vor Abschluss der beabsichtigten Allianz und vor Enthüllung des Geheimnisses
zu grosses Aufsehen im Auslande errege und die französische Regierung
daraus Anlass nehme, um Gewaltakte gegen die bayerischen und pfälzischen
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Der Vertrag von Gatschina.
22 I
Staaten zu begehen. Hiermit erklärte sich Wilhelm, des Ministers Umsicht
bewundernd, völlig einverstanden. 66 )
Von Regensburg kamen neue Meldungen in das kurfürstliche Kabinett. 67 )
Böhler hatte in der Nacht zum 24. Juni aus St. Petersburg Depeschen erhalten
und Rechberg alsbald damit bekannt gemacht. Paul verlangte, die bayerische
Zunge des Malteser-Ordens solle, w T ie es die böhmische gethan, eine Deputation
zur Huldigung an ihn nach St. Petersburg schicken; dort hegte man noch immer
Misstrauen wegen des politischen Systems des Kurfürsten, und Österreich
nährte es. Bühler forderte nun, dass Max Joseph in Regensburg oder
in München der Koalition gegen Frankreich beitrete, und wollte von Max
Joseph zu einer Übereinkunft darüber eingeladen werden. Dagegen stellte ihm
Rechberg die geographische und finanzielle Notlage Pfalzbayerns vor, das
dann noch mehr leiden würde als jetzt; Bühler jedoch mahnte ihn dringend,
seine Proposition nicht zu verwerfen, sondern auf Russland, das ihm Subsidieu
verschaffen könne, zu hoffen, Russland werde, falls Max Joseph mit ihm
übereinkomme, zumal wenn Paul und er Verwandte würden, ihn schützen
und stützen. Max Joseph lud nun Bühler nach München ein. Nachdem
Paul die Nymphenburger Konvention vom 29. Mai (s. oben) erhalten hatte,
sandte er Bühler einen Kourier und teilte ihm die ganze Mission des Herzogs
Alexander mit; 68 ) alsbald schrieb Bühler dem russischen Gesandten in
Wien, dem von Thugut abhängigen Grafen Andrei Kirillowitsch Rasu-
mowski, Max Joseph habe den anderen Reichsfürsten ein Beispiel gegeben,
indem er sich der guten Sache anschliesse, und unterwies den in russische
Dienste übergetretenen Prinzen von Conde, Max Joseph sei nicht mehr als
Feind zu behandeln, werde vielmehr ein Korps zur grossen russischen Armee
stellen; Bühler forderte Rasumowski auf, er möge bei Sir Morton Eden,
dem britischen Gesandten in Wien, eine Subsidie von 200000 Pf. St. für
Max Joseph fordern. Am 4. Juli erhielt der bayerische Gesandte in Paris,
Anton von Cetto, Befehl, sofort von da wegzugehen, und der Kurfürst
hoffte auf schleunigste Lieferung von Subsidieu aus England. 69 )
Am 3. Juli erschien Baron Flachslanden in Regensburg; Paul hatte
ihn beauftragt, die Ordensfrage rasch zu erledigen, und er wollte Bühler
nach München folgen. Rechberg entwarf 70 ) letzterem ein Bild der Lage
Pfalzbayerns seit 1795 und frug ihn, „ob wohl ein Reichsstand existiere,
dessen Lage so verzweifelt gewesen sei, und der doch trotz seines Unglücks
beharrlicher allen Vorschlägen, die ihm Frankreich gemacht, sich versagt
habe“. Bühler „musste einräumen, dass selbst der Kurfürst von Sachsen
diese Berechtigung nicht aufzuweisen habe, und dass es unbestreitbar sei, dass
böswillige Höfe durch perfide Insinuationen geschadet hätten, um die Pläne zu
rechtfertigen, die man auf Unkosten der Besitzungen Seiner Kurfürstlichen
Durchlaucht hegen könnte“. Bühler versprach, falls ihm Rechberg ein
detailliertes Memoire hierüber gebe, werde er es direkt an den kaiserlichen
Hof gelangen lassen; er hatte Ordre, sich in allen Dingen mit Rasumowski
zu verständigen und mit ihm in steter Korrespondenz zu bleiben. Bühler
schien 71 ) allen Punkten, wie sie Montgelas proponierte, zuzustimmen, nur
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Arthur Kleinschmidt
machte augenscheinlich der Wiener Hof wegen Ingolstadt Schwierigkeiten,
wenn nicht die bayerischen Truppen, indem sie „eine Aktion von Eklat“
machten, zuvor den Beweis ablegten, dass sie etwas leisten könnten; Bühler
fürchtete, man würde in Wien darauf bestehen, dass Ingolstadt einen kaisei-
lichen Kommandanten oder eine gemischte Garnison erhalte; dasselbe be¬
fürchtete Rechberg, zumal Ingolstadt der einzige Waffenplatz des Erzherzogs
Karl war. Wie er dem Herzoge Wilhelm bei seiner russischen Reise nützlich
sein könne, sah er nicht ein, „doch, wenn ein Prinz des Hauses sich hergibt“,
schrieb er an Montgelas, „so kommen meine persönlichen Opfer nicht in
Betracht“. Zwar gehörte die Malteserfrage nicht in Rechbergs Ressort, doch
hörte er Flachslandens Erörterungen an, 72 ) der gern das Maltesergross¬
priorat mit neuen Schenkungen begabt gesehen hätte, damit ein Prinz des
Hauses (anstatt des Fürsten Bretzenheim) dort seiner Würde entsprechende
Revenuen fände, und erwiderte ihm, der Plan der bayerischen Regierung sei,
das Etablissement möglichst nützlich zu gestalten, 28 Komtureien seien für
ein so kleines Land zuviel, man könne vier bis sechs zu gunsten des Gross¬
priorats einziehen, sodass letzteres 60000 Gulden betrage. Ein Bruch der
beiden Kaiserhöfe bleibe nicht aus, meinte Rechberg, denn in Wien verweigere
man die Anerkennung Pauls als Grossmeister.
Noch immer zögerte Herzog Wilhelm mit der Abreise; als nun
Bühler am 5. Juli wieder in München eingetroffen war, um die Wiederher¬
stellung des Ordens zu fordern, besprach er sich mit Wilhelm über die Politik;
in St. Petersburg vermerkte man sehr unliebsam die Zögerung Wilhelms,
den man schon am 20. Juli dort erwartete, und Herzog Al ex au de r empfahl
die sofortige Absendung eines Offiziers als Kourier, um Paul die Gründe dar-
zuthun, zumal Paul über die Entrevue des Kurfürsten mit dem Könige von
Preussen in Ansbach sehr geärgert war. 73 ) Erst am 28. Juli konnte M ax J ose P h
Alexander melden, Wilhelm sei mit allen erforderlichen Instruktionen
abgereist. 74 ) Der Sequester über den Malteser-Orden war aufgehoben worden,
und am 28. Juli schloss Montgelas mit Flachslanden die Präliminar¬
konvention zur Wiederherstellung desselben in Pfalzbayem. 76 )
Max Joseph hatte am 17. Juni verfügt, die Hauptkasse müsse aus
den „von Uns besonders hinterlegten Geldern und Papieren zu einem dringen¬
den und wichtigen Staatsbehufe“ 50000 Gulden abgeben; als er aber erfuhr,
dass dieselbe kürzlich zu anderen Staatsbedürfnisseu verwendet worden seien,
so befahl er am 18. Juli 1799 76 ) der Hauptkasse, 75000 Gulden Bankobligationen
in die Nürnberger Sequestrationskasse zu legen und dafür 52200 Gulden
herauszunehmen; von letzteren sollte Herzog Wilhelm 10000 erhalten,
40000 sollten den Gebrüdern Banquiers Nocker in München zu weiterer Dis¬
position und 2200 dem Kämmerer und St. Georg-Ritter Aloys Reichsfreiherrn
von Rechberg gegeben werden. Ein Erlass des Kurfürsten an seinen Oberst¬
hofmeister Grafen Tattenbach 77 ) überwies dem Herzoge zur Repräsentation
kostbare Juwelen aus dem Hausschatze, die derselbe in natura wieder aus
Russland heimbrachte und dem Hausschatze zurückgab (Dezember 1799).
Nur widerwillig ging Baron Rechberg mit dem Herzoge Wilhelm
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Der Vertrag von Gatschina. 223
auf die russische Brautfahrt; 78 ) aus Regensburg krank in München einge¬
troffen und die Reise zur See, die Wilhelm vorzog, fürchtend, schrieb Rech¬
berg seiner vergötterten Frau Marianne, man bedenke sich noch bei Hofe, ob
er Wilhelm begleiten solle; von Geld hörte er gar nichts, und doch musste
er darauf sehen; er stellte dem Kurfürsten die Bedingung, dass er mit Wil¬
helm zurückkehren dürfe, anders erlaubten es weder seine Mittel noch seine
Gesundheit; man zahlte in Papier, und Reichlin-Meldegg, der 7 /4 Jahre
Rückstände zu fordern hatte, war noch unbezahlt; war Rechberg unterwegs,
so riskierte er, ohne Geld zu bleiben. „Ich weiss nur,“ so schrieb er der Gattin,
„dass in der Generalkasse kein Sou ist, und dies wird wahrscheinlich einer der
Gründe sein, an dem der Plan, mich in jenes Land zu schicken, scheitern
kann. Der Herzog ist so wenig darauf vorbereitet, mich an seine Seite zu
bekommen, da er seine zwei Wagen voll hat, und da er erwartet, ich werde
allein und für mich gehen; kurz es herrscht eine Confusion, eine Unent¬
schlossenheit, von der inan’ sich keine Vorstellung macht. . Der Staat wird
sich nie mehr aus seiner Noth erheben, er geht mit grossen Schritten dem
Abgrunde zu.“ Am 16. Juli fuhr er fort: 79 ) „Ich begleite den Herzog, um
mit ihm zurückzukehren; mein Nachfolger wird sich vier Wochen nach mir
auf den Weg machen, um uns im Momente unserer Abreise oder unterwegs
zu treffen. Wir werden uns in Lübeck einschiffen, um die schlechten Wege
zu vermeiden, und um rascher zurück zu sein. Die Rückkehr ist auf Ende
September bestimmt. Ich werde bei der Heimkehr meine Beglaubigungsbriefe
für Stuttgart mit 12000 Gulden Gehalt und die Erlaubniss finden, im ersten
Jahre mehrere Monate abwesend zu sein, um an Gehalt zu gewinnen ....
Wenn wir übrigens mit unseren Projekten Glück haben, so kann diese Reise
mir sehr zu statten kommen, und wird mir dieselbe so reichlich bezahlt, dass
ich hoffe, dadurch unsere Einkünfte um 1000 Gulden zu erhöhen.")
Am 16. Juli erteilte der Kurfürst seinem Schwager, dem Herzoge Wil¬
helm, ein Prokuratorium, 80 ) um die ohnehin bestehenden Verwandtschafts¬
und Freundschaftsbande „zwischen dem Höchsten Russisch Kaiserlichen und
Unserem Pfalzbayeraschen Churhause“ enger zu knüpfen „und zum Flor
Unseres Wittelspachischen Churhauses, dann zur allgemeinen Wohlfahrt
Unserer gesammten Erbstaaten zu befestigen;“ auch gab er Wi 1 he 1 m Spezial¬
vollmacht für die feierliche Anhaltung um die Grossfürstin Katharina
Pawlowna, für die Heiratsabrede und die Prokurationsheirat sowie für einen
Freundschaftsvertrag. 8I ) An den Kaiser Paul aber schrieb er 82 ) am 17. Juli:
„Sire!
„Die edelmüthigen Versicherungen von Hilfe und Schutz am
„Schlüsse des Briefs, mit dem Eure Kaiserliche Majestät mich am 29.
a) Am 25. Juli sollte die Abreise sein, Rechberg konnte die Sehnsucht nicht
unterdrücken, seine heissgeliebte Frau nochmals in Regensburg zu sehen, und war dann
heimlich von ihr fortgereist, während er so gern 5—6 Tage geblieben wäre; die Trennung
erschien ihm das grausamste Schicksal, für das ihm nichts Ersatz zu bieten vermochte.
(Rechb. Archiv).
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Arthur Kleinschtnidt
„Mai beehrten, haben meine Wünsche überboten, meine Hoffnung neu
„belebt; sie gestatten mir den Gedanken, Sie, Sire, würden geruhen,
„die Bitte nicht abzuweisen, welche mein Schwager, Herzog Wilhelm
„in Bayern, die Ehre haben wird, an Eure Kaiserliche Majestät um
„die Hand Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Grossfürstin Katharina für
„den Kurprinzen, meinen ältesten Sohn, zu richten. Der Hinblick
„auf den Erzherzog Joseph") und auf den Erbprinzen von Mecklenburg 1 ),
„die neuerdings derselben Gunst gewürdigt worden sind, mussten in
„dieser Hinsicht als Ermunterung für mein Haus, welches den ihren
„nicht nachsteht, dienen. Nichts würde zu meinem Glücke fehlen,
„wenn Eure Kaiserliche Majestät Sich dem lebhaften und aufrichtigen
„Wunsch, den ich Ihnen darzuthun wage, zuueigten und zu gleicher
„Zeit einzuwilligen geruhten, dass dies Baud, welches mir an sich so
„lieb und kostbar ist, zur Basis einer dauerhaften und unlösbaren
„Union zwischen beiden Staaten werde. Mein Schwager, der Herzog in
„Bayern, der meine Gefühle von Grund kennt, wird mein getreuestes
„Organ allemal sein, wenn er des Glücks teilhaftig wird, Eurer Kaiser¬
lichen Majestät die Versicherungen der tiefen Verehrung und der
„respektvollen Ergebenheit zu wiederholen, mit denen ich bin
etc. etc. etc.“
In einem anderen Konzepte an „Seine Kaiserliche und Eminenteste
Majestät“ r ) vom 16. Juli sagte Max Joseph 83 ): „Ich zweifele nicht, Sire,
dass der Geheime Rath Baron von Bühl er Ihnen durch seine Berichte be¬
stätigt habe, wie ich beeifert bin, die alten engen Bande zwischen dem er¬
habenen russischen Hause und dem meinen wieder zu knüpfen; ich habe
nicht vergessen, dass wir seiner übergewichtigen Intervention unsere politische
Existenz verdanken. Nichts liegt mir also mehr am Herzen, als den Wünschen
Eurer Kaiserlichen Majestät zuvorzukomtnen, und wenn in diesem Momente,
wo unglückliche Umstände die Ressourcen meiner Staaten erschöpft haben,
ich nicht so wirksam wie ich wünschte handeln kann, so werde ich wenig¬
stens Gelegenheit suchen, um Ihnen unzweifelhafte Beweise dieses Gefühls
zu geben. Nichts dünkt mir geeigneter zum Bekunden der Aufrichtigkeit
meiner Verehrung für den edelsinnigen Beschützer der Throne als meine
Bitte, er möge mir die hohe Gunst bewilligen, die politische Allianz zwischen
unseren beiden Staaten durch Blutsbande zu kitten. Die neuerlichen Beispiele
-von an deutsche Prinzen verheiratheten Grossfürstiunen lassen mich auf einen
glücklichen Erfolg hoffen“. Zugleich bat der Kurfürst, unter Hinweis auf
diese Heiraten, die Kaiserin Maria um die Hand ihrer Tochter und versicherte
dem Grossfürsten - Thronfolger Alexander Pawlowitsch, sein höchstes
Glück werde diese Heirat sein, die ihn dem russischen Kaiserhause uähere
a) Grossfürstiu Alexandra Pa w low na heiratete atu 30. Okt 1799 den Erz¬
herzog Joseph, Palatin von Ungarn.
b) Grossfürstin Helene Pawlowna heiratete am 23. Okt. 1799 den Erbprinzen
Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin.
c) Titel als Maltesergrossmeister „Eminentissime“.
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Der Vertrag von Gatschina.
225
und die hoffentlich auch den Beifall Alexanders habe, dem Wilhelm seine
Gefühle initteilen werde. 84 )
Paul war längst versöhnlicher gestimmt, und jetzt schrieb er in Beant¬
wortung von Max Josephs Brief vom 22. Mai 86 ):
„Mein Herr Vetter!
„Ich habe den Brief Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht erhalten.
„Indem mich sein Inhalt von Ihren Entschliessungen unterrichtete,
„liess er mich mit Vergnügen erkennen, dass jeder Stoff zum Streit
„zwischen uns erledigt ist und dass fortan das innigste Vertrauen
„unserem gegenseitigen Verhalten zur Basis dienen wird. Ich habe
„sofort dem bei mir residireuden englischen Minister vom Wunsche
„Eurer Durchlaucht Kenntniss gegeben, eine Anleihe am Londoner
„Hofe zu effektuiren; es wäre nöthig, dass Jemand ernannt und mit
„Vollmachten hierzu versehen würde. Ich erwarte den Herzog in Bayern,
„um ihm mündlich die Versicherung der aufrichtigen Freundschaft und
„der ausgezeichneten Hochachtung zu wiederholen, mit der ich bin,
mein Herr Vetter,
Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht
wohlaffektionirter Vetter
Paul“.
Die Krankheit von Wilhelms einzigem Sohue verzögerte noch immer
seine Abreise, worüber sich Max Joseph bei Paul entschuldigte. 86 ) Wil¬
helm empfahl, 87 ) bevor er sich endlich auf den Weg machte, dem Kurfürsten
für alle Fälle seine Kinder und meinte, ein Teil der Krondiainanten könnte
wohl, falls er die Allianz erreiche, zu Geschenken an das russische Ministerium
dienen. In Neuburg stiess Rechberg zu ihm, um ihn als diplomatischer
Lenker zu begleiten, auch er entschuldigte sich bei Montgelas 88 ) beständig
mit Krankheit. Am 22. Juli erhielt Herzog Wilhelm die sehr umfang¬
reichen Instruktionen für seine Mission, 89 ) am 27. sandte ihm sein Schwager
die Prokuration und das Porträt des Kurprinzen. 90 ) Die Instruktionen, auf
die ich näher eingehen muss, geben ein Bild der bayerischen Politik, zumal
in Hinsicht auf das zu gewinnende St. Petersburger Kabinett „Da die Bosheit
die rein provisorische und in den gegenwärtigen Zuständen ganz natürliche
Sequestrirung der Maltesergüter in Bayern in eine willkürliche und überstürzte
Unterdrückung, ja selbst zu einem gefassten Plane, Seine Majestät den Kaiser
aller Reussen zu beleidigen, entstellt hat“, dem man doch so unendlich viel Dank
schuldig sei, so erschien es nötig, die Sache aufzuklären und auf den Boden
der Wahrheit zurückzuführen. Von Bühler und von Flachs landen
führen die Unterhandlung, manches jedoch wird am besten durch Wilhelm
erläutert werden, „der die weite und ermüdende Reise macht, die in ihrer
Folge ebenso vortheilhaft für den Staat wie nützlich für das Haus werden
kann“. Man kann ihm keinerlei Aufschlüsse über das Zeremoniell des Kaiser¬
hofes geben; hoffentlich beeinträchtigt es in nichts „die Würde Unseres sou¬
veränen Hauses“, wegen der Persönlichkeiten etc. kann man nur auf die Aus¬
künfte Reichlin-Meldeggs und Sulzers, zumal auf ein freilich ver-
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Arthur Kleinschmidt
altetes Memoire Sulzers hin weisen. Zur Sicherung seiner Korrespondenz
erhält Wilhelm eine Chiffre; nach den eiugezogenen Erkundigungen über¬
wacht die russische Post alles so strenge, dass nur sehr selten durch die
Post gehende Briefe nicht zur Kenntnis der Regierung gelangen, der Zar
liebt nicht, dass die an seinem Hofe Weilenden, zumal nicht fremde Fürsten
oft oder gar chiffriert schreiben, und wenn man diesen Punkt missachtet, so
erkältet dies seine freundlichen Gesinnungen. Es thut darum eminente Vor¬
sicht not. Natürlich möchte man recht viel aus St. Petersburg hören und
muss es doch vermeiden, dort anzustossen. Der Wiener Hof versäumt keinen
Anlass, um dem von München in St. Petersburg zu schaden und „alle Unsere
Schritte gehässig auszulegen, besonders ein ungünstiges Licht auf die Rück¬
sichten zu werfen, zu denen Uns bisher die geographische Lage Unserer Staaten
gegenüber Frankreich gezwungen hat“. Wilhelm wird auch hierin dem
Zaren die Wahrheit enthüllen, und er wird das Treiben der oesterreichischen
Partei an der Newa überwachen. Eine noch weit gefährlichere Partei aber
besteht inmitten von Bayern, „sie beutet die Gastfreundschaft aus, die ihr zu
gewähren, lediglich Humanität die Regierung veranlasste“, schadet der Re¬
gierung und gefährdet die Sicherheit des Staates, indem sie den Groll der
fremden Mächte dagegen weckt. „Diese Partei ist die der französischen Emi¬
granten aus allen Klassen. Wir haben sichere Hinweise, dass sie zum Nach¬
theile Unseres Vorgängers die gehässigste Korrespondenz unterhalten haben
und dass sie Uns seit Unserem Regierungsantritt nicht besser behandelten.
Die dieser ebenso petulanten wie inkonsequenten Menschenklasse natürliche
Indiskretion hat hier schon mehr als einmal ihre Geheimnisse verrathen, die
russischen Minister haben diesen Umstand dem Freiherrn von R ei c hl in
nicht verhehlt und er hat davon nach München berichtet“. Diese Partei muss
von Wilhelm sorgfältig überwacht werden; er muss möglichst versuchen,
die Natur ihrer Beziehungen und die Namen der letztere unterhaltenden In¬
dividuen zu entdecken. „Wir haben ziemlich sichere Anzeigen, dass die
Armee Cond es und der Hof zu Mitau die filieres sind, durch die sie laufen“;
man gewinnt alle nötigen Aufschlüsse, wenn man sich des Verbiudungspunkts
dieser Stationen mit St. Petersburg versichert. Unter den fremden Ministern muss
man sich vor allen des englischen, Ritters von Witli worth*), Gunst ver¬
schaffen, er ist der wichtigste und hat bei Paul den grössten Kredit; „man
versichert, er nahe sich, so oft er wolle, familiär dem Kaiser und seine Vor¬
stellungen hätten bei ihm das ausgesprochenste Gewicht. England hat sich
Unseren Interessen nie entgegengestellt, es kann durch seine Subsidien der
Noth Unserer Finanzen aufhelfen und die Wiederaufstellung Unserer Armee,
die für den Staat so wesentlich ist, erleichtern“; unter all diesen Gesichts¬
punkten erscheint der englische Gesandte als einer von denen, deren Bekannt¬
schaft am meisten zu suchen und dessen Gunst zu gewinnen am Tätlichsten
ist; die Verbindung mit ihm bietet auch noch den Vorteil, die bayerische
Korrespondenz auf dem beständig regen Wege der Kouriere mit London zu
a) Whitworth.
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Der Vertrag von Gatschina. 227
beschleunigen, Wilhelm kann seine Depeschen stets zu der nächst benach¬
barten bayerischen Mission befördern. Auch den preussischeu Gesandten,
den Obersten von der Groeben, darf man nicht vernachlässigen, „des Königs
Güte und Freundschaft für Bayern machen daraus für Uns ein Gesetz des
Wohlanstands“: da er aber in St. Petersburg nur wenig Geltung hat, könnte die
Verbindung mit ihm Bayern schaden; nun sagt man, er werde abberufen und
durch den Obersten von Tauentzien ersetzt, „der Beziehungen zum Kaiser
selbst und intime Liaisons mit seinen Ministern unterhalten habe“; übrigens
sind nach den offiziellen Versicherungen, die bei der Ansbacher Entrevue
Friedrich Wilhelm und Haugwitz dem Kurfürsten gaben, die Höfe
von Berlin und St. Petersburg „heute über Ziel, Ansichten und Grundsätze voll¬
kommen in Übereinstimmung“; Wilhelm soll den Agenten Preussens mit
Freimut begegnen, den Zweck seiner Reise offen dartliun und ihr Interesse
am Kurfürsten nähren. Dem kaiserlichen Gesandten Grafen Ludwig Cobenzl,
resp. seinem Nachfolger, muss man mit der ganzen Reserve, die Oesterreichs
Verhalten gegen Bayern erheischt, aber auch voll Rücksicht begegnen, um so
die Gehässigkeit des Wiener Hofs zu entkräften. Die Hauptsache ist, den
Zaren zu erobern, und es ist ausserordentlich schwer, „die verschiedenen
Nuancen dieses Charakters völlig zu erfassen und das eigene Benehmen den
beständigen Schwankungen des Thermometers an diesem Hofe anzubequemen“.
Die Objekte der Verhandlungen in St. Petersburg sind 1) das Eheprojekt, 2) der
endgiltige Vergleich in der Maltesersache und 3) Russlands Interesse an
Bayerns Lage seit dem Teschener Frieden. Da die Heirat Ludwigs für
Bayern jetzt sehr erwünscht und Bayern nicht in der Lage ist, hohe Be¬
dingungen zu stellen, so begnügt man sich mit einigen allgemeinen Reflexionen.
Mit der Religion macht man natürlich gar keine Schwierigkeiten, und man
wird sich nach den Bestimmungen des Ehekontrakts der Grossfürstin Ale¬
xandra Pawlowna mit dem Erzherzoge Joseph richten; für die Mitgift,
Morgengabe u. s. w. soll als Vorbild der Heiratskontrakt 91 ) des Kaisers
Karl VII. mit der Erzherzogin Maria Amalie dienen; dass die Gross¬
fürstin den Vorrang vor Karl Theodors Witwe, der Kurfürstin Maria
Leopoldine, haben müsse, wie Alexander von Württemberg betonte,
kann nur nach Verhandlung mit dem Wiener Hofe erörtert werden, weil man
mit diesem einen feierlichen Kontrakt geschlossen hatte, an dem man ohne
Einwilligung aus Wien nichts ändern kann; Max Joseph selbst würde
Russland gewiss gern zu Willen sein. In Betreff der zweiten Angelegen¬
heit kennt Wilhelm die Motive wegen des Sequesters der Maltesergüter
in Bayern und der Aufhebung der bayerischen Zunge, von denen Herzog
Karl II. und Max Joseph geleitet wurden; er weiss, warum weder sie
noch irgend einer ihrer Linie zur ansehnlichen Dotierung der Malteserzunge
durch Karl Theodor 1781 und 82 die Hand boten. Beständig ist ja gegen
diese Dotierung protestiert w T orden, lange bevor Paul den Orden in seinen
Schutz nahm und Grossmeister wurde; da gar keine Beziehung zwischen
diesen Ereignissen besteht, kann man daraus keine Beleidigung Pauls vin-
dizieren. Indem Max Joseph die Stiftung suspendierte, übte er nur sein
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Arthur Kleinschmidt
Souveränitätsrecht aus. Da nun Paul darauf besteht, als Grossmeister an¬
erkannt zu werden, willigt Max Joseph gern ein. Aus Korrespondenzen
seines Finanzministers Baron Hompesch mit dem Bailli Baron Flachs¬
landen scheine es, als wolle der Grossmeister Baron Hompesch abdanken,
es wäre nun schön, wenn „sich vielleicht Bayern den Ruhm verschaffen könnte,
ihn durch seine Vermittlung zum Entschlüsse zu bringen“, Wilhelm möge
dies berücksichtigen. Alexander von Württemberg hat in einer Note be¬
tont, Paul fordere die absolute Wiederherstellung des Malteserordens in
Bayern, so wie er unter Karl Theodor gewesen sei; doch ist die Lage
jetzt so schlimm, und der Krieg hat solche Opfer gekostet, dass man hofft,
Paul werde dem Kurfürsten die Ordensgüter belassen, um die Kriegskosten
bestreiten zu können. Paul legt ausserordentliches Gewicht „auf seine Stellung
als Grossmeister und auf die Erhaltung seines Instituts, an das er seinen
Ruhm geknüpft hat und dem er auch in seiner Idee eine politische Kraft
für die Conservirung der ganz eigenthümlichen Prinzipien zuschreibt“; er
sandte deshalb Flachslanden, um das bayerische Grosspriorat wieder her¬
gestellt zu sehen. Während das Wiener Kabinett voll Eifersucht auf die
Unterhandlungen Bayerns mit Russland blickt, herrscht in letzterem Staate
eine solche Tracasserie unter den Agenten und ihre Instruktionen sind so
lückenhaft, dass des Herzogs Reise not that, „um die Grundsätze zu fixiren
und die Unklarheiten aufzuhellen“; doch gilt es ungemeine Vorsicht. Flachs¬
landen wird den Abschluss möglichst beschleunigen um heimzukehren, denn
er weiss, dass seine zahlreichen Feinde in St. Petersburg gegen ihn wühlen, dass
Baron Bühler von Potemkins Partei ist. Bühler ist ein Sklave des
Grafen Rasumowski und somit des Wiener Hofs, er ist zwar sehr sanft
und versöhnlich, wird aber durch seine Grundsätze in der unter Pauls Re¬
gierung allen diplomatischen Agenten eigenen Ängstlichkeit bestärkt und
handelt nur nach Rasumowski s Diktat \ er und Rasumowski würden
am liebsten ihr Möglichstes thun, um Verwirrung zu erregen und die Basis
der Harmonie zwischen Russland und Bayern zu vernichten.“) Das neu zu
errichtende Grosspriorat sollte ein jüngerer Prinz des Kurhauses als Apanage
erhalten u. s. w. Was die dritte Frage wegen Russlands Haltung seit 1779
betraf, so hatte Katharina II. im Teschener Frieden die Garantie mitüber¬
nommen, und Russland hegt das grösste Interesse „an der Erhaltung des
corpus germanicum. Sein eigenes Interesse scheint gebieterisch die Erhaltung
dieses selben Systems zu erheischen, weil die beiden grossen Militärmächte,
die dem Reiche zunächst liegen und die es am ehesten an greifen können,
genau diejenigen sein würden, deren Macht durch seine Zerstörung wachsen
müsste. Diese Wahrheit begriffen die fähigsten Politiker» die Russland seit
dem Marschalle von Münnich bis zum Grafen Pan in hatte, sie war lange die
Grundmaxime des Cabinets der seligen Kaiserin. Schien es, als würde man
ihr 1785, 1792 und 1793 untreu, so darf man dies nur dem momentanen
Aufsprühen des orientalischen Systems und den vorübergehenden Intriguen der
a) Wie stimmt dies zu Bühlers Bayern so freundlicher Haltung?
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Der Vertrag von Gatschina.
229
augenblicklichen Günstlinge zuschreiben. Man versichert, dass der vom Grafen
Pan in erzogene Kaiser dessen Grundsätze alle beibehalten habe; mehrere aus
seinem Cabiuete hervorgegangene Erklärungen geben zu dieser Annahme
vollen Grund. Die stetigen geheimen Beziehungen, die er als Grossfürst mit
Preussen unterhalten hat und die den mit dem Geschäftsbetriebe Vertrauten
bekannt sind, unterstützen noch diese Neigung. Preussen hat trotz des augen¬
blicklichen Seitensprungs bezüglich Bayerns, zu dem es 1793 bei Polens
Teilung infolge der persönlichen Gefühle des Grafen von der Schulenburg
hingeleitet ward, dasselbe Interesse hierin wie Wir, weil bei dem wirklichen
Fortschritte seiner Macht mit der des Wiener Hofs, seines Rivalen, und bei
den beständigen Erwerbungen zu dem Körper der Monarchie, welche diese
in Italien durch den Vertrag von Campo Formio machte und welche sie sich
noch in diesem Lande zufolge des gegenwärtigen Kriegs versprechen darf,
wenn derselbe fortan glücklich verläuft — Preussen immer in der Lage bleiben
würde, bei einer Änderung der gegenwärtigen Lage der Dinge zu verlieren
und in eine untergeordnete Rolle herabzusinken. Auch England will keine
grossen Veränderungen in Deutschland, wenn es nicht dazu durch die Um¬
stände und durch das absolute Gesetz eines dringenden persönlichen Interesses
durchaus gezwungen wird. Das hat es ja bei der Unterhandlung des Mr.
Jackson in Wien 1795 bewiesen, und wenn es bei Malmesburys im Herbste
1796 in Paris eröffneten Conferenzen anderen Maximen folgte . . . so war
dies nur ein Opfer an die öffentliche Meinung. Von allen Höfen hat der
Londoner in Petersburg den meisten Credit.“ Vielleicht will Russland sich
in Deutschland eine neue feste Stellung schaffen, diese Lieblingsidee Peters
des Grossen könnte ja durch seine Nachfolger wieder aufgenommen werden,
die Verehrung für ihn ist grenzenlos; der Einfluss des russischen Despo¬
tismus, der eben in Polen ein Exempel statuiert hat, auf Deutschland könnte
sehr belangreich werden. Bayerns Lage ist so bedrängt, dass man auf Frank¬
reich, wo man dem Frieden ferner als je steht, keine Rücksicht nehmen kann;
man muss bei Russland Halt suchen, Paul soll die Garantie von Teschen
für Bayerns Integrität erneuern und soll Bayern versprechen, ihm bei dem
allgemeinen Frieden Entschädigung für alle Opfer zu verschaffen, er soll auch
durch seine mächtige Vermittelung Bayern die englischen Subsidien zuwenden,
die es zur Vermehrung und Mobilmachung seiner Truppen braucht, man hat
sich darum auch an Preussen gewendet, mit dessen Truppen man am liebsten
die bayerischen vereinigen würde. „Diese Subsidienfrage ist für Uns von um
so grösserer Wichtigkeit, als sie Uns das einzige Mittel liefert, geziemend in
dem Range zu erscheinen, den Wir unter den deutschen Staaten einnehmen,
und als sie Uns zugleich die Hoffnung lässt, Unser Land von den klein¬
lichen Plackereien (vexations), die es erleidet, zu befreien.“ Man denkt viel¬
fach an eine Anleihe, doch da sie nicht unter 15# zu erreichen ist, würde sie
das Land zu sehr belasten. Die Heirat führt hoffentlich zu einem förmlichen
Allianzvertrage; eigenhändig fügt Max Joseph bei, die Ehe solle erst voll¬
zogen werden, wenn Ludwig das achtzehnte Jahr vollendet habe. Dies etwa
waren die Instruktionen für den Herzog Wilhelm.
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230
Arthur Kleinschmidt
Die Reise ging sehr langsam voran, was Reckberg bei dem Heimweh
nach seiner Häuslichkeit doppelt hart empfand. „Ich werde“, so schreibt er aus
Fulda, 92 ) „mit einer Höflichkeit und Komplimenten behandelt, die mtcb, besonders
wenn ich Kopfweh habe, toll machen. . . Die Wagen brechen jeden Augenblick“.
Und aus Cassel, wohin sie über Hirschfeld nach nun achttägiger beschwerlicher
Reise 93 ) gelangt waren: „Ich sah interessante Gegenden, dies bergige wilde
Hessen, bewohnt von den tapfersten Deutschen, in Cassel ein Museum voll
schöner Dinge — kurz, schöne Schlösser, schöne Bauten, Statuen, Truppen,
Plätze“, doch zieht es ihn zur Gattin nach Schwabens sanften Thälern, und
erbittert fügt er hinzu: „Dank der Intelligenz oder etourderie unserer Mün¬
chener Herren kann ich nicht in Petersburg bleiben, ich habe nicht einmal
Vollmacht zum Unterzeichnen, auf alle Fälle also werde ich mit dem Prinzen
zurückkehren und wahrscheinlich nicht einmal die Creditive") abgeben. Dies
ist gewiss“. Über Braunschweig, wo die Herzogin ihn gnädig empfing und
Alopäus ihn freundschaftlich aufnahm, reiste Rechberg mit dem Herzoge
Wilhelm nach Hamburg, von wo er heimschrieb: 94 ) „Ich bin froh, diese
Stadt morgen zu verlassen, in der man sich in eine neue Welt versetzt findet
— eine beständige Bewegung, eine Bevölkerung von 120000 Seelen bei einer
sehr eingeengten Stadt, ein unglaublicher Luxus, eine ringsum durch eine
Menge Gebäude und Gärten bezeugte Opulenz — das ist das Tableau vor
mir, welches mit dem Zustande meiner Seele derart koutrastirt“. Auf das
neue Regiment in Bayern setzte der Baron geringe Hoffnungen, „die Elemente,
aus denen es zusammengesetzt ist, sind zu heterogen, als dass es marschiren
könnte“. 96 ) In Hamburg waren grosse Ausgaben für Garderobe nötig, in
Lübeck fand er endlich Briefe von Marianne, die ihn in Entzücken ver¬
setzten. Doppelt unangenehm gestaltete sich ihm die Reise, weil der Herzog
ihm unter lauter Komplimenten mit Misstrauen begegnete. „Jeder Tag bringt
mir neue Gewissheit“, schreibt er im Begriffe der Abreise nach Warnemünde, 96 )
„dass er meine Ernennung nicht gewünscht hat. Trotz fast dreiwöchentlicher
Reise habe ich ihm noch keine Ansicht über irgend welchen Gegenstand ent¬
locken können; er nimmt für sich die ausschliessliche Leitung von allem in
Anspruch und zwei Rathschläge, die ich glaubte geben zu sollen, beantwortete
man damit, dass man das direkte Gegentheil that. Meine anderen Gefährten
sind dieser hoffärtigen Behandlung müde“, wenn dieselbe auch durch Höf¬
lichkeit verblümt werde. Obwohl ihm der Herzog versprochen hatte, nichts
zu schreiben, ohne es ihm zu zeigen, diktierte derselbe seinem Begleiter M i e g
einige Seiten in Chiffre und erzählte es Rechberg am folgenden Tage.
„Seitdem“, so versichert der Baron, 97 ) „habe ich mich entschlossen, mich in
nichts zu mischen und seiner hohen Weisheit alles zu überlassen. . . Die Herren
von München haben mir glücklicher Weise zu dieser Absicht gedient; nach¬
dem sie mich mit einem Beglaubigungsbriefe versahen, fand ich erst unter¬
wegs, dass er der nöthigeu Formalität ermangelte und dass die Vollmachten
fehlten, um den Kontrakt oder irgend etwas zu unterzeichnen. Mittlerweile
a) Am 16. Juli 1799 war er zum Gesandten in St. Petersburg ernannt worden.
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Der Vertrag von Gatschina.
231
sind wir seit drei Wochen unterwegs, verzehren ein Riesengeld und reisen
unter dem Vorwände der Ersparung und Schnelligkeit durch ganz Deutsch¬
land“. Ein frecher Diener hat leider zu grossen Einfluss auf Wilhelm und
nimmt ihn sogar gegen den verdienstvollen Geschäftsträger in St Petersburg,
Major von S u 1 z e r, ein. „Und doch hat S u 1 z e r nach A 1 o p ä u s’ Urteil
Russland sehr gut kennen gelernt und ist der Einzige, der uns leiten und
uns in Petersburg fuhren kann. Ich nahm es auf mich, ihn stets anf dem
Laufenden zu erhalten, da ich die grössten Unzuträglichkeiten voraussehen
wurde, wenn man ihn nicht hätte. Da ich nun kein Geschäft gleichviel
welches unterzeichnen oder unterhandeln kann, bin ich Edelmann ä la suite
und die erhofften Geschenke werden wahrscheinlich zu einer Dose zusammen¬
schrumpfen, die meine Reiseunkosten begleicht. Man muss gestehen, ich
habe verfluchtes Pech, aber ich sah das alles voraus; Sulzer und ich ahnen
und fürchten noch weitere Unannehmlichkeiten in St. Petersburg, wenn man
fortan keinen Rat annimmt“ Rechberg litt auch empfindlich an Hitz¬
blattern am ganzen Körper, worüber er früher schon oft klagte, und was wohl
seinen Missmut noch steigerte. Sein Brief vom 17. August meldete schliess¬
lich, Missverständnisse seien in der Ehesache des Erbprinzen von Mecklen¬
burg eingetreten, den Paul nun hart behandle, die Heirat habe im September
sein sollen, jetzt aber höre man nichts mehr davon, und in Schwerin sei alles
in der grössten Bestürzung, in St. Petersburg habe der arme mecklenburgische
Vertreter von Lützow tausend Verdriesslichkeiten. Die Reisenden schifften
sich bei gutem Winde in Warnemünde ein und wollten in Kronstadt landen;
die Überfahrt war sehr stürmisch und brachte viel Leid mit sich, ein heftiger
n
Wind raubte ihnen das interessante Schauspiel, die auf der Höhe der Alands¬
inseln liegende britische Flotte in der Nähe zu sehen, denn er trieb sie plötz¬
lich weit davon ab. Anstatt in Kronstadt liefen sie in Reval ein und landeten
nach langen lästigen Durchsuchungen und Verhören, die sie im Hafen zu
bestehen hatten, am Mittage des 25. August; sofort gab es neue Schererei.
Man brachte sie ins Haus eines Douauebeamten, das zwischen Hafen und Stadt
lag, dann nach neuem Aufenthalte in das des Douanedirektors, der nach kurzer
Zwiesprache mit dem Geschäftsträger von Sulzer den Dienern erlaubte,
Wohnung zu suchen; nachdem das Gepäck durchsucht worden war, gab
man den Gelandeten daraus, was sie für die Nacht brauchten, Sulzer ging
zum Gouverneur, der es nicht für thunlich hielt, den Herzog Wilhelm die
Reise fortsetzen zu lassen, weil der von Bühler ausgestellte Pass nichts von
des Zaren Einwilligung besagte, doch versprach der Gouverneur, er werde
sofort durch Estafette Pauls Befehle einholeu. Ehe Wilhelm den Gouverneur
und den Kommandanten besuchen konnte — er hatte ja keinen Anzug frei be¬
kommen —, besuchten ihn diese am 26. und sprachen ihr Erstaunen aus, von
seiner Ankunft nicht*benachrichtigt gewesen zu sein. ,Jb ) Sobald Paul von Wil¬
helms Ankunft erfuhr, liess er „dem Grafen von Neuburg“ durch seinen Günst¬
ling, den Grafen Fedor Wassiljewitsch Rostoptschin,*) schreiben: 99 )
a) Die Biographie dieses merkwürdigen Mannes giebt Kleinschmidt in „Hi¬
storisches Taschenbuch“, 6. Folge. 12. Jahrgang. Leipzig 1892.
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232
Arthur Kleinschmidt
„Herr Graf!
„Der Kaiser, mein Gebieter, hat in diesem Augenblick erfahren,
„Sie seien in Reval augehalten worden, und gab mir den ehrenvollen
„Auftrag, Ihnen zu schreiben, wie sehr Ihn der Aufenthalt ärgere, zu
„dem die sichere Annahme, der Herr Graf würde in Kronstadt landen,
„Anlass bot. Seine Kaiserliche Majestät hoffen, dass Sie, von den
„Mühen Ihrer Reise erholt, glücklich und gesund in Petersburg an-
„langen werden. Um Ihre Reise abzukürzen, bitte ich, Sich dieses
„Couriers bedienen zu wollen, den ich express absende, um die Befehle
„des Kaisers an den Gouverneur von Reval zu bringen und die Relais
„für Sie zu bereiten. Indem ich auf den Moment warte, wo ich die
„Ehre haben werde, dem Herrn Grafen aufzuwarten, bitte ich die Ver¬
sicherungen tiefen Respekts zu genehmigen, mit dem ich die Ehre
„habe, Herr Graf, zu sein
Ihr ergebenster und gehorsamster Diener
Graf Rostoptschin“.
Wilhelm sandte diesen Brief in Kopie an Max Joseph/ 00 ) um ihm
zu zeigen, dass die Reise nun unbeanstandet weiter gehen könne. Max Joseph
ernannte am 18. August den Chevalier von Bray zum bevollmächtigten Minister
in St. Petersburg mit 20 000 Gulden Gehalt und einer Pension von 3 000 Gulden
auf die Güter des Malteser-Ordens, der Bankier von Dittmer in Regens¬
burg gab Bray einen Kreditbrief nach Petersburg. 101 ) Schon afn 13. August
hatte Max Joseph dem Zaren die Ernennung des Gabriel Chevalier de Bray
mitgeteilt, 102 ) „um die Freundschaftsbande fester zu knüpfen“; am 18. August
erhielt Bray seine Instruktionen 108 ) und zu seiner ersten Einrichtung 5000
Gulden; zweimal wöchentlich sollte Bray schreiben, und nach dem bei Max
Joseph eingeführten Brauche, dem alle Diplomaten im Auslande nachzu¬
kommen hatten, sollte er alle fünf Jahre in Form eines Memoire ein möglichst
vollständiges Tableau des russischen Hofes und Landes zur Belehrung
seiner Regierung entwerfen 104 ). Sulzer blieb bei ihm als Legationssekretär.
Paul hatte die neue Konvention vom 28. Juli (s. oben) völlig gebilligt, nur
einen Zusatz zu Artikel 19 wegen seiner Zustimmung bei Dienstnahme von
Mitgliedern des bayerischen Grosspriorats ausserhalb Bayerns gewünscht, 10B )
und Max Joseph theilte seinem Schwager mit, 106 ) die Malteserfrage sei er¬
ledigt, das Kapitel installiert und in voller Thätigkeit, Paul sei befriedigt und
Max Joseph als Neugründer des Ordens anerkannt, Paul habe seinem
Gesandten in London, dem Grafen Ssemen Romanowitsch Woronzow,
Befehl erteilt, die Bemühungen des Kurfürsten um britische Subsidien zu
unterstützen; 107 ) desgleichen schrieb Bray an Max Joseph, 108 ) der Orden
werde zum neuen Bande zwischen Bayern und Russland.
In Reval mussten die Reisenden Halt machen, um die Wagen, die
auf der Reise entsetzlich gelitten hatten, wieder in Stand setzen zu lassen.
Rechberg schrieb nach Hause lüö ): „Gern spräche ich Dir von dem Eindrücke,
den ich bei dem Anblicke der gastfreundlichen Erde empfand, die während
dieser unseligen Jahre so viele Unglückliche auf genommen hat, gern spräche
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Der Vertrag von Gatschina.
ich Dir von den Gefühlen, die der schützende Geist einflösst, der über dies
unermessliche Reich wacht und der, indem er Europas Ruhe sichert, den
Individuen die Trümmer eines Vermögens, das sie eingebüsst haben, bewahrt
— dies, meine Freundin, ist ja unser Fall, und wenn ich mir sage, dass wir
uns jetzt der Kinder freuen können, die uns die Vorsehung schenkt, dass
wir nicht mehr vor dem ihrer wartenden Lose zu zittern brauchen, wenn wir
die gegenwärtige Lage unseres Vaterlandes mit der vor achtzehn Monaten
vergleichen, so würden wir undankbar sein, wenn uns nicht ein Gefühl der
Dankbarkeit gegen die Vorsehung bewegte, die uns in der Energie des Monarchen,
der heutigen Tags Europas Geschicke lenkt, eine Stütze zu bieten wusste“.
Eine bessere Zukunft schien aufzugehen. Auch als St. Petersburg erreicht war,
gab Rechberg dieser Hoffnung an Marianne Ausdruck 110 ): „Da sind wir
endlich nach über sechswöchentlicher Reise in dieser ungeheuren Hauptstadt,
in der sich die Geschicke Europas abspielen . .. Ich glaube nicht, dass unser
Aufenthalt lange dauern wird, und obwohl wir nicht daran denken, unser
Haus zu verlassen, bevor der Herzog den Majestäten aufgewartet hat, so
können wir zwar nichts sagen, hoffen aber, für die Rückreise der Rauhheit der
Jahreszeit ausweichen zu können“. Je mehr er die grossen Verhältnisse erblickte,
„die so vielen Ehrgeizigen Reiz bieten“, um so mehr sehnte sich Rechberg
nach der Stille und dem Familienglücke daheim. Und wieder spricht er von
der Europa bevorstehenden besseren Zukunft, die Siege der alliierten Waffen
müssen ja allseits Jubel erwecken und „die Feinde der gesellschaftlichen
Ordnung zu nichte machen“. Sobald die Reisenden, an einem Mittwoch, in
St. Petersburg angelangt waren, bat Herzog Wilhelm um eine Audienz; Tags
darauf sandte ihm Paul seinen Adjutanten General von Benckendorff,*)
um ihn zu Paul zu bringen. Am Morgen des 8. September hatte Wilhelm
in Gatschina Audienz bei Paul, dann bei der Kaiserin, wurde der ganzen
Familie vorgestellt und berichtet 111 ): „Ich wurde, dieses Ausdrucks kann ich
mich bedienen, an diesem Hofe installirt mit aller Anmuth und der ausge¬
suchtesten Zuvorkommenheit. Ich darf mit allen meinen Leuten bleiben, so
lange ich will“. Wilhelm war bewegt über so viel Güte. Da der Hof bis
zum i. Dezember neuen Stils in Gatschina blieb, so hoffte Wilhelm, seine Mission
bis dahin erledigen zu können. Paul war voll Güte und verlieh ihm am
9. September unter den herzlichsten Worten den St Andreas-Orden, die Kaiserin
selbst zeigte ihm die inneren Gemächer des Palastes, übergab ihm für seine Gemahlin
den St. Katharinen-Orden, und am 12. September erteilte Paul seinem Sohne den
St. Alexander-Newski-Orden. Auch Rostoptschi n war voll Zuvorkommen¬
heit; „ohne den Titel eines Ministers zu führen, hatte er dessen Portefeuille“ b )
in Abwesenheit Kotschubeis inne, der in Ungnade gefallen und verwiesen
worden war. Kaiser und Kaiserin billigten einstweilen das Heiratsprojekt, doch
sollten die Grossfürstin und der Kurprinz später selbst entscheiden. „Uebrigens“,
so schrieb Wilhelm, „beglückwünsche ich meinen lieben Neffen und uns
a) Wilhelm nennt ihn irrig Baron.
b) Am 6. Oktober 1799 wurde Rostoptschin erster Präsident des Kollegs der aus¬
wärtigen Angelegenheiten.
Bayer. Forschungen VI, 4. 16
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Arthur Kleinschmidt
Alle zu dieser Acquisition. Die kleine Grossfürstin ist in allen Beziehungen
reizend. Da ich neben ihr sitze, so kann ich wohl bemerken, wie sie Geist
und Sanftmuth besitzt, welche Talente, welche moralische Reife über ihre
Jahre und ihren Körper hinaus; auch physisch ist sie sehr schön, aber noch
wenig entwickelt. Im allgemeinen bietet die ganze kaiserliche Familie das
schönste und, wenn ich so sagen darf, das interessanteste Bild, das es nur
geben kann; Alle, von ihrem erhabenen Haupte an*), vereinigen Geist, sprühenden
Witz, Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit zu einem sonst schwer zu
treffenden Grade“. Ebenso entzückt war Rechberg, der seit 9. September
mit dem Herzog im schönen Gatschina wohnte. „Der Herzog“, schreibt er, l12 )
„ist über alles, was man hier für ihn thut, überglücklich: sein Debüt begleitete
der St Andreas-Orden, und Du fühlst selbst, liebe Freundin, dass dieser
Empfang auch uns zu einer Aufnahme verhalf, die ich weit entfernt war, für
meine Person zu erwarten . . . Ich weiss mein Vaterland der Gefahr entrissen
und geschützt von einer Macht, die ihrem Willen Achtung zu verschaffen
versteht. Wir unserseits werden auch Anstrengungen machen; sie würden
noch grösser sein, wenn ich die Unterhandlung zu führen hätte — aber unser
Land ist reich an Menschen und an Lebensmitteln, man möge uns Geld liefern
und wir werden alle Erwartungen zu überbieten wissen; man sollte über die
Entwicklung von Mitteln staunen, die ich der ganzen Sache zugeführt hätte,
wäre ich nicht lahm gelegt worden. Doch musste ich mich unterwerfen und
wenn unsere Anstrengungen auch nicht jene grosse Ausdehnung haben, so
sind sie doch nicht gering; vielleicht auch hätten mir kältere Rechner zu viel
Hitze für eine Sache vorgeworfen, der ich alles, selbst meine Existenz opfern werde,
wenn ich die Gewissheit haben kann, zu siegen und auf ewig den französischen
Namen von unseren Grenzen zu entfernen . . . ich verspreche Dir,, ich werde
bis zum Aeussersten treiben (je pousserai ä la roue), so lange eine französische
Republik existiren wird“. Nachdem beide Grossfürstinnen am 1. Oktober
geheiratet hätten, sollten die Festlichkeiten sechs Tage dauern und die Bayern
dann abreisen, meldete Rechberg am 17. September aus Gatschina 113 ): „Ich
bin sehr zufrieden über meinen Empfang und über die mir erwiesene Behand¬
lung. Ich danke diese glückliche Lage dem trefflichen Lützow, der mich
berathen, geleitet und selbst über das Geringfügigste zuvor unterwiesen hat;
kurz ich bin so glücklich, wie ich es nur sein kann . . . denn täglich begegneten
mir Personen und die kaiserliche Familie mit einer Güte, die zu beanspruchen
ich in keiner Weise berechtigt war.“ Enorm waren Rechbergs Ausgaben
für die Feste, nie aber hatte er etwas Schöneres gesehen als die kaiserliche
Familie, und er wusste nicht, ob die Schönheit oder die Erziehung der jungen
Grossfürstiuuen mehr zu bewundern sei. Nur mit Wilhelm blieb er unzu¬
frieden, „da dieser bei allem die Herrschaft an sich riss“ und sich als Faiseur
und Unterhändler benahm, der sich nicht raten liess; Rechberg behauptete,
dadurch komme er um alle Vorteile der Reise und werde verhindert, interessante
Bekanntschaften zu machen. Rostoptschin überbrachte dem Herzoge eine
Kopie der Heiratskontrakte der beiden Grossfürstinnen, um darnach den
a) Eine fast einzig dastehende Beurteilung Pauls.
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Der Vertrag von Gatschina.
235
bayerischen zu entwerfen; alles schien spielend von statten gehen zu wollen,
und Wilhelm glaubte, des Lobes übervoll, bald heimreisen zu können. Da
Paul wünschte, dass das Depot des Condeschen Corps nach Rain am Lech
oder nach Neuburg an der Donau verlegt werde und da der Generaladjvtant
Graf Lieven versicherte, es handele sich nur um 150 Mann, erklärte der Herzog
die Bereitwilligkeit des Kurfürsten zu allem Erwünschten 1M ). Kaiser Paul und
die Kaiserin Maria beantworteten jetzt die Briefe Max Josephs vom 17. Juli,
Pauls Brief ist von ihm unterschrieben, mit dem Kaiserwappen rot gesiegelt
und „An Seine Kurfürstliche Durchlaucht, den Kurfürsten von Bayern, meinen
Herrn Vetter“ adressiert; Marias Brief ist von ihrer Hand. Paul schrieb ,1R ):
„Mein Herr Vetter!
„Ich habe den Brief Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht vom
„17. Juli erhalten. Ihr Verhalten gegen mich, Ihr frischer Eifer für
„die gute Sache und alles, was mir der Herzog in Bayern von Ihren
„persönlichen Gefühlen sagte, haben bis auf die letzte Spur das An¬
denken dessen ausgetilgt, was sich zwischen uns bei Ihrer Thron¬
besteigung begab. Gegenwärtig hängt es von Ihnen ab, mein intimer
„treuer Alliirter zu werden und mit gutem Grunde das Recht zu erlangen,
„auf meine Freundschaft zu zählen, wenn Sie so fortfahren, wie Sie
„anfingen. I11 dieser Überzeugung sehe ich die Heirath des Erbprinzen
„(sic), Ihres Sohnes, mit meiner Tochter, der Grossfürstin Katharina,
„als zwischen Ihnen und mir festgesetzt an. Da aber meine Tochter
„erst elf Jahre alt ist, so muss die Hochzeit auf den Zeitpunkt ver¬
schoben werden, wo der Prinz, Ihr Sohn, nach der Verfassung Ihres
„Landes selbst volljährig wird. Und da ich meinen Töchtern ihre
„freie Einwilligung selbst überlasse, so wird der Prinz einige Zeit vor
„dem für die Hochzeit anberaumten Termine hierher reisen, um die
„Hand meiner Tochter von ihr selbst zu erhalten, und wenn sie sich
„gegenseitig gefallen, wird die Hochzeit hier gefeiert werden. Ich
„schliesse diesen Brief mit der Mittheilung an Eure Hochfürstliche
„Durchlaucht, dass es mir sehr angenehm gewesen ist, die Bekanntschaft
„des Herzogs in Bayern zu machen und an ihm die Eigenschaften zu
„entdecken, die ihm überall die Achtung und allgemeines Vertrauen
„erobern. Niemals konnten wir so theuere Interessen Jemanden über¬
antworten, der dieser Beschäftigung würdiger wäre. Mit den Gefühlen
„aufrichtigster Freundschaft und wahrster Zuneigung bin ich,
mein Herr Vetter, 4
Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht
wohlaffektionirter Vetter
Paul.“
Maria dankte verbindlich wegen der Werbung und fuhr fort: 116 )
„Die Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers auf die Anfrage
„um unsere Tochter sichert Eurer Durchlaucht auch die meinige zu,
„und wenn sich unsere beiden jungen Kinder gegenseitig gefallen,
„nachdem sie sich gesehen haben werden, so werde ich diese Verbindung
16*
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236
Arthur Kleiiischmitlt
„unter allen Umständen mit Vergnügen betrachten, um so mehr als
„das viele Gute, das der Herzog in Bayern mir vom Kurprinzen sagte,
„mich das Glück meiner Tochter erhoffen lässt. Das schmeichelhafte
„Empressement, welches Eure Durchlaucht bezeugt, sie Ihr Kind zu
„nennen, sichert mir ebenfalls zu, dass Sie sie hüten werden, und so
„werden alle Wünsche meines Herzens, das nur das Glück seiner
„Kinder zum Gegenstand hat, erfüllt.“
Auf einen weiteren Brief, der das Porträt des Kurprinzen begleitete,
antwortete Maria ganz eigenhändig: 1,7 )
Mein Herr Vetter!
„Der Brief Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht und das ihn be¬
gleitende kostbare Geschenk, das Porträt meines zukünftigen Schwieger¬
sohnes, haben mir grosses Vergnügen gemacht; ich weiss die Freund¬
schaft Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht zu schätzen, ich kenne
„Ihre Gefühle, die, ich versichere Ihnen, auf immer die Wechselseitigkeit
„der mehligen und mein ganzes Vertrauen erobert haben, indem ich
„Ihnen das Geschick, das Glück meiner lieben guten Catischa an-
„vertraue. Man macht ihr Porträt; das erste Mal glückte es nicht,
„man macht ein zweites besseres. Unsere Kleine wächst sehr, sie wird
„sehr aufschiessen, ihr Ausdruck ist sanft, doch zeigt er eine gewisse
„Heiterkeit, die Liebreiz über sie ausgiesst. Ihr Charakter ist, wie ich
„zu versichern wage, gut, sehr gut, sie ist fleissig, ernste wie heitere
„Studien werden nicht vernachlässigt. Eure Hochfürstliche Durchlaucht
„sehen, ich spreche in vollem Vertrauen mit Ihnen; ich darf wohl in
„Wahrheit sagen, sie wird Ihres Sohnes Glück werden. Ich bin über¬
zeugt, es verhalte sich ebenso mit der dem Prinzen gegebenen Er¬
ziehung, ich mache ihm mein zärtliches Compliment und fühle mich
„sehr geneigt, ihn lieb zu haben. Eure Hochfürstliche Durchlaucht
„werden mir das grösste Vergnügen bereiten, wenn Sie mir von Sich
„Nachrichten geben und mir so Gelegenheit verschaffen, Ihnen das
„Gefühl der ausgezeichneten Hochachtung und der aufrichtigen An¬
hänglichkeit zu erneuern, mit der ich aufrichtig bin,
mein Herr Vetter,
Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht
wohlgesinnte und anhängliche Cousine
Marie.“
Auch der Grossfürst-Thronfolger Alexander schrieb sehr verbindlich
in Antwort auf Max Josephs Brief vom 16. Juli. 118 )
Max Joseph war überglücklich; er schrieb an Wilhelm, 119 ) Paul
habe alle in München-Nymphen bürg geschlossenen Verträge und Konventionen
wegen des Ordens als Grossmeister ratifiziert und seine Klausel zu Art. 19
(s. oben) sei bewilligt, und an Paul schrieb er: 120 ) „Mein aufrichtigster Wunsch
ist es, sich Bande bilden zu sehen, welche stets mein Haupttrost sein werden.
Ich vertraue hierin völlig auf das, was Eure Kaiserliche Majestät hinsichtlich des
Zeitraums und der Details in dieser Sache beschliessen werden; Ihre mir gütigst
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Der Vertrag von Gatschina.
237
gegebenen Versicherungen Ihres Schutzes und Ihrer Freundschaft garantieren
mir, dass meine Interessen nicht in besseren Händen sein könnten“, endlich an
die Kaiserin Maria, 121 ) unter innigem Danke für ihren Brief vom 10. Sept.:
„Wenn mein Sohn, wie ich hoffe, der Sorgfalt, die man für ihn hat, entspricht,
so wird er, wie ich mir wenigstens schmeichele, sowohl des Loses, zu dem
ihn die Vorsehung beruft, wie des Glückes, das ihn in seiner Häuslichkeit
erwartet, würdig sein.“ Da alles wegen des Ordens geregelt war, so erübrigte
nur noch, dass Paul als Grossmeister jemanden in München und zwar wie
üblich, ein Mitglied des bayerischen Priorates akkreditiere; Max Josephs
Ratifikation überbrachte ein Kourier Flachslandens nach St. Petersburg, und
auch die Depotfrage wegen des Cond eschen Korps wurde nach Pauls Wünschen
erledigt, wofür dieser am 1. Okt. Max Joseph dankte. 121 *) Fürst Bretzen¬
heim protestierte gegen die Neugestaltung der bayerischen Zunge des Malteser-
Ordens. Herzog Wilhelm aber sollte nun schleunigst die zwei Dinge zu
Ende führen, von denen Max Joseph sagte: „ich sehe die für uns denkbar
wichtigsten an, die Heirat und die Allianz.“ 122 ) Die Verhandlungen führten
rasch zum Erfolge, Kaiser Paul bevollmächtigte unter Gegenzeichnung
Kotschubeis den Vizekanzler, wirklichen geheimen Rat, wirklichen Kammer¬
herrn, St. Alexander - Newski - Ritter, Grosskreuz des St. Wladimir-
Ordens 2. Klasse und Komtur des Malteser-Ordens, Grafen Viktor
Pawlowitsch Kotschubei, und den wirklichen geheimen Rat, Mitglied
des Kollegiums der auswärtigen Angelegenheiten, Oberpostdirektor, Ritter des
St. Andreas-, St. Alexander-Newski- und des St. Annen-Ordens 1. Kl.,
Grosskanzler und Grosskreuz des Malteser-Ordens, Grafen Fedor Wassilje-
witsch Rostoptschin, „um die alte Harmonie der beiden Höfe zu bekräf¬
tigen und alle möglichen Missverständnisse für die Zukunft zu beseitigen“,
zu Unterhandlungen mit den bayerischen Bevollmächtigten Herzog Wilhelm
in Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein, der am 30. 19. Sept Rostoptschin
gebeten hatte 124 ) „die Verfügungen zur Bewaffnung, die sich aus dem Allianz¬
vertrage ergäben, zu beschleunigen“; der Zweck war der Abschluss eines
Freundschafts- und Allianzvertrages. Derselbe erfolgte am 1. Okt. 20. Sept.
zu Gatschina. Ein Exemplar mit den Wappen Kotschubeis, Rostoptschi ns
und Wilhelms liegt im geheimen Staatsarchive in München, wörtlich ist
der Vertrag mit seinen 8 Artikeln abgedruckt bei George Frederic de Martens,
Supplement au recueil des principaux traites, (Bd. 2, Göttingen 1802) und im
Auszug bringt ihn die Histoire abregee des traites de paix, entre les puissances
de l’Europe depuis la paix de Westphalie par feu M. de Koch, augmentee et
continuee par F. Schoell (Bd. 5, Paris 1817). Ferner steht der Vertrag im
Bd. 6 des „Recueil des traites et conventions conclus par la Russie avec les
pays etrangers“ von Martens (St. Petersburg 1883.)
Zu Bevollmächtigten wegen des Ehevertrages ernannte Paul gleich¬
zeitig 125 ) den Grafen Nikolai Petrowitsch Rumjanzow, Kotschubei
und Rostoptschin, Max Joseph den Herzog Wilhelm. Die Mitgift
der Grossfürstin wurde auf eine Million Rbl. fixiert; hiervou sollte die
Hälfte nach Bayern gezahlt werden und zwar 250000 Rbl. bei der Hochzeit,
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Arthur Kleinschmidt
250000 sechs Monate darnach, die andere Hälfte sollte auf der kaiserlichen
Bank in Petersburg bleiben und verzinst werden. — Paul versprach der
Tochter aus besonderer Diebe eine jährliche Pension von 10000 Rbl. und
die bisher alljährlich empfangenen 20000 Rbl. an Geschenken, Maria ver¬
sprach unter Garantie ihres kaiserlichen Gemahls 20000 Rbl. an jährlichen
Geschenken; hierzu kam noch der grossfürstliche Trousseau. Als Gegen-
mitgift versprach Max Joseph 250000 Rbl., deren Zinsen Katharina
erhalten sollte, der Kurprinz sollte ihr zur Hochzeit 50000 Gulden, und
jährlich 20,000 Gulden Taschengeld geben und dies nach seiner Thron¬
besteigung auf 30000 erhöhen, was alles en detail bestimmt ward. In
Art. 18 hiess es, die Kurprinzessin sollte in keiner Weise in der Aus¬
übung „der griechisch-orientalischen“ Religion beschränkt werden, sollte
in jeder ihrer Wohnungen eine Kapelle nach diesem Ritus haben, müsste aber
Priester und Diener ihrer Kirche auf ihre Kosten erhalten; wenn es nötig
sei, würde sie den Kurprinzen in die römischen Kirchen begleiten. Nach
Abschluss der Verträge schrieb Paul dem Kurfürsten: ,2Ä )
„Mein Herr Vetter!
„Da Ihr Herr Schwager, der Herzog in Bayern, zu meiner grossen
„Befriedigung, und, wie ich mir schmeichele, auch zu der Eurer
„Durchlaucht die Geschäfte, welche seine Reise veranlassten, beendet
„hat, so sehe ich ihn mit aufrichtigstem Bedauern scheiden; seine
„liebenswürdigen Eigenschaften haben ihm meine volle Achtung, meine
„ganze Freundschaft erworben. Ich hoffe jedoch, ihn zu der Zeit
„wieder bei mir zu sehen, wenn der Kurprinz unsere Bekanntschaft
„machen wird, und ich versichere Sie, ich werde entzückt sein, wenn
„den jungen Prinzen sein liebenswürdiger Onkel begleitet. Ich lebe
„der Überzeugung, dass Eure Durchlaucht mir von Herzen helfen
„werden, die Bande immer enger zu schlingen, die wir soeben schlossen,
„und ich bin mit freundschaftlicher und aufrichtiger Zuneigung,
mein Herr Vetter,
Eurer Durchlaucht guter Vetter
Paul.
Und die Kaiserin gab ihren Gefühlen gleichzeitig Ausdruck, la7 ) in¬
dem sie Max Joseph versicherte, „Herzog Wilhelm hat sich so vollkommen
unsere Achtung und Vertrauen errungen, dass seine Abreise uns empfindlichen
Schmerz bereitet, er hat unsere Gefühle kaptivirt . . . W~ir könnten nichts
Besseres thun, als ihm gegenseitig unsere Kinder an vertrauen.“
Nach Verabschiedung vom Hofe in Gatschina kehrten Herzog Wilhelm
und seine Begleiter am 2. Oktober nach St. Petersburg zurück, um zur Abreise
zu rüsten; Wilhelm sandte den Geschäftsträger von Sulzer voraus, damit
die Ratifikation beider von ihm geschlossenen Pakte, wie ausbedungen
worden war, binnen zwei Monaten nach St. Petersburg zurückgelangen könne,
und schrieb dem Schwager ,L ' h ), er hätte zwar in beiden Pakten manches anders
gewünscht, doch sei es nicht gelungen, seine Wünsche durchzusetzen; da
Paul und Rostoptschin von der Ernennung des Chevalier von Bray
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Der Vertrag von Gatschina. 239
zum bayerischen Gesandten in St. Petersburg nichts wissen wollten, so müsse man
davon vorerst absehen. Um bei Paul, „dem neuen Alliirten“ des Kurfürsten,
keinen Verdacht zu erwecken, will Wilhelm Berlin vermeiden, hingegen
Dresden besuchen. Die Reise hatte Wilhelm ausser seinen Geldern 13 200 Rbl.
an Dosen und Ringen bei dem Juwelier Duval in St. Petersburg gekostet;
im November 1799 liess dann noch die bayerische Regierung per Estafette den
Wiener Juwelier Br uno Neuli n g mit goldenen brillantbesetzten Dosen nach
München kommen, und der Kurfürst kaufte von ihm für 22710 Gulden Dosen
und Ringe; auch kaufte die Hauptkasse bei dem Münchener Wechselhause
Dallarmi drei Wechsel auf Petersburg zu je tausend Dukaten, wovon einen
Kotschubei, den anderen Rostoptschin und den dritten das Bureau
des russischen auswärtigen Amts erhielt 129 ). Wilhelm liess sich ferner an
Präsenten 5030 Gulden aus der Hauptkasse vergüten 180 ). Im Gegensätze zu
dem Herzoge, der alles gemacht hatte, war Rech berg, den derselbe ganz im
Schatten gehalten, verstimmt. Am 8. Oktober schrieb er an Montgelas 181 ),
Sulzer nahm den Brief mit. Er sagte, bisher habe er nicht geschrieben,
weil er „auf die Rolle des Zuschauers beschränkt war“, und fuhr dann fort:
„Meine Mitwirkung war unnötig, viele Gegenstände haben unsere Erwartung
übertroffen. Ich habe keinerlei Verdienst an dem Geschehenen, die Umstände
konnten uns nicht günstiger sein, die Dispositionen waren derart, dass man
nichts zu thun brauchte, als die Vorteile, die man uns anbot, zu benützen.
Ich beglückwünsche mich immerhin, dass ich in das interessanteste Interieur Zu¬
tritt erhielt“ War er doch Augenzeuge von Dingen, die seiner Meinung nach
ganz Europa in Bewunderung versetzten; ihn frappierte Pauls Hinneigung
zu Preussen und sein eingefleischter Hass auf Oesterreich; die Subsidienfrage
in London schien glücklich voran zu gehen, nachdem sie lange nicht ziehen
wollte, der Major Graf von Haslang war in London sehr thätig; Montgelas
solle aber ja an die Spitze der bayerischen Truppen einen General „von be¬
gründetem militärischen Rufe“ stellen, nur daun sei „eine ehrenhafte Militär¬
konvention“ zu erreichen; von zwei angesehenen russischen Generalen hatte
er gehört, das russische Heer sei weit schlechter als das oesterreichische und
das französische. Rechberg teilte dem Minister wie auch dem Kurfürsten
mit 182 ), Paul habe ihm unvermutet das Grosskreuz des St. Annen-Ordens
verliehen, das er nicht habe ablehnen können, das er aber nicht trage, ehe
er als St. Georgs-Ritter des Kurfürsten Erlaubnis habe. Und darüber, dass
der Herzog mit seinen Fonds nicht auskam und noch 18000 „Mark“ darauf¬
legen musste, meinte er 138 ), könne niemand erstaunen, der Petersburg kenne,
„ein Prinz muss dort bluten“, die Unterzeichnung des Vertrages koste dem
Kurfürsten noch 24—30000 Rbl. mehr, und ohne einen Kredit von einer
halben Million könne der Kurprinz nicht nach Petersburg kommen. Weit
offener sprach sich der Diplomat seiner Vertrauten gegenüber aus: „Ich kehre
zurück, von Widerwillen und Misslichkeiten übersättigt, ebenso arm wie ich
ging.“ Es war ihm schwer gewesen, ihr freimütig zu schreiben, denn er
fühlte sich stets von der russischen Regierung und vom Herzoge belauert;
der Aufenthalt in Gatschina hatte fast vier Wochen gedauert, seit dem 2. Ok-
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Arthur Kleinschmidt
tober waren sie in Petersburg, am 9. Oktober wollten sie abreisen, und er
hatte niemanden gesehen, kaum die Strassen der Stadt erblickt. „Mein böser
Stern“, so klagte er, „hat wie gewöhnlich mich auch auf dieser Reise begleitet.
Anstatt Minister, war ich Kammerherr des Herzogs in Gatschina und er wusste
mich mit unvergleichlicher Gewandtheit von allen Geschäften fern zu halten; in¬
folgedessen wurde alles unterzeichnet und erledigt, während, wenn ''ich dabei
gewesen wäre, mir dies wenigstens 4000 Dukaten in Geschenken und Geld
eingetragen haben würde. Statt dessen nimmt der Herzog für über 60000
Rubel in Juwelen heim und ich bin mit einem Ringe für 2000 Rubel und
mit dem St. Annen - Orden verabschiedet — der Ring ist schon verkauft“
Rechberg brauchte zur Rückreise Geld und hatte seinem Vater ein Anleihen
zurückzugeben. „Ich habe“, so fährt er fort, „dem Herzoge erklärt, ich ver-
liesse ihn in Königsberg, um nicht ein zweites Mal in die Unannehmlichkeit
zu gerathen, in Dresden den Kammerherrn zu spielen . . . Der treffliche
Uützow, dem ich niemals alles vergelten könnte, was er während meines Aufent¬
haltes für mich gethan, versuchte alles, um mich in den Vordergrund zu
bringen, aber des Herzogs Manöver erlaubten es mir nicht ... In meiner
Seele sitzt der Ekel.“ Seiner Verbitterung macht Rechberg in der un¬
günstigsten Schilderung des Herzogs Luft, der nach seiner Meinung grosse
Thaten vollführte, während er voll Unterthäuigkeit gegen Paul und voll Ar¬
roganz gegen seine Begleiter auftrat „Ich aber sage und Sulzer wie Mi eg
bezeugen es, er machte ohne meine Vorstellungen unbegreifliche Dinge; doch
konnte ich es nicht verhindern, dass er von den russischen Ministern völlig
übertölpelt wurde, sich wie ein Neuling anstellte und die Demüthigung erlitt,
links von den russischen Ministern unterzeichnen zu müssen, glücklicher Weise
dient zu meiner Rechtfertigung ein bei den Akten befindlicher Entwurf von
meiner Hand. Die russischen Minister wussten ihm 25000 Rubel jährliche
Zinsen, die der Kurfürst seiner künftigen Schwiegertochter geben soll, abzu¬
locken, ohnedass er sich dessen versah, und als mir die Ausfertigung zu
Gesicht kam und ich die Überlistung bemerkte, gab er dies so wenig zu, dass
er noch jetzt in Abrede stellt, getäuscht worden zu sein. Dieser Umstand
entstellte dergestalt den ganzen Heiratskontrakt, dass es anstatt Vorteilen für
das Kurhaus dahin kommen wird, dass die Grossfürstin, falls sie verwittwet,
ausser ihrem Wittum eine Reveuue von 12 500 Rubel haben wird, die wir
ihr zahlen, ohne zu wissen, warum? Das sind die Früchte der weisen und
erleuchteten Massnahmen des bayerischen Ministeriums.“ Auch dieses unter¬
zieht Rechberg scharfer Verurteilung, er missbilligt seine Haltung gegen¬
über Bray und findet zumal verwerflich, dass das Ministerium „den unglück¬
lichen Jordan opferte, den auf Verlangen des Kaisers fortzuschicken der
Kurfürst sich gezwungen sehen wird. Rostoptschin schrieb dem Herzoge
eines Morgens, um ihm anzuzeigen, der Kaiser habe erfahren, dass der Kur¬
fürst einen gewissen Jordan als Adjutanten abgeschickt habe, der in Rastatt
und Paris Spion des Grafen Goertz und des Herrn von Sandoz gewesen
sei, und der Kaiser fordere von ihm als Freundschaftsbeweis die Entlassung
dieses verdächtig scheinenden Meuschen. Der Herzog antwortet, ohne mich
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Der Vertrag von Gatschina.
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zu fragen, auf der Stelle und verbürgt sich für die Sache; als ich ihm klar
machen will, Jordan sei ein braver Kerl, erwidert er mir trocken, man müsse
dem Kaiser zu Gefallen sein, warum auch nehme der Kurfürst alle diese Em¬
pfohlenen auf! . „Wir sind ja ziemlich glücklich gewesen“, so schliesst Rech¬
berg, „die Dispositionen waren aber so, dass ich noch doppelt so viel erreicht
hätte. Um einen vollen Begriff von dem Kleinmute des Herzogs zu geben, will
ich Dir sagen, dass er nicht nach Berlin geht, um nicht hier zu missfallen, und
dass er, weil der Kaiser Petersburg nicht liebt, sich lieber in seinem Hause
einsohloss, um Niemanden zu sehen . . . Ich möchte über Berlin gehen, doch
kann ich mich nicht aufhalten, ohne bei dem Herzog Misstrauen zu erregen, und
so werde ich wohl eiligst von Königsberg über Dresden oder Leipzig nach
Regensburg gehen.“
Mit dem Chevalier von B r a y war es ganz eigen ergangen ; Paul wollte
ihn nicht als bayerischen Gesandten, und Herzog Wilhelm war ihm abhold.
Letzterer schrieb ihm: 186 ) es laufe das Gerücht 11m, Bray komme als be¬
vollmächtigter Minister des Kurfürsten, der Herzog aber bitte ihn „im Interesse
des Dienstes des Kurfürsten inständigst“, seinen diplomatischen Charakter nicht
zu zeigen, bis neue Befehle Max Josephs da seien. Es schien Bray, als
glaubten Wilhelm und der Geschäftsträger von Sulzer, er habe sich zum
Petersburger Posten gedrängt, während er ihn nur aus Opferwilligkeit über¬
nehmen wollte, und er gab dieser Anschauung in seinen Briefen an Max
Joseph und an Montgelas wiederholt Ausdruck. Von St. Petersburg bis zur
Grenze brauchten die bayerischen Reisenden vierzehn Tage, in Memel erwartete
sie Bray. Der Herzog „machte ihm Eröffnungen in der Absicht, ihm von seiner
Akkreditierung bei Paul vor Eintreffen neuer Befehle aus München abzuraten,
und fügte hinzu, das Interesse des bayerischen Hauses erfordere dies,“ trat
aber in keinerlei Details ihm gegenüber ein. Rechberg erzählte Bray,
Paul habe Wilhelm den Wunsch geäussert, man möge Sulzer bei ihm
akkreditieren, und Wilhelm habe es übernommen, für diesen Wunsch bei
Max Joseph einzutreten; so peinlich es Bray war, derart kompromittiert zu
werden, so opferte er seine Bedenken dem Staatswohle, wie er sofort nach der
Begegnung mit Wilhelm an Montgelas schrieb; freimütig hatte er sich
Wilhelm gegenüber, der ihm sein Wohlwollen beteuerte, geäussert. Aus
Mitau benachrichtigte er den Grafen Rostoptschin am 30. Okt., ,a6 ): da er
durch den Herzog erfahren, seine Wahl sei Paul missliebig, derselbe ziehe
Sulzer vor, so habe er sofort in München seine Entlassung eingereicht und
überreiche seine Kreditive gar nicht, sondern reise ab, sobald die bayerische
Malteser-Deputation,'der er angehörte, ihre Abschiedsaudienz bei Paul gehabt
habe; diesen lobte er über die Massen, und zugleich bat er Rostoptschin,
ihm als Rechtfertigung der Welt gegenüber eine kaiserliche Gnadenbezeugung
zu verschaffen. Um alle Hindernisse zu heben, reichte er thatsächlich seine
Entlassung ein. ,S7 )
Rechberg, der aus Russland weniger wegen der russischen Über¬
wachung als wegen des Argwohns Wilhelms selten geschrieben hatte, fühlte
sich durch die kurfürstliche Regierung zurückgesetzt, sie schickte ihn weder
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Arthur Kleinschmidt
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nach Wien noch nach Berlin als Gesandten und betraute den Grafen Haslang
mit den Subsidienunterhandlungeu in London. GeorgIII. gab seinem Minister
in der Schweiz, Wickham, Ordre, 188 ) einen Subsidienvertrag mit Bayern ab-
zuschliessen, falls die bayerischen Truppen sofort bereit und die Bedingungen
annehmbar seien; von dieser Ordre gaben sein Staatssekretär des Äusseren Lord
Grenville Haslang und Graf Woronzow dem Baron Bühler Kunde; die
20000 Mann, welche Bayern stellen sollte, erforderten natürlich mehr Zeit wie
die ursprünglich projektierten 10000. Man musste für die erste Equipierung
Geld haben und genügende Subsidien für den Unterhalt, keine Kleinigkeit;
Max Joseph gestand selbst: „Die Erschöpfung, in der wir uns befinden,
übersteigt alles, was ich Ihnen sagen könnte, und sie würde absolut aufs
Äusserste gelangen, wenn in Bayern Winterquartiere gemacht würden.“ Nach¬
richten aus Wien zufolge möchte der dortige Hof jetzt gern aus der so weit
vorgeschrittenen Sache Ehre und Vorteil ziehen, doch ist selbstverständ¬
lich Bayern der Schutz Russlands am wichtigsten. „Meine Carriere ist fertig,
gleichviel, auch die schönste würde in diesem Dienste nie glänzend sein,“ 189 )
schrieb der gekränkte Rechberg, der sich vornahm, auf allen Ehrgeiz ver¬
zichtend, seiner Familie zu leben; am 26. Oktober verliessen die Reisenden
Memel, am 29. trafen sie in Königsberg ein, und auf der Weiterreise über
Küstrin verliess Rechberg den Herzog, „da er in Dresden nicht nochmals
sein Cavalier sein wollte. Wir trennen uns übrigens in aller Decenz, ich
weiss nicht, was er von mir denkt, vermuthe nichts Gutes, doch wird er mir
wenigstens in München kein Unrecht anthun können.“ Und aus Amberg be¬
nachrichtigte er die Gattin, 14 ") er gehe nur auf kurze Zeit nach München,
„um seinen Ruf und seine Ehre vor Vorwürfen sicher zu stellen, die man
ihm machen könnte, wenn man auf die Petersburger Vorgänge sehe“; am
28. Nov. nach kurzem Aufenthalt zu Regensburg in München eingetroffen,
ging er sofort zu Montgelas, der ihn sehr gut aufnahm, und speiste Tags
darauf bei Max Joseph; entzückt äusserte er sich über die Sulzer bei seiner
Abreise nach St. Petersburg gegebenen Ordres. Im St. Georgen-Ordenskapitel
forderte Max Joseph selbst für Rechberg die Erlaubnis, den St. Annen -
Orden tragen zu dürfen, doch willigte das Kapitel nur mit knapper Not ein
und stellte die Bedingung, dass dies der einzige Fall bleibe; Rechberg hörte
viel Unaugenehmes über den russischen Orden, „durch den der St. Georgen-Orden
erniedrigt sei;“ am 14. Dezember traf er auf seinem alten Posten und bei
seiner Familie in Regensburg ein. ,n ) Seine Carriere war nichts weniger als
beendet, sie begann erst. Im nächsten Jahre wurde er 142 ) Gesandter in Ber¬
lin, 1801 in Regensburg, kam im April 1801 in ausserordentlicher Mission
nochmals nach St. Petersburg, wurde im Dez. 1806 königlich bayerischer Ge¬
sandter in Wien, blieb aber ein Feind Montgelas’; im Juli 1809 infolge des
Kriegs abberufen, ging er nach dem Frieden von Schönbrunn wieder nach
Wien, wurde 1815 Bevollmächtigter im Hauptquartiere der alliierten Mächte, im
April 1816 Gesandter am Bundestage und nach Montgelas’ Sturz im Februar
1817 Minister des königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten;
kein Freund konstitutioneller Verhältnisse, ein eigenwilliger Charakter, sympathi-
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Der Vertrag von Gatschina.
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sierte er sehr mit den deutschen Grossmächten; am 28. Okt. 1825 trat er aus
dem Amte, nachdem er am 11. Mai d. J. seine augebetete Frau verloren hatte.
Am 25. Okt. 1810 war seinem Hause die alte Grafenwürde von 1609 erneuert
worden, 1819 wurde der Graf erbliches Mitglied der 1. Kammer des König¬
reichs Württemberg, 1842 trat er alle Besitzungen seinem ältesten Sohne Albert
ab, und am 10. März 1849 starb er auf Schloss Donzdorf im württembergischen
Donaukreise, — einer der interessantesten Staatsmänner Bayerns.
Nach unzähligen Widerwärtigkeiten war die Deputation der bayerischen
Zunge des Malteser-Ordens, die Paul als Grossmeister huldigen sollte, bei
ihr Bray, am Abende des 13. November 1799 in St Petersburg eingetroffen
und im Malteser-Palaste installiert worden, den Bray alsbald mit dem Hause
A praxi ns vertauschte; sie machte ihre Besuche bei dem Gouverneur, dem
Generalprokureur, dem für Kotschubei als Vizekanzler funktionierenden
Grafen Panin und bei den Maltesern. 148 ) Am 22. ,44 ) besuchte die
Deputation den Maskenball in Gatschina, doch sprach der im Domino
anwesende Zar-Grossmeister mit keinem von ihr. Tags darauf versammelte
sich die Deputation in bayerischer Uniform in Gatschina bei dem Baron
Flachslanden, wo um 11 Uhr der Ordenszeremonienmeister mit zwei
sechsspännigen Galawagen vorfuhr; die Komture Graf Arco, Graf Preysing
und Herr von Bray stiegen in den ersten Wagen, voran eilten Läufer,
am Schlage ritt ein Stallmeister, Kammerlakaien in grosser Livree um¬
gaben den Wagen. Das gleiche Geleite hatte der zweite Wagen, in dem
Flachslanden und der Zeremonienmeister sassen. Auf dem Schlosse
wehten, wie üblich, die Fahnen von Russland und Malta, und als die
Wagen im Schritt anlangten, trat die grosse Wache unter Gewehr. Am
Hauptportale aussteigend, fand die Deputation die Gardes-ä-cheval in ihren
Prunkuniformen in den Vestibules und Korridoren und auf den Treppen bis
zu den für sie bestimmten Gemächern aufgestellt, was, wie Bray sagt, „eines
der schönsten Schauspiele war, die er je sah.“ Aus diesen Gemächern holte
sie alsbald der Oberzeremonienmeister Walujew ab, um sie in den Audieuz-
saal, eine halbrunde Galerie, zu führen, wo der ganze Hof versammelt war.
Paul sass auf dem Throne, mit der Kaiserkrone geschmückt, und auf einem
Kissen neben ihm lag die grossmeisterliche Krone. Um ihn standen die
Grosskreuze und Mitglieder des Ordensrates, die anderen Grosskreuze, Kom¬
ture und Ritter bildeten zwei Reihen längs der Galerie, und dahinter gruppierte
sich der Hofstaat. Die Deputation trat vor, an ihrer Spitze Flachs landen
im grossen Mantel, hinter ihm der älteste Komtur Arco, dann Preysing
und Bray. Arco trug auf einer Goldplatte den Vertrag zwischen Paul und
Max Joseph und die Kreditive des Grosspriors von Deutschland für Flachs¬
landen. Dieser hielt eine allen gefallende, ruhige und würdige Rede, worauf
Graf Rostoptschin als Grosskanzler des Ordens die Platte aus Arcos Hand
nahm und nach Flachslandens Vorbild alle Deputierten dem Zaren unter
Kniebeugung die Hand zur Huldigung küssten. Nachdem Rostoptschin
in seiner Gegenrede die volle Befriedigung Pauls über die Huldigung des
bayerischen Grosspriorates ausgesprochen und Pauls seit Kindesbeinen gehegte
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Arthur Kleinschmidt
Liebe zum Malteser-Orden betont hatte, küssten alle Malteser die Hand des
Grossmeisters; er aber umarmte den Grossfürsten-Thronfolger, beide mecklen¬
burgischen Prinzen und den Erzbischof von Kasan, für den allein er sich er¬
hob; die Zeremonie ergriff Paul tief, und Bray sagt: „Man sieht, alles was
dieser Fürst thut, geht ihm von Herzen.“ Tags darauf war Vorstellung bei der
Kaiserin, Paul war voll Huld und verlieh Flachslanden den St Alexander-
Newski-Orden, Flachslanden und die beiden Komture speisten an der
kaiserlichen, Bray und der Zeremonienmeister an der Marschallstafel. Beider
Vorstellung bei den Grossfürstiunen sahen die Bayern mit besonderem Interesse
ihre künftige Kurprinzessin. Flachslanden schien im Vollbesitze kaiser¬
licher Gunst, als die Deputation am 26. Nov. nach St. Petersburg abfuhr; der
Fürst von Bretzenheim als Grossprior der bayerischen Zunge, Herzog
Wilhelm und Montgelas erhielten das Grosskreuz des Malteser-Ordens in
Diamanten. Brays Stellung aber in Petersburg war noch immer ohne Halt,
wenn er auch dem Grafen P an in Notizen über Bayerns Interessen einreichte l4ft )
und zuversichtlich an Montgelas über Pauls Haltung berichtete. 146 ) Max
Joseph begriff die Schwierigkeiten, die Bray in Petersburg fand, gar nicht
und hoffte stets auf einen gütlichen Ausgleich; für den Fall aber, dass
Bray nicht in Petersburg bleiben könne, wollte er ihn zum Geheimrate machen
und ihm seine 3000 Gulden Ordenspeusion lassen. 147 ) Als Paul Bray an-
bot, sein Minister für den Malteser-Orden äu werden, lehnte Bray ab, doch
genoss er bald zumal bei dem Thronfolger grosses Ansehen und blieb als
bayerischer Minister in Petersburg.
Max Joseph ratifizierte den von Sulzer überbrachten Ehe- und Allianz¬
vertrag, ,48 ) teilte dem ihm von Dresden her bekannten Alopäus und dem
Baron Koch in Teublitz seine Freude darüber mit 149 ) und sandte Sulzer
mit den Ratifikationen ab; er gab ihm vier mit Diamanten verzierte Tabatieren ,5 °-
und einen Brief an Paul 161 ) mit, worin es hiess:
„Sire!
„Wenn ich Eurer Kaiserlichen Majestät die Freude schildern sollte,
„die ich bei dem Empfang der Akte empfand, die mich so nahe mit
„Ihrer Person und Ihrem Reiche verknüpfen, so müsste ich Ihnen die
„unveränderlichen Gefühle wieder vorführen, die Sie ja kennen und
„von denen Sie, wie ich mir schmeicheln darf, völlig überzeugt sind.
„Mein im Schatten solch mächtigen Schutzes fortan beruhigtes Haus
„wird nicht mehr die Gefahren, welche es so lange umdräuten, fürchten,
„auch nicht die, welche es noch umgeben. Herr Sulzer, Oberst der
„Infanterie in meinen Diensten, der beide Verträge hierher brachte,
„wird auch die Ehre haben, Eurer Kaiserlichen Majestät deren Ratifi¬
kation zu überreichen“.
Verschiedenes habe, schrieb Max Joseph noch entschuldigend, die
Rückkehr Sulzers nach Russland unfreiwillig verzögert.
Baron Montgelas nahm jetzt Anlass, seine Ansichten über die Verträge
dem Kurfürsten in einem Berichte darzulegen. I62 ) „Da der Herzog in
Bayern selbst in seiner letzten Depesche zu befürchten scheint, das Resultat
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seiner Unterhandlung könne einigen Erwägungen unterworfen werden, und
da er sich auf einen Bericht, den er machen werde, bezieht, so glaube ich der
Weisheit Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht einige Bemerkungen unterbreiten
zu müssen, ausgehend von der Basis der Instruktionen und von der Art, wie
diese ausgeführt worden sind“. Nach den Instruktionen sollte der Herzog
dem Baron Rechberg sein volles Vertrauen schenken, hingegen ist derselbe
über nichts befragt worden, erhielt auch erst sehr spät von den Instruktionen,
die ihm sofort mitgeteilt werden sollten, Kenntnis — eine sehr empfindliche
Behandlung für einen Minister, dessen Dienste und dessen Eifer Rücksichten
erheischten. „Ich weiss“, sagt Montgelas, „er hat sich bei seiner Familie
darüber beklagt. Dieses Verschweigen und die daraus entsprungene Ent¬
fremdung führten sogar ein thatsächliches Ärgernis herbei, indem der Herzog
in Bayern als Reichsfürst und Schwager des Kurfürsten dem ausgesetzt
ward, bei beiden Akten links von den russischen Ministem zu unterschreiben,
ein Ärgernis, das hätte vermieden werden können, wenn er sich des Barons
von Rechberg bedient hätte. Aus Herrn Sulzers mündlichen Erklärungen
erhellt, dass die russischen Minister selbst dies erwarteten und mehrfach
frugen, ob niemand zur Unterzeichnung autorisiert sei. Der Mangel an Voll¬
machten konnte kein Hindernis bieten, weil man da nachhelfen konnte, wie
man es für den Herzog selbst thun musste“. Montgelas hat mancherlei
Bedenken wegen des Heiratskontraktes; in betreff der Redaktion des Allianz¬
vertrags wurden weder Rechberg noch Sulzer befragt, das Ministerium
der auswärtigen Angelegenheiten in St. Petersburg redigierte ihn und man
Unterzeichnete ohne jede Abänderung. „Man kann nicht leugnen, dass die
Art der Abfassung sehr starke Spuren der Quelle verrät, der er entstammt.
Die Konzeption ist sehr zweideutig und man scheint fast immer mit der
einen Hand wieder zu nehmen, was man mit der anderen gibt“.
1. Zwar garantiert der Kaiser die Integrität der pfälzischen Besitzungen
auf dem Status des Teschener Friedens, aber es ist nicht klar genug von der
vollständigen Restitution der erlittenen Verluste und von den zu verwiegenden
Entschädigungen die Rede; die dem Kaiser auferlegte Verpflichtung ist nicht
klar, nicht präzis genug, obwohl dies doch der gordische Knoten des ganzen
Geschäfts und der Hauptgegenstand des Kriegs gewesen ist. Man könnte
dem Texte nach selbst zweifelhaft sein, ob es sich um die Lokalität der
bayerisch-pfälzischen Provinzen handele oder einfach um die Besitzungen,
welche der letzte Kurfürst von Bayern, Maximilian III. Joseph, hinterliess,
was in letzterem Falle lediglich eine Garantie der Erhaltung Bayerns sein
würde, die vom Wiener Hofe schon mehrfach atigeboten, die aber als nutzlos
und als ungenügend verworfen worden ist. Die Instruktionen vom 22. Juli
haben hierin eine viel grössere Präzision gefordert.
2. Zwar verspricht Seine Russische Majestät Ihre guten Dienste, um
von Grossbritannien Subsidien zu verschaffen, doch ist des Zaren Verbindlichkeit
hierfür bei weitem nicht so klar wie die Bayerns, ihm ein Korps von 20000
Bayern zu liefern, das am 1. März 1800 aktionsfähig sein muss; auch vergass
man zu bemerken, dass, falls die Subsidien nicht verlangt würden, das
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Korps ebenso wenig ins Feld zöge; dem Staate wäre es freilich unmöglich
gewesen, auf andere Art die Kosten zu bestreiten, und man hätte sich in der
grössten Verlegenheit befunden, wenn uns die Verhältnisse nicht aus der
Klemme gezogen hätten.
3. Die Art, wie man die Restitution Ingolstadts versprach, bringt dem
Hause Pfalz-Bayern einen notorischen Nachteil. Der Kaiser verpflichtet sich,
dass dem Kurfürsten Schutz und Verteidigung von Ingolstadt übertragen
werde, was den Anschein hat, als bedeute es die Abtretung einer ihm nicht
gehörenden Sache, und was, wenn man nicht mit der schärfsten Aufmerksamkeit
zusähe, zu dem Gedanken führen könnte, bei dem allgemeinen Frieden die
Festung dem Wittelsbacher Hause als ein Entschädigungsobjekt in Anrechnung
zu bringen. Die Festung aber, erbaut und verteidigt auf Kosten der bayerischen
Kurfürsten, wurde immer als ein Partikulareigentum des Landes und nie als
Reichsfestung angesehen.
Trotz dieser Unvollkommenheiten des Vertrags von Gatschiua aber
muss der Kurfürst ihn ratifizieren. „Wir leben“, bekennt Montgelas, „in
einem Jahrhunderte, in dem Gewalt und Interesse alle Kräfte der Cabinete
lenken; jeder Souverän, der nicht den Umständen entsprechende Mittel an¬
wendet, muss darauf gefasst sein, total geopfert zu werden oder wenigstens
seine Interessen im Detail wenig geschont zu sehen“. Man muss froh sein,
wenn Russland einen schützen will; setzt Oesterreich den Krieg mit Frankreich
fort, so hat mau den Nutzen, dass Russland Pfalzbayern die kleinlichen
Plackereien ersparen wird, die so oft das Resultat dieser Feindseligkeiten
waren, und Frankreich wird den Kurfürsten wegen seines vermutlichen Kredits
in Petersburg schonen; versöhnen sich anderenfalls Oesterreich und Frankreich,
so muss Oesterreich auf Russland als bedrohliche Nachbarmacht Rücksicht
nehmen, wird der Integrität Bayerns günstig sein und ihm auch bei dem
allgemeinen Frieden eine gute Entschädigung verwilligen; verlässt endlich
Russland die Koalition und schliesst mit Frankreich Frieden, „wie es thun
müsste, wenn es jeder Leidenschaft entsagte, um nur seine wahrhaften Interessen
zu befragen“, so wird Paul dies nie thun, ohne seine sämtlichen Alliierten
zu benachrichtigen. „Die Loyalität des Charakters, die bei all seinen Wal¬
lungen durchdringt, bezeugt dies zur Genüge; und dieser Fürst ist gewiss
mächtig genug, um es zu verhindern, dass die von ihm dem pfälzer Hause
verschaffte Ruhe irgendwie gestört werde“. Man muss dem russischen Hofe
klar machen, dass die britischen Subsidien und das bayerische Korps absolut
reziprok, eines für das andere, sind; Bayern, das in jedem Falle den Schutz
Russlands gewinnt, stellt sein Korps nur, wenn das russische Heer im Felde
erscheint, und liefert nicht mehr als sein Kontingent, was Frankreich selbst
nicht als eigentlichen Akt der Feindseligkeit betrachten kann; Bayern wahrt
sich die Möglichkeit, ein Sonderabkommen mit der französischen Republik
abzuschliessen, falls seine Lage unglücklich genug wäre, Bayern befürchten
zu lassen, alle Welt gebe es preis und ihm bleibe nur diese letzte Zuflucht;
diese Möglichkeit zeigt sich, wenn auch entfernt, jetzt schon.
„Falls diese schrecklichen Vorahnungen sich bewahrheiten sollten, so
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wäre es ungemein wichtig, die Wahrheit nicht aus den Augen zu verlieren,
dass es kein anderes Mittel geben würde, von diesem beschwerlichen Wege
loszukommen, als im voraus ein gutes Verteidigungssystem zu kombinieren,
die Armee bald auf die volle Stärke zu bringen, die auf 18000 Mann fest¬
gesetzt worden ist, und die nach Abzug des Kontingents noch 14—15000 Mann
beträgt, und dieso Armee mit dem „Landfahnen“ zu amalgamieren, dessen
Wiederherstellung man so oft schon vorgeschlagen hat. Indem Montgelas
noch einmal an diese Wahrheit ermahnt, glaubt er sich einer wuchtigen
Verantwortung enthoben; die Ausgaben, welche die militärischen Massnahmen
machen würden, sind unzweifelhaft gross, die Finanznot ist arg, aber die Zeit
fliesst mit einer Schnelligkeit dahin, dass auch der kühlste Beobachter er¬
schrickt; Frankreich wird nie Berechnungen über das Übel anstellen, welches man
ihm zugefügt hat, wohl aber über das, welches man ihm noch zufügen kann;
hiernach muss man die grössere oder kleinere Rücksicht bemessen, die man
von Frankreich zu erwarten hat. Es handelt sich jetzt um das Heil, vielleicht
um den Bestand des bayerischen Staates; ein solcher glücklicherweise seltener
Fall rechtfertigt nicht nur die Anwendung ausserordentlicher Mittel, er provo¬
ziert sie sogar. Dies „Baron Montgelas“ Unterzeichnete Schriftstück versah
der Kurfürst mit seinem „Gelesen und gebilligt. Max Joseph Kurfürst.“
Paul ratifizierte den Allianzvertrag unter Gegenzeichnung Rostopt-
schins am 20. Dezember 1799; 1 fta ) bei dem Grafen Panin wurden am
17. Januar 1800 die Ratifikationen ausgetauscht, wobei Sulzer die Geschenke
folgendermassen nach seinem Gutdünken verteilte: 154 ) er gab die Kotschubei
zugedachte Dose Panin wegen seiner Rolle als Austauscher der Ratifikationen
und stellte Kotschubei statt dessen 600 Imperial in Gold zu, die zweite
grosse Dose und 600 Imperial in Gold erhielt Rostoptschin, eine Dose
mit Max Josephs Porträt Graf Rumjanzow, eine zweite der wirkliche
Staatsrat Baron Koch, der eben als russischer Minister nach Regensburg
gegangen war, die Kanzlei erhielt nur hundert Imperial iu Gold, doch stand
der Imperial ungeheuer hoch, anstatt 10 Rbl. 16 Rbl. 70 Kopeken. Auch
der neue Traktat mit dem Malteser-Orden mit der ewigen Einverleibung der
vier zunächst liegenden Kommenden in das zur Apanage eines nachgeborenen
Prinzen bestimmte Grosspriorat machte neue Geschenke „nötig und anständig“,
wenn auch laut Nachrichten des letzten Kouriers aus Russland noch eine
Summe auf die früher bewilligten Präsente ausstand; man konute die neue Aus¬
gabe nicht vermeiden, „ohne den zwar sehr kostspieligen, jedoch nun einmal
angenommenen Gebrauch zu verletzen und dadurch dem Ansehen und dem
Dienste des Staates zu schaden“; 166 ) für diese Geschenke musste Sulzer*)
noch 6710 Rbl. auf die Gebrüder N ocker in München trassieren. 160 ) Zur
Rechnungsablegung über die ihm für die Mission nach Russland vorge¬
schossenen 76646 Gulden am 10. März 1801 aufgefordert, erklärte Herzog
a) Sulzer blieb Geschäftsträger in St. Petersburg mit 5000 Gulden Gehalt, machte
Alexanders I. Krönung in Moskau mit, wofür ihm Max Joseph durch Erlass vom
28. Juli 1801 15T ) 5000 Gulden vorschoss, wurde 1802 abberufen und erhielt 1803 bis auf
weiteres als Oberst k la suite jährlich 3000 Gulden Gehalt. (K. Kreisarchiv).
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248
Arthur Kleinschmidt
Wilhelm am 16. März: er habe davon nur 50000 erhalten und habe „in
der Voraussetzung, dass eine ordentliche Liquidation nicht gefordert werden
möchte, über diese verschiedenen Personen zur Verausgabung an vertrauten
Gelder, die überdies öfters mit seinen Privatgeltfern vermischt worden seien,
keine specificierte Rechnung aufnehmen lassen“. Die Summe musste darum
ohne weiteres „in Ausgabe dekretiert werden“, I58 ) was durch ein kurfürst¬
liches Reskript geschah. 15 y )
Bray war seit August 1800 Gesandter in London, wo er wegen der
britischen Subsidien wesentliche Dienste leistete; Möntgelas hatte ja schon
am 16. März 1800 mit Wiekham einen Subsidientraktat gegen Aufstellung
eines bayerischen Hilfskorps von 12000 Mann geschlossen, dem am 15. Juli
in Amberg eine Supplementarkonvention folgte. 1 * 10 ) Im Jahre 1802 wurde
Bray bevollmächtigter Minister in Berlin, wurde von da am 2. Oktober 1807
abberufen und 1808 ausserordentlicher Gesandter in St. Petersburg. Seit 1809
königlicher Staatsrat, wurde er am 20. Februar 1813 in den bayerischen Grafen¬
stand erhoben. Nach Ausbruch des Kriegs zwischen Russland und Frank¬
reich verliess er 1812 St. Petersburg und leitete 1813 den Beitritt zur Heiligeu
Allianz ein; von Dezember 1815—1823 war er bevollmächtigter Minister in
St. Petersburg, seit 1823 ausserordentlicher Gesandter in Paris und seit 1826
in Wien. Seit 1808 Mitglied der kgl. bayerischen Akademie der Wissen¬
schaften, schrieb er vielerlei, darunter eine dreibändige Geschichte von Livland
(Dorpat 1817), die vergessen ist. Kaum in den Ruhestand getreten, starb er
auf seinem Landgute Irlbach in Niederbayem am 3. September 1832. lßl )
Der Herzog Wilhelm, über dessen Mission Rechberg und Mont¬
gel as so wenig günstig urteilen, entschloss sich endlich am 12. Juni 1802 in
München dem Kurfürsten seinen Bericht zu erstatten; 162 ) er behauptet, die
traurigen Zeiten hätten ihn nicht früher dazu kommen lassen, er habe seiner¬
zeit alle Papiere zusammengerafft, um sie zu retten, und habe sie noch nicht
ordnen können. „Wenn die Formen meiner Aufnahme“, so schreibt er, „mir
von guter Vorbedeutung scheinen mussten, so genügte hingegen die erste Er¬
wägung über die Art der mir dort bereiteten Existenz, um mich der Hoff¬
nung zu berauben, ich könne all die allgemeinen Instruktionen des Instruk-
tionsmemoire vom 22. Juli 1799 erfüllen“. Das Schwierigste war, sich Kennt¬
nisse über ihrer Natur nach geheime Affären aus dem Innern des kaiser¬
lichen Palastes zu verschaffen, wo er sogar nachts von Beobachtern jeder
Art umgeben war, „Gatschina und Petersburg schienen endlos weit von ein¬
ander“. Die grössten Hindernisse kreuzten jede Verbindung mit dem diplo¬
matischen Korps, von dem er fast niemanden sah. Briefe des Kurfürsten und
des Ministeriums fehlten ihm völlig; er wusste nicht, wie es daheim mit der
Malteseraffäre weiter gehe, und konnte darum seine Instruktionen hierüber
nicht befolgen; desto grösser war, wie er sagt, sein Eifer für beide anderen
Objekte der Mission. „Die Erkaltung des Kaisers gegen die Coalition und
der Leichtsinn, mit dem sein unwissender und oberflächlicher Minister die
Geschäfte betrachtete, welche nicht direkt die Mächte ersten Ranges be¬
trafen, waren wenig günstige Präliminarien zum Erfolg beim Anträge einer
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Der Vertrag von Gatscliina. 249
Allianz zwischen beiden Höfen. Ich hätte daran verzweifeln müssen, wäre
mir das Gelingen nicht dadurch möglich erschienen, dass ich den Kaiser
durch Demonstrieruug der Macht des Kurfürsten blendete; dies steigerte
einerseits den Wert, den Seine Majestät auf die Etablierung seiner Tochter
legte, anderseits ebnete es dem Kaiser gar sehr den Weg zu einem seine
Ideen viel beschäftigenden Vorhaben. Er wollte nämlich unter seinem Banner
in Deutschland eine Partei bilden, die dazu diene, Russland zum Schieds¬
richter zwischen dem Könige von Preussen und dem römischen Kaiser zu
machen; Hass und Missachtung gegen beide Monarchen hatten mindestens
ebenso viel Anteil au dem Entstehen dieses Projekts wie sein ritterlicher Ehr¬
geiz“. Das Projekt hatte aber so wenig feste Form, dass Paul schon bei
der zweiten Unterredung Wilhelm frug, welchen Weg zum Ziele er wohl
am besten einschlüge; die Resultate des Projekts waren einige unzeitige
Schritte, und nach dem kriegerischen Missgeschicke in der Schweiz und in
Holland liess Paul die Idee fallen. Unterdessen ging Wilhelms Hoffnung
in Erfüllung: Rostoptschin brachte in kaiserlichem Aufträge die Heirats¬
kontrakte der Grossfürstinnen Alexandra und Helene Pawlowna*) und
ein Verzeichnis*') der an 100000 Rbl. betragenden Geschenke des Erbprinzen
von Mecklenburg-Schwerin; Wilhelm entwarf auf Pauls Wunsch selbst
ein Eheprojekt, sandte es Rostoptschin, 0 ) und Paul war damit sehr zu¬
frieden. Sobald Rostoptschin dem Herzoge von den Schritten bei Whit-
worth und Woronzow gesprochen hatte, schrieb derselbe au Haslang in
London. Da änderte sich mit einem Male die Lage. Paul wetterte bei
Wilhelm beständig auf „die feigen und treulosen Alliierten, für die er sich
nicht opfern wollte“, Rostoptschin spielte den Kranken und war nicht zu
sprechen, und Wilhelm musste sich schliesslich glücklich preisen, als er
von Rostoptschin die zwei Entwürfe zur Unterzeichnung und Besiegelung
erhielt/) so ungebräuchlich diese Form auch war. Die Umstände übten ge¬
bieterisch ihren Druck; machte der Herzog Schwierigkeiten, so stand der
ganze Handel in Frage. Da kam Graf Kotschubei, der bisher am Hofe
nicht erschienen war, und den Pan in bereits ersetzt hatte, an und erklärte
Wilhelm, er werde sich glücklich schätzen, wenn er seine Verwaltung noch
durch den Abschluss der Verträge illustrieren könne, und habe alles vorbereitet,
um dies zu erreichen. Tags darauf erfolgte die Unterzeichnung und, mit Ehren
überhäuft, reiste Wilhelm ab; nicht genug kann er Rechberg und Sulzer
loben, er behauptet direkt: „Ich habe keinen Schritt gethan, ohne den Rat
Baron Rechbergs eingeholt zu haben“.
Aufrichtig betrauert er „den Verlust Pauls, dieses loyalen Alliierten
und wärmsten Freundes des Kurfürsten“, er will ihm ewig dankbar bleiben
und bewundert an ihm „viele grosse und ausgezeichnete Eigenschaften, die
Nahestehende gleich ihm anerkennen mussten“.
Herzog Wilhelm starb, seit 1824 verwitwet, am 8. Januar 1837 in
Bamberg.
a) Sie liegen in Kopie bei. b) Desgleichen, c) Desgleichen, d) Desgleichen.
Bayer. Forschungen VI, 4. 17
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Quellennachweise,
1) Kopie (Kasten blau 427/36) G. St. A. in München.
2) Original (Kasten schwarz 577/1) G. St A. in München. 1. Mission ä Peters-
bourg 1797/99. Reichlin.
3) Freiherr von Reichlin-Meldegg, Geschichte der Familie Reichlin von
Meldegg, Regensburg 1881.
4) Rechnung kurpfälzischen Hofzahlamts München pro anno 1799 (Kgl. Kreis¬
archiv München).
5) Kgl. Kreisarchiv München.
6) Reichlin an Max Joseph. St Petersburg 18. Mai 1798. Orig. (Kasten
schwarz 577/1, Kasten schwarz 508/6).
7) Reichlin an M ax J oseph. St Petersburg 26. Juli 1798. Orig, (ebenda).
8) Kopie, (ebenda).
8a) Kopie, ohne Datum. Kasten grün 57/38.
9) Reichlin an Max Joseph. St. Petersburg 9. Dezember 1798. Orig, (ebenda).
10) 9. Dezember 1798 (s. vorstehend).
11) St Petersburg, 25. Dezember 17981 Orig. Kasten schwarz 577/1. G. St A.
12) Mannheim, 6. Februar 1799. Orig, (ebenda).
13) Du Moulin Eckart
14) St Petersburg 10. März 1799. Kopie (Kasten schw. 577/1).
15) Konzept, ohne Datum. (Kasten schw. 644/43).
16) St. Petersburg, 19. März 1799. Orig. (Kasten schw. 577/1).
17) D u Moulin Eckart.
18) Imersath, 29. März 1799. Orig. Reichlin an Max joseph. (K. schw. 644/43).
19) Imersath, 29. März 1799 (s. vorstehend).
20) Reichlin an Vieregg, Riga 26. März 1799. Orig. K. schw. 577/1.
21) K. schw. 644/43.
22) Reichlin an Vier egg, 26. März (s. oben).
23) K. schw. 644/43.
24) Reichlin an Vieregg. Riga 26. und Imersath 29. März 1799. Orig.
K. schw. 577/1.
25) Reichlin an Graf Montgelas, Memel 20. April 1799. Orig. (Ebenda).
26) 29. März 1799 (s. oben).
27) Montgelas an Reichlin, München 8. Mai 1799. Konzept. K. schw. 577/1.
28) Kopie im kgl. Kreisarchiv zu München.
29) Nähere Darstellung bei Du Moulin Eckart.
30) Instruktion für Herzog Wilhelm vom 22. Juli 1799 (Kasten rot 47/3).
31) Instruktion für Herzog Wilhelm (s. vorstehend).
32) Alexander au Max Joseph, Heidenhofen bei Donaueschingen 11. April
1799. Orig. (Kasten rot 47/3).
33) München, 16. Mai 1799, Kopie (K. schw. 398/34).
34) München, 17. Mai 1799, Kopie (K. schw\ 398/34).
35) Du Moulin Eckart — K. Th. Heigel in Allgemeine Deutsche Biographie
(Bd. XXVII, S. 493 — 496 ).
36) v. Martius, Akademische Denkrede auf Franz Gabriel Graf von Bray, ge¬
halten 1833 in der k. bayer. Akademie der Wissenschaften. Regensburg 1835.
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Der Vertrag von Gatschiua.
251
37 ) Regensburg, 19. Mai 1799. Orig. (K. schw. 398/34).
38) Ebenda.
39) Wilhelm an Max Joseph. Landshut 11. April 1799. Orig. (K. rot 47/3).
40) Wilhelm an Montgelas 11. April 1799. Orig, (ebenda).
41) Montgelas an Wilhelm 11. April 1799. Konzept (ebenda).
42) München, Kopie (K. r. 47/3).
43) München, Konzept (K. schw. 398/34).
44) Beides liegt nicht bei.
45) München, 21. Mai 1799, Konzept (K. schw. 398/34).
46) Du Moulin Eckart, Bd. 1, S. 108.
47) Die Bemerkungen Max Josephs datieren aus Nymphenburg vom 29. Mai 1799
(K. r. 47/3).
48) 23. Mai 1799, Orig. (K. r. 47/3).
49) 27. Mai 1799, Orig, (ebenda).
50) Orig, (ebenda).
51) Regensburg 28. Mai 1799, Orig. (K. schw. 398/34).
52) Kopie ohne Datum (ebenda).
53) Rechberg an Max Joseph, 28. Mai (s. oben).
54) Brief Max Josephs an Herzog Alexander, München 27. Juni 1799, Konz.
(K. r. 47 / 3 ).
55) Memoire sur les circonstances actuelles, Kopie (K. r. 47/3).
56) München, Konz. (K. schw. 398/34).
57) An Rechberg, München, Konz, (ebenda).
58) Regensburg, 7. Juni 1799, Orig, (ebenda).
N 59) Rechberg an Max Joseph, Regensburg 10. Juni 1799, Orig. (K. schw. 398/34).
60) Rechberg an Max Joseph, Regensburg 14. Juni 1799, Orig, (ebenda).
61) An Max Joseph, Heidenhofen, 18. Juni 1799, Orig. (K. r. 47/3).
62) München, 27. Juni 1799, Konz, (ebenda).
63) An Max Joseph, Heidenhofen, 29. Juni 1799, Orig, (ebenda).
64) Au Max Joseph, Heidenhofen, 4. Juli 1799, Orig, (ebenda).
65) An Herzog Wilhelm, München 25. Juni 1799, Konz. (K. r. 47/3).
66) Ohne Datum (ebenda).
67) Rechberg an Max Joseph, 24. Juni 1799, Orig. (K. schw. 398/34).
68) Rechberg au Max Joseph, Regensburg 3. Juli 1799, Orig. (K. schw. 398/34).
69) An Rechberg, 4. Juli 1799, Konz, (ebenda).
70) Rechberg an Max Joseph, 5. Juli 1799, Orig, (ebenda).
71) Rechberg an Montgelas, Regensburg 5. Juli 1799, Orig, (ebenda).
72) Rechberg an Montgelas, 9. Juli 1799, Orig, (ebenda).
73) Max Joseph an Alexander, 7. Juli I799, Konz., Alexander an Max
Joseph, 16. Juli 1799, Orig. (K. r. 47/3).
74) München, Konz, (ebenda),
75) Näheres bei Du Moulin Eckart Die Konvention steht in Martens Re-
cueil des traites, Supplement II, Göttingen 1802.
76) Kurfürstliche Geh. Rats-Akt 265/1. No. 15 im kgl Kreisarchiv, Kopien.
77) Kopie, 18. Juli 1799 (ebenda).
78) Rechberg an Marianne, München 13. und 15. Juli 1799, Orig. (Rech-
bergsches Hausarchiv).
79) Orig, (ebenda).
80) München, Konz. (K. r. 47/3).
81) München, 22. Juli, Konz, (ebenda).
82) München, 16. Juli, Konz, (ebenda).
83) K. r. 47 / 3 -
84) An Maria und Alexander, 16. Juli 1799, Konz, (ebenda).
85) Peterhof, 24. Juli 1799, Orig., von Paul signiert (ebenda).
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Arthur Kleinschmidt
86) München, 19. Juli 1799, Konz, (ebenda).
87) Landshut 26. Juli 1799, Orig, (ebenda).
88) Originalbriefe (ebenda).
89) Konzept (ebenda).
90) Max Joseph an Wilhelm, München, Konz, (ebenda).
91) In Kopie beiliegend (ebenda).
92) An Marianne, 3. August 1799, Orig. (Rechb ergsches Archiv).
93) An Marianne, 4. August, Orig, (ebenda).
94) 11. August Orig, (ebenda).
95) Ebenda.
96) Lübeck, 17. August an Marianne, Orig. (Rechbergsches Archiv).
97) Ebenda.
98) Rechberg an Marianne, Reval, 27. August, Orig. (R e chb er gsches
Archiv). Wilhelm an Max Joseph, Reval 26. August Orig. (K. r. 47/3).
99) Rostoptschin an Wilhelm, Pawlowsk, 17. August, Kopie (K. r. 47/3).
100) Reval, 30. August 1799, Orig. (K. r. 47/3).
101) Kreisarchiv in München.
102) München, Konz. (K. schw. 644/43).
103) K. schw. 577/2.
104) Max Joseph an Bray, Konz., München 1. Sept. (K. schw. 577/2); Befehl
Max Josephs, 2. Sept. (K. schw. 644/43).
105) Paul an Flachslanden, 15. August Kopie (ebenda).
106) München 25. August Konz. (K. r. 47/3).
107) Siehe auch Du Moulin Eckart (Bd. 1, S. 195).
108) Castel 16. September 1799, Orig. (K. schw. 577/2).
109) An Marianne, Reval 27. August Orig. (Re chb er gsches Archiv).
110) St Petersburg, 6. September, Orig, (ebenda).
m) Wilhelm an Max Joseph, Gatschina 9. September, Orig. (K. r. 47/3).
112) An Marianne, Gatschina 12. September, Orig. (Rechbergsches Archiv).
113) An Marianne, Orig, (ebenda).
114) Wilhelm an Max Joseph, Gatschina 12. Sept. 1799, Orig. (K. r. 47/3).
115) Gatschina, 10. September/30. August Orig, (ebenda).
116) Gatschina, 10. September/30. August, Orig, (ebenda).
117) Ohne Datum, Orig., mit ihrem Alliauzwappen gesiegelt (ebenda).
118) Gatschina 2. Oktober/21. September, Orig., ganz eigenhändig (ebenda).
119) München, 15. September, Konz, (ebenda).
120) München, 28. September, Konz, (ebenda).
121) München, 28. September, Konz, (ebenda).
121a) Gatschina, Orig, (ebenda).
122) Max Joseph an Wilhelm, München 23. und 28. September, Konz, (ebenda).
123) Russisches Original, Gatschina 1. Oktober/20. September. Mit grossem Wappen
in Oblate. Russisch und französisch. (Geh. St-A. in München).
124) Kopie (K. r. 47/3).
125) Kopie, Gatschina i. Oktober/20. September (K. r. 47/3).
126) Gatschina 2. Oktober/21. September, Orig., von Paul unterschrieben (K. r. 47/3).
127) Gatschina 2. Oktober/21. September, ganz Original (ebenda).
128) St. Petersburg 7. Oktober, Orig, (ebenda).
129) Kurf. Geh. Rats-Akt 265/1. No. 15 (Kreisarchiv in München).
130) Erlass Max Josephs vom 4. Dezember 1799, Kopie (ebenda).
131) St. Petersburg, Orig. (K. r. 47/3).
132) 8. Oktober, Orig, (ebenda).
133) An Montgelas, St. Petersburg 9. Oktober, Orig, (ebenda).
134) An Marianne, St Petersburg 8. Oktober, Orig. (Rechbergsches Archiv).
135) St. Petersburg 8 . Oktober, Orig. (Schw. K. 577/2).
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Der Vertrag von Gatschina.
253
136) Kopie (ebenda).
137) Briefe an Max Joseph und an Montgelas, Mitau 30. Okt, Orig, (ebenda).
138) Max Joseph an Herzog Wilhelm, München 18. Oktober, Konz. (K. r. 47/3).
Vgl. auch Du Moulin Eckart, Bd. I, S. 203.
139) Memel 25. Oktober, Orig. (R e chb e rgsches Archiv).
140) 16. November, Orig, (ebenda).
141) München, 29. November, 9. und 11. Dezember. Orig. (Rechbergsches Archiv).
142) Allgemeine Deutsche Biographie, Artikel Heigels. (Bd. XXVII, S. 493—496).
143) Bray an Max Joseph, 16. November, Orig. (K. schw. 577/2).
144) Bray an Max Joseph, 26. November, Orig. (K. schw. 577/2).
* 45 ) J 3 - Dezember, Kopie (ebenda).
146) 4. und 16. Dezember, Orig, (ebenda).
147) Max Joseph an Bray, 27. November und 17. Dezember, Kopien (ebenda).
148) 7. November 1799, Konz. (K. r. 47/3).
149) 30. November 1799, Konz., und 4. Dezember, Kopie (ebenda).
150) Empfangsbescheinigung Sulzers an Montgelas, München 28. November,
Orig. (Ebenda).
151) München, 24. November, Konz, (ebenda)
152) München, 22. November, Kopie (K. r. 47/3)
* 53 ) Original in rotem Samtbande, mit prachtvoller Goldkapsel, in der das kaiser¬
liche Wappen ruht, und mit silbernen Schnüren im Geh. St.-Archiv zu München.
154) Kurf. Geheime Rats-Akt. 265/1. No. 15, Kreisarchiv.
155) Montgelas an das geheime Ministerial-Finanzdepartement, München, 19. Febr.
1800 (ebenda) Orig.
156) Max Joseph an die Hauptkasse, 24. Februar 1800, Kopie (ebenda).
157) Kopie (ebenda)
158) Montgelas au das geheime Ministerial-Finanzdepartement, 22. April 1801,
Orig, (ebenda)
159) An das geheime Ministerial-Finanzdepartement, 27. Juli i8or, Orig, (ebenda)
160) Näheres bei Du Moulin Eckart, Bd. 1.
161) Von Martius, Denkrede (s. oben)
162) Eigenhändig unterschrieben. (K. r. 47/3).
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Die Annäherung
des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische.
Von
Friedrich Schmidt.
J^bwohl die verschiedene Stellung, welche die Angehörigen des Wittels-
bachischen Gesamthauses gegenüber der kirchlichen Reformation einnahmen,
nicht nur die beiden Hauptlinien desselben, die pfälzische und die bayerische,
sondern auch die verschiedenen Nebenlinien der ersteren teilweise in scharfen
Gegensatz zu einander brachte, erlosch doch das Bewusstsein der Zusammen¬
gehörigkeit der einzelnen Familien gruppen nie vollständig und wurde von
Zeit zu Zeit durch brieflichen Verkehr oder gegenseitige Besuche erneuert.
Wie nun gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts allmählich eine
immer vertrauter werdende Annäherung zwischen dem pfalz-neuburgischen
und dem herzoglich-bayerischen Hause stattfand, soll auf grund neuer archivali-
scher Forschungen 1 ) einer näheren Betrachtung unterzogen werden, die auch
kulturgeschichtlich nicht ohne Wert sein dürfte, da sie einen Einblick in das
gesellschaftliche Leben an den Höfen, sowie in die Art und Weise des Reisens
und des persönlichen Verkehrs fürstlicher Personen zu jener Zeit gewährt
Als die drei bayerischen Prinzen Maximilian, Philipp und Ferdi¬
nand sich Studien halber in Ingolstadt aufhielten, schickte Pfalzgraf Philipp
Ludwig aus seiner nahe gelegenen Residenz Neuburg a. D. im November
1588 seinen Hofmeister dorthin und Hess die jungen Herren zu sich auf die
Schweinshatz einladen. Prinz Maximilian setzte seinen Vater, Herzog
Wilhelm V., von dieser Einladung in Kenntnis und bat, indem er ver¬
sicherte, dass an seinen Studien nichts versäumt werde, um die väterliche
Entscheidung. 9 ) Wie diese ausfiel, wissen wir nicht Aber der Besuch unter¬
blieb vorläufig.
Im Juli des darauf folgenden Jahres wurde, wahrscheinlich auf eine
erneute Einladung hin, die Reise unternommen, nachdem der Vater den Prinzen
hiezu die Erlaubnis erteilt hatte. Sowohl Prinz Maximilian als auch sein
Bruder Philipp erstatteten dem Vater am 14. Juli Bericht über den Verlauf
der kurzen Reise und über die Aufnahme und Bewirtung, welche ihnen und
ihrem Bruder Fefdinand von seiten des Pfalzgrafen und seiner Familie zu
teil wurde. 8 )
Der Pfalzgraf hatte einen seiner Hofjunker nach Ingolstadt geschickt,
um den Prinzen „den Weg zu weisen“, und als er vernahm, dass die Prinzen
mit ihrem Gefolge nahen, schickte er ihnen noch mehrere Hofjunker entgegen,
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Die Annäherung des pfalz-neuburgisehen Herzogshauses an das bayerische. 255
um sie feierlich begrüssen zu lassen. Als man „schier auf eine viertel Meile
zu dem Schloss gekommen war“, kam der Pfalzgraf selbst mit seinen zwei
ältesten Söhnen Wolf gan g Wilhelm und Otto Heinrich, von denen der
eine 11, der andere 9 Jahre alt war, ihnen entgegengeritten. Die gegenseitige
Begrüssung fand in lateinischer Sprache statt. Dann ritt man nach dem
Schlosse. Auf der Treppe wurden die Gäste von der Pfalzgräfin, ihren
Töchtern und dem „Frauenzimmer“ empfangen. Bei dem darauf folgenden
Essen hatten die fremden Gäste den Vorsitz. Nach dem Essen zog man auf
die Jagd und „fieng“ mehrere Hirsche, von denen Prinz Maximilian selbst
eineu schoss. Als sie heim kamen, „ist es Zeit zu dem Nachtessen gewesen“.
Am andern Morgen hörten die fremden Prinzen Messe in ihrem Zimmer,
worauf man um 9 Uhr zum Essen ging. Darnach wurden verschiedene
Jagden abgehalten, sodass man erst „spät nach acht Uhr heim kam“, worauf
die Gäste in ihrem Zimmer privatim speisten.
Am dritten Tag hörten die fremden Prinzen schon früh um 4 Uhr
Messe und zogen dann mit dem Pfalzgrafen in ein benachbartes Dorf, 4 ) wo
man „unter Zelten“ frühstückte. Dann begann die Jagd, auf der 8 Hirsche
„gefangen“ wurden, von denen Maximilian allein 3, und zwar einen durch
den Kopf, schoss. Nach der Jagd fand im Schlosse das Essen statt, welches
„zwei grosse Stunden währte“. Prinz Philipp teilt seinem Vater sogar die
Ordnung mit, in der man zu Tische sass: Prinz Maximilian und er sassen
„oben an“; ihm zur linken sass die Pfalzgräfin, der Pfalzgraf, dessen Schwester,
Prinz Wolfgang Wilhelm, ein „Fräulein“, dann Prinz Otto Heinrich,
„das andere Fräulein“ und Astor Leoncelli, der französische Sprachlehrer
des Prinzen Maximilian; auf der andern Seite sass Prinz Ferdinand
oben, nach ihm ein Vorschneider, dann P. Gregorius, der Beichtvater der
bayerischen Prinzen, Quirinus Leoninus, der Lehrer der Prinzen, dann
P. Everardus, der ebenfalls im Gefolge der bayerischen Prinzen sich befand,
hierauf der andere Vorschneider, Dr. Fickler, der Privatlehrer des Prinzen
Maximilian, dann Funck, der Kammerdiener der bayerischen Prinzen,
zuletzt „der Statthalter und der von Pappenhaim“.
Nach dem Essen wurde Abschied genommen, und die fremden Gäste
zogen befriedigt wieder nach Ingolstadt Der Pfalzgraf hatte am dritten
Morgen jedem der Gäste „einen spitzigen Diamant“ verehrt „mit freilicher
Entschuldigung, dass er sie nicht besser traktiert“ habe. Die bayerischen
Prinzen schenkten dem Prinzen Wolf gan g Wi 1 heim die Dialoge des Pon-
tanus, 6 ) „gar schön eingebunden“, und dem Prinzen Otto Heinrich die
Litaniae de Passione D ni et B. Mariae ex scriptura sacra; „doch hat solches
der Herr Quirinus zuvor mit ihrem Praeceptor konferiert“. Mit dem ältesten
der pfälzischen Prinzen wurde die Unterhaltung lateinisch gepflogen; jedoch
hat er „lieber lateinisch gefragt als geantwortet“. Prinz Maximilian schreibt
seinem Vater, dass der Pfalzgraf „in Reden und Conversation gar bescheideutlich
gewesen und von Religionssachen nichts sich merken lassen“; was er mit
ihnen geredet habe, sei „gemeiniglich vom Jagen oder neuen Zeitungen ge¬
wesen“. Hingegen meint Prinz Philipp, dass „es schad sei, dass die jungen
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Friedrich Schmidt
Vettern nicht katholisch sind; denn sie sonst fromm und freundlich seien“.
Derselbe Prinz berichtet: „Soviel die Religion belangt, hat der Pfalzgraf einmal
in dem Wagen gesagt, die patres 6 ) hätten gar einen neuen Orden; auf welches
ihm geantwortet worden, dass ihr ordo ebenso alt sei als des Luthers neue
Religion und führen nicht einen neuen Glauben wie der Luther, sondern
den uralten katholischen Glauben; denn wiewohl ihr Orden an ihm selbst
neu ist,, so führen sie dennoch keinen anderen Glauben als die Katholischen
zu allen Zeiten an allen Orten gehabt. Sonst ist im wenigsten kein Meldung
geschehen und also sein wir Gott Lob friedsam von einander zogen. Den
fratribus und D"°Quirino hat er sonderlich vor andern grosse Ehr erzeigt.
In Summa hat uns gar freundlich und stattlich tractiert“. Weiter schreibt
Philipp seinem Vater: „Es hat uns aber nichts mehr verdrossen, als dass
wir den Predikanten haben müssen hören zu Tisch beten. Am Mittwoch
haben sie wohl ein Predig gehabt und uns dazu geladen; wollten aber lieber
uns zerhacken lassen, als ihre Predig oder Blasphemias anhören. Der P. Ever-
hardus und D. Fi ekler sein wohl darzu gangen; denn sie licentiam haben;
nichtsdestoweniger hat der Herr Quirinus nicht wollen dazu kommen“.
Maximilian berichtet: „Pater Gregorius hat des Pfalzgrafen Predikanten,
welcher ein Doctor theologiae sein will, 7 ) wohl eingeschenkt 8 ) und dahin ge-*
trieben, dass er ihm nichts mehr hat antworten können“.
Während in den folgenden Jahren der freundschaftliche Verkehr zwischen
dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig und dem Herzog Wilhelm brieflich
fortgesetzt wurde, gerieten der bayerische Hofrat Dr. Fi ekler und der
pfälzische Hofprediger M. Jakob Heilbrunner in theologischen Schriften
mit einander in einen heftigen Streit, der auch in den Briefen ihrer beider¬
seitigen Herren zum Ausdruck kam. 9 ) Im August 1591 stellte der Pfalzgraf
dem Herzog in Aussicht, dass er ihn gelegentlich einer Reise nach Würzburg
demnächst besuchen werde. ,0 ) Ob er seinen Plan ausführte, wissen wir nicht
Zwei Jahre darauf aber statteten die Prinzen Philipp und Ferdinand
dem pfalz-neuburgischen Hof einen neuen Besuch ab, worüber Ferdinand
au seinen Vater, den Herzog Wilhelm, von Regensburg aus am 4. Sep¬
tember 1593 schrieb. 11 ) Er beruft sich auf ein weitläufiges Schreiben seines
Bruders Philipp, aus dem der Vater bereits alles erfahren haben werde, er¬
wähnt aber dann, dass der Pfalzgraf, als sie bei einander am Tisch sassen,
sich ungnädig über den Streit Fickl ers und Heilbrunners ausgedrückt
habe. Da aber weder der Bericht des Prinzen Philipp vorliegt, noch im
Briefe seines Bruders Ferdinand weitere Mitteilungen gemacht werden, sind
wir über diesen Besuch der bayerischen Prinzen am pfalz-neuburgischen Hofe
nur mangelhaft unterrichtet.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Verkehr zwischen den beiden
verwandten Fürstenhäusern in freundschaftlicher Weise fortgesetzt wurde, dass
sich aber trotz alledem der religiöse Gegensatz bisweilen in unangenehmer
Weise geltend machte.
Die nächsten Jahre führten grosse Veränderungen am Münchener Hofe
herbei; Prinz Maximilian übernahm, nachdem sein Vater Wilhelm sich ins
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Die Annäherung des pfalz-neu burgischen Herzogshauses an das bayerische. 257
Privatleben zurückgezogen hatte, im Oktober 1597 die Regierung des Landes.
Sein Bruder Philipp, „der Kardinal von Bayern“, starb im Jahre 1598 vor
vollendetem 22. Lebensjahre. Ferdinand residierte seit 1595 als Koadjutor
seines Oheims, des Erzbischofs und Kurfürsten Ernst, in Köln.
Die Söhne und Töchter des Pfalzgrafen Philipp Ludwig waren
stattlich heran gewachsen und sorgfältig erzogen. Insbesondere erfreute sich
der älteste seiner Söhne, Wolfgang Wilhelm, bei allen Höfen, die er seit
erlangter Grossjährigkeit besuchte, allgemeiner Beliebtheit. 12 ) In den ersten
Tagen des Jahres 1600 schickte Herzog Maximilian einen ausserordentlichen
Gesandten, Wolf Sigmund von Haunsperg, mit gleichlautenden Em¬
pfehlungsschreiben an den Pfalzgrafen Philipp Ludwig, die Pfalzgräfin
Anna und ihren Sohn Wolf gang Wilhelm nach Neuburg. Ähnliche
Schreiben überbrachte Haunsperg von der Herzogin Elisabeth, der
Gemahlin des Herzogs Maximilian. Pfalzgraf Philipp Ludwig dankte
sofort nach Empfang des Gesandten dem Herzog und der Herzogin für das
übersandte „Kredenzschreiben“.
Bald darauf wurden Vorbereitungen zu einer Reise des Prinzen Wolf¬
gang Wilhelm nach München getroffen, woraus wir schliessen können,
dass Haunsperg eine Einladung des bayerischen Herzogspaares an den
neuburgischen Pfalzgrafen mündlich überbrachte. Am 20. und 23. Januar 18 )
fanden Sitzungen des geheimen Rates statt, in denen eine Reihe von Fragen,
die die bevorstehende Reise des Prinzen betrafen, vom Pfalzgrafen beantwortet
und alle darauf bezüglichen Beschlüsse gefasst und protokolliert wurden.
Als Begleiter des jungen Pfalzgrafen wurden auserlesen Claus Peckhadel,
Pfleger zu Lauingen, Wolf Heinrich Lemble, Landvogt in Neuburg, und
Ludwig Veit Fuchs von Bimbach, Landrichter zu Graisbach und Pfleger
zu Monheim, als Hofmeister des Prinzen Wolf gan g Wi lh elin. Für diese
wurde eine ausführliche Instruktion, nach der sie sich auf der bevorstehenden
„Spazierreise“ des jungen Herren in allen Punkten zu richten hatten, ent¬
worfen, gutgeheissen und im Original ausgefertigt. Der Eingang dieser
Instruktion bezieht sich auf die Instruktionen und Memorialien, die sowohl
dem Prinzen als auch dessen Begleitern bei früheren Reisen erteilt worden
seien, und spricht die Hoffnung aus, dass der Prinz, nachdem er „zu Dero
zimblicheu Jahren und Verstand gelangt“ sei, „vor sich Selbsten als ein wohl
erzogener, christlicher junger Fürst sich auf dieser Reise fürstlich, wohl und,
wie sichs geziemt, insonderheit aber gegen denen der Zeit zu München an¬
wesenden fürstlichen Personen aller Gebühr nach zu verhalten und zu accommo-
dieren Ihro mit soliderem Fleiss angelegen sein lassen“ werde. Dann wird
die moralische Beaufsichtigung des Prinzen seinen Begleitern zur Pflicht
gemacht und dabei bestimmt: „dass auch ermelter unser Sohn mit fürstlichen
oder anderen Personen sich nicht in hitzige disputationes, sonderlich in
Religions- und Kriegssachen, einlasse, indem er fürnehmlich nur zuhören
oder gleichwohl also vernünftig und bescheidenlicli davon Red und Antwort
geben soll, dass nicht etwa den Affekten nach daraus präsumirt werden möge,
als gedächte er einem oder dem andern Teil, soviel die politische Händel
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Friedrich Schmidt
258
betrifft, dadurch mehr oder weniger zu favorisiren oder abzulegen“. Dann
wird dem Medicus Dr. Johann Oberndorfer, der ebenfalls den Prinzen
zu begleiten hatte, dessen körperliches Wohl ans Herz gelegt Der Kammer¬
diener Johann Rummel und Cancellist Leonhard Mayr haben neben
dem beigegebenen Mundschenk für den Wein des Prinzen zu sorgen. Die
sämtlichen Begleiter des Prinzen sollen „auch jedesmals, an was Orten oder
Enden sie seien, wo möglich auf das nächst zu unserem Sohn logieren und
also Tags und Nachts bei ihm sein und bleiben; zum wenigsten aber soll
sein bestellter Hofmeister alle Nacht bei ihm in der Cammer liegen, damit
er in alle Fäll, was sich etwa begeben möchte, die Seinigen bei sich haben
und desto besser verwahrt sein möge“. Ferner heisst es: „Es sollen auch
unsere zugeordnete Räte weder unter den Junkern noch Knechten oder anderm
Gesinde das Gottslästern, überflüssig Trinken, Unzucht und Leichtfertigkeit
in Worten und Werken oder auch onnötiges Disputieren gegen Fremden, es
belange gleich die Religion- oder Kriegssach, wie auch das Zanken oder
Balgen nicht zusehen oder gestatten, sondern dies alles bei all den Unsern
gänzlich mit Ernst abstellen und verhüten“. „Es soll auch im Essen, Trinken
und allem andern von den Junkern sowohl als den Knechten und anderm
Gesinde gute Ordnung gehalten, kein Überfluss in nichten gebraucht oder ge¬
stattet, wie auch das Abtragen und unnützlich Verschwenden abgestellt werden“.
Was die Ausgaben anbetrifft, solle der Hofmeister und die übrigen
Beigeordneten dafür sorgen, dass „durchaus kein Übermass gebraucht, mit
dem Geld Tätlich umgegangen und alles soviel möglich aufs genaueste ein-
gezogen, auch durch den Cammerdiener Rummel über alle und jede ge¬
schehene Ausgaben zur Wiederkunft ordenliche und verantwortliche Rechnung
gethan werden“.
Nach mehreren Bestimmungen über aussergewöhnliche Vorfälle und
über den Verkehr mit den Dienern und Räten des bayerischen Herzogs wird
die Dauer des Aufenthaltes am herzoglichen Hofe bis längstens zum Ascher¬
mittwoch festgesetzt. Zum Schluss heisst es: „Und dann sollen sie uns auch
zu ihrer glücklichen Wiederkunft, wie es auf dieser ganzen Reise in allem
ergangen, was ihnen und zuvorderst unserm Sohn überall begegnet, ob und
was für andere Fürsten und Grafen allda sich zur Stelle gefunden, was für
Ritterspiel und andere Kurzweil gehalten und getrieben worden, wie man
tractiert, und dergleichen mit Wiederüberbringung dieser unserer Instruction
davon gebührende Schrift- und mündliche Relation thuen“ u. s. w. „Signatum
Neuburg an der Thonaw u. s. w. 23. Januarij Anno 1600. Philipp Ludwig
Pfalzgraue.“ Bei Verlesung der Instruktion waren zugegen der Pfalzgraf und
sein Sohn, der Neuburgische Hofmeister Th. von Stralnfelss und die drei
im Eingang der Instruktion genannten Begleiter des Prinzen.
Ferner wurde „ein Verzeichnus, wass uff der Raiss nach München und
daselbsten zu verehren“, an gefertigt und dem Prinzen und seinen Begleitern
übergeben. In demselben ist genau vorgeschrieben, was man in Pfaffenhofen,
Bruck, München, Starnberg, „im Fall man dahin komme, oder wo man von
einander scheid“, ferner in Dachau, Aichach und Pöttmes an Trinkgeldern
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Die Annäherung des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 259
und sonstigen Geschenken verehren solle. Die Gesamtsumme aller dieser
„Verehrungen“ auf der ganzen Reise beträgt 356 fl. 43 Kr.
An demselben Tage, an dem die obenangeführte Instruktion ausgefertigt
wurde, gingen zwei Schreiben des Pfalzgrafen Philipp Ludwig, eines an
den Herzog Wilhelm, das andere an Herzog Maximilian, ab. In dem
ersten ist mitgeteilt, dass der Vater seinem Sohne Wolf gang Wilhelm
erlaubt habe, den Münchener Hof zu besuchen, da „wir unsers Teils von
Herzen wohl geneigt und erbietig, die hergebrachte vetterliche gute Ver¬
standnus und Vertreulichkeit nicht allein für unsere Person durch Gottes
Gnad mit E. L. 14 ) und allen Dero Zu- und Angewandten beständiglich zu
continuieren, sondern dieselbige auch, soviel an uns, auf unsere beiderseits
Posterität und liebe Nachkömmlinge zu transmittieren und fortzupflanzen“.
Mutatis mutandis wurde dieses Schreiben auch an Herzog Ferdinand in
Bayern, den Bruder des Herzogs Wilhelm, abgesandt. In dem an Herzog
Maximilian gerichteten Schreiben dankt der Pfalzgraf zunächst für die
Einladung, die jener dem Pfalzgrafen, seiner Gemahlin und seinen Kindern
habe zukommen lassen; da er selbst aber „der im Weg liegenden Ungelegenheit
halben“ von der Einladung keinen Gebrauch machen könne, so habe er seinem
ältesten Sohn Wolfgang Wilhelm erlaubt, nach München zu reisen, damit
dieser dort „der nahenden Verwandtnus halben sich geziemender Gebühr nach
desto bekannter mache“; er hoffe, dass sein Sohn sich wohl verhalten werde,
und bitte, falls irgend ein Mangel sich ergebe, diesen der Jugend desselben
beizumessen. Auch die Pfalzgrafen Johann von Zweibrücken, Otto Heinrich
von Sulzbach und Karl von Birkenfeld, alle drei Brüder des Herzogs von
Neuburg, wurden von dem Vorhaben des Prinzen Wolfgang Wilhelm in
Kenntnis gesetzt.
Nach solchen Vorbereitungen brach Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm
mit seinem Gefolge am 25. Januar von Neuburg auf und ritt gegen Pfaffen¬
hofen zu. Da man unterwegs die Grenze des neuburgischen und bayerischen
Gebietes überschreiten musste, hatte der bayerische Herzog „drei vom Adel“
ausgeschickt, um die Gäste an der Grenze gebührend zu empfangen. Dabei
ergab sich eine für unsere Begriffe kleinliche Streitfrage darüber, ob die
Gäste diesseits oder jenseits der Grenze begrüsst werden sollten, indem man sich
auf die „zwischen Bayern und Pfalz aufgerichtete Verträge“ berief. Als diese
Frage durch Nachgiebigkeit der Bayern entschieden war, ging die Reise weiter
nach Pfaffenhofen, wo der Pfalzgraf „in eine Herberge geführt, stattlich tractiert,
freigehalten und ausgeleset 16 ) worden, wie dann die Köche und Silberknechte
von München hingesandt gewest.“ In dem vorhin erwähnten Verzeichnis der
„Verehrungen“ war festgesetzt worden, dass in Pfaffenhofen in der Herberg,
„da Ir Frl. Gd. werden pernoctiren“, 2 fl. und dem Gesinde 30 Kr. ver¬
abreicht werden sollen. „Musicanten und Spielleuten, da sie sich würden
anmelden, nachdem ihrer viel oder wenig, sollten ungefährlich wie hievor
1 fl. oder 1 Thaler“ bekommen.
Am nächsten Morgen wurde der Pfalzgraf „durch obgemelte Geleits¬
leute“ nach Bruck gebracht, wo man mittag speiste. Für den Wirt war im
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Friedrich Schmidt
„Verzeichnis der Verehrungen“ i Thaler Trinkgeld festgesetzt. „Da Pferd
fürgespannt wurden, dem Knecht 15 Kr., einem Mezger oder andern, so den
Weg weisen thut, 12 Kr.“
Als man in die Nähe von München kam, wurden die Gäste von
Herzog Maximilian und seinem Bruder Al brecht, die „ungefähr eine
viertel Meile von der Stadt mit 150 Pferden und dreien Gutschen sambt
einem Schlitten entgegen herausser gekommen waren,“ begrüsst und „mit nacher
München an der Stadt herum in die neue Veste 16 ) geführt.“ „Sein auch
glücklich uud wohl mit Gottes Hülfe alldorten gegen Abend um 5 Uhren
eingelangt, an welchem Ort Ihre f. G. 17 von Herzog Maximiliani Gemahel
und Dero f. G. zwo Schwestern in dem Hof empfangen worden.“ Die
jüngere der beiden eben genannten Prinzessineu war Magdalena, die
spätere Gemahlin des Pfalzgrafen, die damals noch nicht 13 Jahre alt war.
Herzog Ferdinand schickte sogleich seinen Hofmeister Löbel zu den
Gästen und liess sich entschuldigen, dass er ihnen nicht entgegengeritten
sei, da er „etwas schwach gewesen.“ „Nach solchem ist man zur Tafel
gangen und weiter nichts fürgenommen worden“.
Am nächsten Tag, Sonntag morgens, schickte Herzog Maximilian
zum Pfalzgrafen und liess anfragen, ob er nicht mit ihm eine Predigt hören
wolle. „Demselben Gesandten ist zur Antwort worden, Ihre f. Dht. 18 würde
Zweifels ohne auss dem überschickten Futterzettel 19 ) vernommen haben, dass
unser gnädiger Fürst und Herr selbsten einen Predigeanten mit hätte; wollten
demnach S. f. G. in dem Gemach bleiben und von demselben Predig hören.
Darbey ist es verblieben und hat unser gnediger Fürst und Herr in Dero
Gemach predigen lassen.“ Der junge Pfalzgraf erfüllte somit den Wunsch
seines Vaters, welcher in die den Begleitern seines Sohnes mitgegebene
Instruktion folgende Bestimmung hatte aufnehmen lassen: „Es soll auch
unser geliebter Sohn, soviel die Predigten göttlichs Worts belangt, es damit
jederweil also anzustellen sich befleissigen, dass, wann unsere geliebte Vettern,
die Herzogen in Bayern, sonderlich aber Herzog Maximilian, Mess oder
Predigten halten lassen werden, er durch den mitgegebenen unsern Hofprediger
an Sonn- und anderen gewöhnlichen Predigtägen auch eine christliche
Predigt aus Gottes Wort halten lasse“.
Nachdem im Verlaufe des Vormittags die Herzoge Maximilian,
A 1 b r e c h t und Ferdinand den Gast begrüsst hatten, führte Herzog
Albrecht nach eingenommener Mittagsmahlzeit den Pfalzgrafen in die
herzogliche Kuustkammer, wo ihm alles gezeigt wurde, „was allda zu sehen.“
Dort fand sich auch Herzog Maximilian ein, der seinen Gast noch in
die Harnischkammer geleitete.
„Montags den 28. ist ein Ringrennen 20 ) gehalten worden; haben Ihre
f. Dht. ein damascierte Cardalass 21 ) zum Besten geben, aber wiederum ge¬
wonnen und hernach wiederum eine Curier 22 ) darum zu thun verwilliget, und
weiln alle Renner, deren bis in die 21 gewesen, des Rings gefehlt, ist er¬
kennt, dass unserm gnädigen Fürsten und Herrn solche Wehr zugestellt werde,
wie beschehen, welche auf ein Hohes geschätzt worden“. Auch hierüber ent-
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Die Annäherung des pfalz-neuburgiselien Herzogshatises an das bayerische. 261
hält die öfters angeführte Instruktion der Begleiter des Pfalzgrafen Wolf¬
gang Wilhelm eingehende Vorschriften. Dabei heisst es: „So lassen wir
es zu seiner Gelegenheit gestellt sein, ob er sich in einem und dem andern
solchen Ritterspielen auch exercieren und dabei sein Bestes thun möge.“
Am 29. Nachmittags ritt der Pfalzgraf mit Herzog Maximilian,
Ferdinand und Albrecht auf die Enten- und Krähenjagd, „bey welchem
baissen as ) Ihre f. G. ein guten Lust gehabt“
Am nächsten Nachmittag führten die Herzoge Maximilian und Al¬
brecht ihren Gästin das Antiquarium und in den Lustgarten, hierauf in das
Jesuitenkollegium, wo „etliche Jungen 24 ) Ihre f. G. auf unterschiedliche Sprachen
salutiert und ein kleines Gespräch gehalten.“ Auch „der Kirchen Geschmuck“,
die neuerbaute prächtige Jesuitenkirche, 25 ) wurde dem Pfalzgrafeu gezeigt
An demselben Tage liessen die drei Begleiter des Pfalzgrafen, Peckadel,
Lemble und Fuchs, ihren ersten Bericht an den Pfalzgrafen Philipp Lud¬
wig über die bisherigen Vorgänge auf der Reise abgehen. Gleichzeitig schrieb
auch der junge Pfalzgraf einen ausführlichen Brief an seinen Vater, in welchem
er ihm seine Aufnahme schilderte und versicherte, dass die bayerischen Herr¬
schaften, „gleichwohl nichts liebers hätten sehen mögen, als dass E. Gg. sich
eigener Person hätten einstellen und sie sich mit denselben freundlich er-
gezen und besprechen mögen; weil es aber in dissmaln nit gesein können,
alss verhoffen sie, beede Euer Gg. werden auf künftige Gelegenheit dasselbe,
so iezt nit beschehen mögen, ins Werk zu richten nit underlassen.“ Pfalz¬
graf Philipp Ludwig antwortete sofort nach Empfang dieser Berichte so¬
wohl seinem Sohne als auch dessen Begleitern. Am 1. Februar wurde ein
„Müncherischer Curier“ mit beiden Schreiben von Neuburg abgesandt
Mittlerweile wurden die Unterhaltungen am Münchener Hofe fortge¬
setzt. Am 31. Jan. führten die drei bayerischen Herzoge ihren Gast auf die
Reiher- tlnd Entenbeitz.
Am 1. Pebr. ritt der fremde Herr durch die Stadt, „dieselbe zu be¬
sehen“; Nachmittag war Stahelschiessen. 26 )
Am nächsten Tag hörte der Pfalzgraf eine Predigt; nach der Mahlzeit
fand ein Ring- und Quintanenrennen a7 ) statt, „bey welchem Rennen Ihre fl.
Dhl. und Anthoni F ucker mandanirdt“. 29 ) Hierüber enthielt die den Be¬
gleitern des Pfalzgrafen mitgegebene Instruktion folgende Vorschriften: „Die
Ritterspil, allss da sein mögen zum Ringl, Quintan uundt paglia Rennen, 29 )
Fuessthurnier 30 ) unndt dergleichen belangendt, wann unnser Sohn denselbigen
beywohnen wurde müessen und vernehmmen khan, das unnser Vetter Herzog
Maximilian etc. selbsten mitrennen unndt sich darunder gebrauchen lassen
will, solliche Ritterspil auch ohnmascerirt verrichtet werden dörffen, unndt er
unnser Sohn sambt den seinigen sich darzue gefast befindet, So lassen wir
es zur seiner Gelegenheit gestellt sein, ob er sich inn ainem unnd dem andern
sollichen Ritterspilen auch exerciren unndt dabei sein bestes thun möge. Das
manteniren aber in specie, sonnderlich zum Ringelrennen uundt im Fuess¬
thurnier betreffende khan er sich zwar desswegen anfangs inodestiae ergo allss
noch ain Junger Fürst gebürlich wol entschuldigen; uff den Pall es aber an
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Friedrich Schmidt
Ine so hoch begert werden sollte unndt er sich sambt seinen leutten an
Pferden unnd sonnsten darzue nach gelegenheit qualificirt befinden würdet,
So mag er sich alssdann neben Herzogen Maximiliano etc. unnd den
andern Fürstlichen Personen zue ainem Mantenitorn auch wol gebrauchen
lassen unnd sein hail versuechen. Sonnsten aber ausser dess Mantenirens soll
er bey dem Ringelrennen über die 20 oder zum höchsten 30 Dhaler oder
Gulden werth mit ainem andern nit rennen. Wurden sich aber inn aim solli-
chen fall andere Junge anwesende Fürsten mit ainem wenigem erzaigen, So
waist unnser Sohn sich auch darnach zu reguliren unndt zu richten.“
„Wann man auch etwan inn zeitt unnsers Sohns anwesens zue München
Inn der mascera gehen wurde unndt es an Ine unnsern Sohn Inn sollcher neben
Herzogen Maximiliano oder andern anwesenden Fürsten auch mit zue gehen
begert werden sollte, So mag er es mit gueter beschaidenhait auch nit ab-
schlagen unndt dabey vermelden, weil es Ihren Ld. allso gefellig, So wollte
er gleich auch mitgehen unndt Ihren Ld. gebürlich uffwarten.“
Am 3. Februar, der abermals ein Sonntag war, hörte. der Pfalzgraf
wieder Predigt; dann nahm er den „Mittagimbiss“ allein in seinem Gemach.
Nachmittags fand ein Fussturnier auf dem Markt 31 ) statt, „in welchem sich
Herzog Albrecht auch gebrauchen lassen, und ist solcher Durnier stattlichen
und wohl abganngeu; den sich die anwesenden Ritter sehr stattlichen herauss
gebutz; den der geringste seine Invenzion 32 ) von goldt, Silber und seyden
machen lassen“. Auch die Invention und das ganze Auftreten des Pfalzgrafen
war derartig, dass „hoch und nieder Standt ein freüdt gehapt“ und er den
Mascalandauk 88 ) davon trug. Am Abend wurde ein Tanz gehalten, wobei
dem Pfalzgrafen ausser dem eben genannten Dank auch der „Spiessdank“
durch die bayerischen Prinzessinnen Mari an na und Maria Magdalena
überreicht wurde.
Am 4. Februar wurde ein „Balienrennen“ abgehalten, bei dem aber
„keine fürstliche Person mit gerannt, und sein deren, so gerandt, vierzehen
gewesen“.
„Den fünfften ist man zu der Quindanen in der Rüstung gerandt, aber
widerumben kein fürstliche person mit gerandt auss Ursachen, das denselben
die Rüstungen an den Helmlinen 84 ) zue kurz gewest“.
Am Mittwoch den 6. Februar verabschiedete sich der Pfalzgraf von
seinen Münchener Verwandten, wobei er von Herzog Maximilian und dessen
Bruder Albrecht an den Schlitten begleitet wurde. Kurz zuvor hatte der
bayerische Herzog seinem Gast ein schönes graues Pferd aus seinem Gestüt
mit einem grünseidenen, goldgestickten „Zeug“ verehren lassen. Für diesen
Fall war in dem Verzeichnis der zu machenden Geschenke vorgesehen: „Wann
man Pferd verehren wurde, dem Stallmeister, nach dem das Pferd ist, auch
nach dem der Schmuckh“, einen Becher im Wert von 25 fl. zu verehren;
wenn aber „das Pferd sambt dem Geschmuckh, wie zu vermueten, so köstlich
erachtet“ würde, könne man den Wert des Gegengeschenkes auf „die 30 oder
etlich und dreissig Gulden“ erhöhen.
Der Heimweg ging über Dachau, wo Mittag gespeist und das Schloss
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Die Annäherung des pfalzneuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 263
besehen wurde, nach Aichach, 86 ) wo man übernachtete. Für Dachau wurde
„dem Pfleger im Schloss 3 fl., zwayn Kellern 8<t ) von München, so dahin ver¬
ordnet, 1 fl., dem Thorwart 1 fl., in die Herberg, dabei das Gesind gespeist
wird, 1 fl. 30 Kr., dem Gesind 20 kr., in die ander Herberg, darinnen Gesind
gespeist wird, 1 fl., dem Gesind 20 Kr., in Summa 8 fl. 10 Kr.“ zu geben
verordnet. In Aichach solle „des Pflegers Hausfrauen, wofern man im Pfleg¬
haus ligt“, ein Ring im Wert von 4 fl„ „dem Gesind 1 fl., in die Herberg
1 fl. 30 Kr., dem Gesind 20 Kr., in die Herberg zum N. 1 fl., dem Gesind
20 Kr., den Turnern 87 ) 24 Kr., den Singern 1 fl., in Summa 9 fl. 34 Kr.“
verehrt werden. Für Pöttmes, welches auf dem Weg von Aichach nach
Neuburg passiert werden musste, und wo man Mittag speiste, war bestimmt:
„Wann man ihm Schloss abstehet, 88 ) soll verehrt w r erden 6 fl. Wann Castner
.von Dachau mit biss gehn Bettmess reutt unnd ausslöst, 6 fl., zweyen
Wirten, da man das Gsind speist, jedem 1 fl., und dem Gsind 15 Kr.“, zu¬
sammen 14 fl. 30 Kr.
Ausser diesen Verehrungen sind noch folgende im voraus festgesetzt
worden: In München „wer Buecher, tractättlein oder anders verehrt, dem möcht
nach Gelegenheit der Umbständ, der Person oder des Buchs Verehrung ge¬
schehen, den Statt Turnern daselbsten 2 fl., den beeden Gärtnern wirts diser
Zeit nit bedürfen, ist zuvor 6 fl. verehrt worden. Wann man einen Plattner 8ö )
gebrauchen wirt, soll demselben nach Gelegenheit seiner Muhe ein oder zween
Gulden verehrt werden; dem Rüstmeister daselbsten 4 fl., inns Zeughaus 3 fl.,
inns Hauss, darinn die Antiquitates, 1 fl. 30 Kr., in die Kunstkammer 6 fl.;
Wann Herzog Wolff Wilhelm etwann von Herzog Wilhelmen oder Herzog
Ferdinanden Inn Bayrn etc. geladen werden solte, alssdann inn das Hauss
zu verehm 6 fl. oder 6 taler. Inn der Herberg, darinn meins gnedigen
Fürsten unnd Herrn Pferd, 2 fl., dem Gsindt 1 fl.; Für die Räth und Junckheru
Pferd, da sie gestellt worden, 2 fl. Dem Gsind 30 Kr. Für der Furier, 40 ) Troni-
meter, Ainspennig 4 *) und Junckher Pferd inn die Herberg zum Ochsen 1 fl.,
dem Gsind 20 Kr.“ Ausserdem war in dem beigefügten Verzeichnis der „Ver¬
ehrungen von Klainodien, Pechern, Ringen und dergleichen“ noch bestimmt, der
Gemahlin des Herzogs Maximilian einen Ring im Wert von 80 fl., „derjenigen
Person, so die Verehrung meinem gnädigen Fürsten und Herrn wurde präsentiern“,
einen Ring im Wert von 10 oder 12 fl., dem „Hofmarschalckhen, dem von Mug-
genthal oder wer der ist“, einen Becher im Wert von 30 fl., dem „bayerischen
Küchenmeister“ einen Becher im Wert von 20 fl., dem Futtermeister Caspar
Egloff 8 oder 10 fl., den Knechten im fürstlichen Stall 10 fl., „wann man Coinoe-
dias heit“, 10 oder 12 fl. zu geben. Die mitgegebene Instruktion enthält darüber
folgende Bestimmung: „Und da auch etwa in andern Fällen Gelegenheit vor¬
fiele, dass man mit Verehrung eines Trinkgeschirres besser und stattlicher
dann mit Geld bestehen möchte, so werden unserrn Sohn auf einen solchen
Fall und in eventum von unserrn Cammermeister und Landschreiber etliche
Trinkgeschirre vermög hiebei gelegter sonderbarer Verzeichnus mitgegeben,
davon er ye nach Gelegenheit und auf unserer zugeordneten Räte Gutachten
etwas wird wissen zu verordnen; kann aber darunter was erspart werden,
so soll es wieder zurück hiehero gebracht werden“.
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Nachdem man am 7. Februar (17. neuen Stils) glücklich in Neuburg
angekommen war, richteten am nächsten Tag sowohl Pfalzgraf Philipp
Ludwig und sein Sohn WolfgangWilhelm an Herzog Maximilian
als auch die Pfalzgräfin Anna an Herzogin Elisabeth die verbindlichsten
Dankschreiben. Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm schreibt: „Nachdem unss
dann sambt ermeltem unserm Comitat nit nhur die Zeytt über wir bey E. L.
zue obbesagtem München gewesen, sonder auch underweegs im Hin und
Widerraysen mitteiss statlicher Tractation, Ausslosung, Beglaittung und in
andere mehr weeg viel ehren, Liebs undt Freundtschafft erwisen undt er-
zaigt ist worden, Allss thuen wir unss dessen gegen E. L. ganz freuntlich und
vleissig bedanckhen undt wollen neben Ihren vatter- undt mütterlichen Altern
unss müglichistes bevleissigen, diss alles zue begebender Gelegenheit umb E. L
hinwider freuntlich zuebeschulden undt zueverdienen, Undt haben diss E. L.,
Dero wir auch sonsten neben standhaffter, beharrlicher Underhaltuug undt
Vortstellung unser initainander gemachten vertrawten gueten Freundt- und
Brüederschafft zue gefelliger vetter- undt brüederlicher Diensterweisung vorder
wohl genaigt undt uhrpüttig 4 2 ) seien, allso freuntlicher mainung nit sollen
ohnaugefüegt lassen“. In einer Nachschrift teilt er mit, dass er „diejenige
vom Adel“, die ihn von München aus begleitet hätten, mit nach Neuburg ge¬
nommen habe und sie einen Tag bei sich behalten wolle; er bittet den Herzog,
„darab kein Missfallen zu schöpfen, sondern sie derentwegen gnedig vor
entschuldigt zu haben“.
Am 9. Februar lieferten die Begleiter des Pfalzgrafen, Peckadel,
Lemble und Fuchs, ihren zweiten Bericht nebst Rechnungsablage an den
Pfalzgrafen Philipp Ludwig ab. Darin heisst es: „Sonnsten sein wir der
unndertheuigen Hoffnung, es sey E. Fl. Gl. mitgegebene Instruction in besten
acht gehaltten worden, nicht allein von E. Fl. Gl. geliepten Sonn, unnserm gl.
Fürsten und Herren, der sich solcher gebraucht und also fürstlich gehalten,
das meniglichen wol mit derselben zufrieden sein können, sonndern von uns
auch, sovil Imer muglichen gewest und die Gelegenheidt leyden können“.
In demselben Bericht wird des Herzogs Wilhelm von Bayern gedacht,
der sich in jener Zeit nach Schleissheiin in die Einsamkeit zurückgezogen
hatte und deswegen um Entschuldigung bitten liess, weil er den Gast nicht
habe begrüsseu können. Übrigens hatte Herzog Wilhelm sich bereits am
9. Februar in einem von Schleissheim aus an den Pfalzgrafen Philipp Ludwig
gerichteten Schreiben also entschuldigt: „Seitemal wir aber Jezt vermellter
massen gleich allerdings weegferttig gewesst und unnserm gebrauch nach dise
Zeit der Fassnacht und etlich Tag darüber unns zu ainem Gottshauss zu
retirirn im weeg gewesst, also das wir thaills wolermellteu E. L. Sohn, unnsern
freundlichen lieben Vettern, nit gern von München und an ain schlecht, ainsam
orth, und da wir S e . r L. uunserm Jezigen wesen nach gleich gar kein gebür-
liche ehr erweisen khünden, bemhüeen wellen, Thaiiss aber ist die Zeit der
Fassnacht so nachennt herbey kommen, dss wir uns lieber weitt von München
alss nachendt darbey befinden wollen.“
Infolge des ausführlich von uns besprochenen brieflichen und persön-
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Die Annäherung des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 265
liehen Verkehrs zwischen den Angehörigen des bayerischen und pfalz-neu -
burgischen Hauses entwickelte sich ein immer lebhafteres Gefühl der Zu¬
sammengehörigkeit und Verwandtschaft zwischen den beiden Familien, welches
auch darin seinen Ausdruck fand, dass sich Herzog Maximilian und Pfalz¬
graf Philipp Ludwig einander Vater und Sohn nannten. Da aber der
erstere an letzteren als an seinen „Herrn Vater“ schrieb, so beauftragte der
Pfalzgraf in einem Schreiben vom 24. Juni 1600 seinen Rat und Landvogt
Lern bl e, bei seiner nächsten Anwesenheit in München mit Hilfe des baye¬
rischen Obersten Kanzlers von Donnersperg dahin zu wirken, dass der
Herzog künftig das Wort „Herr“ weglassen möge und „es disfalls wie ge-
meldt bey dem gemainen Stylo gelassen werde“.
Mit diesem Schreiben schliessen die Nachrichten über die Anknüpfung
und allmähliche Erweiterung des freundschaftlichen Verkehrs zwischen den
beiden lange getrennten Familien des Wittelsbachischen Hauses.
Dadurch dass Pfalzgraf Philipp Ludwig im Jahre 1608 sich als
Mitglied der protestantischen Union bekannte und so in offenen Gegensatz
zu der von Bayern vertretenen Politik trat, schieu das gute Einverständnis
zwischen den beiden Familien auf die Dauer getrübt zu sein. Als aber wenige
Jahre darauf sein Sohn, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, zur katholischen
Kirche übertrat und sich mit der jüngsten Schwester des Herzogs Maximilian
von Bayern vermählte, wurde das Band zwischen den beiden Familien aufs
engste geknüpft und dem neuburgischen Hause Aussicht auf eine glänzende
Zukunft eröffnet.
Quellennachweise und Erläuterungen.
1) Die in unserer Abhandlung benützten und zum Teil exzerpierten Quellen sind
je ein Akt des königlich bayerischen allgemeinen Reichsarchivs, Fürstensachen toin.
XXXII, des geheimen Staatsarchivs, Akt 30/8, und des geheimen Hausarchivs.
2) Friedrich Schmidt: Geschichte der Erziehung der bayerischen Wittelsbacher,
Berlin 1892, S. 251.
3) Ebendaselbst S. 254 und 284.
4) Prinz Maximilian schreibt: Gruenaw, Philipp: Kerin. Gemeint ist Grünau,
wo ein neuburgisches Jagdschloss war.
5) Die Progymnasmata latinitatis sive dialogi des Jakob Pontanus waren kurz
zuvor in Ingolstadt erschienen.
6) Jesuiten.
7) Hofprediger Jakob Heilbrunner.
8) S. v. a. übel mitspielen, hart zusetzen.
9) Felix Stieve: Wittelsbacher Briefe aus den Jahren 1590 — 1610, Abt. I: Abh. d.
hist. Kl. d. k. b. Ak. d. W. 18S6, XVII. B. S. 460.
10) Derselbe a. a. O. S. 471.
n) Derselbe a. a. O. S. 487.
Bayer. Forschungen VI, 4. 18
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266
Friedrich Schmidt.
12) J. Breitenbach im Neuburger Kollektaneenblatt 1896 S. 38—102.
13) Die Neuburger Kalenderdaten sind nach altem Stil, während in München nach
neuem Stil gerechnet wurde. Die Differenz, um die der neue dem alten voraus ist, beträgt
bekanntlich 10 Tage.
14) Euem Liebden.
15) Auslösen, auslosen s. v. a. jemanden von seiner Schuld lösen, für ihn zahlen.
16) Die jetzige Residenz.
17) Fürstliche Gnaden.
18) Fürstliche Durchlaucht.
19) Fourier = oder Quartierzettel.
20) Ein Rennen zu Pferd, bei dem mit der Lanze nach einem Ring gestochen wurde.
21) Damascieren = den Stahl künstlich bearbeiten. Cardalass = ein kurzer^ breitet
Degen (Grimm: Deutsches Wörterbuch V S. 244).
22) S. v. a. Tour, Rennen.
23) Beizen — mit abgerichteten Raubvögeln jagen.
24) Schüler des Jesuitengymnasiums.
25) Die jetzige Michaelis-Hofkirche.
26) Stahel = Stahl. Armbrust mit stählernem Bogen.
27) Quintane = eine männliche Figur von Holz mit einem Schild, den der an¬
sprengende Reiter mit der Lanze zu treffen suchte (Grimm: D. W. VIII S. 2372).
28) Statt: mantenieren, jemanden beim Rennen oder bei anderen Spielen heraus¬
fordern. Davon das Substantiv: Mantenitor, franz. Mainteneur.
29) Ein Rennen zu Pferd, wobei ein geharnischter Reiter den andern über eine
gesteckte Schranke (Ballia, Barriere, Barre) hin mit der Lanze angriff.
30) Kampf zu Fuss.
31) Der jetzige Marienplatz.
32) Erfindung, Auswahl der Kleider und Rüststücke.
33) Preis für die schönste, sinnreichste Maske, d. h. Ausstattung beim Festspiel.
34) Helmlin nannte man sowohl den unteren Teil des Helmes als auch den ganzen
Helm (Grimm: D. W. IV 2 S. 979).
35) Im Bericht heisst es: Dachen und Aichen.
36) Keller = Kellermeister, der den Wein zu besorgen hat.
37) Turn = Turm, Turner = Türmer.
38) S. v. a. absteigen.
39) Plattner = einer, der Platten zu Harnischen fertigt, Waffenschmied.
40) Hofbediensteter.
41) Ein Reiter oder Knecht
42) S. v. a. erbietig, erbötig.
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Kleinere Mitteilungen.
Der Minnesänger Reimar von Brennberg (ca. 1210—1271).
Über die Werke des Minnesängers Reimar von Brennberg, die
bisher nur zum kleinsten Teile bekannt waren, ist durch die vor kurzem er¬
schienene Publikation von Joseph Liese: „Der Minnesänger Reimar
von Brennenberg (sic!), sein Geschlecht und seine Lieder“ —
Programm des kgl. Mariengymnasiums in Posen, (Posen 1897) — helleres
Licht verbreitet worden. Da jedoch das, was der Verfasser über die Person
des Dichters sagt, nicht zutreffend ist, so dürfte es nicht überflüssig er¬
scheinen, wenn wir im folgenden auf diese Frage nochmals zurückkommen.
I. Genealogie der Brenn berge r.
Der Stammsitz des Geschlechtes, dem der Minnesänger Reimar von
Brennberg an gehörte, ist östlich von Regensburg in den Burgen Ober¬
und Unterbrennberg bei dem Pfarrdorfe gleichen Namens, das drei viertel
Stunden von der ehemaligen Benediktiuerabtei Frauen zell entfernt liegt, zu
suchen. 1 ) Leider haben sich nur wenige Reste der beiden Schlösser, welche,
auf einer aus chaotisch übereinander geworfenen Granitblöcken bestehenden
Bergkuppe erbaut, ursprünglich Ringmauer und Hof miteinander gemein hatten,
erhalten. Denn der massige sog. Auerturm oder Münchstein, ein Bau von
ungemeiner Stärke, der einst massive Gewölbe in sich barg, und von dessen
krenelierter Zinne sich vordem eine prachtvolle Aussicht in weite Ferne dar¬
bot, ist längst bis auf die Grundmauern verschwunden und hat das Bau¬
material für benachbarte Ökouomiegebäude geliefert. Ebenso wurde das Schloss
Oberbreunberg, welches nach dem Brande vom Jahre 1642 im Stile des
17. Jahrhunderts wiederhergestellt worden war, im Jahre 1894 abgebrochen.
Auch der jüngere Teil von Unterbrennberg liegt seit Jahren in Schutt be¬
graben. Länger erhielt sich das alte Herren- oder Hochhaus, ein Werk des
13. Jahrhunderts, dessen auf einem ungeheueren Granitblock ruhender Quader¬
turm früher ein bis zur Isar hin sichtbares Wahrzeichen der Gegend bildete.
Aber auch dieser stürzte im September 1890 zusammen. So stellt sich uns
heute die Doppelburg der Brennberger nur noch als ein trauriges Stein-
labyrinth dar, und die wenigen Grundmauern, welche noch vorhanden sind,
lassen kaum mehr einen sicheren Schluss auf die ehemals so mächtige Aus¬
dehnung der Burggebäude zu.
') Wohl zu unterscheiden von dem ebenfalls sehr alten Bremberg an der Nab bei
Schwandorf. (Vgl. den Artikel von K. Gar eis. Forschungen VI, i—17).
18*
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2
Kleinere Mitteilungen.
Das Alter der Burg und somit auch des Geschlechtes der Brenn -
berger ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln; ebensowenig kann die Frage
gelöst werden, ob die Brenuberger ursprünglich freie Besitzer ihrer Burg
waren. Nach einer Vermutung Schuegrafs 1 ) wurde die Burg Brennberg
durch Bischof Tuto von Regensburg erbaut, welchem König Kourad I.
im Jahre 914 einen Teil des Sulzbacher Reichswaldes (forestum iuxta Sulzi-
bach in comitatu Stauffensi) geschenkt hatte. Bald nach der Schenkung, meint
Schuegraf, hätten die Bischöfe zur Urbarmachung des ungeheuren Forstes
Vasallen des Hochstiftes eingesetzt, um aus dieser Waldwildnis Nutzen zu
ziehen. Allein die in der Schenkungsurkunde erhaltene Grenzbeschreibung 2 )
setzt den Umfang genau fest; der Sulzbacher Forst erstreckte sich keines¬
wegs bis hieher, und darum kann auch Brennberg nicht im Schenkungsgebiet
gelegen haben. Thatsächlich übten die Bischöfe bis 1276 nur in einem Teile
der in Ober- und Unterbrennberg geteilten Burg das Lehensrecht aus. Die
Anfänge dieses Edelgeschlechtes sind demnach in ein kaum lösbares Dunkel
gehüllt.
Der erste urkundlich beglaubigte Herr (Dominus) von Brennberg ist
Wirnto I., der in einer Urkunde aus den Jahren 1115—1134 als Blutsver¬
wandter (Bruder ?) des Chuno von Puchsee, eines Ministerialen des Regens¬
burger Domvogts Friedrich II., Graf von Bogen, (f 1134), aufgeführt wird.
Seine Söhne Chuno (= Chunrat) und Wirnto II. werden in Urkunden
aus den Jahren 1162, 1171, 1174, 1190 und 1193 genannt; als seine Enkel
sind Gebehard und R ei mar I. zu betrachten, welch letzterer in 6 Urkunden
von 1224—36 als Zeuge auftritt und die Titel: „dapifer“ und „ministerialis
ecclesiae Ratisponensis“ führt Hieraus folgt, dass die Brennberger^ wenigstens
seit ca. 1226, wo diese Bezeichnungen das erste Mal in Anwendung kommen,
Lehensmannen der Bischöfe von Regensburg waren. R ei mar I. starb 1236
und wurde im Kloster Prüll bei Regensburg begraben. Er hinterliess eine
Gattin, namens Alhaidis, einen Sohn R ei mar II., gestorben 1271, und
eine Tochter Heluka, welche nach Aventin Hoffräulein der unglücklichen
Maria von Brabant war und zugleich mit ihrer Herrin am 15. Februar 1256
in Donauwörth der Eifersucht Ludwigs des Strengen zum Opfer fiel: („Hat
Herzog Ludwig, Kaiser Ludwigs Vater, wie er sein Gemahl Maria zu
Donauwörth bös Verdacht halben köpfen lassen, derselben edle Junkfrau
eine, mit Namen Heluka von Prennberg im Zorn und Gehn mit einem
Messer erstochen, ir Hofmeisterin über ein Turm abwerffen lassen.“) Reimars II.
Ehe mit Heilwik entsprossen vier Söhne: R ei mar III., Wirnto III.,
Ru 1 a n d und Bruno. Ersterer wurde im Jahre 1276 von einer Regensburger
Streifschar ermordet. (Laut Urkunde vom 14. April 1276: . . . emenda fiat
[sc. BrunoniJ a civitate Ratisponensi de occisione fratris et hominum suorum
et de dampnis sibi a civibus Ratisponensibus irrogatis). : ) R u 1 a n d und
*) J. R. Schuegraf, Castrum Reimari. Regensburg 1840.
8 ) Th. Ried, Codex diplomaticus ep. Ratisb. I. 93. f. und v. Walderdorff,
Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart (4. AufL) S. 641. f.
*) Ried, I. 540; IV. 279.
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Kleinere Mitteilungen.
3
Wirnto erscheinen in einer Urkunde vom 8. Februar 1275 als Kleriker,
Bruno ebenfalls als solcher im Jahre 1276. Nach dem Tode Reimars III.
übergab der jüngste Bruder Bruno, als Erbe, seine ganze Herrschaft dem
Bischof Leo dem Thundorfer, unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass er,
falls er in den Laienstand zurücktrete und heirate, wieder in den Lehensbesitz
von Burg und Truchsessenamt gelangen solle. In der That ging Bruno,
wohl um das gänzliche Erlöschen seines Geschlechtes zu verhindern, um 1280
mit Bertha von Haydau eine Ehe ein, welche mit drei Kindern, ReimarIV.,
Clären zia und Agnes, gesegnet war. Reimar IV. heiratete 1301 eine
Frau aus dem Geschlechte der Wiesent (bei Wörth a. D.) und zeichnete sich
im Jahre 1322 bei Ampfing und noch zwei weitere Jahre im Dienste Ludwigs
des Bayern ruhmvoll aus, wofür ihn dieser reich entlohnte; doch blieb Reimar
ohne männliche Erben. 1321 legte er den Grund zur Benediktinernieder¬
lassung Frauenzell und starb kurz nach 1326. Nach seinem Tode wurde
das wahrscheinlich durch eine Heirat seiner Tochter Katharina verschwägerte
Patriziergeschlecht der Auer von Regensburg, welche von da an statt des
eigenen Wappens das der ausgestorbenen Brennberger führte, mit Burg und
Herrschaft belehnt. Aber auch dieses Geschlecht erlosch gegen Ende des
15. Jahrhunderts.
II. Die Person des Dichters.
Über die Person des Dichters herrscht, da der Name Reimar in diesem
Geschlechte im Laufe des 13. Jahrhunderts nicht weniger als viermal vor¬
kommt, bei den Litteraturforschern grosse Unsicherheit. Das einschlägige
Urkundenmaterial in den „Monumenta Boica“, bei Ried und Hund, sowie
Schuegraf (s. oben) lässt die Frage nach dem Minnesänger vollständig
offen. Während von der Hagen, der ihr zum ersten Mal näher trat, Reimar II.
und Reimar III. miteinander vermengt, glaubt Liese, den Dichter in
Reimar III., der, wie wir sahen, 1272—76 urkundlich beglaubigt ist, nach¬
gewiesen zu haben.
Liese stützt sich dabei vornehmlich auf eine bildliche Darstellung in
der Heidelberger Liederhandschrift (C.) Diese stellt den Minnesänger folgender-
massen dar: „Jugendlich, in einfachem, langem Rocke, mit einem Dolch im Gürtel,
steht der Sänger inmitten von vier unritterlichen Männern in kurzen Röcken,
mit Topfhelmen und Schwertern, von denen der eine ihn am linken Arm
festhält und mit dem Schwerte ausholt, der andere stösst ihm das Schwert
von hinten oben in den Kopf, sodass das Blut herausspritzt, der dritte hat
ihn mit der linken beim Haar gepackt und sticht ihm das Schwert in die
linke Seite; auch der vierte dringt mit erhobenem Schwerte gegen ihn vor.“
Halten wir dazu die Thatsache, dass Brunnos Bruder, Reimar III.
im Jahre 1276 wirklich von Regensburger Söldlingen überfallen und ermordet
wurde, so scheint es ausser Zweifel, dass eben dieser Reimar III. der
Minnesänger war.
Und doch dürfen wir diesem Zeugnisse nicht unbedingt vertrauen. Denn
laut Urkunde vom 16. Februar 1272 (bei Ried, Cod. Diplom. Ratisbon. III. 380)
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4
Kleinere Mitteilungen.
war Reimar III. wie sein Bruder Wirnto von Brennberg im Jahre 1272
noch ein unmündiger Knabe (puer), der unter einem Vormund (procurator)
stand, also höchstens 15 Jahre zählte.
Wie lässt sich aber damit des Dichters 10. Gedicht, die sog. „Klage“
vereinbaren, die im Brennbergerton gedichtet ist und sicher von dem Minne¬
sänger herrührt? Diese lautet:
1. Wä sint nu alle die von minnen sungen e?
si sint meist tot, die aller der w T erlde fröide künden machen.
Von Sente Gallen friunt, din scheiden tuot mir we,
du riuwes mich, dins Schimpfes maniger künde wol gelächen.
5. Reinmär, dins sanges maniger gert,
ich muoz dich klagen und minen meister von der Vogelweide,
von Niuvenburc ein herre wert.
unde von Rucke Heinrich sungen wol von minnen beide,
von Jöhansdorf unde ouch von Husen Friderich.
10. die sungen wol, mit sänge wären si hovelich,
Walther von Metze, Rubin, unde einer der hiez Wahsmuot.
von Goutenberg Ulrich, der liute vil din singen dühte guot.
Wie konnte ein so junger Mann am Ende des 13. Jahrhunderts den
frühen Heimgang von Sängern wie des Ulrich von Singenberg (gest ca. 1230),
Reimars des Alten (gest. vor 1210), Walters von der Vogel weide (gest. ca. 1235),
des Neuenburgers (gest. vor 1196), des Rugge (gest. 1200), des von Johanns¬
dorf (gest. nach 1209), des Friedrich von Hausen (gest. 1190), des Walter von
Metz (ca. 1250), des Wachsmut (gest. ca. 1250) und des Ulrich von Gutenberg
(gest. vor 1242) beklagen? Wie den Singenberger seinen Freund, Walther von
der Vogel weide seinen Meister nennen? Dies trifft aber nur auf R ei mar II.,
nicht auf Rei mar III. zu. Reimar II. war im Jahre 1238, wie aus der
Urkunde bei Ried (I. 384) erhellt, schon erwachsen und handlungsfähig, also
etwa um 1210 geboren; er konnte mithin die genannten Sänger zum grossen
Teile gekannt haben. 1 ) Reimar III. aber hatte kaum einen einzigen der¬
selben gekannt.
Dazu kommt, dass der Minnesänger auch in seinen übrigen Dichtungen
als ein Mann gereiften Alters erscheint, der lange Jahre von seiner
Heimat abwesend war, vielleicht als Kreuzfahrer. Man vergleiche:
II. 20. swar ich in den landen var.
VI. 20. swä ich der lande bin.
VII. 38. vor manigen järeu.
IX. 94. swar ich der lande bin.
Diese Wendungen können doch nicht blosse Phrasen sein, da es ja
feststeht, dass den meisten lyrischen Ergüssen der Minnesänger ein persön¬
liches Miterleben und eigenes Mitempfinden zugrunde liegt.
*) Liese schreibt selbst: „Nicht so fruchtbar, wie Ulrich von Singenberg, teilt er
mit diesem den Ruhm, der Schüler Walthers zu sein! Seine Lieder erlangten grosse Berühmt¬
heit und wurden in deutschen Landen gerne gesungen; selbst in späteren Jahrhunderten
war das Metrum seiner grossen Strophe unter dem Namen ,,Brennbergerton“ beliebt“
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Kleinere Mitteilungen. 5
Wir werden daher in der Manesseschen Liederhandschrift, die erst um
1300 zusammen gestellt wurde, ein Versehen annehmen müssen. Diese weist
bekanntlich viele Irrtümer auf und teilt u. a. den Brennbergern auch ein
falsches Wappen zu, nämlich das der Pyrmont (ein rechtsschräger eckig ge¬
schobener Balken statt dreier aus einem dreifach gehügelten Berge heraus¬
lodernder Flammen). Hat ja, wie in der Liederhandschrift, so auch in zwei
Volksliedern eine Verwechslung und sagenhafte Entstellung des geschicht¬
lichen Untergrundes stattgefunden.
Eines dieser Volkslieder auf den ritterlichen Sänger ist in der bekannten
Gedichtsammlung: Des Knaben Wunderhorn, Bd. II, 232, enthalten und
lautet folgen dermassen:
Der Bremberger. 1 )
Mit Urlaub, Frau, um euern werten Dienstmann,
Geheissen war der Bremberger,
Ein edler Ritter weise;
In seinem Ton ich euch wohl singen kann,
Darin mir niemand verdenke,
Sein Lob ich immer preise;
Das red’ ich auf die Treue mein
Von einer schönen Frauen.
An ihm geschah grosse Gewalt,
Dass er verlor das Leben sein,
Sein Leib, der ward ihm zerhauen.
Der Herr, der sprach: „du hast mir lieb die Fraue mein,
O Bremberger, es geht dir an das Leben dein!“
Sein Haupt das ward ihm abgeschlagen
Zu derselben Stund’,
Das Herz er in dem Leibe trug,
Das ass der Fraue roter Mund.
Der Herr, der sprach: „Frau, könnt’ ihr mich bescheiden nun,
Was ihr jetzund gegessen hand,
Dass euch’s der lieb Gott löhne!“
Die Frau, die sprach: „Und das weiss ich sicher nicht,
Ich wollt’s also gern wissen thun,
Es schmecket mir also schöne“.
Er sprach: „Fürwahr, glaub’ du mir’s,
Es ist gewesen Brembergers Herz,
Er trug’s in seinem Leibe,
Und bracht dir viel Schimpf und Scherz;
') Dass hier nicht an einen Bremberger aus jenem Geschlechte, das an der Nab
ansässig war, sondern an unseren Reimar von Brennberg zu denken ist, beweisen die
Worte: „In seinem Ton ich euch wohl singen kann“, welche nur von dem Brenn bergerton
verstanden werden können.
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Kleinere Mitteilungen.
Er könnt dir machen Freuden viel
Und könnt’ dir Leid vertreiben“.
Die Kraue sprach: „Hab’ ich gegessen, das mir Leid vertrieben hat,
— Und sollt meiner armen Seel nimmer werden Rat —
So thu ich einen Trunk darauf zu dieser Stund:
Von Essen und von Trinken kommt nimmermehr in meinen Mund“.
Die Frau stand auf, sie eilet von dem Tische,
Verbarg sich in ihr Gemach,
Und dacht ihrs Herzens Schwere:
„Hilf, Maria, du himmlische Königin,
Dass mir nie so Leid geschach
Ja an dem Brembergere.
Um meinetwillen litt er Not,
Da war er gar schuldig an,
Es muss mich immer reuen; um ihn so leid ich hier den Tod;
Meines Leibes er nie gewaltig w r ard,
Red’ ich bei meinen Treuen;
Er kam mir nie so nah, dass mir von ihm ward ein Umbefang,
Des trauer’ ich sehr, mir ist mein Leben w r orden krank.
Sich hat verkehrt Herz, Mut und all mein Sinn,
So scheid mein arme Seel von mir dahin.
Nun wollt ihr hören, wde lang die Frau des Lebens pflag: —
— Ohn Essen und Trinken hat sie kein Not, —
Als ich euch w r ill bescheiden:
Fürwahr, sie lebt bis an den eilften Tag, —
Da schied die Zart, die Wert davon,
Dem Herrn geschah gross Leiden.
„Ach Gott, wie soll es mir ergahn ?
Dass ich die liebste Fraue mein
So unehrlich hab verraten
Und ihren werten Dienstmann.
Ich fürcht, es wird mir viel zu schwer;
Mein Seel, die muss leiden Not“.
Der Herr, der stand und sah den grossen Jammer an!
„O Herre Gott, dass ich sie beide samt verraten han!“
— Der Herr ein Messer in sein eigen Herze stach.
Es w’ende dann Maria und ihr liebes Kind:
Sein Seel muss leiden Ungemach.
Ganz derselbe Stoff liegt einem zweiten Gedichte zugrunde, (ebenda
IV. 41.), w r eun auch die Fassung total verändert ist. In diesem w r ird das
Vorgehen der Henker au dem zum Tode verurteilten Brenuberger besonders
schauerlich mit folgenden Versen geschildert:
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Kleinere Mitteilungen.
7
„Mail legt den Bremberger auf den Tisch,
Schneidt ihn zu Riemen wie ein Fisch;
Sein Herz gab mau zu essen
Der Frauen in eim schwarzen Pfeffer.“
u. s. w.
Offenbar ist in beiden Liedern auf das Drama von Donauwörth bezug
genommen und der Minnesänger Reimar selbst als Opfer der Eifersucht des
Herzogs statt seiner Schwester hingestellt. Denn als eine blosse Variation
der weitverbreiteten Herzmäre lassen sich die angeführten Dichtungen nicht
erklären; es wurde vielmehr in sagenhafter Kombination der in weiten Kreisen
bekannte Minnesänger in das ebenfalls bedeutend entstellte tragische Geschick
seiner Schwester Heluka verflochten. Da es nun nicht unwahrscheinlich ist,
dass der Miniator der Heidelberger Handschrift seine Zeichnung aufgrund
einer derartigen Volkssage entworfen hat, dieselbe aber jeder Stütze in den
gleichzeitigen Dokumenten entbehrt, so kommt das einzige Argument, das für
Dieses Hypothese spricht, in Wegfall.
Daher ergiebt sich als Endresultat unserer Untersuchung, dass nicht
Reimar III., sondern Reimar II. als der wahre Minnesänger zu betrachten sei.
Regensburg. Hugo Obermaier.
Bayern und seine Hauptstadt
im Lichte von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen V.
Der unglückliche (Labrunie) Gerard de Nerval (1808—1855,
Biographie universelle [Michaud] VI, 293) hat sich mehrfach mit Bayern be¬
schäftigt (Vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung No. 98. München, 3. Mai 1897).
In seinem Leo Burckart 1 ) behandelt er die Geschichte der Illumiuaten.
Im Appendice über die deutschen Universitäten wird von den Münchener
Studenten erzählt (S. 319) 2 ): A Munich, j’ai connu des jeunes gens qui
buvaient pendant la soiree, horribile dictu! une quinzaine de litres de biere.
— Eingehender ist in dem Werke Gerard de Nervals ‘Voyage en Orient’
von Bayerns Hauptstadt die Rede, der das ganze fünfte Kapitel der Intro-
duction (XX—XXVII) 'Un jour ä Munich’ gewidmet ist. Dort heisst es in
einer langen Abhandlung, die uns beredt zeigt, wie weit wir seitdem gekommen
sind: (XXI): En descendant de voiture, eu sortant du vaste bätiment de la
Poste royale, on se trouve en face du palais, sur la plus belle place de la
ville; il faut tirer vite sa lorgnette et son livret, car dejä le musee commence,
les peintures couvrent les murailles, tout resplendit et papillote, en plein air,
*) Leo Burckart, accompagne de memoires et documents inedits sur les societ6s
secretes d’Allemagne par M. Gerard. Bruxelles (Societe Beige de librairie Hauinan et C?)
1840. (321 S.).
*) Quatrtöme edition revue, corrigee et augmentee. Paris (Charpentier) 1857,
Tome premier.
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Kleinere Mitteilungen.
en plein soleil. Le Palais-Neuf est bati exactement sur le modele du palais
Pitti, de Florence; le theätre, d’apres l’Odeon de Rome; l’hötel des Postes,
sur quelque autre patron classique; le tout badigeonne, du haut en bas de
rouge, de vert et de bleu-ciel. Cette place ressemble ä ces decorations im-
possibles que les theätres hasardent quelquefois; un solide monument de
cuivre rouge etabli au ceutre, et representant le roi Maximilian I er , vient seul
contrarier cette illusion. La Poste, toute peinte d’un rouge sang de boeuf,
qualifie de rouge antique, sur lequel se detachent des colonnes jaunes, est
egayee de quelques fresques dans le style de Pompeia, representant des sujets
equestres. L’Odeon expose ä son frouton une fresque immense oü dominent
les tous bleus et roses, et qui rappelle nos paravents d’il y a quinze ans, quant
au palais du roi, il est uniformement peint d’un beau vert tendre. Le qua-
trieme cotd de la place est occupe par des maisons de diverses nuances. En
suivant la rue qu’elles indiquent, et qui s’elargit plus loin, on longe une
seconde face du palais plus ancienne et plus belle que l’autre, oü deux portes
immenses sont decorees de statues et de trophees de bronze d’un goüt maniere,
mais grandiose. Ensuite, la rue s’elargit encore; des clochers et des tours
gracieuses se dessinent dans le lointain; ä gauche s’etend ä perte de vue une
file de palais modernes propres a satisfaire les admirateurs de notre rue de
Rivoli; ä droite, un vaste batiment depeudant du palais, qui du cote de la rue
est garni de boutiques brillantes, et qui forme galerie du cote des jardins,
qu’il encadre presque entierement. — Tout cela a la pretention de ressembler
a nos galeries du Palais Ro} r al; les cafes, les marchandes de modes, les bijou-
tiers, les libraires sont a l’instar de Paris. Mais une longue suite de fresques
representant les fastes heroi’ques de la Baviere entremelees de vues d’Italie
temoignent, d’arcade en arcade, de la passion de l’ex-roi de ce pays pour
la peinture, et pour toute peinture, a ce qu’il parait. Ces fresques, le livret
l’avoue, sont traitees par de simples eleves. C’est une economie de toiles; les
murs souffrent tout. Le Jardin royal, entoure de ces galeries instructives, est
plante en quinconce et d’une mediocre etendue; la face du palais qui donne
de ce cote, et oü les ouvriers travaillent encore, presente une colonnade assez
imposante; en faisant le tour par le jardin, on rencontre une autre fa£ade
composee de bätiments irreguliers, et dont fait partie la basilique, le mieux
reussi des monuments modernes de Munich. Cette jolie eglise, fort petite d’ail-
leurs, est un veritable bijou; construite sur un modele byzantiu, eile entincelle,
ä l’interieur, de peintures a fond d’or, executees dans le meine style. C’est
un ensemble merveilleux de tout point; ce qui n’est pas or ou peinture est
marbre ou bois precieux; le visiteur seul fait tache dans un interieur si
splendide, qui rappelle sur une echelle moindre la chapelle des Medicis, de
Florence. En sortant de la basilique, nous n’avons plus que quelques pas
ä faire pour rencontrer de nouveau le theätre; car nous venons de faire tour
de palais, auquel se rattachent tous ces edifices comme dependances immediates.
Pourquoi n’entrerions-nous pas dans cette vaste residence? Justement le roi
va se mettre ä table, et c’est l’heure oü les visiteurs sont admis dans les salles
oü il n’est pas, bien entendu. On nous re^oit d’abord dans la salle des
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gardes, tonte garnie de hallebardes, mais gardee seulement par deux factionnaires
et autant d’huissiers. Cette salle est peinte eil grisailles figurant des bas-reliefs,
des colonnes et des statues absentes, selon les procedes, surprenants et eco-
nomiques de M. Abel de Pujol.
Ce qu’il faut le plus reinarquer, c’est la salle decoree de fresque de
Schnorr sur les dessins de Cornelius, dont les sujets sont empruntes k la
grande epopee germanique des Niebelungen. Ces peintures, admirablement
composees, sont d’une execution lourde et criarde, et l’oeil a peine k en saisir
1 ’harmonie; de plus, les plafonds, charges de figures gigantesques furibondes,
ecrasent leurs salles mesquines et mediocrement decorees; il semble partout
ä Munich que la peinture ne coüte rien; mais le marbre, la pierre et l’or sont
epargnes davantage. Ainsi ce palais superbe est construit en briques, auxquelles
le plätre et le badigeon donnent l’aspect d’une pierre dure et rudement taillee;
ces murailles eclatantes, ces colonnes de portore et de marbre de Sienne,
approchez-vous, frappez-les du doigt, c’est du stuc. Quant au mobilier, il
est du goüt, le plus empire que je counaisse, les glaces sont rares, les lustres
et les candelabres semblent appartenir au materiel d’un cercle ou d’un casino
de province; les richesses sont au plafond. Il n’y a qu’un seul
restaurateur dans la ville, qui est un Fran^ais, autrement il faut prendre
garde aux heures des tables d’liöte. La cuisine est assez bonne ä Munich,
la viande a bon goüt; c’est lä une remarque plus importante qu’on ne croit
en pays etranger. On ne sait pas assez que la moitie de l’Europe est privee
de beefsteaks et de cotelettes passables, et que la veau domine dans certaines
contrees avec une deplorable uniformite. Les deux cafes de la Galerie-
Royale ne sont pas fort brillants, et n’ont aucun joumal fran<;ais. Un vaste
cabinet de lecture et une sorte de casino, qu’on appelle le Musee, contiennent
en revanche la plupart des feuilles franc^aises que la censure laisse entrer
librement. De temps en temps, il est vrai, quelque numero manque, et les
abonnes lisent ä la place cet avis: que le journal a ete saisi, a Paris, ä la
poste et dans les bureaux. Cela se repete si souvent, que je soup^onne le
parquet de Munich de calomnier celui de Paris. Il resulte encore de ce
subterfuge que les braves Munichois ont des doutes continuels sur la tran-
quillite de notre capitale; la leur est si paisible, si gaie et si ouverte, qu’ils
ne comprennent pas les agitations les plus simples de notre vie politique et
civile; la population ne fait aucun bruit, les voitures roulent sourdement sur
la Chaussee poudreuse et non pavee. Le Fran^ais se reconnait partout ä ce
qu’il declame ou chantonne en marchant; au cafe il parle haut; il oublie de
se decouvrir au theatre; meine en dormant, il remue sans cesse, et un lit
allemand n’y resiste pas dix minutes. Imagine-toi des draps grands comme
des serviettes, une Couverture qu’on ne peut border, un edredon massif qui
pose en equilibre sur le dormeur; eh bien! 1’Allemand se couche et tout
cela reste sur lui jusqu’au lendemain; de plus, connaissant sa sagesse, on lui
accorde des oreillers charmants, brodes ä l’entour et decoupes es dentelles sur
un fond de soie rouge ou verte; les plus pauvres lits d’auberge, resplendissent
de ce luxe innocent. Je sens bien que tu es presse de faire connaissance
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avec la Glyptotheque et la Pinacotheque; mais ces musees sont fort toin du
centre de la ville, et il faut le temps d’y arriver. Dans sa pensee d’agran-
dissement ä l’infini pour sa capitale, le roi Louis outre ses principaux
monuments, ceux du moins autour desquels on espere que les maisons vien-
dront un jour se grouper. La ville de Munich etait naturellement une fort
petite ville, de la grandeur d’Augsbourg tout au plus; la lyre du roi-poete
en a eleve les murailles et les edifices superbes. II eüt, comme Amphion,
fait mouvoir les pierres ä ce grand travail, mais il n’y avait pas de pierres
dans tout le pays. C’est lä le grand malheur de cette capitale improvisee
d’un royaume encore si jeune, de lä la brique rechampie, de lä le stuc et le
cartonpierre, de lä des rues boueuses, ou poudreuses, selon la saison; le
gres manque, la municipalite hesite entre divers projets soumis par les com-
pagnies de bitume, et Munich n’est encore pave, comrae l’enfer, que de bonnes
intentions. Apres bien des places indiquees ä peine, bien des rues seulement
tracees et oü l’on donne des terrains gratuits, comme dans les deserts de
l’Amerique, ä ceux qui veulent y bätir, on arrive ä la Glyptotheque, c’est-ä-
dire au musee des statues; on est tellement Grec ä Munich, que l’on doit
etre bien Bavarois ä Athenes; c’est du moins ce dont se sont plaints les Grecs
veritables. Le bätiment est tellement antique dans ses proportions, que les
marches qui conduisent ä l’entree ne pourraient etre escaladees que par des
Titans: un petit escalier dans un coin repare cet inconvenient, que je me
garderai bien d’appeler un vice de construction. A l’interieur, les salles sont
vastes et pratiquees dans toute la hauteur du monument. Elles sont enduites
partout de cette teinture de rouge fouce que les livrets continuent ä garantir
vrai rouge antique. Les omements qui s’en detachent sont toujours de ce style
Pompeia sur lequel nous avons ete blases par nos cafes, nos passages, et par
les decorations Gymnase. La Glyptotheque reuferme une collection d’antiques
fort precieux et des chefs d’cvuvre de Canova, parmi lesquels se trouvent la
Frileuse, la Venus-Borghese, un buste de Napoleon et un autre du prince
Eugene. Quelques statues du trop celebre Thorwaldsen partagent avec celles
de Canova les honueurs d’une salle particuliere, oü leurs noms sont accoles
ä ceux de Phidias et de Michel-Ange. On ignore probablement ä Munich les
noms fran^ais de Puget et de Jean Coujon. La Pinacotheque, c’est ä dire le
musee de peinture, est situee ä peu de distance de la Glyptotheque. Son exterieur
est beaucoup plus imposant, quoique le style grec en soit moins pur. Ces
deux edifices sont d’un architecte Leon de Klenze. Ici, je n’aurai plus qu’ä
louer: les salles sont grandes, et ne sont oruees que de peintures de maitres
anciens. Une galerie exterieure, qui n’est pas ou verte encore au public, est
toutefois fort gracieusement peinte et decoree et l’ornement antique y est
compris ä la maniere italienne avec beaucoup de richesse et de legerete. Il
serait trop long d’enumerer tous les chefs-d’oeuvre que renferme la Pinacotheque.
Qu’il suffise de dire que la principale galerie referine une soixantaine de
Rubens choisis et des plus grandes toiles. C’est lä que se trouve le Jugement
demier de ce maitre, pour lequel il a fallu exhausser le plafond de dix pieds.
Lä se rencontre aussi l’original de la Bataille des Amazones. Apres avoir
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parcouru les grandes salles consacrees aux grands tableaux, on revient par
une suite de petites salles divisees de meine par ecoles, et oü sont placees les
petites toiles. Cette intelligente disposition est tres-favorable ä l’effet des tableaux.
Que reste-t-il ä voir encore dans la ville? On est fatigue de ces edifices
battant-neufs, d’une architecture si grecque, egayes de peintures antiques si
fraiches. II y aurait encore pour tout Anglais a admirer six ministeres avec
ou sans colonnes, une maison d’education pour les filles nobles, la bibliotheque,
plusieurs hospices ou casernes; une eglise roma^e, une autre byzantine, une
autre renaissance, une autre gothique. Cette derniere est dans le faubourg: on
apergoit de loin sa fleche aigüe. Tu m’eu voudrais d’avoir manque de visiter
une eglise gothique de notre epoque. Je sors donc de la ville sous un arc
de triomphe dans le goüt italieu du quatorzieme siede, orne d’une large
fresque representant les batailles bavaroises. CJn quart de lieue plus loin,
je rencontre l’eglise bätie aussi comme cous les autres monuments de briques
rechampies de plätre. Cette eglise est petite et n’est pas entieremeut finie
ä l’interieur. On y pose encore une foule de petits saints-statuettes en plätre
peint Le cartonpierre y domine: c’est lä une grande calamite. Les vitraux
sont inieux que le gothique: d’apres les nouveaux procedes et les decouvertes
de la chimie, on parvient ä obtenir de grands sujets sur un seul verre, au
lieu d’employer de petits vitraux plombes; le dallage est fait en bitume de
couleur; les sculptures de bois sont figurees parfaitement en päte coloree;
les flambeaux et les crucifix sont en metal anglais, se nettoyant comme
l’argent. J’ai pu monter dans la fleche, qui m’a rappele celle de la cathedrale
de Rouen refaite par M. Alavoine. Revenons ä Munich. La fläche en fer
creux est un sacrifice au progres et je ne veux pas trop l’en blamer. En
revanche eile a toujours les deux belles tours de sa cathedrale, le seul
monument ancien qu’elle possede, et qu’on apergoit de six lieues. Au temps
ou fut bati ce noble edifice on mettait des siecles ä accomplir de telles
Oeuvres; on les faisait de pierre dure, de marbre ou de granit; alors aussi
ou n’improvisait pas en dix ans une capitale qui semble une decoration
d’Opera prete ä s’allumer au coup de sifflet du machiniste. Du reste, je
comprends que l’ancien duche de Baviere, qui est passe royaume par la
gräce de Napoleon, ait ä coeur de se faire une capitale avec une ancienne
petite ville mal bätie qui n’a pas meme de pierres pour ses magons; mais
Napoleon lui-meme n’aurait pu faire que la population devint en rapport avec
ragrandissement excessif de la ville; il eüt simplement deporte lä des familles
qui v seraient mortes d’ennui, comme tes tortues du Jardin des Plantes; il
n’aurait pu faire un fleuve de l’humble ruisseau qui coule ä Munich, .et que
l’on tourmente en vain avec des barrages, des fonds de planches et des
estacades, pour avoir le droit, un jour, d’y bätir un pont dans le goüt
romain! — Man staunt, wie gewaltig Bayerns König den Franzosen an weit¬
schauendem Blicke übertraf!
Reinhardstöttner.
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Kleinere Mitteilungen.
Ein Münchener Vakanzlied des 18. Jahrhunderts.
Der in die Vacanz räisente Student will München noch zum An-
gedenckhen sein högst vergnüegtes Vale schenckhen.
O Melibee, Deus nobis haec otia fecit.
1.
Zum Doch hinaus, zum Doch hinaus!
Das Schuljahr das ist aus.
Iam, fratres, iam ridete
Et consonum Valete
Stimmt alle mit mir an!
Frolocket wechselweise
Und schickt euch auf die Reise!
Ich selbsten geh voran.
2.
Daetemini, laetemini!
So lohnt man Fleis und Müh.
Pyerios labores,
Scholasticos sudores
Wascht ab mit kühlen Wein!
Ihr aufgeklärten Brüeder,
Singt neue Freudenslieder,
Däst uns recht lustig sein!
3 -
Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit
Zur Freud und Dustbarkeit.
Nam nullus coronatur,
A quo non decertatur;
Die Arbeith bringt den Dohn
Am End mues sich erst zeigen,
Wie die Verdienste steigen
Bey einem Musensohn.
4 -
So last uns gehn, so läst uns gehn
Von bayrischen Athen!
Vos Mouacenses muros
Ad reditus futuros
Verlassen wür anheut
Geliebtes Vatterlande,
Du bist der Gegenstände
Von unser wahren Freud.
5 -
Nur wohlgemuth, nur wohlgemuth!
Es steht schon alles guett.
Argentea crumena
In orbem turnet plena,
Der Beutel ist gespickt.
Man hat uns Geld von Hause
Zu einem Abschidsschmause
Und auf die Räis geschickt.
6 .
Was braucht es vil, was braucht es vil!
Räis mit, wer räisen wil.
Optata favet hora,
Rumpatur omnis mora,
Stellt euch als Däuffer an!
Wür laufen in die Wette,
Das man die Vatterstätte
Nur bald erräichen kan.
7 -
Ein Würthshaus winckt, ein Würths-
haus winckt;
So kehrt dan ein und trinckt!
Potate geuerosis
Salutem studiosis!
Studentisch mues es sein.
Ihr aufgeräumten Zecher,
Hebt auf die vollen Becher,
Rueft frölich Vivat drein!
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Kleinere Mitteilungen.
13
8 .
Studentenfeind, Studentenfeind,
Wan doch dergleichen seind,
Ne gaudia turbate
Aut ictus exspectate,
Wie es schon offt geschach!
Herr tVurth, nur guett tractiret!
Ihr wist, was sich gebihret;
Es seind Studenten da.
9 -
Guetts Wetter her, Guetts Wetter her,
Geneigter Jupiter!
Da luces sereuatas
Ab imbribus purgatas,
Las uns doch ungetaufft!
Dan du wirst Selbsten wissen,
Das wür mit dem Ulissen
Nicht haben Wünd gekaufft.
10.
Nun scheiden wür, nun scheiden wür
Mit tausent Lust von hier
In loca fortuuata,
Elysia in prata,
In das vergnüegte Haus.
Der Schullhund ist erstumet,
Der uns offt vorgebrumet:
Jezt gehts zum Loch hinaus.
Das vorstehende Studentenlied, dessen treuherzig derbe Lustigkeit
trotz des unverkennbar anhaftenden klassischen Zöpfchens auch bei einem
modernen Leser Behagen erweckt 1 ), entnehme ich einer dickleibigen Sammel¬
handschrift, die bald nach dem Jahre 1765 in Bayern, vermutlich in München
selber, von unbekannter Hand zusammengestellt ist:
„Alt und Neue Nützliche Tischreden vnnd Begebenheiten, oder Etwafs von Alle,
dafs ist Gemieths-aufmuntereute vnnd die Melanclioley vertreibent guett vnnd schlechte
Einfähl, so von Fabulano Kurzweill Kiellheiten Fabricanten in dem Eiskeller zu Lustheim
bey miessigen Stunden nach ihren Rang mit einem vollkommenen Register rerum et
verborum recht miehesam zusam geschriben worden seint. In dein Jahr, da die Kält am
grösten war.“ 8-fi 149+8 S. fol. (Cod. 14914 der Wiener Hofbibliothek).
Der Band enthält hauptsächlich eine nach sachlichen Kategorien ge¬
ordnete grosse Schar von Rätseln und Scherzfragen, dann S. 929—945 ein
dreiaktiges Singspiel von der Erschaffung der Welt, Adams und Evä, von
einem „bayerischen Bauern“ im Stile Sebastian Sailers gedichtet, und endlich
von S. 963 ab 297 „lustige Historien“, unter denen obiges Lied auf S. 1113
als Nr. 282 paradiert. Ich werde auf den Inhalt an andrer Stelle noch zu
reden kommen und zitiere hier nur ein paar charakteristische Proben. Zunächst
zwei Rätsel:
Was ist das Beste an der Stadt München? — Das sie einen Namen hat; ansonst
konte man sie nicht erfragen.
Es seind in München Jesus, Maria und Joseph-Thaller geschlagen worden; haben
Sie noch keinen gesehen ? — Zäige ihm einen bayrischen Thaller, auf welchem die Mutter
Gottes mitn Kündl ist
*) Über die Einmischung lateinischer Worte vgl. meine Zusammenstellung in der
Festgabe der Gesellschaft für Deutsche Philologie au Weinhold 1896, S. 91: 'In dulci iubilo\
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Kleinere Mitteilungen.
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S. 1058 steht Matthias Et enhuebers’) lateinischer Glückwunsch zur
Hochzeit der Prinzessin Josepha (1765); S. 961 und 1114 Anekdoten von
Friedrich dem Grossen, S. 1050 Reime auf ihn und Maria Theresia, S. 1116
ein Dialog von der Schlacht bei Landshut (1760) in Alexandrinern, S. 1132
eine gleichfalls in Alexandrinern abgefasste lobpreisende „Abschilderung eines
wahren Freymauers,“ mit der man den gutmütigen Spott verschiedener Rätsel
auf die Jesuiten, Franziskaner und Kapuziner auf S. 494 und 498 vergleichen
mag. Dass der Sammler auch ein Freund eines guten Trunkes gewesen,
lehrt seine Anweisung auf S. 633.
Wie trinkt man auf die Notten? — Ut, utiliter; re, realiter; mi rairabiliter; fa,
faciliter; sol, solenniter. Doch gib acht, das nit das La, mithin lamentabiliter herauskonimt.
S. 1117: Schene Gedanckhen von dem Bier.
Du edler Gerstensafft, mit allen deinen Gaben
Solst nach des Bachi Spruch vier Religionen haben:
Guett luthrisch solst du sein aus einem vollen Fas,
Auch reformirt dabey aus einem hellen Glas;
Chatolisch muest du sein durch deine guette Werckh,
Damit mau merckt und füllt die Würckhung deiner Sterckh;
Auch jüdisch noch Dabey; das ist, nit sein getaufft;
So bist du guettes Bier, in dem kein Wasser laufft.
') S. Forschungen, I. 7—68. — Über dies Festgedicht s. a. a. O. S. 40 u. 66.
Berlin. Johannes Bolte.
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I
Anzeigen und Besprechungen.
Die Verlegung der Ludwig-Maximilians-Universität nach
München. Rede beim Antritt des Rektorats der Ludwigs-Maximliansuni¬
versität, gehalten am 20. November 1897 von Dr. Karl Theodor Heigel.
München 1897. (4°- 37 S.).
Mit vollem Rechte nennt es Treitschke, wie von Heigel einleitend anführt, eine alte
Wahrheit, dass die Bildung eines Volkes am Ende durch den Zustand der höchsten Unter¬
richtsanstalten bestimmt wird. Von hohem Interesse ist uns darum die Kenntnis der
Entwickelung derselben, um so mehr wenn der Berichterstatter „die Akten zum ersten
Male benützt“ hat Von Heigel behandelt nur e i n Ereignis aus der Geschichte der
Münchener Universität, ihre Verlegung von Landshut nach München, wobei es ihm ge¬
lingt, „den urkundlichen Beweis zu liefern, dass ein erleuchteter Wittelsbacher diese Ver¬
pflanzung nicht nur in der besten Absicht, sondern auch mit weiser Einsicht und sicherem
Fernblick beraten und durchgeführt hat“. (4.) Die Leistungen der Universität Ingolstadt
standen in keinem Vergleiche mit dem „festlich frohen Aufschwung der Schulen Nord-
und Mitteldeutschlands ... Zu den Schöpfern und Heroen unserer grossen Litteratur-
epoche stellte Bayern nicht einen Mann.“ (5.) Eine Denkschrift aus dem Jahre 1769 be¬
tont: „Es kann nicht besser werden, solange die Lehrer der Hochschule zwischen Soldaten¬
helmen und Jesuitenhüten spazieren gehen müssen.“ (6.) Hier wird, wie von Heigel her-,
vorhebt, zum ersten Male der Wunsch der Verlegung der Hochschule nach München
geäussert. Dieses berechtigte Verlangen kam freilich nur auf dem Umwege zustande,
dass die Universität erst (von 1799 bis 1826) in Landshut, allerdings stets angefochten,
wirkte. Vor allem Kronprinz Ludwig gab den Gedanken, die hohe Schule nach München
zu verlegen, nicht auf. Die überaus richtige Anschauung, die König Ludwig I. von den
Universitäten, der Lehrfreiheit und ihren Schranken, sowie ihren Aufgaben besass, bildet ein
neues Reis in seinem Lorbeerkranze, nicht minder die Mühe, die er sich gab, die besten
Kräfte nach München zu rufen. Mit kräftigen Strichen und mit der ihm in so hohem
Grade eigenen Schönheit der Sprache schildert von Heigel die ersten Erfolge der neuen
Universität München, ihr Emporkommeii, ihre Blüte bis zum heutigen Tage. Neben von
Heigels glühendem deutschen Patriotismus wirkt sein bayerisches Empfinden unendlich
wohlthuend. Nur wer, wie der Redner, mit dem scharfen Auge des Geschichtsforschers
die Schwächen der Heimat erkannt hat, durfte auch ihr Lob in die schönen und wahren
Worte (34) fassen: „Bayern ist längst nicht mehr die Feste mittelalterlicher Unduldsamkeit,
Bayern und seine Hauptstadt nicht mehr das deutsche Böotien, die Stacheln Heines sind
stumpf geworden.“ — Von Heigels Rektoratsrede bietet einen überaus wertvollen Beitrag
zur inneren und kulturellen Geschichte Bayerns.
München. Reinhardstöttner.
Francesco Melzi d’Eril. Ricordo di Monaco. Eugenio
Beauharnais e Augusta di Baviera. Documenti inediti. München
1897. Verlag von Christian Kaiser. (150 S.).
Ein überaus nobel ausgestatteter Band, der freilich erkennen lässt, dass er im
Auslande gedruckt wurde (S. 9. po, 13 virtu, natiä, S. 19. une, dell, S. 21. suo, une, sim-
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Anzeigen und Besprechungen.
patice, un, S. 23. archvio S. 24. le, ser cel£bre, S. 29. nello Reggia, S. 31. conduit, S. 59
au p. an, S. 65 italiani, S. 69. quäl Re, S. 71. des nos, S. 142. le storia, S. 144. dedico,
S. 145. nascita u. s. w.) beschäftigt sich neben allgemeinen Lobeserhebungen der bayeri¬
schen Hauptstadt (S. 5. bella come il sogno d’un poeta, nella amenita de* suoi giardini,
nella grandiosa fulgidezza de’ suoi palazzi, de* suoi tempi, de’ suoi musei, delle sue strade,
de’ suoi teatri . . . una grande cittä, che meno di un secolo ha bastato a reudere uua delle
piü cospicue della Germania u. s. w.) mit dem Schicksale des Vizekönigs von Italien
Eugöne von Beauharnais (1781—1824), des Herzogs von Leuchtenberg, und seiner Gattin
Augusta (1788—1851), der ersten Tochter des Königs Max Joseph von Bayern. Briefe im
geheimen Hausarchive und Clerambaults Tagebuch standen dem Verfasser neben dem
gedruckten Material zur Verfügung. Das Journal de tout ce qui s’est passe ä Munich
depuis le 13 Octobre 1805 jusqu’ä 1806* enthält in schlichten Worten bedeutende geschicht¬
liche Ereignisse, deren Lektüre heute noch einer tiefen Wirkung nicht verfehlen kann.
Neben den getreu aufgezeichneten Wetterberichten lesen wir von Napoleons Aufenthalt
in München; (la joie du public etait ä son comble (34); venit vidit vincit (?) Napoleon,
Austriae terror, pius Bavariae amicus vivat! [36]), von der Ausrufung Max IV. Joseph als
König von Bayern (44), ferner eine kurze Schilderung des Metzgersprunges (52) u. a. Der
Verfasser hat eine stattliche Reihe von Archivalien, welche sich auf Eugene Beauharnais
und seine Gemahlin Auguste beziehen, wie den Ehekontrakt, das Testament, u. a., zum
teile zum ersten Male veröffentlicht, die Bibliographie zusammengestellt und dem Ganzen
Anmerkungen zum Verständnisse der Schrift für Ausländer beigegeben. Die freundliche
Gesinnung gegen das gastliche Bayerland hat ihn sogar dem Maximilianeum ,un effetto
sorprendente’ (143) zuschreiben lassen. ,L’arte vi e profusa*. Das, wie bemerkt, üppig
gedruckte Buch ist nicht nur ein Beitrag zur Geschichte Bayerns in jenen Tagen, wo
Napoleons Stiefsohn der bayerischen Prinzessin die Hand reichte zur Befestigung der
,liens d’union et d’amitie qui les unissent dejä‘ (57), es enthält auch zahlreiche Urteile
über Land und Leute, die, besonders wohlwollend gehalten, die freundliche Gesinnung
widerspiegeln, die man für unser Land und seine Geschichte auswärts hegt.
München. R.
Die Jesuitennu 11 en Prantls au der Universität Ingolstadt
und ihre Eeidensgenossen. Eine biobibliographische Studie von Franz
Sales Romstöck, Eyzealprofessor, Bibliothekar und I. Vorstand des histo¬
rischen Vereins in Eichstätt. Eichstätt 1898. Kommissionsverlag der Ph.
Broun ersehen Buchhandlung (A. Hornik) (VIII u. 523 S.).
Als vor sechsundzwanzig Jahren die hohe Schule zu München die Feier ihres
vierhundertjährigen Bestehens festlich beging, erschien als eine der wertvollsten Gaben
die Geschichte der Universität aus der Feder unseres unvergesslichen Prantl. Der aka¬
demische Senat, der ihn mit dieser Arbeit betraute, wusste wohl, warum er gerade ihn
für dieselbe wählte; denn Prantl ist nicht bloss „im Rufe bedeutender Gelehrsamkeit ge¬
standen“, wie Romstöck (472) von ihm sagt; er besass thatsächlich jenes umfangreiche
Wissen auf mehreren Gebieten, wie ein solches heutigentages, zumteil infolge des um
sich greifenden und von dem wachsenden Umfange der Wissenschaften natürlich gefor¬
derten Spezialistentumes, immer seltener wird. Nicht unwidersprochen darf darum die
Behauptung bleiben, dass der scharfsinnige Philosoph und Geschichtschreiber seiner
Wissenschaft sich „mehr von offenkundigem Hasse gegen den Jesuitenorden und die Mit¬
glieder desselben, als von der Liebe zur Wahrheit leiten liess“ (472); denn mit dem
Vorwurfe der Unwahrheit wäre sein gesamtes Wirken als null und nichtig erklärt. Prantls
Anschauungen entspringen gewiss nicht dem kleinlichen Hasse gegen das Kirchliche, sie
sind, auch wenn sie nicht von allen geteilt werden können, lediglich Folge seiner weit¬
verzweigten Studien. Sein Urteil über die Lehrkräfte der Ingolstädter Hochschule ergiebt
sich aus der ihm gewordenen Aufgabe, eine Geschichte derselben zu schreiben. Was
kann dies heissen? Doch nur eine Darstellung des Einflusses zu versuchen, welchen
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Anzeigen und Besprechungen.
17
diese gelehrte Gesellschaft auf die Wissenschaften, die sie vertrat, ausgeübt, was
sie Dauerndes schuf. Nun spricht Prantl hinsichtlich der Jesuiten in Ingolstadt nicht
von allen anerkennend; viele nennt er „leere Namen“, „Jesuitennullen“, Männer „ohne
litterarische Bedeutung“ u. dgl Romstöck nun findet (461) diese Kritik „beinahe völlig
hinfällig“. Zur Widerlegung Prantls hat er in einem stattlichen Bande von 523 Seiten
mit unermüdlichem Fleisse alle Daten über das Leben und sämtliche Schriften jener
Jesuiten zusammengetragen, die je in Ingolstadt gewirkt haben; diese Mühe ergab eine
überaus sorgfältige Arbeit, die selbst nach Sommervogels grossem Werke besonders dem
bayerischen Forscher sehr willkommen sein muss. Aber der vorurteilsfreie Benützer dieses
umfangreichen Buches gewinnt aus demselben den Eindruck, als ob die Berechtigung
Prantls zu den Äusserungen über „leere Namen“, „nicht nachweisbare Früchte“, Männer
„ohne litterarische Bedeutung“ u. ä. gerade aus Romstöcks liebevoller und hingebender
Arbeit aufs glänzendste bewiesen werden könnte; denn so ungeheuer auch die schrift¬
stellerische Thätigkeit der Ingolstädter Jesuitenprofessoren war, was der Wissenschaft
wirklich davon zu gute kam, ist sehr wenig; die überwiegende Mehrzahl ihrer Schriften
ist ohne litterarische Bedeutung. Und darauf kam es doch dem Geschichtschreiber der
Universität an, ob die aus derselben erwachsenen Werke auch jenen wissenschaftlichen
Charakter tragen, der Grundbedingung akademischen Wirkens ist und bleibt.
Referent, der seit Jahrzehnten die pädagogischen Verdienste der Jesuiten und ihre
glänzende Schulkomödie mit warmer Anerkennung verfolgt, hat sich die Mühe genommen,
die von Romstöck angeführten Werke ihrem Inhalte nach zusammenzustellen, und da
ergab sich denn für ihn die Überzeugung, dass von den so zahlreichen Jesuiten, deren
wissenschaftlicher Leistungen sich zu rühmen der Orden allen Grund hat, gerade in
Ingolstadt sehr wenige wirkten. So hat z. B. auch der hervorragende Ignaz Koegler
(s. über ihn A. D. B.) nur von 1712—1714 der hohen Schule dieser Stadt angehört. Wenn
wir die von Romstöck gesammelten Druckschriften überblicken, so begegnen wir vorerst
zahllosen Gelegenheitsschriften, Trauerreden, Predigten (z. B. 13; 14, 2, 3, 4, 5, 6; 30, 9;
56, 3, 4, 5; 98; 99, 2; 151; i 67 ff.; 202, 3; 246; 255; 266 u. s. w.; Adam Kern hat z. B.
gar nichts Anderes zu verzeichnen!), alsdann Gebet- und Erbauungsbücheru (z. B. 16, 7;
163, 1; 195, 1; 246 ff. u. s. w.), vielen Gymnasialschriften, darunter selbst den Ephemeriden,
die der jeweilige Präfekt des Gymnasiums amtlich führen muss (z. B. 47; 153; 165; 166, 2;
221, 2; 227, 1; 242, 1; 244, 2; 249 u. s. w.); blossen Übersetzungen asketischer oder anderer
Werke (z. B. 11, 3; 105; 161, 4 u. s. w.), endlosen ,Disputationes‘, Gedichten (87, 1; 160, 3),
Schulkomödien (27, 1; 31, 1; 93, 1; 160, 3 u. s. w.) Ja, was am meisten überrascht,
Romstöck führt eine Unzahl von Promotionsschriften anderer auf, bei
denen ein Jesuitenprofessor ganz zufällig Präses oder Promotor war 1 )
(z. B. unter hunderten 84, 85, 89, 101 ff., 105; 106 ff.; m; 119, 5, 6; 125; 127; 131; 141;
143; 170 ff.; 189; 291 u. s. w.). Was sollten nur diese für die litterarische Thätigkeit
dieser Männer gar nichts beweisenden Amtsakte für die „litterarische Würdigung der
Jesuiten, die an der Ingolstädter Universität gewirkt haben und von Prantl auf den
Pranger gestellt worden sind (463)“, bedeuten? Auch ersieht man doch sicher nicht, in¬
wieweit „der Schleier gelüftet“ wird, „unter dem ihre litterarische Wirksamkeit verborgen
war“ (3), wenn zahlreiche Lehrer der Hochschule aufgeführt werden (z. B. 30, 39, 51, 56,
60, 61, 63, 86, 88, 98, 100, 101, 104, 120, 126, 155, 187, 188, 200, 203, 204, 206, 210, 217,
244, 253, 256, 263, 272 u. s. w.), von denen keine einzige Druckschrift nachgewiesen wird?
Selbstverständlich hat Romstöck manche Angaben Prantls über Jesuiten vervoll¬
ständigt, allein der Geschichtschreiber der Universität hatte ja die Gesamtheit, nicht
*)Die Begründung des Rezensenten der „Bayerischen Gymnasialblätter“ (Bd. XXXIV,
515—517), weshalb Dissertationen aufgeführt (515) und auch litterarisch nicht hervor¬
tretende Männer mit aufgenommen wurden (516, 517), überzeugt mich so wenig, dass
ich aus derselben eher entnehme, der überaus wohlwollende Herr Referent habe diesen
Mangel ebensosehr, wie ich, empfunden und nach einer Entschuldigung gesucht.
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i8
Anzeigen und Besprechungen.
die Jesuiten allein im Auge, er hatte sich doch nicht ausschliesslich mit Jesuitica zu be¬
schäftigen. Was indessen Romstöck von der streng wissenschaftlichen Thätigkeit der
Gesellschaft Jesu in Ingolstadt anführt, möchte Prantls Urteil eher bestärken als er¬
schüttern, und auch Referent muss Haushofers Anschauung über Prantls Geschichte (V)
vollständig teilen. Vielleicht hätte Romstöck mit einer Würdigung einiger weniger unter
den wissenschaftlichen Arbeiten der Jesuiten und ihrer Bedeutung für Zeitgenossen und
Nachfolger seinen Zweck, die Professoren, die fünfundzwanzig Jahre, „weil es Prantl so
wollte, litterarisch am Pranger standen“ (3), zu reinigen, weit sicherer erreicht, als mit
einer „biobibliographischen“ Zusammenstellung aller ihrer die Wissenschaft meist nicht
oder nur sehr oberflächlich berührenden Elaborate. Er hat dies auf dem ihm so nahe
liegenden Gebiete der Theologie und Physik nicht unternommen, dagegen den stets be¬
denklichen Versuch gewagt, einer Provinz, einer Örtlichkeit, einem Stande, einem Orden,
einer Konfession diesen speziell, nicht der Allgemeinheit des menschlichen Wissens an-
gehörige Koryphäen zu schaffen. Und so zerfällt auch der schwere Vorwurf, als habe
Prantl Scandalosa der Universität „vor den Augen der ganzen Welt zu enthüllen, sich
nicht gescheut“ (472 u. V) vor der Aufgabe des Historikers und der Pflicht der Wahrheit
in nichts.
Muss man nun endgiltig zweifeln, ob es trotz des späten Angriffes auf einen der
allergrössten bayerischen Gelehrten, der noch sechzehn Jahre nach der Abfassung seiner
Universitätsgeschichte am Leben und zu bekämpfen war, dem Verfasser gelang, Prantls
Urteil nach seinem Tode zu erschüttern, so ist darum an dem bibliographischen Werte
des Buches natürlich noch nichts herabgesetzt. Das mit unverdrossenem Fleisse ge¬
sammelte Material, die Heranziehung zahlreicher Manuskripte, die bio¬
graphischen Ergänzungen und Berichtigungen, die ganze Anlage des Buches weisen ihm
sicher eine Stelle in jeder bayerischen Bibliothek an. Seite 1—3 und 463—472 w r eggenommen
verbleibt ihm ein Wert, dessen sich Forscher auf dem Gebiete der bayerischen Geschichte
oft bedienen werden. Wir sagen, die bezeichneten Seiten weggenommen, denn um z. B.
nur den Schluss „Nähere Würdigung der Prantlschen Qualifikationen“ nochmal heran¬
zuziehen, so ist der Artikel keine Abweisung der Prantlschen Kritik. Denn wenn Prantl
z. B. Anton Welser (464) eine „Jesuitennull“ nennt, Lipowsky aber denselben als „religiös,
gelehrt, mit Klugheit und Umsicht handelnd“ darstellt, wenn Prantl Wilhelm Gumppen-
berg ebenso nennt, hier aber (466) diese Bezeichnung schon darum ab gewiesen wird,
„weil er durch sein Drängen den P. Balde bewogen hat, die köstliche Satire ,solatium
podagricorum* zu dichten“, so ist damit doch die Erwiderung gegen den gelehrten Forscher
Prantl auf völlig andere Bahnen gelenkt. Vertreter strenger Wissenschaft und ihre wissen¬
schaftlichen Errungenschaften darzustellen, war Prantls Aufgabe, hervorragende Prediger,
Katecheten, Seelsorger, Lehrer, „gebildete Männer in jeder Hinsicht“ (465), Jesuitengeneräle
(468), u. s. w. zu schildern, obliegt einer andern Geschichte als derjenigen einer Fachschule,
von deren Lehrern wir mehr verlangen dürfen als eine grosse Anzahl von Druckbogen.
Bei alledem sei indes nochmal Romstöcks Buch aufs beste empfohlen; es wird
besonders jenen nützlich sein, welche grofse Sammelwerke nicht zur Hand haben, und
welche dort Daten zur Biographie und Bibliographie zahlreicher Männer finden, die teils
Bayern von Geburt waren, teils kürzere oder längere Zeit in unserm engeren Vaterlande
so wirkten, wie es ihnen die Umstände eben gestatteten. Diese aber waren im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderte der Universität Ingolstadt sehr wenig, im achtzehnten gar
nicht günstig, was Döllingers und von Heigels Rektoratsreden (von 1872 und 1897) genugsam
darthuu. Wir wünschten dem auch hübsch ausgestatteten inhaltsreichen Buche recht bald
eine zweite Auflage, die unter gemässigterer und sachlicherer Polemik auch einen Titel
trüge, der den gediegenen Inhalt besser ahnen Hesse.
München. Reinhardstöttner.
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Anzeigen und Besprechungen.
19
Peter Vischer der Jüngere. Ein Beitrag zur Geschichte der Erz-
giesserfamilie Vischer von Dr. Georg Seeger. Leipzig. E. A. Seemann.
Der Verfasser bietet uns in dem vorliegenden Werk einen äusserst wertvollen
Beitrag zur Geschichte der Plastik überhaupt, wie im Speziellen zur Geschichte der Erz-
giesserfamilie Vischer. Nicht allein die positiven Resultate, die uns geboten werden,
sondern auch namentlich die anregende Diktion verdienen besondere Beachtung. Man
merkt dem ganzen Werke die warme Begeisterung an, mit der es geschrieben ist, und
man sieht gerne über ein Zuviel des Lobes hinweg, zu dem oft den Verfasser die liebe¬
volle Betrachtung der Kunstwerke der Meister trieb. Mit sorgfältiger Abwägung stilistischer
Kriterien und vorsichtiger wohl durchdachter Durchforschung und Anwendung der
archivalischen Materialien behandelte Seeger das z. t sehr spröde Thema und zwar in
so überzeugender Weise, dass der Beweis für die alte so inhaltsreiche Nachricht, Peter
Vischer d. J. habe mit seiner Kunst seinen Vater und Bruder (Hermann) übertroffen,
(M. S. der Nürnberger Stadtbibliothek 933 b) bei aller Hochschätzung Peter Fischers d. Ä.
fast erbracht erscheint. Jedenfalls zwingt uns — trotz mancherlei Ein wänden, die sich
machen Hessen — die Arbeit zu dem Resultate, in dem jüngeren Peter Vischer einen der
hervorragendsten Bildner der Frührenaissance zu erblicken und ihm eine entschieden
wichtigere, bedeutendere Stellung in der Kunst seiner Zeit einzuräumen, als es bisher
geschah.
Ausgehend von drei Medaillen von 1507, 1509, 1511, welche als Arbeiten des jüngeren
Peter Vischer und zurückgehend auf einen Einfluss einer italienischen Reise nachgewiesen
werden, bringt der Verfasser in Kap. III eine nach vielen Seiten hochinteressante, vielleicht
etwas zuviel von Hypothesen durchsetzte Besprechung über den Aufenthalt des Künstlers
in Oberitalien, seine Verbindung mit Sebald Schreyer und seine Stellung zum Vertrieb
der Schedelschen Chronik in Oberitalien. Gerade dieses Kapitel mufs als für die Ent¬
wickelung des Künstlers ganz besonders wichtig betrachtet werden. Das IV. Kap. bringt
ein Verzeichnis der datierten und bezeichneten Werke aus der Vischerschen Giesshütte,
welches als Norm für die weiteren stilistischen Untersuchungen Seegers gilt Diese
betreffen zunächst das bekannte Blatt der „Allegorie auf die Reformation“ im Goethe¬
museum, die Grabdenkmale Friedrichs des Weisen in Wittenberg und des Kardinals
Albrecht von Mainz in Aschaffenburg und die beiden Tintenfässer, welche der Verfasser,
sich an Lübke anschliessend, dem jüngeren P. Vischer zuschreibt, und deren Figuren er
als Personifikationen der himmlischen und irdischen Liebe auffasst. Ob mit Recht, will
ich nicht entscheiden. Weder die Figuren selbst noch des Verfassers Beweis wirken hier
völlig überzeugend. Das IX. Kapitel ist den Plaquetten mit den Darstellungen von
Orpheus und Eurydike gewidmet. Hier vermisst man den Hinweis auf die Aktstudie
P. V. d. J. vom Jahre 1519, die von grosser Wichtigkeit für die Plaquette der Coli.
Dreyfus namentlich auch in bezug auf Datierung ist (Vergl. Jahrbuch d. preuss. Kunst-
samml. 1891 Heft I.) Entgegen Seegers Anschauung, diese Plaquette schon etwa 1508
zu setzen, möchte ich ihr das Datum der Aktstudie auch aus stilistischen Gründen geben,
namentlich zwingt mich die Rhythmik der Bewegung der Körper hiezu. Das umfang¬
reichste Kapitel des verdienstvollen Buches, das X., sucht die Frage nach den verschiedenen
Meistern des Sebaldusgrabes zu beantworten. Es überschreitet einerseits den Raum einer
Besprechung, auf das so inhaltreiche Kapitel einzugehen, dem man eine äusserst fein¬
sinnige Betrachtung und sorgfältigstes Studium dieses prächtigen FrührenaissanceWerkes
nachrühmen muss, anderseits möchte ich es fast für unmöglich halten, bei den ver¬
hältnismässig wenig sicheren Anhaltspunkten feststellen zu können, -welcher Teil, welche
Figur, welches Ornament dem älteren oder dem jüngeren P. Vischer oder dem Hermann
Vischer zuzuschreiben ist Immerhin muss dieses Kapitel zum Besten gerechnet werden,
was die reiche Litteratur über das Sebaldusgrab auf weist Zur Vervollständigung dieser
Abhandlung hätte aber freiHch auch der Verfasser die zwei von H. Weizsäcker gefundenen
Grabentwürfe Hermann Vischers v. J. 1516 im Louvre zu Paris anführen müssen. (Vgl.
Jahrbuch d. preuss. KunstsammL 1891 Heft I.) Kap. XI. befasst sich mit der Frage, in
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20
Anzeigen und Besprechungen.
wie weit P. V. d. J. an anderen Werken der Hütte beteiligt war; der Verfasser weist
im Widerspruch zu dem authentischen Aktenmaterial aus stilischen Gründen auf grund
eingehender Betrachtung den prächtigen König Arthur der Hofkirche zu Innsbruck
unserem Meister zu; man darf wohl sagen mit Recht Den Beschluss dieses Kapitels
bildet die Ergründung des Meisters der Nürnberger Madonna, welche Seeger, von Bezolds
feinsinniger Forschung und Untersuchung folgend, nicht nur dem Vischerschen Kunst¬
bereiche zuschreibt, sondern auch durch sorgfältig durchdachte Beweise dem j. Peter
Vischer vindizieren möchte. Eine Anschauung, die sehr viel Wahrscheinlichkeit in sich
birgt. Eine Biographie der einzelnen Glieder der Künstlerfamilie Vischer beschliesst das
sehr verdienstvolle Buch, dem unverhohlen das Lob gezollt werden muss, dass es neben
vielen positiven Resultaten viel Anregungen und Anhaltspunkte für weitere Forschungen
bietet und einen klareren Einblick in die Verhältnisse der Erzgiesserfamilie Vischer und
ihre künstlerische Thädgkeit gestattet, als es bisher möglich war.
München. W.
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Kleinere Mitteilungen
Die deutschen Handschriften zur bayerischen Geschichte
in der französischen Nationalbibliothek.
Wertvolle Schätze der verschiedensten Wissensgebiete liegen in den Archiven und
Bibliotheken des In- und Auslandes vergraben, ohne der Forschung zugänglich zu sein.
Erst die umfassenden Publikationen der Inventare, mit denen das Ausland in so aner¬
kennenswerter Weise vorangeht, und die auch in Deutschland mehr und mehr Nachahmung
finden, gewähren offenen Einblick in die handschriftlichen Bestände der grossen Samm¬
lungen. Unvermutet begegnet man da wichtigen Stücken für allgemeine, -wie für lokal¬
geschichtliche Forschung an Orten, wo man derartiges nimmer gesucht hätte. Seltsame
Schicksale haben über den Büchersammlungen gewaltet und im Laufe der Jahrhunderte
die alten Ordnungen völlig zerstört, die geschlossenen Bestände aufgelöst und in alle
Winde zerstreut. Sie aufs neue zu sammeln für jedes einzelne Arbeitsgebiet — in mög¬
lichst vollständigen Verzeichnissen, soweit dies die vorhandenen Publikationen gestatten
— und der wissenschaftlichen Ausbeutung zu erschliessen, gehört mit zu den vornehmsten
Aufgaben aller der Spezialforschung dienenden Zeitschriften. Dort in erster Linie sucht
man darnach, nicht in den grossen Katalogen der «Biblioth&que Nationale» oder des
«British Museum», die zudem nur schwer zugänglich sind. Und eine Zeitschrift, wie die
„Forschungen", wird stets ihr Hauptziel darin sehen, ein Gesamtrepertorium ihrer Disziplin,
hier der bayerischen Geschichte, zu bilden.
Wenn ich im nachfolgenden das Verzeichnis der auf die bayerische Geschichte
bezüglichen deutschen Handschriften der Pariser Bibliothek anführe, so soll damit nur
ein Anfang gemacht sein in der Zusammenstellung aller in den verschiedenen Publikationen
verstreuten Hinweise auf handschriftliches Material zur bayerischen Geschichte.
In dankenswerter Weise hat die französische Nationalbibliothek eine Gesamtüber¬
sicht ihrer deutschen Handschriften veröffentlicht unter dem Titel: Catalogue des
manuscrits allemands de la bibliotheque nationale par G6d6on Huet,
Paris 1895. Diesem an sich höchst verdienstvollen, leider aber nur mangelhaft an geord¬
neten und unübersichtlichen Werke entnehme ich folgende Angaben. Zu etwaigen Recher¬
chen im Pariser Handschriftenkabinett genügt die Angabe der beigesetzten Signaturen.
Die speziell bayerische Kirchengeschichte betreffenden Handschriften finden sich
in den „Beiträgen zur bayerischen Kirchengeschichte". (Erlangen, herausg. von D. Theodor
Kolde) 3. Band 6. Heft verzeichnet.
Korrespondenz über den Regensburger Reichstag 1748: Schreiben
des Markgrafen von Bayreuth (Rekurs gegen die kaiserliche Kammer). — Promemoria
von Sachsen-Koburg; Schreiben des Königs von Preussen an den Markgrafen von Ans¬
bach (Vormundschaft von Sachsen-Weimar). — Erklärung des Kurfürsten von Bayern
(Ceremonialangelegenheit). — Schreiben des Königs von Preusseu und des Markgrafen
von Ansbach (Vormundschaft von Sachsen-Weimar). — Supplement frangais 4731 , 1 .
Schreiben von J. W. J. Bayer an Baron Gymnich, betr. Regens¬
burger Reichstags Verhandlungen von 1753—65:
Schreiben des Kurfürsten von Bayern. (Gesuch um Anstellung des Grafen von
Holnstein als Marschall-Lieutenant), 16. Januar 1758. — Aktenstücke, betr. Differenz
zwischen Bayern und Württemberg wegen des Salzhandels. — Reichsgutachten: Ernen¬
nung des Fürsten von Zweibrücken und des Markgrafen von Baden-Durlach zu Reichs-
marschällen, 20. März 1760, gedr. — Schreiben des Pfalzgrafen Friedrich, er dankt für seine
Ernennung zum Reichsmarschall, 27. April 1760. — Beschluss des Kurfürsten von Bayern,
betr. die Pensionen der Offiziere, 24. Januar 1761. — Schreiben der Gesandten am Reichs¬
tag an den Kurfürsten von Bayern, betr. Verteuerung der Lebensmittel, 12. August 1763.
— Denkschriften in derselben Angelegenheit. — Beschluss der Deputationskammer,
2. August 1765. — Benachrichtigung in derselben Angelegenheit — Anzeige der Ver¬
mählung Josephs, Königs von Rom, mit Maria Josepha von Bayern, 27. Januar 1765. —
Antwort des Reichstags, 4. Februar 1765, gedr. — Schreiben betr. die Beförderung im
Reichsmilitärdienst des Grafen von Holnstein, 10. Januar 1764. — Korrespondenz der
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Kleinere Mitteilungen.
Reichsstädte mit dem Fürsten Thurn und Taxis, betr. Postverwaltung: Schreiben von
Augsburg, 28. Juni 1765. — Schreiben von der Regierung von Ansbach, 10. Juli 1765. —
Sehr, von der Stadt Nürnberg, 30. Juli 1765. — Sehr, von der Stadt Augsburg an den
Markgrafen von Ansbach, 20. September 1765. — Kaiserliches Reskript, 19. Januar 1636.
— Sehr, der Stadt Regensburg an den Fürsten Thum und Taxis, 14. Oktober 1765. —
Antwort des Fürsten o. D. — Sehr, des Fürsten an das Fürstenkollegium. — Sehr, des
Fürsten an die Stadt Nürnberg, 9. November 1765.
Schreiben des Kurfürsten von Bayern und des Erzbischofs von Salzburg, betr.
die Korporationen. — Vortrag des P. Gresel bei der Wahl eines neuen Bischofs von
Regensburg, 27. April 1763. — Supplement frangais 4731 , 2 — 9 und 4731 bis.
Aktenstücke, betr. religiöse Angelegenheiten auf dem Regens¬
burger Reichstag: Promemoria des Corpus Evangelicorum: Haltung der Stadt Regens¬
burg in Sachen der österreichischen Unterthanen lutherischer Konfession. — Denkschrift
an das Corp. Ev. über den Religionszustand der Pfalz, gez. J. C. Schwartz, 8. Januar 1759.
— Schreiben des A. C Gehwolff an das Corp. Ev., betr. die Angelegenheit der Kasse von
Germersheim, 19. Mai 1759. — Klagen an den Reichstag über ein Buch des Abtes von
St Emmeram. — Kaiserliches Dekret, verurteilt den Streit des Professors Strube mit dem
Fürst-Abt von St Emmeram über den westfälischen Frieden, 4. März 1760. — Supplement
frangais 4732, 1 — 4.
Aktenstücke, betr. die Zulassung neuer Mitglieder zum Fürsten¬
kollegium des Reichstags: Schreiben des Pfalzgrafen an den Fürsten Thum und
Taxis, 4. September 1753. — Kaiserliches Dekret, empfiehlt den Fürsten Thum und Taxis
zur Zulassung in den Rat der Fürsten, 17. Dezember 1753. — Erklärung des Fürsten Thum
und Taxis über seinen Rang als Generalpostmeister, 31. Januar 1754. — Einige weitere
Aktenstücke, betr. Zulassung des Hauses Thum und Taxis zum Fürstenkollegium. —
Schreiben des Markgrafen von Bayreuth in Sachen der Zulassungen, 12. Mai 1754. —
Schreiben des Königs von Preussen an den Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und
an Pfalz-Zweibrücken, betr. die Privilegien der Fürsten, 4. Dezember 1755. —
Supplement frangais 4733.
Beschwerden an den Reichstag: Beschwerde des Hauses Brandenburg
gegen die Stadt Nürnberg. Denkschrift der Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und
Br.-Ausbach, 25. und 28. September 1752; gedr. — Species facti derselben, 1752; gedr. —
Widerlegung derselben, gedr. — Berufung gegen Entscheidungen des Landgerichts Ans¬
bach, 2. Mai 1757 bis 17. Juli 1758. — Schreiben des Markgrafen von Brandenburg an
den Reichstag in derselben Angelegenheit, 24. September 1758 und 30. August 1759. —
Berufung der Stadt Nürnberg gegen das Landgericht Ansbach, 26.—30. Juni 1759. — An¬
gelegenheit zwischen Brandenburg-Kulmbach und dem Baron Künssberg: Antwort, 1753 i
gedr. — Widerlegung derselben, Oktober 1756; gedr. — Beschwerde des Markgrafen an
den Reichstag, 9. November 1758; gedr. — Species facti für die Stadt Dinkelsbühl gegen
das Haus Öttingen-Spielberg, 1755 ; gedr. — Thesen (Rechte des fränkischen Kreises auf
Fischberg) 1751 ; gedr. — Schreiben des fränkischen Kreises an den Reichstag in dieser
Angelegenheit, 15. März 1755; gedr. — Promemoria für Brandenburg-Ansbach in der Sache
Sayn-Hachen bürg gegen das Kloster Marienstadt, 6. Februar 1759; gedr. —
SuppUment frangais 4734, 1 — 2.
Aktenstücke, betr. den siebenjährigen Krieg: Schreiben des Königs
von Preussen an den fränkischen Kreis, 15. November 1756. — Kreisbeschlüsse vom
7. Dezember 1756, 29. Juni 1757, o. D. 1757, o. D., 11. Mai 1757. — Rezess des bayeri¬
schen Kreiskonventes, 14. Februar 1757, gedr. — Beschluss des bayerischen Kreises, o. D.
— Kaiserliches Reskript an die Stadt Nürnberg, 25. Juni 1757. — Reskript des Königs
von Preussen an die Stadt Nürnberg, (unvollständig). — Note für den preussischen Hof
betr. Besetzung Frankens durch die Preussen, 16. Dezember 1757, gedr. — Schreiben des
Kurfürsten von Bayern und des Erzbischofs von Salzburg an den Kaiser, 16.—25. Januar
1758. — Schreiben des Herzogs Friedrich von Zweibrücken: Gesuch um Verleihung der
Würde als Reichsfeld marschall, 16. Februar 1758. — Ernennung desselben zum Befehls¬
haber der Reichsarmee, 20. Februar 1758, gedr. — Beschluss des bayerischen Kreises,
29. April 1758. — Schreiben des Markgrafen Friedrich von Bayreuth, betr. den Einmarsch
der preussischen Truppen, 26. Mai 1758. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an den
Kaiser, 12. Juni 1758. — Denkschrift des französischen Gesandten von Follard au den
fränkischen Kreis, 6. Juli 1758. — Promemoria der Städte Augsburg und Ulm, 14. August
1758. — Schreiben des Kaisers an den Kurfürsten von Bayern, 25. August 1758. —
Schreiben der Städte Augsburg und Ulm an das Direktorium der Reichsstädte, 14. Oktober
1758. — Bittgesuch der Reichsstädte von Schwaben an den Kaiser, o. D. — Proklamation
des Kurfürsten von Bayern: Rückberufung der bayerischen Unterthanen, welche in preussi-
schem Dienste sind, 1. November 1758. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an seinen
Gesandten beim Reichstag, betr. Unterhalt der Truppen, 13. November 1758. — Prokla¬
mation des Herzogs Friedrich von Zweibrücken: fordert die Herausgabe der Kassen in
den von der Reichsarmee besetzten Ländern, 26. Februar 1759. — Proklamation desselben:
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Kleinere Mitteilungen. 3
verbietet jeden Verkehr mit dem Feinde, 26. Februar 1759. — Beschluss des bayerischen
Kreises, 26. März 1759. — Beschluss des Kurfürsten von Bayern über die Aufbringung
der Kriegskosten, 12. Mai 1759. — Reparation der Unterstützungen der bayerischen
Klöster. — Konferenz des bayerischen Kreises, 17. Januar 1760. — Beschlüsse des baye¬
rischen Kreises, 17. Januar 1760 und 1. Februar 1760.
Supplement frangais 4736 , 3 — 4 .
Reskript von Brandenburg-Kulmbach, 3. Juni 1762. — Verzeichnis der in der
Stadt Nürnberg verwahrten Geiseln. — Bericht des Kanzlers der Abtei von St. Emmeram,
28. November 1762. — Forderung des kgl. preuss. Ministers an den fränkischen Kreis,
13. Oktober 1762. — Dasselbe, 16. Oktober 1762. — Beschluss des bayerischen Kreises,
17. Dezember 1762. — Konfereuzakten desselben Kreises, 17. Dezember 1762. — Schreiben
des schwäbischen Kreises an den Kaiser, 13. Dezember 1762. — Promemoria im Namen
des schwäbischen Kreises au den kaiserlichen Gesandten beim Reichstag, 13. Dezember
1762. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an den Kaiser, 27. Dezember 1762. —
Kaiserliches Reskript an den Kurfürsten von der Pfalz, 9. Februar 1763: Abberufung der
kurfürstlichen Truppen von der kaiserlichen Armee. — Species facti in derselben Angelegenheit
Supplement frangais 4735 bis.
Genealogie des Hauses Bayern (Fol. 1—94), des Hauses Franken (Fol. 95—102);
verschiedene Notizen über die Geschichte Bayerns bis zum Jahre 1475 (Fol. 104—139). 16. Jahrh.
Supplement frangais 8379 .
Katalog der Bischöfe und kirchlichen Würdenträger des Bistums Würzburg. 18. Jahrh.
SuppUment frangais 4516 .
Chronik der Kaiser, der Päpste und der Pfalzgrafen, beigegeben die Lebensbeschrei¬
bung des Pfalzgrafen Friedrich I., selbstbiographische Bemerkungen des Verfassers Matthias
von Kemnath und Fortsetzung der Chronik bis 1475. — 15. Jahrh.
Supplement frangais 10194 .
(Veröffentlicht von C Hofmann in den: „Quellen und Erörterungen zur bayeri¬
schen und deutschen Geschichte“, Band II, München 1862).
Chroniken der Stadt Memmingen: 1. 350—1463 von Magister Johann Kimpel
(Fol. 1—22).
2. 1449—1497 von anderer Hand (Fol. 23—80). 16. Jahrh.
SuppUment frangais 3161 .
Summarisches Handbuch der Pathologie und Therapeutik von Ortolf von Würz¬
burg. 15. Jahrh.
SuppUment frangais 3162 .
Medizinischer Traktat des Meisters Ortolf von Würzburg. 15. Jahrh.
SuppUment frangais 3168 .
Traktat von Ortolf von Bayern (Fol. 1—90); desgl. (FoL 90—174) 16. Jahrh.
SuppUment frangais 3327 .
Chronik von Nürnberg; letztes Datum 1633.
SuppUment frangais 3136 .
Geheime Chronik von Nürnberg von Bonifazius Diefenbach bis 23. März 1578.
Supplement frangais 3164 ,
Chronik von Augsburg bis 1568, mit Fortsetzung bis 1579.
Supplement frangais 3165 , 1 — 2 .
Handbuch der allgemeinen Geographie von Baron Maximilian von Schurff, be¬
titelt: „Geographische Welt Beschreibung . . . durch sonderbaren Fleiss . . . des weiland
. . . Herrn Maximilian Freyherrn von Schurff . . . zusammengesucht . . . Wildenwart in
Nider Bayern, anno 1748.“
SuppUment frangais 3987 .
Zeichnungen von Kostümen des Matthäus Schwarz von Augsburg: Sammlung
begonnen 20. Februar 1520, fortgesetzt bis zum 15. September 1560. Zeichnungen und
erklärender Text von Schwarz selbst.
Sign, fehlt.
Briefe an Sebastian Kurtz, Mathematiker in Nürnberg, von J. Faulhaber von Ulm
(Fol. 1—344), Onophrius Miller (Fol. 345—350 und Fol. 386—512) und Johannes Remelin
(FoL 351—376) aus den Jahren 1604—1633.
NouveUe acquisition 4419 .
Wappenalbum mit eigenhändigen Signaturen und Wahlsprüchen, entstanden im
Laufe des 17. Jahrh.; der erste Besitzer scheint Pfalzgraf Friedrich IV. gewesen zu sein, der
folgende sein Sohn Friedrich V., König von Böhmen. 212 Blätter mit zahlreichen Miniaturen.
Nouvelle acquisition.
(Vergl. „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“, Jahrg. 1876, Sp. 97—107)
Wappenbuch der Nürnberger Familien, betitelt:
„Der Alten Erbarn geschlechten patricii genant und anderer Wappengenosen-
Purger Wappen. Nurenberg.“ 16. Jahrh.
Nouvelle acquisition.
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4
Kleinere Mitteilungen.
Nürnberger Kostüme für Fastnacht von 1449—1524 (mit einigen Unterbrechungen),
betitelt: „Scheinpartpuch. Das ist wie die Numbergischen purger zur Fasnachtzeit vor
Jam bekleidet im schenpart geloffen sindt . . (Fol. 1—66); Kostüme von 1539, ohne
Text, (Fol. 67. 68).
Nouvelle acquisition.
Regeln des Passe-Spiels, betitelt: „Satzungen des Pass-Spiels, erfunden durch Ihro
Churfürstl. Durchleucht in Baym.“ 18. Jahrh.
Nouvelle acquisition.
Schreiben an den Reichstag zu Regensburg vom fränkischen Kreiskonvent in
Nürnberg, dat. 18. August 1759, gedr.: Klagen über Besetzung des Nürnberger Gebiets
durch die preussischen Truppen.
Nouvelle acquisition.
„Vorläufige Beleucht- und Widerlegung der von einem hochlöbL Magistrat der
kaiserL Reichsstadt Nürnberg zur Druck beförderten . . . Geschichts Erzehlung.“ (Wien
1766, in-FoL, gedr.): Die Stadt Nürnberg gegen die kaiserlichen Posten. — „Urkund Ur-
theils in Sachen Herrn Hoch- und Teutsch-Meisters contra Gräflich Öttingen-Öttingische
Cantzlei und Consorten“ (13. Februar 1767). — Die Kommission der freien Reichsritter¬
schaft am Niederrhein gegen den Kurfürsten von der Pfalz in Sachen der Herrschaft über
die Ebemburg. — „Dokumentirte Gegenanzeige“. — Mit Beilagen „Ungrund der sogen,
dokumentirten Gegenanzeigen . . .“
Wappenbuch der Nürnberger Patrizierfamilien, betitelt: „Patricii reipubicae Nuren-
berg: Das ist 83 uhralte Adeliche geschlacht, daraus der Rath von 300 Jarn hero erwolt...“
17. Jahrh. Illustriert
NouveUe acquisition.
Wappenbuch, 1. Teil: Ein Register vom Turnier zu Würzburg (1479) und zu
Heidelberg (1481). 16. Jahrh.
Nouvelle acquisition.
Reglement des Pfalzgrafen Karl Theodor über den Civiletat in den Kirchen,
18. November 1769 (Fol 13 — 27). — Vorstellung in Sachen Pfalz - Zweibrücken gegen
Baden-Baden (Fol. 35—65).
Nouvelle acquisition 324 .
Karlsruhe. Karl Brunner.
Ein Beitrag zur Kenntnis d6r Mündigkeit im alamannischen Rechte.
Die Frage nach dem Mündigkeitstermine in den einzelnen Volksrechten der
Germanen bedarf noch in vieler Hinsicht der Aufklärung; bei ihrer Wichtigkeit für die
Erforschung des germanischen Privatrechts begrüsst der Rechtshistoriker jeden neuen
Beitrag zu ihrer Erkenntnis als einen Fortschritt in der Lösung dieser Aufgabe. Aller¬
dings lässt sich im allgemeinen sagen, dass die Mündigkeit, und damit die Handlungs¬
fähigkeit mit Selbstverantwortung und Rechtskraft, bei den meisten germanischen Stämmen
mit dem vollendeten zwölften Lebensjahre eintrat Ich verweise dabei auf Richard
Schröders Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (2. Aufl., Leipzig 1894), 260 f.,
dessen zusammenfassende Darstellung ich hier zugrunde lege. Dort ist auch die genaue
Angabe der einschlägigen speziellen Litteratur zu finden. Aber es mangelt noch an ge¬
nügenden Anhaltspunkten, um die Rechtsübung in dieser Hinsicht im einzelnen genau
festzustellen. Da sich nachweisbar bei mehreren Stämmen Abweichungen von dem all¬
gemeinen Grundsätze des zwölfjährigen Mündigkeitstermins vorfinden, so erscheint es
immerhin geboten, seine Richtigkeit sorgsam nachzuprüfen, wo nur immer die Quellen es
gestatten. Besonders weist unsere Kenntnis des alamannischen Rechtes hierin sehr em¬
pfindliche Lücken auf: die historische Forschung muss sich bisher mit einem ,non liquet*
begnügen. (Vgl. Schröder, a. a. O. Anm. 10). Beachtenswert ist darum eine im Karls¬
ruher Generallandesarchive befindliche Urkunde, die, wie es ausserordentlich selten ge¬
schieht, am Eingang bei Nennung der Gemeinde das Mindestalter der rechtsfähigen Ge¬
meindeglieder anführt. Da es sich um die zum heutigen Königreich Bayern
gehörige Stadt <damals noch Dorf) Immenstadt handelt, so erscheint diese Zeit¬
schrift als der geeignete Ort für die Veröffentlichung der Urkunde.
Die Gemeinde des Dorfes Immenstadt nimmt 170 Pfund Pfennige von Kon-
rad Schmid von Bregenz auf gegen einen jährlichen Zins von 10 Pfund Pfennigen.
*416, Juli 2.
Wir der amman, die vier und zweintzig richter und ain gantze gemaind by
zwölff iaren alt und darob des dorffs Imenstad bekennen und veriehen offenlich an
disem brief: von des gütz wegen der hundert und sibentzig pfund pfennig, so wir uff-
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Kleinere Mitteilungen.
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genommen haben von dem erbern Cunraten Schmid von Bregentz und da von wir im
iärlich zu rechtem zins richten und geben sond zehen pfund pfennig iärlichs zins uff
ainen widerkouff, und darumb mit uns von unser bett*) (?) wegen unser rechter mitgulten
worden ist der from iunkher Ulrich Goldast von Costentz nach lut und sag des hoptbriefs,
der darumb geben ist, und wan uns derselb iunkher Ulrich Goldast damit fruntlich getan
hat, darumb so haben wir all gelopt und gesworn gelert ayd ze den hailigen, und ob er
oder sin erben von der selben mitgültschafft wegen iemer ze dehainen schaden kämen,
in welan weg sich das gefugti, da von sollen wir und all unser erben und nachkomen
und gemain dorff ze Imenstad in und all sin erben losen und von allem schaden ledig
machen on iren schaden, und wenn wir och darumb von im oder von sinen erben er-
mant werdent, so sallen wir nach der manung in den nehsten acht tagen antwurten, funff
unsers ratz, die wir iec*) genemen*) (?), das ist mit namen: wir Trudi unser amman
Hainrich amman Haintz Trucha Hans Mutes und Hans Hiller, und ob die nit von ander
fünf als gut gen Costentz in die stad und die sond zu laisten an offnen wirten rechten
giselschaft mit ir wissen und da von nit lauffen, e daz sy gentzlich erlöset werdent, dazu
mugend och er und sin erben und ir helffer uns all und ieclichem in sunder und gemain
dorff darumb wel angriffen, hefften und pfenden in allem unserm gut, ligendem und
varendem, in stetten und uff dem land, mit gericht und ongericht, selbes*) (?) vem und
vil, untz sy von allem schaden gentzlich erlöset werdent, und sol uns da vor kainerlay
fryhait, gerät, gelait, burgerrecht noch puntnuss*) (?) nit friden noch frummen noch sust
niht uberal, und wie sy des angriffwis ze schaden körnend, den schaden sollen wir in och
gentzlich ablegen und ab tun uff die gelupt, so wir hierumb getan hand. Und zu warem
und offen urkund, wan wir all von Imenstad nit aigen insigel hand, so haben wir gebetten
und uns gebunden und des vesten iunkhem Ulrichs von Helmstorff, unsere lieben herren
und vogt, insigeie, das er vur uns und unser erben offenlich hatt gehenkt an disen brief,
doch im und sinen erben on schaden. Geben in dem iare nach Christy gepurt vierzehen
hundert und im sechzehenden iare am nehsten donrstag vor sant Ulrichs tag.
(Karlsruhe, GLA. Archiv Konstanz-Reichenau, Immenstadt. Or. Perg.
Siegel fehlt. Die Urkunde ist stellenweise schadhaft und unleserlich).
Karlsruhe. Karl Brunner.
*) In der Hsr. kaum lesbar.
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Anzeigen und Besprechungen.
Der pfälzische Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Ludwig
(1664—1667). Von Dr. Karl Brunner. Innsbruck 1896 (Verlag der Wagner¬
sehen Universitätsbuchhandlung). (68 S. Mit einer Karte in Farbendruck.)
In der vorliegenden Schrift nimmt einen überaus breiten Raum ein die Rettung
eines Fürsten aus Wittelsbachischem Hause von viel angefeindetem Charakter, des pfalz-
bayerischen Kurfürsten Karl Ludwig,' der, mit dem westfälischen Frieden unter demütigenden
Umständen in sein Land zurückgekehrt, gerade in der ihrem ganzen Verlauf nach ihm
mannigfach zum Vorwurf gemachten Episode des „Wildfangstreites“, wie der Verfasser
mit Glück und Geschick darthut, lediglich „das Ringen eines stolzen, schwer beleidigten
Fürsten um die Ehre und Machtstellung seines Hauses“ zeigt Schon insoferne fällt das
Werkchen Dr. Brunners in das Interessebereich dieser Blätter.
Das „ius wildfangiatus“, die deutschrechtliche Ausgestaltung des mittelalterlichen
Fremdenrechts, ist der Inbegriff der Machtvollkommenheiten, welche — ursprünglich dem
deutschen Reichsoberhaupt — gegenüber den Landfremden für die Verleihung des in
Hinsicht auf diese begrifflich nur ausserordentlichen staatlichen Rechtsschutzes zustanden,
und dessen Inhalt im wesentlichen eine grosse Anzahl nach Erfüllungsanlass, -zeit und -art
sich vielfältig von einander abhebender und dem Leibeigenschaftsrecht nach Ansicht des
Verfassers entnommener, jedenfalls demselben analoger Vermögensleistungen bildete. Dieses
nur im fränkischen Reichsgebiet zur Ausbildung gelangte Recht nahmen seit Ende des
14. Jahrhunderts für ihr eigenes Gebiet und dessen Enklaven, sowie eine Anzahl benach¬
barter Herrschaften, insbesondere Gebietsteile von Kurmainz, den Bistümern Speier und
Worms u. s. w., die Pfalzgrafen bei Rhein in Anspruch, und zwar thatsächlich infolge
einer Verpfändung seitens des Königs Wenzel, hernach unter dem herangezogenen Rechts¬
titel des Reichsvikariates und gestützt auf wiederholte kaiserliche Bestätigungen.
Die Erstreckung der pfälzischen Wildfangbefugnisse auf Nachbargebiet führt be¬
greiflich von Beginn zu zahlreichen Streitigkeiten in persönlicher, örtlicher, sachlicher
Hinsicht; hieraus ward aber erst ein unter den Ereignissen der Zeit sich abhebender und
auffallender Kampf, als Kurfürst Karl Ludwdg in dem Jahre 1651 das während des
dreissigjährigen Krieges vergessene und nach dem westfälischen Frieden sicherlich auch
innerlich überholte Recht wieder auf nahm, dessen — dem eigenen Gebiete weislich ersparte
— Ausübung neben der finanziellen Bedeutung sogar ausgesprochenermassen auch auf
Schwächung des Nachbars gerichtet war. Während zunächst noch im Jahre 1653 mit
dem bedeutendsten Gegner, dem Mainzer Kurfürsten, ein Vergleich zustande kam, brachte
bereits auf dem Reichstage im gleichen Jahre die Klage anderer Beteiligter den eigent¬
lichen Konflikt in Bewegung, dessen Austrag dann volle vierzehn Jahre erforderte.
Von den Geschehnissen dieser vierzehn Jahre, innerhalb deren sogar Kurbayern
einmal mit Ansprüchen an das pfälzische Recht auftritt, giebt nun der Verfasser ein
durch lebhafte und eindrucksvolle Farben um so verdienstreicheres Bild, je weniger an¬
sprechend an sich der Eindruck derselben ist. Die Schilderung legt dabei minder
Gewicht auf die bewaffnete Fehde, welche die Fruchtlosigkeit der kaiserlichen „Inhibitions¬
dekrete“ und der Zusammenschluss der Gegner Karl Ludwigs zu einem Trutzbündnis im
Jahre 1664 zeitigten, als auf die diplomatischen Vorgänge, die Vermittelungsversuche des
Kaisers und Kurbrandenburgs, denen sich der Pfalzgraf aus seinerseits gerechtfertigten
Gründen entzog, die Bündnisbestrebungen und Rüstungen des letzteren, der unter anderem
auch bei den Schweizer Eidgenossen ein Pfanddarlehen aufnimmt, die ausgetauschten
Staatsschriften, von denen die pfälzische den auch sonst in Erinnerung gebliebenen
Heidelberger Rechtslehrer Joli. Friedr. Böckelmann zum Verfasser hat Die trotz aller
Schwierigkeiten beständig unterhaltenen Ausgleichsverhandlungen, welche einmal sogar
beinahe zu einer Ablösung des Rechts geführt hätten, fanden im Januar 1666 ihr Ende
durch die von Karl Ludwig ausgehende Berufung der Kronen Frankreich und Schweden
zu Schiedsrichtern. Durch diese „Garanten des westfälischen Friedens“ wird dann auch
trotz aller kaiserlichen Proteste der Streit entschieden durch das laudum Heilbronnense
vom 17. Februar 1667, und zwar wesentlich zu gunsten der Kurpfalz, die die Früchte
ihres Sieges keine 20 Jahre später an den zum Räuber gewordenen Richter selbst
verlieren sollte.
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Anzeigen und Besprechungen.
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Der Verfasser, welcher die von ihm durch interessante Beilagen belegte Begeisterung
der Zeitgenossen über die Gerechtigkeit des ausländischen Schiedsspruches wohl begreift,
will seinerseits keine Lösung der Rechtsfrage geben, um welche der geschilderte Streit
geführt wurde. Diese Vorsicht ist ein Vorzug der Schrift; so reichlich jene Frage zu
Exerzitien auf dem Gebiete des durch den westfälischen Frieden gesetzten Reichsrechts
Gelegenheit geben mag, so füglich darf sie den zahlreichen anderen Unlösbarkeiten
in der Rechtsgestaltung des alten Reiches überlassen werden. Dagegen unterzieht
Dr. Brunner, dessen Verdienste um das thatsächliche Material die obige Skizze ersehen
lässt, mit Scharfblick und Fleiss die politische und ökonomische Seite des Wildfang¬
streites einer Prüfung, und der hier erbrachte Nachweis, dass aus dem auf über iooooo fl.
kapitalisierten Recht i2°/o der pfälzischen Gesamtstaatseinnahme flössen, interessiert
ebensosehr, wie das zum Schluss auf den Preis von Menschenfrieden geworfene Streiflicht,
um welchen jene Einnahme eingebracht werden musste.
Gegenüber einem im Zusammenhänge minder wesentlichen Punkte der wohl¬
gelungenen Arbeit sei hier noch ein Zweifel zur Sprache gebracht. Dem Verfasser ist
das Fremdenrecht der gleichen Rechtsidee entsprungen, wie die Leibeigenschaft. Zur
Bekämpfung dieser Ansicht vermöchte sogar auf gewisse Erscheinungen des modernen
Völkerrechtes hingewiesen werden; in allerjüngster Zeit hat man in^ den Vereinigten
Staaten von Amerika gesetzgeberische Versuche ventiliert, die in das Bereich des
Fremdenrechtes fallen. Dass „der Fremde dem König gehört“, dürfte ein viel ursprüng¬
licherer Satz sein, als dass die Analogie der mittelalterlichen Leibeigenschaft erforderlich
gewesen wäre, um denselben für diejenigen, die an sich „niemand“ gehören, einzuführen.
München. Emil Ulmann.
Beiträge zur Bayerischen und Münchener Geschichte vou
Henry Simonsfeld. (Aus den Sitzungsberichten der philos.-philol. und
der historischen Klasse der Kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften 1896,
Heft II, S. 257—326). München.
Unter diesem Titel giebt der Verfasser zwei Abhandlungen, von denen die erstere
nicht nur ein historisches, sondern auch ein archäologisches Interesse bietet Im Jahre 1492
unternahmen zwei Gesandte im Auftrag der Republik Venedig eine Reise zu Kaiser
Friedrich III. und König Maximilian. Der damalige Sekretär und spätere Grosskanzler
Andrea da Franceschi verfasste in Tagebuchform einen Bericht über jene Reise und er¬
wähnt gelegentlich des Aufenthaltes in Altötting folgende Grabschrift, die sich in der
Kirche der Apostel Philipp und Jakob an einer Mauer bei einem Altar befunden habe:
„Anno Domini setingentesimo octuagesimo septimo Kalendis Aprilis obiit Ulustrissimus
Cesar Carlomannus Ludovici Imperatoris feücis fundator huius Ecclesiae hic sepultus.“
Im Gegensatz zu dieser Grabschrift findet sich bei Veit Ampekh in seinem Chronicon
Bajoariorum lib. III. cap. VIII. der Text der Grabschrift folgendemassen. „Hic Carlomannus
moritur anno Christi DCCCLXXX. Kal. April. XI. Hic dilexit Oetingam vicum Bavariae,
ubi et sedein regni constituit et regio cultu sepultus dinoscitur.“ Epitaphium: Anno
Domini DCCCLXXX. Kal. Aprilis XI. Karolomannus Rex Bajoariorum obiit filius Ludovici
Regis Orientalis Franciae ac nepos Ludovici Pii Imperatoris fundator huius Ecclesiae hic
sepultus. Es fragt sich nun, wie ist die auffällige Verschiedenheit zwischen der von Franceschi
und der von Veit Arnpekh mitgeteilten Grabschrift zu erklären ? Simonsfeld ist nun zu
folgenden Resultaten gekommen: Zwischen dem Drucke des Chronicons bei Pez und der
auf der Münchener Staatsbibliothek befindlichen Originalhandschrift dem Clm. 2230 findet
sich eine wichtige Differenz. Hier steht nämlich auf der Seite 91 1 die Grabschrift (Epi-
taphium-sepultus) unten am Rand, ein Zeichen, dass sie erst beigefügt wurde. (2. Redak¬
tion von 1495.) Ausserdem stehen dabei die Worte „ita deberet poni in Ottinga“, Worte,
die im Drucke fehlen. Dieselben können, wie der Verfasser richtig bemerkt, nur zweierlei
bedeuten, entweder dass das Epitaphium ein Vorschlag Veit Ampekhs war, oder dass man
damals beabsichtigte, diese Grabschrift an der letzten Ruhestätte Karlmanns anzubringen.
Es lässt sich also nach Simonsfeld die Differenz zwischen den beiden Texten leicht er¬
klären. „Als die venetianischen Gesandten 1492 nach Altötting kamen, befand sich in
der That an der Wand der Kirche des h. Philipp und Jakob die von Franceschi freilich
nicht ganz korrekt mitgeteilte Grabschrift auf König Karlmann, deren Alter unbekannt
ist Drei Jahre später sollte an deren Stelle entweder wirklich, oder wahrscheinlich nur
nach der Meinung Veit Ampekhs, die von diesem überlieferte Grabschrift gesetzt werden,
was aber vielleicht niemals geschehen ist.“ Was nun die „freilich nicht ganz korrekte“
Wiedergabe der Grabschrift betrifft, so sind wir der Meinung, dass dieselbe doch wesent¬
lich anders gelautet haben mag, als sie Andrea da Franceschi uns überliefert hat Gerade
das italianisierte „setingentesimo“ lässt uns fast mit Bestimmtheit darauf schliessen.
Wir haben es, wie es scheint, mit einem Manne zu thun, dem das Griechische
geläufiger war wie das Lateinische; wurde doch gerade damals die griechische Sprache
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Anzeigen und Besprechungen.
in Italien mit besonderer Vorliebe betrieben. Zunächst fällt uns bei der Überlieferung
der Grabschrift das fehlende filius auf; es lässt sich dies indes durch den griechischen
Sprachgebrauch leicht erklären, wo ja bekanntlich zur Bezeichnung der väterlichen Her¬
kunft das viog gerne weggelassen wird. Fr. hat wohl einerseits in Gedanken hieran,
anderseits in Erinnerung an den früher üblichen Beinamen der alten Imperatoren felicis
für filius gelesen, was sich auch paläographisch ohne Schwierigkeiten deuten lässt Was
schliesslich das bereits erwähnte setingentesimo betrifft, so dürfte sich der Irrtum um ein
volles Jahrhundert sehr leicht durch den Zustand der Steininschrift schliessen lassen. Die
Zahlen werden fast immer auf Grabsteinen in lateinischen Ziffern geschrieben. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass diese durch das Alter undeutlich geworden waren, dass viel¬
leicht statt CCC nur noch CC sichtbar waren. Aus ähnlichen Gründen mag wohl auch
statt septimo (VII) XII (weniger wahrscheinlich XI) auf dem Stein gestanden haben.
(Vgl. Simonsfeld S. 259 Anm. 1.) Die Inschrift dürfte also ursprünglich folgendermassen
gelautet haben: „Anno Domini DCCCEXXX. XII. Kal. Aprilis obiit Illustrissimus Cesar
Carlomannus Ludovici Imperatoris filius, fundator huius Ecclesiae sepultus.“ Vergleichen
wir diese Inschrift mit dem Epitaphium Veit Ampekhs (Epitaphium-sepultus), so ist zwar
noch immer eine grosse Differenz vorhanden, die sich im wesentlichen auf die Titulatur
beschränkt Genaueres wissen wir auf keinen Fall über das Schicksal der Inschrift
Wahrscheinlich ist dieselbe bei dem Neubau der Kirche (Grundsteinlegung am 1. August
1499) getilgt worden. Aventin wenigstens, dessen Schriften über Altötting 1518 erschienen
oder verfasst sind, weiss nichts von jenem Epitaph zu vermelden. In seiner deutschen
Chronik von Altötting sagt er nur: „An dem 21. tag des merzen nach der gebürt Christi
ist obgemelter König Carlman zu Oting gestorben und daselbst begraben, 'wie sein grab
mit erhaben stein noch vor äugen ist“ In der lateinischen Historia Otingae I, 37 meldet
er nur den Tod Karlmanns in Altötting. Später wurden zum Ersatz in der öfter erwähnten
Kirche zwei weitere Epitaphien auf Karlmann angebracht, die noch jetzt erhalten sind.
1. Hic olim Carlomannus aut situs fuit, aut fuisse creditur. Hinc migravit in chorum,
animus in coelum. 2. A. P. C N. MDCXIX. Huc e medio templi migravere cineres et
paucorum reliquiae ossium Carlomanni, Italiae et Boiariae regis huiusque aedis sacrae
conditoris hic defuncti a. DCCCXXG Hunnus impius templum flamma praedaque ex-
hausit et nil nisi pulverem reliquit, et quod minus est nihil. Im J. 1861 kam ein weiteres
Epitaph hinzu, in dem an die Stelle des zweiten Gedenksteines der mit dem ersten an die
Seiten wände der Pfarrkirche gebracht wurde, eine einfache Steinplatte mit der Inschrift:
„Hic jacent ossa Carlomanni regis, obiit 880“ gesetzt wurde. Aber auch diese Steinplatte
ist in jüngster Zeit wieder entfernt und an der Seitenwand neben dem Altäre, auf dem
das Abendmahl dargestellt ist, angebracht worden.
Der zweite Teil der Beiträge giebt uns Analekten, die teils aus den Protokoli-
büchem des Senates von Venedig, im dortigen Archiv, stammen, teils aus einer Hand¬
schrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, dem. Clm. 7087 (Fürst. 187). Dieser
Kodex, eine Miszellanhandschrift in 4 0 aus dem 14. und 15. Jhrh., enthält unter anderem
auch eine Brief- und Urkundensammlung, die Ficker in den Acta imperii selecta (II, 713
No. 1017) als einen Fürstenfelder Briefkodex bezeichnet hat. Diese Sammlung ist über¬
schrieben „Bona correctoria“ und enthält eine ampla collectio litterarum regum, principum,
episcoporum, nobilium, expressis plerumque scribeutium, locorum nominibus. Sie beginnt
Fol. 88, die Fürstenfelder Stücke nehmen jedoch erst auf Fol. 131 ihren Anfang. Sie
sind indessen von derselben Hand geschrieben wie der vorhergehende Teil der Bona cor¬
rectoria, und lässt sich erstere bis Fol. 179 verfolgen. Von hier bis Fol. 204 sind ver¬
schiedene Schreiber thätig gewesen. Zwischen dem 1. und 2. Teil der Bona correctoria
besteht ein formeller Unterschied, indem im 1. Teil oder genauer gesagt bis Fol. 114 (also
kurz vor Beginn des 2. Teiles) der Inhalt der folgenden Stücke mit roter Tinte ziemlich
genau angegeben ist. Als Zeitpunkt, um welchen die Sammlung entstanden ist, möchte
Simonsfeld aus äusseren paläographischen Rücksichten das Jahr 1420 annehmen. Der
erste Teil der Bona correctoria enthält nur wenige öffentliche Briefmuster, wohl aus der
Mitte des 14. Jhrh., die nach den Ausführungen des Verfassers auf Böhmen als Ent¬
stehungsort hinweisen. Indessen kommen aus diesem Teile, ausser einem vielleicht fin¬
gierten Schreiben an Karl IV. (vom Jahre 1378), nur noch drei Stücke für die Beiträge in
betracht. Ziemlich unvermittelt schliessen sich dann jene Stücke an, die der Verfasser
wie die anderwärts gesammelten Briefe und Urkunden in zwei Gruppen teilt a. Zur
politischen Geschichte Bayerns und seines Fürstenhauses, b. Zur Stadtgeschichte Münchens.
Zunächst wendet S. seine Aufmerksamkeit der zuletzt genannten Abteilung zu. Aus dem
Umstande nun, dass eine Reihe von Urkunden bereits von anderen veröffentlicht worden
sind (Schmeller in den Münchener Gelehrten Anzeigen 1850 No. 114, Bergmann, Monumenta
Boica t. I, p. 307, ferner derselbe Beurkundete Geschichte der Churf. Haupt- u. Residenz¬
stadt München 1783 p. 12, p. 28 ff. Mayer Manfred, Bayerns Handel im Mittelalter und
in der Neuzeit 1893, S. 10 u. ff.), und dass über die Echtheit dieser Stücke kein Zweifel
besteht, schliesst der Verfasser, dass auch die folgenden bisher unbekannten Dokumente
Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben dürfen. Sie beziehen sich auf den Handel und
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Anzeigen und Besprechungen.
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Verkehr Münchens im 14. Jhrh. und sind um so interessanter, als wir bisher über diese
Zeit nur spärliche Nachrichten besitzen. Abgesehen von einem Stücke, das uns über
Beziehungen der Stadt München zu Mainz Aufschluss giebt, finden sich eine Reihe anderer
Urkunden, die nach dem Süden hinweisen. In seinem Fondaco dei Tedeschi (Stuttgart
1887, Bd. II, S. 56 ff.) vermochte Simonsfeld nur einige wenige spärliche Nachrichten
über die damaligen Handelsbeziehungen Münchens zu Venedig anzugeben, während jetzt
noch weitere aus dem Ende des 14. Jhrh. hinzukommen. Da auch sonst noch Dokumente
sich finden, die auf den Verkehr der bayerischen Hauptstadt mit Verona, Bologna, Florenz
hinweisen, so liegt die Vermutung nahe, dass München schon damals dank seiner günstigen
Lage einen nicht unbeträchtlichen Handelsverkehr mit Italien gehabt hat, wenn auch
natürlich in viel bescheideneren Grenzen, als Augsburg und andere grosse Handelsemporen
Deutschlands. — Eine andere Gruppe von Urkunden giebt uns Aufschluss über das Ver¬
hältnis der Stadt zum Klerus. Es sind teilweise sehr wenig erquickliche Angelegenheiten,
die hier zur Sprache kommen, zumal wir auch verschiedentlich Kenntnis erhalten von
der Zuchtlosigkeit, die damals in die Reihen der niederen Geistlichkeit eingedrungen war.
So hatte ein Priester mit Namen Johannes sich des öfteren bereits gemeine Verbrechen
zu schulden kommen lassen und war im J. 1381 wegen mehrerer Diebstähle, die er im
Hause des Münchener Bürgers Johann Fichtel begangen, gefangen genommen worden.
Nachdem er im Jahre 1382 6 Monate gesessen, wurde er auf die Fürbitte der Gemahlin
Friederichs von Landshut, der Herzogin Magdalene, freigelassen. Trotz seines gegebenen
Versprechens kehrte er nach München zurück, wo er im Hause des Bürgers Heinrich
Stupf einen neuen Diebstahl beging. Auf Ansuchen des Münchener Rats und der Her¬
zöge Stephan III. und Johann II. wurde er durch den Richterspruch eines vom Freisinger
Bischof Berthold eingesetzten Gerichtshofes am 5. August 1383 aller seiner geistlichen Würden,
Ämter und Pfründen für verlustig erklärt und zu ewigem Gefängnis mit Wasser und Brot ver¬
urteilt — Im Jahre 1392 drang die Stadt bei dem Ordensgeneral der Augustiner-Eremiten
Bartholomäus auf die Entfernung eines Magisters Ruesheimer, sowie eines Klosterpriors mit
Namen Christian, deren Verhalten dem Münchener Ordenskonvent und allen Klöstern der
Stadt zum Schaden gereiche. Der General übertrug die Sache dem Provinzial für Bayern,
Böhmen und Österreich, dem Theologieprofessor Leonhard aus Kärnthen in Prag, an den
sich in der Folge auch die Stadt in dieser Angelegenheit wandte, und der auch dem Rate
möglichstes Entgegenkommen versprach. Nach den Ausführungen des Verfassers scheint
dieser Johannes Ruesheimer eine sehr bekannte Persönlichkeit gewesen zu sein. Im
Jahre 1385 (3. Nov. bezw. 3. Dez.) war er im Ordenskonvent zu Prag zum Regens Studii
ernannt worden, eine Ernennung, die am 9. Juli 1386 und am 30. Juni 1387, und dann
nochmals am 18. Aug. 1393 aufs neue erwähnt wird. Wie nun namentlich aus einem
Schreiben des obengenannten Generals Bartholomäus vom 24. Mai 1385 an den Provinzial
und die übrigen Brüder von Bayern und Böhmen hervorgeht, waren zwischen Johannes
Ruesheimer einerseits und dem Lektor Johannes Reynoldi sowie dem Münchener Ordens¬
konvent anderseits seit längerer Zeit Streitigkeiten ausgebrochen, die schon mehrere Pro¬
vinzial- und Generalkapitel beschäftigt hatten. Nach dem übrigens lückenhaften Schreiben
zu schliessen, ging der Streit nicht zu gunsten des Magisters aus. Es lässt sich nun nicht
entscheiden, ob die in dem Fürstenfelder Briefkodex enthaltenen Stücke, resp. das Gesuch
der Stadt um Entfernung des Magisters Ruesheimer aus seinen Ämtern, mit dieser An¬
gelegenheit im Zusammenhang stehen und in dieselbe Zeit gehören, anstatt wie im
Kodex angegeben in das Jahr 1392. Eines ist indessen sicher, dass der Magister in
beiden Fällen wieder bald in Gnaden aufgenommen wurde, da er im ersteren Falle bereits
einige Monate später (3. Nov. resp. 3. Dez.), im letzteren nach einem Jahre (18. Aug. 1393)
wieder als Regens Studii erscheint — Andere Stücke beleuchten einen Streit der Stadt
mit der Kurie im Anschluss an die Feier des Gnadenjahres von 1392. Streitobjekt war
das finanzielle Ergebnis des Ablasses, den Bonifaz IX. auf Wunsch der Herzöge von
Bayern, anlässlich der im Jahre 1388 auf dem Kloster Andechs entdeckten Reliquien für
•die Zeit vom 14. April bis nach Jakobi allen bussfertigen Bewohnern von München
gewährt hatte. Das Erträgnis war infolge des ungeheueren Andrangs der Pilger sehr
gross. Der Papst beanspruchte, wie er behauptete, nach Abmachung, die Hälfte dieser
Einkünfte und entsandte den Doktor und Kaplan Magister Hermann von Bilvelt, Propst
der Kirche von Meissen, mit dem Aufträge, die erwähnte Hälfte zu erheben. Der Rat
verweigerte jedoch die Herausgabe. Der päpstliche Gesandte bedrängte nun die Stadt
mit kirchlichen Strafen, wogegen diese protestierte und bei der Kurie eine Appellation
einreichte. Zu gleicher Zeit wandte sich der Rat an den Bischof von Freising mit der
Bitte, er möge sich samt seinem Klerus der Appellation an schliessen. Auch den Herzog
Johann ersuchte die Stadt um Beistand. Dieser bat seinerseits den mächtigen Gian
Galeazzo Visconti, beim Papste für München zu vermitteln. Das Schreiben des Mailänder
Herzogs (an die Kurie) ist uns erhalten. Durch dasselbe wird nach Simonsfeld die
Ansicht G. Romanos (in seinem Aufsatze Gian Galeazzo Visconti e gli eredi di Bernabo,
im Archivio Storico Lombardo, Serie Ila Vol. VIII pag. 1 ff.) bestätigt, dass nämlich die
Verhandlungen wegen der Verlobung des jungen Herzogs Ernst mit einer Tochter Viscontis
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Anzeigen und Besprechungen.
nicht erst im Herbste 1394 sondern bereits im September 1393 stattgefunden haben.
Fragt man nun, ob die Kurie berechtigt war, die Hälfte jener Ablasserträgnisse zu be¬
anspruchen, so ergiebt sich aus den Ausführungen des Verfassers (S. 276 f.) mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit, dass Herzog Stephan thatsächlich ein derartiges Abkommen mit dem
Papste getroffen, dass aber möglicherweise die Stadt sich weigerte, dasselbe anzuerkennen.
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Pfarrherr von St. Peter, als bestelltei Kollektor,
die dem Papste gehörige Hälfte in Empfang genommen, sich aber weigerte, das Geld
herauszugeben, eine Handlungsweise, die bei den Herren Kollektoren durchaus nicht
selten war. Vielleicht verlangte aus diesem Grunde der päpstliche Gesandte das Geld
von der Stadt, denn dass er von der Aufstellung eines Kollektors seitens der Kurie keine
Ahnung gehabt habe, lässt sich bei der vorzüglichen Organisation der päpstlichen Finanz¬
verwaltung nicht gut denken. Gian Galeazzo bittet wohl deshalb Bonifaz IX., seinen
Gesandten zu beauftragen, sich wegen der Herausgabe jener Hälfte an den Pfarrherrn
von St. Peter zui wenden. Im übrigen scheint die Intervention des Mailänder Herzogs
von Erfolg begleitet gewesen zu sein. Höfler bringt nämlich aus einer Handschrift der
Barberinisclien Bibliothek in Rom die Notiz (Oberbayerisches Archiv I, 117), dass Hermann
von Bilvelt die Vollmacht erhalten habe, mit den Kollektores des Herzogtums über den
Rest des päpstlichen Guthabens einen Vergleich zu treffen. — Mit der Geschichte des
Heilig-Geistspitals befasst sich eine andere Urkunde. In einem Dokument vom 2. Sept
1363 giebt der damalige Dechant und Pfarrherr von St Peter in München Friederich
kund, dass der Bürgermeister der Stadt Johann Eigsalz sich bei ihm für einen Geistlichen
mit Namen Heinrich Hennel verwendet habe, der als am Altar in der Siechenstube
funktionierender Kaplan bezeichnet wird. Derselbe hatte eine Urkunde über den Bezug
von 1 Pfund Münchener Heller verloren, und zum Ersatz dafür stellt der Dekan die
genannte Urkunde aus, mit dem Vorbehalt, dass die frühere Urkunde, im Falle sie wieder
zum Vorschein komme, zurückgegeben -werden solle. A11 und für sich ist in diesem
Schriftstücke das Heilig-Geist-Spital nicht erwähnt Der Verfasser verweist jedoch auf
Huhns Geschichte des Spitals und der Kirche und der Pfarrei zum heiligen Geiste in
München (München 1893 S. 83 u. 163). Hier wird zum Jahre 1366 ein Heinrich Hennel
genannt, der vor dem St Elspet-Altäre in der Siechstube ein ewiges Eicht mit einem
Pfund Pfennige auf ewige Zeiten gestiftet hat. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel,
dass der hier genannte Heinrich Hennel mit dem in dem Fürstenfelder Kodex erwähnten
identisch ist.
Die zweite Hauptgruppe der von Simonsfeld gesammelten Analekten bezieht sich
auf die bayerische Herzogs- und Eandesgeschichte. Zunächst ein bereits bei Ficker ver¬
öffentlichtes Schreiben des Herzogs Rudolf an den Rat der Stadt vom 8. Febr. 1313 in
Angelegenheit des Streites dieses Fürsten mit seinem Bruder Eudwig (dem Bayern). Eine
weitere Urkunde nimmt bezug auf die Ereignisse kurz vor der Schlacht von Gammelsdorf.
(Schreiben des Abtes Konrad von Aldersbach an den Abt Volkmar von Fürstenfeld.) Dann
folgen einige Stücke, die uns unter anderem wichtige Aufschlüsse über die Beziehungen
der bayerischen Herzoge zu Italien geben. Hierzu gehört ein Schreiben, das aus den
Protokollbüchern des Senats im Staatsarchiv zu Venedig stammt. Dieses Schriftstück ist
um so interessanter, als unsere Kenntnisse bezüglich der Pilgerfahrt Ottos V. von Branden-
burg-Eandshut und seines Neffen Stephan III. des Kneissel äusserst mangelhaft waren.
Noch Riezler lässt es in seiner Geschichte Bayerns (III, 108) dahingestellt bleiben, ob
Stephan III. seinen Oheim bei der Pilgerfahrt begleitet habe, während wir nun in der
Tliat erfahren, dass beide Herzoge sich an die venetianische Regierung gewandt haben,
um die Genehmigung zur Ausrüstung einer Galeere auf eigene Kosten zu erlangen. Der
Senat willfahrte am 13. Feb. 1375 diesem Gesuche unter der Bedingung, dass, wie üblich,
ein venetianischer Nobile das Schiff befehligen solle. Für die Beziehungen der Republik
ist es nicht unwichtig, dass der Senat nachdrücklich seine Willfährigkeit damit begründet,
dass es wertvoll sei, die oben genannten Herrn zu Freunden zu haben. — Nicht ohne Interesse
für die Reichsgeschichte des 14. Jahrhunderts wäre das Schreiben eines Ritters an den
König von Böhmen, wenn nicht die positive E^nmoghchkeit, dasselbe mit den Zeitereignissen
in Einklang zu bringen, es verdächtig erscheinen Hesse. Der Inhalt ist in kurzem folgender.
Der Schreiber warnt den König vor einem beabsichtigten Einfalle der bayerischen Herzoge
P'riedericli und Stephan am Tage des hl. Benedikt (21. März) in böhmisches Gebiet Es
existiert auch ein Antwortschreiben des besagten Königs, der sich in huldvoller Weise bei
dem Ritter für seine Treue bedankt. Auch wir sind geneigt, diese beiden Briefe lediglich
für Briefmuster zu halten. — Nach Italien führt uns wieder ein Schreiben Stephans III. von
Eandshut, datiert vom 2. Februar (Jahreszahl fehlt). Der Fürst bittet für einen Münchener
Bürger Heinrich Esslinger um sicheres und zollfreies Geleit, da letzterer verschiedene
Kostbarkeiten dem Herzoge aus Rom zu überbringen habe. — Über den Zug Stephans nach
ItaUen berichten uns einige andere Stücke aus dem venetiauischen Staatsarchiv. Gian
Galeazzo Visconti hatte sich durch Beseitigung seines Schwiegervaters Bernabo Viscontis
und zweier seiner Söhne am 6. Mai 1385 zum Herren von Mailand gemacht Nur zwei
legitime Söhne Bemabos entkamen, Martino, noch im Kindesalter stehend, und Carlo, ein
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Anzeigen und Besprechungen.
11
junger Mann im Alter von etwa 30 Jahren. Letzterer flüchtete sich zu seinen Schwägern
nach Bayern. (Seine Schwester Thaddäa war die Gemahlin Stephan III.) Zwei Schrift¬
stücke des Fürstenfelder Briefkodex beziehen sich nach Simonsfeld hierauf, wenn auch
die Datierung von 1394 als unrichtig erscheint. In dem ersten Schreiben aus Ingolstadt
vom 3. August zeigt er seine glückliche Ankunft daselbst an und stellt seinen Besuch am
bayerischen Hofe in Aussicht Der zweite Brief, datiert vom 7. August aus München,
verheisst ihm daselbst freundliche Aufnahme. Die Herzoge Stephan und Johann nahmen
sich ihrer Verwandten in liebenswürdiger Weise an und wandten sich, wenn auch mit
negativem Erfolge, durch ihren Bruder Friedrich an Wenzel um Hilfe. Desgleichen erbaten
sie auch von anderen deutschen Fürsten eine Intervention zu guusten ihrer Verwandten.
Vergeblich waren auch ihre Bemühungen, den Herrn von Mantua zu gewinnen, der w r egen
seiner Beziehungen zu Gian Galeazzo eine ausweichende Antwort gab. Nur Bologna und
Florenz traten in den Kampf gegen den Usurpator ein, zumal dieser die Herrschaft über
Verona, Vicenza, Padua an sich gerissen und sie nun selbst bedrohte. Der junge Carrara,
den Gian Galeazzo aus Padua vertrieben, 1389, wandte sich auf die Veranlassung der zwei
obengenannten Städte gleichfalls an den bayerischen Hof, wo auch er freundlich aufge¬
nommen wurde. Ja Stephan liess sich bewegen, mit 1200 Reitern nach Italien zu ziehen.
Vergeblich suchte der Herzog die Republik Venedig auf seine Seite zu ziehen, doch erreichte
er wenigstens soviel, dass er trotz des Einspruchs des Visconti freien Durchzug durch das
venetianische Gebiet erhielt. Auch späterhin scheiterte der Versuch Stephans, Venedig zu
gewinnen. Dagegen befasste sich der Senat ernstlicher mit der Frage, ob der Durchzug
weiterer bayerischer Truppensendungen durch venetianisches Gebiet gestattet sein sollte.
Der Entscheid des Senates war ein vorbehaltlicher. Der Beschluss kam jedoch zu spät
(26. Juni), denn am 1. Juli rückte Stephan bereits in das am 18. Juni von Carrara wieder¬
gewonnene Padua ein. Im weiteren Verlaufe des Feldzuges zeigten sich die Florentiner
mit dem Verhalten Stephans sehr unzufrieden. Sie warfen ihm vor, dass er in geheimer
Verbindung mit Gian Galeazzo stehe, und dass er im Begriffe sei, neue verwandtschaftliche
Beziehungen mit ihm anzubahnen. Thatsächlich ist das letztere drei Jahre später geschehen,
wenn auch von anderer bayerischer Seite, indem am 30. Dez. 1393 die Vermählung des
Prinzen Emst (Sohn des Herzogs Johann) mit Elisabeth Visconti durch Prokuration statt¬
fand. Schon sehr bald scheint also das Verhältnis des bayerischen Fürstenhauses zu Gian
Galeazzo ein ziemlich gutes geworden zu sein. Es mag hier im Zusammenhang mit den
wechselseitigen Beziehungen zwischen Bayern und Italien ein Schreiben des Herzogs Emst,
vom 9. Oktober 1394, an seinen Schwiegervater erwähnt werden. Der junge Fürst ver¬
wendet sich für einen Diener und Unterthan seines Vaters Johann, für einen gewissen
Johannes Lanzenberg und dessen Begleitung, um freies Geleit. Der in den Beiträgen so
oft erwähnte Herzog Stephan erscheint nochmals in einem Schreiben vom 25. Feb. 1401
an den Abt von Fürstenfeld. Der nicht genannte Schreiber berichtet von dem Einzug
des neuen Königs Wenzel mit dem mehrfach erwähnten Herzog in Nürnberg und von
der Absicht des letzteren, seine bereits vollzogene Hochzeit mit seiner zweiten Gemahlin
(Elisabeth von Geve) daselbst zu feiern.
Eines wie grossen Ansehens sich übrigens Stephan in Italien erfreute, geht zu genüge
hervor aus einem Schreiben der Republik Venedig an dessen Sohn Otto den Bärtigen,
der von Konstanz aus am 15. März 1417 für sich und sein Gefolge mit 200 Pferden
um freien Durchzug durch venetianisches Gebiet gebeten hatte. In der liebenswürdigsten
Weise wird ihm diese Erlaubnis gewährt und unter den schmeichelhaftesten Ausdrücken
der Anerkennung für den verstorbenen Vater des Herzogs. — Ein weiteres Aktenstück (aus
dem venetianischeu Archiv) bezieht sich auf die Pilgerreise einiger bayerischer Edelleute,
die bei ihrer Rückkehr vom heiligen Lande in der Weise übervorteilt wurden, dass auf
einer von ihnen ausschliesslich gemieteten Galeere ohne ihre Genehmigung fremde Kauf¬
mannsgüter transportiert w r urden. Hiefür forderten sie eine Entschädigung (durch den
Herzog Heinrich von Landshut), die ihnen der Senat auch gewährte, trotzdem der Termin
von vier Monaten zur Geltendmachung ihrer Ansprüche bereits längst verstrichen war
(S. 289 f.). Gerade diese auffallende Gefälligkeit des Senates giebt uns in Verbindung
mit den übrigen diesbezüglichen Urkunden einen Beweis für die lebhaften Beziehungen
Bayerns im 14. Jahrh. zu Italien und namentlich zu Venedig und zeigt uns, dass man
in der That am Lido die Freundschaft Bayerns nicht unterschätzte. — Zum Schlüsse sei noch
ein Schreiben der Tochter Stephans Elisabeth (der Königin Isabeau) an den Münchener
Rat erwähnt, worin sie dem letzteren die Geburt eines Thronerben anzeigt.
Es konnte natürlich nicht unsere Aufgabe sein, auf alle einzelnen Urkunden der
Beiträge genauer einzugehen. Wir haben mit Vorliebe diejenigen herausgegriffen, die auf
die Stadtgeschichte von München und auf das Verhältnis dieser Residenz, sowie der baye¬
rischen Lande zu Italien bezug nehmen. Was wir hier erfahren, ist in der That ein recht
willkommener Beitrag zur Bereicherung unserer Kenntnisse der politischen und Kulturge¬
schichte Bayerns im 14. Jhrh. Recht wertvoll sind namentlich die Urkunden, die sich mit
Stephan III. befassen. Sie dürften bei einer Monographie dieses Fürsten nicht übersehen
werden. Trotz des geringen Umfangs der Arbeit enthält dieselbe eine Reihe neuer und
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Anzeigen und Besprechungen.
anregender Momente. Sicher bieten die Stücke der Fürstenfelder Briefsammlung recht
viel schätzenswertes Material. Seine erhöhte Bedeutung, namentlich für die Geschichte
der Beziehungen Bayerns zu Italien im 14. Jhrh., erhält es erst durch die geschickte Art
und Weise, durch welche der Verfasser dieses Material mit seinen Analekten aus den
Protokollbüchern des Senats im venetianischen Archiv in Verbindung brachte.
Würzburg. Adolf von Hirsch-Gereuth.
Die Reformation in Kirche, Sitte und Schule der Ober¬
pfalz (Kurpfalz) 1520—1620. Ein Anti-Janssen aus den königlichen
Archiven erholt von Friedrich Lippert, königl. Pfarrer in Amberg.
Rothenburg o. T. J. B. Peter sehe Buchdruckerei 1897. (234 S.).
Die religiösen Verhältnisse der Oberpfalz vom Beginne der Reformation bis zum
Anfänge des dreissigjährigen Krieges bieten bekanntlich das unerquicklichste Bild des
rücksichtslos durchgeführten Grundsatzes, dass der Herr des Bodens zugleich auch der¬
jenige des Glaubensbekenntnisses sei. Viel Bitterkeit ist darum beiderseits bis heute in
den Gemütern zurückgeblieben; denn man weiss, dass es nicht immer die überzeugenden
Bekehrungspredigten beredter Mönche (wie z. B. des Johannes Nas in Straubing) waren,
was den Umschlag der Gesinnung verursachte, am allerwenigsten seit dem Tage am
Weissen Berge, der für die heute dort herrschende Konfession so ziemlich entscheidend
war. Lippert hat sich der mühevollen Arbeit unterzogen, die reformatorische Bewegung
der Oberpfalz nach den Quellen zu schildern, in der Absicht, gegen Janssens Darstellungen
aufzutreten, der sich seinerseits ja auf eine recht traurige „Quelle“, auf Wittmanns Ge¬
schichte der Reformation in der Oberpfalz (1847), stützt. — Das einleitende Kapitel weist
die Notwendigkeit der Reformation auch in den oberpfälzischen Landen nach; allent¬
halben sind die inneren Gründe die gleichen, die tiefe geistige und sittliche Versunken¬
heit des römischen Klerus, die freilich in einigen Strecken Deutschlands, wie z. B. gerade
im Gebiete von Amberg, stärker als in anderen hervortreten. Mächtiger aber als anderswo
wurde hier anfänglich der Reformation von oben entgegengearbeitet, sodass mancher
seine Überzeugung mit dem Tode besiegelte (19); denn aus der Darstellung Lipperts geht
zur genüge die Thatsache hervor, „dass die Reformation in der Oberpfalz nur durch das
Drängen des Volkes entstand“ (37). Erst nach dem Tode Ludwigs V. (1544) unter
Friedrich III. wurde die Reformation in Amberg eingeführt, seine Nachfolger Ottheinrich
und Wolfgang vollenden das begonnene Werk. An die Durchführung dieser Massregeln
nun knüpfen sich, hier wie aller Orten, die gegenseitigen Vorwürfe. Der ersten einer ist
stets deijenige gewesen, dass die protestantische Kirche ihren Zuwachs vor allem dem
Aufheben des Zölibats verdanke. Ward ja doch auch Luther gerade nach dieser Seite
hin am heftigsten angegriffen. Der wiederholte Vorwurf der einen Seite ‘ überrascht in¬
dessen nicht mehr, als die stets dagegen versuchte Verteidigung der anderen. Denn an¬
gesichts der unbestrittenen sittlichen Verkommenheit des römischen Klerus war ja die
Verehelichung der Geistlichkeit gerade eine der schönsten und entschiedensten Thaten
der neuen Lehre. Darf man also nicht offen gestehen, dass die Ehefreiheit der lutheri¬
schen Kirche ohne Zweifel hunderte in die Arme führte, die in derselben eine heilsame
Neuerung noch dazu auf Grundlage der a 1 1 christlichen Kirche sahen und dieselbe im
Hinblicke auf den jammervollen Zustand der Sitten des Klerus freudig als Abhilfe be-
grüssten? Standen sie nicht auf dem Boden des Papstes Pius II., der erklärte: „Sacer-
dotibus magna ratione sublatas nuptias, maiori restituendas videri.“ (Hist. B. Plati-
nae de vitis Pont. Rom. Asg. von 1626. S. 311 unten)? Wenn Ottheinrich dem Kon¬
kubinat mit allen Kräften durch Ehen steuerte, wenn er zur Bedingung der Reformation
machte: „Die Konkubinen müssen entfernt oder geehlicht werden, (49)“, welcher
sittlich denkende Mann könnte solches für ein Vergehen halten, das einer Verteidigung
bedarf? — Die Geschichte der Aufhebung der oberpfälzischen Klöster — Waldsassen,
Amberg, Gnadenberg, Schönthal, Kastl u. s. w. — ein weiterer Vorwurf, giebt dem Ver¬
fasser im ferneren Veranlassung zu einer Polemik gegen Janssen, vielmehr dessen trübe
„Quelle“ Wittmann, in der er glücklich aus den Akten den Nachweis liefert, dass die
beklagte Härte keineswegs so geübt wurde. Ein überaus interessantes Kapitel behandelt
die „Evangelischen Einrichtungen“ (59); einen tiefen Einblick in die Kirchenverhältnisse
gewährt die Schilderung der Pfarrer von anno 1557 (73), deren Hauptlaster „Trunkensucht
und Unehr“ die reformatorischen Visitationen nach Kräften bekämpfen. Die Offenheit,
mit der die Reformatoren diesen alten Übeln entgegentraten, spricht ebensosehr für die
hergebrachte Verrottung, die nur schwer und langsam wich, als auch für die edlen Ab¬
sichten der Kirchenverbesserer.
„Das aufblühende evangelische Kirchenleben der Oberpfalz wurde leider durch
den Kalvinismus Friedrichs III. vielfach gestört“ (84); es erfolgten schwere Kämpfe gegen
denselben; Reibereien und Kolloquien wissenschaftlicher Art (wie das Amberger) machten
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Anzeigen und Besprechungen.
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die Sache nicht klarer, bis unter Ludwig VI. (1576—1583) „die geängstete lutherische
Volksseele wieder froh aufatmen“ durfte (123). Neue Kämpfe begannen unter Kasimir,
Friedrich IV. und V., die von Lippert alle eingehend nach den Quellen dargestellt werden.
Auch dem Schulwesen während der reformatorischen Zeit werden einige belehrende
Kapitel gewidmet
Die überaus fleissige Arbeit liefert ein klares Bild der religiösen Zustände der Ober¬
pfalz, das über die Geschichte zahlreicher grösserer und kleinerer Orte, besonders in den
mühsam zusammengetragenen Anmerkungen, Licht verbreitet Unendlich viele ober¬
pfälzische Städte und Dörfer finden in dem dankenswerten Büchlein geschichtliche An¬
gaben, die zum grossen Teile neu sind, sodass es schon nach dieser Seite hin dem baye¬
rischen Spezialforscher überaus willkommen ist.
Hinsichtlich des religiösen Lebens der Oberpfalz aber geht aus demselben deut¬
lich hervor, dass „ein Volk, das der Rückreformation der Jesuiten solchen Widerstand
leisten konnte, dass bis 1627 in sieben Jahren nur 1733 Konvertiten im ganzen Lande
gefunden wurden, und das nur dem fürstlichen Gewaltwort wich: „katholisch oder zum
Lande hinaus“, kein kirchlich erstorbenes“ war (209), dass die Reformation dort tiefe und
lebenskräftige Wurzeln geschlagen hatte und treue Bekenner im Volke zählte.
München. R.
Kurze Darstellung der Kulturentwicklung im Donau¬
moos. Aus Anlass der Wanderausstellung der D. L. G. zu Stuttgart-Cann¬
statt bearbeitet und mit einem Literaturnachweis versehen von Dr. J. Spöttle,
K. I. Kreis-Kulturingenieur in Augsburg. 1896. Druck der H. Mühlberger-
schen Buchdruckerei, Augsburg. (40 S.).
Der bayerische Schulhistoriker, der, an die Regierung Karl Theodors gelangt,
auch von ihm etwas Bayern Erhebendes verkünden möchte, greift zunächst zu seinen Ver¬
diensten um die Austrocknung des Donaumooses. Das kleine, aber sehr verdienstvolle
Schriftchen nun, das hier angezeigt werden soll, enthält eine fachmännische Würdigung
der einschlägigen Arbeiten des bayerischen Kurfürsten. „Das Donaumoos war vor seiner
Austrocknung ein vollkommener, an vielen Stellen ganz unzugänglicher ca. 60000 Tagwerk
grosser Sumpf, der nur hie und da zu Viehweiden benutzt werden konnte“ (7). Erst
i. J. 1778 trat man der Idee einer Trockenlegung des ganzen Mooses näher; ein Priester,
der Benefiziat Joh. Jak. Lanz von Bergimgau, erhielt den Auftrag, den Kulturentwurf
aufzustellen, und rasch begann auch die systematische Arbeit, die etwa 900000 Mark ver¬
schlang und alsbald „auf die klimatischen und Gesundheitsverhältnisse der ganzen Gegend
den günstigsten Einfluss“ übte (14). Die Bestrebungen gerieten indes ins Stocken, ja
eine Reihe misslicher Umstände veranlasste den gänzlichen Verfall der Kulturanlagen im
Moose. Von 1818—1825 unternahm man neuerdings umfassende Reparaturen und Hess
bis auf diesen Tag die Verbesserung der Zustände im Donaumoos nicht mehr aus dem
Auge. Wie das bewerkstelligt wurde, zeigt die Schrift Spöttles eingehend. Es ist darum
die fleissige, auch mit einer Litteraturübersicht von 1781—1895 versehene Abhandlung
dankbarst als eine Arbeit zu begrüssen, die ein Kapitel unserer landwirtschaftlichen Ent¬
wickelung von fachmännischer Feder beleuchtet darstellt und über die Bedeutung der
Mooskultur sowohl als ihre Ausführung aufklärt
München. R.
Die St. Michaels Hofkirche in München. Festschrift zum
dreihundertjährigen Jubiläum der Einweihung von Adalbert Schulz, k. Hof¬
priester und Subdiakon. Mit 18 Abbildungen und 2 Grundrissen. München.
1897. Verlag der J. J. Lentnersehen Hofbuchhandlung. (E. Stahl jun.) #
(133 S.).
Der Verfasser hat die Absicht, „in gedrängter Form“ all das zu bieten, „was die
Darstellung der Geschichte eines Gotteshauses erfordert“. Den Schwerpunkt seiner Auf¬
gabe glaubt er, „in der bisher noch nicht gegebenen quellenmässigen Darstellung des
kirchlichen Lebens suchen zu müssen“. Er blieb dieser Absicht gemäss für die Erzählung
der „Baugeschichte der Kirche“ auf die bereits vorhandenen trefflichen Quellenarbeiten
(von Leopold Gmelin) angewiesen. Die Beschreibung des Inneren und Äusseren des
Gotteshauses ersetzt einen verlässigen und erschöpfenden Führer durch die Kirche, welche
Lübke in seiner „Geschichte der Renaissance in Deutschland“ „ohne Zweifel die gewal¬
tigste kirchliche Schöpfung der deutschen Renaissance“ nennt. Auch der Fürstengruft,
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Anzeigen und Besprechungen.
14
der Jesuitengruft und dem Kirchenschatze ist je ein Abschnitt gewidmet Der zweite
Teil, „Das Kirchliche Leben“ betreffend, beschäftigt sich mit der Chronik des Gottes¬
hauses, seinen Vorständen, seiner Kapelle, die ja stets besonderer Teilnahme in musikali¬
schen Kreisen sich erfreute, und an der grosse Meister, wie Kaspar Ett, wirkten. Das
sehr schön ausgestattete Schriftchen erfüllt sowohl da, wo es sich auf fremde Quellen
stützt, als da, wo es selbständig neue Materialien verarbeitet, seinen Zweck, „in einer
Festschrift weiteren Kreisen die Geschichte und die Beschreibung eines Gotteshauses zu¬
gänglich zu machen, das seine Gründung dem frommen und kunstbegeisterten Streben
eines Wittelsbacher Fürsten schuldet“, vollständig.
München. R.
Kloster Ebrach. Aus der Zeit des letzteu Abts Eugen Montag
und der Säkularisation des Klosters. Von Dr. Johannes Jaeger, k. Pfarrer
an der Strafanstalt Ebrach. Mit zwei Illustrationen und einem Anhang.
Gerolzhofen, Verlag und Druck von Fr. Büchners Buchdruckerei. 1897.
(184 S.).
Mit besonderer Hingabe an sein Thema behandelt der Verfasser die Geschichte
der ehemaligen Abtei Ebrach. Sechs Jahrhunderte hatte sie bereits hinter sich, über
welche uns die ersten Seiten rasch hinwegführen, als (1741) ihr letzter Abt, Eugenius
Montag, geboren wurde. Jaeger schildert seinen Studien gang und seine Erlebnisse, wie
er (1759) ins Kloster trat und (1791) Abt desselben wurde. Als solcher waltete er als einer
der hervorragendsten Forscher auf dem Gebiete des Staatsrechts seines schwierigen Amtes
mit seltenem Geschicke, indem er stets unerschrocken und sachgewaudt für die Interessen
seines Klosters eintrat und seine Feder im Dienste desselben gebrauchte. Indessen zogen
unter ihm schwere Tage über das Kloster heran; die Franzosen besetzten (1796) dasselbe,
ihre Aufführung dort und in der nächsten Umgebung war wohl überaus schlimm; end¬
lich (1803) verfiel es dem Lose der Säkularisation, was sein Abt trotz mancher Wahr¬
scheinlichkeit nicht erwartet hatte. 677 Jahre hatte die Abtei als solche bestanden. Die
Nebenumstände der Säkularisation waren allenthalben so ziemlich die gleichen. Vor allem
das Schicksal der Bibliothek, der wertvollen Handschriften und Urkunden schildert der
Verfasser in eingehender Weise. Erst acht Jahre später (1811) starb Eugen Montag zu
Oberschwappach, als der 49ste Abt des Konvents. Jaegers Arbeit fusst nur auf den
Quellen; sie entwirft ein anschauliches Bild der einst so glänzenden Abtei und ihres
Zusammenbruches. Auf allen Seiten verrät sich des Verfassers inniges Verständnis für die
Geschichte des Klosters und die Wechselfälle seiner geistlichen Bewohner, sowie die grösste
Objektivität und Sachlichkeit der Darstellung.
München. R.
Geschichte der deutschen Litteratur von den ältesten
Zeiten bis zur Gegenwart von Prof. Dr. Friedrich Vogt und
Prof. Dr. Max Koch. Mit 126 Abbildungen im Texte, 25 Tafeln in
Farbendruck, Kupferstich und Holzschnitt, 2 Buchdruck- und 32 Facsimile-
beilagen. Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut. 1897.
(760 S.)
Die überaus thätige Beihilfe des bayerischen Volksstammes an der Entwickelung
der deutschen G e s a m t litteratur und der stets wiederkehrende Wunsch, zu einer Geschichte
der deutschen Litteratur im heutigen Bayern einen bewährten Forscher zu veranlassen
(vgl. Forschungen I, 5), mag es an sich schon rechtfertigen, das Erscheinen eines Werkes
an dieser Stelle anzuzeigen, dessen wissenschaftliche Durchführung und typographische
Ausstattung gleichmässig auffordern, es in weitesten Kreisen bekannt zu machen. Während
Vogt die ersten fünf Abschnitte, die Zeit des Heidentums, das Germanentum und die
christlich-lateinische Kultur, die mittelalterliche Dichtung in allen ihren Erscheinungen,
sowie den Übergang zur Neuzeit in trefflicher Weise schildert, beginnt Koch von Opitz
und seiner Schule und verfolgt die Entwickelung der neueren und neuesten Litteratur
bis zu jenen Schriftstellern herab, die uns als Zeitgenossen in ihrem Wirken nahe stehen.
Schon in den ältesten Zeiten verfolgen wir den Einfluss des bajuwarischen Stammes (16),
hervorragende Denkmale früher Tage sind auf bayerischem Boden entstanden, erhalten
geblieben oder aufgefundeu worden, meist heute noch Eigentum unserer Bibliotheken.
Der weltlichen Epik in Franken und Bayern ist ein eigenes Kapitel (74—84) gewidmet;
die deutsche Dichtung der Ritter und Spielleute in Bayern und Österreich beruht auf
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Anzeigen und Besprechungen.
15
nationaler Überlieferung, während sie im Westen sich französischen Vorbildern an-
schliesst (89). Auf den verschiedensten Gebieten älterer Dichtung sehen wir im weiteren
Bayern hervorragend vertreten, um nur der Namen eines Meier Helmbrecht, Wolfram
von Eschenbach, Wimt von Gravenberg, zu gedenken oder vieler Anderer, die, ob auch
ihre Herkunft streitig ist, auf bayerischem Boden dichteten und sangen. Zählen wir
Nürnberg und seine grossen Männer, einen Melchior Pfintzing, Hans Sachs und viele
Andere, die besondere Teilnahme Bayerns am Schauspiele, an den humanistischen Studien,
an der Schulkomödie hierher, so sehen wir den gewaltigen Einfluss dieses Landes auf
die Litteratur, einen Einfluss, der auch seit Opitz nicht abnimmt, im Gegenteile wächst
Die grossen Schriftsteller des letzten und des nun bald schliessenden Jahrhunderts, welche
Bayern angehören, sind zahllos; in Bayern verwirklicht Richard Wagner den grossen
Gedanken eines deutschen Nationaltheaters, der einst Lessing thöricht schien. - Es ist
natürlich hier nicht Raum, auf das Einzelne näher einzugehen, da nur auf das Erscheinen
des Prachtwerkes hingewiesen werden soll, das als besonderen Vorzug auch die stete
Berücksichtigung Österreichs aufweist. Wohl mag mancher, der nur die gelehrte
Forschung sucht, den Bilderschmuck entbehren wollen; aber wo er mit solcher Auswahl
angelegt und mit solcher Feinheit ausgeführt erscheint, da fördert er wirklich das
Werk und bietet ein unbestreitbares Unterrichtsmittel nicht bloss im Dienste der
Schule, sondern auch des ernsten Forschers.
München. R.
Die Hirsauer Bauschule: Studien zur Baugeschichte des
11. und 12. Jahrhunderts von Dr. C. H. Baer, Architekt. (Freiburg u.
Leipzig, J. C. B. Mohr 1897).
Es muss als ein grosses Verdienst Baers erachtet werden, alle jene Einzelfor¬
schungen, welche sich mit der Hirsauer Bauschule oder ihren Werken beschäftigten, zu einem
Ganzen vereinigt zu haben. Die Art, wie dies geschah, gereicht aber dem Verfasser zu
ganz besonderem Lobe und giebt Kunde von eingehenden Vorstudien und von umfassen¬
der Kenntnis sowohl der einschlägigen Litteratur, als auch der Baudenkmale selbst, die
sich namentlich in trefflichen Bauanalysen und stilkritischen Erörterungen äussert
Ehe wir auf den für Bayern einschlägigen Teil des Werkes näher eingehen, sei
an der Hand des Buches kurz seine Einteilung erwähnt Die Einleitung behandelt die
Entstehung und Ausbreitung der Clunyacenser Bauweise und ihr allmähliches Eindringen
in Deutschland, welches etwa mit dem letzten Drittel des zehnten Jahrhunderts anhob,
zunächst von Süden her (Peterlingen), dann auch im Norden (Abdinghof). Eine Reihe
bedeutsamer Bauten entstanden, als deren hervorragendster die Abteikirche zu Limburg
anzusehen ist. Der Verfasser weist am Ende dieses Abschnittes darauf hin, wie das Pro¬
gramm der Clunyacenser Bauweise in Deutschland lange der Klärung entbehrte, und dass
ein Tasten und Suchen nach dem Zweckentsprechenden unverkennbar zu tage trete.
Zwei Mönchen, aufgezogen im Kloster St. Emmeram zu Regensburg, war es Vorbehalten,
„Cluny und seinen gregorianischen Bestrebungen in Deutschland die schon so lange er¬
sehnte Stellung zu verschaffen und zu sichern; es waren dies der mehr vorbereitende
Ulrich von Zell und der bahnbrechende Wilhelm von Hirsau“. Es würde zu weit vom
Zwecke dieser Zeilen abschweifen, hier auf die zwei Bauten in Hirsau einzugehen, auf
St. Aurelius und St. Peter, die unter dem mächtigen Abte Wilhelm entstanden und einen
gewaltigen Einfluss auf die von Hirsau gegründeten oder reformierten Klöster ausübten.
Mit vollstem Recht betont hier der Verfasser, dass dieser ungeheuere Erfolg der Clunya¬
censer Bauweise namentlich dem Umstande zuzuschreiben ist, dass sie den Verhältnissen
Deutschlands angepasst wurde. Von Hirsau, dem Vororte dieser neuen Bauweise, leitet
sich der Name der Kongregation — den Baer als unzutreffend zurück weist — oder der
Hirsauer Bauschule her.
In den folgenden Abschnitten behandelt der Verfasser alsdann die Bauten der
Hirsauer Schule. Ohne des weiteren auf diese einzugehen, sei hier erwähnt, dass die
Besprechung der uns besonders interessierenden bayerischen Bauten namentlich auf Prof.
Dr. Berthold Riehls einschlägige, so verdienstvolle Arbeiten sich stützt; Baer ist ein Schüler
des genannten Herrn. Warum aber nahm der Verfasser nicht auch die Monatsschrift
des hist Vereins von Oberbayem 1894 Nr. 7—10 in die Hand, mit der leider sehr kurzen
aber vorzüglichen Wiedergabe eines Vortrages von Dr. G. Hager über die Hirsauer
Klosterreform und die „romanische Baukunst in Bayern“? Gewiss wäre der Verfasser zu
weiteren interessanten Resultaten gelangt, oder es wäre doch das Verzeichnis der von
Hirsau abhängigen Klöster durch die Beifügung von Benediktbeuern (Hager, a. a. O. S. 106)
vervollständigt worden. Wir dürfen gespannt sein, was Dr. Hager in dem von ihm eben
vorbereiteten Werke über Hirsau im Vergleiche mit dem Werke Baers Neues zu tage
fördert, und ob des letzteren Verfassers Annahmen und Behauptungen vor Dr. Hägers
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Anzeigen und Besprechungen.
Urteil und Autorität bestehen werden. Jedenfalls darf dem Werke Baers die grosse An¬
erkennung nicht versagt werden, in äusserst fleissiger Arbeit eine zusammenfassende Ab¬
handlung über ein so interessantes Thema uns gegeben zu haben, das zur Bewältigung
gründlichste Sachkenntnis erfordert. Bei einer so gewaltigen Bewegung, wie sie die zwei
Mönche aus St Emmeram in Regensburg hervorriefen, und die in ganz Deutschland wie
besonders in Bayern so grosse Erfolge hatte, ist es doppelt erfreulich, dass die vorliegende
Arbeit der Münchener Schule der Kunsthistoriker entsprang.
München. W.
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Anzeigen und Besprechungen.
Die Kriegführung des Kurfürsten Max Emanuel von
Bayern in den Jahren 1703 und 1704. Von Generalmajor von Land¬
mann. Mit dem Bildnisse des Kurfürsten Max Emanuel und vier Karten¬
beilagen. München 1898. C. H. Beck sehe Verlagsbuchhandlung. Oskar
Beck. (92 S.).
Unter den regierenden Fürsten der Weltgeschichte, welche auf den Ruhm voll¬
endeter Ritterschaft einen berechtigten Anspruch haben, nimmt Bayerns Kurfürst Maxi¬
milian II. Emanuel einen der allerersten Plätze ein. Was das ritterliche Ideal jener Tage
verkörpert, Mut bis zur Tollkühnheit und Abenteuer aller Art in Krieg und Frieden, —
Ariosto fasst es so treffend in die Verse zusammen:
Ee donne, i cavalier, 1 ’arme, gli amori,
Ee cortesie, l’audaci imprese —
das bildet auch den Inhalt seines wechselvollen Eebens. Es ist bedauerlich, dass Bayern
dem Fürsten nicht jenes Vertrauen entgegen bringen durfte, dessen er nach Seiten seines
Heldenmutes wohl wert gewesen wäre, da seine bayerischen Zeitgenossen und ihre Nach¬
kommen ihm gewiss nicht glauben konnten, wenn er versichert, die Erhaltung Bayerns
sei ,le principal pour moy, ma maison et toute 111a posterite‘. (Münch. Gel. Anz. 1837
No. 28. S. 234) — Um so erfreulicher berührt es darum, den ritterlichen Kurfürsten nach
einer anderen wichtigen Seite hin als hervorragend gewürdigt zu sehen, nämlich seine
militärische Begabung von berufenster fachmännischer Hand geschildert
und anerkannt zu treffen. Generalmajor Karl von Eandmann hat es unternommen, die
Feldzüge Max Emanuels in den Jahren 1703 und 1704 einer eingehenden Kritik zu unter¬
ziehen, was um so allgezeigter war, als die bisherige Darstellung der kriegerischen Thätig-
keit des Kurfürsten übermässig durch französische Einflüsse gefärbt war: „Nicht leicht
hat sich je ein Fürst bei Beginn eines Feldzuges in ungünstigerer Eage befunden, als
Max Emanuel i. J. 1703“. (1) Aber Maximilian hatte stets die Ausbildung seiner Armee
im Auge und war auch „selbst Führer seines Heeres“. (1) Die strategische Tüch¬
tigkeit des Kurfürsten wird an einzelnen Gefechten, z. B. an jenem bei Schmidtmühlen-
Emhof (28. März 1703), eingehend naehgewiesen. (11) Aus Max Emanuels meisten Plänen,
wie aus seinem Vorhaben gegen Nürnberg, erhellt, „welch richtigen Blick er gehabt hatte“
(18), und wie sehr Villars „im wesentlichen die Rolle eines Hemmschuhes gespielt hatte“.
(36) Der Kurfürst selbst hatte im Feldzuge von 1703 es verstanden, „den Krieg mit den
Hauptkräften stets angriffsweise zu führen; es gelingt ihm, sein Heer von einem Ende
des Eandes zum andern zu werfen, ohnedass Verpflegungs- und andere Schwierigkeiten
belangreich zu tage treten“. (39) I111 Kampfe „sieht man keinen übereilten Angriff, kein
allmähliches Einsetzen, keine Verzettelung der Kräfte“. „Die ganze Kriegführung des
Kurfürsten im Jahre 1703 hat etwas für den Soldaten von heute ungemein Ansprechen¬
des“. (40) — Nicht minder lebhaft gestaltete sich das kommende Kriegsjahr 1704, zu dem
sich der Kurfürst „in ausgiebigster Weise“ (43) vorbereitete. Aber trotzdem „gehörte für
den Kurfürsten ein Entschluss dazu, mit den Hauptkräften das Kurfürstentum zu ver¬
lassen, während feindliche Truppen in der Oberpfalz, in Oberösterreich und in Tirol in
Winterquartieren lagen“. (45) In sachkundigster Weise verfolgt der Verfasser des Kur-
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2 Anzeigen und Besprechungen.
fürsten Märsche und Pläne des weiteren bis zur unglücklichen Schlacht bei Höchstädt
(13. August 1704), über deren Verlauf eingehendst gehandelt wird. Dabei wird Tallard,
den man bisher allein für das Unglück von Höchstädt verantwortlich machte, gereinigt,
indem Marcin, der die erbetene Unterstützung verweigerte (il ne songea plus qu’ä profiter
de rint£grit6 de son armee pour faire une retraite, Saint-Simon VII, 253), dafür haftbar
gemacht wird. Dagegen darf der Kurfürst gerade hierbei nicht als Oberbefehlshaber im
eigentlichen Sinne angesehen werden. „Will dem Kurfürsten ein Vorwurf aus dem Ver¬
luste der Schlacht gemacht werden, so kann es wohl nur der sein, dass er zu viel auf
die Unbesiegbarkeit der Tallardschen Armee vertraut hat“. (79). Wie Max Emanuel ein
Jahr später die rührende Treue seines Landvolkes erprobte, so durfte er nach dem Un¬
glücke von Höchstädt auf seine Armee zählen; denn wenn nach der Niederlage „in Bayern
selbst die Waffen noch lange nicht ruhten, so war dies die Folge eines in allen Graden
des Heeres herrschenden, auf treuer Ergebenheit für den Landesherrn beruhenden, vor¬
trefflichen militärischen Geistes“ (83), sagen wir der bewährten Treue der Bayern ihrer
Dynastie gegenüber. Der Kurfürst hat weder selbst seine Kriegsthaten beschrieben, noch
eingehend in Briefen „seiner persönlichen Leistungen“ (85) gedacht; so fehlt es an er¬
schöpfendem Materiale zu seiner Beurteilung; aber die ganze Art seiner raschen Ent¬
scheidung gegenüber der schwerfälligen Methode jener Zeit nähert sich „schon mehr
dem Standpunkte der heutigen Kriegführung“. (86). Bei vorurteilsfreier „Be¬
trachtung der Ereignisse von 1703 und 1704“ wird man sich „der Anschauung nicht ver-
schliessen können, dass Kurfürst Max Emanuel als Heerführer sicherlich Grosses geleistet
haben würde, wenn er von Anfang an in grössere Verhältnisse und mehr auf eigene Füsse
gestellt gewesen wäre“ (87).
Liegt, wie schon eingehend bemerkt wurde, der besondere Wert dieser Studie,
welche vier Kartenbeilagen wesentlich fördern, in der fachmännischen militärischen Be¬
urteilung des Kurfürsten, dessen bekanntem persönlichen Mute, wie hier dargethan wird,
kriegerische Erfahrung und taktische Befähigung reichlich zur Seite standen, so ist noch
besonders hervorzuheben, dass die Mehrzahl der Materialien verschiedenen Archiven ent¬
nommen ist und die gesamte Arbeit sich auf eine stattliche Reihe ganz neuer Forschungen
gründet. Es hat darum mit dieser Schrift nicht nur die kriegsgeschichtliche Litteratur
eine ansehnliche Bereicherung erfahren, sondern auch vom rein historischen Standpunkte
aus hat das Bild des im ganzen meist abfällig beurteilten Herrschers eine neue, für ihn
günstige Beleuchtung gefunden, die vermuten lässt, der tapfere und kriegsgewandte Kur¬
fürst habe die Erreichung so manchen Zieles, das sein Stolz sich steckte, in dem begrün¬
deten Bewusstsein seiner wirklichen militärischen Befähigung erhofft Dem Verfasser des
Werkes, der keine Mühe gescheut hat, seine schwierige Aufgabe zu lösen, gebührt darum
der anerkennende Dank des Forschers auf dem Gebiete der bayerischen Geschichte.
München. Reinhardstöttner.
Photographische Aufnahmen von Skulpturen Bambergs,
speziell des Domes u. A. m. (Folioformat 22:30 cm). Bamberg. Gustav
Duckstein.
Bei der grossen Wichtigkeit, von der gute photographische Aufnahmen grösseren
Formates für das Studium der Kunstgeschichte sind, wie auch bei der besonderen hoch¬
bedeutsamen Stellung, welche die Skulpturen des Bamberger Domes, namentlich des
12. und 13. Jahrhunderts in der Kunstgeschichte einnehmen, ist das Unternehmen der
obengenannten Kunsthandlung, uns diese Skulpturen in zweckentsprechenden Aufnahmen
geboten zu haben, aufs freudigste zu begriissen. Die erste Serie — speziell Skulpturen
des Domes vorführend und 25 äusserst sorgfältige, bis in die kleinsten Einzelheiten durch¬
gearbeiteten Aufnahmen enthaltend — bringt ausser den Details der Domportale, wie die
Leibungen, das Tympanon des letzten Gerichtes am Fürstenportal oder die Standbilder
Kaiser Heinrichs, die Figuren Adams und Evas auch — wir sind versucht zu sagen end¬
lich — nicht allein brauchbare, sondern vorzügliche Aufnahmen der stilistisch so hoch-
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Anzeigen und Besprechungen.
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bedeutsamen Schranken des Georgichors mit den Figuren der zwölf Apostel und Propheten,
die bekanntlich eine ganze Reihe der verschiedenartigsten Ansichten bez. ihrer kunst¬
geschichtlichen Stellung und ihres Alters zeitigten. Endlich einmal liegen auch die herr¬
lichen, von antikem Geiste durchwehten Figuren der hl. Maria und der hl. Anna mit dem
Marienkinde (2. H. 13. Jhdts.) im nördlichen Seitenschiffe in vorzüglichen, wirklich brauch¬
baren Aufnahmen vor und ermöglichen vergleichende Studien mit den hier einschlägigen
Skulpturen von Rheims und der französischen Plastik des 13. Jahrhunderts überhaupt
Gerade bei den Skulpturen des Georgichors — den Schranken und den ebenerwähnten
herrlichen Gewandfiguren — war es ein ausserordentliches Bedürfnis, gute Aufnahmen zu
besitzen, dem nun endlich aufs beste abgeholfen ist.
Von der zweiten gleich grossen Serie, die ausser einer Anzahl von Skulpturen des
späteren Mittelalters — hervorzuheben sind hier besonders die Reliefs Riemenschneiders
am Grabmal Heinrichs II. — noch drei Blätter der Kreuzwegstationen v. J. 1507 und
Bauten der Barock- und Rokokozeit bietet, kann in gleicher Weise gesagt werden, dass
die Blätter den höchsten Anforderungen, die man an wissenschaftliche Aufnahmen stellen
kann und muss, vollauf gerecht werden.
Neben den grossen inneren Vorzügen, die den Photographien eigen sind, verdient
noch der verhältnismässig niedrige Preis und die Art des Vertriebes — es kann jedes
Blatt einzeln bezogen werden — besonderes Lob. Nochmals sei der Verlagsbuchhandlung
Gustav Duckstein für das Unternehmen die grösste Anerkennung gezollt Die Güte
und Zweckmässigkeit der Aufnahmen sichern dem Unternehmen den besten Dank der
fachwissenscliaftlichen Kreise.
München. W.
Heinrich Boos: Geschichte der rheinischen Städtekultur.
Mit Zeichnungen von Joseph Sattler. I. und II. Band. Verlag von
J. A. Stargardt in Berlin.
Selten hat eine Publikation sich das Lob, ein Monumentalwerk zu sein, mit sol¬
chem Rechte erworben wie die vorliegende. Zählt dem heutigen Bayern auch nur ein
kleiner Teil des hier behandelten Gebietes zu, so sei unseren Lesern dennoch das vorzüg¬
liche Werk aufs beste empfohlen als ein äusserst wertvoller Beitrag zur Stadt- und Kultur¬
geschichte Deutschlands, zumal sich aus der Lektüre desselben sehr viele für die Geschichte
unseres Bayernlandes interessante Punkte und Beziehungen ergeben.
Von dem Werke, das mit dem dritten Bande, der sich bis auf die Gegenwart er¬
strecken wird, abschliesst, liegen bis jetzt zwei stattliche Bände mit ca. 1000 Druckseiten
nebst vielen hunderten von Anmerkungen und Quellennachweisen vor. Prof. Heinrich Boos
zu Basel hat es verstanden, dank eines ungeheueren Fleisses und Bieneneifers, mit dem
er seit 1880 an der Ordnung des W T ormser Archivs thätig war, und dank der Sorgfalt,
welche seine Herausgabe der „Wormser Geschichtsquellen“ (1886, 1890 u. 1893) bekunden,
den vorhandenen Stoff im Rahmen der Allgemeingeschichte in geradezu glänzender Weise
zu verarbeiten. Liegt auch das Hauptgewicht des Werkes auf der geschichtlichen und
kulturgeschichtlichen Entwickelung von Worms, so bedingten doch die gegenseitigen Be¬
ziehungen der Städte Worms, Speier und Mainz wie sie sich durch die ganze Geschichte
der Rheinlande zeigen, auch eine eingehende Berücksichtigung der zwei letzt genannten
Städte, woraus sich wiederum ergiebt, dass „der geographische Rahmen der hier behan¬
delten Gegend die Landschaft von Strassburg bis gegen Köln, vom Odenwald bis nach
Trier umspannt“. Ausbeuten der Archive zu Strassburg, Basel, Zürich, Speier, die Kölner
Verwaltungsakten mussten, wie die Wormser Urkunden, dem Verfasser zu einer rein ob¬
jektiven Darstellung ihre Hilfe leisten. Ich verweise nur auf die unzähligen Urkunden¬
belege, welche weitaus andere Quellennachweise an Zahl übertreffen. Dabei ist die Dar¬
stellungsweise eine so klare, sachliche und einer trockenen Geschichtschreibung so gänz¬
lich abhold, dass den Laien wie den Fachmann gleicher Genuss an der Lektüre erlaben wird.
Dazu trägt namentlich die mehr episodenhaft eingestreute, dem Kulturhistoriker doppelt
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Anzeigen und Besprechungen.
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werte Abschweifung über Stadt- und Landwesen, über die Zünfte, über Kunst und
Kunstleben u. a. m. bei. Wer wird es dem Verfasser verdenken, wenn er bei dem tiefen
Einblick in die bewegenden Momente einer Zeit, bei seiner klaren Erkenntnis der Wechsel¬
beziehungen geschichtlicher Ursachen und Wirkungen ab und zu, jedoch ohne es be¬
sonders den Leser empfinden zu lassen, in einen etwas staatsmännisch belehrenden Ton
verfällt? Im Gegenteil, das mag zu loben sein, erkennen wir doch auch daraus, wie ernst
es ihm um die Sache ist
Der erste Band beginnt mit der Prähistorie der in Frage kommenden Gegend,
um deren Erforschung Kommerzienrat von Heyl, dem wir die Publikation des Pracht¬
werkes zu verdanken haben, sich hervorragende Verdienste erworben hat. Den Kämpfen
der Römer mit den Germanen, der Einführung des Christentums, der Zeit der fränkischen
und salischen Kaiser und namentlich der gewichtigen Person Bischof Buchards von Worms
sind die nächsten Kapitel des ersten Bandes gewidmet, der mit einer klaren Darlegung
der Sachlage vor dem grossen rheinischen Städtebund und mit diesem schliesst. Der
zweite Band behandelt die Stellung der rheinischen Städte zur Zeit des Faustrechts und
König Rudolfs von Habsburg, die Entwickelung der Zünfte im 13. und 14. Jahrhundert,
die Kämpfe zwischen Kaiser und Papst (Ludwig der Bayer und Papst Johann XXII.)
Daran schliessen sich die Kapitel über den rheinisch-schwäbischen Städtebund, die innere
Entwickelung der Stadt Worms mit ihren ewigen Pfaffenstreiten, denen nur eiue kurze
Zeit lang die grosse Pfaffenrachtung von 1407 Einhalt thun konnte. Den weiteren Streiten
der rheinischen Städte im 15. Jahrhundert widmen sich die nächsten Kapitel. Alsdann
wird die Stellung der Städte zur Zeit der Hussiten und Waldenser erörtert Die Kämpfe
der Armagnaken, des Pfalzgrafen Friedrich, die Einnahme von Mainz, Karls des Kühnen
Niederlage und die kleineren Fehden im Reiche werden, soweit sie die Geschichte der
rheinischen Städte berühren, im letzten Kapitel des zweiten Bandes abgehandelt Dort
finden wir auch der Erfindung der Buchdruckerkunst gedacht und zeitgenössische Lob¬
sprüche für Guttenberg aufgezeichnet
Zwei stattliche Bände sind es, voll reichen Wissens, dargeboten aber, was den
Verfasser anlangt, in einer so schlicht und bescheiden erzählenden Weise, dass man dar¬
über beinahe die aufgewandte Mühe und Arbeitskraft desselben vergisst Und dennoch
verdient Heinrich Boos unbegrenztes Lob und ungeteilte Anerkennung, denn wenig Ge¬
schichtswerke verbinden so wie die ,,Rheinische Städtekultur“ Fleiss und Sorgfalt der
Forschung, Beherrschung des Stoffes, Reichtum des Inhalts und klare Darstellungsweise.
Das Werk verdient aber auch noch in bezug auf seine Ausstattung auf das rühm¬
lichste hervorgehoben zu werden. Der durch seine Exlibris, Totentänze und durch seine
Bilderchronik des Bauernkrieges und der Wiedertäufer allbekannte Joseph Sattler, ein
geborner Schrobenliausener, verstand es, das wissenschaftlich so hochbedeutsame Werk in
ebensolch künstlerischer Weise auszugestalten. Vignetten, Initialen und eingereihte Voll¬
bilder, die in der markigen Strichführung an die grossen Meister des 16. Jahrhunderts
gemahnen, begleiten den Text; wie es sich bei einem wissenschaftlichen Werke geziemt,
durchaus nicht aufdringlich und vordrängend. Dabei aber lassen sie des Künstlers Ein¬
dringen in den Text und die behandelte Zeit klar erkennen. Wir stehen nicht an, Sattlers
Anteil und Verdienst an dem Werke jenem Boos’ gleich zu setzen und dasselbe als ein
klassisches Beispiel musterhafter Buchausstattung zu rühmen. Die deutsche Geschichts¬
forschung hat aber auch allen Grund, dem sehr verdienstvollen Kommerzienrat von Heyl,
in dessen Aufträge und mit dessen ständiger Unterstützung das herrliche Werk entstand,
wie der rührigen Buchhandlung J. A. Stargardt-Berlin, in deren Verlag das Werk erschien,
vollste Anerkennung auszusprechen.
München. W.
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Anzeigen und Besprechungen,
Ein Wort zum vierten Band von H. von Treitschkes historischen
und politischen Aufsätzen. (Treitschke, Historische und politische Auf¬
sätze. IV. (Schluss-) Band: Biographische und historische Abhandlungen,
vornehmlich aus der neueren deutschen Geschichte. Leipzig 1897. Verlag
von S. Hirzel. XII u. 664).
Der vierte Band der ,,Historischen und politischen Aufsätze“ von Heinrich von
Treitschke, den Erich Liesegang im Aufträge der Familie mit ebenso kundiger
wie pietätvoller Hand herausgegeben hat, enthält in der reichen Fülle des Gebotenen drei
Artikel, die auch in den „Forschungen zur bayerischen Geschichte“ näher ge¬
würdigt werden müssen. Zwei derselben danken ihr Entstehen seinem Aufenthalt in der
bayerischen Hauptstadt, wohin er sich im Jahre 1861 von seiner Leipziger Dozeuten-
tliätigkeit zurückgezogen hatte, um die Arbeiten zu einer Geschichte des deutschen Bundes
von 1815 bis 1848 mit voller Kraft aufzunehmen. Wir sind über diese Münchener Tage
durch das schöne und warm geschriebene Buch von Theodor Schiemann „Hein¬
rich von Treitschkes Lehr- und W a n d e rj a h re“ vortrefflich unterrichtet. Er hat
hier schöne und arbeitsfrohe Tage verlebt und sich dem süddeutschen Wesen recht be¬
freundet. Schrieb er doch seiner Mutter: „Es ist doch eine Freude, wenn man, wie ich,
nach und nach erlebt, wie albern die Lügen sind von der unversöhnlichen Verschiedenheit
der deutschen Stämme. Die Deutschen sind überall gleich; was sie trennt, sind Äusser-
lichkeiten und anerzogene Vorurteile. Ich fühle mich unter den verschrieenen Altbayern
ganz heimisch.“ Freilich war er auch nicht blind für die Schattenseiten, die Bayern nun
einmal anhaften und nie schwinden werden. Glücks genug, wenn sie an weiterer Aus¬
dehnung gehindert werden! I11 dieser Stimmung der Sympathie für Land und Volk,
des scharfen Erkennens der Verhältnisse, die seinen nationalen Hoffnungen in so hohem
Masse widerstrebten, schrieb er au die Preussisclien Jahrbücher zwei Berichte, die trotz
ihres ephemeren Zweckes von bleibendem Werte sind und ein, wenn auch subjektiv ge¬
färbtes Bild von den damaligen Münchener Zuständen geben. Man kann sie mit um so
grösserem Behagen lesen, als sich ja vieles gebessert hat und vor allem in den Haupt¬
punkten eine volle Wendung eingetreten ist. Die erste „süddeutsche Korrespondenz“ ist
Mitte Juni 1861 geschrieben. Es ist die Zeit, wo verschiedene Polizeischikanen und allerlei
kleinliche und tiefgemeine Schmutzgeschichten, die sich in Berlin zugetragen, auf die
Stimmung in Süddeutschland zurückgewirkt, die vorhandenen Gegensätze wieder schärfer
hatten hervortreteu lassen. Keiner beklagte die Skandale und ihre Folgen mehr als
Treitschke, wenn er auch die letzteren nicht überschätzte. Er hatte in München Ge¬
legenheit gehabt, genau zu erkennen, was fehlte. Man thut unrecht, meint er, den
Grund der Missstimmung des Südens gegen Preussen „allein in Vorurteilen oder in den
Berliner Skandalen“ zu suchen. Sah er doch, dass nicht alles im Süden grau war, was
man in Berlin dafür ansah, fühlte er doch auch hier den deutschen Gedanken erstarken.
Und wenn diesem hier im Süden manches im Wege stand, so war er gerecht genug zu
sagen, dass das Haupthemmnis für die deutsche Einheit in Fehlern Preussens lag.
Mit Recht beklagt er, wie wenig man im Süden die preussisclien Dinge kenne, wie sehr
selbst die Erziehung der Jugend dafür sorge, dass vieles von dem Herrlichsten der
deutschen Geschichte der deutschen Jugend unbekannt bleibe. „Und nicht immer holt
der Mann nach, was der Knabe versäumt; viel zu selten erfüllen die Süddeutschen die
Pflicht, den Norden des Vaterlandes kennen zu lernen.“ Mit einem Worte, man kennt
sich zu wenig, darin liegt das Grundübel des doppelten Partikularismus. Damit hat er
den Nagel auf den Kopf getroffen. Dann zieht er freilich scharf zu Heer gegen den
bayerischen Partikularismus und hält selbst Äusserungen berechtigten Stammesgefühls für
Symptome desselben. Aber er sieht doch auch die tieferen Gründe des Abschliessens gegen
den Norden, die „in gewissen unglücklichen Eigentümlichkeiten des preussisclien Staates
liegen.“ So verwirft er mit aller Schärfe den Grundsatz der „Realpolitiker“, die da meinen,
das süddeutsche Volk durch den kahlen Satz jemals zu überzeugen: „Preussen hat die
grösste Macht in Deutschland, darum gebührt ihm die Führerschaft“ Er huldigte viel¬
mehr dem Grundsatz: „Preussen muss sich die Hegemonie erst verdienen.“ Denn „in der
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Anzeigen und Besprechungen.
innersten Natur unseres Volkes liegt es begründet, dass wir uns nicht wahllos vor der
Macht als solcher beugen mögen. Preussen wird seine gebührende Stellung erst dann
erlangen, wenn es ihm gelingt, die Achtung und Liebe der Deutschen dauernd an sich
zu fesseln“. Und wenn er nun die Verhältnisse von Bayern und Preussen in Parallele
stellt, da verhehlt er nicht, dass Preussen an Missständen krankt, welche der Süden längst
überwunden hat. Altbayern, meint er, wird durch die Machenschaften des Klerikalismus
nicht schroffer von Deutschland getrennt als der Nordosten durch seine Junkerwirtschaft.
Er stellt in dieser Beziehung den süddeutschen ultramontanen ,,Volksboten“ gleichsam
auf ein Niveau mit der „Kreuzzeitung“, wenn freilich er die seltsamen Kräfte und die
Infamie des ersteren nicht verkennt. Und wenn er die deutsche Gesinnung des Adels
beider Staaten prüft, kommt er zu dem wenigstens teilweise richtigen Resultate, dass der
reichsunmittelbare Adel des Südens den nationalen Ideen nicht ganz so feindselig gegen¬
übersteht als das kleine Junkertum des Nordostens, dessen Übergewicht in Preussen die
tiefgreifende Verschiedenheit des Volkstums von Nord und Süd verstärkt. Dort der
Standeshochmut, der den süddeutschen Augen unerträglich ist, hier formlose Unbefangenheit
des Umgangs, das schöne Verhältnis von Hof und Volk, zwischen Militär, Bürger- und
Beamtentum! Dabei mangelt, wie Treitschke meint, dem Volke keineswegs das Ver¬
ständnis für die Fragen der inneren Politik: hatte es doch durch sein Verhalten bei den
letzten Wahlen das Ministerium von der Pfordten gestürzt und sich so ein Regiment
verschafft, das freilich schwankend und langsam, aber gerecht und leidlich aufgeklärt. Im
übrigen treibt man freilich im behaglichen Sonderleben dahin und schlägt sich die grossen
nationalen Gedanken um so lieber aus dem Sinn, als die inneren Zustände des Landes
gesund und leidlich befriedigend sind. Er ist nicht in der rechten Stimmung, die Licht¬
seiten der bayerischen Geschichte freundlicher zu betrachten ; gilt doch von ihr dasselbe,
was er selbst von Land und Leuten in Norddeutschland sagt, deren Herrlichkeit nun
einmal auf der Oberfläche, dem raschen Wanderer leicht erkennbar liegt. Freilich arm
bleibt sie immer im Vergleich zu den guten Anlagen des Volkes, das eine bessere Ge¬
schichte verdient hätte. Diesem kernigen, mannhaften Volke des Gebirges lässt er denn
auch volle Gerechtigkeit widerfahren. Er fühlt sich wohl unter ihm, und seine Aus¬
setzungen sind kein bitteres Räsonnieren. Er redet, wie Schiemann richtig sagt, als ein
Freund Preussens aus einem der Kleinstaaten, aber als ein sorgender und bekümmerter
P'reund. Um so freudiger konstatiert er, dass im Laufe der letzten Jahre eine Umwandlung
der Geister, eine Annäherung an das übrige Deutschland sich vollzieht, sehr langsam
freilich, aber durchaus naturgemäss und hocherfreulich. Die „süddeutsche Zeitung“ streitet
wacker für den nationalen Gedanken auf ihrem vorgeschobenen aber nicht verlorenen
Posten; der Hof hat seine Stellung an der Spitze eines paritätischen Staates längst be¬
griffen; der Ultramontanismus ist im Rückgang; München verwächst immer mehr mit
den unsterblichen Werken eines unsterblichen Königs, die er „zuversichtlich mitten hinein
baute in das freie Feld,“ es wird zur Grossstadt, in welcher bereits das reiche Leben in
Kunst und Wissenschaft heimisch wird. Und mögen auch noch ungemein starke Gegen¬
sätze nebeneinander hergehen, sie haben doch schon gelernt, sich zu ertragen. ,,Vor
einigen Monaten,“ schreibt er, „starb der erste in München geborene Protestant, und be¬
reits hält an der Münchener Hochschule die protestantische Wissenschaft der katholischen
das Gleichgewicht.“ Und „so dringt der deutsche Geist durch alle Fugen und Ritzen
hinein in die feste Burg des altbayerisclieu Sonderlebens.“ An diesem Endresultat konnten
auch die Beobachtungen nichts ändern, die Treitschke während der nächsten Monate in
München zu machen in der wenig erfreulichen Lage war. Freilich meinte er im Eingang
zu dem Berichte: „Aus Süddeutschland“, dass es der ganzen Geduld bedürfe, „welche
dem deutschen Patrioten heute so nötig ist, um an der Wirklichkeit dieser trotz alledem
doch vorhandenen Annäherung nicht zu zweifeln.“ Es war auch in der That während
dieser Zeit manches geschehen, das jeden Wohldenkenden verstimmen musste. Der
Ultramoutanismus hatte im Glaspalast eines seiner Feste gefeiert und alle Schleusen seiner
Unduldsamkeit und seines Hasses gegen die deutschen Regungen und gegen die Freiheit
der Wissenschaft, gegen den Grundgedanken deutscher Bildung geöffnet. Dazu kam der
Weggang Heinrich von Sybels und Bluntsclilis, welche als Opfer jener Koterie hatten
fallen müssen. Treitschke war beiden trotz manchen Beziehungen nicht näher getreten,
aber es war doch ein Schlag für die Wissenschaft, der durch Giesebreclits Berufung zwar
gemildert, aber keineswegs ausgeglichen wurde. Treitschke weiss recht w r ohl, dass die
Ultramontanen das Ohr des guten, so treu für die Wissenschaft besorgten Königs nicht
besassen, aber die Schuld der Regierung an dem Sturze der beiden Professoren war
offenbar. So war er zu den bitteren Worten berechtigt: „Wir wissen nun, dass selbst die
„liberale“ bayerische Regierung nicht im stände ist, das Hinüberwirken der Wissenschaft
auf das Leben — und das sagt heute: die Existenz der freien Wissenschaft zu ertragen.“
Überhaupt sah er in dem „halbliberalen“ Gebaren des Ministeriums Schrenck eine
schwere Gefahr für den nationalen Gedanken. Die politische Unklarheit des Volkes, be¬
hauptet er mit Recht, wird durch die Maximen dieses Regimes noch gefördert: das Volk
wird eingelullt in Sicherheit, der Bauer in seiner Egartenwirtschaft, der Bürger in der
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Stille seines Landstädtchens abgesperrt von dem deutschen Leben. Auch die soziale
Reform, die man vom Landtage erwartet, sie war gescheitert in der Gewerbefrage, womit
eine Reihe von moralischen und wirtschaftlichen Missständen noch gesteigert worden
waren. Überhaupt war auf dem Gebiete der Volkswirtschaft, so besonders in der deutschen
Münzfrage, ein grosser Rückschritt zu bemerken. Aber er hat doch auch Erfreuliches
wahrgenommen. Ini Landtag hat sich eine Scheidung der Parteien vollzogen, ,,eine
nationale Partei hat sich gebildet, eine Minderheit freilich,, aber in der Debatte immet
und nicht selten auch in der Abstimmung siegreich.“ Sie stach wolilthuend ab von dem
Getriebe der übrigen politischen Strömungen, die nur ein Gemeinsames hatten, den Hass
gegen Preussen, gegen den sogenannten preussischen Partikularismus, den Treitschke hier
wiederum im rechten Lichte zeigt. In wenigen seiner Aufsätze kommt die Aufgabe und
das Recht Preussens, die deutsche Führung zu übernehmen, so klar zum Ausdruck, als
in diesem Hilferuf aus Süddeutschland, der um so lauter sich in diesem Augenblicke, w t o
die Zweifel an König Wilhelm und an seiner Erfassung der deutschen Aufgabe überall
rege wurden und der Hohn gegen den Regenten sich frech und unverhohlen äusserte,
dem so grosse Aufgaben und Erfolge Vorbehalten waren. ,,Wir täuschen uns keineswegs
darüber,“ sagt er, „dass auch die öffentliche Meinung im Süden noch manches zu lernen
habe.“ Der Anstoss aber zur nationalen Reform kann nur von Berlin ausgehen. Daher
empfindet er es selbst recht schwer, dass bei der Krönung in Königsberg kein ärmliches Wort
Deutschlands erwähnte. Er trifft auch hier das Richtige: solange Preussen zögert, die deutsche
Aufgabe zu erfassen, ist im Süden alles Streben nach der Einigung Deutschlands verlorene
Liebesmüh’. Nun, ein gutes Geschick hat es dem Herold der deutschen Einheit gegönnt, die
Zeit der Erfüllung zu erleben, wenn es ihm auch venvehrt blieb, die Geschichte derselben zu
schreiben, derermitseinem Kämpfen, Wirken und* Schaffen als der Unsterblichen einer angehört.
Doch noch einen Aufsatz darf ich aus der reichen Zahl der neuen Sammlung
herausgreifen: eine Studie über Paul Heyses historisches Schauspiel „Ludwig der Bayer.“
Sie gehört wohl zu dem Schönsten und Besten, was je über das historische Drama gesagt
werden ist. Hier kommt die eigene dramatische Begabung Treitschkes zu seinem Recht:
und das ist es wohl, was so sehr unser Interesse in diesem Aufsatz fesselt Er lässt uns
die innere Entwickelung Treitschkes, den inneren Kampf erraten, der gerade in diesen
Jahren seinen Höhepunkt erreichte.* Es ist wie ein Blick in die Werkstatt eines echten
Dichters! Diesen Ausführungen gegenüber fällt die Konstruktion des Heyseschen Dramas
in sich selbst zusammen. Es ist w T ohl die schwerste Abfuhr, die Heyse als dramatischer
Dichter erhalten, aber auch die ehrenvollste. Findet doch sein wahres und schönes
Talent auch bei Treitschke sympathische Anerkennung, der freilich ein wirklicher Meister
der Charakteristik war, w'ie das Bild beweist, das er mit ein paar Federzügen von Ludwig
dem Bayer entwirft: „Ein wohlmeinender Herr von gesundem Verstände und gut deutschem
Sinne, aber mehr geschoben von der öffentlichen Meinung, denn ein Führer seiner Zeit,
ein Charakter voll der seltensten Widersprüche, gutmütig und doch habgierig, mit nahezu
ketzerischer Kühnheit vorschreitend wdder die Kirche, und doch unfreien Gemüts, sichtlich
gebeugt und verschüchtert durch Roms geistliche Waffen.“ Man darf wohl sagen: er
hat durch den Verzicht auf sein dramatisches Talent um der Wissenschaft und des Vater¬
landes willen ein gewaltiges Opfer gebracht. Sein Werk und sein Wirken freilich stehen
so hoch und für immerdar so fest, dass man nicht fragen darf, ob das Opfer nicht zu
gross war. Aber er hat es gebracht als echter Künstler, der sich gerade zu jenen Jahren
selbst das Gesetz diktiert hat: „Es soll mit unserem Leben doch nicht anders sein als mit
einem edlen Kunstwerke: jeder Stein mit Wärme und Leidenschaft bearbeitet, jeder Teil
lebendig und doch das Ganze ruhig und geordnet, alles einem grossen Zwecke dienend.“
Heidelberg. Richard Graf Du Mo ulin Eckart.
Geschichtliche Bilder und Skizzen. Von Karl Theodor Heigel.
München 1897. Verlag von S. F. Lehmann. (S.S. VL 411).
„Geschichtliche Bilder und Skizzen“ benennt Heigel die neue Sammlung seiner
Essays, die sich den früheren in ihrer anziehenden Vortrefflichkeit, Feinheit und Gediegen¬
heit würdig anreiht. Es giebt wenig Gelehrte, welche es w r ie 4 H. verstehen, sprödem Stoffe
so anmutende Form zu geben, der Wissenschaft höchst brauchbare Bausteine zu liefern,
welche an sich schön geglättete Schaustücke sind. Er besitzt neben den Gaben des
Forschers echtes künstlerisches Empfinden und Können, das er treulich in den Dienst der
Wissenschaft stellt So dürfte man ihm gerade in heutiger Zeit doppelt dankbar sein.
Doch dies ist leider nicht durchweg der Fall. I111 Gegenteil! Das Vorw’ort seiner neuen
Publikation lässt erkennen, in welche seltsame Lage der Verfasser gerade durch seine
Essays geraten ist: von einer Seite wird er nicht ohne Hintergedanken als „Essayist“ be¬
zeichnet, von anderer hingegen w T ird ihm der Vorwmrf gemacht, dass seine Abhandlungen
keine „P^ssays“ seien. Der Widerspruch ist seltsam, um nicht zu sagen komisch. Denn
aus den Arbeiten Heigels lässt er sich nicht erklären, sondern lediglich aus der Auffassung
dieser Kritiker, die es einerseits nicht über sich vermögen, in der schönen Form den
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Anzeigen und Besprechungen.
wissenschaftlichen Kern erkennen zu wollen, anderseits den wissenschaftlichen Inhalt
selbst in dieser Form nicht verdauen können. Wer nun gerecht urteilt, wird beiden An¬
schauungen unbedingt entgegentreten und erfreut sein über das Zusammenflüssen zweier
Fähigkeiten, das so sehr zu den Seltenheiten gehört. Wenn ein Moment dieses Gefühl
trübt, so kann es nur das Bedauern sein, von ihm noch nicht das Werk zu besitzen, das
zu schreiben er vor allen berufen ist: die Geschichte Bayerns seit 1648. Allein der Aus¬
führung dieses Planes stehen Schwierigkeiten im Wege, unter denen der verdienstvolle
Gelehrte wohl selbst am meisten leidet. Zudem zeigt gerade dieses neue Buch, wie un¬
ermüdlich er am Werke ist, wie er gesonnen ist, dasselbe auf breitester Grundlage aufzu¬
bauen. Seine Studien führen ihn au den Hof Peters des Grossen, über den er an der
Hand eines deutschen Berichts interessante Aufklärungen giebt, während er auf grund
reichen archivalischen Materials die Gestalt des Kaisers Leopold I. in vermutlich anderem
Lichte zeigt, als er bisher dargestellt worden ist. Überhaupt fällt der Löwenanteil an
dem Buche der pfalzbayerischen Geschichte zu. Von den sechzehn Aufsätzen der neuen
Sammlung berühren allein zwölf die beiden Wittelsbachischen Häuser und Länder in mehr
oder minder direkter Weise. Rin wahres Kabinettsstück ist die Erzählung von den Um¬
trieben eines armenischen Abenteurers — Israel Ory ist sein Name — am pfälzischen
Hofe, der im Jahre 1698 den Kurfürsten für ein Projekt gewann, wde es abenteuerlicher
und weitschweifender kaum gedacht werden kann. Johann Wilhelm sollte eine Armee
nach Armenien führen, die armenische Christenheit befreien und sich selbst die Königs¬
krone aufsetzen. Es kann kein Zw f eifel walten, dass der Fürst den Plan ins Auge gefasst
hatte, so unausführbar er auch war. Es wmrde ein für damalige Zeiten grossartiger
diplomatischer Apparat in Bewegung gesetzt; mit Kaiser Leopold, Zar Peter, dem P'ürsten
von Georgien, dem Schah von Persien und dem Papste Klemens wurden Verbindungen
angeknüpft, die an sich schon beweisen, wie weit diese phantastische Idee den Kurfürsten
zu reizen vermochte. Es ist ein neuer Beleg dafür, „wie verführerisch gerade damals die
Aussicht auf eine Königskrone auf deutsche Fürsten wirkte und alle besonnenen Er¬
wägungen in den Hintergrund zu drängen vermochte“. Freilich schreckte der eherne
Gang der Ereignisse den ehrgeizigen Fürsten aus seinen Träumen auf und malinte ihn,
das Naheliegende ins Auge zu fassen. Für ihn war dadurch diese „orientalische Frage“
erledigt. Nicht aber für den Vertreter selbst, der alsbald am Hofe des Zaren auftaucht.
Hier hatte die abenteuerliche Idee ein welthistorisches Nachspiel: Russlands armenisch-
persische Politik knüpfte unmittelbar an dieselbe an.
In engerem Rahmen, aber wichtiger für die Entwickelung der pfalzbayerischen
Geschichte erscheint die Abhandlung über „die Wittelsbacliische Hausunion von 1724“,
die, auf reichlichem Aktenmaterial basierend, ein klares Bild giebt von dem Für und
Wider, von den Hindernissen und den treibenden Kräften, denen dieser wichtige Familien¬
pakt sein Entstehen dankt. Den Glanzpunkt der Sammlung bildet die Abhandlung über
den „angeblichen Mannheimer Verrat von 1795“, in welcher Heigel einen der dunkelsten
Punkte der bayerischen Geschichte in das richtige Licht setzt. Mag auch über diese
Affäre das letzte Wort noch keineswegs gesprochen sein, mag die Katastrophe stets in
das bedenkliche Dunkel gehüllt bleiben, welches der Widerspruch der bayerischen und der
pfälzischen Politik in jenen Zeiten nationaler Haltlosigkeit heraufbeschw'oren, so ist doch
durch diese Arbeit in eine Reihe bisheriger Vorurteile Bresche gelegt worden. Es war
dem neuen Jahrhundert Vorbehalten, die Möglichkeit solcher Katastrophen zu beseitigen,
aus deren Konsequenzen der rheinische Bund entsprang. Es hat doch auch in Bayern
das Volk unter dem Drucke des kaiserlichen Protektors schwer gelitten, mehr als man bei
den glänzenden Erwartungen denken sollte, die Bayern dieser politischen Konstellation
verdankte. Die Stimmung in Volk und Heer beleuchten vortrefflich die „Erinnerungen
eines alten Soldaten aus den Feldzügen von 1809 bis 1815, worin ein biederer Bayer seine
Erlebnisse in Tirol und Russland, auf bayerischem und französischem Boden mitteilt Hier
zeigt uns H. „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“. Er bietet aber auch das
Gegenstück! „Ein Reich — ein Recht“ betitelt sich ein Aufsatz, den er im Jahre 1872
im Aufträge des Ministers von Pfeufer geschrieben, und der bestimmt war, dem König
Ludwig II. vorgelegt zu werden. Auch er beruht auf aktenmassigem Material. Es versteht
sich von selbst, dass Heigel mit grosser Wärme für die Rechtseinheit des neuen Reiches
eintrat. Zeigt er sich hier als Vertreter des nationalen Gedankens, so tritt in den drei
kleinen Aufsätzen über „das Grabmal Ludwigs des Bayern in der Münchener Frauenkirche“,
die „Bavaria auf der Hofgartenrotuude“ und den „Grabstein des Orlando di Lasso“
klar hervor, wie sehr er mit seinem München verwachsen ist. Aber sie bergen auch eine
Fülle von Detailforschung und kunsthistorischen Entdeckungen. Auf die übrigen Auf¬
sätze kann ich an dieser Stelle leider nicht eingehen. Es sei nur noch bemerkt, dass die
Studie über,.die deutsche Politik während des Krimkrieges“ vorwiegend auf die Korrespondenz
Friedrich Wilhelms IV. mit Maximilian II. beruht, und dass in dem Aufsatz „Archiv wiesen
und Geschichtsforschung“ ein scharfes Schlaglicht auch auf die bayerischen Archivverhält¬
nisse fällt. Zumal die falschen und einseitigen Ideen Löliers über Archiv-benützung, wohl
die einzigen des vergessenen Mannes, die noch ihr Dasein fristen, finden volle Wider-
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Anzeigen und Besprechungen. 5
legung. Dem bayerischen Archiv gilt demnach vor allem das schöne Wort Heigels: „Aus¬
gedehnte Benützung der arcliivalischen Schätze eines Landes sollte von den Regierungen
nicht bloss gestattet, sondern gewünscht werden. Wenn zur Stärkung vaterländischer
Gesinnung unbestreitbar die Kenntnis vaterländischer Geschichte beiträgt, so steht es
ebenso fest, dass nur die wahrhaftige Geschichte dauernd diese Kraft besitzt. Ohne
Freiheit der Forschung aber keine Wahrheit!“ — nt.
Geschichte der Hexenprozesse in Bayern. Im Lichte der
allgemeinen Entwickelung dargestellt von Sigmund Riezler. Stuttgart
1896. (Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger). (X und 340).
„Wer Hexenprozesse studiert, glaubt sich — nicht inmitten der Angeklagten,
sondern der Richter — unter ein Geschlecht versetzt, das alle edlen menschlichen Anlagen:
Vernunft und Gerechtigkeit, Scham, Wohlwollen und Mitgefühl erstickt hat, um dafür
alle teuflischen in sich grosszuzieheu. Aus der Sphäre, die vielleicht den meisten Menschen
die teuerste und erhabenste des Lebens bedeutet, aus dem Ileiligtume der Religion,
grinst dem Beschauer ein Medusenhaupt entgegen und hemmt ihm das Blut in den
Adern“. — Mit diesen tiefempfundenen Worten, aus welchen man den Eindruck zu ent¬
nehmen glaubt, den seine eingehenden Studien über den düsteren Stoff auf den gelehrten
Verfasser gemacht haben, leitet Bayerns hochverdienter Geschichtschreiber Sigmund Riezler
seine „Geschichte der Hexenprozesse in Bayern“ ein, ein Werk, für das wir ihm um so
dankbarer sein müssen, jemehr „die Berufshistoriker diesem kulturgeschichtlichen Stoffe
meist unverhohlene Geringschätzung eutgegenbringen und in unverhältnismässig geringer
Zahl unter den Autoren der Hexenprozessliteratur vertreten sind“. Mit ungleich mehr
Recht als Feuerbach die Geschichte der Religion eine Krankheitsgeschichte des mensch¬
lichen Geistes nennt, lässt sich diese Bezeichnung auf die Geschichte der Hexenprozesse
anwenden. Treffend kennzeichnet Riezler im ersten Kapitel, „der heidnische Hexenwahn
und die alte Kirche“, den einzig richtigen Standpunkt, den wir dieser traurigen Erscheinung
gegenüber einnehmen müssen. „Der so beliebten allgemeinen Entschuldigung durch den
Bann des Zeitgeistes darf doch nicht die Tragweite beigelegt werden, als wäre hiemit die
individuelle Selbständigkeit und Verantwortung gänzlich aufgehoben“ (6). Bestimmte
Menschen haben den „Hexenwahn“ „ausgebildet und genährt, verbreitet und angewendet“,
und zur Zeit der Hexenprozesse „spielte er auf dem Boden der christlichen Glaubenslehre.
Für die Fragen, ob und wie weit Teufel durch Menschen oder Menschen durch Teufel
wirken können, war entscheidend, wie sich die kirchliche Autorität dazu stellte“ (7).
Verdammte sie denselben, so konnte er keine allzu grosse Gefahr werden; die Kirche
jedoch that das Gegenteil, sie that es trotz der in den letzten Augenblicken der armen
Opfer wiederholten Beteuerungen ihrer Unschuld in der Beichte; sie that es sogar an
harmlosen Kindern, und so kam es, „dass sämtliche Klassiker des Hexenwahns“ mit Aus¬
nahme dreier dem geistlichen Stande angehören“ (51). Von dem altheidnischen Hexen¬
wahne ausgehend, verfolgt der Verfasser seine ganze geschichtliche Entwickelung, die
ersten Äusserungen über denselben in der Gesetzgebung und der Volksjustiz, den ersten
„und einzigen sicher beglaubigten Fall von Hexenverfolgung aus unserem engeren Vater¬
lande“ in der Freisinger Volksjustiz von 1090. Die ältere Kirche bekämpft ausdrücklich
„die Realität der Hexerei“ noch im fünfzehnten Jahrhunderte. Freilich schon im 13. Jahr¬
hunderte — nach Leibnitz dem dümmsten der Weltgeschichte — „trat die unheilvolle
Wendung ein, auf welcher die grossen Hexenprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts
beruhen“ (36). Papst Gregor IX. hatte die Dominikaner mit dem Amte der Inquisitoren
betraut, und sie und ihre Gesinnungsgenossen verfolgten fortan die Ketzer mit dem Vor¬
wurf der Zauberei als der „wirksamsten Waffe“. Dazu kommt ein verhängnisvolles Wort
des Thomas von Aquino, das nun Grundlage des Glaubens an Wetterbeschwöruugen und
Teufelsbuhlschaft wurde. Den kirchlichen Charakter des Hexenwahnes zeigt vor allem
seine Internationalität. An die „schlechtesten Instinkte der Masse, an Neid und Hass,
Aberglauben und Dummheit“ appellierten von der Kanzel herab die Inquisitoren. Fortan
galt „die theoretische Erörterung über Ketzer und Hexen, wie deren Aufspürung und
Verfolgung“ als die eigenste Domäne der Dominikaner, und Papst Innozenz VIII verweist
alle Kleriker und Laien, die an den Hexenwahn nicht glauben wollen strenge mit dem
Vorwurfe, sie „wollten mehr wissen, als ihnen zustehe“ (53). So war die kirchliche Lehre
allmählich festgestellt und blieb massgebend für die folgenden Jahrhunderte.
Denkwürdig für die Entwickelung des Wahnwitzes wurde das Jahr 1456, in
welchem der Leibarzt Albreclits III Dr. Johann Hartlieb in München (s. Allg. D. Biogr.
X, 670) sein „Buch aller verbotenen Kunst, Unglaubens ( - Aberglaubens) und der Zauberei“
verfasste. Laut ruft er nach Bestrafung der Zauberer; er glaubt an Hagel- und Schauer¬
machen, eine Kunst, die besonders „alte Weiber, die an Gott verzagt sind“, treiben (69).
Und er musste es wissen, wollte er ja doch selbst von einer Frau, die zu Heidelberg
verbrannt wurde, „Schauer und Hagel machen“ erlernen!
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Anzeigen und Besprechungen.
Entsetzlichen Unsinn weiss ferner der Hofkaplan Friedrichs des Siegreichen von
der Pfalz Matthias von Kemnat von Hexen und ihren Gepflogenheiten zu berichten. Und
alles hatten die im Jahre 1475 auf der Zent zu Tilsberg (Oberpfalz) verbrannten Frauen
selbst gestanden!! Schildert diese Mitteilung nicht beredter als alles die Qualen, die der
Exekution vorausgegangen sein mussten! Die Weiber gestanden, ihre eigenen Kinder
gebraten und verzehrt zu haben! Rühmte sich doch ein Hexenrichter, er wollte mit seiner
Folter den Papst selber zum Hexenmeister stempeln! (150) Die päpstliche Bulle von
1484 (Summis desiderantes) war es, worauf von nun an alle Anhänger der Hexenprozesse
sich wie auf ein von Rom bestätigtes und gebotenes Unternehmen beriefen. Bald wütet
auch ein von daher gesandter Inquisitor Heinrich Institoris in Bayern, 1497 im Kloster
Rohr, der mit Sprenger schon bis 1488 achtundvierzig Weiber hatte verbrennen lassen.
Um die Jahre 1487 und 1488 aber vollzog sich die Kodifizierung der Hexeuverfolgung
durch den Hexenhammer, den Malleus maleficarum, den Riezler mit so vollem Rechte
,,das verruchteste und zugleich läppischste, das verrückteste und dennoch unheilvollste
Buch der Weltliteratur“ (102) nennt, und für den nur Görres Worte der Verteidigung
fand (111). Nun konnte Fall für Fall nach diesem Hexenhammer ,,wissenschaftlich“ erörtert,
dogmatisch und juristisch gewürdigt und gebührend bestraft werden. „Das amtliche
Suchen nach Hexen hat erst von da an begonnen“ (131). Frägt man nun, ob die
Reformation auf dieses wüste Treiben keinen hemmenden Einfluss ausübte, so wird uns
leider (127) die Antwort: „Es gehört zu den traurigsten Zügen in der deutschen Entwicke¬
lung, dass der Protestantismus dieses Erbstück der römischen Kirche ohne Bedenken in
vollem Umfange übernahm, dass er seine Opposition gegen römische Missbräuche nicht
auf diesen schreiendsten aller Missbräuche ausdehnte, und dass die christlichen Konfessionen,
die sich sonst auf Leben und Tod bekämpften, auf diesem Gebiete der Dogmatik in schauer¬
licher Eintracht vereint, in den Hexenprozesseu wetteiferten“. Mit feinem Verständnisse
für die Entwickelung der ganzen religiösen Bewegung findet Riezler den Grund dieser
Erscheinung in dem günstigen Zeitpunkte der Erscheinung der päpstlichen Bulle. „Wäre
sie um drei, vier Jahrzehnte später ausgegangen, hätte Luther dem Hexenwahn schon
wegen des päpstlichen Ursprungs der Entscheidung vielleicht einiges Misstrauen entgegen¬
gebracht. So schleppte er die Fesseln seines Denkens seit frühester Jugend mit sich“ 1 ).
Und doch glaubte der Dominikaner P. Coneinna, Luther keinen grösseren Vorwurf machen
zu können, als dass er nicht einmal an Hexen geglaubt habe (53)! — Während der
lateinische Hexenhammer zunächst zwar nur Theologen und Juristen beschäftigte, ging
doch manches auch, von der neuen Technik der Holzschnitte und Kupferstiche unterstüzt,
auf die breiteren Schichten des Volkes über. Der Verfasser verfolgt eingehend alle die
Auswüchse der „künstlerischen“ Phantasie. Bald haben sich auch die Juristen des Hexen¬
unwesens in gesetzgeberischer Weise bemächtigt — in Bayern der pfalz-neubrugische
Landvogt Ulrich Tengler zu Höclistädt afD. mit seinem „Layenspiegel“ (1509), der herzog¬
liche Rat Andreas Perneder (j* 1543) zu München mit seiner Halsgerichtsordnung u. a.,
und so folgt denn von 1589 bis 1631 „die Epidemie der Hexenprozesse in Bayern“,
hervorgerufen durch einen „Richterstand, der im Zusammenhänge mit der Rezeption eines
fremden Rechtes das natürliche Rechtsgefühl verloren hatte und stumpfsinnig die Ver¬
nichtung des Rechtes durch die Legalität vollzog“ (152). „Das epidemische Wüten der
Hexenprozesse fällt in Bayern in die Regierungen der zwei frömmsten Fürsten, die je
über das Land geherrscht haben: Wilhelms V und Maximilians I“ (165). Und warum
suchte man gerade Weiber als Opfer dieses fluchwürdigen Wahnes heraus? Riezler gibt
die einzig richtige Erklärung hiefiir (185). „Sie liegt in der aus Geringschätzung und
Furcht gemischten asketisch-scholastischen Auffassung des Weibes in der mittelalterlichen
Kirche. Vor allem dem im Zölibat lebenden Kleriker erschien die Verführung in der
Gestalt des Weibes. Die Verführung war aber zugleich der Teufel“ (Vgl. auch S. 237).
Weniger die hirnrissige Spielerei des Malleus, der femina aus fe et minus erklärt (p. I.
q. 6), „quia semper minorem habet et servat fidem“, spielt hier herein, als die ganze
Anschauung, die man vom Weibe als verbotener aber doch so süsser Frucht hatte, die
lüsterne Frivolität und dabei die Scheu, mit der diese Dunkelwichte auf die Frau blickten
und blicken, für deren ethisch-moralische Aufgabe und hohe Stellung ihnen das leiseste
Verständnis abhanden gekommen war, abhanden kommen musste, da sie dieselbe nur von
seiten des Lasters kennen konnten. Zu den einschlägigen Belegen Riezlers darf ich auf
diese „Forschungen“ (Band II, 109 ff.) verweisen, wo sich der Hofratssekretär Maximilians I.
Aegidius Albertinus eingehend über die Frau, — ein „unvollkommener Mensch“ und ein
„fürnemmes Instrument des Teufels“ — vernehmen lässt, wo dieser selbe Vielschreiber
die Ehe sogar als eine — wenigstens lässliche Sünde bezeichnet. Und so treffen wir eine
Reihe sonst in der bayerischen Geschichte ganz ehrenvoller Namen, wie Jeremias Drexel
(t 1638) u. a. als Förderer des Hexenweseus und den siebenzehnjährigen Kronprinzen
’) Anders schon Hans Sachs (121) und der protestantische Rat von Nürnberg
im Jahre 1531.
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Anzeigen und Besprechungen.
7
Maximilian als eifrigen Zuschauer — bei Hexenfolterungen!! So zog man den „ärgsten
Hexenverfolger unter den bayerischen Fürsten 44 heran! (196)
Erschöpfend bespricht Riezler alle Hexenprozesse, die im Lande Bayern geführt
wurden. Lukrezens Worte: Tantum religio potuit suadere malorum!, die einst heidnischen
Völkern galten, erfüllten sich auf solche Weise an den christlichen. Zwar teilten nicht alle
Menschen den Glauben an Hexen, wohl lassen sich vereinzelte Stimmen (231 ff.) gegen
den wüsten Unfug vernehmen; allein 1000 bis 2000 Hinrichtungen haben nach Riezlers
Schätzung vom 16. Jahrhunderte bis 1756 im Fürstentum Bayern ohne die bayerischen
Bistümer immerhin stattgefunden. „In den Bistümern Freising, Augsburg, Eichstätt
zusammen scheinen, trotz weit geringeren Gebietsumfanges, die Opfer nicht viel geringer
gewesen zu sein. Über die Bistümer Passau und Regensburg herrscht noch vollständige
Unklarheit“ (242). Man atmet auf, wenn man die Bemühungen hervorragender Männer,
den Hexenwahn zu zerstören, liest; denn nur langsam schwindet er. Bedroht doch der
Codex iuris bavarici criminalis Kreittmayrs vom Jahre 1751 noch immer Hexerei und
Zauberei, Bündnis oder fleischliche Vermischung mit dem Teufel u. s. w. mit lebendiger
Verbrennung. Als nötigste Beigabe blieb natürlich die Tortur. Auch ein Mann wie
Kreittmayr musste „der Anschauung des noch immer übermächtigen Klerus dieses Zu¬
geständnis machen“! (275). Aus den Reihen der Münchener Akademie und aus dem Munde
eines Geistlichen, des Theatiners P. Don Ferdinand Sterzinger'), kam am 13. Oktober 1766
die feuerigste Verdammung des Hexenglaubens. Die Vernunft obsiegte trotz der Angriffe
des Augustiners P. Agnellus Merz und des Benediktiners P. Angelus März u. v. a. An
den Gelüsten, Mitmenschen der Hexerei zu verklagen, zu überführen und zu verbrennen,
hat es freilich auch später unter Karl Theodor nicht gefehlt. Aber die Aufklärung hatte
sich zu mächtig Bahn gebrochen, dank den gebildetsten und opferfähigsten Geistern der
damaligen Zeit, dank den Gesellschaften, die nach Volksbildung strebten, dank der Akademie,
deren Aufgabe nach den Worten ihres Sekretärs 1 Denkschriften 1811, 1812) zunächst war: „Ver¬
breitung von Einsichten in die Gesetze der Natur, Zerstörung des Aberglaubens“ anzustreben.
Es fällt dem Berichterstatter thatsächlich schwer, sich von Riezlers hoch¬
interessantem Buche zu trennen, da man seine Gesamtergebnisse gerne in die weitesten
Kreise verbreiten möchte. Es füllt dieses Werk nicht nur eine Lücke in der Kultur¬
geschichte unseres Stammes aufs trefflichste aus; es liefert nicht bloss reiches Quellen¬
material, wie es von dem erprobten Scliilderer der heimatlichen Geschichte erwartel
werden konnte; es erschöpft nicht nur das gegebene Thema vollständig — es enthält
vielmehr auch eine reiche Zahl von überaus schätzenswerten Mitteilungen zur Literatur (z. B.
Hamlet 104. Faustsage 105. 160), zur Ortsgeschichte (Abensberg 99, Werdenfels 175, Rain,
Kötzting, Kelheim 197. 198, Tettenwang 199. Wem ding 219. Eichstätt 221 und so allent¬
halben), zu Forschungen über Mythologie (9), Sprache (15), Volkssagen (156) und Volks-
gebräuchen (109) Bayerns. Man möchte es trotz seiner gelehrten Grundlage ein Volksbuch
im edelsten Sinne des Wortes nennen, dessen Verbreitung in weite Schichten nur die besten
Früchte tragen könnte. Das rühmliche Bestreben, ein Lehrer seines Volkes zu sein,
verrät die Wahl des Gegenstandes nicht minder als der warme Ton des Aufklärers, der
das ganze Werk durchglüht. Es ist in der That mehr als eine Schilderung von Irrtümem
vergangener Zeiten; es ragt auch in die Gegenwart herein. „Eine Welt scheint uns be¬
reits von diesen Greueln zu trennen“, sagt Riezler in der Einleitung (1); es „scheint“
wohl nur; denn die Kirche lehrt „noch heute stets die Möglichkeit der Zauberei“ (9);
„die Möglichkeit der als Hexerei zusammengefassten Vorkommnisse kann nicht geleugnet
werden* 4 , lesen wnr (S. 56) noch heute in Wetzer und Weltes Kirchenlexikon; noch Papst
Pius IX. hat „ein Edikt erlassen, welches jeden, der Zauberei getrieben und mit dem
Satan sich eingelassen habe, der von ihm wiederaufgerichteten Inquisition anzuzeigen
befahl“ (ebenda), und „in dem bayerischen Städtchen Wemding hat noch 1892 ein Kapu¬
ziner aus einem Knaben Teufel ausgetrieben“. (219). Was liegt näher als bei der Lektüre
des Riezlerschen Buches den Juristen den schweren Vorwurf zu machen, dass sie den
Wahnwitz durch gesetzgeberische Kraft heiligten, und den Theologen gegenüber an ihrer
kirchlichen Milde, ihrem guten Willen und ganz besonders an ihrer Erleuchtung, an ihrer
so kühn für sich beanspruchten Unfehlbarkeit berechtigte Zweifel zu erheben? Und doch
steht etwas noch näher — die Frage nämlich 11m die Haltung des Volkes, dessen gesundes
Urteil man so oft rühmen hört. Wo w r ar das Volk, als Theologen und Juristen seine
Angehörigen fesselten, marterten, folterten, zum Tode führten? Auch diese Frage finden
wir bei Riezler (231) beantwortet: „Die immer zahlreicher werdenden Prozesse wirkten in
der gleichen Richtung wde die Hexenpredigten, die päpstliche Bulle, der Hexenhammer
und die ganze Hexenliteratur. Jede Verfolgung musste den Wahn weiter verbreiten und
verstärken, da sie das Volk vor die Wahl stellte, an aller göttlichen und menschlichen
Autorität, ja an der sittlichen Weltordnung irre zu werden oder dem Glauben zu huldigen,
*) Die Wiederkehr seines Sterbetages (18. März 1786) nach hundert Jahren hat einen
Artikel von J. Martin „Hexenglaube und Hexenprozesse in Bayern“ veranlasst (Sammler
1886. n. 33—37), in dem eine Reihe von Fällen gestreift wird.
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Anzeigen und Besprechungen.
auf dem die Verfolgung beruhte. Die Menge aber strömt immer nach, wohin der Strom
sie reisst“. Das „gesunde Urteil“ des Volkes gesund zu erhalten, ist darum die Aufgabe
des Volksfreundes, der damit allein die Wiederkehr von Greueln, wie sie Riezler so er¬
greifend schildert, und zu denen es weniger an Lust als an Macht gebricht, unmöglich
machen kann. Die wahre sittliche Befreiung des Volkes durch Aufklärung und Bildung
wird den Hexenhammer und die Halsgerichtsordnung überwinden und ihre Rückkehr
ferne halten. Ist die Aufklärung Gemeingut geworden, dann werden Goethes Worte
zur segnenden Tliat; dann „stünde die Macht auf gegen die Macht, und wir erfreuten
uns alle des Friedens“.
München. Reinhardstoettner.
Aktenstücke zur Geschichte des Pfalzgrafen Wolfgaug Wilhelm von
Neuburg. Zugleich ein Beitrag zur pfalz-neuburgisclieu Unionspolitik und
zur Geschichte des Erstgeburtsrechts in den deutschen Fürstenhäusern. Mit
einem Bildnis des Pfalzgrafen. Von J. Brei teil b ach. München in Kom¬
mission bei A. Buchholz 1896. (S.S. XCVIII., 56).
Die Publikation Breitenbachs umfasst dreiunddreissig Aktenstücke, unter denen
sich vierzehn fast durchweg im Auszug mitgeteilte Ratsprotokolle befinden. Der Ver¬
fasser hätte darum wohl besser gethan, seinen Fund einer Zeitschrift anzuvertrauen, als
ihn als selbständiges Buch erscheinen zu lassen. Indessen sind die Urkunden gewiss von
Wert und verbreiten zumteil neues Licht über das Erstgeburtsrecht in den deutschen
Fürstenhäusern, zumal in der pfalz-neuburgischen Linie, welche damals in den Vorder¬
grund der Politik trat Es war ein Bruderzwist im kleinen, der sich hier abspielte.
Wolfgang Wilhelm, der erstgeborene, trat zu dem Vater und den beiden jüngeren Brüdern
in scharfen Gegensatz. Es kam zu kräftigem Austausch der Meinungen über „Primo¬
genitur“, wobei der Sohn den Vater entschieden trumpfte. Die interessante Wahrnehmung,
dass das Erstgeburtsrecht auf katholischer Weltanschauung besser begründet erschien
und dies Motiv bei der Konfession W. W.s mitgespielt habe, verdient entschiedene Erwägung.
In der Tliat finden wir ähnliche Gedanken noch im 18. Jahrhundert wiederkehren. Auf
die Konfession Wolfgang Wilhelms kommt B. in der Einleitung nur im Vorübergehen
zu sprechen: sie liegt ausserhalb des zeitlichen Rahmens der mitgeteilten Korrespondenz.
Die Einleitung steht zu der Publikation in keinem rechten Verhältnis. Aber sie ist fleissig
gearbeitet und zeigt die grosse Literaturkenntnis des Verfassers. Auch bringt sie manche
archivalische Notiz. Nur ist sie zu weit geraten und mit vielfach überflüssigen Ab¬
schweifungen überladen. Auch sein Stil treibt seltsame Blüten: Die vom Zauberhauch
der Geschichte und Poesie und (im Sinne W. W.s) einer Anzahl üppig blühender Jesuiten¬
kollegien durchwehten rebenumkränzten Ufer des Rheins“ — das ist selbst von den Jesuiten
zu viel verlangt. Im übrigen hat das Buch nach allem als Vorarbeit zu einer Biographie
des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zu gelten, und diese wäre in der That eine dankens¬
werte Aufgabe für den fleissigen Verfasser. -nt.
Die sogenannten Memoiren de Grandchanips’ und ihre Fortsetzungen
und die sogenannten Memoiren des Marquis de Sassenage von Dr. Sigmund
Hell mann. (Historische Abhandlungen. 8. Heft hrsg. von Dr. Th. Heigel
u. Dr. H. Grauert, Dr. H. Lüneburgs Derlag München 1897. 160 S.)
Als mit dem Tode Ludwig des Frommen die Weltmonarchie Karls des Grossen
auseinanderfiel und aus den Trümmern derselben neue Staatsgebilde entstanden, aus
denen das eine, welches unter dem Namen des ostfränkischen Reiches die Mehrzahl der
deutschen Landesgebiete umfasste, dazu bestimmt war, eine Reihe von Jahrhunderten eine
führende Rolle in Europa zu spielen, da schien von vornelierein keiner der deutschen
Stämme mehr geeignet, für die Dauer die Geschicke unseres Vaterlandes zu leiten, als der
Stamm der Bajuwaren. Wenn wir jedoch heute die Karte von Süddeutschland betrachten,
so werden wir gewahr, dass nur ein kleiner Teil unseres engeren Heimatlandes ursprüng¬
lich bayerisches Gebiet umfasst. Die Hauptmasse der ehemals bayerischen Länder befindet
sich vielmehr seit langer Zeit im Besitze von Österreich, und während Preussen aus ur¬
sprünglich mehr als kleinen Anfängen sich zu seiner heutigen Machtstellung emporge¬
schwungen hat, sind die ehemals mächtigsten deutschen Stämme der Bayern und Sachsen
zu verhältnismässig unbedeutenden Staatsgebilden herabgesunken. Es wäre jedoch ein
verhängnisvoller Irrtum, wollte man glauben, dass unsere Vorfahren nie den Ehrgeiz
gehabt hätten, ihrem Lande die ihm gebührende Stellung im Reiche und in Europa zu
verschaffen, aber der unerbittliche Gang der historischen Ereignisse machte alle Bestrebungen
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Anzeigen und Besprechungen.
9
der bayerischen Fürsten und ihres Volkes zu nichte, des öfteren in dem Momente als das
heiss ersehnte Ziel bereits erreicht schien.
Nach unserer Ansicht sind es vor allem drei Perioden, in denen sich die erwähnten
Bestrebungen kennzeichnen lassen. Die erste beginnt mit dem Untergang der ostfränkischen
Karolinger. Die Ohnmacht der Krone unter der Regierung Ludwigs des Kindes war nur
dazu angethan, die partikularistischen Bestrebungen im Reiche zu fördern. Wie allewärts
erwählten sich auch die Bayern einen Stammesherzog in der Person Arnulfs. Aber zu
kurzsichtig in seiner Politik, suchte er die Macht seines Volkes ausserhalb des Verbandes
des Reiches zu begründen, und diesem Umstande ist es vielleicht nicht zum geringen
Teile zuzuschreiben, dass nach dem Tode Konrads I. die Königskrone an den Sachsen¬
stamm fiel. Mit dem Emporkommen der Ottonen wurde jedoch allen ehrgeizigen Be¬
strebungen des bayerischen Volkes ein Ende gemacht. Räumlich erreichte zwar Bayern
gerade unter dem sächsichen Köuigshause seine grösste Macht. Die Grenzen unseres
Heimatlandes umfassten ausser den ursprünglich bayerischen Ländern das ganze Deutsch¬
österreich mit seinen Alpenländem, ja sogar bis an das adriatische Meer und bis nach
Oberitalien erstreckte sich die Machtsphäre des bayerischen Herzogs. Aber abgesehen
davon, dass dieser nur ein Beamter des deutschen Königs war, wurde noch unter Otto II.
das Herzogtum wieder verkleinert, und so beginnt hiemit die Zerstückelung Bayerns, die
leider Gottes eine Reihe von Jahrhunderten fortdauert.
Als die Wittelsbacher endlich die Herzogsgewalt in Bayern erlangten, da war es
nur noch ein Schatten seiner früheren Macht und Grösse. Auch das Bestreben des neuen
Fürstenhauses ging dahin, seinem Volke zu neuem Ansehen im Reiche zu verhelfen. Aber
zu sehr Individualisten, war es den oft glänzend beanlagten Fürsten aus dem Hause
Wittelsbach nicht gegeben, gleich den Hohenzollern, eine Politik zu verfolgen, die sich
vom Vater auf den Sohn vererbte, deren Kontinuität es allein ermöglichte, dass auch unter
der Regierung weniger beanlagter Herrscher die Macht der von ihnen regierten Länder
sich ständig hob.
Gerade der Mangel einer Kontinuität in der Politik unseres Fürstenhauses musste
dazu führen, dass auch ein zweites Mal das bayerische Volk und mit ihm die Wittels¬
bacher ihre Hoffnungen scheitern sahen, gerade in dem Augenblicke, als diese sich auf
das schönste zu verwirklichen schienen; es ist dies die Aera Ludwigs des Bayern und
seiner nächsten Nachfolger.
Abermals vergeht eine Reihe von Jahrhunderten, ehe Bayern wieder versucht in
den Vordergrund der deutschen Geschichte zu treten. Es ist die Zeit kurz vor Ausbruch
des dreissigjährigen Krieges. Maximilian, Bayerns grosser Kurfürst, hatte die Herrschaft
übernommen. Mit eiserner Energie und unglaublicher Zähigkeit arbeitete er an der Grösse
seines Hauses, nur glaubte er sich infolge seiner streng katholischen Gesinnung genötigt,
sein Heil bei Österreich zu suchen. Während die Hohenzollern durch ihren Übertritt
zum Protestantismus sich dem Reiche gegenüber freie Hand behielten, während sie im
Laufe der Zeit mit unerhörter Rücksichtslosigkeit gegen Österreich vorgehen konnten,
blieben Bayerns bedeutendstem Herrscher die Hände gebunden, da er als katholischer
Fürst dem Kaiser gegenüber nie die letzten Konsequenzen seines Handelns zu ziehen
wagte. Die zaghafte Politik Maximilians, Österreich gegenüber, ist in gewissem Sinne
für die spätere Machtstellung Bayerns verhängnisvoll geworden. Zu spät sahen die
Wittelsbacher ein, dass sie die Grösse ihres Hauses sowie die ihres Landes nicht im An¬
schlüsse an die Habsburger finden würden, die doch seit geraumer Zeit in schmachvoller
Selbstsucht das Reich vernachlässigt hatten. Im Bewusstsein ihrer Schwäche warfen sich
nun die bayerischen Herzoge in die Arme des übermächtigen Frankreichs. Eine unselige
Politik, die über unser Vaterland nur schweres Unglück brachte. Aber länger als je
dauerte dieses Mal das Ringen Bayerns um eine Vormachtstellung im Süden des Reiches,
wie sie sich im Norden Deutschlands bereits Brandenburg erkämpft hatte. Der Friede
von F'üssen bedeutete für Bayern nach einem Kampfe von mehr als 135 Jahren das Ende
aller grossbayerischen Bestrebungen. Die Rolle, die Bayern in der napoleonischen Zeit
spielt, kann nicht in diesem Sinne angesehen werden, sie ist mehr eine von Frankreich
aufgedrungene.
Unter der reichen Zahl von Quellen, die uns über die Begebenheiten jener Periode
unterrichten, nimmt die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts neu aufkommende Memoiren-
litteratur eine bedeutende Stellung ein. Der Wert dieser Quellengattung für die Geschichts¬
forschung ist vielfach überschätzt worden, und es ist deshalb mit Freuden zu begrüssen,
dass ein junger Gelehrter sich neuerdings an die Aufgabe gemacht hat, an einem Beispiele
praktisch nachzuweisen, welche Vorsicht der Historiker bei der Benutzung dieser Quellen
anzuwenden hat. „Die sogenannten Memoiren de Grandchamps’ und ihre Fortsetzungen
und die sog. Memoiren de Sassenages“, so betitelt sich die Scliriy, die wir einer ausführ¬
licheren Besprechung unterziehen wollen.
Das erste Kapitel befasst sich mit den sogenannten Memoiren de Grandchamps’,
der Guerre d’Italie, oder wie der volle Titel lautet ,,La guerre dTtalie, ou memoires du
Comte D***, contenant quantite de choses particulieres et secr&tes, qui se sont pass£es
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Anzeigen und Besprechungen.
dans les cours d’Allemagne, de France, d’Espagne, de Savoye et d’Italie.“ Der angebliche
Verfasser, ein Graf D., diente seinem Vaterlande Frankreich, trat später in die Dienste
Viktors Amadeus II. von Savoyen, kehrte kurz vor Ausbruch des dritten Raubkrieges nach
Frankreich zurück, entfloh jedoch wegen eines Duells mit seinem Obersten und wandte
sich abermals nach Turin, kehrte, nachdem der Herzog seinen Frieden mit Ludwig XIV.
gemacht, in seine Heimat zurück. Nach Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges wandte
er sich abermals nach Savoyen und wurde Adjutant des Herzogs.
Diesen Angaben stellt der Verfasser der Monographie das Urteil der verschiedenen
zeitgenössischen Schriftsteller zur Seite. . Die „Nouvelles de la republique des lettres“
warnen vor diesen Memoiren, andere bezeichnen die Guerre d’Italie direkt als ein Phantasie¬
produkt, desgleichen Bayle, der den Autor mit dem Verfasser der Biographie Turennes
identifizieren will. Des Marseaux seinerseits behauptet dagegen, der Verfasser sei der ihm
persönlich bekannte Hauptmann de Grandchamps im Regiment Lillemarais, der 1702 bei
der Erstürmung von Lüttich gefallen sei.
Auf die Frage, ob wir es mit wirklichen Memoiren oder mit einem historischen
Romane zu thun haben, glaubt sich der Verfasser dahin entscheiden zu müssen, dass
wir es in der That mit der letzteren Gattung zu thun haben. Denn obwohl wir keinerlei
Nachrichten über die persönlichen Verhältnisse des Autors der Guerre d’Italie haben, lässt
sich doch leicht nachweisen, dass sie den in den Memoiren geschilderten kaum entsprochen
haben dürften. Diesen Beweis erbringt denn auch Dr. H., indem er die in den Memoiren
enthaltenen historischen Thatsachen mit den wirklichen Ereignissen der Geschichte ver¬
gleicht. So kommt er zu dem Resultate, dass, wäre Graf D. wirklich der Adjutant des
Herzogs gewesen, und hätte er als solcher den Feldzug thatsächlich mitgemacht, er doch
wenigstens einige Detailnachrichten über den Gang des Krieges hätte bringen müssen
und nicht erst nötig gehabt hätte, bei der Abfassung der Guerre d’Italie gelegentlich der
Schlacht bei Chiari beinahe wortwörtlich eine andere Quelle (Pariser Relation der Schlacht
bei Chiari abgedr. in den Lettres historiques XX, 411 ff.) zu benutzen. Desgleichen ver¬
mag Dr. H. in einer Reihe von Fällen darzuthun, dass der Autor der Memoiren über die
politischen Vorgänge jener Jahre sehr schlecht unterrichtet ist. Zum teil sind seine An¬
gaben frei erfunden, zum teil sind sie allgemein bekannte Thatsachen. Direkt falsch sind
z. B. die Behauptungen des Comte D. über die Friedensverhandlungen i. J. 1691, die er
einfach bereits in das Jahr 1690 verlegt. Auch die Rolle, die er bei diesen Verhandlungen
gespielt haben will, ist vollständig erfunden. Ferner ist er auch schlecht unterrichtet über
die geheime Übereinkunft, die 1695 zwischen I'rankreich und Savoyen abgeschlossen
wurde. Völlig unbrauchbar sind ferner die Mitteilungen über Catinats diplomatische
Sendung an verschiedene italienische Höfe i. J. 1701.
Gerade da, wo der Autor am besten beweisen könnte, dass er wirklich mit dem
savoyischen Hofe in Beziehung gestanden, zeigt er durch seine auffallende Unkenntnis
der thatsächlichsten Verhältnisse, dass er demselben vollständig ferne gestanden. Zwar
tischt er eine Menge galanter Abenteuer auf, die er zum grossen Teil selbst bestanden
haben will, aber diese tragen so sehr den Stempel der Erfindung, dass sie unmöglich
ernst genommen werden können. Da wo es sich wirklich um historische Persönlichkeiten
handelt, zeigt sich der angebliche Comte D. so unzuverlässig, dass man schon hieraus
schliessen kann, dass er nur nach Hörensagen geschrieben und den Verhältnissen per¬
sönlich fern gestanden habe. Von der Gräfin Verrua, der Maitresse des Herzogs, weiss
er zwar eine Menge zweideutiger Anekdoten zu erzählen, dagegen kennt er nicht die
romantische Vorgeschichte ihres Verhältnisses zum Herzoge, desgleichen ist ihm ihre
spätere Wirksamkeit als französische Spionin vollständig unbekannt.
Unrichtig ist ferner die Erzählung über die Heirat des Markgrafen Karl von
Brandenburg mit der Witwe des Grafen Salmour, während ferner der Bericht über seine
eigene Gefangennahme und seine Flucht ins kaiserliche Lager in das Bereich der Er¬
findungen zu verweisen ist
Nach alle dem kommt Dr. H. zu dem Schluss, dass wir in den Comte D. keine
wirkliche Persönlichkeit sehen dürfen, dass vielmehr ein geschickter Schriftsteller die
Memoiren verfasst hat in der Absicht, kritiklose Leser mit spannenden abenteuerlichen
Erzählungen zu unterhalten, und um grösseren Glauben zu erwecken, „von Dingen wie
ein Augenzeuge spricht, obwohl er sein Zimmer nicht verlassen hat".
Die Annahme Bayles, dass Gatien de Courtilz, Sieur de Sandras, geh. 1644 zu
Paris, der Autor der Guerre d’Italie sei, weiss der Verfasser der Monographie geschickt zu
widerlegen. Schon der Umstand spricht gegen die Annahme Bayles, dass Gatien de
Courtilz in allen seinen Werken sich als Patrioten dokumentiert, während man von dem
Autor der Guerre d’Italie nicht das Gleiche sagen kann. Aber abgesehen hievon, führt
Dr. H. noch einen anderen Grund für die Unwahrscheinlichkeit dieser Ansicht ins Treffen.
Es ist dies die auffallende Verschiedenheit in der Ausdrucksweise sowie dem Stile, der
zwischen den Werken de Courtilz und den Memoiren besteht Auch die Annahme des
Marseaux’s, der Hauptmann de Grandchamps sei der Verfasser der Guerre d’Italie, wird
schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Regiment Lillemaires, bei dem de Grandchamps
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Anzeigen und Besprechungen.
I I
gestanden haben soll, nicht zu ermitteln ist, und dass auf keinen Fall ein so benanntes
Regiment bei dem Angriff auf die Zitadelle von Lüttich, wobei besagter Hauptmann ge¬
fallen sein soll, mitgewirkt hat Aus einer dritten Quelle, dem Januarheft der Nouvelles
de la republique des lettres vom J. 1707, (es handelt sich um eine Besprechung der bis
Ende 1706 reichenden dritten Ausgabe der Guerre d’Italie) geht nur hervor, dass der Ver¬
fasser der Guerre d’Italie einige Jahre vor dem Erscheinen dieses Heftes in Utrecht gestorben
sei, und kann man hieraus nur den Schluss ziehen, dass die späteren Erweiterungen der
Memoiren von einem anderen Verfasser herrühren müssen, und zwar schloss nach Dr. H.
der erste Verfasser im Winter 1701 auf 1702 sein Werk ab. Der weitere Abschnitt der
ersten und zweiten Ausgabe seines Werkes, das den Anfang des Feldzuges von 1702 be¬
handelt, rührt bereits von einem Fortsetzer her. Auch diese Behauptung w'ird in der
Monographie zu genüge durch eine sprachliche Vergleichung bewiesen.
In dem zweiten Kapitel will der Verfasser darthun, dass der Fortsetzer der Guerre
d’Italie mit dem Autor der Guerre d’Espagne, de Bavi£re et de Flandre identisch sei.
Als Grund für die innere Wahrscheinlichkeit seiner Ansicht, führt er vor allem die Frank¬
reich feindliche Tendenz an, die der Guerre d’Espagne sowie der Guerre d’Italie eigen ist.
Die Schuld an dem spanischen Erbfolgekrieg wird lediglich der Ländergier und treulosen
Politik Ludwigs XIV. zugeschrieben, als dessen geheimer Verbündeter Schweden erscheint.
In beiden Werken werden dem Prinzen Eugen besonders glänzende militärische Eigen¬
schaften zuerkannt, während für alles Unglück der kaiserlichen Waffen in Italien lediglich
die Unterbefehlshaber verantwortlich gemacht werden. In der Guerre d’Espagne wie in
der Guerre d’Italie wird der Entsatz von Turin als eine der glänzendsten Waffentliaten
des Prinzen Eugen gepriesen.
Das Hauptgewicht zur Bekräftigung seiner Ansicht legt der Verfasser auf eine
sprachliche Vergleichung der beiden Werke. Dieser Teil der Schrift, der 28 Seiten um¬
fasst (27—55 exkl.), ist mit hervorragendem Fleiss und grosser Beobachtungsgabe gemacht.
Die Resultate dieser wirklich entsagungsreichen Arbeit sind aber auch so überzeugend,
dass sich dieser Aufwand von Mühe und Zeit wohl lohnte.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Persönlichkeit des Verfassers. Da
auch die Guerre d’Italie in ihrer Fortsetzung an der Fiktion des Grafen D. festhält, so ist
zu untersuchen, ob der Marquis D. wirklich der Autor der Guerre d’Espagne ist, oder ob
auch dieses Werk als Phantasieprodukt anzusehen ist.
Die erstere Ansicht ist bisher die vorherrschende gewesen, und zwar ist mau ge-
neigtnachdem Vorgänge von J.J. Schmauss (Antonio Paullini) in seinem „Curieusen Biiclier-
cabinet“ Curieuses Biichercabiuet II. Eingang XXIII p. 21. (erschienen 1712) den Marquis
de Sassenage, Schwiegersohn des Marschalls Tallard, als Verfasser der Memoiren anzusehen.
Gabriel Alphonse Marquis de Sassenage stammte aus einer alten noch jetzt
blühenden Familie der Dauphin^, heiratete am 18. und 19. Mai 1704 Katharina Fernande
d’Hostum, Tochter des Marschalls Tallard, folgte seinem Schwiegervater als Adjutant nach
Bayern, geriet bei Höchstädt in Gefangenschaft und starb dort 1706.
Aus dem Umstande nun, dass auch die Memoiren berichten, der Marquis D. sei
Adjutant des Marschalls Tallard gewesen und bei Höchstädt gefangen genommen worden,
und dass auch thatsächlicli der Adjutant des Marschalls, der Marquis de Sassenage, sich
unter der Zahl der gefangenen französischen Offiziere befand, scliliesst Schmauss, dass
besagter Marquis und der Verfasser der Guerre d’Espagne ein und dieselbe Person seien.
Die Folge dieser Ansicht ist, dass er in der Meinung, eine Quelle ersten Ranges vor sich
zu haben, die Guerre d’Espagne in völlig kritikloser Weise benutzt. Die franzosenfeind¬
liche Stimmung des Autors sucht er damit zu erklären, dass der Marquis D. i. e. Marquis
de Sassenage, wie er erzählt, nach der Schlacht bei Höchstädt beim französischen Hofe
in Ungnade gefallen sei. Die Ursache hiefitr ist nach dem Berichte der Memoiren folgende.
Der Marschall Marsin habe dem Marquis D. den Befehl gegeben, einer grösseren bei
Blindheim stationierten Truppenabteilung die Ordre zum schleunigen Rückzuge zu geben.
Der Marquis geriet jedoch in die Gefangenschaft der Engländer, und obwohl ein zweiter
Adjutant des Marschalls glücklicher war, konnte doch die Gefangennehmung jener Heeres¬
abteilung nicht mehr verhindert werden.
Wie nun der Verfasser der Monographie nachweist, hat Marsin von der gefähr¬
lichen Lage, sowie dem Schicksale jener Truppen erst nach der Schlacht Kenntnis be¬
kommen. Dagegen hat der Marschall Tallard einen Adjutanten nach Blindheim entsandt,
aber nicht den Marquis de Sassenage, sondern den Herrn von Maisonel.
Einen weiteren Beweis gegen die Autorschaft de Sassenages bringt Dr. H. in
Folgendem. Der Marquis I). berichtet, er sei nach seinem Paten, dem Herzog von Luxem¬
burg, Franz Heinrich benannt worden. Nun aber heisst de Sassenage in Wirklichkeit
Gabriel Alphonse. Auch findet sich in der Guerre d’Espagne keine Andeutung von einer
Verwandtschaft zwischen dem Autor und Tallard. Mit Recht sagt Dr. H., dass der Ein¬
wand, der Marquis habe seinen Vornamen verändert und seine Familienverhältnisse ver¬
schweigen wollen, nicht stichhaltig sei, da man den bei Höchstädt gefangenen Adjutanten
des Marschalls Tallard am französischen Hofe sofort als den Autor erkennen musste.
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Anzeigen und Besprechungen.
Wenn ferner noch Christian (?) Nikolaus Neuuiann in einer 173° zu Leipzig er¬
schienenen Biographie des Kurfürsten Max Etnanuel von einer Sendung des Marquis de
S. an den kurfürstlichen Hof spricht, eine Angabe, die sich mit dem Berichte des Autors
der Guerre d’Espagne deckt und den Anschein erweckt, als ob noch eine Quelle existiere,
die deutlich den Marquis de S. mit Namen nennt, so weiss der Verfasser der Monographie
auch diesen Einwand zu beseitigen, indem er darauf hinweist, dass Neumaun sich höchst
wahrscheinlich des Curieusen Biichercabinets von Schmauss als Quelle bedient habe.
Noch eine Reihe von Gründen führt Dr. H. an, die dafür sprechen, dass auch
die Guerre d ? Espagne wie die Guerre d’Italie nur ein Erzeugnis der Phantasie des Autors
sei. Verdachterweckend ist schon der Umstand, dass der Verfasser der Guerre d’Espagne
die Guerre d’Italie fortgesetzt hat. In beiden Werken findet sich die gleiche Tendenz,
die gleiche Neigung zum Abenteuerlichen, Sensationellen, Obszönen, während beide sich
gegenseitig ergänzen. Dazu kommt noch , dass der Autor seinen Helden die Erlebnisse
aller möglichen Personen unterschiebt. Uugenauigkeiten sind an der Tagesordnung, seine
Dokumente nimmt er teilweise aus Zeitungen, teils sind dieselben gefälscht, teils wort¬
wörtlich aus den Lettres liistoriques entnommen.
Gegen die Existenz des Marquis in der Guerre d’Espagne spricht vor allem der
Umstand, dass wohl kaum ein junger Mann, der eben erst in die Armee eingetreten und
in der Diplomatie noch nicht thätig war, trotzdem zu wichtigen diplomatischen Sendungen
benutzt wird. Teilweise haben sogar die Verhandlungen, von denen der Autor spricht,
und bei denen er selbst teilgenommen haben will, gar nicht stattgefunden. Geschickter
ersonnen ist indessen der Bericht über Verhandlungen, welche der Marquis 1693 und 1695
mit Max Emanuel geführt haben soll. Wenngleich Ludwig XIV. mit dem Kurfürsten
durch die Diplomaten de la Hace und Rebenac unterhandelte, so könnte man doch an¬
nehmen, dass der König ausnahmsweise durch einen Spezialgesandten mit Max Emanuel
verkehrte, dann ist es aber doch bedenklich, dass der Marquis 1695 seine Instruktionen
durch Cham Ulart erhalten haben will, der zu jener Zeit weder Kriegsminister noch General-
kontroleur, sondern Intendant von Rouen war.
Wenn es auch klar ist, dass die Guerre d’Espagne ein Phantasiewerk ist, so frägt
es sich nun, wem die Fälschung zuzuschreiben ist. Über die Person des Autors vermag
der Verfasser der Monographie uns keine Auskunft zu geben. Man hat auch den bereits
genannten Sandras de Courtilz für den Autor der Memoiren gehalten. Aber abgesehen
davon, dass der Genannte zur Zeit des Erscheinens derselben in der Bastille sass, kann
auch aus sprachlichen und stilistischen Gründen diese Angabe nicht festgehalten werden.
Durch eine sprachliche Vergleichung der Biographie Turennes mit der Guerre d’Espagne
wird dies zur genüge nachgewiesen. Nach Hellmanns Ansicht dürfte der Verfasser am
ehesten in Holland zu suchen sein.
Das vierte Kapitel der Monographie giebt uns Aufschluss über die Art der Ab¬
fassung, die Quellen, sowie die Ausgaben der Memoiren. Der Verfasser will den Beweis
bringen, dass es die Absicht des Autors der letzteren war, zwei zusammenhängende sich
ergänzende Werke zu liefern.
Wie bringt Dr. H. diesen Beweis? Durch eine Vergleichung der Guerre d’Italie
und der Guerre d’Espagne stellt er fest, dass beide sich ziemlich streng an ihre Aufgabe
halten, dass z. B. die Memoiren des italienischen Krieges der spanischen Verhältnisse nur
da Erwähnung thun, wo die letzteren in irgend einer Weise mit den italienischen Ange¬
legenheiten verflochten sind, umgekehrt ist es mit der Guerre d’Espagne der Fall. Dass
die letztere überdies noch einen ausführlichen Bericht über die diplomatische Thätigkeit
des Marquis I). an den italienischen Höfen in den Jahren 1687—1689 giebt, spricht durch¬
aus nicht gegen die Zusammengehörigkeit der beiden Memoirenwerke, sondern ist eher ein
Beweis des Gegenteils. I11 der Guerre d’Italie finden sich nämlich diese Verhandlungen
nicht erwähnt, denn diese giebt zuerst einen kurzen Lebenslauf des Comte D., wobei sich
für die italienischen Verhandlungen kein Platz mehr findet.
Erst im Jahre 1708 tritt in der Anordnung der beiden Werke eine Änderung ein.
Der Autor sah sich ausser stände, die Guerre d’Espagne fortzusetzen, und in der Meinung,
dass sich die Guerre d’Italie einer grösseren Beliebtheit erfreue, als die erstere, bestrebte
er sich, die Memoiren des italienischen Krieges möglichst vollständig und unabhängig
von der Guerre d’Espagne zu gestalten, welche erstere er im Jahre 1710 mit bedeutenden
Zusätzen wieder herausgab. Dieser Absicht des Autors entspricht es denn auch, dass, als
Prinz Eugen 1708 nach Deutschland kam und bald darauf nach den Niederlanden ab¬
rückte, der Comte D. als sein Adjutant ihm nachfolgte, während der Marquis D., der sich
in der Umgebung Max Emanuels befand, nach einem letzten fruchtlosen Vorstosse des
letzteren an den Oberrhein, sich nun ausserhalb des Zusammenhanges mit den militärischen
Angelegenheiten befand. Ausser anderen gedruckten Quellen hat der Autor beider Memoiren¬
werke vor allem die „Lettres historiques contenant ce qui se passe de plus important en
Europe et les reflexions necessaires sur ce sujet“ benutzt. Verfasser dieser Briefe ist der
Refugie Jacques Bernard, dem dabei Basnage und Dumont zur Seite standen. Diese
,,Lettres“ erschienen seit Januar 1692 bei dem Verleger Adrian Mautjens im Haag. Von
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Anzeigen und Besprechungen.
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den sonstigen Angaben, die der Autor der Memoiren macht, röhren nur wenige ausser
den Anekdoten von ihm selber her. Inwieweit er übrigens die Lettres historiques benutzt
hat, davon unterrichtet uns eine interessante Vergleichung einer Reihe von Stellen aus
den Memoiren und der eben erwähnten Quelle.
Es folgen nun zum Schluss einige Mitteilungen über die Ausgaben. Wir ent¬
nehmen daraus, dass die Guerre d’Italie 1702 in einem Duodezband erschien, 1703 unver¬
ändert neu aufgelegt wurde. Ende 1706 erschien die Fortsetzung der Memoiren des
italienischen Krieges und gleichzeitig auch die Guerre d’Espagne. Im Jahre 1707 kam
eine neue Ausgabe der letzteren in 2 Bänden, bis zum Ende des Feldzuges von 1707
reichend, heraus, 1710 erfolgte endlich eine bis Ende 1709 gehende Fortsetzung der Guerre
d’Italie, während zu gleicher Zeit die Memoiren des spanischen Krieges in unveränderter
Gestalt abgedruckt wurden.
In dem 5. Kapitel, das eine Kritik der Memoiren enthält, kommt der Verfasser
zur Ansicht, dass dieselben als historische Quellen im eigentlichen Sinne nicht zu ge¬
brauchen sind, ein Schluss, welchem alle, die der Beweisführung der früheren Kapitel ge¬
folgt sind, voll und ganz beistimmen werden. Aber interessant sind die Fortsetzungen
der Guerre d’Italie und die Guerre d’Espagne doch als erste Versuche, die Geschichte des
spanischen Erbfolgekrieges in antifranzösischer Weise darzustellen und zwar in Memoiren¬
form als historische Tendenzromane.
Das zeigt sich auch in der ganzen Art und Weise, wie die einzelnen Personen
von dem Autor charakterisiert sind. Dr. H. nimmt sich die Mühe, das Urteil des Schreibers
der Memoiren in den einzelnen Fällen wiederzugeben und eventuell richtig zu stellen.
Dem König Ludwig XIV. ist der Autor zwar feindlich gesinnt, den er als feig und arg¬
wöhnisch bezeichnet, dem er aber doch seine Bewunderung nicht versagen kann. Fast
alle bedeutenden Männer in der Umgebung des Königs werden streng beurteilt auch
fehlt es nicht an Ungenauigkeiten. Sehr schlecht kommen Tallard und Villars weg. Von
dem Marschall Boufflers heisst es: „Dieser Marschall ist rauh und streng im Dienst und
noch weniger gefällig gegen das schöne Geschlecht, auch hat er nie eine andere Herr¬
schaft anerkannt, als die seiner Frau.“ Die Lieblinge des Autors sind der Herzog von
Luxemburg als der Pate des Helden der Memoiren des spanischen Krieges und der
Marschall Vendöme. Die Charakteristik des allmächtigen Ministers Louvois ist zwar nicht
in allen Punkten zutreffend, dennoch giebt sie ein gutes Bild von diesem Manne. Was
die Darstellung der historischen Thatsachen anlangt, so geht aus der Kritik hervor, dass
sich der Verfasser, wie bereits früher erwähnt, nicht immer an der Wahrheit hält, dass
er manches nicht berichtet, immerhin kommt es auch vor, dass er über einige Ereignisse
ausführlichere Nachrichten bringt, so über die Schlacht bei Steenkerken.
Sollen wir ein lrteil über den Gesamteindruck der Monographie geben, so
können wir wohl sagen, dass die Art und Weise, mit der sich der noch jugendliche Ver¬
fasser seiner Aufgabe entledigt hat, alle Anerkennung verdient. Der teilweise sehr spröde
Stoff ist mit grosser Gewandtheit behandelt und dem Leser mundgerecht gemacht.
Ungeteiltes Lob verdient ferner die Selbstverleugnung und der kritische Sinn des
Verfassers, der sich der mühevollen Arbeit unterzogen hat, durch Vergleichung der sprach¬
lichen Ausdrücke und durch Zusammenstellung derselben Quellen der Memoiren und die
Herkunft der letzteren festzustellen, ohne dabei, was sehr nahe lag, in seinen Folgerungen
sich zu weit gehen zu lassen.
München. A. von H i r s c h - G e r e 111 h.
Beiträge zur bayerischen Kirchen geschichte, heraus-
gegeben von D. Theodor Kol de. Dritter Band 1 -4 Heft; Oktober
1896 bis April 1897. Erlangen (Verlag von Fr. Junge. 196 S.)
Wer die ersten beiden Bände dieser Zeitschrift und, was vom dritten Bande vor¬
liegt, überschaut, muss sich des schönen und überaus fruchtbringenden Unternehmens,
das Kolde geschaffen, aufrichtig freuen und ihm den besten Fortgang wünschen. Wenn
es auch zunächst Beiträge zur Kirchengeschichte Bayerns sind, was der Herausgeber hier
sammelt, so gehen doch die meisten der Aufsätze weit über das rein theologische Gebiet
hinaus, sind vielmehr von allgemein kulturhistorischer Bedeutung. Es sei in dieser Be¬
ziehung z. B. nur auf die Abhandlungen zur Memminger Reformationsgeschichte, den
Bauernkrieg in Bamberg, Religions- und Gewissensfreiheit im simultanischen Herzogtum
Sulzbach, den Marktbreiter Kalenderstreit, die Artikel über Kaspar Lästerer, Johann Ecks
Denkschriften zur deutschen Kirchenreformation, zur Geschichte des Wiedertäufers Georg
Wagner und vieles Andere aus den ersten Bänden verwiesen, was auf die Orts- und
Landesgeschichte Bayerns bezug nimmt.
Der dritte Band steht den beiden Vorgängern in nichts nach. Eine längere
Abhandlung über den Reformator Bambergs, Johannes Schwanhausen, von Otto Erhard
leitet ihn ein. Wir erblicken in ihm den mutigen Prediger und Kustos von St. Gangolf,
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Anzeigen und Besprechungen.
H
wie er trotz seiner bedrohten Existenz rückhaltlos für die evangelische Sache Partei
ergreift und in seinen Predigten immer mehr und mehr seiner Überzeugung Ausdruck
verleiht, was ihm den endlich (1524) seine Entsetzung von seinem Amte und Verweisung
aus der Stadt eiutrug. Erst vierzig Jahre alt starb Schwanhausen (1528) als ein Kämpfer,
dem „ein Platz unter den Männern gebührt, die wir mit dankbarer Erinnerung als Väter
unserer evangelischen Kirche in Bayern ehren“ (74}. — „Einiges von den Nürnberger
Kirchenbüchern aus dem XVI. Jahrhundert“ berichtet (151) Chr. Jordan. Die Mitteilungen
sind ein schätzbarer Beitrag zur Frage, zu welcher Zeit die Kirchenbücher in Deutschland
entstanden. Jordans Exzerpte beginnen mit dem Jahre 1517. Es liefern uns die Nürn¬
berger Kirchbücher „ein fast ein Jahrhundert umfassendes, fast lückenloses Material für
einen genau begrenzten Bezirk“ (159). — „Drei Briefe aus der Reformationszeit“ ver¬
öffentlichte (72) Th. Kolde; der eine stammt von Christoph Scheurl von 1521, der zweite
von Theobald Billican von 1524; der dritte von Andreas Dober von 1546. Die an sich
interessanten Schreiben gewinnen durch die gründliche Forschung über die Persönlichkeit
der Verfasser und die Veranlassung, die sie hervorrief, erhöhte Bedeutung. Nicht minder
wertvoll erscheinen Koldes Beiträge zur „Reformationsgeschichte von Rothenburg o. d. T.,
jenem kurzen Aufblühen der Reformation in dem schwäbischen Städtchen, der Kasimir
von Brandenburg ein blutiges Ende machte (171), sodass schon 1525 der römische Kultus
dort wieder eingeführt wurde. — Als von einer der „merkwürdigsten Thatsaclien der
Würzburger Reformationsgeschichte“ berichtet (49) Kolde von dem dortigen Weihbischof
M. Joh. Pettendorfer, der sich um 1524 „zum Evangelium wandte“. Je weniger über den
Mann bekannt ist, um so willkommener erscheinen Koldes gesammelte Notizen. — Von
Hans Ehinger aus Memmingen handelt (128) eine Mitteilung von Pfarrer Braun in
München. Es ist eine Rechtfertigung des Memminger Ratsherrn aus dem Jahre 1539
an den Bürgermeister, die sich zu einer förmlichen „Darlegung seines Wirkens im Dienste
der Reformation“ gestaltet. — „Kaspar Löners Briefbuch“, dessen Veröffentlichung Ludwig
Enders in den ersten Bänden (I, 215—226, 269—274; II, 34—42, 89—93, 132—136,
261—264, 301—308) begonnen hat, wird im dritten Bande (85, 135) fortgesetzt und abge¬
schlossen und umfasst hier überaus inhaltsreiche Briefe an Löner aus dem Jahre 1545,
wenige von 1546 und 1547 — Julius Ney erörtert (103) den sogenannten „Aufruhr des
Pfarrers Georg Infantius in Speier“, der 1577 aus dieser Stadt weichen musste.. Des Ver¬
fassers sorgfältige Arbeit kommt (120) zu dem Schlüsse, dass Infantius zwar „ein sehr
eifriger Vertreter des Calvinismus und in seiner Polemik derb und rücksichtlos“ war.
„Dass aber der Vorwurf, Infantius habe einen Aufruhr gegen die Stadt Speier geplant,
gänzlich unbegründet war, erhellt aus der gegebenen aktenmässigen Darstellung“. — „Aus
der Zeit der Unterdrückung der evangelischen Religion im Herzogtum Sulzbach“ berichtet
(122) Th. Lauter. * Er giebt recht brauchbare Aufzeichnungen aus den Kirchenbüchern von
1627—1649, welche auf manche Vorgänge ein neues Licht w'erfen. — I11 die neueste Zeit
versetzen uns die Mitteilungen ,,Aus Briefen von Adolf von Harless an Rudolf Wagner“
( 1 853—1863) von Prof. Karl Mirbt in Marburg (24). Wer in jenen Jahren in den wissen¬
schaftlichen und litterarischen Kreisen Münchens unter König Max II. gelebt hat, stösst
auf eine Reihe interessanter, oft auch überraschender Urteile des Präsidenten Harless
über dieselben. Manche von ihnen — nomina sunt odiosa! — hat die spätere Zeit be¬
stätigt, manche auch erschüttert und rektifiziert, jedenfalls aber haben sie lebhaftes
Interesse noch heute zu beanspruchen. Einige dieser Äusserungen, wde die über Böhmes
Theosophie und ihre Verfechter, zunächst die „unkritische und unhistorische Natur“
Hambergers, sind überaus zutreffend. Wenn Harless (1862) die „Zustände in Bayern für
die alleracceptabeisten“ hielt (46), so entsprach (lies sicher dem allgemeinen Empfinden.
Neben dieser reichen Zahl trefflicher Aufsätze und wichtiger Mitteilungen begegnen
wir in Koldes Beiträgen aber auch einer Reihe von gehaltvollen Rezensionen über Werke
zur bayerischen Geschichte, sow’ie einer wertvollen Bibliographie. Druck und Ausstattung
der Zeitschrift sind angesichts des so geringen Preises (jährlich sechs Hefte von je drei
Bogen, ein Jahrgang vier Mark) vortrefflich, sodass man dem so sorgfältig geleiteten
Unternehmen die weiteste Verbreitung nicht bloss wünschen, sondern bestimmt Voraus¬
sagen kann.
München. Reinhardstöttner.
Altdeutsche Passions spiele aus Tirol mit Abhandlungen
über ihre Entwicklung, Composition, Quellen-Aufführungen
und litterarhis torische Stellung, heraus gegeben von J. E.
W ackern eil. Graz (K. K. Universitätsbuchdruckerei und Verlagsbuch¬
handlung „Styria“) 1897. (CCCXIV und 550 S.) -- (Erster Band der
Quellen und Forschungen zur Geschichte, Eitteratur und
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Anzeigen und Besprechungen.
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Sprache Österreichs und seiner Kronländer, herausgegeben von
Joseph Hirn und Joseph Eduard Wackerneil).
Der stattliche oben angeführte Band, der soeben herausgegeben wurde, behandelt
zwar zunächst die Geschichte der Tiroler Passionsspiele, doch aber darf dieser prächtigen
Arbeit, welche der Verfasser selbst als „einen neuen Schritt zum ersehnten Ziel einer
tirolischen Literaturgeschichte 44 bezeichnet, auch in einer bayerischen Zeitschrift die
gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden, und dies nicht nur wegen der vielfachen
Beziehungen, die uns an das Nachbarland fesseln, nicht bloss wegen der literarischen
und inneren Verwandtschaft dieser Tiroler Passionsspiele mit unseren bayerischen,
sondern weil uns in dem Werke auch mancher Bayer begegnet und manches aus
Bayern stammt oder auf Umwegen dahin gelangte. Gleich wenn wir das Buch auf-
schlagen, begegnen wir einem Landsmanne, „Aim Sündern libhaber der Spill, auch
wellicher ain Beruembter Nottist und Bassist, auch schuelmaister ist gewesst zu Botzn,
genannt Maister Benedict Debs von Ingelstat. Und wellicher gestorben ist im
jar 1515, im Monat Januaij. Und Begraben zu Botzn in der gsellbriester Begrabnus Bey
der Kirchtir, So gegen widern ist“ (III. IV.). Wohl um das Jahr 1485, wie Wackerneils
archivalische Forschung erweist, ist Benedikt Debs aus dem musik- und theaterfreudigen
Bayern als Lehrer der Lateinschule nach Bozen gekommen, um dort die in der Heimat
gepflegte Liebhaberei vor einem noch dankbareren Publikum weiterzuführen. Er sammelte
nicht nur eifrig Spiele, welche der Maler Vigil Raber aus Sterzing, sein Zeitgenosse,
illustrierte, sondern leitete auch solche und übernahm in denselben hervorragende Rollen,
wie jene des Salvator (Bozen 1495 und 1514), die man nur den besten Schauspielern gab,
weil man reichliche Auswahl an solchen unter Geistlichen und Laien fand. Durch das
ganze Werk geschieht dieses B. Debs wiederholt Erwähnung, von dem Wakernell (CXXV)
eine Ausgabe in Aussicht stellt.
Haben wir so aus archivalischen Forschungen heraus das umfassende Bild
eines bayerischen „scolasticus“ im Auslande gewonnen, so interessiert uns an Wackemells
überaus eingehender Untersuchung über die verschiedenen Passionsspiele und ihre Quellen
insbesondere der Nachweis, welchen Einfluss der') Tiroler Passion auf jüngere ähnliche
Spiele ausgeübt hat, zunächst von der alten Oberammergauer Gruppe auf den
Augsburger Passion. Der Verfasser zeigt (CXXV), dass der Augsburger Passion „unter
dem Einfluss des Tirolers“ steht. „Schon die Stoffbeschränkung im Anfang stimmt mit dem
Tiroler Passion überein“ (S. CXV); auch im weiteren (S. CXXXV, CXXXV, CXLII,
CLI, CLXIV, CLXXIII, CXCIX) wird der Einfluss klar gelegt.
Als Verfasser des Tiroler Passion ist wohl ein Geistlicher anzuuehmen (CCXCIII).
„Der Entstehungsort wird zunächst durch die Sprache bestimmt, die durchweg
bayerische Lautgebung aufweist, auch in den Reimen. Dafür bezeichnend ist
ferner, wie der Tiroler Passion alte i: i Reime der Quellen, die seinem Dialekte entgegen
waren, entfernte“.
Ein Kapitel über die Stellung des Tiroler Passions im Gesamtzusammenhange
der Passionsspiele Deutschlands verweist wieder auf Bayern, wo wir die Anfänge der
Passionsspiele in dem einzigen erhaltenen Benediktbeurer Spiele und in ihm „die Art
dieser ältesten Stufe“ (CCXCVIII) erblicken. „Als Anfangszeit ergiebt sich das dreizehnte
Jahrhundert . . . als Ausgangsort Oberbayern“.
Diese wenigen Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, wie auch die bayerische
Kultur- und Litteraturgeschichte dem trefflichen Werke Wackerneils, dem philologisch¬
kritische Anmerkungen zu den Texteu und ein ziemlich umfangreiches Glossar noch be¬
sonderen Wert verleihen, zu Dank verpflichtet sein darf, und wie vieles eine kritische
Darstellung bayerischer Passionsspiele aus demselben entnehmen könnte und müsste,
da es nicht nur inhaltlich einer solchen vorarbeitet, sondern auch durch die vom Ver¬
fasser so strenge eingehaltene einzig richtige Methode, die so glücklich durchgeführte
„enge Verknüpfung philologischer mit archivalisclier Forschung“, jedem ähnlichen Unter¬
nehmen als ausgezeichnetes Vorbild dienen wdirde.
München. Reinhardstöttner.
Die Feste Marie nberg und ihre Bau denk male von Walther
von Eoefen, Premierlieutenant im k. bayer. 9. Inf.-Reg. Würzburg. (A. Stüber).
Wie reich auch Bayern an Monographien von Städten, Klöstern oder einzelner
Baudenkmäler zu nennen ist. so gebührt doch nicht allzu vielen das Prädikat „gut“.
Wenige sind mit einer Gründlichkeit und einem Fleisse bearbeitet, wie etwa Graf von
Walderndorffs „Regensburg“ oder Dr. G. Wägers Arbeiten über Wessobrunn“ und „Stein-
*) „Der Passion, nicht die Passion (~ Passionsspiel) ist das historisch über¬
lieferte Geschlecht“ (XIX, A. 1).
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Anzeigen und Besprechungen.
gaden“. Das vorliegende Werkchen beansprucht nun durchaus keinen Vergleich mit den
soeben erwähnten, streng wissenschaftlichen Werken, aber dennoch bietet es uns auf
knappem Raume eine Menge des Wissenswerten. Beim Durchblättem des Buches
und beim Anblick der zahlreichen, zumeist recht guten Abbildungen müssen wir uns
wundem, dass kein kunstgeschichtliches Werk, selbst nicht Sigharts verdienstvolle Geschichte
der bildenden Künste in Bayern, bis jetzt des reichen Architekturenschatzes aus dem 16.
und 17. Jahrhundert, den die Feste in ihren Mauern birgt, Erwähnung thut; nur Lübke
gedenkt desselben mit flüchtigem Worte. Dem Verfasser gebührt das Lob, diesen Schatz,
den wir namentlich den Bischöfen verdanken, erschlossen zu haben. Nur kurz sei hier
an Julius Echter von Mespelbrunn, den Schöpfer des prächtigen Echterthores (1606) und
des Kirchenportales (1604), an Johann Philipp von Schönbom, den Erbauer des Neuthors
und an Johann Philipp von Greiffenklau, den Begründer des neuen Zeughauses, erinnert
In den Bauwerken des Marienbergs spiegelt sich trefflich die schaffensfreudige und
namentlich die Kunst begünstigende Regierung der Würzburger Bischöfe wieder. Gelang
es dem Verfasser auch nicht, die Meisternamen zu finden, so giebt er uns dafür genaue
Bauinschriften und Baunotizeu, die für die Stellung der einzelnen Bauwerke zur all¬
gemeinen Entwickelung der Kunst in Bayern von besonderer Wichtigkeit sind. Nur ein
Bauwerk und wohl das wichtigste auf dem Marienberg, die Marieukapelle, erscheint un¬
genügend behandelt. Bei einer Neuauflage des sonst durchaus so verdienstvollen und
brauchbaren Werkchens. die bei der hübschen Ausstattung und dem niederen Preise
gewiss bald nötig erscheint, wäre ein kurzer Auszug aus Riehls „Denkmale frühmittel¬
alterlicher Baukunst in Bayern“ IKunsthistorische Wanderungen in Bayern» S. 162 in
Begleitung einiger Detailabbildungeu von Blendarkaden und Consolen einzufügen. Die
Stellung und Bedeutung der wohl zumeist dem 12. Jahrhundert angehörenden, mit ihrer
Nischenanlage hochwichtigen Kapelle fordert zu diesem wohlberechtigten Wunsche auf.
Wenn man von dieser Lücke absieht, kann dem Verfasser die Anerkennung nicht versagt
werdeji, dass er seiner sich gestellten Aufgabe in lobenswerter Weise gerecht wurde.
Nach der kunstgeschichtlichen Seite hin verdient das Büchlein wohl auch über Bayerns
Grenzen hinaus der Berücksichtigung. W.
Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit. Ein Beitrag zur
Kunstgeschichte Nürnbergs von Dr. Berthold Dann. Berlin. Wilhelm
Hertz 1897.
Wer nur flüchtig das Buch durchblättert wdrd dennoch gleich den Eindruck
gewinnen, dass eine Fülle von Arbeit in demselben steckt; wer es sich genauer besieht,
der wird dem Verfasser die dem Fleisse würdige Anerkennung im vollsten Masse gewähren,
dabei aber gewiss auch sich des Tadels nicht erwehren können, dass eine grosse Anzahl
von nebensächlichen Notizen teils im Haupttext, teils in den Anmerkungen Aufnahme
fand, die geeignet sind, wichtigere Punkte weniger scharf hervortreteu und den Überblick
über das Ganze etwas unklar und verschwommen werden zu lassen. Ich denke hier nicht
etwa an die ikonographischen Exkursionen, oder etwa an die geschichtlichen Rückblicke
auf die Entstehung der Sakrameutshäuschen oder Ähnliches, was ja manchem Leser noch
willkommen erscheinen mag, worüber aber einschlägige Werke uns doch besser Aufschluss
geben, sondern vielmehr an die Notizen, die uns eine ungenügende und an diesem Orte
überflüssige Heiligenlegende oder Massvergleiche über die Türme des Ulmer und Kölner
Domes oder von St. Peter in Rom geben. Es sind solcher Stellen genug vorhanden, die
sehr wohl hätten wegbleiben können, ohnedass dies der so fleissigen Arbeit irgend
welchen Eintrag gebracht hätte. Im Gegenteil, sie hätte bei dem ohnehin so reich zusammen¬
getragenen Material durch Streichung nicht direkt einschlägiger Bemerkungen gewonnen.
Die Gestalt Meister Kraffts stünde abgerundeter, vollendeter vor unseren Augen, sie würde
sich ohne solch kleinliches Beiwerk besser erfassen lassen. Doch wir wollen es dem Ver¬
fasser bei der Liebe zu seinem Stoffe, die sich allüberall offenbart, nicht sonderlich
übelnehmen, dass er in den fraglichen Punkten des Guten etwas zuviel that, ist doch
seinem Streben nach Gründlichkeit auch das positive so reiche Ergebnis seiner Studien
zuzuschreiben.
Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, alle Anschauungen des Verfassers
auf ihre Richtigkeit zu prüfen; einige uns ins Auge fallende Punkte werden unten
betrachtet werden.
Daun giebt zunächst als Einleitung einen Blick auf den Stand der Kunst, speziell
der Plastik im 14. und 15. Jahrhundert, wobei eine etwas genauere Betrachtung und
Datierung der Portale an St. Lorenz und namentlich jener von St Sebald wünschenswert
gewesen wäre. Ein demnächst erscheinendes Werk von Dr. Friedr. Wilh. Hoffmann wird
eingehend diese Punkte behandeln. Im zweiten Teile behandelt der Verfasser Leben und
Werke Adam Kraffts. Nach Betrachtungen über Kraffts Anteilnahme am Schmuck der
Frauenkirche folgt zunächst eine Abhandlung des ersten sicher datierten Werks Kraffts,
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Anzeigen und Besprechungen.
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des Schreyersclien Grabmals von 1492, dann eine solche über das St. Lorenzer Sakraments¬
häuschen. Eine stilkritische Betrachtung, die bestrebt ist, Klarheit zu schaffen, in wie
weit die in der Umgegend von Nürnberg und an anderen Orten zu findenden Sakraments-
Häuschen als Werke kraffts zu betrachten sind, schliesst sich an. Ein weiteres Kapitel
ist dem Harsdorf ersehen Ölberg, dann den bekannten Kreuzwegstationen gewidmet Ab¬
handlungen über verlorene Werke Kraffts oder ihm ohne Belege zugewiesene, über
Zeichnungen von diesem Meister und über seine Stellung zur Gotik und Renaissance
beschlossen den zweiten Teil des Buches. Dieser zweite Teil ist entschieden der beste.
Er zeugt von des Verfassers Gründlichkeit, die bestrebt war, alles nur Mögliche und
Wichtige in die Betrachtung zu ziehen und das vorhandene Material an einschlägigen
Kunstwerken wie an urkundlichen und literarischen Nachweisen zu prüfen und zu ver¬
werten. Stilkritische Abschnitte werden wohl nicht ganz unangegriffen bleiben. Weniger
glücklich erscheint uns der dritte Teil „Krafft im Verhältnis zu seinen Zeitgenossen“; er
ist teilweise etwas stiefmütterlich behandelt, namentlich in „de in Kapitel „Riemenschneider“.
Bei dem heutigen Stande der Forschung über diesen Meister — die Werke von Streit
und Weber sind sehr vorsichtig zu gebrauchen — ist es gewagt, mit so kurzen Worten
ein noch sehr der Klärung bedürftiges Thema abzuhaudeln. Mit Interesse liest sich das
verschiedene über Jacopo de Barbari Gesagte. Fassen wir unsere Betrachtung zusammen,
so können wir nicht umhin die Arbeit als eine — trotz der obengenannten Schwächen —
sehr empfehlenswerte zu nennen, die eine bedeutende Lücke in der Geschichte der
deutschen Plastik ausfüllt
Einige Bemerkungen mögen hier noch Platz finden. Einer besonderen Begründung,
weshalb die Madonna aus dem Kloster Gnadenberg (German. Museum) Nürnberger
Charakter an sich trägt, hätte es nicht bedürft, da ja das alte Brigittinenkloster nicht
allzuweit von Nürnberg abliegt und die ganze Gegend bis über Neumarkt hinaus unter
dem Einflüsse von Nürnberg stand. Die Klosterkirche von Gnadenberg dagegen weist
auf die Mutterkirche Wadstena in Schweden hin (Dr. Hager in Verh. d. hist Vereins für
Oberpfalz, Band XLVIID. Der Ausdruck Gnadenberg in der „Pfalz“, den auch Kettberg
bringt, führt zu falschen Vermutungen. Gnadenberg liegt in der Oberpfalz; bei dem
Ausdruck „Pfalz“ ist mau geneigt, hier fälschlich an die Rheinpfalz zu denken. Die Ver¬
mutung des Verfassers, die Nürnberger Madonna könne von einer Mariä Verkündigung
herrühren, ist sehr gewagt. Maria ist dargestellt als Mutter durch das Kinntuch, das
meines Wissens niemals eine „Maria Annuntiata“ — wenigstens nicht auf fränkischen
oder bayerischen Bildwerken — trägt. Bodes Ansicht darf als eine unzweifelhaft richtige
angesehen werden; die Figur rührt von einer Kreuzesgruppe her. — Das S. 101 zitierte
Werk von Wagner: Münchner Plastik um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts
(München 1895) forderte den Verfasser in bezug auf die Steinskulpturen Kraffts zu einer
gegenteiligen Meinungsäusserung auf; nicht ganz ohne Recht Das erwähnte Werk ist
so voller Fehler in bezug auf Legenden, Datierungen und stilkritische Bemerkungen,
dass es für wissenschaftliche Arbeiten sehr rätlicli ist, möglichst geringen Gebrauch davon
zu machen. — Warum zieht der Verfasser bei dem Inhoffschen Hochaltar in der Rochus¬
kapelle nicht die Monographie über „die Rochuskapelle‘ von Hans Stegmann, München
1885, in betracht? Der Altar trägt nach Stegmann im Giebel die Jahrzahl 1521, während
der Verfasser 1522 angiebt. — Bei Besprechung des Sebaldusgrabes von Peter Vischer
wäre es angezeigt gewesen, auf W. Weizäckers Abhandlung „Zwei Entwürfe zum Nürn¬
berger Sebaldusgrab“ (K. preuss. Jahrbücher 1891) einzugehen. W.
Vom Chiemgau. Historischer Roman aus der Völkerwanderung
(a. 596 n. Chr.) von Felix Dahn. (IX. Band der „Kleinen Romane aus der
Völkerwanderung). Leipzig. Breitkopf und Härtel. 1896.
Die kleinen Romane aus der Völkerwanderung von Felix Dahn sind durch
ein neues Geschwister, das neunte, „Vom Cliietngau“, bereichert worden. Es wendet sich,
nachdem seine Vorgänger sich mit den anderen germanisierten Stämmen beschäftigt, den
Bajuwaren und ihrem Lande zu, dem Dahn in dankbarem Jugendgedeuken die liebevollste
Gesinnung bewahrt hat Diese Liebe, welche durch s ein warmes Verständnis für die
oberdeutsche Eigenart noch genährt wird, tritt hier in ihrer ganzen P'ülle hervor. Spuren
davon finden sich fast in jedem seiner poetischen Werke. In dem „Kampf um Rom“,
in „Felicitas“, in die „Schlimmen Nonnen“, in „Attika“, in „Weltuntergang“, und in
Rolannt“ u. s. w. hat er Gestalten und Episoden verraten, die zeigen, wie lieb ihm in
„Thule“ und im Lande der „Vandalen“, wie er Königsberg und Schlesien zu nennen
liebte, das „Bayerland“ geblieben ist Im „Chiemgau“ nun scheint er dieser Liebe ein
Denkmal zu setzen. Ich möchte die Dichtung ein Idyll nennen, das freilich mit Kampf
und Mord, mit Rechts- und Fehdegang reichlich durchwoben, aber trotzdem ein „Idyll“
geblieben ist. Vielleicht hätte Dahn den Wert seines Werkes erhöht, wenn er es gleich
dem „Rolandin“, dem Besten, was er überhaupt geschaffen, — in der glatten, fliessenden
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Anzeigen und Besprechungen.
Reimform geschrieben hätte, die er so glänzend beherrscht, wo nichts den Fluss und die
Feinheit seines Talentes stört. Sicher hätte es tieferen, nachhaltenden Eindruck geübt:
es wäre ihm dann als volle Poesie aus der Seele geflossen, umso mehr als es seine Ent¬
stehung gehobener, poetischer Stimmung verdankt. Das kündet schon die Einleitung,
die uns an die Ufer des alten Chieminseo führt und uns dort den Verfasser: „fischend,
jagend, die Berge erkletternd, forschend, sinnend, dichtend und träumend“ zeigt. Von
Kindheit an hat ihn der eigenartige Reiz des Sees gefesselt, den er uns denn auch in
warmer, voller Stimmung vor Augen führt.
Träumend liegt der Dichter am Ufer und lässt nach reichlichem Fischfang die
Blicke weit über den See und die Ufer gleiten hinan bis zur Kampenwand. Geschicht¬
liche Reminiszenzen ziehen an ihm vorüber; er ist in gehobenster Stimmung. Da spült
der See, gleichsam auf des „Wunschgotts“ Geheiss, ein altes Hufeisen aus, von alter, geheim¬
nisvoller Form, in seiner Phantasie und rings am See wird’s lebendig, er verfällt in der
Gewitterschwüle in Schlaf und Xraum: bis ihn das Wetter erweckt, ist der Roman im
Geiste fertig.
„Da, krach! Der erste Donnerschlag. Aufgeschreckt aus Schlaf und Traum sprang
ich auf: es galt nur noch auszugestalten, was ich gesonnen und geträumt“.
Seit der Einwanderung der Bajuwaren in dem Lande, dem sie den Namen gegeben,
sass das alte Edelgeschlecht der Fagana am See, reich begütert, reich an Ehre und Macht.
Zumal der gebietende Herr der Sippe tritt uns als ein echter Adaling, treu und tapfer,
mutig und edel, grossmütig und gerecht in seiner Väter Halle entgegen. Sein Sohn
„Adalfried“ ist der junge Held und Liebhaber, reich und vornehm, schön und stattlich,
eine jugendliche Heldengestalt, „in lichter Wappen Schein“, wie Dahn sie seit seinem
Totila mit grosser Vorliebe zeichnet. Er liebt die Tochter des Freibauern Arno, der in
Budaium, dem heutigen Seebruck, auf eigener Wunne und Weide haust: Arnstrudis, um¬
geben von all dem stillen Reiz auf blühender, jungfräulicher Schönheit, sieht in ihm den
„Herrlichsteil von allen“, zu dem sie mit kindlichem Vertrauen emporblickt, bis ihr die
tiefe, ewige Liebe voll ins Bewusstsein tritt Trudens treue Liebe kommt zwar zum Ziel,
aber nur durch Überwindung schwerer Hindernisse, die sich auch hier von Anfang an in
den Weg stellen. Wenn auch Vater Arno das Bündnis mit den Fagana gern sähe und
um dessentwillen die Werbung seines alten Freundes Iso für seinen Sohn, den starken
und treuen Isanbert, ausschlägt, so setzt der feste Wille von Adalfrieds Vater den Liebenden
ein gebietendes „Nein“ entgegen. Seine Pläne gehen höher hinaus, er gedenkt den Sohn
mit einer langobardischen Königstochter zu vermählen. Er beschleunigt seinen Plan, da
er durch seinen Neffen Argino von Adalfrieds stillem Werben um die Liebe des schönen
Bauernmädchens erfährt. Dieser hatte ihn belauscht, wie er in früher Morgenstunde eine
Lieblingstaube Arnstrudens durch wohlgezielten Pfeilschuss aus den Fängen des Habichts
befreit und ihr überdies eine Nachtigall schenkt. Die Eifersucht trieb ihn, des Vetters
Geheimnis zu verraten. Wirbt er doch selbst, freilich in ganz anderer Weise, um das
schöne Mädchen. Durch seine Mutter in Aquitanienheim heisser und wilder geartet, von
kühnster Tapferkeit, aber auch gewissenlos bis zum äussersten, sieht er den Chiem¬
gau, wo ihm die Güter des Vaters nach einem wilden, verschwenderischen Leben gute
Zuflucht boten, als Verbannung an. Nun hat er sein Auge auf Arnstrudis geworfen, die
seine heftige Neigung in keiner Weise erwidert So gilt es denn, sie mit Gewalt zu
gewinnen. Das war freilich in friedlicher Zeit kaum zu wagen, konnte aber um so leichter
während Kampf und Fehde geschehen. So nützt er denn einen Rechtsstreit mit Harlacho,
dessen Weizenfeld er durch seine Rappen — er hat nur solche Pferde — hat zerstampfen
lassen, und es gelingt ihm in der That, auf dem Ding, die Fehde heraufzubeschwören.
Dieses Ding mit all den kleinen Rechtsgeschäften der Markgenossenschaft führt uns
Dahn vor, und er giebt, trotz der vielfachen Gerichtsszenen, die er von dem „Tage von
Rigeta“ an in seinen Romanen geschildert, ein Bild nicht ohne Stimmung, das den kleinen
Verhältnissen der Markgenossenschaft sowie der Weichheit des oberdeutschen Stammes
gerecht wird. Die Szene hat eigenen Reiz, trotzdem die Bauern Arno und Iso doch
allzusehr auf dem Kothurn einliersclireiten und sich an Würde der Haltung und an
Grossmut fortwährend überbieten. „So viel Edelsinn kann ich nicht vertragen. Er macht
mich schwach“, sagt Cethegus. Es kommt aber in der That zur Fehde, die aber erst
nach dem Berchtafest, also nach 21 Tagen ausbrechen darf. So lange waltet der Frieden
der Göttin, deren Fest auf der Fraueninsel uns in einem farbenprächtigen Bilde vorgeführt
wird, aber nicht ohne Störung verläuft. Ein fanatischer Mönch, der, einst ein stolzer
Edler am fränkischen Königshof, aus Eifersucht seinen Bruder erschlagen, ist, von einer
inneren Stimme getrieben, ausgezogen, den Heiden das Evangelium zu predigen. Er
tliut dies denn auch auf eine höchst eigentümliche Weise und stets mit negativem Erfolg.
Es geht ein feiner, schalkhafter Humor durch diese Bekehrungsszenen, wo er Wunder
thun will, die ihm stets misslingen. Die Natur erklärt sich regelmässig gegen ihn. Er
fährt mit hinaus zum Fischfang: er beschwört den See, dass alle Mühe der Heiden um¬
sonst sei — und nie beissen die Fische besser an. Er will das Weihgefäss der Göttin
Berchta zertrümmern, im Augenblicke da er in einer der Priesterinnen die Braut erkennt,
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Anzeigen und Besprechungen.
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um derentwillen er den eigenen Bruder erschlagen. Das Beil verwundet ihn selbst. Er
will den Speer gegen das Weihbild Wotans schleudern, ein Blitz schmilzt die Speerspitze.
So erntet er Spott und Schmach. Die bajuwarische Gutmütigkeit und aufs höchste
gespannte Toleranz, von der die Gegenwart viel, sehr viel lernen könnte, bewahrt ihn vor
schlimmem Lose, das ihn indessen im Lager der Avareu ereilt.
Aber auch Ragino bricht, seinen wilden Trieben gehorsam, den Frieden der Göttin.
Im Wald, an einsamer Quelle, überfällt er mit seinem Getreuen Nantinus Arnstrudis und
ihr kleines Schwesterchen. Aber Isanbert, der umsonst gebeten hatte, die Mädchen auf
ihrer Fahrt begleiten zu dürfen, ist dennoch nahe und befreit die Geliebte, die Ragino
bereits mit kühnem Griff zu sich auf sein Ross gezogen hatte, fällt aber selbst durch
einen heimtückischen Stoss des Gegners. Schon scheint der Schurkenstreich gelungen,
als Adalfried wiederum als Retter in der Not erscheint und Arnstrudis vor der wilden
Gier des Vetters rettet. Diese neue Unthat Raginos steigert die Spannung im Gau aufs
höchste. Es folgt das Gericht auf der Dingstätte, wo Iso in wildem Hass alle Versöhnungs¬
versuche zurückweist und Adalfried selbst des Mordes beschuldigt, eine Klage, die wenig
motiviert ist, die aber der junge Fagana durch ,,das Gottesurteil des Balirrechts“ mit
starkem Mittel widerlegt. Aber nun soll es mit der Fehde blutiger Emst werden. Der
ganze Gau steht gegen das Geschlecht der Fagana, die sich in ihrem festen Hause auf
der Kampenwand verschanzen. Schon ist man auf beiden Seiten gerüstet, der Ausbmch
der Fehde steht bevor — da naht die Katastrophe von anderer Seite, von Osten her:
durch die Avaren.
Paulus war mit Secundus, der von christlichen Eltern stammt, die christliche Lehre
im Herzen bewahrt hat, mit der Lehre selbst aber sich nicht zurechtfindet, doch sich eng
an den Glaubensgenossen anschloss, weiter nach Osten gefahren und nach vergeblichen
Bekehrungsversuchen bei den Slovenen auf die Avaren gestossen, die eben mit ihren wil¬
den, räuberischen Horden gegen das Land der Bajuwaren heranzogen, alles vernichtend.
Er stirbt unter furchtbaren Qualen den Tod des Märtyrers, den er als Sühne für seine
Schuld ersehnt hatte. Sein Begleiter Secundus aber, dem ein gleiches Los bevorstand,
weiss sich zu befreien und auf einem flinken Avarengaul die Heimat zu erreichen, wo er
noch rechtzeitig vor den furchtbaren Feinden warnt.
So finden denn die wilden Horden die Wehrgenossen des Gaus in Seebruck, unter
Arnos Führung w’ohl gerüstet, und ihre ersten Angriffe enden mit tötlicher Niederlage.
See und Fluss, die Alz, helfen die Bewohner schützen. So hat denn Dahn Gelegenheit,
eine seiner vortrefflichen Kampfszenen zu schildern vom ersten misslungenen Anstürme
der Feinde bis zu ihren Erfolgen, deren sie aber durch das Erscheinen der Adalinge nicht
froh zu werden vermögen. Aus ihrem festen Verhau auf der Kampenwand w T aren sie auf
ihren Rossen genaht, das Geschick der gefährdeten Gaugenossen zu wenden. Aber auch
sie kommen ins Gedränge, vergeblich rettet Arnstmdis dem Geliebten einmal das Leben
— da erscheint als letzter Retter in der Not Ragino mit seiner Gefolgschaft „auf hundert
Rappen“ und entscheidet den Kampf zum Heile der Markgenossenschaft. Arnstrudis, nun
voll gereift und voll bewusst ihrer Liebe, hat Adalfried während des Kampfes das Leben
gerettet und durch ihr heldenhaftes Betragen das Herz des strengen, aber edlen Vaters
erweicht. Er selbst giebt nun die Liebenden zusammen, deren Bund als Symbol des
geheiligten Friedens geschlossen wird. Harlacho fällt. Ragino aber stirbt zur Sühne den
Heldentod — der Chiemgau ist gerettet.
Der Reiz des Buches liegt nun nicht in der Handlung selbst, sondern in der
Breite der gegebenen Situationen, die Dahn vielfach zu schönen, vollkommenen Bildern aus¬
gestaltet. Manche sind von grosser Schönheit: so vor allem die Morgenstunde am See,
wo Adalfried den Edelhirsch belauscht, der zu seinem Weibchen weit über den See
geschwommen kommt; ferner der Morgen auf der Bleiche, wo Adalfried Anistruden
begegnet, die Waldfahrt der beiden Mädchen u. s. w. Hier zeigt Dahns Talent sich in
seiner vollen Kraft. Daneben finden sich freilich auch Schilderungen, die zu grotesk
sind, um als künstlerisch gelten zu können: so der Götterwagen der Avaren mit dem
Schädelthron und dem siebenfach gewundenen Drachen, der stets die Leiche eines frisch¬
gemordeten Kindes zwischen den Zähnen hält. Es ist eine Eigenheit Dahns, das Fremd¬
artige mit so grellen Farben zu zeichnen. Das gilt auch von der Vergangenheit Raginos,
die doch in allzu drastischen Aventiuren dem Leser vor Augen geführt wird. Um so
besser ist das Einheimische, das Bajuwarische getroffen. Er hat vom See und seinen
Leuten viel Schönes gesagt, der Eigenart und den Eigenheiten des Stammes wird er in
voller Weise gerecht, vor allein ihrer altgerühmten Tapferkeit, denen schon die beiden
als Motto gewählten Sprüche gelten:
„Feiere vuriu ie ci wige gemo“ (Annolied) und
„Chuoner vole new'art niemere“ (Rolandslied).
Und so kündet er im Sinne der Stielerschen Worte, der ja auch 'den Chiemsee
besungen hat,
„Im Saug von alten Zeiten,
Wie hold die Heimat ist“.
Hiefür gebührt ihm auch an dieser Stelle warmer Dank! -nt.
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Register
Adelheid hl. in.
Adelheid, Kurf. 33, 38, 39,
46, 165, 169, 172, 173,
180, 185, 186, 196.
Agag, König der Amale-
kiter, in.
Aito 8, 15.
Albrecht III. der Fromme
Herz. v. Bayern 143.
Albrecht IV. der Weise,
Herz. v. Bayern 78.
Albrecht V., Herzog von
Bayern 78.
Albrecht VI., Herzog von
Bayern 260, 261.
Alexander, Herz. v. Würt¬
temberg 212, 215, 216,
217, 219, 220, 222, 225,
227, 228, 250, 251.
Alexander (I.) Pawlowitsch
224, 236, 247, 251.
Alexandra Pawlowna 227,
249.
Alopäus Dav. Maximow.
212, 220, 230, 231, 244.
Andreas Avelinus hl. 110.
Angeli 75, 76.
Anna, Pfalzgr. 257, 264.
Ausegis 9, 16.
Apraxin 243.
Arco, Graf v. 243.
— Joh. B., Graf v. 34,
42 , 43 -
— Karl, Graf v. 67, 70,
7 L 73 -
— Prospero, Graf v. 27,
38. 53 -
Arrent Heinr. 112.
Astor Leoncelli 255.
Auckland Lord 75.
Audulf 7, 9, 10, 11, 15.
Auerbach 45, 196, 199.
Auersperg 190.
Aufleger Mar. Jak. 78, 156.
Augustinus hl. 126.
Augustus, Kaiser 106.
Aventin n, 14, 17.
Baader Kl. Al. 155, 159,
160, 161, 162.
Bailleu 75.
Barbier Dr. Joh. Germ. 174,
186, 189, 191, 191, 193,
I96.
Basedow 119.
Becher Dr. Joh. Joach. 163,
166, 168, 173, 174, 175,
176, 177 » 178, 179 » 180,
181, 182, 183, 184, 185,
186, 194, 195, 196, 197,
198, 199, 201, 202, 203,
204, 205.
Benckendorff v. 233.
Benedikt XIV., Papst 126.
Berg Frz. 128, 160.
Bergmann Mich. Ad. v.
128, 160.
Berlo, Graf 26, 27, 29, 30, 34.
— Alfons, Graf 34, 43, 53.
Berthold, Graf 10.
Bertuch Fdrch. J. 122, 160.
Besborodko Alex. Andre-
jew. 208, 209.
Bibou Sigf. v. 34, 37, 41,
42 , 53 » 54 .
Bockhorst Frdch. Wilh. v.
21, 22, 23, 25, 26, 27,
28, 45 , 46 .
Bocksberger Hans 111, 159.
Bonaparte s. Napoleon.
Bonifatius 15.
Boreusem 52.
Boretius 9, 11, 13, 14, 15,
16.
Bourdalou 92, 157.
Braun Heinrich 92, 129,
130, 131-
Bray Frz. Gabr. v. 213,
214, 218, 232, 238, 240,
241, 243, 244, 248, 252,
253 -
Breitenbach J. 265.
Breitkopf 105.
Bretzenheim, Fürst v. 208,
209, 222, 237, 244.
Bronne CI. de 34, 36.
Brunner H. 13, 16, 17.
Brunner K. 162.
Bücher 196.
Büdinger 13.
Bühler Karl v. 62, 206, 214,
215, 217, 218, 219, 220,
221, 225, 228.
Burgholzer Jos. 149, 161.
Burman J. B. 51.
Butler 121.
Cafarello 152.
Cervantes 122.
Cetto v. 60, 65, 74, 75. 221.
Chesterfield 122.
Chlothachar I. 1.
Chonaisow 209, 210.
Chosroes I. 8.
Ciceri 92, 157.
Cignani 110, 159.
Clement 198.
Clerfayt 59, 75.
Cobenzl Ludw. Graf 227.
Colbert 167, 194, 198.
Compagni Cosmo 34, 43.
Cond6 67, 221, 226, 237.
Culer Joh. Wilh. 34, 35, 37,
38, 40, 41, 42, 47.
Dagobert 4.
Dahn Fel. 2, 7, 8, 9, 13,
14, 15, 16, 17.
Dallarmi 239.
Daniel 122.
Darius 121.
Denis Mich. 110, 129, 158.
Deppig 47.
Destouches E. v. 162.
Diotmar 10.
Dittmer v. 232.
Donnersperg v. 265.
Drouin Jos. Lud. 134, 135,
I3 6 » 137, Hi.
Droysen, 45, 196.
Dubelier Nicol. 34.
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22
Register.
Du Canee 17, 162. [
Du Moulin-Eckart Gf. R. j
Dr. 75, 76, 206, 213, 216, I
250, 251, 252, 253.
Duval 239.
Eckhart 54.
Eckhel 54.
Edlwöck P. Joh. 110, 114,
* 59 -
Egell A. 160.
Egloff Kaspar 263.
Einhard 14, 15, 16.
Einzinger Joh. Mart Max.
114, I 59 *
Ekart 16.
Elisabeth, Kurf. v. B. 257,
260, 263, 264.
Eller A. 156.
Empel 80.
Ennen 45, 47.
Erdberg 174, 175 » 176, 177 »
178, 196.
Erdmannsdörffer 45, 75,
196, 197.
Erdt von 91.
Erhard 147.
Emst, Kurf. v. Köln 257.
Eschenburg J. J. 122, 160.
Esther 122.
d’Estree, Kard. 18.
Eugen, Pz. v. Savoyen 206.
Everardus P. 255, 256.
EaistenauerAndr. in, 159.
Falkenstein, Baron v. 217.
Fanschuh Mar. 160.
Fastrada 6.
Felbiger 104.
Ferdinand, Herz. v. B. 254,
255, 256, 259, 260, 261.
Ferdinand Maria, Kurf. 18,
19, 22, 23, 24, 25, 26,
27, 29, 30, 31, 32, 33,
36, 37 » 38» 39 » 44 » 45 »
46, 48, 50, 5 t 52, 78,
163, 165, 173, 185, 186.
Ferdinand, Prz. v. Württem¬
berg 216.
F'erino 66.
Fetis 160.
Fickler Dr. 255, 256.
Fiedler 198.
Finauer Peter Paul 140,
141, 148, 149, 161.
Flachslander Joh. Bapt.,
Baron 213, 214, 215,
216, 217, 218, 220, 221,
222, 225, 228, 237, 243,
244, 252.
Flechier 92, 157.
Fredegarius 14.
Freyberg 196.
Friedrich, Palzgraf (1165)
12.
Friedrich V. v. d. Pfalz 150.
Friedrich Wilh., der grosse
Kurf. 40, 47, 167, 198.
Friedrich II. d. Gr. 45, 196.
Friedrich Wilhelm II., Kg.
v. Pr. 60.
Friedrich Wilhelm III. 219.
Friedrich Ludwig. v. Meck¬
lenburg-Schwer. 224.
Friedrich J. A. 162.
Fritsch C. 162.
Fronhofer Ludw. 108, 148,
158, 161.
Fuchs Ludw. Veit 257, 261,
264.
Fugger, Graf 219.
— Anton, Graf 261.
Funck 255.
Fürst Max 155.
Fürstenberg Frz. Egon v.
19» 33 » 35 -
Fürstenberg Herrn. Egon
v. 19, 20, 22, 24, 27, 31,
39, 44, 45» 46, 167, 172,
173, 176, 180, 184, 185,
203.
Fürstenberg Wilhelm Egon
v. 19, 20, 21, 28, 29, 30,
31,32- 36- 37.43.47.
48, 22.
Galen Christ. Bernh. v.
35 , 46 .
Gams 16, 156.
Ganganellis. KlemensXIV.
Gareis Karl 14, 16, 17.
Garibald I. 1.
Gehrke 45.
Geiss E. 160.
Geliert 107, 158.
Georg, Herz. v. B. 78.
Georg, Prinz v. Oldenburg
212.
Georg III., König v. Engl.
242.
Gerold 6, n, 14.
Ginsheim Max P. 113, 114,
11 5 , 116.
Gobel And. Avel. P. n6,
117.
Goes, Baron v. 169.
Gordon 119.
Görtz zu Schlitz Joh. Eust.
Graf 213, 214, 215, 240.
Görtz zu Schlitz Mar. s.
Rechberg.
Gottsched 129.
Götz J. F. v. 158. .
Gravel Rob. de 31, 32, 33,
46, 5 i, 52, 194, 196.
Gravenreuth 216, 217.
Gregor III., Papst 15.
Gregor von Tours 3.
Gregorius P. 255, 256.
Grenville, Lord 242.
Grimm Jak. 157, 158, 256.
Groben von der 227.
Grote Frz. 106.
Gruber J, 119.
Guhrauer 45.
Gustav Adolf, König von
Schweden 152.
Gustav III., Kg. v. Scliw.
105, 106, 119, 158.
Gysels van Lier 167, 168.
, Hagedorn, Major 54.
Hagen J. J. A. v. 107.
Hamberger G. Chr. H. 100,
107, 109, 158, 159.
| Hammerstein-Loxten 16.
Hanau Frdch. Kas. Graf
v. 184.
Hardenberg Frh. v. 68, 69.
Hamier 63. 65, 68, 69, 73,
75 » 76 .
Hartmann Leop. v. 152.
Haslang, Graf v. 239, 242,
249.
Hauenprecht 14.
Hauner Norb. 130.
Haunsperg Wolf. Sigm. v.
257 -
Häusser 75.
Haussmann 68, 69, 70.
Häutle 143.
Hayd Bernh. 150.
Haydn Joseph 130, 160.
— Michael 130, 160.
Heigel K. Th. v. 45, 162,
250» 253-
Heilbrunner Jak. 256, 265.
Heinrich der Reiche, Her¬
zog v. B. 78, 79.
Heinrich IV. v. Frkch. 172.
Heinse J. J. W. 122, 160.
Heinzius 105.
.Helene Pawlowna 224, 249.
Helmstätt Ernst v. 34, 43.
Hermann, Markg. v. Baden
168.
Hertling Frh. v. 64, 65.
Herzendorfer 84.
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Register.
23
Hessen 210, 211.
Heyck 196.
Hieber 152.
Hillesheim v. 144.
Hirsching Frdch. K. G. 159.
Hocher Dr. Joh. Paul 168,
190, 193.
Hoffmann 81.
Hof mann von Fallersleben
168.
Hofstetter Benno v. 146.
Homburg, Graf v. 52.
Hompesch Frh. v. 208, 219,
228.
Honorius 8.
Horaz 77, 155.
Hredi 8, 15.
Huber, Kabinettssekr. 43,
173 . 193 » * 94 , 195 , * 9 6 >
* 99 -
Hüffer 75.
Hugibert, Herzog 14.
Hundt, Graf v. 13.
Hüsing 46.
Ickstatt, Frh. v. 103.
•fackson 229.
Jacobi-Klöst, Bar. v. 215.
Jaffe 15.
Jesenwanger Jos. 151. .
Jobst Dr. 176.
Johann, Erzh. v. Ö. 219.
Johann Friedrich v. Han¬
nover 49.
Johann Philipp, Erzb. v.
Mainz 23.
Johann, Pfalzgraf v. Zwei¬
brücken 259.
Jordan 240, 241.
Jordanis 3.
Joseph, Erzherz. v. Österr.
224, 227.
Jourdan 57, 58, 59, 72.
Jungmann Jos. 16.
Justinian I. i, 8.
Kalvin 186.
Kamprecht 23.
Kaniz 139.
Kanut 121.
Karl d. Gr. 2, 5, 6, 7, 8,
9, 11, 12, 13, 14, 15,
16, 17.
Karl VII., Kaiser 227.
Karl Marteil 4, 6, 14.
Karl von Birkenfeld 259.
Karl, Erzherz. v. Österr.
55 . 56, 57 . 58. 66, 75,
76, 217, 222.
Karl II., Herz. v. Zweibr.
212, 218, 227.
Karl Emanuel, Herz, von
Sav. 169, 196.
Karl Eugen, Herzog von
Württemberg 108.
Karl Friedrich v. Baden 75.
Karl Theodor, Kurf. 61, 62,
63, 64, 65, 128, 132,
133, 206, 208, 209, 212,
213, 218, 227, 228.
Karlmann 1, 4.
Käser 64, 65, 69, 75.
Katharina II. von Russl.
206, 228.
Katharina Pawlowna 212,
223, 224, 225, 235, 238.
Kayser 159.
Kerpen 64.
Kleinschmidt Arth. 231.
Kleist Ewald v. 165.
Klemens, Herz. v. Bayern
213-
Klemens XIV., Papst 28,
49, 101, 112.
Klopstock 107.
Kluckhohn Aug. v. 78, 157,
*5 8 , *59, l6 o, 162.
Kluge 13, 156.
Klüppel 75.
Koch, Baron 244, 247.
Koch 75.
Koch von 210, 237.
Koch Max 160.
Kochern Mart. P. 98, 105,
145 , 158.
Kohlbrenner Dominikus
156.
— — Franz Anton 156.
— — Johann Franz 156.
— — Johann Franz v. 77
bis 162.
— — Joseph 156.
— — Katharina Walpurga
156.
-Maria Barbara 156.
— — Maria Eva 146, 156.
— — Maria Jakoba 78,
125, 156.
— — Maria Theresia 156.
— — Matthias Ruperti 56.
-Philipp 79.
k -Rupert 78, 79, 156.
-Rosina A. 156.
-Wolfgang 79.
Kohlmann v. 146, 161.
Koller (er) Gg. 156.
Königsegg Leop. Wilh.,
Graf v. 18, 38, 39, 40,
47 -
Kotschubei Vikt, Graf v.
233 , 237, 239. 243, 247,
249.
Kraft 182.
Krause 16.
Krczenciewski 196.
Kröninger M. Eva 146.
Kulnigg Frz. Jos. 141, 147.
Kurakin Alexand.Borissow,
Fürst 207.
l*a Bruy&re 100.
Ladvocat 155.
Lamberg 190.
Lamey 162.
Langhk 54.
Lantoeri 38.
Latour, Graf 56, 57, 58, 66,
72, 73-
Lebeau 15.
Lechner Dr. 145.
Lehrbach Graf 61, 62, 63,
219.
Leidl Dr. Joh. B. 174, 186,
* 9 L * 95 , * 9 6 -
Lemble Wolf. Heinr. 257,
261, 264.
Leopold I. Kaiser 24, 28,
33, 4ö, 45, 47, 50, 172,
175, 181.
Lerchenfeld 214.
Leslie Graf 180.
Leveling H. P. 106, 158.
Lexer M. 14, 17.
Leyden, Baron 67, 70, 73.
Liberi Piet in, 159.
Lieven Graf v. 235.
Linn6 Karl 108.
Lipp Max 13.
Lippert v. 158.
Lisola 19, 22, 23, 24, 25,
27, 43, 44, 45-
Litta Giulio Gf. 208, 209.
Löbel 260.
Lobkowitz 173, 189, 190,
192.
Loth Carlo 110, 159.
Lotter Tob. Konr. 82.
Louvois 47.
Löwenstein Grafv. 28, 34.
Lu ca Celio de 198.
Ludwig d. Deutsche 2, 17.
Ludwig d. Bayer 142, 143.
Ludwng d. Reiche, Herzog
78.
Ludwig, Herz. v. Bayern
145 .
Ludwig I., König v. Bayern
142, 212, 227, 229, 235,
238.
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24
Register.
Ludwig XIV. 19, 20, 21,
3 i» 32 , 33 , 108.
Lünckh v. Kirchheim, Lud.
34 -
Luther Dr. Mart. 256.
Lützow v. 231, 234.
Machiavelli 108.
Madalgand 8, 15.
Magdalena, Herz. v. Bay¬
ern 260, 262.
Maillinger Joh. 156, 162.
Malniesbury 229.
Manteroy 27.
Maria Amalia, Erzherz. 227.
Maria Anna, Herz. v. Bay¬
ern 215.
Maria Anna Josepha Char¬
lotte, Herz. v. Bayern
213.
Maria Antonie v. Öster¬
reich 39.
Maria Fedorowna, Kais.
212, 219, 220, 224, 233,
235, 236, 237, 238, 251.
Maria Leopoldine, Kurf,
v. Bay. 227.
Maria Theresia, Kais. 162.
Marianna, Kurf. v. B. 172.
Marianna, Herz. v. Bayern
262.
Martens G. F. 75, 76, 237,
251.
de Martin Phil. 26, 34, 36,
48, 52.
Martius v. 250, 253.
März Angelus P. 93.
Meissenbach 75.
Mastiaux Ant. v. 127, 160.
Matthäus Evaug. 101.
Maurer Konr. v. 14.
Maximilian I., Kurfürst v.
Bay. 78, 105, 142, 143,
165, 172, 193, 254, 255,
256, 259, 260, 261, 262,
263, 264, 265.
Maximilian II. Emanuel,
Kurf. 37, 39, 47, 62.
Maximilian III. Joseph,
Kurfürst v. B. 79, 80,
82, 83, 86, 87, 89, 90,
100, 108, 117, 125, 128,
245 -
Maximilian IV. Joseph,
Kurf. 59, 60, 61, 62, 64,
65, 68, 73, 76, 206, 207,
208, 209, 210, 211, 212,
213, 214, 215, 216, 217,
218, 219, 220, 221, 222,
224, 225, 227, 228, 229,
232, 235, 236, 237, 238,
241, 242, 243, 244, 247,
250, 251, 252, 253.
Maximilian Heinrich, Kurf,
v. Köln 19, 21, 23, 30,
33» 35» 36, 37, 39, 43,
46, 48, 50, 51.
Mayer Ant. 160, 161.
Mayer Frz. Xav. 9, 10, 14.
Mayer Magdal. 133, 134.
Mayr Frz. v. 43, 191, 194,
198.
Mayr Georg Ulr. 156.
Mayr Leonh. 258.
Meginfried 6.
Meginherus 16. '
Meichelbeck 158.
Meister Karl Sev. 126.
Menalkas 16.
Mendelssohn Moses 107,
158.
Mentz 198.
Mercy Bar. v. 34, 43».47,
53-
Merkel Carlo 196.
Meusel Joh. G. 107, 109,
158,159,162.
Mieg 230, 240.
Miklosich 15.
Montfort 173.
Montgelas 64, 66, 73, 75,
76, 206, 2ii, 213, 214,
215, 217, 220, 221, 222,
239, 241, 242, 244, 245,
246, 247, 248, 250, 251,
252, 253.
Mörbolt 186.
Moreau 57, 58, 59, 65, 66,
67, 68, 70, 71, 72.
Morton Eden, Sir 221.
Muggentlial v. 263.
Muggenthaler L. 148.
Mühlbacher 17.
Müller C. 15.
Münchshausen B. v. 154.
Miinnicli v. 228.
Murr Fritz Gottl. 109, 159.
Mussinan 76.
Myriauder 117, 132. 159.
Nagel Ant 123.
Nagler Kasp. 159, 160, 161,
162.
Napoleon I. 56, 58, 59, 159.
Nauendorf 72.
Neuling Bruno 239.
Nicola 26, 48.
Nicolai Frdcli. 107, 131, 151,
152, 162.
Niedermayer Joh. K. s.
Myriander.
Nocker Gebr. 247.
Oatilo 1.
Obermayer Rosina 146.
Oberndorfer Dr. Joh. 258.
Oefele Hofmaler 153, 162.
Oefele Andr. Fel. v. 86, 157.
Öggl Joh. Gg. 156.
Ohlenschlager 16.
Oienhausen Magd. Frfr.
v., s. Reichlin-Meldegg.
Ölers Martin 180, 186, 194.
Oncken Aug. 158.
Öpfler Joh. 34.
Ott Jak. Frd. 157.
Ottilia hl. in
Öttinger Christ. Aug. Grf.
18, 34, 38, 43, 53.
Otto I. Kaiser 10.
Otto II. Kaiser 12.
Otto von Freising 6.
Otto Heinrich, Pfzg. v.
Neub. 255.
Otto Heinrich von Sulz¬
bach 259.
Otulfus 16.
Pahlen von der Gf. 209,
210, 211.
Panin Grf. 228, 229, 243,
244, 247.
Panzer 68, 69.
Pappenheini v. 255
Paul I., Kais. v. Russl. 206,
207, 208, 209, 210, 211,
212, 213, 214, 215, 216,
217, 218, 219, 220, 221,
222, 223, 225, 226, 227,
228, 229, 231, 232, 233,
235,236,237,238,239,
240,241,243,244,246,
247,249,251,252.
Paulus Diaconus 1.
Peckhadel Claus 227, 261,
264.
Pertz 13, 14, 15, 16.
Peter 47.
Peter d. G., Kais. v. Russl.
229.
Pfirt Frh. v. 214.
Pfisterer 34, 37, 42.
Philipp „der Kard. v. B.“
2 54 > 255 . 256, 257.
Philipp Ludwig, Pfalzgr.
254.255,256,257,258,
259,261,263,264,265.
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Register.
25
Philipp Wilhelm, Pfalzgf. v.
Neuburg 22.
Picheleck 79.
Pilinrada 10.
Pippin d. Kl. 1, 2, 4, 17.
Pius VI., Papst 129, 160.
Plank Jos. Herrn, v. 79,147.
Pontanus 255, 266.
Portia 190.
Posselt 59, 75.
Potemkiii 228.
Prechtl J. B. 14, 16, 17.
Preysing Grf. 68, 243.
Pribram 45, 47.
Prielmayer 165, 196.
Procop 3.
Quesnay Fran^ 102, 158.
Quirinus Leoninus 255,256.
Rabener 107, 158.
Raberihaupt 36, 37, 47.
Ramuold Abt 10.
Rassler 18, 44, 48.
Rasumowski Andr. Kiril-
low. Gf. 221, 228.
Rechberg, Baron 24, 27 .
Rechberg Albert Gf. v. 243.
Rechberg Al. Franz Frh. v.
206, 213, 214, 215, 216,
217, 218, 219, 220, 221,
222, 223, 225, 230, 231,
232, 233, 234, 239, 240,
241, 242, 245, 248, 249,
251, 252, 253.
Rechberg Otto Grf. v. 206.
Rechberg Marianne Frf. v.
213, 223, 230, 233, 251,
252.
Reibold v. 64, 65, 67, 73.
Reichlin-M eidegg Ida, Frf.
v. 210.
Reichlin-Meldegg Joh. Frz.
X. E. 71, 76, 207, 208,
209, 210, 211, 223, 225,
226, 250.
Reichlin-MeldeggMagdal.,
Frf. v. 210, 211.
Reisach v. P. 114.
Reitzenstein 57.
Renner Matth. 34.
Resnel Marquis de 35.
Reubel (Rewbel) 216.
Richpaltus Abt 10.
Richter Fz. Lor. 157.
Riedel F. Xav. 101, 129, 158.
Riezler Sig. 2, 9, 13, 14,
15, 16, 17, 157.
Riggauer 161.
Rihboldus Abt io.
Rikulf 6.
Rittershausen P. 114, 115,
i 59 *
Rostoptschin Fed. Wassil-
jew Gf. 231, 232, 233,
234, 237, 238, 239, 240,
241, 243, 247, 249.
Roxas Christov. de 163, 168,
173, 174, 175, 177, 178,
180, 181, 186, 187, 189,
190, 191, 193, 194, 195.
Rumford Gf. 64, 66.
Rumjanzow Nik. Petrow.
207, 237, 247.
Rummel Joh. 258.
Sadeler Raf. 142, 161.
Saint Cyr 66, 70, 76.
Salabert 59.
Samo 4, 14.
Sanders Heinr. 122.
Sandoz v. 240.
Sandrart Jak. 110, 159.
Schäfler J. 160.
Schall Gf. v. 65, 207.
Schega Jos.v. 142, 143,161.
Scheichl 45.
Scherer Fz. X. N. 130, 160.
Schlegel 121.
Schmaus Edmund P. 92.
Schmeller-Frommann 156,
157 , 159 *
Schmid Kasp. v. 19, 20, 21,
24, 27, 30, 31, 39, 165,
170, 172, 173, 177, 179,
180, 185, 187, 191, 192,
194, 195, 196, 197, 198,
199.
Schmidt 43, 53.
Schmidt Frdch. Dr. 196,
265.
Schönbom Joh. Phil. v. 166,
198.
Schröder 13, 17.
Schubart H. F. Dan. 108,
112, 113.
Schück 196.
Schulenburg Gf. von der
229.
Sedelmayer v. 79.
Segaud 92, 157.
Seilern Grf. v. 61, 65, 73, 76.
Selb v. 182, 186, 189, 190,
193, 203, 204.
Sezger Ferd. v. 143, 146.
Shakespeare 122.
Sieyes 216.
Simonsfeld Henry 167,196.
Simson Bemh. 16.
Sinzendorf Gg. Lud. Gf. v.
173 , 175 , 179 » lß 2, 183,
184, 185, 186, 190, 192,
197 -
Sindbert 6.
Söckler J. Mich. 129, 142,
160.
Sommervogel C. 157, 158.
Spann 138.
Speckner Jos. Val. v. 121.
Sporer Jos. 160.
Stackeiberg Bar. v. 207.
Stadler Bened. 121.
Stanga Grf. 43 , 53 -
Staudinger 47.
Steer Frz. 93.
Sterzinger P. 93, 114.
Stett Peter 156.
Stieve Fel. 265.
Stoyberer 198.
Stralnfelss Th. v. 258.
Strobl J. B. 155.
Stubenrauch Maxim. Nep.
v. 81, 84, 86, 117.
Suidger 1, 4, 13.
Sulzer Jos. Frdch. v. 207,
208, 209, 225, 226, 231,
232, 238, 244, 245, 247,
249.
Sutor Joh. P. 112, 159.
Sybel 75, 76.
Tacitus 3.
Tarvis 193.
Tassilo 2, 4, 5, 11, 12, 14, 17.
Tasso Torquato 122.
Tattenbacli Grf. 62, 222.
Tauentzien Gf. v. 215, 227.
Taxis 83.
Terer Frz. Xav. 126.
Theoderich Graf 6.
Theodosius 8.
Theuderich I. 1.
Theudibert 1.
Thugut 60, 61, 75, 208, 213,
221.
Thuille F. J. 145.
Tilianus 13.
Tintoreto 122.
Torne 92, 157.
Törring-Gronsfeld Gf. 65.
Törring-Jettenbach, Eman.
Grf. v. 80.
Troyer 18, 23, 45 -
Tücher von 47.
Turenne 40, 42.
Turmaier s. Aventin.
Uz Joh. Pet 110, 159.
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26
Register.
Valkenier 47.
Vanni 110.
Verinhar 7, 9, 15.
Vieregg Grf. v. 63, 209,
210, 2i 1, 250.
Vierling Alb. 14.
Vieuxfum6 Jak. 34, 37, 42,
43 -
Vitry Herzog v. 18, 40.
Vivenot 75, 76.
Vivien de St. Martin 14, 16.
Vötter Joh. Paul 117.
— Witwe 135.
Vukassowitsch v. 207.
Waitz Gg. 13.
Walacho 16.
Waldstein Gf. v. 192.
Walujew 243.
Waohard 10.
Wamar s. Werinhar.
Wartensleben Grf. 57.
Wassmann v. P. 114.
Weichs Frh. v. 65.
Weidmann 105.
Weise Chr. F. 159.
Weishaupt Ad. 108, 158.
Weissenhahn 153, 162.
Welte 127, 160.
Werinhar s. Verinhar.
Werinliard 10.
Wernhar 11.
Westenrieder h . v. 77, 82,
83,88, 93, 112, 120, 124,
126, 129, 145, 146, 149,
150, I5i> 152, 153* 154,
155, 156, 157, 160, 161,
162.
Westermeier Gg. 155.
Wetzer 127, 160.
Whitworth 219, 226, 249.
Wiekenburg Ant. Gf. v.
206, 207.
Wickham 248.
Wider Ferd. 156.
Widmann 43.
Wieland 130.
Wikihalm 10.
Wilhelm IV., Herzogv.B.78.
Wilhelm V., Herzog v. B.
78,254, 256, 259,264.
Wilhelm, Herz. v. Birken¬
feld 209, 215, 217, 218,
219, 220, 221, 222, 223,
224, 225, 226, 227, 228,
229, 2?o, 231, 232, 233,
234,235.236,237,238,
239. 241, 244, 248, 249,
250. 251, 252, 253.
Wilhelm I., Kg. v. Württ.
212.
Winckelmann 107, 158.
Windisch-Grätz Frh. v. 183.
Winthir hl. 142, 143.
Wisger Joh. Gg. 109, 159.
Wittenbach 18, 23, 45.
Wittmann 13.
Wolf gang, Bischof 10.
Wolfgang Wilhelm von Pf.
Neub. 255, 256, 257, 259,
261, 264, 265.
Woronzow Romanowitscli
232, 242.
Wundisch 43, 53.
Würdinger 46.
Wurmser 56, 59, 75.
Zacco Gf. 54.
Zanchi 110, 159.
Zaupser And. 101, 119, 155,
161.
Zeil und Trauchburg Fd.
Christ. 81, 156.
Zeuss 13.
Zignani Carlo 110, 159.
Zurlaube 53.
Zwiedineck-Südenhorst 45.
Berichtigungen zu den Anzeigen des ersten Heftes.
S. 17 Z. 13 v. u. lies:
S. 17 Z. 9 „ „ „
S. 17 Z. 8 „ „ „
S. 17 Z. 7 „ „ „
S. 17 Z. 6 „ „ „
S. 18 Z. 23 v. o. „
S. 18 Z. 29 „ „ „
S. 18 Z. 35 I» ?» M
S. 18 Z. 40 „ „ „
S. 18 Z. 17 V. u. ,,
S. 19 Z. 9 „ „ „
S. 19 Z. 6 ,, ,, ,,
germanischen
den
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in Aquitanien heim,
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statt germanisierten
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„ Rolannt
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„ hier
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„ in Aquitanienheim
„ Rigeta
„ denen
„ vole.
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zur
(Seschichte Jlayerns.
Heraasgegeben
(
l-
Karl von f^einhardstöttner..
^ VII. Band.
Berlin.
Verlag von Hugo Bermühler.
1899-.
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Alle Rechte Vorbehalten.
Druck von Dr. Datterer & Cie.. <». in. l>. H.. München.
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Inhaltsangabe.
Seit«
1. Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern und seine Ver¬
waltung im siebzehnten Jahrhundert. Von Haus Ockel, Dr. phil. in Mönchen i
2. Sitfiitäts'wesen in der kurbayerischen Armee nach dem dreissigjährigen Kriege bis
//um Tode des Kurfürsten Max Emanuel (1649— 1726). Von *j* Leonhard
/Winkler, k. b. Major z. D. (im k. b. Kriegsarchiv) zu München . . . . 36
3. Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentum Bayreuth über die Napoleo-
nisclie Kriegskontribution und die anderen Kriegslasten. Von Ludwig Fahrm-
bacher, kgl. Regierungsdirektor in Bayreuth .49
4. Faschingsschlitteiifahrten bayerischer Studenten. Von Professor D r. Karl von
Rein hardstoettner, Dozenten an der k. t. Hochschule zu München . . 37
5. Bayerische Briefe III. Mitgeteilt von D r. Ludwig Geiger, Professor an der
kgl. Universität Berlin .67
6. Die Seidenzucht in Bayern. (Zweite Periode. Fortsetzung. München.) Von
D r. Karl Otto Harz, o. ö. Professor an der tierärztlichen Hochschule in
München . 102
7. Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Ö x 1 . (I. Ausgewählte Aktenstücke.) Von
Professor Dr. Michael Döberl, Privatdozenteu der Geschichte an der kgl.
Universität M ü n cli e n .134
S. Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. (1657—1659. Zwei Jahre
reichsständischer Politik.) Von Karl Lory, Dr. phil. in München . . . . [65
9. Hin unbekannter Brief Weste 11 rieders. Mitgeteilt von Dr. Karl Theodor
von Heigel, o. ö. Professor an der kgl. Universität, I. Vorstande des histo¬
rischen Seminars, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München . 245
10. Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. (II. Darstellung.) Von Professor
1 ) r. Michael Döberl, Privatdozenteu an der kgl. Universität München . 247
11. Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765. Von Dr. Karl
Brunner, gr. Archivassessor am Generallandesarchiv in Karlsruhe . . . 301
12. Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz. Von D r. K a rl
Brunner, gr. Archivassessor am Generallandesarchiv in Karlsruhe . . . 309
13. Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. Von Ludwig Fahrm-
bacher, kgl. Regierungsdirektor in Bayreuth.314
14. Kleinere Mitteilungen.
Des Regensburger Rektors Zippelius Bemühungen für die deutsche Sprache.
Von Dr. Karl von Rein hardstoettner. I. — Bayern und seine Haupt¬
stadt im Lichte von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen. VI. Von
I) r. Karl von Rein hardstoettner. III.
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Inhaltsangabe.
15. Anzeigen und Besprechungen.
H. Arnold, Unter General von der Tann. 6*. — Gg. Blössner, Geschichte
der Georgskirche in Amberg. 8*. — F. J. Bronn er, Bayerisch Land und Volk.
1 u. 2. 1*. — A. Dreselly, Marterln, Grab-u. Hausinschriften. 8*. —A. Dürr¬
wächter, Der Füssener Totentanz und sein Fortleben.' 11*. — J. Fried¬
rich, Ignaz von Döllinger. Erster Band. 7*. Zureiter Band 9*. — H. Haupt,
Die alte Würzburger Burschenschaft 1817—33. 2*. -- Th. Henner, Altfränkische
Bilder mit erläuterndem Text. 11*. — Th. Kolde, Beiträge zur bayerischen
Kirchengeschichte. Vierter Band. i*. — J ahresbericht der Geographischen
Gesellschaft in München für 1896 und 1897. 8*. — O. Kronseder,
Christophorus Hoffmann, genannt Ostrofrankus. 10*. — j. Praun, Die Kaiser¬
gräber im Dome zu Speyer. 10*. — G. Ratzinger, Forschungen zur bayerischen
Geschichte. 5*. — F. Stein, Die Urgeschichte der Frauken und die Gründung
des Franken reiches durch Chlodwig. 6*.
Erklärung von F. S. Rom stock. 2*. — Erwiderung von Dr. K. von Rein¬
hard s t o et tn er. 3*.
B e r i c li t i g u n g e n. 12*.
16. Register zu Band VII.
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern
und seine Verwaltung im siebzehnten Jahrhundert.
Von
Hans Ockel.
^jjjjCinen Beitrag zur Geschichte der inneren Politik des Kurfürsten
Ferdinand Maria von Bayern durch die Darstellung seiner Salzhandels¬
politik zu liefern, klar zu legen, in wie weit Bestrebungen und Vorgänge auf
wirtschaftlichem Gebiete die äussere Politik beeinflusst haben, w r ar die ur¬
sprüngliche Absicht des Verfassers. Allein bei der Ausführung stellten sich
ihm mannigfache Schwierigkeiten entgegen. Erstens fühlte er sich nicht hin¬
reichend geübt, aus dem in reicher Fülle gebotenen, aber teilweise ungeordneten
und oft in den Hauptpunkten lückenhaften Material der Münchener Archive
das Wertvolle herauszufinden und zw r eckmässig zusammenzustellen. Sodann
machte sich der Mangel jeglicher Vorarbeit fühlbar.
Im Vergleiche mit der grossen historischen Bedeutung des Salzwesens
— es sei hervorgehoben, dass nicht nur die Salzgewinnung zu den ältesten
Lebensäusserungen unserer Volkswirtschaft gehört und die räumliche Ver¬
teilung der Produktionsstätten schon frühzeitig einen Handelsverkehr hervor-
rufen musste, sondern auch die Entwickelung des Salzwesens vielfach typisch
ist für die Gestaltung der wirtschaftlichen Zustände überhaupt — ist die
Zahl der Arbeiten, die sich mit den einschlägigen bayerischen Verhältnissen
beschäftigen, gering. Zum Teil sind es Einzeluntersuchungen, die nur spezielle
Zw r eige behandeln, während die zusammenfassenderen Abhandlungen mehr
oder minder ausschliesslich nur die Zeiten des Mittelalters berücksichtigen
oder, wenn sie auch bis in die neuere Zeit hineinreichen, doch kein Bild der
damals bestehenden Verhältnisse geben. 1 ) Die in Betracht kommenden Dar¬
stellungen der Handelsgeschichte 2 ) bringen, wie die einschlägigen staats¬
rechtlichen Werke, 8 ) nur kurze Notizen. Auch in Freybergs Geschichte der
bayerischen Gesetzgebung und Staatsverwaltung 4 ) sind die das Salzwesen be¬
treffenden Abschnitte nur dürftig und nicht genügend. Die Entstehung des
bayerischen Salzmonopols, sowie seine Bedeutung sow r ohl für das Salzwesen
als für das gesamte staatliche Leben ist nirgends berücksichtigt worden.
Dies bestimmte denn den Verfasser, seinen ursprünglichen Plan zu
ändern. Der nun vorliegende Versuch w T ill als ein Beitrag zu der fast gänzlich
vernachlässigten bayerischen Wirtschaftsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts
die Grundlage für weitere Forschungen auf dem Gebiete des Salzwesens
während jener Zeit schaffen, indem er die Entstehung des landesherrlichen
Bayer. Forschungen VII, i i
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2
Hans Ockel
Salzmonopols und die Grundzüge seiner Verwaltung im 17. Jahrhundert dar¬
zustellen unternimmt
Das Quellenmaterial beschränkt sich, soweit es im Drucke vorliegt, im
grossen und ganzen auf zwei Werke, die „Sammlung des baierischen Berg¬
rechts“ von Lori (München 1764) und die urkundlichen Beilagen der ge¬
legentlich eines Streites zwischen Bayern und Salzburg gewechselten Streit¬
schriften, die, 1758 und in den folgenden Jahren verfasst, 1761 in zwei Folio¬
bänden gedruckt erschienen. 5 ) Aus diesen beiden lässt sich die Entstehung
des Salzmonopols zum grössten Teile verfolgen. Die Darstellung seiner Ver¬
waltung musste mehr auf archivalischem Material fussen. 6 )
I.
Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern.
I. Salzquellen und bayerische Absatzgebiete.
Von den im Südosten der deutschen Lande gelegenen Salinen verdient
Reichenhall sowohl wegen seines Alters als wegen seiner wirtschaftlichen
Bedeutung die erste Stelle. Die Ausbeutung der dort vorhandenen Salzquellen,
schon von den Römern betrieben, hatte die Stürme der Völkerwanderung über¬
dauert und unter der Regierung der bayerischen Herzoge aus dem Agilolfinger-
stamme bereits eine über den Kreis der örtlichen Umgebung hinausreichende
Bedeutung gewonnen. 7 ) Bei der Vermehrung und Erweiterung der Salz¬
produktion sstätteu während des 10. bis 12. Jahrhunderts 8 ) trat Reichenhall,
wie es scheint, zwar etwas zurück, doch lässt die Hartnäckigkeit, mit welcher
die Salzburger Erzbischöfe Bayern den Besitz dieser Saline streitig machten, 9 )
genugsam ihre Wichtigkeit erkennen. Das Reichenhaller Salz, wegen seines
reichen Gehaltes auch das „reiche Salz“ genannt, das in alten Zeiten auch
die Salzach und den Inn abwärts ausgeführt wurde, 10 ) errang sich im Laufe
des späteren Mittelalters im heutigen Oberbayern, in Schwaben und am Ober¬
rhein ein festes Absatzgebiet, welches bis in das 19. Jahrhundert bestehen
blieb. 11 )
Die in der Nähe gelegenen Salzbergwerke zu Hallein gehörten zu
dem Erzbistum Salzburg. Mögen dieselben immerhin schon in den Zeiten
der Karolinger in Betrieb gewesen sein, grösseren Aufschwung nahmen sie
erst in den folgenden Jahrhunderten. Das dortselbst erzeugte Salz, zum
Unterschiede von dem „reichen“ auch das „arme“ genannt, ging teils auf dem
Landwege nach Steiermark und Kärnten, teils dem Laufe der Salzach und
des Inn folgend W* also durch bayerisches Gebiet —- in das heutige Nieder¬
bayern, in die Oberpfalz, nach Franken und nach Böhmen. 12 )
Jüngeren Ursprungs ist die Ausbeutung der Salzlager bei Schellenberg
im Gebiete des freien Reichsstiftes Berchtesgaden, die erst im 12. Jahrhundert
entdeckt wurden. Die geographische Lage des Ortes wies die Ausfuhr dieses
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
3
Salzes auf dieselbe Wasserstrasse, die für das Halleiner Salz benützt wurde.
Es fehlte nicht an Versuchen Salzburgs, den Ausgang des Schellenberger
Salzes ganz zu verhindern, doch gelang es ihm nur, denselben derart einzu¬
schränken, dass alles von Schellenberg zu Wasser ausgeführte Salz ganz unter
das Halleiner gerechnet und mit demselben verkauft wurde. Ausserdem aber
wurde Schellenberger Salz auf dem Landwege nach Oesterreich und nach
Tirol gebracht. 13 )
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde im Berchtesgadischen die
Salzquelle zu Fronreut entdeckt. 14 ) Wie Bayern sich derselben versicherte,
wird im Laufe der Darstellung noch zu berühren sein.
An allen den genannten Salinen war Bayern in höherem oder in
minderem Masse interessiert Als Konsument musste es auf eine stete und
und wohlfeile Versorgung mit Salz bedacht sein; der Salzhandel, teils zur
Deckung des eigenen Bedarfs, teils Transithandel, war einer der wichtigsten
Zweige seines nationalen Erwerbslebens, während der Besitz der Produktkms-
stätte zu Reichenhall ihm ein Mittel grosser wirtschaftlicher Macht in die
Hand gab.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde der bayerische Salzhandel mehr und
mehr bedroht durch den Aufschwung der österreichischen Salinen im Traun¬
gebirge und dem Vordringen ihrer Produkte nach Böhmen. Im Norden traten
ihm das sächsische und thüringische, im Westen das Schwäbisch-Haller, das
lothringische und burgundische Salz entgegen. Eine gleich gefährliche
Konkurrenz wie im Osten ging im Süden von dem Salzwerk zu Hall im
Innthale aus, indem das dort erzeugte Salz neben dem Reichenhaller in den
schwäbischen und oberrheinischen Gebieten verhandelt wurde. 16 ) Im II. Ab¬
schnitt wird darüber eingehender berichtet werden.
2. Salzproduktion und Salzhandel in den Händen der Bürger und Städte.
Die Verfassung der deutschen Salinen im früheren Mittelalter lässt
sich bei dem Mangel an zusammenhängenden Nachrichten nur schwer im
einzelnen feststellen. 18 ) Im allgemeinen erscheinen sie als Pertinenz von
Grund und Boden im Eigentume eines Grundherrn. Das Bestehen eines
Salzregals lässt sich in Bayern während dieser Zeit noch nicht nacliweisen. ,7 )
Indessen war zu Reichenhall tliatsächlich der Herzog Herr der Saline. Von
diesem und neben ihm hatte eine Reihe anderer Grossgrundbesitzer des Landes,
vor allem Klöster, Anteile am Salzbrunnen und den Salinenwerken eigen¬
tümlich sich erworben, um auf diese Weise — ein Handelsverkehr hatte sich
noch nicht entwickelt — den Salzbezug für die Bedürfnisse ihrer Wirtschafts¬
gebiete sicher zu stellen. Eine dritte Art von Eigentum entstand dadurch,
dass da, wo der Betrieb wieder weiteren Personen überlassen war, bestimmte
Nutzungsrechte, Pfannen oder sonstige Werkanlagen in den Besitz dieser
Sieder übergehen konnten.
Die Produktion des Salzes wurde ursprünglich von den Grundherrn
auf eigene Rechnung betrieben. Doch wie diese im Laufe des 10. bis 12. Jahr-
1*
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4
Hans Ockel
hunderts überall die Eigenwirtschaft aufgaben und sich mit Rentenbezug be¬
gnügten, so überliessen sie auch den Salinenbetrieb gegen feste Geld- und
Naturalabgaben mehr und mehr ihren Arbeitern. Das Interesse, das diese
nunmehr an dem Erfolge ihrer Arbeit gewannen, führte sie aus der vielfach
zersplitterten Betriebsorganisation in einen genossenschaftlichen Verband zu¬
sammen, während zugleich ihr Zusammenschluss zur städtischen Gemeinde
ihre soziale Unabhängigkeit begründete. 18 ) 19 )
Erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts gestattet eine fortlaufende
Reihe überlieferter Nachrichten einen genaueren Einblick in die Entwickelung
des bayerischen Salzwesens.
Der Herzog galt als der oberste Herr der Saline zu Reichenhall. Wie
die Nutzung anderer Regalien, so waren auch die Rechte, welche aus dem
seit dem 11. Jahrhundert in Deutschland mehr und mehr zur Ausbildung ge¬
langten Salzregal entsprangen, auf ihn übergegangen. Worin diese aber be¬
standen ausser in der Anerkennung seiner mehr ideellen Oberhoheit, ob und
welche Abgaben er deshalb bezog, ist nicht bekannt, jedenfalls dürften sie nur
gering gewesen sein. 20 ) Die Anteilsrechte, welche einst die Grundherren des
Landes besessen hatten, hatten mit der Entstehung und Ausbildung des
Handels ihre Bedeutung verloren. Zur blossen Kapitalsanlage geworden,
gingen sie von einer Hand in die andere über, bis sie schliesslich meist in
den Besitz von Reiclienhaller Bürgern kamen. 21 ) So wurden diese faktisch
Eigentümer des grössten Teiles der Salzwerke, nachdem sie den Betrieb der¬
selben schon lange vorher übernommen hatten.
Die Bürger waren in der zweiten Hälfte des Mittelalters thatsächlich
die Herren der Saline. Schon im 12. Jahrhundert fühlten sie sich so selbst¬
bewusst, dass sie dem Erzbischof von Salzburg einen schuldigen Zehnten
verweigerten. 22 ) Das um das Jahr 1285 verfasste Urbar, in welchem die
Rechte und Nutzungen, die der Herzog in Reichenhall besass, aufgezeichnet
sind, stellte es ganz den Bürgern anheim, „wann sie arbeiten und sieden
wollten.“ Die Befehle, mit welchen 1329 und 1337 die Herzoge von Nieder¬
bayern, 1341 Ludwig der Bayer der Ausbreitung des Halleiner Salzes ent¬
gegentraten, wurden ausdrücklich auf Bitten der Stadt Reichenhall erlassen,
die sich durch die Konkurrenz in ihrem Erwerbe bedroht fühlte. 23 )
Die anfangs wohl gewählten, 24 ) später zu einem engen Kreise erb¬
rechtlich Privilegierter sich zusammenschliessenden Organe der vereinigten
Sudgenossen und Leiter des Betriebes, die Sieder, oder wie sie im 15. Jahr¬
hundert heissen, die Sudherren, erscheinen als Mitglieder des Stadtrat^s.
„Sieder und Gemeinde“ ist in Urkunden der Stadt Reichenhall gleichbedeutend
mit „Rat und Gemeinde.“ Ein Schiedsspruch des Herzogs Heinrich des
Reichen in einem 1452 ausgebrochenem Zwiste zwischen dem Rate und der
Bürgerschaft in Reichenhall bestimmte, dass die Siedherm im Rate bleiben
sollten, „als von alters Herkommen ist.“ 25 ) Nach einer Urkunde aus dem
Jahre 1465 betrug die Zahl der Sudherren damals zwölf. 26 )
Wie die Produktion des Reichenhaller Salzes so lag auch der Handel
mit demselben ganz in bürgerlichen Händen. Hatten früher die Grundherren
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 5
das ihnen zustehende Salz durch ihre Leute in ihre Wirtschaftsgebiete bringen
lassen, während Juden und andere Händler nur in geringem Umfange Salz
selbständig verhandelten, 27 ) so hatte im späteren Mittelalter der Handels¬
verkehr durch die Städte eine feste Organisation erhalten. In den einzelnen
Städten, welche infolge königlicher oder landesherrlicher Privilegien die Nieder¬
lagsgerechtigkeit besassen, musste alles dortselbst ein- und durchgehende Salz
in dem gemeindlichen Salzstadel niedergelegt werden. Nur Bürger der Stadt
durften den Salzhandel betreiben, aber auch sie waren gehalten, ihr Salz nicht
nur an bestimmten anderen Legstätten zu holen, sondern auch nur auf be¬
stimmten Strassen durch das Land zu führen. 28 ) Traunstein, Wasserburg,
Landshut, Ingolstadt, München, Landsberg, weiterhin Augsburg und Memmingen
waren die Handelsplätze für das Reichenhaller Salz.
Noch deutlicher lässt sich die bürgerliche Organisation beim Halleiner
Salzhandel verfolgen. 99 ) Hier kommt nur der Handel in Betracht, der von
Hallein aus nach und durch Bayern ging, die Wasserstrasse der Salzach und
des Inn benützend. Der Mittelpunkt des Salzschiffahrtsverkehrs war die salz¬
burgische Stadt Laufen. Hier sassen die Schiffsherren, die durch das Privi¬
legium des Erzbischofs Ladislaus vom Jahre 1267 das Recht hatten, dass nur
ihre Schiffe bei der Salzausfuhr gebraucht werden durften, 80 ) ferner die Ge¬
nossenschaften der „Ausfergen“, vierzig Laufener Bürger, welche durch das
Privileg des Erzbischofs Friedrich II. vom Jahre 1278 allein berechtigt
waren, das Salz auf den Schiffen der Schiffsherren zu verfrachten. Sie teilten
sich in die „Erbausfergen“, die es von Hallein nach Laufen, und die „Erb-
naufergen“, die es von da bis nach Passau brachten. 81 )
Der Handel selbst lag in Händen der Städte Hallein, Laufen, insbe¬
sondere aber Burghausen und Passau. Von Burghausen aus ging das Halleiner
Salz über Land nach Oetting; 39 ) in regem Verkehr mit Passau stand Regens¬
burg. 38 ) Um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts wussten auch die
Schärdinger, innere Wirren in Passau klug benützend, sich Anteil am Halleiner
Salzhaudel zu erringen. 34 )
Ursprünglich scheinen einzelne Bürger, die sich in Zünfte aneinander¬
schlossen, den Handel auf eigenes Risiko betrieben zu haben. Mit der Zeit
gerieten die einzelnen immer mehr in Abhängigkeit von den Zünften, die
Zünfte unter den Einfluss der Stadtverwaltungen, bis diese im Laufe des
15. und 16. Jahrhunderts den Salzhandel auf die Rechnung der Stadt über¬
nahmen. 85 )
Diejenigen Bürger, welche im Aufträge eines Einzelnen, der Zunft oder
der Stadt die Spedition des Salzes von Hallein aus besorgten, hiessen „Fertiger.“
Als ständige Kommissionäre oder „bestellte Ausrichter“ in Laufen hatten sie
sich dortige Bürger verpflichtet, die sogenannten „Meisterknechte. 36 ) 1441 er¬
scheinen zwölf Bürger von Passau und zwei von Burghausen als Fertiger in
diesen Städten. 37 )
.Itn Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die ziemlich verwickelten Ge¬
bräuche und Ordnungen, welche sich im Salzhandels- und Schiffahrtsverkehr
auf Salzach und Inn herausgebildet hatten, wiederholt aufgezeichnet Sie sind
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6
Hans Ockel
erhalten in dem Rezess von 1531 und den Schiffordnungen von 1569 und
1581 88 ). Die Fertiger von Burghausen Hessen ihr Salz durch die Ausfergen
in Scheibfahrteu ausführen, und zwar unter normalen Verhältnissen von Georgi
bis gegen Weihnachten täglich deren fünf; im übrigen erfolgte die Ausfuhr
„meisterweis“, d. i. in Hallfahrten, und zwar wechselten die Fertiger der ein¬
zelnen Städte mit der Spedition in ganz bestimmter Reihenfolge (im „ordent¬
lichen Umgang“) mit einander ab. 39 ) In der Schiffordnung von 1581 sind
fünf Bürger von Hallein, zwei von Laufen und sieben von Passau als solche
Fertiger aufgeführt.
Das bürgerliche Element hatte dem Salz wesen seiner Zeit neues Leben
eingehaucht. Die ehemals in viele Einzelbetriebe zersplitterte Produktion hatte
durch die genossenschaftliche Vereinigung der Salzarbeiter die nötige Zen¬
tralisation erhalten. Aufs engste mit dem Salinenbetrieb verwachsen und mit
ihrer Existenz au denselben geknüpft, hatten die bürgerlichen Salzsieder das
grösste Interesse an der steten gedeihlichen Fortentwicklung der Werke. Die
Städte verbreiteten das Produkt über den früher mehr oder minder beschränkten
Kreis der lokalen Umgebung hinaus weit über das Land hin und verschafften
ihm vermehrten und dauernden Absatz in den nunmehr sich bildenden festen
Absatzgebieten.
Neben den Vorzügen zeigte die bürgerliche Verfassung des Salzwesens
aber auch nicht zu unterschätzende Mängel. Die Produktion, zwar einheitlich
betrieben, entbehrte doch einer einheitlichen energischen Leitung; die städtischen
Kommunen bedurften einer Gewalt, die sie in ihren Rechten schützte und mit
kraftvoller Hand unterstützte, und das um so mehr, je mehr ihr Handel sich
in fremde Gebiete erstreckte. Diesen Mängeln abzuhelfen war die während
des 14. und 15. Jahrhunderts in stetem Ringen mit widerstrebenden Elementen
erstarkende Macht der Landesherren berufen.
3. Übergang der Salzproduktion zu Reichenhall und des Reichenhaller
Salzhandels in die Hände des Herzogs.
Die bayerischen Herzoge haben, wie oben bemerkt, auch zu den Zeiten
der Blüte des Bürgertums ihr Obereigentumsrecht an der Saline zu Reichen¬
hall nie ganz aufgegeben und bezogen wohl auch noch Abgaben und Gefälle
von derselben. 40 ) Als Inhaber der Maut- und Zollstätten hatten sie grosses
Interesse an der Gestaltung des Salzhandelsverkehrs und waren daher stets
bereit, die Salzproduktion und den Handel nach Kräften zu fördern.
Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts geriet das Reichenhaller Sudwerk
immer mehr in Verfall. Eine Reihe von Faktoren wirkte zusammen dahin:
die Landesteilungen und Bruderkriege der Herzoge, die Pest, allerlei Brand-
und Wasserschäden, wohl auch Streitigkeiten innerhalb der städtischen Ge¬
meinde, 41 ) nicht minder aber die obenberührten Mängel der bürgerlich-genossen¬
schaftlichen Organisation. Wiederholt machten die Herzoge Versuche, durch
Festsetzung des Salzpreises dem Übel zu steuern: 42 ) sie blieben ebenso ohne
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Die Entstellung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
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nachhaltige Wirkung wie die 1404 erlassene höchst merkwürdige Verordnung,
dass alle „Niderleg, Säz und Aynung von Salz wegen“ für zwei Jahre gänz¬
lich aufgehoben und der Handel mit Salz vollkommen frei sein sollten. 43 )
Immer mehr zeigte sich, dass die bürgerlichen Sudgenossen nicht mehr fähig
waren, allein die notwendigen Verbesserungen am Brunnen und den Salinen¬
werken durchzuführen. So übernahm es denn auf ihr Ansuchen die herzog¬
liche Regierung, den salzburgischen Werkmeister Erhard Hann von Zabern
für Reichenhall zu gewinnen, damit er dort eine von ihm erfundene Maschine
erbaue, mittels welcher das salzige Wasser von dem eindringenden süssen
gesondert und zu Tage gefördert werden sollte. 1440 war das Werk voll¬
endet, doch entsprach es auf die Dauer nicht ganz den Erwartungen, die
man darauf gesetzt hatte. 44 )
Noch mehr benötigten die Reichenhaller die Hilfe ihrer Landesherren
zur Abstellung eines weiteren Übelstandes, welcher auf die Salzerzeugung
hemmend einwirkte, des Mangels an Brennmaterial. Die zum Sudw r esen ge¬
widmeten Waldungen lagen zum grossen Teil auf salzburgischem Gebiete.
Wiederholt fällten erzstiftische Unterthanen in denselben unberechtigterweise
Holz. 1412, 1431, 1441, 1487 wandten sich die Herzoge auf Bitten des Rates
der Stadt mit entsprechenden Forderungen an den Erzbischof. 45 )
So hatte die landesherrliche Gewalt im Laufe des 15. Jahrhunderts
wiederholt Gelegenheit, in das Reichenhaller Sudwesen einzugreifen. Dabei
konnte sie allmählich zu der Einsicht kommen, dass die Rentabilität desselben
durch eine straffe Zentralisation wesentlich gesteigert werden möchte, eine
solche aber energisch und erfolgreich durchzuführen nur sie selbst imstande
sei. Zugleich bot sich ihr die lockende Aussicht, damit eine hochbedeutende
Quelle wirtschaftlicher Macht in ihren Besitz zu bekommen.
Derartige Gedanken mussten damals gleichsam in der Luft liegen.
Bis vor noch kurzer Zeit hatte in Hallein der herrschaftliche Salinen betrieb
bestanden. 46 ) Die benachbarten habsburgischeu Herrscher, die schon immer
dem Salzwesen grosse Aufmerksamkeit geschenkt hatten, kauften 1450 die
Sudwerke zu Aussee in Steiermark an, womit, wie es scheint, nunmehr alle
österreichischen Salinen herzogliches Kammergut geworden waren. 47 ) Im
Norden Deutschlands versuchten einzelne Landesherren mit grösserem oder
geringerem Erfolge ihren Einfluss auf die bereits bestehenden Salzproduktions-
stätten auszudehnen, so der Erzbischof von Magdeburg in Halle, oder wie
die sächsischen Fürsten eigene Salinen neu zu errichten. 48 ) Anderseits waren
Heinrich und Ludwig die Reichen, zu deren Gebiet Reichenhall ge¬
hörte, stets darauf bedacht, alle Finanzquellen des Landes nicht nur nutzbar,
sondern auch für sich selbst fruchtbar zu gestalten. 49 )
Als alle Versuche, den Rückgang des Sudwesens zu verhindern, ohne
dauernden Erfolg geblieben und in den Jahren 1487 und 1488 zu Reichenhall
so wenig Salz vorhanden war, dass man genötigt w r ar, Fuhrleute und Säiner
nach Hallein zu schicken, sandte Herzog Georg der Reiche zwei Räte
zur Untersuchung dieser Missstände ab. Es ergab sich, dass durch das Ein¬
dringen süsser Wasser in den Salzbrunnen die Sole allzusehr geringert wurde.
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Hans Ockel
Wohl fehlte es nicht an Plänen, wie das süsse Wasser abgeleitet werden
könnte, doch erklärten die Sieder, nicht imstande zu sein, die dazu nötigen
Summen aufzubringen. Zwar wurde ihnen noch einmal 1493 ein Preisauf¬
schlag bewilligt, doch schon im nächsten Jahre ging Herzog Georg daran,
die einzelnen Gewerksanteile allmählich an sich zu bringen. 1493 und in
den folgenden Jahren erwarb er durch Kauf fast alle Sieden oder wenigstens
deren Nutzung. 50 )
Im Zusammenhang damit vollzog sich der Übergang des Betriebes aus
den Händen der Bürger in die der Regierung. Bei dem Mangel an Nach¬
richten lässt sich dieser Prozess vorläufig nicht im einzelnen verfolgen.
Sicher ist, dass Herzog Albrecht IV. eine das Sudwesen regelnde Ordnung
erliess und unter ihm ein herzoglicher Salzmair den Betrieb leitete. 51 ) Im
Jahre 1509 wurden sodann zur Aufsicht über die Holzungen der Saline ein
herzoglicher Waldmeister und ein Holzschaffer aus den Bürgern von Reichen¬
hall bestellt, sowie eine ausführliche Wald- und Sudordnung erlassen. 52 )
Zugleich bemühten sich Georg der Reiche, Albrecht IV. und
Wilhelm IV. eifrigst um die Verbesserung des Salzbrunnens und der Werke. 58 )
Unter der Regierung des zuletzt genannten wurde zur Ableitung des süssen
Wassers 1524 bis 1532 der Grabenbach erbaut. Derselbe Fürst schloss auch
1529 mit Salzburg und Berchtesgaden Verträge ab, in welchen die strittigen
Holzschlagsrechte „auf ewig“ bestimmt wurden. Die Waldungen wurden in
Waldbüchern genau beschrieben und ihre Grenzen mit Marksteinen versehen. 54 )
Schliesslich brachte er 1528 auch noch die letzte der Sieden an sich, indem
er dieselbe dem Domkapitel von Salzburg und dem Kloster Salmansweiler um
800 Gulden abkaufte. 55 )
So war unter Wilhelm IV. eine Entwickelung zum vorläufigen Ab¬
schluss gekommen, welche dem Landesherrn eine hervorragende Finanzquelle
überlieferte. Sie ist das Produkt einer thatkräftigen, auf die Zusammenfassung
aller Kräfte des Landes gerichteten Politik, wie sie Ludwig und Georg
die Reichen in Niederbayern, Albrecht IV. in Oberbayern und später in
dem geeinigten Herzogtume trieb. Auf einem einzelnen Gebiete zeigt sich
hier eine Erscheinung, die sich im gesamten öffentlichen Leben jener Zeit
überall in Deutschland erkennen lässt.
Die Ansprüche der bayerischen Herzoge auf das Salzregal, das in der
goldenen Bulle den Kurfürsten ausdrücklich zuerkannt worden und noch im
Laufe des Mittelalters infolge gewohnheitsrechtlicher Übung 56 ) auf sämtliche
Reichsfürsten übergegangen war, hatten nunmehr einen realen Untergrund
erhalten. Aber auf der erreichten Stufe konnte die Entwickelung nicht stehen
bleiben. Nachdem die Regierung die Produktion übernommen hatte, musste
sie auch für den Absatz des Salzes in erhöhtem Masse Sorge tragen. Dem¬
entsprechend wurden die alten Salzausgangsordnungen alsbald durchgesehen,
aufs neue eingeschärft und im Laufe des Jahrhunderts wiederholt erneuert. 57 )
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde zu Froureut im Berchtes-
gadischen eine neue Salzquelle und auch Steinsalz entdeckt. Um sich vor
Konkurrenz zu schützen, versicherte sich die bayerische Regierung sofort dieser
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
Salzlager, indem sie am 15. November 1555 mit dem Stifte einen Vertrag
abschloss, in welchem dieses sich verpflichtete, alles in der neu zu errichtenden
Saline erzeugte Salz nur nach Reichenhall zu einem festgesetzten Preise zu
verkaufen. 1564 wurde dieser Vertrag in einigen Punkten abgeändert und
ergänzt, sowie eine Sudordnung vereinbart. 68 )
Es ist bekannt, dass im Laufe des 16. Jahrhunderts der bayerische
Hof in immer wachsende finanzielle Schwierigkeiten geriet. Zur Regelung
und Verwaltung der herzoglichen Finanzen wurde 1550 die Hofkammer ge¬
gründet. 69 ) Schon in der ersten Instruktion wurde ihr auch die Fürsorge
für das Salzsudwesen in Reichenhall eindringlichst ein geschärft 60 ) Im Jahre
1565 wurde sie weiter angewiesen, in den Kanzleien und Archiven sich auch
über die rechtlichen Verhältnisse beim Salzhandel zu orientieren, sodann über
die thatsächlichen Zustände sich zu unterrichten und zur Abstellung even¬
tueller Missstände thunliche Vorschläge zu machen. C1 ) Ebenso erhielten 1572
die Räte Keck und Ligsalz, die ganz besonders sich mit der Reorgani¬
sation des Finanzwesens befassen sollten, auch den Auftrag, nachzudenken,
ob und welche Verbesserungen im Salzwesen auf grund der bestehenden
Rechtsverhältnisse vorgenommen werden könnten. 62 ) 1578 und 1579 wurden
Instruktionen erlassen, welche den Absatz des Reichenhaller Salzes in den
bayerischen Städten regelten. 63 )
Neue Veränderungen bereiteten sich allmählich vor. Um sie ins Leben
treten zu lassen, bedurfte es des Druckes äusserer Verhältnisse und einer
energischen Persönlichkeit. Beides fand sich bald.
Die Finanznot der bayerischen Herzoge stieg immer mehr. Nicht
bloss die Freigebigkeit, mit welcher Albrecht V. für künstlerische Be¬
strebungen, Wilhelm V. für kirchliche Zwecke grosse Summen verausgabten,
nicht allein der Glanz der Hofhaltung war daran schuld: die Wurzel des
Übels lag tiefer. Der Staat war in der Umbildung aus feudalen zu modernen
Zuständen begriffen, Altes und Neues durchkreuzte und bekämpfte sich viel¬
fach; die Folge war Verwirrung und Unordnung auf allen Gebieten des
staatlichen Lebens. Um Ordnung zu schaffen und zu halten, bedurfte es des
klaren Blickes, der durchgreifenden Energie und der zähen Ausdauer eines
Maximilian I. 64 ) Indessen schon in die Zeit Wilhelms V. fallen die
Anfänge der Reform der bayerischen Finanzverwaltung; 66 ) die Neuorganisation
des Salzwesens, die Errichtung des landesherrlichen Salzmonopols gehört so¬
gar noch ganz der Regierung dieses Fürsten an. Sie war das Werk des
herzoglichen Kammermeisters Christoph Neuburger, der dasselbe trotz der
Erbitterung, die er dadurch im Lande gegen sich hervorrief, und trotz der
Launenhaftigkeit seines Herrn 66 ) zu Ende führte.
Auch hier wurde nicht plötzlich etwas ganz Neues geschaffen. In
Österreich hatte schon Friedrich IV. (III.) 1487 die Einfuhr von fremdem
Salz untersagt; Ferdinand erneuerte dieses Verbot und dehnte es auch auf
Steiermark und Kärnten aus. 67 ) Nur solches Salz, welches aus den fiskali¬
schen Salinen stammte, durfte verhandelt werden. 1562 übernahm er selbst
den Salzhandel in Schlesien und liess ihn durch seine Kammer verwalten. 68 )
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Hans Ockel
In Brandenburg wurde 1560 der Handel mit fremdem Salz verboten, 1583
übernahm Kurfürst Georg die Versorgung seines Landes mit Salz von
13 Niederlagern aus auf eigene Rechnung, 69 ) und auch der Kurfürst August
von Sachsen war bestrebt, den grossen Gewinn, welchen der Salzhandel ab¬
warf, seiner landesherrlichen Kasse zukommeu zu lassen. 70 ) In gleicher Weise
drängte in Bayern die angedeutete Entwickelung, die immer mehr hervor¬
tretende Einmischung der Herzoge schliesslich darauf hin, dass diese selbst
den Salzhandel in die Hand nahmen, was um so leichter geschehen konnte,
als derselbe in den einzelnen Städten bereits den Charakter eines obrigkeit¬
lichen Monopols hatte.
Gegen das Ende der achtziger Jahre vollzog sich dieser Übergang.
Fehlt es auch vorläufig noch an Material, den Prozess genau zu verfolgen,
so lässt sich doch wenigstens so viel ersehen, dass die Niederlagsgerechtig-
keiten den einzelnen Städten allmählich abgekauft wurden. Die städtischen
Legstätten wurden in herzogliche Salzämter, die bürgerlichen Fertiger in fürst¬
liche Beamte umgewandelt. 1588 scheint der Reichenhaller Salzhandel bereits
ganz im Besitze des Herzogs gewesen zu sein . 71 )
Zu gleicher Zeit suchte die bayerische Regierung den sehr bedeuten¬
den Salzhandel der freien Reichsstadt Augsburg von dort weg nach, dem
neuen Salzamt Friedberg zu verlegen. Entsprach auch der Erfolg nicht den
Erwartungen, so wurde doch die Lebensfähigkeit dieser neuen bayerischen
Legstätte in der Nähe jenes alten Handelsplatzes gesichert. 72 ) Schliesslich
tauchte nunmehr auch das Projekt auf, Bayern in der Salzversorgung vom
Ausland unabhängig zu machen und das Reichenhaller Salz auch in die Ge¬
biete des Landes einzuführen, in denen bisher das Halleiner verhandelt wurde.
Der Ausführung des Planes, wie das arme Salz allmählich ganz aus Bayern
verdrängt werden möchte, näher zu treten, wurde die Hofkammer in der In¬
struktion vom 19. August 1591 besonders angewiesen. 73 ) Indessen mag sich
die Regierung bald von den Schwierigkeiten eines derartigen Unternehmens
überzeugt und wohl gerne damit begnügt haben, wenigstens die freie
Verfügung über das nach und durch Bayern gehende Halleiner Salz zu er¬
halten. Dies geschah durch den baverisch-salzburgischen Vertrag von 1594.
Vor Besprechung desselben aber ist es nötig zu sehen, wie auch im Halleiner
Salzhandel die bayerischen Herzoge ihren Einfluss immer mehr geltend zu
machen wussten.
4. Übergang des Halleiner Salzhandels in Bayern in die Hände des Herzogs.
Hand in Hand mit der Erwerbung der Reichenhaller Saline ging eine
stärkere Einmischung der Herzoge in das Halleiner Salzwesen. Den Anlass
dazu boten die von Salzburg erhobenen Aufschläge. Nachdem das Erzstift
1458 zur Erhebung eines Salzzolles ein kaiserliches Privilegium erhalten hatte,
erwirkte es sich im Jahre 1485 ein neues, wodurch der Preis des Halleiner
Salzes abermals verteuert wurde. 74 ) Da der Handel zu stocken anfing, ver¬
langten die Herzoge Georg von Niederbayem und Albrecht von Ober-
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmouopols in Bayern etc. 11
bayern sofort von dem damaligen Administrator des Erzstiftes Johann Gran *
die Beseitigung des Aufschlages, der ihnen selbst merklichen Schaden an
Mauten und Zöllen verursache und ihren Unterthanen sehr beschwerlich sei.
Aber erst als Georg mit Gewaltmassregeln vorging und die salzburgische
Exklave Mühldorf besetzte, liess sich jener zu einer Verständigung herbei.
Gegen eine Geldentschädigung gab sodann der Herzog seine Einwilligung zur
Erhebung des Aufschlags, doch nur für Lebzeiten des Administrators. 75 ) Die
Interessen seiner Unterthanen wahrte er dadurch, dass er auf dem Tage von
Braunau im Jahre 1488 durchsetzte, dass zur Beratung einer neuen Sudordnung
für Hallein auch bayerische Räte zu gezogen wurden, 70 ) wie er auch 1493 auf
einer zu Neumarkt gehaltenen Abrede durch seine Abgesandten fordern liess,
dass der Erzbischof den Burghausern 16 seiner Schiffe für die Salzausfuhr
zur Verfügung stelle. 77 ) Die thatkräftige, durchgreifende Politik eines Georg
des Reichen und Albrecht IV. offenbart sich wie, im Reichenhaller Salz-
wesen so auch hier.
Der ersten sogenannten Aufschlagsirrung folgten bald weitere. 78 ) Inte¬
ressant ist zu beobachten, wie dabei die bayerische Regierung immer mehr
an Einfluss gewann und ihre Position befestigte.
Als 1508 das Erzstift durch zwei Überschwemmungen stark geschädigt
worden war und der Erzbischof abermals einen Aufschlag erheben wollte,
setzte die bayerische Regierung es wiederum durch, dass ihre Zustimmung
eiugeholt wurde. 79 ) Zwar versuchte man zu Salzburg ohne Vorwissen und
das Einverständnis Bayerns den Salzpreis noch mehr zu erhöhen, doch erhob
nunmehr auch die damals zu grosser Macht gekommene bayerische Landschaft
dagegen Beschwerde. Auf ihr Betreiben protestierten die Herzoge Wilhelm
und Ludwig 1516 in Salzburg, 80 ) allein erst 1525 wurde der Konflikt bei-
gelegt, indem Bayern gegen anderweitige Entschädigungen seine Einwilligung
gab. 81 ) Im Jahre 1529 suchte Erzbischof Matthäus aufs neue um die Zu¬
stimmung Bayerns zur Erhebung eines Salzaufschlages nach. Erst nach
längeren Unterhandlungen fand sich dieses dazu bereit und nicht anders als
gegen die Ausstellung eines Reverses, in welchem Erzbischof und Domkapitel
ausdrücklich bekannten, dass die Bewilligung nur auf Widerruf vonseiten der
Herzoge und ihrer Nachkommen gestellt sei. 82 ) Solche Reverse musste
Salzburg in der Folgezeit bei Einführung jedes neuen Aufschlags wieder
ausstellen. 88 )
Indem Bayern auf solche Weise jedesmal sich zu sichern wusste, bildete
sich die Anschauung von einem Rechte der bayerischen Herzoge, den Salzpreis
in Hallein mitzubestimmen. Während man in Salzburg behauptete, denselben
nach eigenem Ermessen festsetzen zu können, machten jene geltend, weil das
Halleiner Salz besonders durch Bayern ausgeführt werde, dürfe ohne ihr Vor¬
wissen und ihren Willen eine Änderung im Preise desselben nicht vorgenommen
werden. 84 ) Durch die Schriften der folgenden Jahrhunderte zieht sich der Streit
um dieses Recht hindurch. Für dasselbe lässt sich lediglich das eine anführen,
dass in einer Reihe von Fällen thatsächlich die Erhöhung des Salzpreises
im Einverständnis mit Bayern erfolgte. Dass nur in der gewohnheitsmässigeu
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Haus Ockel
I 2
Ausübung der Grund des Rechtes zu suchen ist, geht daraus hervor, dass in
den ersten Fällen die Herzoge sich niemals auf Rechtstitel beriefen, sondern
nur von praktischen Rücksichten sich leiten Hessen. Vor allem wollten sie
keine Minderung ihrer Zolleinkünfte; daneben machten sie auch das Wohl
ihrer Unterthanen geltend. Auch erinnerten sie wohl das Erzstift an die
Pflicht der Dankbarkeit: von den Herzogen begründet und reich begabt, dürfe
es diesen nicht Schaden zufügen. 85 )
In Salzburg empfand man es schwer, dass Bayern in der angedeuteten
Weise seinen Einfluss auf das Salzwesen ausdehnte. Jeder Erzbischof musste
sich vor seiner Wahl verpflichten, die Rückgabe des Reverses von 1529 zu
erwirken. 86 ) Ein Konflikt war unvermeidlich, als den erzbischöflichen Stuhl
Wolf Dietrich von Raittenau bestieg, ein Mann, der, die Erhöhung
seiner Kammereinkünfte rücksichtslos betreibend, kein Mittel und keinen
Widerstand in der Verfolgung seiner Ziele scheute. 87 )
Nachdem er noch 1588 die Einwilligung des Herzogs Wilhelm zu
eiuer Erhöhung des Salzpreises eingeholt und darüber einen Revers ausgestellt
hatte, versuchte er im folgenden Jahre eigenmächtig einen Aufschlag vor¬
zunehmen. Wohl musste er am 12. September 1589 abermals einen Revers
unterzeichnen, doch erhöhte er sofort wieder den Preis über das von Bayern
bewilligte Mass. Ein neuer Streit zwischen Bayern und Salzburg brach aus
der schliesslich durch die am 19. und 20. Dezember geschlossenen zwei
Verträge bei gelegt wurde. 88 )
In dem ersten gab Herzog Wilhelm V. seine Ansprüche auf, indem
er ausdrücklich anerkannte, dass ihm keinerlei Rechte bei dem Halleiner
Salzwesen zustünden, sondern allein der Erzbischof befugt sei, den Preis des
Salzes zu bestimmen. Jedoch war daran die Klausel gefügt, dass solches
zuvor dem Herzog mitzuteilen sei. Was man aber darunter verstand, geht
daraus hervor, dass man eine Konferenz von Räten beider Parteien, eventuell
ein Schiedsgericht, vorsah für den Fall, dass „beide mit ihren Bedenken nicht
zusammenkämen“ und sich nicht einigen könnten. Von salzburgischer Seite
wurde ferner zugestanden, dass die Erträgnisse aller Aufschläge, welche der
Erzbischof in Zukunft vornehmen würde, zur Hälfte au Bayern fallen sollten.
Der am folgenden Tage geschlossene Vertrag enthielt neben der Ein¬
willigung des Herzogs zur Erhebung des strittig gewesenen Aufschlags und
weiteren weniger bedeutenden Festsetzungen folgende höchst wichtige, bisher
noch gar nicht beachtete Bestimmung: Sollten die Herzoge über das Salz,
welches gewöhnlich durch die Bürger von Burghausen ausgeführt wird, täglich
eine, zwei oder drei Scheibfahrten aüsführen wollen, so sollten sie solche
nach Möglichkeit gegen bare Bezahlung erhalten und „nach Gelegenheit und
durch wen sie wollen“, jedoch in der herkömmlichen Ordnung ausführen
lassen können.
Die neuen Momente, welche sich aus diesen zwei Verträgen vom
Dezember 1589 für die Entwickelung des bayerischen Salzweseus ergeben,
sind folgende: Bayern gab zwar seine Rechtsansprüche bei der Halleiuer
Saline, deren Geltendmachung immer auf den Widerstand Salzburgs gestossen
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
13
war, auf, hielt sich aber doch durch die angeführte Klausel die Möglichkeit
offen, in der Praxis bei Aufschlägen, die ihm gefährlich oder schädlich er¬
scheinen mochten, seine Interessen zu wahren. Indem es die Hälfte der aus
den Aufschlägen fliessenden Einnahmen zugesprochen erhielt, wurde es für
einen etwaigen Ausfall an seinen Zoll- und Mauteinkünften entschädigt Was
aber jene Bestimmung betrifft, welche dem Herzog die Freiheit gewährte, sich
selbst am Salzhandel zu beteiligen, so steht diese in engem Zusammenhang
mit den damaligen Plänen der Regierung. Sie wollte nicht nur den ganzen
Salzhandel im Inlande in ihre Hand bekommen, sondern war auch darauf
bedacht, wie den Salzhandel Augsburgs nach Friedberg zu ziehen, 89 ) so auch
wenigstens einen Teil des grossen Gewinnes, welchen Regensburg und Passau
aus dem Salzhandel nach Böhmen hatten, an sich zu bringen. 90 ) St Nikolaus
vor Passau und Vilshofen sollten die Ausgangspunkte für den neuen Salz¬
handelsverkehr nach Böhmen werden. Der angeführte Artikel sollte die Durch¬
führung dieser Pläne ermöglichen.
Das im Anfänge der neunziger Jahre auftauchende Projekt, das Halleiner
Salz ganz aus Bayern zu verdrängen, wurde bald wieder fallen gelassen. Man
konnte mit den bestehenden, durch altes Herkommen fest gegründeten Ver¬
hältnissen nicht brechen; auch floss mit der im Vertrag von 1589 Bayern
zugesprochenen Hälfte der Aufschläge jährlich eine nicht unbeträchtliche
Summe der Staatskasse zu. 91 ) Als aber trotzdem die Geldnot stieg und
neue Steuern notwendig wurden, forderte 1593 die Regierung von der Land¬
schaft deren Zustimmung, von jeder Scheibe Salz, die im Lande verbraucht
werde, einen Aufschlag von 24 Kreuzer erheben zu dürfen, ähnlich wie seit
1543 der Konsum einiger anderer Lebensmittel besteuert wurde. Die Stände
gaben auch ihre Einwilligung, jedoch mit dem Vorbehalt, dass, wenn nach
12 Jahren sich zeigen werde, dass dieser Aufschlag 100000 Gulden nicht
ertrage oder zu beschwerlich sei, man sich über andere Mittel vergleiche. 92 )
Die Einführung dieses Aufschlags gab Anlass zu neuen Zwistigkeiten
mit Salzburg, welches nunmehr auf grund des Vertrages von 1589 betreffs
der Teilung der Aufschläge die Hälfte der Erträgnisse beanspruchte, während
Bayern mit Recht behauptete, dass jener Vertrag nur von den „bei der Wurzen“
vorgenommenen Aufschlägen gelte.
Nach lebhaften Auseinandersetzungen 93 ) einigte man sich endlich am
22. November 1594 zu einem neuen Vertrage, der einen Hauptmarkstein in
der Geschichte des bayerischen Salzwesens bildet. 94 ) In demselben übertrug
Erzbischof Wolf Dietrich für sich und seine Nachfolger den ganzen Handel
des liällingischen Salzes zu Wasser, wie ihn bisher der Herzog, sowie die
Städte Burghausen, Schärding und Passau gehabt, dem Herzog und seinen
Nachkommen. Dieser verpflichtete sich, alles Salz, das bisher die genannten
Städte abgenommeu, in der herkömmlichen, in einzelnen Punkten näher spezi¬
fizierten Weise auszuführen. Ein bestimmter Kaufpreis von 86 Gulden für
die Hallfahrt, 88 Gulden für die Scheibfahrt wurde vereinbart; eine Steigerung
sollte der Erzbischof nur dann vornehmen dürfen, wenn das österreichische
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Hans Ockel
Salz im Preise stiege, aber auch daun nur bis zur Hälfte des österreichischen
Aufschlags. Der Handel zu Land verblieb dem Erzstift.
Mit diesem Vertrage gewann die herzogliche Regierung eine ähnliche
Stellung wie seiner Zeit durch die Übernahme der Salzproduktion in Reichen¬
hall, insofern sie nämlich die Verfügung über das nach und durch Bayern
kommende Salz erhielt.
Es ist nicht zu leugnen, dass damit ein Eingriff in fremde Rechte ge¬
schah, indem die bisherigen ersten Abnehmer des Halleiner Salzes plötzlich
vom Handel ausgeschlossen wurden. So erhoben denn auch Passau und das
mit demselben in engsten Verkehrsbeziehungen stehende Regensburg sofort
Beschwerde beim Reichskammergericht. Doch da bei dem schwerfälligen
Geschäftsgang dieses Gerichtshofes die Entscheidung allzu lange auf sich
warten liess, zogen die genannten Städte es vor, 1608, beziehungsweise 1615,
sich gütlich mit Bayern zu vergleichen. 95 )
Auch mit den eigenen Städten, welche bisher den Handel mit Halleiner
Salz betrieben hatten, insbesondere mit Burghausen, musste sich die bayerische
Regierung auseinandersetzen. Was sie schon sechs Jahre früher geplant hatte,
wie den Reichenhaller so auch den Halleiner. Salzhandel den Städten abzu¬
nehmen und an sich zu bringen, 96 ) kam jetzt durch den Hofkammermeister
Christoph Neuburger zur Ausführung. Die Handelsgerechtigkeiten wurden den
bisherigen Inhabern allmählich abgekauft. So erhielt Burghausen dafür eine
jährliche Rente von 400 Gulden; der Stadt Schärding wurden 300 Gulden
jährlich und einige andere Vorteile zu gesichert. 9 ')
Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts war der ganze bayerische Salz¬
handel dank der Thätigkeit Neuburgers in die Hände des Landesherrn
übergegangen. 98 ) Die Einfuhr und der Verkauf von fremdem, nicht von der
herzoglichen Regierung geliefertem Salz wurde aufs strengste verboten: 90 ) das
landesherrliche Salzmonopol war begründet.
Was in Bayern nach dem Vorbilde Österreichs noch im 16. Jahrhundert
durchgeführt wurde, fand im folgenden Jahrhundert auch in den norddeutschen
Staaten allmählich Eingang. Indem so nicht nur die Salzproduktion, sondern
auch der Salzhandel an die Fürsten überging, erfuhr der Begriff des Salz¬
regals dahin eine Erweiterung, dass man auch ein ausschliessliches Recht der
Obrigkeit, Salz zu verkaufen, darunter verstand. 100 )
Die Entwickelung des landesherrlichen Salzmonopols ist nicht nur für
die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Bedeutung, .sie ist auch
von allgemeinem historischen Interesse als ein typischer Fall, wie die landes¬
herrliche Macht, anfangs politisch und wirtschaftlich schwach und besonders
von den bürgerlichen Elementen zurückgedrängt, die Mängel des allmählich
sich auslebenden Bürgertums klug benützend, auf allen Gebieten des öffent¬
lichen Lebens Schritt für Schritt vorwärts ging und die zersplitterten Kräfte
des Landes in ihre erstarkende Hand zusammenfasste, bis sie wie politisch
so auch wirtschaftlich zur uneingeschränkten Herrschaft gelangte.
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
15
II.
Die Verwaltung des bayerischen Salzmonopols
im 17. Jahrhundert.
I. Verwaltungsbehörden, insbesondere die Hofkammer. Bedeutung des Salz¬
monopols für den gesamten Staatshaushalt. Aufschläge.
Das Salz gehörte zu den fürstlichen Kamraergütern. Unter diesen
sind im Gegensatz zu den Kabinettsgütern, dem Privatbesitz des Fürsten,
nach Kreittmayrs Definition jene Güter zu verstehen, „welche der Landes¬
herr nicht titulo vel jure privato, sondern publico und als Landesherr zu
seinem und seines Hofes Unterhalt“ besass. 101 ) Ihre Verwaltung wie ihre
Verwendung war im Gegensatz zu den Steuern, welche von der Landschaft
erhoben, verwaltet und ihren Zwecken zugeführt wurden, l02 ) lediglich Sache
des Landesherrn.
Im 16. Jahrhundert war zur Leitung des herzoglichen Finanzwesens
eine eigene Behörde, die Hofkammer, gegründet worden. Schon in der ersten
Instruktion vom 18. Oktober 1550 wurde sie angewiesen, auch dem Salz¬
sieden zu Reichenhall besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die Rechnungen
der Salzmair zu revidieren und vor allem auch die zum Sudwesen gewidmeten
Waldungen zu überwachen. 108 ) Die Grundlage für die Verwaltung des Salz¬
monopols im 17. Jahrhundert bildet die Hofkammerordnung Maximilians I.
vom 12. Dezember 1608, auf welcher auch die weiteren Instruktionen von 1617
und 1640 beruhen. 104 )
Der Hofkammer wurde darin das „Prinzipal- und Hauptdirektoriura“
des ganzen Salzwesens ausdrücklich zugesprochen. 106 ) Fast mit denselben
Worten wie in den früheren Instruktionen 106 ) wurde den Räten die Be¬
förderung des Sudwesens in Reichenhall, die Fürsorge für die Waldungen
daselbst, die Kontrolle der Rechungen und die Aufsicht über die Beamten
eingeschärft Nicht geringeren Fleiss und Sorgfalt sollten sie auf das
Halleiner und Schellenberger Salzwesen verwenden, damit alles in guter
Ordnung erhalten, eventuelle Mängel rechtzeitig entdeckt und verhütet und
der Handel thunlichst befördert würde.
Um zu verhindern, dass bei der grossen Geschäftslast der Hofkammer
die Fürsorge für diesen wichtigen Zweig der Staatswirtschaft leide, wurden
drei Räte als eigene Referenten dafür aufgestellt, welche alle einlaufendeu
Berichte, Akte und Schreiben, die das Salzwesen betrafen, zuerst für sich
„absonderlich der anderen Kammerrät auf der Salzstuben, doch soviel immer
möglich und ohne Vernachteilung geschehen kann, ausser der gewöhnlichen
Ratszeit“ durchsehen, prüfen und darüber sich beraten sollten. Wenn sie
ein Gutachten untereinander vereinbart hätten, sollte die Sache unverzüglich
im Kollegium des Hofkammerrates „mit allen Umständen“ referiert werden,
wo sodann die endgiltige Beschlussfassung erfolgte.
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Hans Ockel
Für die Akten, welche das Salzwesen betrafen, wurde eine eigene
„Salzregistratur“ bei der Hofkammer errichtet 107 )
Die Hofkammer konnte aber nur die laufenden Geschäfte selbständig
erledigen. Alle wichtigeren Sachen hatte der Herzog, bezw\ Kurfürst bei der
Bedeutung des Salzmonopols für den Staatshaushalt seiner eigenen Ent¬
scheidung Vorbehalten. Insbesondere gehörte dazu die Einführung neuer
Aufschläge, die Aufhebung bereits bestehender, die Verhandlungen mit dem
Ausland, die Abschliessung von Handelsverträgen. In solchen Fällen hatte
die Hofkammer lediglich auf Verlangen Gutachten abzugeben, während die
Entscheidungen im geheimen Rat stattfanden, 108 ) jener obersten Behörde,
welche als der unmittelbare Rat des Fürsten meist unter dessen persön¬
lichem Vorsitz wie eine Art Oberministerium die letzten Entscheidungen
nicht nur in Fragen der äusseren Politik, sondern auch der inneren Ver¬
waltung traf. 109 )
Wie im Laufe des 17. Jahrhunderts in der Leitung der äusseren
Politik der geheime Rat allmählich von der nur aus wenigen Vertrauten des
Kurfürsten gebildeten geheimen Konferenz verdrängt wurde, so machte sich
auch in der inneren Staatsverwaltung eine ähnliche absolutistische Entwicke¬
lung bemerkbar. Unter Ferdinand Maria ging die Entscheidung über
die letzten Direktiven vielfach ganz in die Hände des Kurfürsten, bezw. des
allmächtigen Vizekanzlers Kaspar von Schmid über. Dieser unterhandelte
selbst mit den auswärtigen Händlern und Gesandten und schloss mit ihnen
Verträge ab. 110 ) Im Jahre 1673 wurde die Einführung eines Salzaufschlages
in einer Konferenz beschlossen, an welcher nur Schmid, der Hofkammer¬
präsident und Hofkammerrat Hei gl teilnahmen. Wie die Einführung, so
wurde auch die weitere Behandlung der Geschäfte nur wenigen Vertrauten
überlassen. 11 ')
So blieben der Hofkammer mehr die administrativen Geschäfte, die
Direktive lag beim Kurfürsten selbst.
Unter der Hofkammer standen die Rentämter, welche an den Sitzen
der Regierungen zu Landshut, Straubing und Burghausen die Finanzen, also
auch die Salzsachen, dieser Bezirke als Mittelbehörden verwalteten; im Rent-
amte München besorgte diese Geschäfte die Hofkammer selbst. Aussen-
behörden waren die Salzmairämter, welche die Produktion des Salzes leiteten,
und die Salzämter, welche den Verschleiss besorgten.
Die Erträgnisse des Salzmonopols wurden wie alle landesherrlichen
Einkünfte an die unter der Hofkammer stehende Staatskassa, das Hof zahl-
amt, abgeführt.
Eine „ansehnliche Gottesgabe und nicht das wenigste Einkommen
unseres Fürstentums“ nennt Maximilian I. in der Hofkammer-Instruktion
von 1608 das Reichenhaller Salzwesen. 112 ) In den Jahren 1650—63 betrug
der Gewinn, den dasselbe abwarf, durchschnittlich 97500 Gulden im Jahr. 113 )
Eine genaue Berechnung der Einkünfte aus dem Salzmonopol und des Ver¬
hältnisses derselben zu den gesamten Staatseinnahmen ist bei dem bisher
zur Verfügung stehenden Material vorläufig nicht möglich. Nach den Hof-
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols*in Bayern etc.
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zahlamtsrechnungeti betrugen zur Zeit Ferdinand Marias — also zu einer
Zeit, wo einerseits das Salzmonopol schon vollkommen ausgebildet war,
anderseits nicht Kriege oder sonstige Unternehmungen die Finanzen be¬
sonders in Anspruch nahmen — die Salzeinnahmen ungefähr den dritten
bis vierten Teil der Gesamteinnahmen, die Ausgaben für das Salzwesen un¬
gefähr den fünften bis siebenten Teil der Gesamtausgaben. Dabei ist aber
zu berücksichtigen, dass die erwähnten Hofzahlamtsrechnungen nur ein sehr
mangelhaftes Bild des Staatshaushaltes geben, und dass ferner einige Salz¬
ämter zunächst mit ihren Vorgesetzten Rentämtern abrechneten und diese
nur die Überschüsse, die sich aus ihrer Gesamtabrechnung ergaben, an das
Hof zahlamt ablieferten. 1 u )
Eine grosse Rolle spielten die Aufschläge. Da unter diesen Begriff
verschiedenartige Dinge befasst wurden, sei auf dieselben näher eingegangen.
Aufschlag bezeichnet im allgemeinen eine Erhöhung des durch das
Herkommen oder sonst wie fixierten Preises. Eine solche konnte aber zwie¬
fachen Ursprungs sein: entweder steigerte der Verkäufer den Preis seiner
Ware infolge erhöhter Produktions- und Transportkosten oder auch zur Er¬
zielung eines grösseren Gewinnes, oder es wurde von Obrigkeitswegen zur
Bestreitung öffentlicher Bedürfnisse eine indirekte Steuer auf eine Ware gelegt.
Letztere Art von Aufschlägen, Aufschläge im staatsrechtlichen Sinne,
bestanden, wie bereits erwähnt, seit 1543 in Bayern. Zu ihrer Erhebung war
die Regierung an die Zustimmung der Landstände gebunden. So wurde
auch der 1593 zur Verbesserung des herzoglichen Kammerguts eingeführte
Salzaufschlag von 24 Kreuzer pro Scheibe mit Bewilligung der Landschaft
erhoben. 116 )
Nachdem im Jahre 1594 das Salzmonopol in Bayern begründet worden
war, nahmen die Salzaufschläge den Charakter einfacher, auf kaufmännischer
Spekulation beruhender Preissteigerungen an, indem die Regierung, wie jeder
Verkäufer unter Berücksichtigung gewisser Verhältnisse den Preis seiner Ware
festsetzt, so den Preis des von ihr selbst auf den Markt gebrachten Salzes be¬
stimmte. 11C ) Dass sie dabei immer massvoll vorging und nicht, ihre Macht
benützend, die Unterthanen ausbeutete, war wohl weniger in ihrer Fürsorge
für dieselben als vielmehr darin begründet, dass sie für einen .grossen Teil
ihres Salzes auf den Absatz im Ausland angewiesen war, wo die Konkurrenz
fremder Salze den Preis herabdrückte. So .stellte Maximilian, als er be¬
sonders bei Beginn des dreissigjährigen Krieges wiederholt Aufschläge vor¬
nehmen musste, sowohl den Verordneten der Landschaft, welche darüber
klagten, als dem Erzbischof von Salzburg vor, dass er solches nur gethan
habe, um bei der eingerissenen Unordnung im Münzwesen, der allgemeinen
Steigerung der Lebensmittelpreise, der Erhöhung der Transportkosten etc.
keinen Schaden zu leiden. 117 ) Ebenso setzte die bayerische Regierung jeder
Zeit, sobald es möglich war, den Salzpreis wieder herab. Nur unter Ferdi¬
nand Maria wurde im Jahre 1673 wieder ein Aufschlag vorgenommen, der
als indirekte Steuer anzusehen ist, indem zur Bestreitung der „extraordinari
Bayer. Forschungen VII, 1. 2
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Hans Ockel
Kriegsunkosten“ von jeder Scheibe und Kufe, die im Inland konsumiert
wurde, V* Gulden erhoben wurde. 118 )
Im allgemeinen wurden die Aufschläge an allen Orten und von allen
Käufern gleichmässig erhoben. Doch kam es auch vor, dass man je nach
den lokalen Verhältnissen an einem Orte mit einem geringeren Aufschlag
sich begnügen musste, während man an anderen mehr erheben konnte. 119 )
Von sehr zweifelhaftem Werte war die Massregel, dass man gelegentlich bei
Erhebung des Aufschlags zwischen Inländern und Auländern zu Lasten der
ersteren 'Unterschiede machte. Die Folge war, dass der Schleichhandel mit
Salz, das „Salzschwärzeu“, in ganz besonderem Masse zunahm. 120 )
Über die Ansprüche Salzburgs, an den Erträgnissen der Aufschläge
auf das Halleiner Salz zu partizipieren, sowie über die damit zusammen¬
hängende Unterscheidung von ordinari- und extraordinari-Aufschlägen wird
unten bei der Übernahme des Halleiner Salzes gehandelt werden.
2. Die Salzproduktion zu Reichenhall und die Übernahme von Halleiner und
Berchtesgadener Salz.
Das von der bayerischen Regierung zum Verkauf gebrachte Salz war
von ihr teils selbst produziert, teils von auswärtigen Staaten auf grund ge¬
wisser Verträge übernommen worden.
Die Erzeugung des Salzes geschah an den Salzmairäintern zu Reichen -
hall und Traunstein. Von diesen war das erstere um die Wende des 15. und
16. Jahrhunderts mit dem Übergang der Saline aus den Händen der Bürger
an den Herzog entstanden. Das letztere wurde erst im Jahre 1618 errichtet,
nachdem die neue Solenleitung von Reichenhall nach Traunstein vollendet war.
Es ist bekannt, welche Gründe die Erbauung dieses Werkes ver-
anlassten. 121 ) Das in Reichenhall znr Verfügung stehende Holz reichte, zumal
nachdem noch 1613 eine neue Quelle entdeckt worden war, nicht mehr aus,
die ganze Sole zu versieden; aus ferner gelegenen Waldungen Holz herbei¬
zuschaffen, war zu kostspielig. Durch die von ReiffenStuhl 1616 bis 1618
erbaute Leitung wurde nun die Hälfte des Salzwassers nach dem von Wäldern
umgebenen Traunstein geführt.
Über die Gewinnung dieser Sole zu Reichenhall und die Art der Salz¬
bereitung sei kurz folgendes bemerkt 122 )
Die Salzquellen waren in einen Brunnenschacht zusammengefasst, aus
dem sie mittels eines Paternosterwerkes zu Tage gefördert wurden. In grossen
Behältern, Wasserstuben genannt, wurde sodann die Sole aufbewahrt und, um
sie siedewürdig zu machen, durch Zusatz von vorher erzeugtem, aber nicht
gedörrtem Salz — teilweise wurde auch Fronreuter Salz dazu verwendet —
„gereichert.“ Erst diese konzentrierte Sole wurde auf die Sudpfannen, deren es
in Reichenhall fünf, in Traunstein vier gab, abgelassen und auf denselben
versotten. Das nach dem Verdampfen des Wassers zurückgebliebene Salz
wurde nunmehr in hölzerne kegelförmige Gefässe gepresst, ,2n ) sodass es
deren Form annahm. Die nach Abnahme derselben sich ergebenden kegel-
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Die Entstehung des landesherrlichen Salznionopols in Bayern etc.
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förmigen Salzstöcke waren die „Fuder“. l24 ) Sie wurden noch in den Härt¬
häusern „gepfieselt“, d. i. am Feuer ausgedörrt und gehärtet, und dann teils
so, wie sie waren, verkauft, meist aber auf der Stossstatt gestossen und in
„Scheiben“, deren eine 3 Fuder fasste, gepresst. Diese Scheiben bildeten das
Normalmass für den Verschleiss des Reichenhaller Salzes. Bisweilen wurden
auch drei Scheiben in ein Fass gestossen.
Nach einer erhaltenen Berechnung aus dem Jahre 1670 beliefen sich
damals die Erzeugungskosten in Reichenhall und Traunstein auf ungefähr
50 Kreuzer pro Scheibe. 125 )
Die Salzproduktion zu überwachen und die für dieselben nötigen An¬
ordnungen zu treffen, war Aufgabe des Salzmairs. Er war der Vorgesetzte
aller beim Sudwesen beschäftigten Beamten (Salz-Offiziere) und Arbeiter und
hatte die niedere Gerichtsbarkeit (sogenannte Hofmarksgerichtbarkeit) über die¬
selben. I2e ) Die Löhnung der Arbeiter erfolgte zum Teil durch Lieferung von
Getreide, wofür der Salzmairaints-Kastner zu sorgen hatte. Die Aufsicht über
die zum Sudwesen gehörigen Waldungen hatte ein Waldmeister. Ausserdem
waren an einem Salzmairamt noch als Beamte augestellt ein Salzmairamts-
gegenschreiber, ein Salzbeamter, wohl derjenige Beamte, welcher den Verschleiss
das Salzes unter sich hatte, wie die Salzbeamten an den unten genannten
Salzämtern, ein Sud- und Fuderschreiber, ein Pfieselschreiber, ein Salzfertiger,
welcher die Abfertigung und Spedition des für die einzelnen Salzämter be¬
stimmten Salzes besorgte, und ein Kufen verwalten ,,T )
Die Übernahme des Halleiner Salzes gründete sich auf die zwei bay¬
erisch - salzburgischen Hauptverträge vom 22. November 1594 und 22. De¬
zember 1611, die bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Geltung
blieben. Eine Ergänzung dazu bietet die 1616 vereinbarte Schiff Ordnung. 128 )
Im Jahre 1594 hatte der Herzog den ganzen Halleiner Salzhandel zu
Wasser, wie ihn bislang die Städte gehabt, auf sich genommen. Dies wurde
1611 aufs neue bestätigt und weiter ausgeführt, dass weder der Herzog ein
anderes fremdes Salz neben dem Halleiner an sich bringen, noch der Erz¬
bischof einem anderen die Ausfuhr des Salzes zu Wasser überlassen oder über¬
haupt anderer Gestalt, als seit alters Herkommen, bewilligen dürfe. Der Salz¬
handel zu Land blieb, soweit er dem Verschleiss auf dem Wasser nicht nachteilig
sein würde, in Händen des Erzbischofs.
Das Quantum des jährlich von Bayern auszuführenden Salzes wurde
1611 auf 1100 Pfund Kufen, in Hallfahrten geteilt, 129 ) festgesetzt. Sollte der
Herzog mehr absetzen können, war der Erzbischof verbunden, solches Mehr,
wenn es möglich und früh genug vorher angekündigt war, zu verabfolgen.
Auch sollte er dafür sorgen, dass das Salz „in gebührender Mass und Qua¬
lität“ geliefert werde, damit es ein „gewährlich Kaufmannsgut“ sei.
In den früheren Zeiten hatten die städtischen Fertiger das Recht ge¬
habt, bei der Salzbereitung in Hallein selbst anwesend zu sein oder dieselbe
durch einen Diener überwachen zu lassen. In dieses Recht war mit Über¬
nahme des Handels der Herzog eingetreten. Mit der Ausübung desselben
wurde ein Beamter betraut, der nunmehr für ständig und nur für diesen
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Hans Ockel
Zweck aufgestellt war: der bayerische Oberau sch aff er zu Hallein. ,80 ) Zu
seiner Unterstützung waren ihm einige Adjunkten bei gegeben.
Das Normalmass für den Handel mit dem Halleiner Salz war die Kufe,
welche der Reichenhaller Scheibe an Inhalt und Gewicht so ziemlich gleich
kam. ,31 ) Die Halleiner Fuder waren bedeutend grösser als die zu Reichenhall
üblichen. Die Ausfuhr zu Wasser erfolgte in Hallfahrten. Für eine solche
wurden 244 Fuder bestimmt: 211 wurden in 186 Kufen gestossen, die üb¬
rigen 33 gingen, nur mit Spänen zusammengehalten, als „Setzfuder“ mit Sie
wurden an den Salzämtern zur „Ein- oder Nachfüll“ verwendet, da es häufig
vorkam, dass beim Transport die Kufen Schaden litten und der Inhalt auslief
oder durch Nässe verdorben wurde.
Die Spedition des Salzes, welche ehedem den städtischen Fertigern
und deren Meisterknechten obgelegen, war einem weiteren herzoglichen Be¬
amten übertragen, dem Salzfertiger, der seinen Sitz in Laufen, dem Mittel¬
punkte des SchiffahrtsVerkehrs hatte. ,32 ) Er hatte die Fahrt von Laufen
abwärts zu überwachen, für die Instandhaltung der Schiffe zu sorgen und
war überhaupt der Vertreter der bayerischen Interessen beim Transport des Salzes.
Zu Anfang jeden Jahres teilte der Herzog, bezw. Kurfürst dem Erz¬
bischof mit, wie viel Salz er im kommenden Jahre abzunehmen gedenke. ,88 )
Die Ausfuhr selbst fand von Georgi bis gegen Weihnachten statt Der alte,
umständliche, auf Privilegien verschiedenster Art gegründete Betrieb wurde
beibehalten. Der Herzog musste sein Salz auf den erzbischöflichen Schiffen
durch die Erbaus- und Erbuaufergen befördern lassen. ,88 ‘) Auch das alte
salzburgische Schiffsgericht in Laufen musste Herzog Maximilian, wenn
auch mit Widerstreben, für kompetent anerkennen in allem, „was sich auf
denen zum Salzwesen gehörigen Salzschiffen ausser der Malefiz und Vizdom-
wändel zwischen oder unter den Schiffleuten und Salzarbeitern allein auf dem
Wasser und gedachten Salzschiffen in des Herzogs von Bayern Landen begibt
oder zuträgt“. 184 ) Bis nach Passau erstreckte sich die Polizeihoheit des Erz¬
bischofs in Sachen der Salzschiffahrt.
Im Februar oder März jeden Jahres fand zu Laufen die „Sankt Nikolaus-
Gotteshaus-Rechnung“ statt. Nicht wegen der Abrechnung über die fromme
Stiftung, um die es sich dabei handelte, ist dieselbe bemerkenswert, sondern
deshalb, weil nach altem Herkommen an diesem Tage die „Wasserseher“ und
alle anderen Schiff arbeiter auf genommen und vereidigt, eventuelle Lohn-
steigerung mit den Arbeitern vereinbart wurden und überhaupt alles, was auf
die Schiffahrt und die Salzübernahme Bezug hatte und abzustellen oder zu
verbessern war, von den bayerischen und salzburgischen Abgeordneten zur
Sprache gebracht wurde. ,36 )
Von grosser Wichtigkeit wurde folgende Bestimmung des Vertrages
von 1611: Sollte der Salzverschleiss durch „Krieg, anderes Salz auch ander
casus insolitos et improvisos, wie die vermög geschriebener gemeiner Recht,
keine ausgenommen, sein können“, ohne Verschulden der Herzoge gehemmt
werden und die 1100 Pfund nicht verkauft werden können, so sollte den
Herzogen nicht zugemutet werden, mehr Salz anzunehmen, als sie zu ver-
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Die Entstehung des landesherrlichen Salznionopols in Bayern etc.
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schleissen imstande wären. Umgekehrt war auch der Erzbischof nicht ver¬
pflichtet, eine Entschädigung zu geben, wenn er wegen unverschuldeter Un¬
fälle die noo Pfund nicht liefern könnte. 186 )
Jm Jahre 1618 verlangte nun Maximilian unter Berufung auf die
durch die Unruhen in Böhmen verursachte Hemmung des Handels nur 800
Pfund. m ) Im Laufe des dreissigjährigen Krieges, insbesondere seit dem
Jahre 1632, sank das Quantum dessen, was Bayern an Salz von Hallein aus¬
führte immer mehr, bis es gegen das Ende des Krieges auf 3—400 Pfund
sich belief. Auch nach dem Friedensschlüsse zeigte sich nicht so schnell
eine Besserung. Nur langsam kam es unter Ferdinand Maria wieder dahin,
dass gegen Ende der siebziger Jahre die vertragsmässige Quantität wiederum
fast vollständig übernommen wurde. Während nun 1619 und 1620 Erz¬
bischof Marx Sittich die Gründe, mit denen Maximilian diese Minderung
motivierte, anerkannt hatte, 188 ) gab man später in Salzburg sich damit nicht
zufrieden, sondern verlangte, dass man bayerischerseits genau nachweise, in
wie weit die im Vortrage erwähnten Casus insoliti, besonders Krieg und fremdes
Salz — nämlich das nach Böhmen eindringende österreichische Salz — den
Rückgang des Verschleisses verursacht hätten, und behauptete, dass die bayerische
Regierung in ihrem eigenen Lande den Absatz von Reichenhaller Salz zum
Schaden des Halleiner in Unrechter Weise begünstige. Eine Konferenz
bayerischer und salzburgischer Räte zu Neuötting im Jahre 1656, welche
diese und andere Streitfragen durch gütliche Vereinbarung erledigen sollte, ver¬
lief bei der Hartnäckigkeit, mit welcher beide Parteien ihren Standpunkt be¬
haupteten, völlig resultatlos. 189 ) Zwar wiederholten die Erzbischöfe ihre Proteste
und Ansprüche auf Entschädigung gelegentlich immer wieder, doch erst als
1755 wegen der Münze es zu neuen Streitigkeiten zwischen Bayern und Salz¬
burg kam, wurden auch diese Ansprüche wiederum energisch geltend ge¬
macht. 14 °) 1766 wurden die Zwistigkeiten durch einen neuen bayerisch-salz-
burgischen Vertrag beseitigt. 141 )
Sehr wichtig wurde auch die 1611 getroffene Bestimmung betreffs der
Aufschläge. Es wurde festgesetzt. 142 ) dass solche in Zukunft nur mit „beider
Fürsten Vorwissen und mit gemeiner Einwilligung“ vorgenommen werden
dürften. Für den Fall, dass man sich nicht einigen könnte, wurde ein Schieds¬
gericht vorgesehen. Über eine Teilung der Aufschläge, wie sie 1589 verein¬
bart worden war, wurde nichts bestimmt; doch liess Maximilian, als er von
1620 an wiederholt Preissteigerungen vornehmen musste, die Hälfte des Er¬
trags derselben anfangs mit dem Kaufschilling zusammen monatlich, später
quartalsweise an Salzburg auszahlen. ,48 ) Bei dieser Praxis blieb es im allge¬
meinen das ganze Jahrhundert hindurch, nur drei Fälle bilden eine Ausnahme.
Als nach dem Einfalle der Schweden in Bayern Maximilian, um den ins
Stocken geratenen Verkehr wieder in Gang zu bringen, die vom Feinde zer¬
störten Schiffe und Geräte mit grossen Kosten hatte wiederherstellen lassen,
erhob er 1634 bis 38 einen Aufschlag, diesmal jedoch ohne die Zustimmung
des Erzbischofs eingeholt zu haben oder ihm irgendwelchen Anteil am Ertrag
zu gewähren. Erst 1639 machte dieser seine Ansprüche geltend, der Kur-
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Hans Ockel
fürst aber wies dieselben zurück mit der Begründung, der gedachte Aufschlag,
der nur zur Deckung der lediglich ihm allein erwachsenen extraordinari-Un¬
kosten gedient hätte, sei als ein „extraordinär-Aufschlag“ zu betrachten. l44 )
Salzburg erhob dagegen Protest. Auch diese Streitfrage blieb bis 1766 unerledigt.
In gleicher Weise bezeichnete Ferdinand Maria den bereits er¬
wähnten Aufschlag von 1673 als extraordinari-Aufschlag, bei dem weder die
Einwilligung des Erzbischofs nötig noch dessen Ansprüche auf Mitgenuss
berechtigt seien. I45 ) Im Jahre 1691 wurde abermals von Bayern ein Auf¬
schlag ohne Zustimmung des Erzbischofs erhoben, doch schon im nächsten
Jahre wieder beseitigt
Was die Übernahme des Fronreuter Salzes von Berchtesgaden betrifft,
so wurde bereits berichtet, wie Bayern sich desselben gleich nach Entdeckung
der Salzlager versicherte. Die Verträge 1555 und 1564 blieben bis zum Jahre
1795 die Grundlage dieser Verhältnisse. 146 ) Alles in Fronreut bereitete Salz,
und zwar sollte jährlich nicht unter 20 Wochen gesotten werden, sollte nur
durch den Hallturm nach Reichenhall gefertigt werden. Als Preis wurde ein
für allemal „ohne einige fernere Steigerung“ 14 Kreuzer pro Säm festgesetzt. 147 )
An Aufschlägen sollte Berchtesgaden nur dann teilhaben, wenn es infolge von
Unfällen oder Steigerung der Produktionskosten ohne Schaden nicht mehr
sieden könnte. Schon 1589 wurde der Kaufpreis erhöht, ,48 ) 1609 wurde er
auf 17 1 '2 Kreuzer pro Säm festgesetzt. Zugleich erklärte sich Bayern damals
bereit, bei günstigen Absatz Verhältnissen über die 20 Wochensude noch ein,
zwei, drei oder vier weitere annehmen zu wollen. 149 )
Im Handel ging das Fronreuter Salz ganz mit dem Reichenhaller zu¬
sammen und unter dessen Namen.
Das Schellenberger Salz wurde zu Wasser mit dem Halleiner zusammen
ausgeführt. Lange Zeit war der Salzausgang vonseiten des Erzstifts gesperrt,
bis 1613 ein Interimsvertrag dem Stifte die Ausfuhr von jährlich 33 Pfund
Kufen bewilligt. Dabei blieb es bis 1624. 1B0 ) Die folgenden Jahre wurde
der Salzausgang abermals gesperrt, bis 1628 festgesetzt wurde, dass ausser
10 Pfund Kufen „Freiung“ unter 100 Pfund, die von Hallein ausgeführt
werden, 5 Pfund Schellenberger Salz ausgehen sollten. 15 ')
Für das Quantum einer Hallfahrt wurden von Bayern an Berchtes¬
gaden anfangs 127 Gulden, von 1618 an 144 Gulden 22*2 Kreuzer bezahlt;
1622 wurde dieser Preis verdoppelt, 1629 aber wieder auf 144 Gulden 22 1 2
Kreuzer herabgesetzt. Mit den Aufschlägen wurde es gehalten wie bei Salzburg.
Schellenberger Salz wurde auch auf dem Landwege durch bayerisches
Gebiet nach Tirol geführt, durfte aber nach dem Vertrage von 1609 nirgends
in Bayern verkauft werden. Iö2 )
Neben dem von der Regierung gelieferten Salz durfte kein anderes
im Lande verhandelt werden. Wiederholte Mandate verboten aufs strengste
die Einfuhr von fremdem Salz und bedrohten die „Salzkauderer“ und „Salz¬
schwärzer“ mit Konfiskation ihrer Ware. 158 )
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 23
3. Der Absatz des Salzes.
Der Absatz des der Regierung gehörigen Salzes war, soweit er im
Inland stattfand, den Salzämtern übertragen. Wie man in anderen Dingen
an dem alten Herkommen festhielt, so blieben auch die alten Absatzgebiete
im allgemeinen bestehen: das reiche Salz wurde an den Salzämtern zu
Wasserburg, Rosenheim, München, Tölz, Laudsberg und Friedberg, das arme
zu Burghausen, S. Nikolaus bei Passau, Vilshofen, Straubing, Stadtamhof
verkauft. Die Ämter Landshut und Ingolstadt hatten beide Salze im Ver-
schleiss, zu Donauwörth wurde bis 1670 Reichenhaller, von da an Halleiner
Salz abgegeben. 154 )
Abnehmer des an den Salzämtern zum Verkauf gebrachten Salzes waren
zunächst die Einwohner des Ortes und der näheren Umgebung, sodann Händler
aus anderen Städten und Märkten, an denen sich kein Salzamt befand. Sie
kauften das Salz in grösseren Quantitäten und gaben es zuhause im Klein -
verkauf, jedoch auch nur zu bestimmten Preisen, wieder ab. 156 ) Auf dem
Lande wurde Salz meist von herumziehenden Händlern feilgeboteu, die es bei
den Salzämtern oder bei der „Wurzen“ zu Reichenhall und Traunstein
kauften. 166 ) So hatte der kurfürstliche „Amtsverschleiss“ das bürgerliche
Element im Handel zwar bedeutend eingeschränkt, aber doch nicht ganz
verdrängt.
Der Absatz war an den einzelnen Salzämtern natürlich sehr verschieden.
Der Preis des Salzes war nicht ein und derselbe für das ganze Land, sondern
änderte sich je nach der Entfernung des einzelnen Amtes von der Produktions¬
stätte und den dadurch sich ergebenden Transportkosten. So wurde eine
Scheibe Reichenhaller Salz zu München um 1 Gulden 31 Kreuzer, zu Donau-
wörtli um 2 Gulden 5 Kreuzer verkauft. 167 )
Das Halleiner Salz wurde zu Wasser nach Burghausen, St. Nikolaus
vor Passau, dann die Donau aufwärts bis nach Donauwörth transportiert, das
Reichenhaller Salz mittels Achse befördert.
In der Regel war an einem Salzamte ein Salzbeamter und ein Salz-
gegenschreiber angestellt Kleinere Ämter wurden zum Teil von solchen
Beamten geführt, die schon ein anderes verwalteten; so waren zu Burghausen
und Stadtamhof die Mautner zugleich Salzbeamte. 168 )
Die Salzbeamten hatten den Verschleiss zu Übemachen und zu regeln,
über die Kasse, sowie den Salzvorrat genau Buch zu führen und alle vierzehn
Tage einen Auszug aus den Wocheurechnungen (sog. Salz-Wochen-Extrakte),
alle Vierteljahre die Quartalsabschlüsse an die Hofkammer einzusenden. 159 )
Sie mussten dafür sorgen, dass auch der „gemeine Mann“ sein Gut „wolil-
gewährlich“ bekam, anderseits aber auch darauf achten, dass bei der Ein¬
füll nicht zu viel Salz verschwendet wurde. 160 ) Ihnen oblag es darüber
zu wachen, dass immer genügender Vorrat vorhanden sei und, falls sie
glaubten, dass irgendwie die landesherrlichen Kammereinkünfte Schaden litten,
darüber Bericht zu erstatten.
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24
Hans Ockel
Nach anderen Gesichtspunkten als der Verschleiss im Inlande musste der
auswärtige Handel dirigiert werden.
Bayerische Unterthanen, welche als Sämer oder Fuhrleute Salz ins
Ausland verhandelten, scheint es in grösserer Anzahl nur im bayerischen
Walde an der böhmischen Grenze gegeben zu haben. 161 ) Mehr kamen aus¬
ländische Fuhrleute an die bayerischen Salzämter, um dort Salz zu kaufen
und in die Heimat zu bringen. Um diesen entgegenzukommen, waren ihnen
wohl einzelne Begünstigungen eingeräumt. So erhielten die Weinfuhrleute,
welche nach Friedberg, München und Landshut kamen, wenn sie zur Rück¬
fracht Salz verluden, die Scheibe um einige Kreuzer billiger. 162 ) In welchem
Umfange diese Art des Handels stattfand, lässt sich nicht ermitteln.
In besonderer Weise war die bayerische Regierung darauf bedacht,
grössere Absatzgebiete sich dauernd zu sichern und sowohl mit Privatunter¬
nehmern als mit einzelnen Staaten Verträge abzuschliessen, welche diese zu
regelmässiger Abnahme grösserer Quantitäten verpflichteten. Hier traten
äussere und innere, wirtschaftliche Politik in enge Beziehung und Wechsel¬
wirkung.
Es w r urde bereits erwähnt, dass die zwei Haupthandelsplätze des Halleiner
Salzes, Regensburg und Passau, gegen den salzburgisch-bayerischen Vertrag
vcn 1594 beim Reichskammergericht Einspruch erhoben, dann aber sich güt¬
lich mit Bayern auseinandersetzten.
Im Jahre 1608 verpflichtete sich die Stadt Passau, alles Salz, was sie
verschleissen zu können vermeint, von Bayern zu kaufen, während dieses
dasselbe, wie es von der Stossstätte kommt, zu liefern versprach. Zum Ver¬
schleiss wurde für Passau das Gebiet der böhmischen Städte Prachaditz,
Winterberg, Berg Reichenstein und Schüttenhofen bestimmt. 168 ) Der Verkaufs¬
preis richtete sich in Passau nach dem von Vilshofen, wobei zur Deckung
der Unkosten und als Gewinn der Stadt 6 Kreuzer verblieben. Die Auf¬
schläge wurden von den Passauern ebenso wie von den bayerischen Salz¬
ämtern erhoben und der Ertrag dem Salzbeamten von St Nikolaus erstattet.
In gleicher Weise kam 1615 Regensburg mit Bayern überein. 164 ) Die
Stadt behielt den Salzhandel nach Franken, in die Oberpfalz und nach Böhmen,
verpflichtete sich dagegen alles Salz, und zwar jährlich mindestens 500 Pfund
Kufen, von Bayern anzunehmen und nur 6 Kreuzer zur Deckung der Un¬
kosten und Erzielung eines Gewinns auf den Einkaufspreis zu schlagen.
Als im Jahre 1633 sich Differenzen zwischen der Stadt und Bayern erhoben,
sperrte Maximilian die Salzabgabe und errichtete in Stadtamhof eine Interims¬
legstätte. Nach dem Friedensschluss wurde die alte Ordnung wieder her¬
gestellt.
Ein Hauptabsatzgebiet des Halleiner Salzes war, wie erwähnt, Böhmen. 165 )
Nach der politischen Vereinigung dieses Landes mit den österreichischen Erb¬
landen versuchten die Habsburger, wie hier im 15. und 16. Jahrhundert be¬
reits geschehen, so auch aus ihrem neuerworbenen Gebiete das Halleiner Salz
zu gunsten ihres eigenen zu verdrängen. 1564 und 1566 wurden entsprechende
Verordnungen erlassen; ein Protest Bayerns und Salzburgs, die sich auf das
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 25
alte Herkommen beriefen, hatte keinen wesentlichen Erfolg. Sobald der Herzog
selbst den Handel übernommen hatte, versuchte er aufs neue Böhmen für den
Absatz des Halleiner-Salzes zu sichern; allein der 1597 entworfene, für Bayern
vorteilhafte Vertrag erhielt nicht die kaiserliche Ratifikation, ja Erzbischof
Wolf Dietrich trat sogar in einem 1600 zu Pilsen geschlossenen Geheim¬
vertrage an den Kaiser gewisse salzburgische Waldungen für das Ischeler
Sud werk ab. 166 )
Kaiser Ferdinand II. belegte alles nach Böhmen gehende Halleiner Salz
mit einem Eingangszoll, indem er von jeder Kufe erst 45 Kreuzer, dann
1 Gulden erheben liess. Im Jahre 1629 benützte Kurfürst Maximilian die
günstige Gelegenheit, die ihm der pfandweise Besitz Österreichs und der
österreichischen Salinen bot, um auf den Kaiser einen Druck auszuüben.
Nach längeren Verhandlungen einigte man sich am 4. November 1630 dahin,
dass der Kaiser zwar einen Aufschlag von 50 Kreuzer auf.die Kufe erheben
dürfe, dagegen gehalten sein solle, nicht nur in gleichem Masse mit dem
Preise seines österreichischen Salzes aufzuschlagen, sondern auch den freien
Verschleiss des Halleiner Salzes in ganz Böhmen wieder zu gestatten. 167 )
Bis 1639 wurde dieser Vertrag beachtet, dann aber wurde ein neuer Aufschlag
eingeführt, der 1645 noch erhöht wurde. Wiederholt begehrte in den folgenden
Jahren die bayerische Regierung die Aufhebung dieser Massregeln. Lange
wurde sie mit leeren Versprechungen hingehalten, bis endlich im Oktober 1654
eine Konferenz bayerischer und österreichischer Räte zustande kam; doch
verlief dieselbe ebenso wie weitere von dem bayerischen geheimen Rate
Schmid von Oktober 1658 bis April 1659 in Wien geführte Unterhand¬
lungen völlig resultatlos. Vom Oktober 1666 bis September 1667 wurde im
Zusammenhang mit Besprechungen über die Gründung grosser kommerzieller
Unternehmungen auch die Aufhebung des böhmischen Salzaufschlages von
den bayerischen Räten Lei dl und Barbier in Wien betrieben. 168 ) Das Ende
der grossangelegten Verhandlungen war lediglich das, dass Österreich die
Hälfte des Aufschlags dem Kurfürsten von Bayern auf zehn Jahre überliess.
1678 und 1688 wurde dieser Vertrag erneuert. Den Zwistigkeiten, die sich
1698 aufs neue ergaben, folgten bald bedeutendere politische Zerwürfnisse und
der spanische Erbfolgekrieg. Im Jahre 1706 erliess Kaiser Joseph, seinen
Sieg im Felde auch zur Stärkung seiner wirtschaftlichen Position benützend,
ein Mandat, welches dem Verschleisse des Halleiner Salzes in Böhmen für
immer ein Ende machte. 169 )
Im Absatzgebiete des Reichenhaller Salzes hatte schon Wilhelm V.
versucht, den Handel Augsburgs nach Friedberg zu ziehen. Maximilian ging
einen Schritt weiter. Er vertrug sich 1615 mit der Stadt dahin, 170 ) dass die
Augsburger Fertiger mit dem Preise des Salzes sich nach dem zu Friedberg
richten sollten und nur 13 Kreuzer auf die Scheibe zur Deckung der Un¬
kosten und Erzielung eines Gewinnes schlagen dürften. Schwäbische Fuhr¬
leute, die nicht mehr als 3 Meilen von Augsburg weg wohnen und Lebens¬
mittel dahin bringen, sollten, wenn sie zur Rückfracht Salz verladen wollten,
solches in Augsburg, nicht in Friedberg bekommen, die übrigen aber unge-
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hindert nach dem bayerischen Salzamt fahren dürfen. Im Jahre 1624 wurde
dieser Vertrag erneuert. Der 1615 bewilligte Gewinn von 13 Kreuzer pro
Scheibe wurde „wegen der teueren Zeiten“ auf 17 Kreuzer erhöht und fest¬
gesetzt, dass zu Augsburg immer ein Vorrat von 2400 Scheiben sein sollte.
Der Salzhandel im südlichen Schwaben, am Oberrhein und in der
Schweiz lag zum grossen Teil in Händen einiger Privatunternehmer, so der
Wächter in Memmiugen, der Räder in Lindau und des Stainer in Basel. 171 )
Diese schlossen mit der Regierung Kontrakte, jährlich eine gewisse Anzahl,
meist mehrere tausend Fass anzunehmen, die sie teils auf eigene Rechnung
absetzten, teils auf Konto einer Stadt oder Gemeinde an diese lieferten. 178 )
Sehr bedeutend war in diesen Gebieten die Konkurrenz des Tiroler Salzes.
Die Grosshändler wussten daraus manche Vorteile zu ziehen zum Schaden
Bayerns und Tirols. Deshalb einigten 1649 sich beide Regierungen zu ge¬
meinsamen Vorgehen. 178 ) Es wurden die Preise festgesetzt, zu welchen das
Salz abgegeben werden sollte, sowie bestimmt, dass beide Teile beim Abschluss
von Salzkontrakten ihre Kontrahenten verpflichten würden, ein Viertel der
Kaufsumme sofort bar zu erlegen und die übrigen drei Viertel an den nächst¬
folgenden drei Bozen er Märkten, die jährlich viermal stattfanden, ratenweise
daselbst in Bozen gut zu machen. Vorteile „wie Zugeben, langes Borgen“
sollten nicht gewährt werden. Dieser Vertrag, der nur auf zwei Jahre abge¬
schlossen worden war, wurde in den folgenden Jahren immer wieder erneuert,
doch fehlte es nicht au Versuchen beider Teile, die Händler durch irgend¬
welche Vergünstigungen mehr an sich zu ziehen.
In der westlichen Schweiz wurde vielfach das burgundische Salz ver¬
kauft. Um mit diesem konkurrieren zu können, wurde 1651 von Bayern und
Tirol vereinbart, dass alles Salz, „was über Bern, Basel und Solothurn weiter¬
hinein nach Burgund und Lothringen geht“, um 30 Kreuzer pro Fass unter
dem festgesetzten Preise abgegeben werden dürfe. Doch sollten für diesen
Fall Bescheinigungen der betreffenden Städte vor gelegt werden, dass das Salz
wirklich in die bezeichneten Gebiete gegangen sei. 174 )
Im Jahre 1674 wurde der bayerische Hofkammerrat Franz Widmann
in die Schweiz geschickt, um daselbst die einzelnen Kantone für eine regel¬
mässige Abnahme von Reichenhaller Salz zu gewinnen. In der That scheinen
auch 1675 wirklich solche Verträge zu stände gekommen zu sein, wenn sie
selbst auch nicht mehr auffindbar sind. 175 )
Der Aufschwung, welchen der bayerische Salzhandel im Südwesten
nahm, entschädigte die Regierung einigermassen für den Rückgang des Ab¬
satzes in Böhmen. Sie konnte sogar daran denken, Halleiner Salz in Gebiete
einzuführen, in denen bis dahin nur das Reichenhaller Salz verkauft worden
war, um auf diese Weise die vertragsmässigen 1100 Pfund Kufen von Salz¬
burg w r ieder abnehmen zu können. 176 )
Kaum ein Menschenalter nach Beendigung des dreissigjährigen Krieges
hatte der bayerische Salzhandel wieder jenen Umfang gewonnen, den er vor
Beginn desselben hatte. Hätten die Städte solches zu vollbringen vermocht ?
Wenn sie auch immer wieder die Rückgabe des Salzhandels forderten, 177 ) so
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 27
darf man doch daran zweifeln, dass sie'je dasselbe hätte leisten können, wie
die von Wilhelm V. begründete, von Maximilian befestigte Einrichtung,
welche die gewaltigen Stürme des dreissigjährigen Krieges so weit überstand,
dass die von den besten Absichten und redlichem Fleisse beseelte, freilich
mitunter der nötigen Thatkraft entbehrende Regierung Ferdinand Marias
in verhältnismässig kurzer Zeit die Wunden heilen konnte.
Der Absolutismus war keineswegs der „Krebsschaden aller späteren
Gestaltung deutschen Lebens“. 178 ) Konnte bei der Darstellung der Ent¬
stehung des bayerischen Salzmonopols angedeutet werden, wie die fürstliche
Macht mit Notwendigkeit da eintrat, wo das Bürgertum seine Kräfte ver¬
braucht hatte, so darf die Darstellung der Verwaltung dieses Monopols mit
dem Hinweise schliessen, dass auch die uneingeschränkte Herrschaft des
Landesherrn zu ihrer Zeit viel Gutes gewirkt hat.
Quellennachweise.
t) Flurl, Ältere Geschichte der Saline zu Reichenhall, vorzüglich in technischer
Hinsicht. München 1809 (Akad. Festrede).
Gemeiner, Darstellung des alten Regensburger und Passauer Salzhandels 1810.
Koch-Sternfeld, Die teutschen, insbesondere die bayerischen und öster¬
reichischen Salzwerke, zunächst im Mittelalter. München 1836.
v. Inama-Sternegg, Zur Verfassungsgeschichte der deutschen Salinen im
Mittelalter, in den Sitzungs-Berichten der Kais. Akademie der Wiss. in Wien, philos.-
hist. Kl. Band m (I885) 569 f., wozu zu vergleichen desselben Deutsche Wirtschafts¬
geschichte II, 338—362.
Lori, Sammlung des baierischen Bergrechts. München 1764. Einleitung.
2) Zirngibl, Geschichte des bayerischen Handels, in den Abhandlungen der
Münchener Akademie Bd. IV, (1817) 281—799 i n den §95 und 96 des ersten Teils (p. 448—454.)
Im zweiten Teil, der eine pragmatische Geschichte des Handels giebt, setzt die Darstellung
gerade für die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts wegen Mangel an Material aus.
Manfred Mayer, Bayerns Handel im Mittelalter und in der Neuzeit, 1893, bringt
viel dankenswerte Hinweise auf neues Material, aber keine Verarbeitung desselben.
3) (Krei ttm ayr), Grundriss des Allgemeinen, Deutsch- und Bayerischen Staats¬
rechtes, Frankfurt und Leipzig 1769, p. 368—372.
Einzinger von Einzing, Politischer Abriss des heutigen Churfürstentums
Bayern. 1777. p. 398—401.
4) Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung und Staats¬
verwaltung seit den Zeiten Maximilians I. Bd. II, 141—146, 267—269.
5) Die erste derselben führt den Titel: „Kurzgefasst-, doch gründlich- und acten-
mässige Geschiclitserzehlung von der urspringlichen Beschaffenheit des alt befreyten
Halleinischen Salz-Weesens.“ Sie werden zitiert im Folgenden mit „Streitschriften“
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Hans Ockel
6) Es wird zitiert werden: K. A. M. -- Kgl. Kreisarchiv zu München, A. R. A. —
Kgl. Allgemeines Bayerisches Reichsarchiv, G. St. A. = Kgl. Geheimes Staatsarchiv
zu München.
7) Inama-Sternegg, 569 f.
8) Ibid. 572.
9) Riezler, Geschichte Bayerns II, 26 f., 32 f.; Lori, Einleitung VIII—XII;
Zauner, Chronik von Salzburg II, 223 f.; 338; Koch-Sternfeld I, 43. II, 128—133; 135.
10) Stapelplatz war Laufen. Koch-Sternfeld II, 303. Riezler I, 275.
11) Koch-Sternfeld I, 39; s. auch unten, sowie M. Mayer, Bayerns Handel, 25.
12) Koch-Stern feld I, 71 ff.; 1 11 am a-Sternegg, 572; M. Mayer, 1 . c.
13) Koch-Sternfeld I, 77—80. Lori, EinL an versch. Orten.
14) Koch-Sternfeld I, 80—84. Lori, EinL LVIII.
15) Koch-Sternfeld I, 60; 47—52.
16) Die folgende Darstellung beruht auf der angeführten Abhandlung von Inama-
Sternegg, deren Resultate auch Schm oll er in seinen Studien zur wirtschaftlichen
Politik Friedrichs d. Gr. (Jahrbücher für Gesetzgebung, Verwaltung nnd Volkswirtschaft
N. F. VIII—XII, hier XI, 841) im allgemeinen angenommen hat
17) Über das Salzregal vergleiche Schroeder, Deutsche Rechtsgesch . 9 192, 206 f.,
520 f., 525, 579 und die daselbst verzeichnete Literatur, insb. Waitz, Dtsch. Verf.-Gesch.
und Inama-Sternegg, 1 . c. 575, 577 f., 602.
Wenn Ludwig der Deutsche 837 dem Abt von Kempten (Mon. Boic. XXXI, 1. 79)
bewilligt, jährlich 6 Wagen Salz für den Bedarf des Klosters aus Hall holen zu lassen, und
dass diese von allen Zöllen und Mauten befreit sein sollen, so ist damit noch nicht gesagt,
dass solche Abgaben auf grund eines Regulitätsrechtes erhoben worden wären. Ebenso
ist in der von Ludwig d. K. 908 für Salzburg ausgestellten Urkunde nur von solchen
Salzzinsen die Rede, welche die dem Erzstifte übergebene königliche Domäne Salzburg¬
hofen — vielleicht auf grund privatrechtlicher Verhältnisse — von Reichenhall bezog.
Streitschriften Beil. Lit A; Koch-Sternfeld I, 37; II, 129 (daselbst falsche Deutung
des Namens Hall). Im Jahre 1007 schenkt Heinrich II. lediglich seinen Anteil an der
Saline zu R. dem Stifte Bamberg. Stumpf, Reichskanzler II, Nr. 1476.
Einen Aufsatz zur Geltendmachung eines Regals kann man vielleicht in der 937
von Otto I. ausgestellten Urkunde erblicken, in welcher er der Witwe seines Bruders
Heinrich, Judith, „quandam nostri juris salinam, quod vulgo Hai dicitur“, überlässt
Mon. Germ. DipL I, 584.
18) Reichenhall erhielt um 1150 das Stadtrecht Herr mann, Topographische
Geschichte der Stadt Reichenhall und ihrer Umgebung, im Oberbayer. Archiv XIX, 95.
19) Auch die Frage nach der Stellung der Hallgrafeu ist bis jetzt noch dunkel und
wird es bei dem Mangel an Quellen wohl auch bleiben. Riezler I, 864; Inama-
Sternegg, 578. Anm. 3.
20) Die Herzoge nennen die Saline zu R. immer „unser Aerzt“; Lori 8; 11 u. a. m.
Das Urbar von 1285 sagt, dass der Herzog zu Hall „rechter Herr und Vogt“ sei. Lori 3.
21) Beispiele bei Flurl, 5; 17 f.; Streitschr. Beil. 65 „Registratur über die er¬
kauften Sieden.“
22) Inama-Sternegg, 600, Anm. 2; Koch - Stern feld I, 43; R i ezler II, 26 f.
23) Lori, 3; 8; 10; 11.
24) Inama-Sternegg, 600.
25) Lori, 16; 29; 35 f. § II.
26) Streitschr. Beil. M 4,
27) Inama-Sternegg 597; s. auch die oben Anm. 17 zitierte Urkunde Ludwigs
des Deutschen für,den Abt von Kempten vom Jahre 837.
28) Lori 9. Goldene Bulle der Stadt München v. 1332; ibid 12 f.; ferner Lerchen¬
feld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, 23. Freibrief.
29) Die Produktion in Hallein blieb dagegen bis 1423 in Händen des Erzbischofs.
Koch-Sternfeld II, 301; Lori, 24.
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
29
30) Streitschr. Beil. Nn; Tt; Koch-Sternfeld I, 73; II, 303. Mit der Zeit zogen
die Erzbischöfe diese Schiffshermrechte zu ihrer Kammer ein, bis sie im 15. Jahrhundert
alle in ihrer Hand vereinigt hatten. Unpartheiische Abhandlung von dem Staate . . .
Salzburg (1770) 284 f.
31) Das Amt der ersteren wurde im 15. Jahrhundert in ein adeliges liehen ver¬
wandelt, die letzteren blieben bis in das 19. Jahrhundert ordentliche Bürger von Laufen.
Unpartheiische Abhandlung 286 f.; Koch-Stern feld II, 303; Schiffordnung von 1581 bei
Lori, 313—316.
32) Lori, 10 f.
33) Gemeiner, passim,
x 34) Ibid. 25—28.
35) Für Regensburg hat diese Entwickelung nachgewiesen, für Passau nur ange¬
deutet Gemeiner in der zitierten Abhandlung.
36) Schiffordnung von 1581 bei Lori, 3251; s. auch Vertrag von 1594, Lori, 360, § 11 .
37) Lori, 30.
38) Lori, 295—304; 307 — 335 *
39) Eine Scheibfahrt enthielt 6 Schilling 7 Kufen = 187 Kufen, eine Hallfahrt
6 Schilling 6 Kufen = 186 Kufen. Lori, 296.
40) S. Anm. 20.
41) 1381 „Sterbens und anderer Sach wegen“ Lori 15; 1404 „sonderlich von Brechens
wegen“ Lori 17; ferner Koch-Stern feld I, 45, II, 137. Oberbayer. Arch. XIX, 99; 101.
42) 1328, 1329, 1332, 1368, 1381: Flurl, 7; Lori, 16.
43) Lori, 17.
44) Ibid. 29; Flurl, 12 f.
45) Lori, 22; 38 (wo das Datum falsch); 123; Zauner, Chronik von Salz¬
burg III, 27; 66; 70; Streitschriften Beil. 142; 143.
46) S. Anm. 29.
47) Koch-Sternfeld I, 63; II, 221; 257.
48) Fürsen, Geschichte des kursächsischen Salzwesens bis 1786 (Leipziger Studien
aus dem Gebiet der Geschichte IV, 3) p. 29; Hertzberg, Geschichte der Stadt Halle
an der Saale I, 441—452; 479 ff.; 491 ff.; 504 f.
49) Riezler III, 3 6 4 ; 456 .
50) Flurl, 16—18; Lori, 125; Streitschr. Beil. 65; Öberbayer. Arch. XIX, 126.
51) Lori, 139 § XXXI; 141 § XLVI.
52) Lori, 133—141.
53) Flurl, 19—29.
54) Lori, 187—194; Einl. XLIX; Koch-Sternfeld I, 46.
55) S. Anm. 50. Allerdings war noch ein Anteilsrecht in fremdem Besitze, nämlich
des Klosters St. Zeno. Da dieses Kloster jedoch seine Siede selbst auf eigene Rechnung
betrieb, so hatte dies keinen Einfluss auf die geschilderte Entwickelung. 1616 kam auch
dieser Anteil an die bayerische Regierung. Koch-Sternfeld II, 160; Flurl 6; Lori, 134
§ VII und 139 § XXIX.
56) Schroeder, Dtsch. Rechts-G.® 579.
57 ) 1507- Streitschr. Beil. 210; 1513 Lori 144 f., 1520, 1533, 1535, 1545, 1558:
Mf. Mayer, Anm. 163.
58) Lori, Einl. LVIII f.; Koch-Sternfeld I, 80—84; Lori, 287 f.; 290 ff.
1589 wurde von Wilhelm V. eine Preiserhöhung zugestanden, ibid. 337.
59) Mf. Mayer, Quellen zur Behördengeschichte Bayerns, 52 f.
60) Ibid. 175—286. Seite 280 . . sonderlich sollten sy auf unsere salzsieden in
unser statt Reichenhall getreulich aufmerckhen haben, die rechnungen, so vil an abpruch
der notturft beschehen mag, mit abschneidung ubrichs unchostens von den salzmairn
ordenlich erfordern, daneben auf die wäld, so in unserm fürstenthumb gelegen, auch
andere, daran man vermög der vertrag holz zum salzsieden nimbt, mit vleiss sehen lassn,
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Hans Ockel
darmit nit mangl erscheine oder mit der zeit entstee, und genzlich in allem, womit sy
unsere aigne Chamergueter gefel und eiiicliomen zu mererm nuz richten mugen.“
61) Ibid. 305 f. . . das sy . . bei unserm gewelb und canzlei alle alte brieflich
urkliunden, Schriften, vertrag und freyhaiten den ausgang und niderlag des reichen und
armen salzs auf wasser und land betreffend mit vleis durchsehen und darauf erfarung
einziehen, wo und welcher orten denselben zuwider in und ausser uusers lands einiche
beschwerliche neuerung mit niderlegung, vertigung, Sperrung oder eindringung anderer
salz furgenommen worden sey; alsdann, was dagegen zu handeln und wie es abzustellen,
bedenkhen und uns mit gueter gelegenheit untertheniglicli anbringen und berichten.
62) Ibid. 339 . . Zum zehenten sollen sy die salzordnungen, instructionen, briefliche
urhkhunden, verträg, Schriften und freyheiten so wol des siedens, verfüerens, als das bp\z
der ambtleuth und was zu dem ganzen salzhandl gehörig mit vleiss ersehen und bedenkhen,
ob und w r ie diser handl gebessert und zu merer furderung und nuz auch dahin gerichtet
mög werden, das der hinfüran bestendig erhalten und beleihen mög.
63) Mf. Mayer. Bayerns Handel 30.
64) Stieve, Die Politik Bayerns 1591—1607 I (Briefe und Akten zur Geschichte
des dreissigjährigen Krieges IV 419).
65) Stieve, Zur Geschichte des Finanzwesens und der Staatswirtschaft in Bayern
unter den Herzogen Wilhelm V. und Maximilian I., in den Sitz.-Ber. d. K. Akad. d. W.
in München, hist Kl. 1881. p. 19—49.
66) In der Hofkammer-Instruktion von 1591 verspricht der Herzog seinen Räten
seinen Schutz, da er erfahren, „dass sonderbar neu Ding vil hass und Widerwärtigkeit auf
ihm trägt.“ Stieve, Sitz.-Ber. 33. — 1595 Juni 16 berichtet Neuburger dem Herzog
Maximilian „was man im salzwesen E. Dt. zu mereren nuz Irer järlichen intrade anfachen
und sich bemüen thuet, das ist bei den maisten personen gift und aiter, ja kombt nit
mit schlechter meiner beschwer, spot und Verachtung dahin, das sich schier niemand
scheucht davon schimpflich zu reden, das zu verachten und zu verwerfen, so höchst ge¬
dachter E. Dt . . vater nit mit den geringesten, sondern besten iren räten wie verstanden
oft und reuf beratschlagt, resolvirt und verhoffentlich, wann sich auch die ganze Welt
darwider leget, mit höchsten nuz und wohlfart erfaren.“ A. R. A. Salzburg (Erzstift)
Nr. I42, pars VII, Folio 470 b. — 1697 berichtet Neuburger an Maximilian, dass er in
3 Jahren zweimal Kammerpräsident gewesen und zweimal abgesetzt worden sei. Stieve,
Sitz.-B. 28. cfr. dazu die Anmerkung.
67) Buchholtz, F. G. von, Geschichte der Regierung Ferdinand I., VIII, 241 f.
68) Wutke, Die Salzerechliessungsvereuche in Schlesien in vorpreussischer Zeit,
in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens XXVIII, 115 f.
69) Schm oller in Jahrbücher für Gesetzgebung, Verw. u. Volksw. N. F. XI, 865.
70) Fürsen, Geschichte des kursächsischeu Salzwesens bis 1586, besonders p. 71.
71) Dies ergiebt sich aus Akten, welche das Halleiner Salzwesen betreffen. 1588,
Mai 7 wird vom Hofkammerpräsidenten den Burghausern mitgeteilt, der Herzog sei ent¬
schlossen, den Salzhandel dortselbst, „wie anderer orten bescliehen, zu sich ze nemen“.
A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 142 pars VI, f. 19. Dass man langsam und nicht schroff
vorging, geht u. a. aus der Relation Neuburgers v. 18. Juni 1588 hervor: Der Herzog
möge zunächst den Handel derjenigen Städte, „die den handel nit vermögen oder deren
die davon absterben oder weckh kommen zu sich nemen und also gar gemach unter
sich bringen“, ibid. f. 29.
72) Paul von Stetten, Geschichte von Augsburg I, 708. Der Herzog erlangt
das Zugeständnis, dass bayerische Unterthanen, die Salz durch Augsburg führten, das¬
selbe dort nicht niederzulegen brauchten.
73) In Burghausen befand sich schon 1589 ein herzoglicher Salzfaktor bei dem
reichen Salz. Streitschr. Beil. 201, 202, 203.
Stieve, Sitz.-Ber. 36, Hofkammer-Instruktion von 1591: „Könde es nun seinen
fueg haben, plaz und statt finden, das unser reichenhallerische salz ... in unser lant
und weitter oder besser hinab gebracht, verfurt und vertriben werden möchte, so wern
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
unsere erachtens damit nit wenig vortl erhalten. Zu welchem fal. . feit uns zu gemuet...
ob nit mit dem hällischen unser salz von Reichenhall aus . . auf dem wasser in Salzach
und von dannen in den In in unser niderlant Baim gebracht werden könde, item ob nit
ratsam die sach dahin ze richten, das in unserem lant bei der menig unseres reichen
salzes (wie one das dem unfurdenclichen gebrauch nach herkommen, wo reichs vor¬
handen, das arme salz weichen mues) allain unser und kain ander salz versalzen wurde.“
74) Lori, 50; 120; Streitschriften Beil. G; H.; Zauner III, 108 f.; 195—199;
205-209; Lori, Einl. XXXIX f.
75) Er starb am 15. Dezember 1489. Zauner III, 215.
76) Lori, 124; Einl. XXXVIII; Streitschr. Beil. 5 u. 148; Zauner III, 214.
77) Lori, 126; Zauner III, 228. Siehe auch Anm. 30.
78) Für das Folgende Lori, Einl. XLIX ff.
79) Streitschr. Beil. 127; 129; Zauner IV, 268 f.
80) Streitschr. Beil. 56; 128; Zauner, IV, 297 f.
81) Zauner IV, 443 f. Streitschr. Beil. 6.
82) Lori 194—197. Streitschr. Beil. 7; 162; 165; 152. Zauner V, 130 ff.
83) 1555, 1569, 1589: Streitschr. Beil. 8; 10; 11; Lori, 304; 338.
84) So Wilhelm V. S. Vertrag von 1589, Lori, 338.
85) Siehe oben; ferner Lori, Einl. L; Streitschr. Beil. 656, p. 5.
86) Auszug aus den Wahlkapitulationen? Streitschr. Beil. Zz.
87) Mayr-Deisinger, Wolf Dietrich von Raittenau, 22.
88) Am genauesten darüber Mayr-Deisinger, 52—58. Der Text der Verträge
bei Lori, 338 f.;' 341 f.; Streitschr. Beil. 12 u. 13.
89) Siehe oben S. 10.
90) Die Passauer schlugen 1588 über die 3 Kreuzer Salzburger Mehrung noch
18 Pfennige aufs Stück beim weiteren Verkauf. Streitschr. Beil. 190. -- Mayr-Deisinger,
69 f. Koch-Sternfeld II, 204.
91) Siehe oben. Bayern erhielt an Aufschlägen 1592 u. 1593 8970 bezw. 9740 Gulden.
Streitschr. Beil. 166 u. 167.
92) Büchner, Geschichte von Bayern VIII, 281; Freyberg, Pragm. Gesch. I, 3 f.
93) Mayr-Deisinger, 67—70.
94) Lori, 359—362; Streitschr. Beil. 17.
95) Lori, 378 ff.; 397 ff.; Einl. LXIII f.; LXXIX f.
96) Siehe Anm. 71.
97) J 595 wurde Neuburger zur Ordnung des Salzwesens nach Burghausen geschickt,
wohin auch die Direktion des Reichenhaller Salzwesens verlegt wurde. Stieve, Sitz.-
Ber. 68, Anm. 1.
1595 J un i 16. Relation Neuburgers: Er hat mit allen Städten Vereinbarung ge¬
troffen ausser mit Ingolstadt, woselbst der Handel nicht von der Stadt, sondern von
Privatpersonen betrieben wird. „Also haben I. f. Dt. nunmals ausser ainigen orts Ingol¬
stadt mit Irem reichen und dem armen hällingischen salz alle hauptniederlagen und das
ganze salzwesen zu Irer frayen disposition und nuz in händen.“ A. R. A. Erzstift Salz¬
burg Nr. 142, pars VII, f. 467. — Freyberg II, 142.
98) Wolf Dietrich von Salzburg urteilt über das Werk Neuburgers: „Und da
Neuburger dem hauss Bayru keinen andern, als allein diese zween than hat (nämlich
Dienste; gemeint ist die Erwerbung des Reicheuhaller und des Halleiner Salzhandels),
hat er doch meines erachtens mehr als genug getlian.“ Summarischer Discure über
etliche fürnehme Puncten den Salzhandel in Bayrn betreffend. Streitschr. Beil. 40.
99) Freyberg II, 141.
100) Fürsen, 105. Seydel, Bayer. Staatsrecht II 2 524.
101) Staatsrecht 368; 405.
102) Ibid. 378.
103) S. oben u. Anm. 60.
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104) Mf. Mayer, Quellen zur Behördengeschichte Bayerns, 344 -371; 387—418;
425-448.
105) Ibid. 350 „Ob wür d^nn gleichwol unserer cammer vor disem über unser
Reichenhallisches sowohl als hällingisches salzwesen und also über diesen ganzen liandl
das principal und hauptdirectorium darbey wir es nochmahlen allerdings bewenden lassen,
anbeolchen . .
106) I558, 1565, 1572 bei Mf. Mayer, Quellen, 1591 bei Stieve, Sitz.-B*r. 36.
107) Mf. Mayer, 349— 35 i-
108) So gab z. B. die Hofkammer mehrere Gutachten ab, als 1666—1668 die Räte
Leidl und Barbier in Wien über den böhmischen Salzaufschlag unterhandelten. (Siehe
unten.) G. St. A. Kasten schwarz 6/3, 4, 5, Nr. 56, ad 53, ad 93, ad io 4 , ad 124, 133.
Ferner wurde im geheimen Rat behandelt 1666 eine Sache bf. Augsburger Salzfertigung,
wobei ebenfalls ein Gutachten der Hofkammer. K. A. M., F. M. A. fsc. 260 Nr. 145. —
Gutachten der Hofkammer d. d. 1655 Aug. 31 und 1656 Okt. 30 bf. Unterhdl. mit Salz¬
burg: A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 t V. und 142 pars XXI f. 570 -596. — 1660 Mai 6
d. d. Schleissheim, rügt der Churfürst, dass der Hofkammerpräsident durch blossen Kammer¬
befehl den Rentmeister von Straubing beauftragt habe, die Halleiner Salzgefälle nach
Burghausen zu schicken, „welches zwar wie J. k. Dt. selbst wissen, ein notturft ist, aber
sich ohne J. k. Dt. vorwissen und aigenhändige underschreibung des befelchs . . Iren
decreten zuwider nit gebürt hat“ K. A. M. Generalien Salin. Wsu. fsc. 3 Nr. 5. — Vielfach
tragen die eingelaufenen Berichte etc. den Vermerk „causa domini“. Die Aufschläge fallen
schon wegen der Beteiligung Salzburgs (s. unten) nnter die Kompetenz des geheimen Rates.
109) Kreittmayr, Staatsrecht 354.
110) 1674 Aug 8. vSchmid an Huber: hat diesen Tag mit 3 Parteien bf. des Salz¬
wesens unterhandelt: den Innsbrucker Gesandten, dem Wächter und Räder, dem Stainer.
K. A. M. Gen. Sahn. Wsn. frc 3 Nr. 5.
111) 1673 Okt. 12. „. . so wellen J. k. Dt. . . dass die sach nit weiter unter die
kammerrät gebracht, sondern von dem kammerdirector und dem Heugl allein dirigiert
und so viel als möglich in der eng und geheim gehalten werden.“ A. R. A. Erzst. Salz¬
burg Nr. 142 pars XXII f. 163.
112) Mf. Mayer, 349.
113) K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7 Extract, was das Reichenhaller salz in
folgenden jaren an gewann und Überschuss ertragen:
1650: 63840 fl. 56 Kr. 6 Heller
1651: 71 912 „ 41 „ — „
1657: 76332 ii 27 „ 6 „
1658: 151 158 „ — „ — ,
1662: 115664 „ 40 „ 3 „
1163: 106594 „ 51 „ 3 „
114) Über die Zuverlässigkeit der Hofzahlamtsrechnungen: Stieve, Sitz. B. 24—27.
Deshalb wurde bei den Gesamteinnahmen der „Zahlmeisterrest“ nicht berücksichtigt. Ver¬
gleiche Beilage I.
115) Siehe oben. 1605 wurde dieser Aufschlag wieder beseitigt, da er einerseits
sehr missbeliebt war, anderseits dem Herzog statt der veranschlagten 100000 fl. nur
30000 fl. einbrachte. Freyberg I 13; 19.
116) Der angeführte Unterschied bemerkt von Kreittmayr, Staats-R. 393.
117) Streitschr. Beil. Zzz: Kurtz und Actenmässige Erzehlung und Ausführung der
von Baym nach dem Reces de anno 1611 das erstemal bei denen Legstätten vorgenommenen
Auf- und Abschlägen, dann hiervon dem Erzstift zur Helffte geleisteten Participation“
sowie Beil. 196 „Churbayrische Beantwortung etc.“ Ferner A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 142
pars XXI f. 250—260 u. 261—278: „Kurze information und Beschreibung yber das häl-
lingische salzwesen.“ d. d. 1645 April 15. Bayern zahlte an Salzburg für eine
Hallfahrt 1594: 86 fl., 1611: 165 fl„ 1623: 351 fl. (incL der Hälfte der Aufschläge). —
Von Januar 1620 bis Juni 1622 wurde der Preis einer Halleiner Kufe durch 5 Aufschläge
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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 33
um 2 fl. erhöht. Die Rechtfertigung Maximilians gegenüber dem Erzbischof s. Streitschr.
Beil. Lzz, insb. p. 107, gegenüber der Landschaft: Freyberg I, 57; 67. — 1650 und 1651
wurde der Salzpreis herabgesetzt, ebenso 1657. A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. V.
1650 Aug. 8., 1651 Sept. 15., 1657 Okt. 26. — Im Jahre 1662 erfolgte wiederum ein Auf¬
schlag infolge der Steigerung der Getreidepreise, ibid. tom. V. fol. 312.
118) S. oben und Anm.: m, sowie Streitschr. Beil. Zzz. p. 129. — 1680 wurde dieser
Aufschlag auf Betreiben der Landstände wieder beseitigt. Freyb erg, I, 202. A. R. A.
Erzst Salzburg Nr. 141. tom. VI. 1680 Apr. 9.
119) Streitschr. Beil. Zzz., p. 113 u. 114.
120) Dies lässt sich besonders bei dem Aufschlag von 1673 verfolgen. A. R. A.
Erzst Salzbsrg Nr. 141. tom. VI.
121) Von den vielen Darstellungen ist die von Flurl 37—42 wohl die beste.
122) Flurl an versch. O. Ferner zu vergl. Wald- und Sudordnung v. 1509: Lori,
133 —Mi-
123) Man nennt diesen Vorgang „peren (bären)“, daher die Gefässe ,Perkufen (Bär¬
kufen)“ heissen. Vgl. Schmeller-Frommann, Bayer. Wört-B. I, 258.
124) Das Gewicht eines „weichen“ (noch nicht gedörrten) Fuders betrug ungefähr
50 Pfund.
125) K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7.
126) Lori 404; 406; 414; 416; 420; 472; 483; 513; bes. 421. — Ein Saizmair stand
dem Range nach unter einem Hauptpfleger, aber über einem Pflegschaftsverwalter. Lori
422; 424.
127) Lori 424.
128) Lori 359—363; 385 -388; Streitschriften Beil. M u. Q; Beil. 17 u. 18. Ferner
Lori 388 f. Streitschr. Beil. R u. 29. — Text der Schiffordnung: Lori 484 —510. Vergl.
zu dem Folgenden auch die Anm. 117 zitierte „Kurze Information etc.“
129) 1 Pfund = 240 Stück. Eine Hallfahrt enthielt 186 Kufen.
130) Lori, 298 § II. — Instruktion für den bayerischen Oberanschaffer in Hallein
d. d. 14. Feb. 1614 bei Lori, 389—397.
131) Eine Kufe wog 130—140 Pfund (Lori 642), ein Fuder 115 Pfund (ibid 641.)
Die Kufe ist nicht zu verwechseln mit der Bärkufe.
132) Lori, 504 § XXVII.
133) Derartige Schreiben mehrfach im A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. V. u. 142,
pars XXI u. XXII.
133a) S. Anm. 30. u. 31.
134) Lori, 484 § I.
135) Lori, 509. A. R. R. Erzst. Salzburg Nr. 142, pars XXI enthält Berichte über
diese Abrechnungen in den Jahren 1645—1649.
136) Lori, 387 § I.
137) Streitschr. Beil. B. 6.: „Summarischer Extract . . . was und um wie viel von
S. chf. Dt. in Baym . . an denen jährlich pactirten 1100 Pfund Salz . . in hernachstehenden
Jahren zu wenig ausgeführt worden ist.“
138) Streitschr. Beil. 182; 183.
139) Protokolle und Berichte über die Konferenz: A. R. A. Erzstift Salzburg Nr. 142
pars XXI und Nr. 141. tom V. — Ein Salzvertrag (s. M. Mayer, Bayerns Handel, 46)
wurde damals nicht abgeschlossen.
140) Diese Frage bildet einen Gegenstand der vielzitierten Streitschriften.
141) Zauner XI, 56; 58; 78 f.
142) Lori, 387 § III.
143) S. die Anm. 117 zitierten Schriften.
144) Streitschr. Beil. Zzz., p. 123—128.
145) Ibid. p. 129 f.
146) Lori, 287 f.; 290—292; Einl. LIX. Ko ch-Sternfeld I, 83.
147) Ei 11 Säm war 1564 gleich 2 Halleiner Fuder.
Bayer. Forschungen VII, 1. 3
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Hans Ockel
148) Lori, 337.
149) Lori, 382—384,
150) Für das Folgende s. auch die Anm. 117 zitierte „Ktirze Information“ Abschnitt
„Das Salzwesen zu Schölnperg betreffend.“ — Lori, 407.
151) Lori, 411—413.
152) Lori, 383.
153) Freyberg II, 141 f.
154) Diese Absatzgebiete bestanden auch im 18. Jahrhundert. Einzinger von
Einzing, Polit. Abriss des Chrfstm. Bayru, 400. Ferner die der bayerischen Quadruplik in
den Streitschriften beigegebene Karte. — Btf. Don au wörth K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7-
155) So i n Cham und Furth. A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom V. 1674 Feb. 10
und Sept. 13.
156) Ibid. 1674 März 15 wird aus Rottenbuch berichtet, dass alles Salz nur von
München, Landsberg oder den Reichenhaller Särnem genommen werde. Ferner ibid.
Febr. 4., März 20., 30. — Zogen die Händler mit Saumtieren umher, hiessen sie Sämer,
zogen sie mit Wagen, Salzwägler oder Salzkarrer. Ihr Salz hiess auch „Bruchsalz“ oder
„Plachensalz“ (von den über den Wagen gespannten Plahen).
1 57) Vergl. Beilage II.
158) A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. VI. 1673 Okt 25.
159) Solche Extrakte mehrfach im A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141. tom. V u. IV,
Nr. 142 pars XXII.
160) K. A. M. Gen. Sal. W. fsc. 3 Nr. 5. Bericht btf. Inquisition bei dem Salz¬
amt Landsberg d. d. 1672 Okt. 30.
161) So handelten die Fragner (Krämer) zu Cham nach Böhmen, wozu ihrer zwei
sich Pferde hielten, während die anderen das Salz durch die Gerichtsuntertlianen ausführen
liessen. Pfleger von Cham an den Rentmeister von Straubing, 1673 Dez. 9. A. R. A. Erzst
Salzburg 141 tom. VI.
162) Landtagsverhandlungen von 1669 p. 154. Die Stände beschweren sich, dass
an einzelnen Legstätten die Fremden vor den Inwohnern bei Abgabe des Salzes befördert
würden, ibid. p. 192. Über Weinfuhrleute s. auch den Anm. 160 zitierten Bericht.
163) Lori 378—382. Ferner die Anm. 117 zitierte „Kurze Information“ Abschnitt.
„Passauer Salz-Legstatt betr.“
164) Ibid. Abschnitt „Regensburger Salz-Niederlag betr.“ Ferner Lori, 398—404.
165) Lori, Einl. LII; LVI; LXXVII f.. Ferner „Actenmässige Erzählung wegen
des vorhin in das Königreich Böhmen frei und ungehindert ausgegangenen hällingischen
und Schellenberger Salzes.“ K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 4 Nr. 7.
r66) M ay r-D eisi n ger, 71—77; Lori, ^62 f.; 369—371.
167) Lori, 414 f.
168) G. St. A. Kasten schwarz 6/3, 4, 5.
169) Streitschr. Beil. 39.
170) P. v. Stetten, Geschichte von Augsburg I. 817; 854.
171) K. A. M„ F. M. A. fsc. 252 Nr. 54 Bericht des Hofkammerrates Widmann über
eine Reise in die Schweiz in Salzhandlungssachen d. d. 1674 Juni 30.
172) 1657. Okt. */i8 Johannes und Gabriel Wächter an das Salzamt Landsberg: Sie
wollen für die Stadt Schaffhausen und für ihr Konto 4000 Fass ausführen lassen. A. R. A.
Erzst. Salzburg Nr. 141, tom V.
173) 1649 Aug. 5: „Nachdem Maximilian .. und Ferdinand Karl . . bei etlichen
jaren wargenommen, dass diejenigen Handelsleuth, so mit dem Reichenhaller und Tiroler
salz in vassen nach dem Bodensee und auch gegen dem Schweizerland traffiziert, in ein-
kaufung desselben . . allerhand beschwerliche ringerung in der tax und zugaben, lange
porg und vörtl gesucht, wodurch die beiderseitigen kammergefäll nicht befördert werden
könen, sondern denen kaufleuten der gewinn zugangen ist .. . .“ Dieser und die weiteren
Verträge A. R. A. Tirol (fürstl. Grafschaft) 19. fsc.
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35
Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc.
174) Man nannte dieses Absatzgebiet auch das „extraordinari Debit“, das dorthin
gehende Salz „extra-Salz“.
175) S. Anm. 171. — Das Kreisarchiv in Landshut bewahrt Fragmente einer land¬
schaftlichen Korrespondenz, die Salzerzeuguug zu Reichenhall und den Salzhandel nach
der Schweiz betr. (1670—1675.)
176) So nach Donauwörth, s. o. u. Anm. 154. Auch wollte Bayern, als es 1671 einen
Extrakontrakt über 15000 Fass mit Stainer abgeschlossen hatte, dem Erzstift Anteil
an dieser Lieferung gewähren. Da der Erzbischof aber auf die Bedingungen nicht ein-
gehen wollte, zerschlugen sich die Verhandlungen. S. die auf die Absendung Kramers
nach Salzburg bezüglichen Aktenstücke im A. R. A. Erzst. Salzburg N. 142 pars XXII. —
K. A. M, Gen. Sal. W. fsc. 5 Nr. 7 enthält einen aus den siebziger Jahren stammenden
„Entwurf, was ein hällingisches Fass von der Wurzen bis Landsberg kosten würde“.
177) Freyberg I, 28, 41, II, 142.
178) Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes I, p. IX.
Beilage I: Auszüge aus Hofzahlamtsrechnungen.
i65o i65i
insgesamt:
Salzwesen:
insgesamt:
Salzwesen:
Einnahmen:
1 632 812 fl.
264175 fl.
1039431 fl-
271 232 fl.
Ausgaben:
1377462 „
192 170 „
1048 407 „
167230 „
1657
1662
Einnahmen:
1 039431 fl.
217369 fl-
1341960 fi.
332102 fi.
Ausgaben:
1 048 407 „
151804 „
1389138 „
131780 „
1667
1668
Einnahmen:
1314310 fl-
302535 fl-
1507913 fi.
490444 «•
Ausgaben:
774072 „
191 266 „
1550586 „
143147 ..
1671
1672
Einnahmen:
1189941 fi.
378373 fl-
1 327 108 fl.
442 824 fi.
Ausgaben:
1488756 „
181899 „
906998 ,,
149306 „
1678
1679
Einnahmen:
1874431 fl-
422499 n.
1545571 fl-
488049 fl.
Ausgaben:
1132643 „
163158 „
1140230,.
197090 „
S. Anm. 114. Der „Zahlmeisterrest“ wurde aus den Einnahmen fortgelassen;
die Kreuzer und Heller wurden nicht berücksichtigt. Man beachte die Steigerung der
Einnahmen unter Ferdinand Maria, wobei bemerkt sei, dass die Erträgnisse des Aufschlags
von 1673 nicht an das Hofzahlamt, sondern an das Hofkriegzahlamt abgeführt wurden.
Beilage II: Fuhrlöhne für die Beförderung von Salz
(nach Fragmenten im K. A. M. Gen. Salin. Wsu. Fsc. 5 Nr. 7).
Von Reicheuhall nach Traunstein: pro Scheibe 14 kr.
„ Reichenhall „ Wasserburg: „ „ 29 „
,, Traunstein „ Wasserburg „ „ 17 „
„ Wasserburg ,, München: „ „ 18 „
„ München „ Landsberg: ,, „ 18 „
Von Burghausen nach Regensburg (zu Wasser): pro Kufe 19 kr.
„ Regensburg „ Donauwörth „ „ „ ,, 13 ,, 1 dl.
Einzelne Salzpreise (aus den siebziger Jahren).
1 reiche Scheibe kommt in München auf 1 fl. 31 kr. 2 dl., wird dort verkauft um 2 fl. 28 kr.
1 „ „ ,
1
1 häll. Kufe
„ Donauwörth „ 2 „ 5 „ 3 „
„ Landsberg „ 1 „ 49 „ 2 „
„ Donauwörth „ 1 „ 50 ,, 1 „
3 1. 5 ,
3 „ 24 ,
2 45
o
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Sanitätswesen in der kurbayerischen Armee
nach dem dreissigjährigen Kriege bis zum Tode des Kurfürsten
Max Emanuel (1649—1726).
Von
Leonhard Winkler.
I. Unter Kurfürst Ferdinand Maria.
HEI^as Sanitätswesen war zur Zeit des Kurfürsten Ferdinand Maria
nach dem dreissigjährigen Kriege sowohl im Heilverfahren wie im Heilmittel¬
schatze noch recht kläglich bestellt und wohl der am meisten vernachlässigte
Teil der Armeeverwaltung.
Zwar besass jede Kompagnie sowohl zu Fuss als zu Pferd einen Feld¬
scherer, welcher einen „Veldtkasten“ d. h. Handapotheke auf des Hauptmanns
(Rittmeisters) Kosten führte, *) allein die Kompagnien lagen in dieser Zeit in
so kleinen Abteilungen in Städten und Ortschaften zerstreut, dass der Feld¬
scherer, welcher seinen Sitz beim Kompagniekommando hatte, selten dazu
kam, die nötige ärztliche Hilfe zu leisten.” In der Regel rief man den nächsten
Landarzt oder Bader gegen geringe Vergütung zur Heilung herbei. Und da
es noch keine Militärlazarette gab, so blieb der Soldat in seinem Bürger¬
quartier. Nur in sehr schweren Krankheitsfällen fand Überführung in das
nächstgelegene Bürgerspital statt. In solchen Fällen durften „medicus und
medicin“ d. h. der einsichtsvollere Stadtarzt und die besser gefüllte Stadt¬
apotheke gebraucht werden. 2 )
Diese Kosten trug die kurfürstliche Kassa, während jene für die Heilung
der leichteren Fälle zu Lasten der Kompagnie gingen. Die Akten enthalten mannig¬
fache Verantwortungen wegen des geforderten Rückersatzes von Kurkosten aus
der Staatskassa, und noch häufiger die Klagen der nicht bezahlten Ärzte.
Die Feldscherer stunden im Rang eines Unteroffiziers und besassen
das minimale Wissen eines Barbiers. Für ihre Dienstleistungen erhielten sie
das sogenannte „Bekkengeld“, welches sich „uinb des Balbirens und Haylung
schlechter — d. h. einfacher — Beschädigung willen verstand“. 8 )
„Purgieren, Schwitzen, Aderlässen und Klistieren“ gehörten zum eisernen
Bestand ihrer ärztlichen Anordnungen; Latwergen, Pflaster, Wasserüberschläge,
hauptsächlich über Kopf und Herz, Schwitzmäntel, Salben, Kraftwasser (Schlag¬
wasser) , Schlagbalsam zum gewöhnlichen Heilmittelschatz. 4 ) Der galante
„morbus gallicus“ bildet in den Akten eine stehende Rubrik.
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Sauitätswesen in der kurbayer. Armee nach dein dreißigjährigen Kriege etc. 37
Die Regimentsfeldscherer als Aufsichtsorgane über die Kompagniefeld¬
scherer kamen erst unter Max Emanuel auf. 6 ) Wir sehen also in dieser
Zeit nirgends die Spur einer Zentralleitung des Sanitätsdienstes.
Zu den Pflichten des Fähnrichs und des Führers gehörte es, für die
richtige Wart und Pflege der Kranken in den Quartieren zu sorgen. 6 )
In grösseren Garnisonen oder auch bei Konzentrierung verschiedener
Truppenteile wurden zur Pflege der Kranken und zur Aufsicht der soldati¬
schen Krankenwärter Unteroffiziere bestimmt, wenn das gewöhnliche Personal
in den bürgerlichen Spitälern nicht ausreichte. Im Frühjahr 1658 traten in
Amberg sehr viele hitzige Erkrankungen auf, weshalb die Regierung dem
Kriegsrate die Errichtung eines Feldspitals, ähnlich wie es im 30jährigen
Kriege gewesen sei, 7 ) in Vorschlag brachte. Der Kriegsrat ging aber auf diese
Idee nicht ein, war vielmehr der Ansicht, dass die „medici“, Krankenwärter
und Krankenwärterinnen im Amberger Bürgerspital wohl ausreichen. Dagegen
verstand er sich zur Zahlung der Kosten.
Das Jahr 1672 brachte der Ingolstädter Garnison viele und schwierige
kontagiöse Krankheiten. Statthalter Berlo liess die kranken Soldaten in das
bürgerliche Spital bringen und berief den Stadtphysikus Dr. Schoenfelder
zum ärztlichen Dienste dortselbst.
Als dieser nicht kam, liess er ihn verhaften. Aus der Verantwortung
Schoenfelders geht hervor, dass in Ingolstadt ein Professor der Univer¬
sität mit 100 fl. Besoldung als Arzt für die Soldaten augestellt war.
Kranke Offiziere erhielten Urlaub, meist mit ganzer Gage, um Bäder
gebrauchen zu können. Sehr besucht von bayerischen Offizieren war damals
das heute noch berühmte Karlsbad. 8 )
Oberst Mackay erwirkte sich 1677 auf 3 Monate Urlaub nach Padua,
„um seine Leibesschäden dort herstellen zu lassen“, bezog während dieser
Zelt Gage und Servis, durfte zu seinem Knechte noch einen Reiter mitnehmen
und den Regimentssekretär bei seinem Hauswesen in Schärding lassen.
Ausnahmsweise bekamen auch Unteroffiziere die Erlaubnis zu Badereisen
— in der Regel nach Gastein — um dort ihre Rheumatismen oder Glieder¬
sucht heilen zu können. Die Unteroffiziere baten in solchen Fällen um einen
grösseren Soldvorschuss, was darauf hindeutet, dass ihnen Unterstützungen
zu Badereisen nicht bewilligt wurden. Im Jahre 1672, also gleichzeitig mit
der beabsichtigten Heeresvermehrung, scheint der Gedanke, in München ein
besonderes Krankenhaus für das Militär bauen zu lassen, zum ersten Male im
Geiste Ferdinand Marias Wurzel gefasst zu haben. Mit dieser Idee dürfte
wohl jener Fassadenplan im Staatsarchiv in unmittelbaren Zusammenhang
gebracht werden, welcher den Entwurf des Krankenhauses im Barackenstil
zeigt. 9 ) Ob dieser Plan wirklich zur Ausführung kam, oder ob er nur Pro¬
jekt geblieben, dies zu eruieren, wäre eine schöne Aufgabe für die Münchener
Lokalforschung. 10 )
Als Thatsache registrieren wir, dass Oberstlieutenant Flemming, welcher
mit seiner Kompagnie 1673 von Savoyen nach München kam, den Befehl
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3»
Leonhard Winkler
erhielt, seine Kranken nicht in die Stadt mitzunehmen, sondern „draussen“
(in der Au) im Scheffersehen Hause zu lassen. 11 )
Ebenso wurden 1677 21 Soldaten in das ,,Schäfer“sche (Scheffersche)
Krankenhaus in der Au geschickt. 12 )
Bei den in der Regieruugsperiode Ferdinand Marias notwendig
gewordenen Aufstellungen und Ausmärschen kam es nie zur Etablierung
eines kurbayerischen Feldspitals, 13 ) und es war den Regimentern, welche nach
Ungarn, Kandia, Venedig und Köln marschierten, weder ein Feldmedikus
noch ein Feldapotheker beigegeben. Was den Kompagniefeldscherern nicht
an vertraut werden konnte, kam, wenn von den fremden Souveränen Feld¬
spitäler errichtet waren, wie z. B. in Ungarn und auf Kandia, in diese,
ausserdem in die nächstgelegeuen Landesspitäler.
Bei grossem Kranken-(Verwundeten-)stand kommandierte der Kriegs¬
kommissär im Einverständnisse mit dem kurbayerischen Kommandeur die zur
Pflege notwendigen Feldscherer, Führer, Krankenwärter und „exemplarische“
Geistliche in die Krankenhäuser.
Dem General Puech in Ungarn war zufolge der Instruktion sogar er¬
laubt, im Notfall einen eigenen Arzt, sowie einen Kommissär zu den Kranken
abzuordnen, welche beide darüber wachen sollten, „damit die arme Krankhe
weder an geistlicher noch leiblicher Warth kheinen mangel leiden.“ 14 )
Für die Nachführung der Leichtkranken (Revierkranken) war 1 Wagen
zulässig.
Der Bericht des kurbayerischen Residenten Stoiberer in Wien vom
17. 20. September i 66.4 1& ) an den Kurfürsten zeigt aber, dass trotz der Masse
von Kranken — hauptsächlich an roter Ruhr und hitzigen Fiebern — ein
eigener kurbayerischer Arzt nicht beordert worden ist. Dagegen war im
Jahre 1664 in Wien eine kurbayerische Feldapotheke — aber ohne Apotheker
— in Bereitschaft gestellt, 16 ) bezüglich deren Stoiberer kurz vor Schluss des
Feldzuges beim Kurfürsten anfragte, „ob sie zu den Kranken zu bringen be¬
fohlen werde.“ Ein eigener Feldapotheker wag en existierte jedoch nicht.
Die Eigenschaft der Bayern als Kreistruppen und die daraus resultierende
Verrechnung der Kosten auf Kreisfouds scheint, wie in so vielen anderen
Dingen, auch in sanitärer Richtung manchen Mangel für die kurbayerischen
Truppen im Gefolge gehabt zu haben. 17 )
Dem Oberst Bürhen, welcher sein Regiment nach Kandia führte,
wurden 91 fl. 50 kr. für ein „Apothekerkästel“ bewilligt, jedoch so, dass
er die „Nothdurft auch den Soldaten geben solle.“ Ausserdem hatte der
Kommissär Federl den Auftrag, in Venedig eine Feldapotheke zusammen¬
zustellen, „welche für die kranken Soldaten zu verwenden ist.“ I8 ) Ähnliche
Vorsorge bezüglich der Heilmittel war auch bei dem Regiment Beltin und
Culer in Savoyen und Köln getroffen. Die Leichtkranken und Leichtver¬
wundeten wurden auf einem der beiden Kompagniewagen mitgeführt. Strenge
wachten die Kommissäre darüber, dass die Rekonvaleszenten der Spitäler
zeitig bei ihren Kompagnien einrückten.
Zur Verhütung des Eindringens der zu Pressburg in Ungarn und der
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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjälirigen Kriege etc. 39
Stadt Wien 1679 „grassierenden gefährlichen Krankheiten und Contagion“
(Pest) liess der Administrator, Herzog Maximilian Philipp, an östlicher
und südlicher Grenze Bayerns einen militärischen „Cordon“ einrichten . 19 )
Die drohende Gefahr veranlasste auch in den Garnisonsorten, besonders in
München, verschärfte Massregelu, strengstes Überwachen der „Passanten“. In
der Residenz wurden sogar die Unteroffiziers wachen mit Offizieren besetzt.
Die „Examination“ der Reisenden durfte nicht mehr wie bisher innerhalb
des Einlasses, sondern ausserhalb der Brücke stattfinden. 20 )
Bei der Abdankung der Armee erhielt jeder Entlassene ausser seinem
Abschiede noch eine sogenannte „Fede“ als Zeugnis mit, dass der Ort, von
wo er komme, von jeder Ansteckung frei sei. 21 )
II. Unter Kurfürst Max Emanuel.
Die Regierungsperiode Max Emanuels weist gegen jene seines Vor¬
gängers auf dem Gebiete des Sanitätswesens einen bemerkenswerten Fortschritt
auf, welcher zweifellos mit der Neugestaltung des Heeres d. h. mit der Ge¬
winnung fester und ständiger Heeresformationen im engsten Zusammenhang
steht. Dieser Fortschritt bestund einmal in der Aufstellung eines „collegium
sanitatis“, auch „consilium sanitatis“ oder „medicoruin“ genannt, als Zentral¬
aufsichtsbehörde über das gesamte Sanitätswesen, welche dem Hofrate attachiert
war und hauptsächlich in den Zeiten der damals öfters vorkommenden Epi¬
demien segensreiche Massregeln ins Leben rief. 22 )
Zugleich bildete dieses Kollegium auch die oberste Instanz für Ent¬
scheidung der Differenzen und Beschwerden zwischen Truppen und Sanitäts¬
personal.
Zum anderen bestund der Fortschritt in der Verwendung von wirklichen
approbierten Ärzten bei den Feldarmeen, in der Einführung von Feldapotheker¬
wagen und der Vermehrung des Sanitätspersonals überhaupt. 25 ) Hierher zählt
besonders auch die Aufstellung eines chirurgisch gebildeten Stabsfeldscherers,
welcher mit den Ärzten und den Apothekern zum Hauptquartier bezw. zum
kleinen Generalstab des Heeres zählte, und sämtliche Regiments- und Kom¬
pagniefeldscherer unter sich hatte. 24 )
Auch die Regimentsfeldscherer im Stabe der Regimenter als Kontrolle
der Kompagniefeldscherer bilden eine Neuschöpfung dieser Zeit gegenübei
der Periode Ferdinand Marias, welche nur Kompagniefeldschererkannte. 25 )
Ein weiterer Punkt fortschreitender Besserung lässt sich in der regel¬
mässigen Einstellung eines Geldpostens von 8000 fl. in den jährlichen
Heeresetat „für Feldspital und kranke Soldaten“ erkennen. 26 ) Dazu kommt
noch die Erbauung von besonderen Häusern in München, Ingolstadt und
anderen grösseren Garnisonen, welche lediglich für kranke und verwundete
Soldaten als Spitäler eingerichtet wurden, und die bessere Ausgestaltung in
sachlicher und personeller Beziehung der bereits für militärische Krauken-
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Leonhard Winkler
zwecke bisher verwendeten Gebäude. Hand in Hand damit geht die Etablie¬
rung von eigenen Krankenzimmern in den damals neu erbauten Kasernen der
grösseren Garnisonen zur Aufnahme von Leichtkranken, welche jetzt „Revier¬
kranke“ genannt werden.
Die Aufnahme der kranken Soldaten in die bürgerlichen Spitäler stiess
gar oft auf das Widerstreben der städtischen Behörden. Jede Garnison hatte
ihren Garnisonsmedikus in der Person eines Zivilarztes, da es eigene Militär¬
ärzte wie heute noch nicht gab. In grösseren Garnisonen, wie in München,
war unter ihm noch ein oder der andere Arzt in den Spitälern thätig.
Sie allein ordinierten in den Spitälern. Der Garnisonsfeldscherer, auch
eine neue Chargenbildung dieser Zeit, galt als Unterorgan des Gamisons-
medikus. 27 ) Als ausschliessliches Soldatenspital für Mann, Weib und Kind
wurde unter Max Emanuel in München das vor dem Sendlingerthor gelegene
bürgerliche Brech- oder Pesthaus eingerichtet, während zu gleicher Zeit auch
das Scheffersche Haus in der Au, das Fennebergersche in Obergiesing 38 )
und das Spital auf dem Angerplatz, das spätere Seidenhaus, als militärische
Krankenhäuser, aber nicht in ausschliesslicher Weise für Militär allein mit¬
benützt werden. 29 ) Neben diesen werden auch ab und zu die bürgerlichen
Hospitäler auf dem Kreuz, das St. Joseph-Spital und das Herzogspital genannt.
Im Jahre 1692 wurde nächst Giesing ein neues Krankenhaus für mili¬
tärische Zwecke erbaut, welches 2865 fl. kostete.*' 10 ) Die Akten lassen erkennen,
dass die mit ansteckenden Krankheiten behafteten Leute stets in das Kranken¬
haus nach Giesing kamen, und erst im Jahre 1717 musste Doktor Pichler
auch im Krankenhaus vor dem Sendlinger Thor ein Zimmer für solche Leute
einrichten.
* Sollte dieser Bau die erste Verwirklichung des schon von Ferdinand
Maria im Jahre 1672 gefassten Gedankens der Erbauung eines Militärspitals sein?
In Ingolstadt, Braunau, Landshut, Straubing, Rosenheim 31 ) etc. finden
sich ähnliche Häuser und Spitäler nur in militärischer Verwendung, und es
tritt daraus deutlich das Bestreben hervor, die Bürgerquartiere von der Kranken¬
aufnahme zu entlasten und sie auf diese Weise vor den ansteckenden Krank¬
heiten, welche die Soldaten aus den Feldzügen mitbrachten, möglichst zu be¬
schützen. Denn jetzt galt es als Hauptgrundsatz, Leichtkranke in den Kasernen
unterzubringen und die Schw r erkranken, insbesondere die mit ansteckenden
Krankheiten behafteten, in die Soldatenspitäler zu verweisen. 82 )
Der Krankendienst in den Spitälern war gut geregelt, und es fehlte
nirgends an dem nötigen Wärterpersonal, welches in der Regel aus einem
Feldscherer oder Bader, einem Schaffner, der nötigen Anzahl von Kranken¬
wärtern und einer Köchin mit ihrer Zuhelferin bestund. 88 )
Zu Zeiten erhöhten Krankenstandes, besonders bei Epidemien, wurden
Feldscherer und Unteroffiziere der Truppen zur Aushilfe kommandiert, von
welch letzteren meist die capitaines d’armes in Verwendung kamen.
Der Besuch des Medicus sollte täglich erfolgen und täglich schriftlicher
Rapport über die Standesbewegung und den Verlauf der Krankheiten an die
Hofkammer geschehen. 34 )
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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 41
Besonders gut geregelte Verhältnisse in dieser Richtung traten nach
der Rückkehr des Heeres vom Jahre 1715 ab in sofern ein, als die Vorsteher
der neuen Kasernenämter, die Kasernenverwalter, als unmittelbare Aufsichts¬
behörden über die Soldatenkrankenhäuser in ökonomischer Beziehung gesetzt
wurden 85 ). Auch sie hatten monatlich genaue ärztlich bestätigte Verzeichnisse
über Zu- nnd Abgang der Kranken an die ihnen Vorgesetzten Kriegskommissäre
einzusenden, welche die staatlichen Interessen nach der finanziellen Seite wahren,
d. h. in erster Linie die Soldabzüge der im Krankenhaus verpflegten Miliz
bethätigen mussten. Bei einbrechenden Epidemien wuchs die Kompetenz der
Kommissäre, welche in solchen Zeiten auch für den Gamisousarzt und seine
Berichte als Zwischeninstanz zur Hofkammer galten, zu welcher das gesamte
Kasern- und Spital wesen ressortierte.
Die Kommissäre hatten das Recht und sogar die Pflicht, Visitationen
in den Spitälern vorzunehmen, und im Jahre 1718 wurde diese Visitation von
der Hofkammer geradezu gefordert. Auch von den Kasern Verwaltern und
Kasernoberverwaltem sollte hie und da Visitation bewerkstelligt werden. Ausser
den täglichen Rapporten an die Hofkammer musste der Gamisonsmedicus
auch wöchentliche Berichte, „WochenZettel“, über die Standesbewegung der
Kranken zur Kriegsdeputation des Hofkriegsrates einsenden 86 ). Für die Natural¬
verpflegung im Krankenhause passierten täglich 8 kr. und nur bei hohen
Materialpreisen ausnahmsweise 10 kr. Die Hälfte davon wurde einbehalten,
die andere bekam der Kranke zu seiner Rekonvaleszenz ausbezahlt. Kommiss¬
brot wurde im Krankenhaus nicht verabreicht 37 ).
Im Jahre 1715 plädiert der Gamisonsmedicus Doktor Pichler für
Verabreichung einer passenden Krankenkost, wie dies schon vor dem spanischen
Erbfolgekrieg gewesen sei, was auch mit dem Bemerken genehmigt wurde,
dass die Krankenkost den Preis von 10 kr. nicht überschreiten dürfte.
Statt der harten Strohsäcke bewilligt die Hofkammer im Jahre 1721 für
das Krankenhaus vor dem Seudlinger Thor kleine einfache Matratzen, „aber
nicht für ansteckende Krankheiten.“ Der Statthalter von Ingolstadt verlangt
im Jahre 1720 von dem dortigen Gamisonsmedicus mündlichen Rapport über
den Krankenstand, worauf ein allerhöchstes Signat ihn unterrichtet, dass der
dortige Gamisonsmedicus, zugleich Professor an der Universität, dem Statt¬
halter weder früher „unterworfen“ war, noch es jetzt ist. „Es müsse ihm der
mündliche Rapport des „Chirurgen“ — hier jedenfalls Garnisonsfeldscherers —
genügen, der ja stets den Krankenbesuch zugleich mit dem Medicus mache“. 88 )
Auch für die religiöse Pflege war in den Spitälern gut gesorgt. Die
„heiligen Paulaner in der Au“ empfingen z. B. für die „functiones spirituales“
und die Administrierung des heiligen Sakramentes in der Garnison München
wöchentlich 4 fl.. Die Ärzte erhielten für die gleiche Zeit 2—4 fl. Wartegeld.
Auch die Leichtkranken in den Kasernen empfingen ärztlichen Besuch, 89 ) und
den Feldscherern war es strenge verboten, den Soldaten Medizin zu ver¬
schreiben, dieselbe selbst zu fertigen und sich innerliche wie äusserliche Kuren
anzumassen 40 ). Wäre uns über die Thätigkeit und den Wirkungskreis der
Feldscherer sonst nichts bekannt, dieses Verbot allein würde die Unfähigkeit
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42 Leonhard Winkler
und den beschränkten Wirkungskreis derselben, der sich auch jetzt noch nicht
über das Niveau eines Baders oder Balbierers erhob, auf das treffendste kenn¬
zeichnen. Das schon in früherer Zeit für dieselben normierte Beckengeld be¬
stund noch fort 41 ). Dagegen hatte der Garnisonsarzt den strikten Befehl, den
Revierkranken ohne Autopsie kein Arzneimittel zu verschreiben 42 ).
Die Kosten für die Arzneimittel der Leichtkranken fielen den Kompagnien
zur Last. Mit besonderer Schärfe ging man nach der Rückkehr des Heeres
im Jahre 1715 gegen die mit galanten Krankheiten behafteten Soldaten vor.
Das kurfürstliche Generale vom 30. August 1719 bestimmte nämlich, dass alle
jene, welche künftighin mit dem „morbo gallico“ infiziert sind, von den Regimentern
„cum infamia und ohne Abschied zu stossen seien“. 43 ) Die Akten lehren uns
aber, dass dieser streng lautende Befehl in der mildesten Weise gehandhabt
wurde. Selbst der schon länger geltende Grundsatz, dass diese Krankheit auf
eigene Kosten geheilt werden sollte, wurde auch jetzt noch nicht immer auf¬
recht erhalten, soferne gar nicht selten die Auslagen vom Staate ersetzt wurden 44 ).
Die von Zeit zu Zeit erlassenen Verordnungen auf dem Gebiete der
Militärgesundheitspflege können als Beweis dienen, dass die staatliche Für¬
sorge für die Kranken und Verwundeten stets lebendig war. 45 ) Aber der
gute Wille des Staates wurde öfters durch die damals herrschende Geldnot
beeinträchtigt; denn die schlechte Ernährung der Mannschaft, die starke Be¬
legung der Kasernen, sowie der Mangel an besseren Medikamenten war zu
Zeiten ganz vorschriftswidrig. 46 )
Auch bei den Märschen ins Ausland, in den Feldzügen in Ungarn,
am Rhein, in Piemont, in den Niederlanden wie in Spanien, zeigt sich das
rege Bestreben des Staates, jenen Anforderungen, welche zu damaliger Zeit
auf dem Gebiete militärischer Gesundheitspflege im Felde an die oberste
Leitung gestellt wurden, nach Möglichkeit gerecht zu werden. Die Vorbe¬
reitungen hiezu, welche sich mit der Aufstellung der Feldmedici und der Feld¬
apotheker, sowie der Füllung der Feldapothekerkästeu befassten, wurden
immer rechtzeitig getroffen, und die kommandierenden Generale wurden in den
ihnen erteilten Feldzugsinstruktionen stets angewiesen, die Kranken und Ver¬
wundeten jederzeit „mit der notwendigen Alimentation“ zu versehen. 47 )
Auch die Feldscherer waren beordert, „Heil- und Wundarzneien und
nicht allein „Vomitien“ mitzunehmen. Eine gute Errungenschaft bildete be¬
sonders die Einführung eigener Apothekerwagen, welche den Truppenkorps
überall hin folgen konnten. 48 ) Bei den Truppen im Felde wurden in den
nächstgelegenen Städten und Ortschaften in der Regel Feldspitäler etabliert,
welche von den Ärzten, welche sich im Stabe des Hauptquartiers befanden,
d. h. von den sogenannten Generalstabsmedicis 49 ) gebildet wurden und sich
infolge der häufigen Praxis in einem erträglichen Stande befanden. In diese
Feldspitäler kamen alle jene, welche die auch in chirurgischen Dingen
kenntnisarmen Kompagniefeldscherer unter Aufsicht des Regimentsfeldscherers,
welcher ein guter Chirurg sein sollte, nicht heilen konnten. Bei gewöhnlichem
Krankenstände reichte wohl das normierte Personal an Ärzten, Chirurgen,
Apothekern und Krankenwärtern aus, aber in aussergewöhnlichen Fällen von
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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 43
epidemischen Krankheiten und bei grossen Gefechts Verlusten, wie sie besonders
in den ungarischen Felzügeu öfters vorkamen, versagte der normale Apparat,
und eine Menge von Leuten ging aus Mangel an rascher ärztlicher Hilfe
und oft noch mehr infolge schlechter und mangelhafter Verpflegung in den
Feldspitälern zu gründe, trotzdem in solchen Fällen Truppenfeldscherer und
Unteroffiziere 60 ) zur Aushilfe dahin kommandiert wurden. Auch die Weiber
der verheirateten Soldaten machten vielfach Kraukenwärterdienste. Die Reini¬
gung der Spitalwäsche oblag ihnen allein. B1 ) Als Blessierten träger fungierten
neben den Soldaten auch die Fourierschützen, die Gehilfen der Fouriers beim
Quartiermachen. Auch die Fähnriche waren wie früher immer noch Aufsichts¬
organe für die Kranken. Es gab eigene Krankenkommissäre in der Person
von Proviautoffizieren, welchen die administrative und ökonomische Führung
der Feldspitäler an vertraut war. Die Oberaufsicht führten die Kriegskommissäre.
Die Leichtkranken und Leichtblessierten blieben immer beim Regiment, und
was nicht gehen konnte, durfte durch Landesvorspann nachgefahren werden,
wie früher.
Wegen der vielen im Jahre 1683 in Ungarn bei der Armee herrschenden
Krankheiten 52 ) verfügte der Hofkriegsrat nach der anfangs Februar 1684 er¬
folgten Heimkehr der Truppen „an den Grenzen und Confinen“ des Landes
Quarantänequartiere, welche erst anfangs April wieder aufgehoben wurden.
Den Offizieren war insbesondere der Besuch von München bei Vermeidung
der Kassation untersagt 53 ) Eine gleiche Massregel scheint nach dem Türken¬
kriege 1717/18 beim Heimmarsch der Truppen nicht mehr für nötig befunden
worden zu sein, trotzdem das kurbayerische Subsidienkorps unter vielen In¬
fektionskrankheiten zu leiden hatte. 64 )
Der militärische Grenzkordon, welcher schon 1679 gegen die Pest¬
ansteckung durch Aufstellung von „Confinwächter“ und „Contagionswachten“
gegen Osten und Süden aufgestellt worden war, wurde im Jahre 1682 auch
gegen Westen und Norden am Lech und an der Donau zur Abhaltung der
gleichen Gefahr ins Leben gerufen. BB ) Eine ähnliche Sperre erfolgte auch im
Jahre 1691 an den westlichen Grenzen Bayerns gegen die Pestepidemie der
Armee am Rhein. 66 ) Wie bereits früher bemerkt, gingen diese sanitären Mass-
regeln aus dem Schoss des „officium sanitatis“ hervor.
Während der Feldzüge in Piemont 1691/96 'war das Sanitäts- und
Lazarettwesen auf das beste geregelt, 57 ) aber der grosse Prozentsatz der Ge¬
storbenen — in manchen Jahren fast die Hälfte der Kranken — lehrt uns,
wie mangelhaft damals die ärztliche Wissenschaft war. Auch hier bildeten
hitzige Fieber und Dysenterien das Hauptkontigent der Krankheiten, wie in
Ungarn. Bei der Diversion nach Südfrankreich in die Dauphine begleitete
der Stabsmedicus Eder sowie der Apotheker die Truppen. Die Feldapotheke
wurde auf Maultieren transportiert. Inzwischen versahen das Hauptfeldspital
in Turin Turiner Ärzte. Auch hier w r ar für die Seelsorge der Kranken gut
gesorgt. In den Niederlanden gab es keine besonderen kurbayerischen Feld¬
spitäler; hier wrurden die Kranken und Blessierten in den französischen Feld¬
spitälern oder in den niederländisch-spanischen bürgerlichen Spitälern unter -
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Leonhard Winkler
gebracht Die jeweiligen kurbayerischen Feldapotheker linferten die Medika¬
mente, und der kurbayerische Feldmedicus nahm öfters auf seinen Rundreisen
Visitationen und Ordinationen vor. „Viel Branntwain und alte Leinwand“
war zum Verbinden nötig. 65 ) Die Kranken und Verwundeten des Regiments
Tattenbach in Spanien fanden im Madrider Bürgerspital ihre Unterkunft,
soweit sie nicht der Regiments- und die Kompagniefeldscherer gesund machen
konnten. 59 ) Reglementäre Spitalordnungen, wie sie schon im 30jährigen Kriege
existierten und später wieder aufkamen, gab es in dieser Zeit weder für die
Garnison, noch für das Feld. Die Führung der Lazarette war Sache der
Praxis, die ab und zu durch Erlasse des Hofkriegsrates auf grund der ärzt¬
lichen Berichterstattung theoretische Bereicherung erfuhr. 60 )
Urlaub für Rekonvaleszenten und Badereisen für kranke Offiziere und
Soldaten wurden öfters bewilligt. Als bemerkenswert gilt, dass die Rekon¬
valeszenten der Stadtkompagnien, wenn sie Luftveränderung nötig hatten, zu
den auf dem Lande liegenden Kompagnien versetzt wurden.
Eine höchst erfreuliche Wahrnehmung ist, dass das Hofkriegszahlamt
im Jahre 1715 die Kur- und Medikamentenkosten, welche einzelne Soldaten
noch in diesem Jahre nach ihrer Heimkehr aus den Niederlanden für Heilung
ihrer bei Höchstädt im Jahre 1704 empfangenen Wunden liquidierten, ohne
jeden Anstand zu bezahlen, angewiesen wurde.
Die wissenschaftliche Ausbildung der Ärzte erfolgte auf der Landes¬
universität Ingolstadt und fand in seltenen Fällen Vertiefung und Bereicherung
durch zeitweises Studium an fremden Universitäten, wie z. B. in Bologna.
Die ärztliche Kunst entsprach dem Stande der medizinischen Wissenschaft
dieser Zeit. Zum Stabsfeldscherer, auch Generalstabsfeldscherer oder General¬
stabsbarbier genannt, wie auch zum Regimentsfeldscherer wurden in der
Regel chirurgisch gebildete bürgerliche Wundärzte ernannt. Der Aufnahme
pflegte eine theoretische wie praktische Prüfung durch einen kurfürstlichen
Leibchirurgen in München voranzugehen, 61 ) welcher das Zeugnis der Appro¬
bation ausstellte.
Während die Anstellung des Stabsfeldscherers durch kurfürstliches
Dekret erfolgte, lag jene der Regiments- und Kompagniefeldscherer im Be¬
lieben der Regimentsinhaber, bezw. Kompagniekommandanten. Von einer
systematischen Ausbildung dieses niederen Sanitätspersonals durch theoretische
oder praktische Schulung lässt sich in den Akten nirgends eine Spur finden.
Was den Arzneimittelschatz betrifft, so findet sich in unseren Akten vielfach
zerstreut auch ein Teil jener Mittel angegeben, welche in den Denkschriften
des berühmten Philosophen Leibnitz dieser Zeit enthalten sind: „infusio tabaci,
antimonalia, antimonalische Vomitien. Wein mit Zucker und Kaneel oder
präparierter Zucker mit Zitronensaft; als Präservativ ein wenig Branntwein
mit Wachholderkörnern; den Durst zu löschen sal prunellae, „item was aus
Limonien bereitet, deren acidum contra malignas febres trefflich.“ 62 )
Leitmotiv für die Heeresverwaltung war möglichste Billigkeit der Arznei¬
mittel, und die Anwendung von sogenannten „pretiosa“ wird oft verpönt und
oft gerügt.
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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 45
Der Garnisonsdoktor wandte in der Regel keine Medizin an, die
einen höheren Preis als 6 kr. hatte. 68 ) Eigene Militärapotheken gab es in
den Garnisonen nicht. Das Medikamenten wesen zeigte dieselbe Unvollkommen¬
heit, wie das Heilverfahren, war aber trotz aller SparsamkeitsVorschriften be¬
sonders im Ausland sehr kostspielig. Eine stehende Rubrik in den Bean¬
standungen der Musterungsberichte bildeten die hohen Apothekerkontos. 64 )
Hier mag noch Erwähnung finden, dass die Hauptgrundsätze, auf denen unsere
moderne Genfer Konvention beruht, in den Verträgen zwischen den Krieg-
führenden sich schon seit Ende des 16. Jahrhunderts mit Sicherheit nach-
weisen lassen. Aber erst in der Zeitperiode Max Emanuels — 1689 —
werden die Kranken und Verwundeten selbst in den Kartells erwähnt und
eigentlich geschützt. 6B )
Quellennachweise.
1) Die Feldmedikamentenkasten waren in den 1670er Jahren bei allen Kompagnien
eingeführt. Der Kriegsrat verbot, dass zum Füllen derselben ein Teil des Becken geldes
(s. S. 36) verwendet wurde.
2) Prinzip war, dass der Soldat nur in ganz schlimmen Fällen den Medikus ge¬
brauchen sollte. f
3) Kriegsarchiv A. V. 1 Konzept-Protokoll 1679.
4) Staatsarchiv. Käst. schw. 21811.
5) Die Listen über die Stäbe der Regimenter Puch, Bürhen etc. enthalten keinen
Regimentsfeldscherer. Entsprach der Feldscherer nicht einmal den an ihn gestellten An¬
forderungen, so musste et^ wieder als Gemeiner die Muskete oder Pike tragen.
6) Daher die Bezeichnung des Fähnrichs als Mutter der Kompagnie.
7) Die Feldspitäler im 30jährigen Krieg siehe bei Heilmann, Kriegsgeschichte
11 Bd. S. 1025. Im Jahre 1620 wurde für das bayerisch-ligistische Heer ,,ein Kriegsfeld¬
spital“ errichtet. Am 14. Februar erschien „Ordnung und Instruktion“ über dieses Spital.
8) Ein Lieutenant erhielt statt der für seine kranke Frau erbetenen Medikamente
12 fl. „semel pro semper“.
9) Käst. schw. 218,11 ohne Angabe des Orts und derZeit, aber im Zusammenhalt
mit den anderen Schriftstücken zweifellos aus dem Jahre 1672. Vergl. auch Staudingers
Regimentsgeschichte. I. S. 9.
10) Weder Lipowsky in seiner Geschichte der Vorstadt Au, München 1816, und
in seiner Urgeschichte Münchens 1815, noch Hübner in der Beschreibung Münchens 1815
bringen hierüber Aufklärung.
11) Kriegsarchiv. A. V. 1. Expedit. Protok. 1673.
12) K. A. A. V. 1. Exped. Protok. 1677 Fol. 169. Morawitzky bringt in seiner
Materialiensammlung Ser. II, Bd. 3, S. 19 folgenden quellenlosen Rechnungsextrakt: „Es
bestund zu dieser Zeit (1677) ein Krankenhaus für Militärs, worin viele von denen aus
Savoyen zurückgekehrten Soldaten lagen, bis zu 40 Mann.“ So bestimmt auch diese Notiz
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lautet, bei der Unzuverlässigkeit Morawitzkys möchten wir das „M i 1 i tärkrankenhaus“
doch nicht so ohne weiteres als geschichtliche Thatsache annehmen. Er meint jedenfalls
das „Scheffersche.“
13) Nach den Akten des Staatsarchives war im Jahre 1674 in Amberg wiegen des
grossen Krankenstandes der oberpfälzischen Truppen „ein Feldspital“ eingerichtet,
über dessen Wirksamkeit die Regierung alle 8 Tage an den Kriegsrat in München be¬
richten musste. Nach anderen Notizen kann aber angenommen werden, dass unter diesem
Feldspital kein eigentliches neu eingerichtetes Feld spital, sondern das dortige Bürger¬
spital zu verstehen ist. Staatsarchiv K. schw. 21811 Kriegsexped. 1674.
14) Kr. A. Handschr. Slg. Nr. 18 Sext VI, Beil. 22.
15; Kr. A. B. Türkenkriege 1661/64.
16) Diese Apotheke war mit 1000 fl. aus der Kriegskasse dotiert.
17) Die Medikamente sollten in Ungarn nur den gemeinen Offizieren, = Unter¬
offizieren und Soldaten gratis verabreicht werden, den vornehmen Offizieren d. h. Ober¬
offizieren nur gegen billigen Preis.
18) Kr. A. Handschr. Slg. Nr. 18, Sext. VI, Beil. 12.
19) Der Cordon setzte sich aus stabilen Wachen, Wachposten und Patrouillen des
Fnssvolks und besonders der Reiterei zusammen. Es wurden eigene Wachthütten ge¬
baut. Das Generale vom 16. September 1679 empfiehlt ein einheitliches Zusammenwirken
der Beamten und der Offiziere. Kr. A. Konz. Prot. 1679. Fol. 281.
20) Kr. A. A. V. 1. Konzeptprot. 1679.
21) Kopie davon siehe Konz. Protok. 1679 Fol. 444. Die „Fede“, ,,Fed“ — die
Bürgschaft, Versicherung, Versicherungsurkunde (Sch meller-Frommann I, 690).
22) Kriegsarchiv A. XII. Gesundheitspflege 1646/1836 und A. XII. 8. 1722—1759.
Friedrich Wilhelm I. von Preussen führte 1713 die Anatomiekammer und 1724 das
Collegium medico-chirurgicum ein. Jäh ns, Geschichte der Kriegswissenschaften. München
1889 II 1586.
23) Kriegsarchiv Handschrift No. 156 Jahr 1700, Handschrift No. 168, Serie II, 3
S. 65. Im Jahre 1693 gab es 2 Feldmedici, die Doktoren Eder und Elsässer, den
Stabsfeldscherer Bischof, 2 Apotheker und 3 Apothekergesellen.
24) Bei jeder Kompagnie befand sich 1 Feldscherer. fDie Reduktionen der Jahre
1699/1700 brachten die Beschränkung auf 1 Feldscherer für je 2 Kompagnien, bei den
niederländischen Regimentern jedoch nur auf kurze Zeit. Staudinger a. a. O. II 134.
25) Erscheinen erst nach dem Jahre 1683 in den Listen sowohl bei der Infanterie
wie der Kavallerie.
26) Kriegsarchiv Handschrift No. 19 Sext II Beilage
27) Nur in grösseren Garnisonen wie z. B. in München und Ingolstadt.
28) Das Haus gehörte dem Hofkammerrat und Kastengegenschreiber Fenneberger.
29) Lipowsky, Urgeschichten von München II, 303 u. 499.
30) Kriegsarchiv A. VII. 8. Garnisonslazarette 1704—1721.
31) 1702 wurde in Rosenheim ein Blessur- und Krankenhaus am Inn erbaut, um
nicht die kranken oder verwundeten Soldaten in die Häuser der Bürger lassen zu müssen.
Hefner, Chronik von Roseuheim S. 149.
32) Kriegsarchiv Handschrift No. 156 Jahr 1684. Ordre zum kurfürstlichen Officium
sanitatis. „Das churfürstliche Collegium Sanitatis hat dafür zu sorgen, dass die kranken
Soldaten aus den Münchner Kasernen in das Haus, so bisher für die kranken Soldaten
verordnet war, verlegt werden, um die Ansteckung der Gesunden zu verhütefl“.
33) Schaffner wöchentlich . . 1 fl. 30 kr.
Krankenwärter wöchentlich 1 „ 12 „
„.. , . neben voller \ erpflegung.
Kochin wöchentlich . . . 1 „ 12 „ 0
Zuhelferin.1 „ — „
Kriegsarchiv A. VII. 8. Garnisonslazarett 1704 —1721.
34) Ebenda.
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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 47
35) Die Kraukenkosten wurden vom Jahre 1715 ab aus der Serviskasse bezahlt
und von den Kasern Verwaltungen verrechnet. Siehe zwei solche Rechnungen im Kriegs¬
archiv A. VII. 8. Garnisonslazarette 1704—1721.
36) Kriegsarchiv A. VII. 8. 1722—1759.
37) Kriegsarchiv A. VII. 8. 1722—1759. Über Verpflegung kranker Soldaten und
ihrer Weiber und Kinder siehe auch Mayrs Verordnungensammlung IV, 907. Signat
vom 19. Juni 1694.
38) Kriegsarchiv A. XII. 1646—1836.
39) „Die kleinen Fieber und die kleinen Alterationen sollen in den Kasernen kuriert
und dem Regimentsfeldscherer immer die nöthigen medicamenta gegeben werden.“
40) Staudinger a. a. O. II 897.
41) Wie langsam die Fürsorge, auch für innere Erkrankung Hilfe und zweck¬
mässige Behandlung bei den Abteilungen selbst sicher zu stellen, Ausdruck gewonnen,
geht daraus hervor, dass es noch im Jahre 1769 den Feldscherern wiederholt verboten
wurde, innere Kuren vorzunehmen. Kriegsarchiv A. V. 1, Konzept Protokoll 1769 Folio 547,
Gerneth „Geschichte des 5. Infanterie-Regts.“ I, 40.
42) Es kam öfters vor, dass die Feldscherer vom Arzt, „auf blosses Vorbringen hin“
Arzneien verlangten. Allerhöchstes Verbot vom 28. März 1725 an alle Regimenter. Kriegs¬
archiv A. XII, 1646— 1836.
43) Kriegsarchiv. Ebenda.
44) Vergl. Staudinger a. a. O. II 767, wo schon 1715 solche Leute mit simpler
Attestation weggejagt werden sollten.
45) Vergl. Staudinger a. a. O. II 857, Kriegsarchiv A. XII. 1636—1836 und
A. VII. 8.
46) Siehe Staudiuger a. a. O. II 769 und 783. Zustände in Ingolstadt.
47) Kriegsarchiv A XII 1646—1836. Ebenda Handschrift Nr. 168, Ser. II 3 S. 22
und Staudinger a. a. O. II 793. Instruktion für General Degenfeld 1683 und Maffei 1717.
48) Es waren hiefür 4 Pferde normiert Die Feldapotheker mussten für Wagen,
Pferde, Geschirr und Knechte sorgen und bekamen hiefür das Geld. Kriegsarchiv Hand¬
schrift Nr. 156 Jahr 1709.
In Piemont wurden beim Einfall in die Dauphin^ Tragpferde verrechnet.
Im Jahre 1706 ging bei Ramillies die Feldapotheke zu gründe. Ihre Wieder-
anschaffung kostete 1227 a / 3 fl. S t a u d i n g e r a. a. II 577.
49) Auf jedem Kriegsschauplätze mindestens einer.
50) Gerneths „Geschichte des 5. Infanterie-Regiments“ I, 12 u. 26. Staudinger
a. a. O. I 89, II 685.
51) Vergl. Hoyer, Geschichte der Kriegskunst. Göttingen 1799 Band III 587.
52) Hauptsächlich Fieber, weisse und rote Ruhr, Dysenterie und Skorbut oder
Scharbock.
53) Kriegsarchiv Handschrift Nr. 19 Serie II 37 und Staudinger a. a. O. I. 89.
54) Ebenda II 804, 827, 847.
55) Kriegsarchiv A. V. 1, Konzeptprotokoll 1682. Gegen die in Lyon, Paris und
Strassburg sowie in Sachsen herrschenden Krankheiten.
56) Staudinger a. a. Cb II 227.
57) Doktor Eder als Arzt, ein Apotheker, ein Apothekergeselle, sowie ein Oberfeld¬
scherer = Stabsfeldscherer. (Hauptfeldspital in Turin, Feldspitäler in Demonte und Coni.)
Näheres hierüber siehe bei Winkler „Die Feldzüge in Piemont“ I 43, II 27, 73,
88, 98 u. 115. In Piemont bezogen die Kranken zur Naturalverpflegung den ganzen Sold.
58) Darstellungen aus der bayer. Kriegs- und Heeresgeschichte. München 1892.
Heft 1. „Das kurbayerische Prinz Philipp Karabiniers-Regiment zu Pferd“ 1704—1710 von
Winkler Seite 95.
59) Siehe „Das kurbayerische Regiment zu Fuss Graf Tattenbach in Spanien
1695—1701 von Winkler. München 1890.
60) Die erste Spitalorduung datiert in den Akten vom 5. April 1755. Kriegsarchiv
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48 Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc.
A. VII. Garnisonslazarette 1722 1759. In anderen Armeen gab es solche Reglements schon
früher. Friedrich Wilhelm I. erliess 1734 eine Feldlazarettinstruktion für sein Truppenkorps
am Rhein. Interessant ist, dass schon der grosse Türen ne seinen Denkwürdigkeiten eine
Abhandlung über die Feldlazarette angehängt hat Die Litteratur der damaligen Zeit be¬
schäftigte sich vielfach mit den Krankheiten der Soldaten und ihrer Heilung.
Jäh ns, Geschichte der Kriegs Wissenschaften. II 1280.
61) Siehe Staudinger a. a. O. II 790, wo sich ein solches Qualifikationsattest
findet Der Generalstabsfeldscherer hatte dieselben Geldbezüge wie der Feldmedicus, 75 fl.,
sowie 6 Mundportionen und 5 Pferderationen, während der Arzt nur 3 bezw. 2 bezog.
Ebenda 68 Anlage 38.
62) Jälins a. a. O. II 1278 ff. Leibnitz ist auch der Vater der Lazarettbaracke, ver¬
meintlich eine Errungenschaft der neuesten Zeit Ebenda 1279.
63) von Hoff mann „Geschichte des 4. Infanterie-Regiments“ S. 161.
64) Staudinger a. a. O. II 262 und 769.
65) J äh ns a. a. O. II 1191. Kurbayerische Kartells fanden sich in den Akten nicht.
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Die beiden landständischen Rezesse
im Fürstentume Bayreuth über die Napoleonische Kriegs¬
kontribution und die anderen Kriegslasten.
Von
Ludwig Fahrmbacher.
Oktober 1806, als die Beziehungen zwischen Frankreich und
Preussen immer schwieriger wurden, besetzten die Franzosen ohne Kriegs¬
erklärung, aber auch ohne Widerstand das mit Preussen in Personalunion
verbundene Fürstentum Bayreuth, und schon am 15. November 1806 legte
der Kaiser Napoleon dem Lande eine Kontribution von 2500000 frcs. auf,
welche ohne allen Verzug bar bezahlt werden sollte. Die Landesregierung,
d. h. die in Bayreuth befindliche Kriegs- und Domänenkammer, welche zugleich
Landschaftsdirektorium war, traf sofort vorsorgliche Massregeln, konnte aber
eine solche Summe nur mit Hilfe der Landstände aufbringen. Sie berief
daher den Landschaftsausschuss rasch zusammen und vereinbarte mit ihm die
notwendigen finanziellen Massnahmen. Darüber wurde dann am 26. Februar
1807 folgender Landtagsabschied ausgefertigt.
I. Recess der Kriegs- und Domänen-Cammer und Landschaftskollegii des Fürsten-
thums Baireuth mit den löblichen Landständen in Betreff der französischen Kriegs-
Contribution von 2,500,000 frcs. oder 1,160,541'/4 fl. rhein. 26. Febr. 1807.
Zu wissen seye hiermit allen denen es zu wissen erforderlich ist:
Da bei dem jezigen Krieg, welcher seit dem Anfänge des Octbr. v. J.
auf das Fürstenthum Baireuth traf, demselben am 15. Novbr. desselben Jahres
im Namen Sr. Majestät Napoleons Kaisers der Franzosen und Königs von
Italien durch den Kaiserlich französischen Herrn Auditeur au conseil d’Etat
und Intendanten des Fürstenthums Baireuth, deTournon, eine Kriegs-Contri-
bution von zwei Millionen fünfmal hundert Tausend Francs oder 1*160,541 l ;4 fl.
rhein., welche ohne allen Verzug baar zu bezahlen sei, aufgelegt, und zugleich
von dem gedachten Herrn Intendanten die hiesige Kriegs- und Domänen-
Bayer. Forschungen VII, 1. 4
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50
Ludwig Fahrmbacher
Cammer zu deren Beitreibung beauftragt wurde, so hat letztere zwar sofort
dagegen bei dem Herrn de Touruon die dringendsten Vorstellungen der
gänzlichen Erschöpfung der überdies seitdem unter Kaiserl. französischen
Sequester gelegten Landes-Cassen und der bereits von der hiesigen Provinz
erlittenen Kriegslasten und andern Unfälle gemacht; es fanden aber solche
bei dem bestimmten Willen seines Souverains keinen Eingang.
Nach dieser Lage der Umstände und bei der damaligen und noch
dauernden gänzlichen Unterbrechung aller Verbindung des hiesigen Landes
mit des Königs von Preussen Majestät und den hohen Departements in Berlin
wurde daher von der hiesigen Cammer und Landschaftscollegio beschlossen,
1. wegen der ausserordentlichen Eile, wonach das erste Drittel der
Kriegs-Contribution schon am ersten Decbr. v. J. baar erlegt werden sollte,
einen Ausschlag der Summe von 400000 fl. rhein. auf alle Unterthanen und
Staatsdiener iu der Art zu machen, dass ein sechsfacher Servis erhoben
werde, und des Endes alle Grundstücke, Gewerbe und Einkommen, welche
sonst gewöhnlich von dieser Anlage frei sind, für diesen Fall, wobei Niemand
auszuschliessen, verhältnissmässig gleichfalls damit angelegt würden,
2. Die Landstände des Fürstenthums Baireuth in einen Ausschus
schleunigst einzuberufen und sie über die vorläufig ausgeschlagene Kriegs-
contribution und eines Theiles der Entschädigungssumme für die von Seiten
des kaiserl. französischen Militärs geschehenen Requisitionen an Pferden,
Rindvieh, Getreide und Fourage, desgleichen die fortlaufenden allgemeinen
Kriegskosten, an Tafelgeldern, Lazarethkosten und dergleichen, in Kentniss
zu setzen und zugleich mit denselben wegen Aufbringung der übrigen Summen
Deliberation zu pflegen, und die hiebei gewählten Maasregeln ohne den ge¬
ringsten Aufsschub in Vollziehung zu setzen. Auf das Namens der hiesigen
Kriegs- und Domäneu-Cammer als Landeshoheits-Collegium am 15. Nov. v. J.
erlassene Convocationsschreiben, worin der ausdrückliche Vorbehalt aller hiebei
sowohl für den allerhöchsten Landesherrn als die löblichen Stände überhaupt
zu beobachtenden Rücksichten und besonders wegen der Formalien, da der
ausserordentliche Fall nicht zur Consequenz gezogen werden könne, beigesetzt
ist, erschienen die Deputierten der 6 Haupt- und 2 Nebenstädte, ingleichen
des Marktes Ipsheim, ferner auf die besondere Citation der Kriegsrath Russ
aus Wunsiedel Namens des Bauernstandes, welcher auch vor Eröffnung der
Verhandlungen von jenen Deputirten zum Syndico communi erwählt und
bestätigt worden.
Die über diese Verhandlung abgehaltenen Protokolle vom 28. und
29. Novbr., 3. Decbr. a. pr. dann 16, 18, 21 und 26. d. M. liegen hier bei, aus
welchen folgendes als das Haupt-Resultat in diese Urkunde übergetragen wurde.
I.
Die unterschriebeneu sämmtlichen Landständischen Deputierten und
Syndici, in der gänzlichen Überzeugung der unbedingten Nothwendigkeit
des Falls, erkannten einstimmig die von der hiesigen Cammer und Land-
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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentume Bayreuth etc. 51
schafts-Collegio getroffene Maasregel in Absicht auf die Beschliessung des
Ausschlags der 400,000 fl. rh. zur Zahlung des ersten Drittels der Kriegs-
Contribution und Entschädigung für die oben bemerkten Requisitionen als
zum Besten aller Unterthanen und Einwohner des Fürstenthums Baireuth
und um von demselben grösseres Unglück abzuwenden, vollkommen zw’eck-
mässig an.
Da aber die eben erwähnte Summe die einzelnen Unterthanen schon
zu sehr mitgenommen hat, wie bei dem weiteren Ausschlag nur des dritten
Theils von dem zweiten Dritteil der ganzen Contribution sich erwies, und
augenblickliche Zahlungen in baarem Gel de das Land von allem Numerär
entblössen und dadurch unberechenbare Stockungen in allen Gewerben ver¬
anlassen würden, so wurde
II.
von der Cammer und Landschafts-Collegio in völliger Übereinstimmung
mit den unterschriebenen sämmtlicher Landständischen Deputirten und Syndicis
beschlossen, die übrige Summe zu der Kriegs-Contribution mit circa inclus.
der provision 800000 fl. rh., soweit hieran durch die an Sr. Majestät den
Kaiser Napoleon unmittelbar abgeschickte und zur Zeit noch im Haupt¬
quartier zu Warschau aussenseyende Landständische Deputation kein Nach¬
lass zu bewirken sey,
a) auf die Landesherrlichen Domänen des Fürsten thums Baireuth und
b) das steuerbare Vermögen der Unterthanen desselben
so viel möglich vom Auslande aufzunehmen und interim nothgedrungen durch
Zwangsanleihen im Lande aufzubringen, den weiteren Ausschlag von einem
zweifachen Servis aber nicht mit Strenge und nur successive zu erheben und
zur allgemeinen Entschädigungskasse zu verwenden, sowie auch den Ertrag
von der beschlossenen Abgabe von Capitalien. Über diese ganze Operation
in Absicht auf die Vertheilung der Summe von 800000 fl. auf die Landes¬
herrlichen Domänen und das steuerbare Vermögen der Unterthanen, die
Sicherheit der Verpfändung, die Partial-Schuldverschreibungen, die Zinsen
des Capitals, die Zurückzahlung desselben und überhaupt alles, was den
Gegenstand der Beschliessung des bei dieser Veranlassung abgehaltenen Land¬
tags betrifft, sprechen die vorhin berührten unter dem Buchstaben A bei¬
liegenden Protokolle, auf welche sich hier allenthalben, als wenn sie dieser
Urkunde eingerückt wären, ausdrücklich bezogen wird.
Zu desseu Urkunde ist gegenwärtiger Recess niedergeschrieben und
von selbem das gleichlautende Exemplar mit Beidruckung des grossen Inn-
siegels der hiesigen Kriegs- und Domänen-Cammer II Senats, als Landes-
hoheits-Collegii, von den Landesherrlichen Commissarien eigenhändig vollzogen^
dann von den sämmtlichen Landständischen Deputirten und Syndico communi
ebenfalls eigenhändig subscribirt und besiegelt und das eine Exemplar zu
dem geheimen Landesarchiv, das zweite der Cammer und Landschaftsregistratur
und das dritte den Landständen abgegeben und behändigt worden.
So geschehen Baireuth den 26. Februar 1807.
4 *
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52
Ludwig Fahrmbacher
Schuchmann. von Dörnberg. Wipprecht. Barth.
Magistrat zu Baireuth Pöhlmann, Eisenbeiss. (L.-S.)
„ „ Hof Knoch. Franck. (L.-S.)
„ „ Neustadt aA. Hummel. Emmert. (L.-S.)
„ „ Kreussen Wiesend. Schmidt. (L.-S.)
„ „ Kulmbach Schenk. Dill in g. (L.-S.)
„ „ Wunsiedel Carner. Zeitler. (L.-S.)
„ „ Erlangen Fleischmann. Fahre. (L.-S.)
„ „ Münchberg Can zier. Meyer. (L.-S.)
Syndikat
der Land-
Stände des
Fürstenth.
Baireuth.
^ R U S S.
Der Friede zu Tilsit (7. Juli 1807) machte zwar dem unglücklichen
Kriege Preussens mit Frankreich ein Ende, indem der König von Preussen
alle seine Länder westlich der Elbe, darunter auch das Fürstentum Bayreuth
an Napoleon abtrat. Aber damit kehrte noch nicht Friede und Ruhe in
dieses unglückliche Land zurück. Die Kriegskontribution von 2V2 Mill. frcs.
war nur ein geringer Theil der Lasten gewesen. Die fortdauernden Lieferungen,
Vorspann, Einquartierungen waren weit drückender. Insbesondere verursachten
letztere sehr grosse Barauslagen, teils für Unterstützung der Quartierträger,
teils für Natural Verpflegung der Generalität, Tafelgelder, Lazarettkosten,
Garnisonierung in den Kasernen. Die Requisitionen an Vieh, Montierungs¬
stücken, wovon ein Teil wenigstens bar bezahlt werden musste, waren ein
sehr bedeutender Gegenstand. Obwohl nun zwar nach dem ersten, zur Tilgung
eines Drittels der Kontribution bestimmten Steuerausschlages noch zwei Aus¬
schläge nach demselben Steuerfusse gemacht wurden, woraus eine besondere
Kriegsentschädigungskasse gebildet wurde, so war doch das, was darauf wirk¬
lich einging, nicht hinreichend, alle Zahlungen zu leisten. Allmählich wurde
zwar das V. französische Armeekorps aus der Provinz zurükgezogen; allein
es verblieb dort bis Herbst 1808 noch eine Division Kürassiere, sowie das
Gouvernement und ein Lazarett; auch hörten die Durchmärsche nicht auf.
Alles dies machte die Aufbringung neuer Zahlungsmittel notwendig. Da¬
durch entstand für die Kriegs- und Domänenkammer als Regierung des Landes
die Notwendigkeit, die Landstände abermals zusammenzurufen, und es ge¬
schah dies in einem Ausschreiben vom 6. Oktober 1808 an den Ausschuss der
löblichen Landstände des Fürstentums Bayreuth, d. h. an die Städte Bay¬
reuth, Culmbach, Hof, Wunsiedel, Neustadt, Erlangen, Creusseu, Münchberg,
Windsheim und Iphofen, dann die Marktgemeinde Ipsheim, sowie an die löb¬
liche Ritterschaft des Fürstentums Bayreuth. Als Beratungsgegenstände waren
bezeichnet,
1) wie dem dringenden Geldbedürfnisse für den Augenblick abge¬
holfen werden könnte, — unter Andeutung von Vorleihen —,
Bayreuth er
Kriegs- u.
Dom&nen-
€ immer
U Senat
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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentu me Bayreuth etc.
2) nach welchem Fuss die Fonds zur Bezahlung dieser neuen Vor¬
leihen nebst Zinsen und zur Bestreitung der weiteren Ausgaben
aufgebracht werden könnten.
Es wurden drei Sitzungen gehalten und dann der nachfolgende Land-
tagsabschied erlassen.
II. Recess der Kriegs- und Domänen-Kammer und Landschaft zu Baireuth mit den
löblichen Landständen in Betreff der ausserordentlichen Auflagen zu Bestreitung
der Ausgaben für die Kriegsmolestien. 29. OkL 1808.
Zu wissen seye hiemit allen, denen es zu wissen erforderlich ist:
Da seit Abschliessung des landständischen Recesses vom 26. Febr. 1807
das Fürstenthum Baireuth in den Folgen des Kriegs eine Reihe von neuen
Unfällen gelitten hat, welche mannchfaltige gemeinschaftliche ausserordentliche
Ausgaben aller Unterthanen und Einwohner des Landes dringend nothwendig
machten, so sah sich die hiesige Kriegs- und Domänen-Kammer in den Fall
gesetzt, in dem Laufe der Jahre 1807 und 1808 zwei weitere Geldausschläge
auf die ganze Provinz umzulegen.
Die Eigenschaft des Falles gestattete durchaus keine vorläufige Rück¬
sprache mit den löblichen Landständen, um hierüber ihre förmliche Bewilligung
alsbald zu erhalten. Sie sind aber durch öffentliche Bekanntmachungen in
den Landeszeitungen von der Veranlassung dieser Maassregeln mit der Ver¬
sicherung unterrichtet worden, dass sie von der zweckmässigen Verwendung
der auf jene Weise eingegangenen Gelder noch näher überzeugt werden sollten.
Die Kriegs- und Domänen-Kammer durfte bei ihrem Anspruch auf das
Vertrauen der Unterthanen und Einwohner des Landes, welches sie bei allen
Gelegenheiten zu gewinnen gesucht hat, sich der Hoffnung überlassen, dass
die Beiseitesetzung von Formen, die auf die gewöhnliche Ordnung der Ver¬
hältnisse berechnet sind, in der jetzigen Lage des Landes keinen Eindruck
machen konnte.
So theilnehmend übrigens die Kriegs- und Domänen-Kammer mit den
Unterthanen und Einwohnern des Landes den Wunsch gehegt hat, dass den
ausserordentlichen Ausgaben, welche die Zeiten herbeigeführt haben, baldigst
ein Ziel gesetzt werden könnte, so wenig war es abzuwenden, dass bei den
theils fortdauernden, tlieils neuen Gelegenheiten zu dergleichen Ausgaben der
durch die gedachten Ausschläge gesammelte Geldvorrath nicht nur ganz er¬
schöpft wurde, sondern es auch an fonds fehlte, die bereits assignirten Aus¬
gaben zu bezahlen.
Die dunkle Aussicht in die Zukunft erforderte unbedingt, dass auch
für sie vorläufige Vorsorge getroffen werden musste. In dieser Lage der
Umstände wurde daher von der Kriegs- und Domänen-Kammer, nachdem
hievon das Kaiserlich französische Gouvernement und Intendantur der Pro¬
vinz in Kenntniss gesetzt waren, beschlossen, die löblichen Landstände des
Fürstenthums Baireuth einzuberufen, um ihnen den Zustand der Sache, wie
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54
Ludwig Fahrnibacher
er sich seit dem Februar 1807 entwickelt hat, und wie er jetzt ist, näher vor
Augen zu legen und mit ihnen gemeinschaftlich zu berathen, wie die schleu¬
nigste Hülfe geschafft werden könnte.
Auf die Namens der Kriegs- und Domänen-Kammer als Landeshoheits-
Collegii und Landschaft erlassenen Convocationsschreiben vom 6, 16 und 18.
Oktober d. J. erschienen der Besitzer der Herrschaft Thumau, Herr Carl
Graf von Giech, die Deputirten der Ritterschaft des Fürstenthums Baireuth,
Herr Major Ludwig Christian von Dobeneck, Herr Kammerherr 0 11o
Ludwig von Plotho und Herr Rittmeister Wilhelm von Falkenhauseil,
nach der Assecurazions-Akte über die Herrschaft Thumau von 1796 § V und
nach der Ritterschaftlichen Declaration vom 10. August 1801 § I, dann die
Unterzeichneten Deputirten der Hauptstädte, der Nebonstädte und des Marktes
Ipsheim sowie auch die Deputirten der zum erstenmale einberufenen Städte
Windsheim und Iphofen, ingleichen auf besondere Citation der Kriegsrath
Russ als Syndicus communis jener löblichen Stände und als auch bei dieser
Landständischen Versammlung auf gestellter Syndicus des Bauernstandes.
Die über die von den von Seite der Kriegs- und Domänen-Kammer er¬
nannten Kommissarien geschehene Propositionen und über sämmtliche andere
in ihrer Gegenwart gepflogenen Verhandlungen abgehaltene Protokolle vom
20., 24. und 27. dies, liegen hier bei, aus welchen folgendes als die Haupt¬
resultate der Berathungen und Bewilligungen in diese Urkunde übergetragen wurde.
I.
Haben sich die sämmtlichen Landstände von der NothWendigkeit der
Veranlassung der vorhin bemerkten zwei weitere Geldausschläge und deren
Verwendung im Allgemeinen, ebenso als davon überzeugt, dass die Umstände
eine neue Geldhülfe aller Unterthanen und Einwohner unlossprechlich gebieten.
II.
Soll daher zur schleunigsten Beischaffuug eines Geldvorrates zur Be¬
richtigung der vorliegenden Assignationen und zur Bestreitung der weiter
nötigen Current-Ausgaben ein unverzinslicher Vorschuss von
203000 fl. (zweimal hundert und drey tausend Gulden rheinisch)*)
*) Die 203 000 fl. Zwangsanleihe sollten in folgender Weise laut Protokolles vom
24. Oktoker 1808 ausgeschlagen werden:
Stadt Baireuth.21 000 fl.
„ Culmbach.5 000 ,,
„ Hof.18 000 ,,
,, Wunsiedel.5 000 „
„ Neustadt a/Aiseh.4 000 ,,
„ Erlangen.12000 „
,, Windsheim.4 000 ,,
Herrschaft Thumau ...... 4 000 ,,
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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentunie Bayreuth etc.
55
auf die Unterthanen und Einwohner des ganzen Landes, welche ihn auf zu -
bringen vermögen, ausgeschlagen, dann
30000 fl. (dreissig tausend Gulden rhein.)
aus den paratesten Geldern der Kirchen- und anderen milden Stiftungskassen
der Provinz auf genommen werden.
III.
Solle zu Abtragung dieser Geldvorschüsse im Jahr 1809 und zu Be¬
sorgung der weiter erforderlichen Ausgaben unverzüglich neue Ausschläge
auf das Grundvermögen, Capitalien, Gewerbe und Besoldungen des ganzen
Landes als ausserordentliche Beiträge zur Hülfe im gemeinen Mitleiden aus¬
geschrieben werden, wobei der bisherige Massstab nach Servismassen wieder
angenommen und die Beiträge von Capitalien und Gewerben erhöht werden.
Übrigens ergibt sich das Nähere über die obenerwähnten drey Haupt¬
gegenstände sowohl als auch über alles, was rücksichtlich der andern hieher
gehörigen verschiedenen Gegenstände auf die Vergangenheit und Zukunft
verabredet, beschlossen uud vertragen worden, aus den obenbemerkten bei¬
liegenden Protokollen, auf welche sich hier allenthalben, als wenn sie dieser
Urkunde wörtlich eingeruckt wären, ausdrücklich bezogen wird.
Zu dessen Urkunde wurde gegenwärtiger Recess niedergeschrieben und
von solchen drey gleichlautende Exemplare mit Bei druck des grösseren In¬
siegels der hiesigen Kriegs- und Domänen-Kammer II. Senats als Landes-
hoheits-Colegii von den von Seite der Kammer bestellten Commissarien eigen¬
händig vollzogen, dann von den sämmtlichen löblichen Landständen und
Syndico communi ebenfalls eigenhändig subscribirt und besiegelt uud das eine
Exemplar zu dem geheimen Landes-Archiv, das zweite zur Kammer- und
Landschaftsregistratur, und das dritte den löblichen Landständen abgegeben
und behändigt.
So geschehen Baireuth, den 29. Oktober 1808.
Bayreuther
Kriege* und
Domänen-
Kammer.
Dörnberg. Wipprecht. Grupen. Barth.
Schwarzkopf.
Baireuther Kreis inkl. der Rittergüter
14000 fl.
Culmbacher „
16 000 „
Wunsiedler „ ,, „ „
20 000 „
Erlanger
20000 „
Neustädter ,, ,, „ „
40000 „
Höfer ,, exkl. „
10000 „
Die Rittergüter des Höfer Kreises
10000 „
203 000 fl. rhein.
Sie sollten als Vorschüsse behandelt und mit 6 Prozent verzinst werden.
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56 L. Fahrmbacher, Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentume Bayreuth etc.
(L.-S.) Karl v. Giech. (L.-S) v. Dobeneck. (L.-S.) v. Plotho.
(L.-S.) Falkenhausen.
Hof
(L.
(L.-S.)
bQ, Eisen beiss
'C_ S Pöllmann
Franck
Widmann
/ Hummel
Neustadt
V._✓ Emmert
Drittler
V*._y Roth
Riedel
Münchberg
_ S Meyer
i phofe n Hanselmann
Schenk
Culmbach
V._y Milling
JO. Sum scher
v*._ S Wunder
^ Winkler
Erlangen
V_ S Fleischmann
jC ^ Wiesendt
Creussen
V._ S Schmidt
ipsheün Gehauf
Syndikat der
Landstände des p 11C(1
Fürstenthums -K-USS.
Baireuth.
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Faschingssohlittenfahrten bayerischer Studenten.
Von
Karl von Reinhardstöttner.
/>-
fu den ältesten Vergnügungen der altbayerischen Städte, voran natürlich
der Residenz, zählen die jährlichen Schlittenfahrten, die mit mehr oder weniger
Gepränge, mit Maskeraden und fröhlichem Mummenschanz die Herrschaft des
Winters begrüssten. Westenrieder hat in seinen „Beyträgen“ 1 ; alte Erlasse
gesammelt, welche „das jährliche Schlittenfahren des Magistrats
von München“ betreffen. Im Jahre 1592 hat Herzog Wilhelm der
Fünfte von Bayern „von seiner fürstl. Dtl. lieben vnnd getrewen Bürger
Maister vnnd Innerem Rath allhie mitt nitt geringem befrembden vernommen,
das sy Sr. fürstl. Dtl. mitt ausdrückenlichen Worten zuschreiben, wie sy die
von München das gewehnlich vmbfahren, so, Irem angeben nach, etwan
andere Jare beschechen, einzestellen Vorhabens seyen.“ 2 ) Sie erhalten Befehl,
morgen „wie gebreichig, veblich vnnd würcglich herkhomen“ die Um¬
fahrt auszuführen.
Der Bürgermeister und der innere Rat berufen sich darauf, dass bisher
noch kein Schnee gefallen sei, fiele ein solcher, so wollten sie Sonntag über
acht Tage „gern herum fahren“. Aber am 12. Januar desselben Jahres geschehen
Schritte, „die Vngelegenheit dess Vmbfahrens an zu bringen, das nemblich
khein schnevngewitter, etlicher Haussfrawen geschwangers leibs vnnd derowegen
in gefahr, vnd das es also auf dem Plossen Pflaster herumb zufham, Vn-
bequemblich“ 8 ) sei. Die Bürgerschaft ersucht, „aus oberzelten Vrsachen,
Vnnser, Vnnserer Hausfrauen, vnd Töchter, auch dissmal genedigist verschonen
lassen“ 4 ) zu wollen.
Auch an Maximilian I. wandte sich am 18. Januar 1604 die Bürger¬
schaft, weil ihr befohlen worden war, „auf nechsten Sontag, es schneye
oder nit, herumb zefahren.“ 5 ) Es werden längere Schreiben gewechselt,
bis den Bürgern angeordnet wird, morgen Sonntag zu fahren; „denn sollte
sich das Wetter hernach verändern vnd sie also noch vor Fassnacht nit mehr
schlitten Weg haben khünden, würden sie Inen selbs die schuld zue zu messen
wissen, wann sie alssdann auf den stainen herumb fahren müssen.“ 6 )
Heftig wehrt sich die Bürgerschaft, welche Gefahr die Umfahrt für
ihre Weiber hätte, dass „etliche vnser Frawen in der Kündelpöth 7 ), vnd thails
sonsten ybel auf“ 8 ) seien; auch fühlen sie sich sonst durch diese Auffahrten
beschwert, weil es schon oft vorgekommen sei, „das man nit allain gemainc-
licli vnter dem Pöfel, 9 ) sonder auch wol an ander orthen dauon spöttlich
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5 $ Karl von Reinliardstöttuer
geredt, alls gescheche es vns, vud den Geschlechts verwohnten zu sonderem
spott, vnd wegen ainer vor alters verschuldter straff.“ 10 )
Dankbar preisen darum Bürgermeister und Rat den Herzog im Jahre 1608,
da er ihnen „des Jhärlichen Herumbfahrens mit gnaden erlassen,“ 11 ) wodurch,
wie es scheint, der Fürst und die Massen des Volkes um ein beliebtes, den
Beteiligten freilich lästiges Schauspiel kamen.
Aber auch der glänzende Hof der Kurfürstin Adelheid, der prunk¬
vollen Tochter des Südens, Hess sich die zierlichen Schlittenfahrten des
rauheren nördlichen Klimas bei seinen tausendfältigen, mit Raffiniertheit er¬
sonnenen Festen nicht entgehen. Sie spielen in die prächtigen „giostre“*) ,2 )
herein, deren erfindungsreiche Pracht Adelheid ihre schöne Heimat ver¬
gessen lassen sollte. Solch eine üppige Schlittenfahrt hat der Italiener
Domenico Gisberti 18 ) in eine seiner giostre verlegt, die er „I trionfi
di virtuosa Belleza“ nennt — ein glänzendes Bild, obwohl „rigida la
Stagione, e gelata la Neve.“
Eine Meerschnecke als Schlitten, von einem geflügelten Renner gezogen,
denkt sich Gisberti als den Sitz der Schönheit (Bellezza); das Knabenalter
(Pueritia) wünscht er dargestellt von der kleinen Prinzessin Marian na, die
damals acht Jahre zählte, 16 ) der nachmaligen Gattin des Sohnes Ludwigs
des Vierzehnten, Ludwig Dauphin de Viennois, die Jugend (Gioventü)
selbst aber hatte er der Kurfürstin Adelheid zugedacht; aber ungleich
grossartiger als die Phantasie des Dichters das Fest entwarf, gestaltete es der
Prunk der kurfürstlichen Herrschaften, die „slittata“ wurde ein „fortuna-
tissimo giorno.“
Auf der weiten schneebedeckten Fläche zwischen dem Zeughause und
der Residenz zu München fand die wunderbare Schlittenfahrt statt; der erste
Schlitten ein Kranich, der zweite ein Delphin mit Musik, der dritte ein
Schwan, der vierte ein Pfau, der fünfte ein Storch, der sechste ein Phönix,
der siebente ein Truthahn, der achte ein Adler; zahllose einfache Schlitten
folgten. Der hohe Adel des Landes nahm lebhaften Anteil; fast alle Namen
der Grossen des damaligen Hofes begegnen uns: Spettacolo era questo per
vua Giostra di SLITTE, per vna SLITTATA da Giostra; mä tanto erudito,
che mille fauole, mille Historie tacitamente insegnaua; castigandosi dallo
Scalpello Maestro le fintioni di Poetica Penna, col ridurre sotto Metamorfosi
di sauio Intaglio Huomini giä trasforinati in Arbori in tanti Alati nell’ otto
Prime, in tanti Quadrupedi nell’ otto seconde, e nelle terze in tauti Segni del
Zodiaco, in tante Deitä Celestiali, berichtet begeistert (13) Gisberti.
Doch lassen wir diese prunkvollen Festlichkeiten, welche die Grossen
der Erde nur für sich begingen, und welche gewinnsüchtige Ausländer
ersannen, die sich zwischen Fürst und Volk drängten, um jene Belusti¬
gungen zu verfolgen, welche die Söhne des Bürgers der Stadt zum besten
gaben, jene witzigen Faschingsschlittenfahrten der altbayerischen Studenten.
*) Giostra (frz. joute, mild, tjost von juxta) = Zusammentreffen, Turnier.
(F. Diez, Etym. Wörterbuch S. 168.)
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Faschingsschlittenfalirten bayerischer Studenten.
59
Wie sehr das altbayerische Volk an Schaustellungen seit alten Tagen hing,
ist allbekannt; 16 ) wo kein Theater bestand, thaten sich die Bürger einzelner
Städte zu Aufführungen zusammen. 17 ) Vor allem aber ersetzte das Schau¬
spiel der Jesuiten reichlich dem Volke eine glänzende Bühne. 18 )
Mit den Aufführungen ihrer Schulkomödien, ihren Medi¬
tationen und Affixionen, ihren Umgangsspielen hängt auch die
heitere Schlittenfahrt der Studierenden soweit zusammen, dass der
Geschichtschreiber des Jesuitendramas und der jesuitischen
Schuldisziplin auch diesen Äusserungen des Humors, der doch
daheim im Jesuitenkolleg seine Geburtsstätte hatte, sein Augen¬
merk zuwenden muss. Auch hier erblicken wir jenes beabsichtigte Wirken
auf die breiten Volksmassen, jenes Entgegenkommen dem Volke gegenüber,
jenes Herabsteigen zu seinem Empfinden neben dem oder trotz des etwas
scholastischen Witzes, dem wir in den Schlittenfahrten ebenso wie in den
wenigen heiteren Stücken des Jesuitentheaters 19 ) begegnen.
So wie wir zahlreiche Perioclien — Inhaltsangaben der Stücke der
Jesuiten — besitzen, so fehlt es auch an Programmen zu diesen Schlitten¬
fahrten nicht, 20 ) aus denen der biedere Bürger entnehmen konnte, was ungefähr
die Absicht der Musensöhne bei ihren Aufzügen sein mochte. Wie heutigen
Tages so spielt auch dort ein fernes Phantasieland, ein fabelhafter Vorgang,
ein Ereignis der letzten Zeiten, ein allen mehr oder minder bekannter Vorfall.
Die Studenten spassen wohl auch über sich und ihre Lehrer, ihre Fächer
und ihre Vertreter; das moderne Schlaraffenland ersetzt in jenen Tagen
meistenteils Utopia.
„Zu Utopia, einer Lappländischen gegen Fastnacht, ohnweit des un¬
sinnigen Meeres gelegenen Stadt“, beginnt das Programm von 1749, unwill¬
kürlich und ohne es zu ahnen den alten Petrus Aegidius 21 ) ergänzend, 32 )
„ereignete sich vor nit allzuvilen Jahren ein recht seltsamer Streich.“ Dorthin
kamen „drei auswendige Forestiers“, „um denen hiesigen vor allen anderen
berühmten Carnevals-Lustbarkeiten beyzuwohnen. Sie nennten sich Don
Solpitios Severos, ein Spannier, welcher von Morgen, Monsieur de la Courtoisie,
ein Frantzoss, welcher von Abend, Herr Vitelius Lauterwein, ein Teutscher,
der von Mittag anlaugte.“ Man beschloss, „selbige durch einen prächtigen
Einzug in die Stadt zu führen.“ Ein grosser Teil der Einwohner hatte, um
einstweilen auszuruhen, bis alle Vorbereitungen zu dem festlichen Empfange
vollendet wären, „ihre Köpff in etwas zu Ruhe zu legen“ sich gestattet. Da
kamen zu rasch die Forestiers, auf dem Rathause schlug man Sturm, „ein jeder
griffe geschwind nach dem Kopff, und weillen es noch ziemlich dun ekel, auch
keiner sehen kunte, wohin er in der Finstere griffe, geschähe es, dass in dem
Eilen alle Köpff verrücket, und fast ein jedwederer einen frembden bekommen.
Zu allem Glück erhielte der Thorwarth den Kopf des Herrn Schultheissen
deme dann alsogleich eingefallen, die Stadt-Porten so lang gesperrt zu halten,
biss der gantze Zug in vollkommene Ordnung gesetzt worden.“ Und nun naht
die Schlittenfahrt: „Die Verrückte Köpff“, die unwillkürlich an Frz. von
Gau dys reizende Venetianische Novelle erinnert.
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6o Karl von Reiiihardstöttner
Die Musikanten haben ihre Köpfe, „alldieweilen sie selbe niemahls
beyseits oder zur Ruhe geleget“ haben. Alle Andern aber ziehen mit ihren
verkehrten Köpfen heran, der Schultheiss mit einem wilden Türkenkopf, der
Pastor „mit einem pur auf den Wucher bedachten Juden-Kopff“, der „Ambts
cammerer mit einem Kaminkehrerskopf“, und so folgt eine Reihe anzüglicher
Persönlichkeiten aus dem Bürgerstande.
Auch die Schlittenfahrt des nächsten Jahres u750) handelt „zu Utopia,
einer allgemeinen Zuflucht-Stadt aller verrückten Köpfen“. Es ist die Ge¬
schichte von der „verwegenen heisshungerigen Bestie (es wäre aber, da unter
uns geredet, nur ein Haass.)“ Der Zug scheint weit umfangreicher als im
Vorjahre gewesen zu sein. Die Gemeinde von Utopia, „Ihro Tieffsinnigkeit
der Herr Stadt-Syndicus“, die „Utopianiche Schull-Jugend“ „unter Obsorg
des Grund-Gelehrten, und Schnee-weisen Herrn Doctors Immerlustig“, die
Zünfte mit neununddreissig Schlitten bilden den ersten Teil. Diesen
folgten die „Lands-Beamten“, der „Stadthalter von Wenighertz“, zahlreiche
Beamte und ein zahlreicher Adel sind vertreten. Überall ertönt Musik. Den
Zug schliessen die Helden. „Es bestünde selbiger nur alleinig aus denen sieben
glorreichen Helden und Überwindern. Die sechs Herren Raths-Verwandte be¬
fanden sich zu Pferd noch in der völligen Armlire, oder Ausrüstung, wie sie
bey der Bataille erschienen: Ihro Hoch-Achtbarkeit der Chef aber, wurde in
einem prächtigen Triumph-Wagen geführet. Vor sich hatte er in einem
Keffig die glücklich besiegte Bestie, welcher er dann wiederholter massen gross-
müthig insultirte.“
Wieder auf Utopia, und zwar auf den dortigen Jahrmarkt, griff die
Schlittenfahrt von 1753 zurück. „Utopia ist die Haupt-Stadt in der Provintz
gleichen Nahmens, von welcher der günstige Leser eine unumständlichere
Känutniss bey Didaco Bernardino 24 ) einholen kan, der dieselbe in einer
genauen Geographischen Tabelle entworffen.“ Dort wird alljährlich der Jahr¬
markt mit gewaltigem Pompe gefeiert.
„Einige Herrn Aderlässer, welche honoris causa die Segnieurs Marchands
ein- und auszuführen beorderet worden,“ eröffnen den Zug mit einer Bande
„Musicauten in bundschäckichter Uniform“. Die Kaufleute selbst bringen
nun ein reiches Lager schwindelhafter Artikel, der „Jubilier“ handelt „mit
lauter fein Brillianten Feursteinen“, andere verkaufen „Barometra und Thermo-
metra von sonders ehrbahren Alter. Sie zeigen noch, wie das Wetter vor
vilen Jahren gewesen; und steigen oder fallen nach dero Befehl“. „Die
zweyte Colon“ handelt' mit Esswaren. Da findet man „Stain alte Hühner-
Ayer, und an der Sonne hibsch gebleichte Butter“ u. a. Die dritte Colon
verlegt sich auf Kleidungsstücke, die vierte endlich „bestünde auss lauter derley
Seltsamigkeiteu, die eintweders zur Gesundheit dess kräncklichen Leibes, oder
zur Aussheuterung des finsteren Gemüthes gedeyen“, — Steinöl und Balsam,
Wurmzeltl und Stütze aus Krauewitbeer u. ä.
Nochmal ist Utopia im Jahre 1735 Schauplatz und zwar diesmal
der Rückzug der Kaufleute von der grossen Messe. Der „Vortrapp“ und die
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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten. 6 t
vier Kolonnen sind mit viel Witz zusammen gestellt und haben an Umfang
gegen früher bereits stark gewonnen.
Nicht mit Utopia beschäftigte sich die Schlittenfahrt von 1751, da in
damals beliebter Allegorie die Fleischmannische Garnison aus der Zitadelle
Kuchenburg zog. 25 ) Da sahen die Münchener viel „Munition“, die ihnen das
Wasser im Munde zusammenlaufen liess, „mit Speck gefüllte Knödel-Bomben“
„die so lustigen Girauderl, oder so-genannte Spanfercklein“, an Stelle von Lust¬
kugeln „gebratene Gäns“, „Reh-Schlögl“, „Wild-Enden“, Geflügel aller Art.
Dem notwendigen „allseitigen Glauben und Vertrauen“ galt die Schlitten¬
fahrt von 1752 mit ihren zahlreichen Figuren. Da treffen wir die Vertreter
aller Weine, „Ihro Theurigkeiten Fürst von Gotrodini, Herr Herr aller roth-
und weissen Weinen, Ihro Süssigkeiten, Fürsten von Muscat, Sanqueduc,
Ihro Acerbitäten, die Frey-Herrn von roth- und weissen Bayr-Wein; dann
jene der Liköre, sowie die Muliebrische Herrn von weissen und braunen
Möth“, 26 ) dann die verschiedenen Biere. Die zweite Colonne enthält die
„spiehlerische Zunfft, den Herren von Pango und Mariarsch, 27 ) Labetten 28 )
und Terockn, Quadrill und Pamperl, Comettn und Trapelier und zahlreiche
Spiele jener Zeit, sowie eine Anzahl Karten, Könige, Ober, Unter und zuletzt
die „4 Edle gefrässige und gronnende Herrn von Schelln, Aichl, Hertz, und
Grass-Sau.“ Den Schluss machen verschiedene Tabaksorten jener Tage, und
der „Credit in einen mit allerhand ohne Gelt zu kauffenden Waaren gezierten
Triumpff-W'aagen“. Der Maskenzug entrollt ein kulturhistorisch sehr inte¬
ressantes Bild jener Tage.
Elf Jahre — bis 1766 — sah München keine Schlittenfahrt der Studenten
mehr; der 4. Februar brachte wieder eine solche; sie ist ohne leitenden Ge¬
danken, bringt vielmehr nur eine Reihe von 116 Bildern. „Jeder wählte sich
das, was nach seinem Geschmacke war. Ein deutsches Spriichgen, eine Fabel,
eine Kleidung, die er nicht weit herholen durfte, mit einem Worte, was ihm
sein Herz rieth, das wird er auf ein paar Stunden seyn“.
So treffen wir denn ein buntes Allerlei: Kalt und Warm, Wahrheit
und Falschheit, Lieben und Hassen, Krieg und Friede, die zwölf Monate, die
Tage der Woche, eine mondsüchtige Kompagnie, Nationaltrachten; Courage
Monsieur! Das Podagra von einem Seiltänzer geführt; Mein Liebstes, die
Tabakspfeife von einem Türken geführt; Nur nicht in der Synagoge. Ein
Hamburger Jude mit Westphälisehen Schünken, und so manches, was wir
heute noch ebenso zu sehen bekommen.
Wieder ein einheitliches Bild brachte nach dem Intelligenzblatte 29 ) das
Jahr 1780: „Das Stadt- und Landleben auf Schlitten von den Herrn
Studenten des Churfürstl. Schulhauses in München zur Faschingszeit aufge¬
führt.“ Einhundertzehn Schlitten waren es, die sich in Bewegung setzten.
„Das prächtige München vom Isarstrom geführt, das schöne Mannheim unter
dem Schutz des Rheinstroms“, „die Vernunft geführt von der Fassnacht“,
„die Freyheit als Dragoner, und die Schmähsucht als Betschwester“ u. dgl.
brachte er zur Entfaltung. Die Jesuiten waren aber in jener Zeit nicht mehr
Lenker der Schulen, ihre Bühne lag bereits verödet
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Karl von Reinhardstöttner
62
Indessen beschränken sich die Schlittenfahrten keineswegs auf die
Münchener Studenten. 85 ) Die Freisinger sind nicht minder thätig auf
diesem Gebiete. Die „Schlittade“ vom 30. Januar 1758 versinnlicht die Ehe
der alten und neuen WeltWeisheit; sie soll zeigen, „wie nach beyder-
seits vorhin beschehener Ausmusterung der sowohl uralten Schulfuxereien,
als gar zu neuen auf Schraufen 80 ) gestellten Spitzfindigkeiten die alte Philosophia
die neue als eine Beysitzerin erkennet, und in so weit einen Vergleich mit
dieser eingegangen, dass sie eines weiteren Obergewalts sich nicht mehr an-
massen därffe.“ Gewiss ein seltsamer Vorwurf für eine Faschingsschlitten¬
fahrt! Da beratschlagten sich denn in einem Schlitten „ein Aristotelisch und
Wolfianischer 80 ) Herr Doctor“ über Verbesserung der Studien. Auch an
Polemik fehlt es nicht. Im vierten Schlitten sehen wir: „die neue Galanterie
Dialectic in einem Academischen Wort-Trescher von Altdorff vorgestellet,
säubert das Gute von dem unnutzlichen Schuel-Streitt-Wesen durch eine
Windmühl ab.“ Den Schluss des acht und dreissig Schlitten umfassenden
Zuges machen einzelne Wissenschaften in allegorischen Gewändern, die
Geographie mit einem mit Landkarten behenckten Vorreuther und ähnliches.
„Den Nachtrab der ganzen Schlittade machen sehr viele hintennach lauffende
Maulaffen, welche die Narren-Kappen zu erwischen mit einander in die Wette
streiten“, während auf dem letzten Schlitten die alte und neue Philosophie
„durch öffters embrassiren Kennzeichen des neu-getroffenen Connubii oder
Vergleichs“ geben.
An Sebastian Brants 82 ) „Narrenschiff“ erinnert der Gedanke der
Freisinger Schlittenfahrt vom 22. Januar 1766, die in vierzig Schlitten
den „Auszug der grössten Weltnarren“ darstellt. Da treffen wir den
Büchernarren, den verliebten Narren, den Baunarren, den Eifersüchtigen, den
Schulfuchsennarren, alle mit deutschen und lateinischen Sinnsprüchen. Die
ganze Schlittade hat einen etwas literarischen Charakter.
Ähnlich ist die Schlittenfahrt zu Freising vom Jahre 1777, 38 ) die
eine lebende Bibliothek darstellt, oft in seltsamer Auswahl. Unter den
juristischen Büchern erscheinen: „Kurzer Unterricht für neue Rechtsgelehrte“;
„Theoretische Abhandlung von Juristensprüngeu“; unter den historischen die
„Lebensbeschreibung eines reisenden Tanzbären“ u. ä.
Auch die Landshuter Studenten brachten im Jahre 1755 in ihrem
„Narren-Concurs“ eine Faschingsschlittenfahrt, die, wie jene zu Freising
von 1766, im allgemeinen an das Narrenschiff gemahnt In fünfzig Nummern
marschieren die Narren „vom ersten Califer“, „von mittlerer Fortun“ und die
„um ein Loth ringer“, auf, der Weibernarr und Kleidernarr, der Tobacknarr und
Tanznarr, der Jagdnarr und Katzennarr, und wie sie alle heissen. Das Post-
scriptum w'arnt Zuschauer und Zuschauerinnen, den Mund nicht offen zu
lassen; „denn ihre Sucht ist erblich.“
Dass die „Collegen zu Freysing und Augspurg ihre Masken mit
sonderbarem Beyfalle aufgeführet hätten“, bestimmte die Münchener Studenten
im Jahre 1766, ihre Spiele wieder aufzunehmen. Auch die Augspurgischen Herren
Studenten huldigten dem Faschings vergnügen der Schlittenfahrten. So führten
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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten
63
sie im Jahre 1754 den „Lappländischen Calender“ auf, ein Gemisch
von zwei und sechzig Nummern. Darunter befinden sich neben Gottheiten
aller Art, die fünf Sinne, die vier Temperamente, aber auch der „Nasen¬
witzige Ober-Aufseher Machiavellus“, „eine Bande Indifferentisten und Frey-
Geister, welche in die Diphtheram oder Schreib-Tafel des Jupiters so tief ein¬
gesehen, dass sie glauben, eine jede Religion mache seelig“, „zwei Freymaurer,
so mit ihrer Mertel-Kellen die Weisheit pfundweis etc. etc.“, „ein Mode-Philosoph
mit der so sehr angefochtenen Madame Materia Prima“ und ähnlichem auf
die Zeitgeschichte Gemünzten.
In den weitaus meisten Programmen dieser fröhlichen Fahrten, die sich
der ungeheuren Teilnahme des städtischen Publikums erfreuten, das ja, wie
es mit allen lokalen Anspielungen geht, trotz der manchmal scholastischen
Form den Kern des Witzes doch verstand, und manches würdigte, was uns
heute entgeht, sind die Namen der Mitspielenden bei jeder Figur getreulich
verzeichnet. Unter den bürgerlichen Studierenden, welche die überwiegende
Mehrzahl der Darstellenden ausmachte, findet sich doch auch mancher Name
des Adels, mancher, der später in der Geschichte der Wissenschaft mit Ehren
genannt wurde. Bei der „Redoute auf Schlitten“ des Jahres 1766 er¬
scheint im 115. Bilde „Das Grab der Fastnacht, wobey die Scherze
im Boy 84 ) mit nassen Tüchern erscheinen“, als erster D. Laurent
Westenrieder, Phys., damals ein achtzehnjähriger Jüngling der Schule, die
er später nicht am besten zeichnete. Fünf Jahre nachher erhielt er die
Priesterweihe.
Es gelingt einer flüchtigen Darstellung dieser bei der Bevölkerung so
überaus beliebten Schlittenfahrten natürlich nicht, auch nur im entferntesten
ein Bild dessen zu geben, was sie waren. Wie bemerkt, entgeht uns neben
dem lokalen Witze auch das Verständnis für vieles, was der akademischen
Jugend, ihren Leitern und Gönnern damals als der Satire wert erschien.
Die Studierenden hatten an den häuslichen Aufführungen ihrer Meister
Prunk und Pracht gelernt und dieselben ohne Zweifel auf ihre Schlittenfahrten
auf die Strasse übertragen. Wir gehen nicht irre, wenn wir uns dieselben
mit allen Reizen ausgestattet denken, von allen Künsten unterstützt vorstellen.
Die Kosten scheinen hiebei eine ganz untergeordnete Rolle gespielt zu haben.
Nahmen sie einmal etwas in die Hand, so war es verblüffend durch die Gross¬
artigkeit der Ausstattung, in welcher die Jesuiten und ihre Schüler Meister waren.
Wenn wir heute ähnliche Bestrebungen unserer Tage und die Be¬
mühungen, unsern Maskenzügen stets eine neue leitende Idee beizulegen und
neue Bilder für dieselben zu schaffen, betrachten, so können wir, wenn wir
sie mit den Bestrebungen der Jesuitenschüler vor anderthalb Jahrhunderten ver-
vergleichen, dem alten Satz nicht widersprechen, dass alles schon einmal da¬
gewesen ist.
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Quellennachweise,
1) Beyträge zur vaterländischen Historie, Geographie, Rtaatistik etc. Siebenter
Band, S. 281—306. (München 1803.)
2) Ebenda S. 281.
3) Ebenda S. 283.
4) Ebenda S. 284.
5 ) Ebenda S. 285.
6) Ebenda S. 294.
7) — Kindel = Kindlpett (Bett) s. Schmeller-Frommann, Bayer. Wörterb.
I. 303 und 1261.
8) Westenrieder, a. a. O. S. 292.
9) = Pöfel, Pofel = Gesindel. Schmeller-Frommann I, 384.
10) Westen rieder, a. a. O. S. 300.
ir) Ebenda S. 304.
12) Vgl. hierüber Jahrbuch für Münchener Geschichte. I. Band (1887)
S. 110. in.
13) Siehe über ihn J ahrbuch a. a. O. I. 113—119; 128, 135, 136, 137, 162—166;
III. 367; IV. 189, 203.
14) I TRIONFI | Di | VIRTVOSA | BELLEZZA. | Giostra triplicata | DI | SLITTE. |
Fräle | MUTE RICREATIONI j Deila | SERENISS: CORTE ELETTORALE | Di BAUIERA. |
CORSA FESTOSA. | Per dare il Buon Capo d’ Anno all’ Inuerno | M. DC. LXVIII. | Per
GIOVANNI JAECKUNO Stampatore Elettorale. (24 S.) — Jahrbuch, a. a. O. I. 162 (Nr. 8.)
15) Gest zu Versailles am 20. April 1690.
16) Vergleiche hierüber Jahrbuch, a. a. O. I. S. 195 (269); III. 67.
17) Forschungen, Bd. VI. (1898) S. 127.
18) Jahrbuch, a. a. O. III. 53—177.
19) Jahrbuch, a. a. O. III. 68, 69, 93.
20) Der Sammelband der k. b. Hof- und Staatsbibliothek zu München (4 0
Bavar. 2198. I. 1—21) enthält an Programmen:
a) München:
1749. Die | Verrückte Köpff | Ju | einer öffentlichen | Schlittenfahrt | Zur | Fastnacht-
Zeit | Vorges teilet/ Von | Denen Herrn Studenten | in München/ M.DCCXLIX.
Gedruckt und zu finden bey Johann Jacob Vötter, Chur- | fürstl. Hof- und
Gern. Löbl. Landschafft-Buchdruck er. (8 S.)
1750. Triumphirlicher | Einzug | Jener Schröck-vollen j Siben Helden | Nach der | Be¬
rühmten BATAILLE | Zwischen Zaghafft /' und Forchtheiin | an dem Kalten-
Schweiss-Strohm. | Nunmehro in einer | Schlitten-Fahrt | zur Fastnacht-Zeit | Von
denen | Herren Studenten zu München 1750 | vorgestellt. | Allda gedruckt und
zu finden bei Johann Jacob Vötter, Churfürstl. Hof- | und Landschaffts-
Buchdrucker. (16 S.)
1751. Honorabler | Abzug | Der zahlreichen Fleischmannischen | GARNISON | Aus der I
Citadelle Kuchenburg; | Da selbe | Au die Trouppen des (Titl.) Herrn | General
Wallersee | Und | Dessen hohe Alliirte per Accord übergangen. | Zur | Fast-Nacht-
Zeit | Jn einer | Schlittenfahrt | Von denen | Herren Studenten zu München | vor-
gestellet Anno 1751. | Allda gedruckt bey Frantz Joseph Thuille, und zu
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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten. 65
finden bey I Gottfrid Stöhr Buchbinder auf dem Anger. (20 S.) (Vergl.
Forschungen I, 43, 66.
1752. Einzug des | Ganz neu zum Leben erweckten j Edlen Credits, | Nach | Von allen
vier Welt-Theilen eilige- ! nomineller schuldiger Ehr-Bezeigung. J J11 einer l Schlitten¬
fahrt | Von denen Herren Studenten zu München | vorgestellet Anno 1752 I Mit
Erlaubnuss der Oberen. (16 S.)
1753. Utopianisclier | Jahr-Marekt. | Jn einer Schlittenfahrt , Zur Fassnacht-Zeit | Von
denen | Herren Studenten zu München | vorgestellet Anno 1753. I Allda gedruckt,
und zu finden bey Frantz Joseph Tliuille, wohnhafft in | der Prangers-
Gassen. (15 S.)
1755. Ordentliche | Retirade | der sich | Zu Land und Wasser | auf Schlitten | zurück -
ziehenden | Utopischen Käuferen. I Zur Fassnacht Zeit | Von den Herrn Studenten
vorgestellt | zu München j im Jahr 1755. | Gedruckt bey Job. Jacob Vötter,
Churfl. Hof- und Landschaft-Buclidr. (18 S.)
1766. Redoute | auf | Schlitten | von | den Herren Studenten | des | Churfürstl. Lyc.
und Gymn. | zu München | den 4. Hornung aufgeführt. | 1766. \ Gedruckt bey
Maria Magdalena M ay r i 11, verw. Stadt-Buchdr. (12 S.)
b) Freisi 11 g:
1758. VETERIS | ET NO VAi | PHILOSOPHIE | CONNUBIUM, | das ist / | Zwischen
der alt und neuen j Welt-Weissheit | getroffener j Vergleich ; J11 einer Fasstnachts j
SCHLITTADE i von | Denen Herren Studenten in Freysing | vorgestellet. | den
30. Jenner Anno 1758. j FREYSING,/ | gedruckt/ bey Philipp Ludwig Bock, /
Hof- und Lyceischen Buchdrucker. (8 S.)
1766. Non, mihi si centum liuquae | sint oraque centum, | Omnia stultorum percur- |
rere noinina possem. | Auszug | der | grössten Weltnarren | in | einer Schlitten¬
fahrt | von den Herren Schülern | des j Hochfürstlich. Freysi 11 gischen Lyceum |
vorgestellet | den 22. Jenner im Jahre 1766. | Verfasset von A. N. der Welt-
weisslieit Schüler. | (9 S.)
c) La n dsli u t:
1755. Narren-CONCURS | Da | Eine Importante | CHARGE | Vacierend geworden | Jn
einer | Fassnacht-Schlittenfahrt | Vorgestellt | Von denen Herrn Studenten | Zu
Landshut 1755. I (Gedruckt bey Joseph David Schallnkam mer allda. (8 S.)
d) Augsburg:
1754. Lappländischer | Calender | von | JUPITER | verbesseret/' ] Von denen | Augs-
purgischen Herrn Studenten | in einer | Schlittenfahrt zur erlaubten 1 Zeitvertreib
vorgestellt | Jm Jahr 1754. | Augspurg, gedruckt und zu finden bey Joseph
A11 ton i Labhart, Hochfürstl. | Bischöflichen Buchdrucker. (12 S.)
21) Aa, A. J. vander, Biographisch Wordenboek der Nederlanden (Haarlem 1852).
I. 99. Peter Gillis, ein Freund des Erasmus. „De groote Desiderius Eras 111 us hield
eene zoo naauwe vriendschep tuet hem, dat hij hem ergens zijnen Pylades noemt.“
22) Zur Sache siehe Victor Michels und Theobald Ziegler, Thomas Morus
Vtopia. (Lateinische Literaturdenkmäler, Bd. 11). Berlin 1895. S. XL ff.
23) 1800—1840. Allgem. Deutsche Biogr. VIII, 419.
24) (Didacus) Beinardinus, ein Anagramm für (Jakob) Bi d ermann. Er
schrieb: Vtopia Didaci Bemardini seu Jacobi Bidermanni e Societate Jesu Sales Musici.
Dillitigen 1640. (396 S.) Bei C. Sommervogel, Bibliotheque de la Compagnie de
Jesus. Bd. I. S. 1453. No. 41. — Über Bidermann (1577—1639) s. Jahrbuch f. M. G.,
a. a. O. III, 88 ff.
25) Vgl. Forschungen, Bd. I. S. 43. 66.
26) Alid. metu. Süsses Getränke. Sch ni eller-Front ni an 11 I, 1688.
27) Beliebtes Kartenspiel.
28) Von la bete (faire la bete). S chm eller-Fromm an n I, 1402.
29) No. 5 vom 5. Februar, auf S. 57. 58.
30) = Schraufen, Schrauben. Schmeller-Frommann II, 598.
Bayer. Forschungen, VII, i. 5
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66 Karl von Reinhardstöttner, Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten.
30 Christ. Frh. von Wolff (1679—1754. Allg. 1 ). Biogr. Bd. 44 S. 12 ff.). Über
den Einfluss Wolffs auf die bayerischen Schulen s. Kluckhohn, Über Lorenz von
Westenrieders Leben und Schriften. Bamberg 1890. S. 4. (Bayerische Bibliothek, Bd. XII.)
32) 1458—1521. Allg. I). Biogr. III, 256.
33) Galantliomnis | öffentliche Bibliotheck. | Eine | Schlittenfahrt | von | den H. H.
Studenten | in | Freysing. | Den 27. Jänner 1777. ! Gedruckt bey Sebastian Mössmer, Hoch-
fürstl. Bischöfl. und Lyceischen | Buchdruckern / dann Churbaieris, privilegirten Buch¬
händlern. (4 S.)
34) Boy = Gesimse; im Boy — in compedibus. Schm eil er- Fromm an n I, 226.
35) Kleinstäuber, Geschichte der Stud. Aust, in Regensb 11 rg (18S0), erwähnt
(S. 143) ausdrücklich die solennen Schlittenfahrten der Studierenden des katho¬
lischen Gymnasiums St. Paul, welche die protestantische Poetenschule nicht abhielt.
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Bayerische Briefe.
Mitgeteilt von
Ludwig Geiger.
III*)
Briefe von Karl Heinrich von Lang an Therese Huber, nebst je einem Briefe
der letzteren und Heinrich Zschokkes an Lang.
jl^arl Heinrich von Lang, 1 ) (geboren am 7. Juli 1764 zu Balz¬
heim bei Nördlingen, gestorben am 26. März 1835) war ein unmittelbarer Zeit¬
genosse Therese Hubers, völlig gleichalterig mit ihr und trotz mancher
Verschiedenheiten durch viele Züge seiner Natur mit ihr verwandt. Wodurch
er mit Theresen bekannt wurde, ist aus den vorliegenden Briefen nicht er¬
sichtlich. Aus Göttingen kann die Bekanntschaft nicht stammen. Dort war
Lang erst 1792 (vgl. Memoiren [Neudr.J I, 191 ff.), also zu einer Zeit, da
Therese ihre Vaterstadt verlassen hatte, ja gerade zu einer Epoche, da durch
ihre Stellung zu Förster, zu dem Vater Heyne ganz besondere Zuneigung
hegte, ihr Name in dem Hause des Vaters wohl überhaupt nicht, gewiss
aber nicht mit Liebe genannt wurde. Auch Heyne trat Lang nicht be¬
sonders nahe; seiner Preisschrift (1793) wurde von Heyne ein ,sermo satis purus‘
nachgerühmt Bei der Erwähnung dieses Urteils (Mem. I, 199) sagt Lang:
„Jetzt erst erlangte ich von dem alten Mann flüchtige Antworten und freund¬
liche Blicke.“ — Aber unsere Briefe weisen auf eine spätere Zeit und enthalten
keine Reminiszenzen an eine so lange Verbindung. Bestimmtes lässt sich
also über den Anfang der Bekanntschaft beider Korrespondenten nicht an¬
geben. Wahrscheinlich ist es, dass während der Zeit, da Lang in oder bei
München lebte, er die Aufmerksamkeit Theresens erregte, die selbst mehr¬
fach in München war und mit der höheren bayerischen Beamtenwelt sehr nahe
Beziehungen unterhielt. Ist die Zeitbestimmung in dem (unten Anhang II)
mitgeteilten Briefe wörtlich zu nehmen, so muss die Bekanntschaft, jedenfalls
der intimere Verkehr, 1814 entstanden sein. Therese könnte es gewesen sein,
die den ihr als Menschen wie als Schriftsteller gleich interessanten Mann zu
einem Briefwechsel veranlasste. Gemeinsam war beiden die Ansicht über die
Reformation, dass durch die Kirchenspaltung zugleich eine unheilvolle und
unnötige Trennung und Zerklüftung der Nation eingetreteu sei, ferner die
Abneigung gegen das damals sich vordrängende Deutschtum. Auch die
Spottlust war ein beiden gemeinsamer Zug, nur dass er sich bei Therese
*) Vergleiche I und II in „Forschungen“ (1897) Band 5. S. 1—35.
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68 Ludwig Geiger
nur im Gespräch und in Briefen, bei Lang sowohl in diesen, als in grösseren
Werken äusserte. Doch muss zu dieser geistigen Beziehung auch eine persön¬
liche Bekanntschaft getreten sein. Dids geht aus mancherlei Anspielungen
Längs hervor, besonders auch aus seinen häufigen Erwähnungen von
Theresens Tochter, Luise, die ihm, wie mauchem anderen älteren männ¬
lichen Korrespondenten Theresens als Inbegriff der Lieblichkeit erschien
und stets mit besonders herzlichem Grusse bedacht wurde. Sie ist, wie nur
kurz angemerkt werden soll, eine Tochter Theresens aus ihrer zweiten Ehe
mit Huber. Sie wurde 1796 geboren, verheiratete sich 1815 mit Emil von
Herder, wurde von ihm 1816 getrennt, verheiratete sich mit ihm 1822 aufs
neue und lebte seitdem mit ihm in glücklichster Ehe.
Auf Therese Huber, die Bedeutung ihrer Persönlichkeit und den
Wert ihrer Briefe habe ich schon einmal in diesen Blättern aufmerksam ge¬
macht, als ich einige Bruchstücke ihrer, die Münchener akademischen Ver¬
hältnisse schildernden Schreiben veröffentlichen durfte.*) Dort waren schon
ihre Briefe an Paul Usteri, den Züricher Staatsrat und vielseitigen Schrift¬
steller, erwähnt und als eine der wichtigeren Quellen für die Erkenntnis
ihres Wesens bezeichnet. I11 einem dieser Briefe nun, 18. März 1816, ent¬
wirft sie folgende Schilderung von Längs Wesen, die recht gut die Ein¬
leitung dieser „Mitteilungen“ abgeben kann.
Günzburg, 18. März 16.
Da sprech ich viel lieber von Lang. Das ist hübsch dass er das
Buch Latein schrieb. 2 ) Lang ist einer der reichhaltigsten Menschen den ich
kenne. Weich, verschlossen, und aus diesem Widerstreit goguenard und bourru
durch Studium der Alten mit dem Schönsten vertraut. Durch das Leben in
der Welt, durch und mit ihr, von ihrem Geschwäz über das Schöne gesättigt,
ist er zuweilen fast cynisch, besonders wenn er spotten will, und Spott ist
sein gewohnter Ton so bald er Albernheiten sieht. Da habe ich ihn denn
aber auch schon mit einer Sorglosigkeit die Leute mit Spott vernichten sehen
wobei ich vor Lustigkeit und Verwunderung recht innig das Leben des Geistes
fühlte. Ich hörte ihn eines Tages in München unter einem Kreis ultra Ger¬
manen der Academie des Fürsten von Wallerstein erste patriotische Pro¬
klamation analysireu — Sie kannten Kästner? 3 ) Lang hat seine Figur
und Witz und Lebhaftigkeit, aber statt meines alten Lehrers und Erziehers
steif geregelter Äusserlichkeit und Convenieuz, hat er eine Art Genialitet. Er
machte eine Darstellung dieses Proklams bei der man sich todtlachen musste!
stand vor dem Theetisch, sah zerstreut lustig rund herum den Leuten ins
Gesicht, den verduzten Schlichtegroll, 4 ) den verwunderten Häs 11 lein, 5 )
*) Als vierter Abschnitt dieser „Mitteilungen“ ist eine Zusammenstellung aller der
vStellen aus Theresens Briefen geplant die sich auf bayerische Verhältnisse beziehen.
Da Therese von 1805—1816 in einem bayerischen Landstädtchen, in Günzburg, 1823—1829
in Augsburg, manche Abstecher abgerechnet, die sie nach Bayreuth machte, lebte, so war
sie für diese 18 Jahre Angehörige des bayerischen Staates und sah manches mit eigenen
Augen an. Aber auch in den Jahren 1816—23, die sie in Stuttgart zubrachte, unterhielt
sie mit Bayern nahe Beziehungen und erfuhr manches, das nicht alle Welt wusste.
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Bayerische Briefe.
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ein paar giftige Kammerherrli und einige Damen die so wenig sich ahnden
Hessen dass man eine solche Frechheit haben könnte dass sie ihren Ohren
nicht trauten und den sorglosen Schwäzer ansahen wie die Enten den Bliz.
Lang spielte auf dem Theetisch, sprang voll Lebhaftigkeit auf seinem Pläz-
chen und fragte die ernsthaftesten Gesichter: ob dem nicht so wäre? Er war
Alles — ein verwaister Pachterssohn der auf das Unabhängigste im Innern
seines Gemüths, die abhängigste Lage erduldete, ganz allein Sprachen lernte,
ohne zu studiren eine Welt von Wissenschaften sammelte, kapriziös wie ein
Romanen Engländer seinen Verwandten weglief, den Fürsten von Waller¬
stein die Stirn bot, und endlich erst im 24—25 Jahr Mittel fand nach
Göttingen zu gehen und allein zu studieren, meist ohne die Professoren. Dann
gerieth er zu Hardenberg dessen Geschäftsmann er auf dem Schloss Harden¬
berg, bei Göttingen ward, und so weiter ward er Archivar in Ansbach — da
schrieb er seine Geschichte von Bayreuth ganz nach Aktenstücken — ohne
historischen Styl aber mit einem Reichthum darstellender Züge und oft inniger
Wärme. Er war Mann zweier schöner, wohlhabender Weiber, die er nur ein,
zwei Jahre besass, das lezte war Schopfs Wittwe, des Gesandten Hälmleins
Schwester, nachher soll er noch eine pr. Ehe mit einer Magd geführt haben.
Nach der Baverschen Besiznahme wollte er von Cauzlei Direktor was er war,
Kraisdirektor werden, das ging nicht; er ward Archivar und Referent beim
Herolden Amt und bekam Geheimrathsrang, Orden und dgl. Einmal zankte
er sich mit der Reg. forderte seinen Abschied und reiste, ohne ihn abzu¬
warten fort. Man bat ihn zurück und erfüllte seine billigen Geschäftsforde-
rungen. Er hat in den Adelsbestimmungen mit Mongelas den Adel nur auf
den ältesten Sohn forterbend festsetzen wollen, die jiingern in die Bürger¬
klasse zurücktretend. Es ward so dagegen gesclirien dass der Vorschlag nicht
einmal erörtert ward. Voriges Jahr wollte er abermals seinen Abschied um
sein übriges Leben in Göttingen zu privatisiren. Ich schrieb ihm: er sezte
sich in die Nesseln — wie die Sache sich machte, weiss ich nicht — genug
er blieb, ward Finanzdirektor in Anspach und wird dort geliebt für seine
Amtsführung, gefürchtet für sein Gottloses Maul. In der Zeit wo er seinen
Abschied fordern wollte, (wie er mir schrieb) sagte er einst ä täble d’höte:
„München sei eine grosse Taubstummen Anstalt“. Seine Lebhaftigkeit ist
ganz erstaunlich. Mitten im Park iiberfiels ihm indem er von Sömmering
sprach, ihn unwillkührlich nachzusprechen und zu gestikuliren. Wir fanden
ihn oft beim Sonnenuntergang mit Kinderheiterkeit die Möven anseheu, die
zu vielen 100 über die Isar flattern. Wenn er bei mir und Luise allein
war, so belehrte er uns wie ein guter Vater, (er ist so alt wie Sie oder ich,
sieht aber älter aus) über Sprache, Geschichte, Rechte. Luise hatte er sehr
lieb — er sah ihre schöne, anmuthige Jugend mit Wohlgefallen und humori¬
stischer Theilnahme au ihren damaligen Schmerz über die offentl. Angelegen¬
heit über die wir in Gesellschaft nie ein Wort verloren. Aus dem allen
sezen Sie sich einen Menschen zusammen der mehr durch Fantasie und Laune
als durch Vernunft und Grundsäze regiert ist; dessen überlegner Verstand
ihn beim Guten festhält; der aber die Welt zu gut kennen lernte um sich
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Ludwig Geiger
für die Götzen der Zeit, welche sie sein mögen, zu enthusiasmiren. Ich traue
ihm Hass und Rache zu; aber sie würde, begegnete man ihr edel, leicht
weichen.
Ich habe von den wunderlichen alten Menschen eine recht Menge
Worte gemacht.“
Auch anderen Menschen gegenüber machte Therese aus ihrer Zu¬
neigung für Lang kein Hehl. In ihren Briefen an Karoline Woltmann
(Deutsche Briefe, Lpz. 1834), die sehr merkwürdig sind, findet sich (S. 108,
1820) die folgende Stelle: „Ritter von Lang, der mir gar lieb und werth
ist, mehr als der wunderliche Heilige es brauchen kann.“
Die mancherlei Irrtümer dieser Schilderung brauchen nicht im ein¬
zelnen hervorgehoben zu werden. Zum Verständnis des Biographischen, das
in diesem Charakterbild und in unseren Briefen erwähnt wird, genügen die
folgenden kurzen Bemerkungen.
Lang war von 1797 bis 1806 in preussischen Diensten, stand unmittel¬
bar unter dem preussischen Staatskanzler Hardenberg, dessen Verwaltung
er in einer besonderen Schrift verherrlichte. 1806 ging er, da Ansbach zu
Bayern geschlagen wurde, in bayerische Dienste über. Er wurde Direktor der
Kriegs- und Domänenkammer in Ansbach, erhielt 1808 das Verdienstkreuz
und den damit verbundenen Adel, wurde aber, da er sich mit seinen höheren
Vorgesetzten nicht gut zu stellen vermochte, 1808 als erster Archivar nach
München versetzt. Er weigerte sich, die Stelle anzunehmen, lebte eine Zeit
lang grollend in Erlangen, erschien dann wieder in München, wurde dort
Mitglied der Akademie und erhielt 1812 die Stellung eines Chefs des Herolden -
amts und die Direktion des Reichsarchivs. Aber selbst in diesen Stellen aller¬
ersten Ranges hielt er es nicht lange aus. Schon 1815 wurde er auf seinen
Wunsch in seine alte Stellung als Kreisdirektor in Ansbach zurückversetzt,
erhielt aber bereits 1817 wiederum auf sein Ansuchen den Abschied. Er
entfaltete namentlich in diesen letzten Jahren seines amtlichen Wirkens eine
ausserordentlich vielseitige literarische Thätigkfcit, veröffentlichte historische,
statistische, politische und kritische Arbeiten, wodurch er viele Gegner zum
Schweigen brachte, aber mindestens eben so viele neue gegen sich erregte.
Sein neuester Biograph geht sehr streng mit ihm ins Gericht. Er
tadelt aufs schärfste seine Schmähsucht und Unwahrheit, er lehnt den Ver¬
gleich Längs mit Fischart und Rabelais ab, weil jene nicht bloss Spott
und Hohn auf ihre Opfer häuften, sondern von Idealismus erfüllt, religiöse
und politische Tugenden priesen und deren Zerrbilder höhnten, während
Lang ausschliesslich bestrebt gewesen sei, alles in den Staub zu ziehen und
nichts Hohes gelten zu lassen.
Gewiss ist, dass es Lang nicht in erster Linie um Wahrheit zu thun
war, sondern, dass er in seinen ungelehrten, für das grosse Publikum be¬
stimmten Arbeiten „Memoiren“ und „Hammelburger Reisen“ bestrebt
war, Aufsehen zu machen und Lachen zu erregen. Aus seinem Leben mit
dem Staatskanzler Hardenberg erzählt er selbst, dass er einen Hausknecht
zum Gegenstand des Studiums machte, der das Talent besass, „mit zwei oder
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Bayerische Briefe. 7 I
drei geschickten Schlagwörteru, die er oft nur gähnend auf seiner Ofenbank
fallen liess, eine ganze Stube lachen zu machen“. Nach dieser Mitteilung
fährt Lang fort: „Ich fing hierauf an, auch die grösseren Angelegenheiten
dieser Welt aus dem Gesichtspunkte dieses Hausknechts zu betrachten, und
fand dann, dass es mir niemals an Lachern fehlte.“ (Die Stelle findet sich
im Neudruck der Memoiren I, S. 207).
Aber Heigel zeigt auch, dass Lang in manchen seiner geschicht¬
lichen Nachrichten die Freiheit der Phantasie walten oder gewisse Tendenzen,
die mit der Wahrheit der geschichtlichen Darstellung nichts zu thun haben,
klar hervortreten liess. Denn vieles von dem, was er berichtet, lässt sich
mit archivalischen Mitteilungen nicht vereinigen. Ein von ihm mitgeteilter
Brief Napoleons an Wrede (1809) z. B. ist entweder von ihm selbst er¬
funden oder wurde ihm von jemand zugesteckt, der Lang zu düpieren suchte.
Seine Erzählung über das Zustandekommen des bayerischen Konkordats ist
vollkommen falsch und wertlos.
Auch als Beamter war er untreu und unzuverlässig — in den Urkunden,
die in den „Monumenta boica“ veröffentlicht werden sollten, strich er unter
den Zeugen die Namen der ihm missliebigen Adelsgeschlechter in den ihm
vorliegenden Abschriften einfach aus —. Auch als Mensch zeigte er sich
keineswegs als ein Ideal. Er, der die Jämmerlichkeit und Begehrlichkeit
geisselte, weist in seinen Immediatgesuchen neben einer starken Selbstüber¬
hebung auch in sehr widriger Weise ungemessene Geldgier auf.
Nachdem er angeblich aus Liebe zur ungestörten wissenschaftlichen
Arbeit 1817 in den Ruhestand getreten war und sich förmlich gelobt hatte,
nie wieder in öffentlicher Wirksamkeit aufzugehen, erbat er 1819 die Stelle
eines politischen Agenten in Wien, die er nicht erhielt.
Nach diesen Beispielen, die, wie noch einmal ausdrücklich hervor¬
gehoben werden soll, alle aus Heigels Ausführungen entnommen sind, kann
nicht geleugnet werden, dass Lang eine unerfreuliche Erscheinung ist. Heigel,
der im wesentlichen als bayerischer Historiker Längs Werke auf ihren Quellen¬
wert und inneren Gehalt prüft, kann daher den Mann, dem seine Forschung
zugewendet ist, nicht stark genug verdammen. Er schliesst seine Beurteilung
der „Memoiren“ mit den Worten: „Und was er hinterlassen — wenn wir
Deutschen ehrlich ein einig Volk von Brüdern sein wollen, verschmähend,
mit geheimer Freude auf Makel und Schaden des Anderen zu blicken, und
wenn wir ehrlich die Wahrheit lieben wollen, treten wir diese Erbschaft
nicht an.“
Eine solche Meinung wäre ja wohl geeignet, eine Beschäftigung mit
einem also charakterisierten Manne überhaupt abzulehnen und ebenso wie
seine Werke auch seine Briefe nicht zu beachten. Doch scheint mir ein solcher
Grundsatz im allgemeinen historischen Dokumenten gegenüber bedenklich,
besonders für Briefe aber nicht massgebend. Denn diese Briefe zeigen einen
immerhin interessanten Menschen von manchen bisher nicht völlig aufgeklärten
Seiten. Sie werfen Streiflichter auf öffentliche und private Zustände, sie lehren
das Verhältnis interessanter Menschen kennen.
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72
Ludwig Geiger
Mir liegt die Tendenz, eine Rettung Längs zu versuchen, völlig fern
und eben so fern die Lust, Lachen zu erregen und spottlustige Ausdrücke
zu verbreiten. Die Mitteilung dieser Briefe soll nur dazu dienen, Unbekanntes
ans Licht zu fördern und vielleicht in einzelnen kleinen Beziehungen die
Wahrheit zu verbreiten.
Die Briefe folgen hier in chronologischer Reihenfolge, nur mit wenigen
Anmerkungen begleitet.
München, den 27. Aug. 1815.
Verehrteste Frau!
Bei allen Ihren Yortrefflichkeiten haben Sie recht viel Bösartiges, indem
Sie, wie die Welt einem versprochenen Mädchen den Bräutigam, so mir meine
Fee Göttingen leid zu machen gesucht. — Sie sollens nun auch zu ver¬
antworten haben, wenn ich mich nun eines andern besonnen, und da ich ohne¬
dem meinen Abschied nicht herauspressen konnte, am nächsten October dafür
nach Ansbach gehe, mit Beibehaltung meiner ganzen hiessigen Bestellung,
wieder als Kreisdirector an die Stelle Bavards, 6 ) den Sie vielleicht auch ge¬
kannt haben, und dessen Tod, den ich nicht herbei gerufen, wie ein Maschinen
Gott darzwischen gekommen. — Ich denke nun, weil Sie das Nördliche
meines Lebens Plans nicht haben erfassen wollen, auf eine südliche Art als
ein südlicher Dom Probst zu leben. Die Alletnania 7 ) haben Sie wohl auch
nur aus dero Hang vertheidigt, um mir in allem Widerpart zu halten, und
auf mich, wie der Commandant von Hünningen, los zu bombardieren, wenn
alle Welt schon die weisse Fahne aufgesteckt hat. Durch dieses viele an
mir verübte Böse hätten Sie wohl verdient, dass Ihnen aufgegeben würde,
sich 30 Meilen weit von Günzburg 8 ) entfernt zu halten und Ansbach zum
Exil und Surveillans Ort zu nehmen, ja dass Sie sogar bis ins erste und
zweite Glied nach dem milden Codex des Himmels, bestraft und die Gütiz-
burger Ober Försterey in eine Ansbacher Forst Inspection, andern zur Warnung
um gewandelt würde.
Hierzu kann alles nicht helfen, dass ich die Grtisse von Ihrem geistlichen
Herrn Rath Keller 9 ) empfangen. Er soll sie Ihnen wieder bringeu, wenn
er von Rom als Bischof zurückkommt, welches ich aus den Zügen seiner
Hand wahrgesagt.
Alles dieses wird und muss so kommen — ich habs gedacht und
dem lieben alten Herr Gott, als meinem Agenten, Amanuensis und Schrift¬
setzer zugesandt, dass er es izt also lenken und ins Reine setzen soll. —
Bevor Napoleon in St. Helena angelangt 10 ) werde ich in Ansbach
eingetroffen seyn; und sofern auch Sie mir dahin keine Episteln nachschicken
wollen, so werde doch ich Ihnen melden, welche Antritts Predigt ich daselbst
gehalten, und dass ich an der Rezat (einen Bach, den ich erst im 30. Jahr
meines Lebens habe nennen hören und ihm die Ambition ein General Kreis
Fluss zu werden nicht zugetraut) wie an der Isar, die noch immer gegen
den Herrn v. Wiebeking 11 ) die Spröde macht bis ans Ende meines Lebens,
oder bis ich einen bessern Schluss Perioden machen gelernt, seyn werde
Ihr Freund und Verehrer
Laug.
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Bayerische' Briefe.
73
Postscriptum eines Mannes: Frau von Liebeskin d 12 ) ist noch immer
nicht hieher. Sie soll ein Bad gebrauchen.
Ansbach, 26. May 1817.
Verehrteste Frau,
Unter dessen haben sich so viele Veränderungen an unserm Rezatstand
ergeben, dass wenn Sie hier ankommen würden, Sie glauben könnten, es
habe ein wahrer ChriStoff Columbus bei uns gelandet. Für Dörnberg
der nach Regensb. wandern musste, kam Drechsel aus München, vorher
General Postdirector hier an. Feuerbach wurde Präsident. Bever kam
von München wieder als Finanz Director hieher. Ein Herr v. Mulzer aus
Aschaffeuburg wurde Vize Präsident und Creis Director (izt heissts Regierungs-
Director) der Zahl der neuen ein gewanderten und abberufenen Rathe (wozu
dieses Spiel ? mag ein anderer deduziren) ungerechnet. Aber wo bleiben denn
Sie? werden Sie endlich fragen? Ja sehen Sie, das haben Sie nicht gut ge¬
macht, wenn Sie mich noch in den Charten suchten, denn ich habe den itzigen
grossen Trümpfen nicht getraut und meinen Pacat in den Skat gelegt. Da
ich mich weigerte, den Herrn v. Widder*) als Vize Präsidenten wie als bis¬
herigen ersten Director versetzen zu lassen, so ist dieser Herr v. Widder
vors erste zwar ausgeblieben (izt auch in Regensburg) zuletzt aber haben sich
meine gnädigen Obern doch ermannt, einen neuen Vize Präsidenten hieher
gesandt und mir meine auf diesen Fall selbst gebettene Entlassung mit vollem
Gehalt gegeben. Darüber sollt ich nun freylich böse seyn:
„Wäre ich nicht, der ich bin“
Was mir wohl thut ist, dass ich selbst beim Untergang von zahlreichen
Häusern, besonders Unterthauen Lebewohl und Bedauern mit mir bekommen,
zu einer Zeit, wo diese engherzige egoistische Welt immer nur ihr Haupt
gegen die aufgehenden Sonnen neigt als wahre Orientalisten, die sich immer
nur mit dem Orient beschäftigen. Klügere Leute hingegen als ich bin, und
diese brauchen nicht gross zu seyn, also noch kleinere Leute als ich und die
am Eispol wohnen, werfen mir aber vor, dass ich kein ächter Deutscher sey,
dass ich am 18. Oct. nicht genug Holz auf die Berge getragen, dass ich,
wenn im Casino das Bundestags Protokoll verlesen wird, zur Thür hinaus¬
gegangen, dass ich vor einem todten Löwen den Hut abgezogen, dass ich
an einem Jesuiten respectswidrig vorbei gerumpelt und ihn pudrig gemacht;
dass ich mit so heiligen Reliquien wie Adelsbriefe sind, in meinem Adelsbuch 18 )
Spass getrieben, und nicht lieber wie ein Mezger zu jedem Schlegel panigyristisch
noch einen Kalbskopf zugewogen, dass ich überhaupt meine Zunge, die mir
Gott zum Schlicken und Schmecken gegeben, und durch Kultur zum Lecken
hätte gebracht werden können, durch unnatürliches Spitzen zum Stechen miss¬
braucht, und dass ich auf eine falsarische Weise mit dem Gänsekiel Sachen
aufs Papier geschrieben, woran die ehrlichen und gutgesinnten Gänse wirklich
gar nicht gedacht. Um für alles dieses Busse zu thun, habe ich nun eine
Wallfahrt beschlossen, die am 15. Juni anfangen soll nach Jena, Weimar,
*) Gabriel von Widder, noch 1819 Vizepräsident der Kreisregierung München
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74
Ludwig Geiger
Dresden (dort etliche Wochen zu bleiben) Halle, Göttingen (auf etliche Wochen)
zurück über Gotha, Würzburg. Haben Sie mir Aufträge zu geben, so senden
sie mir solche zu, wenigstens Ihren Segen. Ich will dafür für Luischens Ge¬
sundheit und Zufriedenheit den Göttern Opfer bringen, damit Sie mich einmal
auf meinem prophetisch also benannten Heimweg dahier einmal besuchen können,
bevor ich selber zu Ihnen nach Stuttgart komme, welches vielleicht izt schon
geschehen, wenn ich nicht Aergernis vermeiden müsste, weil einfältige Menschen,
welche glauben ein Mensch ohne Staatsdienst könne so wenig leben wie ein
Frosch unter der Luftpumpe, von mir ausgebreitet, ich wolle in Würtemberger
Dienste treten. Ich werde freilich noch dienen, aber der ganzen Welt über¬
haupt, dem was ich am Abend meines Lebens als Nützlich, Schön, Tröstlich,
geprüft und erkannt habe, Menschen, die keine Kronen tragen, und die ich
Freund nennen darf; Einen grossen Herrn aber nehm ich aus, der gewöhn¬
lich auch ein lachendes Gesicht macht, wenn er mir mit seinem Szepter winkt,
den guten Freund Hain, der schon wissen wird, wohin er den für seine neue
Welt zu bringen hat, der auf dieser alten nie seinen rechten Platz gefunden,
nicht einmal jemand neben sich. Schlichtegroll 14 ) soll sehr ärgerlich seyn,
über die Selbstbiographieeu die bei Brokhaussen erscheinen und dem Treib¬
werk seines Nekrologen das Wasser abschneiden. Er glaubt auch jenes Werk
lasse sich an diplomatischer Wahrheit mit seinem nicht vergleichen. Denn dass
ein Homer, ein Ossian, ein Sanchuniathon, ein Anacharsis, ein Mem-
non der nicht einmal ein Journal oder ein Taschenbuch geschrieben, sondern
blos die Buchstaben erfunden, dass ferner die Akademiker in München u. s. w.
wirklich auf der Welt gelebt, werde ewig bezweifelt werden können, aber der
geistige und leibliche Tod dieser Herren, in Praesenti, Perfecto und Futuro
liege durch seine Nekrologen klar an Tag. Es wäre nun zu wünschen ge¬
wesen, dass auch unter den Gelehrten eine Leipziger Schlacht stattgefunden,
dann würde sein Nekrolog zu einem kollossalen National Monument, ja einer
erhabenen Versinnlichung des Hamletischen Seyns und Nicht Seyns empor¬
gestiegen seyn. Aber leider wollten diese Herren nicht anbeissen, obgleich
so viele klagten, dass sie nichts zu beissen hätten.
Die Liebeskind in München gibt in zwanglosen Heften Leichenreden
auf Kammer Jungfern heraus. — General-Commissar v. Dreschei wünschte
eine teutsche Gouvernante möglichst bald zu finden. Können Sie eine
empfehlen ? Sie sehen, ich kann nicht nur Briefe, sondern auch Intelligenz¬
blätter schreiben.
Ihr Freund und Verehrer
Lang.
Ansbach, 14. Sept 1817.
Verehrteste Frau!
Meine Reise über Nürnberg, Bamberg, Koburg, Jena, Weimar, Dresden,
Leipzig, Halle, Göttingen, Kassel, Fulda, Würzburg wurde in der Zeit vom
16. Juni bis 1. Sept. glücklich vollführt; zu Dresden weilte ich 4 Wochen
fast ausschliessend im Genuss der Bilder Gallerie und des antiken Museums,
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Bayerische Briefe. 75
zu Göttingen 15 ) etwas über 3 Wochen meist auf der Bibliothek beschäftigt
In Dresden habe ich viel schöne Kunst und Natur, aber keinen Sachsen
lachen gesehen. Bötticher 16 ) hat mir viele Liebesdienste gethan und sich
umständlicher nach Ihnen erkundigt. Er ist der wahre Gelehrte Lohn Lakai
der Dressdner, in der Kunst ein Sophist, ein Tafel Dilettant und bereitwilliger
Schmeichler, der mich priess, dass ich mich selbst zu einem Freiherrn erhoben,
und im nemlichen Augenblick den Prinzen Hofmeister von Mecklenburg,
weil der Mensch unfähig sey, den reinen Becher der Freiheit zu schlürfen,
und erst im momentanen Ausruhn vom Geschäftszwang und besonders im
Joch des Hof Lebens die Kostbarkeit der Zwischen stunden auf eine einzige
süsse Weise empfunden würden; so dass ich seiner Beschreibung nach würklich
den Hund zu beneiden anfing der bei Tag an der Kette liegt, und Nachts
das eigene einzige Vergnügen geniesst, fessellos im Hof laufen zu dürfen.
Leben für immer möcht ich nun doch in Göttingen nicht. Die alten Bekannten
sind unterdessen alle viel gelehrter und vornehmer geworden. In Heeren 17 )
entwickelt sich etwas ungemein graziöses Ministerielles. Er, Hugo 18 ) und
Planck 19 ) sind bemüht, das gebietende Triumvirat zu bilden. Die Universität,
über 1200, ist zu gross, um die Milde und Stille ihrer alten Sitten ganz rein
bewahren zu können. 400 Studenten, die alle Offiziere waren und sich in
dem Augenblick noch als solche fühlen, geben eine eigene Mischung 90 ) Das
Drängen, schleunigst das Viel Versäumte nachzuholen und so Gott will eine
Civil Versorgung zu eijagen bestimmt eine vorherrschende Tendenz zum
Brod Studium. Unter den Professoren selbst findet wenig Ideentausch im
Umgang statt, viele literarisch ganz unbekannte, z. E. Heisse 91 ) schwelgen
in einem unbeschreiblichen Purschen Applaus und die Bibliothek selbst hat
durch neue Manipulationen und Formen bei der Abgabe an der leichten Be¬
wegung verlohren und scheint auch den Geist eines Oberbibliothekars zu
vermissen. Ihren Sohn") hab ich bei Reuss 23 ) und Ihrer Frau Schwester
gesehen, aber nicht so heimlich machen können, dass er mich besucht hätte.
Er wird in seinem Studium gelobt; auch sein Aeusseres spricht nicht gegen
ihn; seine gewählte Laufbahn scheint mir ihm recht passend.
Ich habe zu Göttingen über das Alt teutsche berühmte Eine Media
Vita eine kleine Nachricht aufgesetzt und eine poetische Uebersetzung ver¬
sucht. Vielleicht könnten Sie den Aufsatz in der Morgen Zeitung 24 ) gebrauchen.
Noch lege ich Ihnen ein paar Bogen einer an gefangenen humoristischen
Beschreibung einer Reise 96 ) bey. Ich suchte darein schäkernd Dinge zu legen
und überzutragen, über die ich gerne meine Meinung sagen möchte und die
zum Theil fast immer in etwas wahr nur geflissentlich etwas lächerlich ver-
staltet sind. Ich wünsche sehr zu wissen, was Sie davon urtheilen? ob Sie
es gerathen finden, es drucken zu lassen (das überschickte möchte ungefähr
das Sechstheil oder Achttheil vom Ganzen seyn) ob sichs schikte für die
Morgen zeitung ? ob Sie mir einen Drucker davor schaffen wollten ? w r as ja
an Honorar zu gewinnen wäre, wollte ich Ihnen für Mühe Gevatterschaft
und helfende Mitteilung überlassen. Die Fortsetzung enthält unter andrem
auch in der nemlich nicht sichtbar ernsthaften Faseley eine Parallelle der
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7 6
Ludwig Geiger
Schiksale Napoleons und Bajazets, Th es es die ich zu Koburg gegen
das Lutherische Papstthum und das Reformations Fest angeschlagen, ein
Colloquium über den neuen Bairischen (Jesuitischen) Studium Plan u. s. w.
Ich erwarte hierüber Ihre freymüthige ungebogene Erklärung, und das Mspt.
zurück, wenn Sie es nicht gebrauchen können. — Was macht Louischen ? —
Ein Leben in Tharander Bad bei Dresden wäre einmal ein schöner Traum!
Merkwürdig ists, dass ich es in Dresden und selbst in Göttingen allerwenigstens
um die Hälfte wohlfeiler, als hier gefunden. Verehrungsvoll
Lang.
Ansbach, 12. Oct. 1817.
Liebe Frau!
Auch mit dem kleinen Korb 26 ) hat mich Ihr Brief erfreut. Ich habe
wohl selbst gez.weifelt, ob die Sache gewöhnlicher Ladengusto seyn würde,
und vielmehr aus Misstrauen auf mich selbst bei Ihnen in die Büsche klopfen
wollen, ob Sie nicht allenfalls wieder schreiben würden: Um Gottes Willen,
lassen Sie das Ding seyn, es ist zu platt u. s. w. Ich lass es nun selbst
drucken. 500 Ex. Sind vor der Hand nur ein paar Hundert verstellt oder in
Saldo, dann kann die Censur hinter her laufen. Ihnen die gebetteilen Frag¬
mente mitzutheilen, hat allerdings Schwierigkeiten, einmal weil sich aus einer
kleinen Flugschrift, ohne ihren Debit selbst zu schaden, zum Voraus nicht
viel mittheilen oder abschöpfen lässt und dann zweitens, weil ich fürchte,
als abgerissenes Ding steht es im falschen Lichte da; das abgerissene lautet
zu ernsthaft und dann zu wenig gelehrt — im Ganzen aber war es auf einen
gewissen Ton der Frivolität und der springenden Oberflächlichkeit berechnet,
denn mit der Gründlichkeit macht mau niemand lachen.
Inzwischen theile ich Ihnen einen ganz trokenen Auszug die Theses
mit; denn es wäre doch gut, wenn diese noch vor 31. Oct. erschienen. Aber
ich sorge, sorge, selbst diese werden Wehe und Aengsten erregen. Schalten
Sie damit wie Sie wollen, versilbern Sie und machen feinere Pillen daraus
nach Belieben. Einzig damit man nicht glaube, ich habe das Morgenblatt
ausgeschrieben, wünschte ich erwähnt, dass es Fragment einer nächstens zu
erscheinenden, oder meinetwegen schon erschienenen Reisebeschreibung sey.
Sie können die Sätze wiederlegen mit Gründen oder Ausrufungszeichen; Ver¬
wunderungen, Absprechungen u. s. w.
Den Bajazeth aber werden Sie nächstens selber lesen. Noch lege ich
ein kleines Blättchen bei über die angebliche Wuchertheuerung, im Fall
Sie davon Gebrauch machen können; ausserdem schicken Sie mir es zurück.
Versteht sich, wenn ich Ihnen die Sache gebe, können Sie es mit der Form
halten, wie Sie wollen.
Verehrungsvoll Ihr Freund
Lang.
Ich habe Ihnen letzthin Herrn Stadt Pfarrer Görs von Baiersdorf bei
Erlang, Vater des Kabinetssekretär geschikt. Er ist sehr bezaubert von Ihrer
Aufnahme und vom schönen Louischen, die er seiner Versicherung nach wohl
getroffen.
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Bayerische Briefe.
77
Ausbach, 7. Dezember 1817.
Liebe Frau.
Stolz, wie eine Katze, die man nicht ins Zimmer lassen wollte, trage
ich Ihnen gleichwohl mein Junges in der Schuautze vor. Es ist vorläufig
nur ein Korrectur Bogen B (A kennen Sie schon schriftlich) desswegen be¬
schleunigt Ihnen zugestellt, weil er die bewusste Parallelle enthält und den
Schluss übers Reformationsfest, um Sie zu versichern, dass keine neue bösen
Anspielungen hinzugekommen sind. Es freut mich, dass ich die Brenn-Ex-
perimente schon vorausgesehen habe. Dürfte ich denn, wenn das Schriftlein
fertig seyu wird, nicht eine Anzahl Exemplare zur Verbreitung und Sicherung
an Ritter Cotta senden ? —
Die Frankfurter Rede Ihres Schützlings Wan gen heim hat mir doch
gar nicht gefallen wollen. Wieder eine Schul-Peroration. Wenn nur die
Herren versuchten, und übersetzten ihre Sachen vorher ins Lateinische oder
Französische, dann würden sie finden, dass wenn man ihre originale deutsche
Wortkramereyen hinweg nimmt, gar keine Gedanken, am allerwenigsten
|neue übrigbleiben.]*)
Ansbach. 12. Juli 1818.
Verehrteste Frau.
Also auf das Kapitol ist meine Hammelburger Reise gekommen? Das
heisst, wie früher schon der rohe Brenne oder der Vandale! Dort pflegen
aber lange schon nicht mehr die Gänse zu schreyen, sondern die genistelten
Hummel zu stechen. Mit dem geziertesten Dank eines erschrecklich gekützelten
Autors erhalten Sie hier ein neues Exemplar. — Allerdings car teile est le
plaisir du Peuple wird bald ein dritter Theil folgen, wo ich zu Schilderung
des adelichen Unfugs meistens in der Staberls Rolle eines Bairischen Ober¬
schreibers auf zu treten gedenke. —
Was ich über die Konstitution* 7 ) denke, finden Sie in den bei liegenden
Exemplaren des Merkurs ausgedrückt. Sie hat beschworen werden müssen,
ohne dass man noch die Feudal Pfeiler der Beilagen kannte. In diesen erst
nach gekommenen Beilagen aber haben wir dazu erhalten : Die Gleichheit des
Adels in der Besteurung dahin erklärt, dass zwar auch dieser die volle
Steuer in die Kasse einliefern, dagegen aber \a baar daraus wieder zurück
ersta11et erhalten soll — ferner das Koncordat in allen und jeden seinen
Puncteil (so lautet es ausdrücklich) bestätigt und zur genauesten Beobach¬
tung vorgeschrieben; (wie ist nur diese Doppel züugigkeit der Konstitution in
ihrem Text und in ihren Beilagen gegen eine Hildebrandinische Clerisay zu
lösen ?) endlich ist die Feudalität in allen und jeden Stücken, so wie sie bei
uns im Jahr 1806 war, hergestellt. Alle adelige Gerichtsbarkeit und Zwing-
*) Das Folgende ist weggeschnitten; die in eckigen Klammem stehenden Worte dem
Sinne nach ergänzt. — Die Rede Wan gen hei ms des ehemaligen Ministers, damaligen
Landtagsgesandten Württembergs, ist, wohl dieselbe, wie die neuerdings analysierte Rede
Ws. in Verfassungsangelegenheiten (Stern, Geschichte Europas I., 336 f.); freilich steht
dort das Datum 18. Dezember. — W. war mit Therese sehr befreundet und wurde von
ihr in Gesprächen wohl manchmal gegen Längs Angriffe in Schutz genommen.
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73
Ludwig Geiger
Herrschaft soll bis zum i. Jan. 1820 auf den Zustand vor 1806 zurükgeführt
werden; alles, was in dieser Zwischenzeit zu ihrer Tilgung von den Partheyen
freiwillig vertragen worden, wird als null und nichtig aufgehoben. In
12 gauzen Jahren sollen wir also nichtein Pünctchen weiter gekommen seyn.
Täglich seh ich nun von den geschäftigen Ultras der Verwaltung das in die
Wette einreissen, was ich seit 1806 als Director dahier in Kulturs- Stiftungs-
Erziehungsgegenständen gewürkt habe, blos aus dem Grund, weil es nach
1806 geschehen. Man möchte mir selbst meine Bäume und Blumen zerreissen.
Wer weiss, was noch geschieht. Mir meine Anlagen ab- und mich selbst da¬
durch w e gzukaufen hat man schon versucht. Es gehört gewiss viele Stärke
dazu, wenn man bei allem dem, was mau izt sieht und empfindet, noch so
den Lachenden machen kann, dass die andern mitlachen müssen. Vielleicht
ist Ihnen die weitere Beilage aus der Mergentheimer Geschichte, nicht un¬
interessant. Den V. finden Sie in der Beilage B. bezeichnet.
Wär es vielleicht nicht gut, wenn Sie izt unter den Erscheinungen der
Zeit, etwa von München her datirt, das Leben und die Tendenz der Hammelb.
Reise in Ihrem Morgenblatt etwas mit bezeichneten ? Sie dürften mich als
ehemaligen Kreisdirector (nicht geh. Rath) N. N. zu Ansbach, vorher Reichs-
archivdirektor in München, izt privatisirend, nennen. Ich kann izt rechnen,
dass von iedem Teil (mit Inbegriff der 2 Nachdrücke) 6000 Ex. im Umlauf
sind. Das ist das,- was diejenigen Excellenzen und After Excellenzen mit
ihren Suppen Freunden am meisten ärgert, welche das Werk als dummen
faden Spass, oder als Product eines bösen Willens hätten stempeln mögen.
Und diesen Debit habe ich selbst gemacht — (was hätte ein Buchhändler,
wie Cotta wirken können). Aber solche Spässe sind nicht adelig. Auf die
schöne Frau Zenker haben Sie nun auch den schönen Herrn Kiefhaber
gesehn! 28 ) Wie mag sich wohl bei dieser Besuchung oder Versuchung
das Cherubims und Raphaels Köpflein von Louisclien ausgenommen haben ?
L.
Würde Ihr lieber Herr Sohn über Ansb. kommen, so könnte er wohl
bei mir zusprechen. Aber so zahm ist wohl das Zugvögelchen noch nicht.
Ansbach, 21. Dezember 1818.
Verehrteste Frau.
Heute, am kürzesten Tag, sollte man freilich an den Altären des
Morgens und des Morgenblattes nicht überlästig fallen. Aber Ihr bisheriges
langes Schweigen ist mir eine entsetzliche lange Nacht, die mich mit bos¬
haften Träumen ängstigt, dass vielleicht gar Sie oder Ihr schönes Neben-
gestirn Louisclien sich nicht Wohlbefinden, sofern sich anders Sterne übel be¬
finden können, und nicht uns vielmehr Uebel bringen dadurch, dass sie sich
uns nicht mehr sehen lassen.
Und nun dazu noch unsere immer länger werdende Nacht der Aben¬
teuerlichkeit, und Schwärmerev, in Mahlerey und Kunst eben so altväterisch
und geschmacklos als wie in Reim und Rede. So wirds ungefähr nach ein
paar hundert Jahren dem Amerikaner seyn, wenn man ihn auf das äclit alte
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Bayerische Briefe.
Canibalisch Schöne zurückführen will. Doch Sie, auf Ihren Morgen und
Titansbahnen, was kümmern Sie die schwarzen Wolken unter Ihnen? Sie er¬
freut es, Kaiser und Kaiserinnen auf Zauberwagen durch die Lüfte fliegen zu
sehen, die Freude guter Kinder über die Neujahrsgeschenke der Konstitutionen
mit zu fühlen, den Koloss der deutschen Freiheit anzustaunen, den lieblichen
Kämpfen unserer olympischen Turner Beifall herabzuwinken, und durch Ihre
Mitarbeiter, d. i. Ihre hinunter tauchende Sklaven aus dem Meer der Weisheit
Charaden und Räthsel heraufholen zu lassen.
Und doch in aller dieser Herrlichkeit, wie werden Sie sich still darüber
grämen, dass Sie keine Baierin sind, wenn Sie nun in den Zeitschriften lesen,
dass die Münchner Athenienser, unsere neue politische Institute die Englischen,
unser Hammelburg das edle Abdera ist Die dritte Farth werden sie doch
erhalten haben? Ich fürchte, der juristische Kampf mit Kreitmayr 39 ) hat Sie
weniger an gesprochen. Aber es war ein schneller Nothschrey nötig, weil man
eilen will, uns dieses schwarze Buch als allgemeines Sklavengesetz aufzudringen.
Graf Törring 80 ) durch einen seiner Burgschreiber hat für die vor¬
läufige Landtagsverhandlungen eine Schrift verbreiten lassen: Was wollen
Wir? Ach! wenn wir das immer wüssten. Seine Excellenz beschränken
sich übrigens massiger Weise nur darauf, alle Sachen auf den Zustand vor
der Sündfluth zurückzuführen lind die Adeligen als übernatürliche Heroswesen
anerkennen zu lassen.
Der Heimeram 31 ) in München soll ein erbärmliches Stük seyn. Es
war Pfaffen Intrike, geleitet von einem Pfaff, Spät 82 ) als Censor, dass ein Pfaff
den Preiss erhalten und den Günthner-, 38 ) Westenrieder- 84 )und Zirngibel- 36 )
Lehrsatz bestätigen sollte, dass alles, was in Bayern Grosses erschienen, von
Pfaffen hervorgegangen. Sehr übel hat man Dozen die Behauptung genommen,
dass Bayern keine Dichter habe. Dir. Streber zeugte sich erstaunt dar¬
über; er sey versichert, wenn man nur recht nachsuche, werde man doch
deren finden. Zum Trost hätte ich ihm den Jesuiten Balde 36 ) in Neuburg,
einen ächten Nachahmer des Horaz (wie wohl von Geburt einen Elsässer)
und Brunners 87 ) Fischergedichte (ebenfalls ein Neuburger) nennen können.
Unveränderlich
Ihr
Freund und Verehrer
Lang.
Verehrteste Frau.
Etwas schmollend schik ich Ihnen hier eine Hammelburger Fahrt, die
siebente; ich werde künftig meine Jahre darnach rechnen, wie die Römer nach
ihren Consulaten, aber lieber hätt ich Ihnen das Nürnberger Anzeigblättlein
schiken sollen, um sich daraus zu ersehen, wie man in Nürnberg alle Quartal
wenn man auszieht, sich der alten Nachbarschaft empfiehlt, und dann in nächster
Woche der neuen. Sie aber wischen mir von einem Königreich ins andere,
mir nichts, Dir nichts, geben keinen Laut von sich, laden mich auch nicht
ein; was mich auch fast verdrossen hat. Bis nun das kleine Hammelburger
Kind geboren ist: wo ich wieder gut seyn will, der Gevatterschaft wegen.
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8 o
Ludwig Geiger
Also wird man doch aus dieser allerhöflichsten Veranlassung vielleicht
erfahren können, ob, wo, und wie Sie sich gehaben und Wohlbefinden? —
Das schlimmste ist, dass izt wohl gar Ihr Baireuther Flug nicht mehr über
Ansbach geht.
Was mich betrift, ich bau, wühl und grab noch in meinem Garten
herum, den ich mir auch mit dem daran stossenden Wirthshaus und neu an¬
gelegten Wirtshaus Garten und Stallung erweitert habe. —
Dies und das ganz elende Wetter war Ursache, dass ich diesen Sommer
alles Reisen unterlass. Mein Leben geht dabei so still und einfach dahin,
wie auf einer Insel der Südsee; und dabei bin ich allen Narren herzlich gut,
besonders denen, die sich etwas von mir hänseln lassen.
Das merkwürdigste, was sich auf hiessigem Berg (neben den sonstigen, unni-
versalen Jubiläums-Vermählungs-Landwirthschafts-Bürgermeister Wahl und Ma-
nöuver Festen) ereignet, ist, dass mein Kanarien Vogel durchgegaugen (durch¬
geflogen) nach ein paar Tagen Umtrieben im Garten aber wieder eingefangen
worden und die Nachtigall hat ihre Mause glücklich überstanden und werden
keine Bülletins mehr ausgegeben, der Schnudy aber befindet sich wohl und em¬
pfiehlt sich den Damen. Seine Freundin, die Katz, ist über den Raub eines jungen
Hasen ertappt und zur Satisfaction aller anderen Hasen erschossen worden.
Diese Dinge verlohnen sich wohl, dass Sie einmal wieder persönlich
davon Einsicht nehmen; oder warum haben Sie mich nicht nach Nürnberg
bestellt? denn ich höre, Sie seyen durchgefahren und hätten den schönen
Bronn sehen wollen, der aber noch nicht fertig war. Am 12. Oct. aber haben
sie ihn aufgedeckt, mit Schiessen, Trommeln, Singen, Segen sprechen, katho¬
lischer und lutherischer Seits, mit Reden, Gratulationen, Kränze winden,
Tafel toasts, und wie das izt bei allen Tritten und Schritten sein muss und
Brauch und bei den steifen, vier ekigten, kurz sylbigten Deutschen lieblich
anzuschauen ist. Halt auch das Papier hat ein End, wo bring ich nun meine
deutsch ceremonieuse Phnpfehlung hin ? Etc. Etc. Etc. Etc.
Lang.
Ansbach, 28. Juni 1819.
Verehrte Frau.
Diesesmal mag ich wohl etwas schulmeisterisch aussehen, wenn ich
Ihnen eine Geschichte der Jesuiten 38 ) und noch dazu mit vielen lateinischen
Brocken untermischt, zusende. Es thäte noth, dass ich dazu doch auch so
ein schönes Brieflein schreiben könnte, wie Plinius, als er seinem Freund ein
noch viel wertheres Geschenk, ein wildes Schwein, übersandte. 39 ) Inzwischen
das hochgelehrte Werk muss nicht gelesen werden; etwa doch hier und da,
ein Anekdötchen witternd, durchblättert, und was ich besonders wünsche,
Freunden und Kennern des Fachs, wie etwa Werkmeistern, 40 ) zum Urteil mit-
geteilt. Ihnen sey es auf alle Fälle ein neues Zeichen meines unvergäng¬
lichen Angedenkeus.
Dabey arbeit ich fleissiger, als die Jesuiten an ihrem Bau heimlich, an
meinem Garten und Landhaus öffentlich. Wenn Sie doch nur kämen, um zu
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Bayerische Briefe. 81
sehen; bald könnte ich Sie selber bewirten. Ich zähle alle Augenblike, um
in meinen Büschen versteckt leben und Pfeile abschiessen zu können. Dann
die Leute hier werden immer alberner und boshafter, besonders eine gewisse
Pseudo Excellenz, der Herr Graf Drexel, 41 ) dem ich aber den Wein seines
Lebens sauer machen will. — Dass doch die lächerlichen Menschen das
Lachen am wenigsten vertragen können. — • In kurzem schik ich Ihnen ein
neues Conversations Lexikon — nämlich ein Hammelburger. 42 )
Seit dem unsere Herren Minister das Spiel mit den Ständen gelernt
und einstudiert, wo man den Leuten weiss macht, sie wären freye Grosbrit-
tanier, scheint mir unsere Knechtschaft immer ärger zu werden. — Bisher
habe ich aus dem Wesen aller noch wenig gelernt. So wirds nicht gut thun.
Weh liats mir gethan, dass ich hören musste, es seyen in Württemberg
Ihre blühenden Gärten und Berge erfroren. Seit wann ist es denn bey Ihnen
kälter, als bei uns, wo alles herrlich steht? Vielleicht w r ar es auch nur ein
Schreck? —
Glüklich sind Sie, so lauge der Himmel Ihnen Ihre ewig grüne
Morgenlaube und Louischens Blüthe beschirmt. Und so w'ill auch ich noch,
so lang es gut thut, bey Ihnen stehen bleiben, als ein alter Feldbaum, der
sich über sich donnern und krächzen lässt, und sich die Zeit vertreibt, um
den Zeitgeist der jungen Heerde zu betrachten, die sich unter ihm tummelt.
Verehrungsvoll Ihr steter Freund Lang.
N: S:
Ich habe mit Bleistift gezeichnet, was Ihnen allenfalls interessant seyn
könnte.
Ansbach, 17. Juli 1819.
Sie, vielerfahrene, liebevolle, fromm deutsche Frau — wie Sie in Herrn
Franz Horns neuesten Umrissen 43 ) mit Recht an gesprochen werden, haben
mich durch Ihre Superiorität bereits zu einer solchen Altsachsen Tributbar -
keit und Unterwürfigkeit gew r öhnt, dass ich nicht säume, Ihnen abermals ein
Lämmlein 44 ) von meiner Heerde, oder möcht es nicht auch ein Böcklein sevn,
zum Opfer darzustellen. Hamtnelburg ist nun einmal die Firma und Dotation,
Majorat u. s. w. das ich mir erworben habe uud zwar, wie es in allen Glücks¬
sachen geht, ziemlich im Schlaf.
Sollt ich mich einmal unter eigenem Namen klar über etwas auszu¬
sprechen haben, so werde ich von H. Cottas 45 ) angebottenen ungesperrten
Sitz auf seiner Tribüne Gebrauch machen. Die Einladungen zu solchen ge¬
lehrten Pikeniks sind freilich izt so häufig, dass man sie selten zu honoriren
vermag.
Die Schilderung des herrlichen Goldkäfer lebens in Stuttgart hat mich
als wahr und ergötzlich sehr angesprochen, sintemal ich es auch kenne aus
vielem gastlichen Aufenthalt und näher noch, da selbst meine Mutter eine
Württembergerin war, aber keine dichtende, oder nachher deklamirende, sondern
eine spinnende, gesprächige, gern gebende, oder vielmehr wegwerfende Schwäbin.
Aber dieser Würtemberger kleinliche und doch kriegerische Familiengeist,
Bayer. Forschungen, VII. 2 . 6
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Ludwig Geiger
diese bewundernde Anbetung und Hingebung in alles was von Stuakert und
vom Herzig kam, und die abscheuliche Gelehrsamkeit, die aus den Kloster-
mauem von Blaubeuren hindurch bis in meine Dorfhaken bliess, machten mir
ein solches gastliches Walten daselbst sehr ungemuthlich. Als nun der Oheim
nach an gestellter Prüfung über meine rohe Unwissenheit in Philosophicis
mit aufgehobenen Händen ein trostloses, Schwester, Eltern und Grosseltern
anklagendes, mir ein zeitliches und ewiges Verderben ankündigendes Weh-
geschrey erhob, und sich anschikte, mir von morgen Früh bis zum Betgeläute
BiIfingers 46 ) Logik einzutrichtern, nahm ich bereits am 3. Tag dieser Kata¬
strophe auf einem Färbergaul die Flucht aus diesen allemanischen Gauen, und
glaubte immer noch, mit bergausteilenden Haaren, alle Syllogismen in Barbara
und Cellarent 41 ) hinter mehr her trotten zu hören. Solches davon laufen
ohne weiters, wo es einem durchaus nicht gefiel, ist mir nach der Hand noch
einigemal sehr gut bekommen. Aber wohin izt? — Ich komme nun in die
Zeit des alten Faustrechts zurük und suche mich in meinen eigenen Mauern
vor allen Bösen zu verschanzen, — auf die reissenden Narren aber Ausfälle
zu machen. —
Doch denk ich, dass Sie, als meine Sinnesverwandte und Bundesgenosse,
mich auf solcher Burg einmal heimsuchen werden. Die Fallbrüke soll mit
grossem Jubel herabgelassen werden.
Ewig Ihr Freund und Verehrer Lang.
Ansbach 30. Sept. 1819.
Verehrteste Frau!
Ob Sie sich gleich, wie der Kurfürst von Hessen den Titel der Kur¬
fürstlichen Durchlaucht, so den Namen der verehrtesten Frau verbeten; so
werden Sie mich doch bei meiner alten und steifen Kanzley Praxis, die
es blos mit der Freundin und Frau zu thun hat, günstig belassen.
Weil Sie, wie ein gutes Kind, das seine Spielsachen andern schenkt,
auch mein Conversationslexikon weggegeben; so folgt hier ein anderes, mit dem
Wunsch, dass Sie es selbst kosten möchten. Ich erinnere mich nicht, dass
Sie aus meiner Jesuiten Gallerie etwas in Ihrem Morgenblatt aufgestellt. 48 )
Viele erwarteten, dass die Gemählde grässlich ausfallen sollten.
Leist 49 ), der Glükliche, der Sie in Stuttgardt besuchte, war ein
Jugendfreund, obgleich etliche Jahre iünger, von mir, den ich viel zu reitzen,
zu treiben, anzublasen und flattern zu machen versuchte. Er ist ein wahrer
geistiger Parvenü, für den die natürliche Geburt gar nichts gethan, der sich aber
mit einer ächten holländischen Geduld und Erwerbsamkeit zu einem ansehn¬
lichen gelehrten Wohlstand und Waaren Vorrath aufgeschwungen. — Von
H. Hobhause 60 ) hab ich leider noch nichts gelesen; geben Sie denn nichts
davon im Morgenblatt? aber das sind vermuthlich Nachtschatten, die nicht
in den Rahmen passen. Glauben Sie ja nicht, dass es bei Uns in Ansbach
weniger grün gewesen und noch sey, als in Ihrem Remsthal, Deutschland,
dieses grüne Vorgebürg lauter ewiger Hofnung ist ia von ielier das gute
Ländlein Immergrün, das uns aber bald ein böser Saud 51 ) verdorben hätte.
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Bayerische Briefe. 83
Welthistorisch betrachtet bin ich mir würklich weit weniger grosser
Ereignisse und Folgen vermuthend, als andere. Ich nehme Italien, dieses
Stiefschwesterland des alten heil. Röm. Reichs, ins Auge, von dem wir unsere
Freiheitlichen Institute geborgt, und das mit uns derselben Zerstückelung und
denselben Regierungsformen unterliegt. Aus solch einer geronnenen Milch
wird nie eine Butter; und wenn wir vielleicht noch ein 1000 Jährchen warten;
so stehen wir etwa noch auf dem nemlichen Punct, wie izt der Italiener. Ich
bin wahrhaftig wie der Teufel in der Hölle; ich lach über die Verdammten,
ohne daran zu denken, sie erlösseir zu wollen; ich bemitleide die Kranken, ohne
mich verbunden zu halten, sie selbst zu klystieren oder zu schröpfen; Wenn
es würklich geschäftige Demagogen und Umtreiber (eigentlich Danaidische
Fasswälzer) gibt, so sollten sie bedenken, was Thucydides sagt: dass nichts
gefährlicher ist, als Menschen frey machen zu wollen, die nicht frey seyn
wollen. 52 ) Nicht einmal einen witzigen Gedanken kann ich hervorbringen,
sobald ich mich darauf besinne, noch weniger erfolgt etwas Grosses aus Ratli-
schlägen und Heimlichkeiten; alles thut der Zufall, das Schiksal, dieses
Schiksal hat in Bonaparte, dem närrisch gewordenen Nebucadnezar, ein
grosses Experiment verunglüken lassen; und solche kostbare Praeparate gibt
man nicht alle Tag.
Noch nicht gar lange bin ich von einer Fussreise, 120 Stunden weit
zurük, die ich in dem sogenannten Bairischen Wald über Amberg, Cham
u. s. w. unerkannt mit vielen kleinen Abentlieuern gemacht, die sich nach
Hammelburger Manier werden modeln lassen. Künftiges Jahr geht es an
Bodensee, und wenn ich damit, nicht auf päbstliche Weise meinen Füssen
die freilich das meiste dabei thun müssen, sondern mir selbst Freundes Kuss
und ächten Willkomm erwerben dürfte; so liess es sich vielleicht machen,
mein Gespann auch über Stuttgardt streifen zu lassen. Unterdessen sollen Sie
und Louischen, Louischen und Sie sich wohl gehaben.
Verehrungsvoll Lang.
Ansbach 7. April 1820.
Verehrteste Frau,
Im Begriff einen kleinen Wanderzug abermals zu beginnen, kann ichs
nicht unterlassen, Ihnen vorher noch einen kleinen Laut von mir zu geben.
Es darf Ihnen doch nicht ganz gleichgültig seyn, wie es auch ausserhalb Ihren
Kreisen geht. Wir leben hier wie in so mancher Stadt, wo zwar das Mouden-
licht hochgepriessener Verfassung und Liberalität im Kalender steht, gleich¬
wohl aber auf der Gasse die dikste Finsternis herrscht, in welcher Hunde
und Katzen heulen, und übermüthige Pursche noch überdem Licht aus!
schreyen. Durch stille Verordnungen wird bei Uns die Censur so weit ge¬
trieben, dass die Buchhändler selbst nicht einmal mehr Büchertitel in ihre
Katalogen setzen dürfen, bevor sie alles, inn- oder ausländisch, den Regierungs-
Commissären zur Einsicht vorgelegt haben, davon Einer nicht einmal ein
Studierter vom Handwerk sondern ein gelernter Orgelmacher und Mass-
holder Tabakskopfschneider ist. An meine Hammelburger Schnurren ist bei
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Ludwig Geiger
solchen Pelzmützen gar nicht zu denken; aber mystischen Unsinn, besonders
von Erlang 58 ) aus, Lobgesänge auf die Machthaber, und dabei wieder hinter¬
listige, verstekte Apologien der deutschen Knaben lässt man passiren.
Mir selbst haben die Herren Ministerialen in Sachen gegen den edelu
Mann D rech sei gerichtliche Anklagen an den Hals hängen wollen, aus denen
ich aber triumphirend hervorgegangen, jedoch den Entschluss gefasst, meinen
Stab weiter zu setzen und wohin denken Sie wohl? Gottes Wege sind wunder¬
lich — nach Wien. 54 ) Als Archivar hab ich die Regel gelernt bei verschie¬
denen Lesearten müsse man die schwerste vorziehen, weil es anzunehmen,
dass der erste gemeine Abschreiber gerade diese, als ihm am unverständlichsten,
verballhornisirt habe. Und so will ich denn in den Codex meines Lebens
statt der gemeinen Phrase München oder Ansbach kek setzen: Wien, vor der
Hand auf ein paar Monate, und seh ich, dass es geht, wie früher (ich war
in meiner Jugend schon 3 Jahre lang dort) dann vielleicht vom nächsten Jahr
an auf immer. Dieses mal komm ich zu Ende July wieder zurück, und gehe
über München, mit Anfang Mais. Kann ich Ihnen in Wien was dienen, so
dürfen Sie nur Ihre Briefe durch die Württemberger Gesandschaft an die
Bairische abgebeu lassen. Selbst Stuttgardt, oder die Schweitz stand oder
steht noch auf der Wahl; aber die Entscheidung für Wien schien mir im
Anfang epigrammatischer, und obgleich selbst ein gebohrener Schwabe, so
kommt mir doch izt die Rede meiner lieben Landsleute so ultra - ehrlich
vor, dass ich fürchte, wie der Königssohn von Otahiti, nicht mehr einge-
wohnen zu können. —
Herr Prof. List 55 ) lernte ich auf seiner Durchreisse nach Wien kennen,
als Executor testamenti des verstorbenen deutschen Handels. Ich habe diese
gute alte Mama, die von dem Doctor Douane so ungeschickt behandelt
worden ist, herzlich bedauert, ob ich mich gleich sonst in dieser Welt An¬
gelegenheiten, wenig mehr mische, nachdem ich alle Systeme, vom phantasie¬
reichen Cosmopolitismus bis izt zur moralischer Despotie des Egoismus durch-
gelaufen habe. Selbst von den vielen Landtagsverhandlungen, weiss ich nichts
und less ich nichts. Die Herren hoff ich werdens nun ohne mich besser rechts
machen, denn ich thu leider alles links. Eben weil der deutsche Verstand
immer alles recht thut, so braucht man bei Uns keine linke Seite.
Leben Sie wohl — Leben Sie wohl — Sie — Louischen — Alles
was Ihnen angehört — die Wasser werden mich bald weiter tragen und ich
hoffe auf neue Szenen für mein altes Gilblas Leben.
Ewig
Ihr Freund und Verehrer.
Lang.
Ansbach, 31. Aug. 1820.
Verehrteste Frau,
Ich habe in dem mir vorgestekten Ziel der 3 Monate meine Reise
nach Wien zu Wasser und zurück über Prag und Karlsbad vollendet. Ich habe,
was würklicli selten ist, diese Stadt, meine alte Geliebte, noch so schön, wie
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Bayerische Briefe.
vor 30 Jahren und mich bei ihr, verjüngt und lebensfreudig gefunden. Be¬
reichert mit einem Schatz schöner historischer Funde bin ich, von meinen
Angelegenheiten zurückgerufen, nach Hause gekehrt und denke meine Jasons-
farth im nächsten Jahr wieder zu beginnen. Hoffentlich werden Sie sich
in gleicher jugendlicher Stimmung erfreuen, dass indessen der Storch wieder
da ist. — Die Herren Oestreicher haben besonders vom Hammelburger mehr
gewusst, als ich mir schmeicheln durfte. Sie drangen in mich, fort zu faseln,
und unter dem Schein, als ob es Baiern gelte, auch nach Osten auszuhauen.
Die Neapolitanische Episode 86 ) verdirbt vor der Hand die Sachen noch mehr.
Es ist, als wenn man einen Kranken zornig macht. Das Lieblingsstück ist
izt überall: der Teufel ist los, 87 ) worinn die naivsten Rollen immer die¬
jenigen spielen, die ihn fangen wollen.
Die Frau v. Pichler 08 ) hab ich einmal besucht. Es schien, dass sie
nicht recht wusste, wohin sie mich classifizieren sollte, und ich fand die Auf¬
gabe schwer, ihren bedächtigen Ernst mit meinem Kasperlstemperament ver¬
wandt zu werden. Ausserdem trennte uns eine Entfernung von wenigstens
1 Stunde. Noch eine Frau lernte ich in Prag kennen, die Frau v. Wolt-
mann, 59 ) in einem einsamen Garten weit ausser der Stadt, ohne alle weitere
Umgebung, bewacht von 20 Hunden, die sich nicht zu gefallen scheinen,
und zwischen Folianten der Bibliotheken von Radschin, Krakow und Wischerad.
Ein äusserst gemütlicher, sich vom innersten aussprechender Mann ist v. Ham¬
mer, 60 ) Verfasser der Fundgruben und der Tempelherren-Geschichte. Er hat
etwas iüdisch orientalisches an sich, und ist ein Schwiegersohn des Banquier
Honig ss tein. Die Einbildungskraft rennt manchmal mit ihm davon, und
ich mit meinem hölzernen Säbel dazu, haben der Sprünge viel gemacht. Bei¬
nahe melancholisch ernst sieht Hormayr, 61 ) dabei ein feiner höfischer Mann,
der mir aber falsche Wege einzuschlagen scheint, um wieder zur verlohrenen
Gnade zu kommen. In diesem Stück halt ich meine Brutalität für conse-
quenter. Das Wörtlein Gnade ist überhaupt ein sonderbarer Laut Eh man
noch die 2 ersten Buchstaben beinahe auf die Lippen bringt, heissen die
andern schon wieder Ade! Sie sehen daraus, dass ich die Wiener Kapuziner
Predigten mit Nutzen besucht habe. Wern ern 62 ) hörte ich über den Text,
dass der Johannes im Leib der Elisabeth gesprungen, eine Christ katho¬
lische Rede halten: „von der christlichen Eilfertigkeit.“ Die Ambraser Samm¬
lung (unter Primisser, C8 ) einem wakeren Männchen) ist im Grund ein
Pantheon für die ausgestopften Erzherzoglichen Pferdte und eine Schmetter¬
lingssammlung alter Rüstungen, aus welchen die Raupen schon längstens aus¬
gekrochen. Als wahrer Pallast steht das polytechnische Institut, oder eigent¬
lich gelehrte Reitschul da, unter dem Direktor Prechtl, 64 ) einem Würzburger.
Es gehört izt zum Ton unserer babylonischen Zeit alles nur auf Abrichten
und Eintrichteru zu berechnen. Ein Abbe Dobrowsky 65 ) eröfnet Sub¬
scriptionen für diejenigen Leute, die nach dem Tod von ihm wieder aufer-
wekt seyn wollen. Ein anderer Herr hat sich auf 3 Tage eine Gouvernante
aus Frankreich kommen lassen, oder reiner erzählt, nachdem sie da war, hat
ihr die Polizei nur auf soviel Zeit eine Aufenthalts charte gegeben. Zu Prag
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Ludwig Geiger
ist ein Herr Schiessler 66 ) Kriegskommissar, Theaterdichter, Topograph,
Zeitungsschreiber und Epigrammatist; in lezter Eigenschaft hat er sehr mit
Kotzebue gefehdet, der seine Stachel nicht acht erkennen wollte. In unsern
bösen Zeiten sollte es überhaupt die Spottvögel spottwohlfeil geben; und muss
ich einmal gar mein Kramlädelein gänzlich sperren, so rechne ich auf ein
mildes Almosen von Ihuen und dem lieben Louischen.
Verehrungvoll Lang.
beautw. 23. 3. 21. Ansbach 12. März 1821.
Verehrteste Frau,
„Nun ia! Du, Luischen, komm auch her, das ist wieder was vom Lang!“
Allerdings, so wie ichs unter gegenwärtigen Umständen glaubte in
halber Maske wagen zu können; und will iezt erwarten, wies den gestrengen
Herren gefällt, und ob sie den bösen Jungen nicht aus dem Garten hinaus-
iagen wollen; aber zu spät, nachdem er ihnen schon tüchtig in die Beete
gesprungen. —
Da alle unsere Cougresse auf Ach! Ach! und Au! lauten (Ach-en,
Laib-ach, Tropp-au) so wird man die Legitimität meiner Gesinnungen, die
auch aus einem Ansb-ach! kommen, nicht misskennen. Ich werde izt den
Vorschlag machen, statt der ewigen Theater Chroniken unsere schönen Blätter
mit stehenden Landtags Notizen auszustatten. Die deutsche Annehmlichkeit
und Grossmüthigkeit gibt sich darinn gar herrlich zu erkennen. Erfreulich
war es, mit welcher Erbaulichkeit bei Ihnen der alt lutherische Kirchen Choral
angestimmt worden: „Man braucht bei Uns kein arge List.“
I11 Zeit von 14 Tagen bezieh ich mein neues Landhaus, das einzige
kleine Ding, was ich in einem halben Jahrhundert voller Mühen, Träume und
Plagen zu einer Würklichkeit habe bringen können, gleichsam das Ey, in
das ich mich vor meiner letzten Verwandlung so eben einzuspinnen gesonnen
bin. Können Sie einmal Ihren Sonnenwagen des Morgeublatts mit dem
angespannten drei köpfigen Cerberus oder Höllenbraten der Kunst, der Litteratur,
und der Intelligenz 07 ) verlassen, so kehren Sie mit Psyche Louischen doch
einmal am äthiopischen Horizont von Ansbach ein, zweifeln Sie ia nicht, dass
bei Uns grosse Dinge zu sehen sind, ein Frauen verein, ein musikalischer
Verein, ein Industrieverein, ein Landwirthschaftsverein, ein Aussteuerverein,
ein Armenverein, ein Leseverein, ein Hofgartenverein; in die hätt ich können
alle hinein, aber ich nahm meinen Bündel und schrie Nein ! Nein! Nein! —
Diesen Sommer denk ich eine Fussreise nach Lindau zu machen. — Könnte
man da sich nicht begegnen ? — und dann in vergnügten Stunden des Wieder¬
sehens den östreichischen Beobachter 08 ) lesen?
Verehrungsvoll Lang.
Ansbach 12 Juli 1821.
Verehrte Frau,
Da schik ich Ihnen einen Mann mit einem Bart 69 ). Er ist zu gelehrt,
als dass er Ihnen recht behagen könnte. Mustern Sie flüchtig seinen alten
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Bayerische Briefe. 87
Anzug, vielleicht doch etwas zum Lachen, durch, und lassen dann, wenns
thunlich ist, auf der Kanzel Ihres Litteratur Blatts einen kleinen Hochzeits¬
spruch über ihn machen.
Demnäclistens werde ich eine kleine Fussreise nach Lindau und an die
Schweitzer Grenze antreten. Ich möchte wohl über Stuttgart lenken, aber
auf solchen Zügen mag ich nicht gern Königs Residenzen berühren. Für
solche Fractur hat mein kleines Wanderbüchlein keinen Raum. — Sollt es,
ungeachtet der neuen Konstitution 70 ), bei Ihnen uoch Blinde und Lahme
geben, so schicken Sie solche nach Würzburg und Bamberg, wo ein junger
geistlicher Prinz, Schillingsfürst, sie mit Erlaubniss der Obern kurirt. 71 )
Es gehört nur ein Glauben dazu, und wenn ein Blinder glaubt, dass er sähe,
wie das täglich geschieht, so ist sich über ein solches Wunder gar nicht zu
verwundern. Blieb es nur dabei — aber leider geschehen heut zu Tag ganz
andere wunderlichere Wunder, hörende Leute werden taub, sehende blind, aus
blosem Eigennutz, der teuflische Versucher bietet keine Länder mehr an,
sondern will selber noch mehr haben, die heiligen 3 Könige kommen nicht,
utn das Kindlein anzubeten, sondern wollen selber angebetet seyu, dem Herodes
Gesetze vorschreiben und den Pontius Pilatus zum Censor und Com-
missarius machen; auch werden die unschuldigen Kindlein nicht mehr um¬
gebracht, sondern stechen selber die vSchriftgelehrten und Pharisäer todt.
Was halten Sie denn von den Griechen. 72 ) Ich leider nicht viel. Ein
Erzbischof von Athen, ein Kloster auf dem Olymp, eine Maut Station
bei Thermopylae — ein Mazedonischer Geheimer Rath, — ein Jonischer
Lord und ein Syrakusaniseher K. K. Oestreichischer Kammerherr --- ist
denn das Griechisch? — oder nicht vielmehr der Einband eines alten
Griechischen Buchs für einen Eulenspiegel. Vielleicht empfehl ich mich damit
bey Ihnen — bei Aspasia Louischen ev. sehr übel. Auf diesen Fall will
ich Abbitte thun und Strafe leiden. Immer
Ihr alter Freund und Verehrer
Lan g.
Ansbach 1. Juli 1826.
Verehrteste Frau,
Wir sind ja w r ohl zwei Sternlein am Himmel, die man nur die kurze
Zeit neben eiuander stehen sieht, so oft eine neue Hammelburger Reise
erscheint, davon Sie hier eine Spezies in natura sehen. Wie ich an dieser
Himmelskugel heisse, ob grosser oder kleiner Hund, oder Schlange, weiss ich
nicht; ich werde aber in wenig Wochen eine neue Irrbahn durchlaufen nach
Würzburg, Aschaffenburg, Frankfurt, Kassel, Göttingen, zu diesen alten Pro¬
fessoren, die Sie so wenig lieben, und dann gar nach Hannover. — Sollten
auch die climatischen Puncte aber nicht sehr lokend seyn, so thu ichs doch
wegen des gelehrten Wallfisch-Fangs.
Mathison 73 ) hat mich auf einem Lauf, im Vorbeifahreu besucht —
und viel von Ihnen gesprochen, von Ihren Leiden und Freuden.
Es ist uns die Ankunft des Königs, mit Befehl die höchsten Anstalten,
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Ludwig Geiger
iedoch ohne Kosten der Staatskassen zu treffen, kund gethan — aber nicht
wo ? Dazu werden iezt provisorisch in allen und jeden Orten Lichter bestellt,
die Uniformen ausgeklopft und Triumphsbogen in Vorrath gezimmert. Ich
hatte mir vorgestellt, damit solls einmal ein Ende seyu, aber von dem was
ich mir vorstelle, vermuthlich weil es nie das gescheuteste ist, geschieht immer-
das Gegentheil. —
Mir kommts vor, dieses Gepauk, Geschell, Illuminir- und Deklamir
Wesen widersagt ganz dem deutschen Gemüth und Geist, dem das Reisen
eines Joseph II. eines Friedrichs weit anders zugesagt.
Sollten Sie iedoch auch zu denen gehören, die nicht meines Geschmaks
sind; so kommen Sie gleichwohl unverzagt; es soll gerührt werden, was zu
rühren ist
Seine Heiligkeit in Rom haben den Bainberger Katechismus, nach dem
schon seit 14 Jahren gelehrt wird, unter die verbotenen Bücher gesezt —
daraus schliess ich, dass Allerhöchst dieselben im Begriff sind, lutherisch zu
werden, und mit Seiner Königl. Majest. in Preussen die berühmte Lesung
der symbolischen Bücher zu wiederholen.
Der gute Schäzler 74 ) hat einmal ein schlechtes Geschäft gemacht,
dass er gestorben ist. Hätte doch Eine der Anzeigen seines Todes den
Schmerzensschrey unterdrükt, dass er ohne Orden verstorben.!! — Ein
solcher Aberglauben au diese Art Staats-Amulette hätte ich ausser Israel nicht
gesucht. —
Aber was war das für ein gelehrter Schnupfen in München? — Yelin.
— Spix — Reichenbach — Frauenhofer — Weiler 76 ) — Wenn ich
noch in München wär, bät ich mir eine akademische Kontumaz Anstalt aus. —
Gott erhalte Sie — und wenns ihm nicht zu sehr aus dem Weg liegt,
auch mich. Ihren alten Freund und Verehrer
Lang.
Ansbach 14. April 1827.
Verehrteste Freundin und Frau.
Dank sey es dem Brief schreiben der alten Frau Herzogin von Orleans,
durch welches ich zu einem Brieflein von Ihnen gekommen: Schade nur, dass
ich wenig Erspriesliches für Ihren Clienten in Paris erwiedern kann. Die
Briefe der alten Frau Herzogin 76 ) sind mir freilich schon seit langer Zeit in
deutscher Sprache bekannt, und wahrscheinlich hat ihr derber Ton und
Inhalt den erstaunten Franzosen Verdacht erregt, ob so etwas aus der Feder
einer Fürstlichen Frau hätte fliessen können, und nicht vielmehr ein anti-
bourbonischer Spuk der Liberalen sey? In München hab ich aber von
Originalien derselben oder ähnlicher Briefe keine Spur gefunden. In München
selbst könnten sie nicht wohl seyn, weil eine Erbschaft dieser Prinzessin, so-
ferne eine hätte stattfinden können, nicht an die Bairische Linie in
München, sondern an die Pfälzische in Heidelberg oder Manheim hätte
fallen müssen. Das Archiv der Pfälzischen Linie in Neuburg, dessen Reper¬
torium ich ehtnals genau durchgangen, gaben mir darüber gleichfalls keinen
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Bayerische Briefe. 89
Wink; wie es denn überhaupt in der Natur der Sache liegt, dass Original
Briefe nicht da, woher sie gekommen, sondern wohin sie gegangen, zu suchen
sind. Das Reichs Archiv, dafür setze ich meinen Kopf zum Pfand, enthält
davon nichts, gewiss Nichts. Sollte Ihr Freund demohnerachtet an einer
glücklichen Durchfahrt in den Münchner Eisbergen nicht verzweifeln, so
müsste er allenfalls seine Richtung an das Staatsarchiv, (ist wieder verschieden
vom Reichsarchiv) unter Herrn Ministerial Rath v. Fink 77 ) nehmen, der jedoch,
wie ich fürchte, wenig Interesse für diese Art Forschung beweisen wird; und
dann stünde noch sehr dahin, ob der König eine solche Mittheilung an einen
Franzosen erlauben wird? Im alleräussersten Fall könnte sich etwa auch an
Herrn Consistorial Rath Heintze 78 ) in München gewendet werden, einen Mann
der „von unnen heruf“ izt nach oben heruf versetzt worden ist, ein gewaltger
Liebhaber aller Geschichts Raritäten von unnen heruf, der vielleicht noch ein
und anderes anzugeben im Stand seyn könnte.
Ihr Herr Cotta wäre mein Mann nicht — der kommt mir vor wie
ein geadelter Jud. — Es ist mir interessant zu wissen, dass Ihr Herr Sohn
die Geschichte studiert. Der Baum blüht nur gewöhnlich etwas spät, wenn
man der Geschichte genug an sich selbst erfahren, die poetischen Hoffnungen
und den eiteln Glauben an die Menschheit auf gegeben und den jammervollen
Blick in die leere schwarze Tiefe gethan hat; wo man hernach die Wahl hat,
in Companie des Teufels lieber noch darüber zu lachen als zu weinen.
Ich lasse eben auf meinen Feldern einen hohen Thurm, oder vielmehr
eine hölzerne hohe Warte, unten mit einem Häuschen bauen, um nicht wie
Diogenes die Menschen mit der Laterne, sondern ä la Grui thuy sseu 79 )
mit dem Gukrohr zu suchen. Das verdiente doch von Ihnen in Augenschein
genommen zu werden und sich mit mir zu freuen, wie ich die Sachen immer
höher treibe. Eja! Thun Sie das.
Also haben Sie doch das Renn- und Elendthier, das bei Ihnen in
Augsburg angekommen ist, auch schon gesehen? Es hat grosse Lust nach
den Augsburger Zürbelniissen bezeigt: ist im Grund ein dummes Thier, stosst
aber gern. Das Weibleiu ist unschädlicher, aber kränklicht und einfältig.
Haben Sie kein Eintritts Billet in die Menagerie erhalten, so kümmern Sie
sich dessen nicht viel. Wie mag man solche Thiere füttern, und sich dann
gar einbilden, dass man damit audern edeln Rossen, oder selbst auch nur
Maulthiere, versehen? könne? —
Leben Sie wohl, verehrteste Frau, und geniessen das bischen Leben,
das uns noch übrig ist, und daran wir wenigstens die schulgerechten 5. Auf¬
züge vollendet haben, nun in lustiger Anschauung der als Nachspiel darinn
gegebenen Hanswurstiaden. Haben wir uns dann genug ergözt, so bietet
Ihnen zum Heimgehn den Arm
Ihr alter Freund und Verehrer
Lang.
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90
Ludwig Geiger
Ansbach 28. Juli 1828.
Verehrteste Frau.
Wo Sie izt auch wandeln mögen, vielleicht in Baireuth, Stuttgardt u. s. w,
mein kleines klaffendes und bissiges Hammelburger Hundlein, nun bereits
das neunte Nesthökchen, soll Sie aufsuchen und mit den Pfötchen an Ihrer
Thur kratzen.
Wie leben Sie denn, verehrteste Frau, und haben Sie denn noch einen
Antheil, und welchen, an dem Morgenblatt? Fast hätt ich Sie im vorigen
Winter aufgesucht, da ich etliche Monate als aufgebotener Hof Publizist gegen
Baden in der Residenz, Gott weis, wie ungern, verweilen musste, wenn mir
nicht die Rüge und Gegenwart des Tropfen, des Drechsels, angeekelt
hätte. Nun sind Sie dieses Pinsels und heimtückischen Kerls, und Pseudo-
Liberalen, Gott sey dafür, los. Am Wallerstein haben Sie einen wahrhaft
genialen vielseitig gebildeten, schönen, stattlichen Mann, für eins, einen ganz
zerfezten Haushälter, Schmeichler, Plauderer, und lauernden Stachelmann auf
der andern Seite. Seine Frau, ohne schöne Bildung, ist brav, verständig klug-
gewandt in ihrer Lage, und möchte die Haushaltung wahren. Sehen Sie, das
ist der Sohn meines ehemaligen Landesherrn, damit Sie doch an uns die guten,
die ehrlichen Schwaben erkennen lernen.
Ich hab unterdessen auf meinem Wasen eine Menge neuer Maulwurf -
hiigel aufgepflanzt — ein neues Wirthshaus mit einem amphitheatralischen
Keller, einen hohen Thurm; nun solls an einen Bauernhof gehen, — und
dann? — und dann? — Dann wollen wir uns ein schönes Grab ausliölen
unter einem Nussbaum.
Mad. Liebeski 11 d auf der Reise nach Wiesbaden soll das Unglück
gehabt haben, durch einen Wagensturz das Bein zu brechen und liegt izt in
Darmstadt, hinter der Bairischen Zoll Linie. Soll einem da nicht die Lust
zum Reisen vergehen? Ich hab die Exemplarien in meiner Narrensammlung
beisammen und fühle seither wenig Lust mehr dazu.
Hätten aber Sie Lust, mich mit Ihrem Microscop noch etwas näher
zu beschauen, so thäten Sie wohl, sich wieder einmal hieher zu begeben,
ich meine nicht vorbeizufahren; in meinem Garten bin ich izt täglich
zu fangen.
Auf alle Fälle freut es mich, nachdem ich Sie mit einem Schriftlein
begrüsst, dass Sie mir doch auch wieder einen kleinen Donner entgegen
schicken müssen. Ich will fleissig lauschen und zählen, wie viel? —
Haben Sie denn auch noch Leute bei sich, an die man einen Gruss
mit beipaketi kann? Zur Vorsorge und auf Risico leg ich eine Parthie hier bei.
Da aber meine Wünsche nirgend eintreffen, vom Tajo an, bis ans
schwarze Meer (was diesen Punkt betrifft, so bin ich aus Osmanien, weil für
diese nicht gesammelt wird, ein Türk); so will ich mich wohl für alle Wünschen
hüten, die hernach gerade nicht eintreffen würden.
Wie man aber einen Brief ohne Wünsche enden kann, das sag mir einer!
Geben wir Uns also schweigend die Hand, wir verstehen uns doch!
Laug.
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Bayerische Briefe.
9 *
Anhang I.
Als Anhang zu oben (S. 70 ff.) mag folgender Brief Hch. Zschokkes an
Lang folgen, den ich der Güte des Herrn Oberstleutnant Honig in München
verdanke. Bei der Gelegenheit sei erwähnt, dass ich mir viele, aber bisher
stets vergebliche Mühe gegeben habe, den Verbleib des Lang sehen Nach¬
lasses, der ehemals im Künze Ischen Besitze gewesen ist, festzustellen. Et¬
waige Mitteilungen, die mich auf die richtige Spur leiten und mir die Be¬
nutzung oder den Erwerb dieser Papiere ermöglichen, würde ich mit grossem
Dank entgegennehmen. Der Brief bezieht sich auf das schon erwähnte Werk
L an gs, Geschichte der Jesuiten in Baiern, Nürnberg 1819, ein, wie Fz. Muncker
urteilt, stofflich wertvolles, parteilos und sachlich gehaltenes Buch. Der
Verfasser wollte nur durch den Stoff wirken und verzichtete auf Urteil und
kunstvolle Darstellung. Hch. Zschokke (1771 — 1848), der Romanschriftsteller,
Populartheologe, hatte um so mehr Veranlassung, sich über das Buch zu
äussern, als er selbst die antijesuitische Stellung Längs billigte und vor¬
nehmlich bayerische Geschichten 6 Bücher 1813—18 geschrieben und dadurch
den Zorn katholischer Theologen hervorgerufen hatte (Gödeke a. A. III, 671).
— Der in dem Briefe erwähnte Bücher, Ant. ist gest. 8. Jan. 1817. Nach
seinem Tode gab J. v. Kl es sing seine sämtlichen Werke (München 1819)
heraus, davon der erste Band: „Die Jesuiten in Bayern vor und nach ihrer
Aufhebung“ enthielt.
Zschokke an Herrn Ritter von Lang.
Aarau 29. Heuni. 1819.
Ihre Jesuiten kamen zu mir, mein hochachtungswürdiger Freund, als
ich im Begriff war, mit meinen beiden ältern Knaben eine Reise durch die
vaterländischen Alpen zu machen. Aber durchlesen ward das ganze Buch
noch vor dem Aufbruch. Die Erscheinung ward mir so imposant, dass sie
mich über die rhätischen Alpen bis zu den borromäischen Inseln und von
da über den verwitternden Gipfel des St Gotthard heim, begleiten musste.
Ich hatte beschlossen, Ihnen meinen Dank, meine Freude, meinen Beifall von
einer jener Alpenhöhen zu schreiben, aber nicht berechnet, dass müde Füsse
auch müden Kopf machen. — Bei der Heimkunft vorgestern fand ich nun
auch Ihr Probeheft des Conversationslexicous von Hammelburg, aus dem ich
in der That schon mehr als aus dem dickbändigen Leipziger Neues gelernt habe.
Sie sind von Natur, von Haus und Wiege aus, ein gediegener Oppo¬
sitionsmann, nicht wie einer aus der gemeinen Oppositionsmenge, zu der auch
ich nur gehöre, die sich aus Liebe zum gesunden Menschenverstand den be¬
kannten menschlichen Thorheiteu widersezt. Sondern Sie gehören zu der
kleinen Zahl der Führer, deren schärferer Blik mehr entdekt, als der unsrige
und selbst die vermeinten Lichtmäuner au die Flekkeu ihrer augebeteten
Sonne mahnt.
Ihre Geschichte giebt mir eine neue, grössere Ansicht des merkwürdigen
Ordens. Aus der Vegetation eines Zweiges haben Sie mir das Leben des
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Iyiulwig Geiger
Ganzen hell gemacht. Besonders Ihre Darstellung des ursprünglichen Zwecks,
wie Sie ihn, — kein andrer zuvor so bestimmt und überhaupt nicht — aus
den ersten Mitteln erkannten und mit den auffallendsten dictis probant. be¬
währten, wird die unvergänglichste Idee Ihres Werkes bleiben und in alle
künftige Geschichten des Ordens übergehen müssen.
Diejenigen welche von Ihrem Werke mehr Satyre, als Geschichte, er¬
warteten, wussten wohl nicht, worin Würde und Macht der Historie beruhe.
Das wird Sie nicht irren; so wenig als wenn binnen Jahr und Tag ein
furioser Anti-Dang erscheint, um Sie mit dem Mühlstein am Hals von
Passau nach Ulm schwimmen zu lassen, oder wenn Hormayr gegen Sie
österreichert. (Was er in der Wiener Litt. Zeit, gegen mich geschrieben, hab’
ich noch nicht gelesen, belehrend wird es aber in jedem Fall sein.)
Nur eins bitt’ ich Sie. Ihre Geschichte wird früher oder später, gewis
immer, eine neue Ausgabe erleben; — dann weniger Selbstverleugnung!
— Ihre Thatsaehen stehen fest und ruhig, wie Felsen da; das ist sicher.
Aber in der Mitte Ihres Werks stehn sie kalt und ohne alle Vegetation da, weil
Ihr Geist sie nicht anleuchtet. Und grade ein einziger Gedanke aus dem
Schatz Ihrer Weltkenntnis und Erfahrung ist mehr werth, als ein ganzes Re¬
gister von Zuwachs der jesuitischen kleinen Besitzungen mit allen Details.
Ich weiss wohl, unsre Kritiker machen es dem Geschichtschreiber zur schweren
Sünde, wenn er sich Reflexionen über das Geschehene erlaubt, und Sie scheinen
mir selbst viel zu viel Ehrfurcht für dies erschlichne Gesez zu haben, und daher
mit aller Verläugnung Ihres herrlichen Selbstes sich zu begnügen, die dürren
Thatsaehen an einander zu reihen. Das soll nicht sein. Eben Sie sollen es
nicht! Man führe uns nicht den marmorkalten Thucydides zum Vorbild
auf. Er wikkelte seine Gedanken nur in die Reden seiner Helden künstlich
ein. Und was gehn einen Geist wie den Ihrigen, Autoritäten an? Sie sind
selbstständig. Ihr Werk würde, weit über die Linie von Süddeutschland
hinaus zahlreichere Leser finden, d. i. noch mächtiger auf Lebende und
Künftige ein wirken. Und das ist doch jedes Schöpfers Zweck bei seinem Werk.
Ober Ihren Hammelburger Satyr sag ich Ihnen kein Wort als: Ich
habe gelacht und gelernt. Ich mögte wie der Kardinal zum Ariost sagen:
Wo, Teufels, nehmen Sie auch alle die Einfälle her? Ihr Reichstag mag sich
am Artikel „Hypotheken-Ordnung“ halten, ich muss mich an Nr. 5 des Artikels
„Lüge“ halten; wir haben allsamt daran genug zu kauen und zu verdauen.
Ihre Hammelburgiaden laufen in Aarau umher; ich habe noch die ersten Hefte
nicht wieder. Mit dem Conversationslexicon bereit ich meinen Freunden ein
neues Fest. Vergessen Sie nur nicht Ihre Verlieissung, die Sie gleich auf
der ersten Seite gegeben haben, der Welt die vom Reichstag verworfnen
Hammelburger Gravamina vorzulegen; ohne Zweifel haben die guten Leute
ein neues Kloster, wo nicht eine Abtei, — Confiscation aller Druckerpressen
— Repräsentation des Landes durch Prälaten und Ritter — stärkeres Militair
und mehr Garnison — ein Stück Leibeigenschaft aus der alten, guten Zeit —
Proscription der Geschichtsrevoluzer — Erlaubnis sich mit Haus und Hof,
Magd und Vieh dem heil. Ignatz oder Benedikt zu übergeben — u. dgl. m. verlangt-
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Bayerische Briefe.
93
Werden Sie nicht müde. Sie wiegen eine Akademie auf. War’ ich
Ihnen nur halb so werth und lieb, als Sie sind Ihrem
Zschokke.
Buchers Gesch. der Jesuiten hat mich weniger erbaut, als ich erwartete.
Hat Ihr obscurer Präsident neue Bolzen gegen Sie gedrechselt? Sie
können wahrlich dazu lachen, da Sie nun schon Mann der öffentlichen Meinung
geworden sind.
Anhang II.
Therese Huber an Ritter v. Lang.
Der Nachlass Längs ist mir, wie oben S. 91 erwähnt, nicht zu¬
gänglich gewesen. Doch kann ich noch ein anderes, jedenfalls aus diesem
Nachlasse stammendes Stück hier mitteileu, dessen Besitz ich der^Freundschaft
von K. E. Franzos verdanke. — Zum Verständnis des Briefes braucht nur
daran erinnert zu werden, dass Therese von Augsburg, wo sie seit 1824
lebte — in einer Art von Verbannung, die Cotta ihr bereitet hatte, vielleicht
mit der geheimen Absicht, sie vom „Morgenblatt“ zu entfernen, das sie bisher
geleitet hatte — und wo sie den Umgang mit ihrer zweiten Tochter Claire,
geb. Förster, seit 1805 verheiratet mit dem Forstmeister v. Greyerz genoss
mehrfach ihre dritte Tochter Luise v. Herder geb. Huber (vgl. oben S. 68) in
Bayreuth besuchte. Dort lebte bekanntlich auch Jean Paul, sodass seine Er¬
wähnung an dieser Stelle nahe lag, zumal er auch zu den Besuchern des Herder¬
schen Hauses gehörte. — Mit einem Worte sei noch daran erinnert, dass Lady
Craven, die manchen als Urbild der Lady Milford in „Kabale und Liebe“
gilt, ihre Memoiren englisch in 2 Bänden (London 1825) herausgegeben hatte;
sie erschienen in demselben Jahre zu Stuttgart in deutscher Uebersetzung. —
Bayreuth, 25. 7. 26.
Werther Herr, darin sind wir vor zwei Jahren übereingekommen, dass
Anspach nicht auf dem Weg von Augsburg nach Bayreuth liegt, und es also,
wenn ich hierher reiss ohne Sie zu besuchen nicht meine Schuld, sondern
mein Leidwesen ist. Nun bin ich aber seit fast zwei Monaten hier und habe
nicht nur hundert mal an Sie gedacht, sondern Ihnen immer schreiben wollen,
und habe Sie gelesen — prächtig! im Grünen, in der Eremitage, wo man
vollen Raum hatte zu lachen, und auf die Diskretion der Umstehenden,
d. h. der alten Linden und Birken, rechnen kann denn diese haben da an
ihrer Stelle schon von mancher Albernheit gehört, und rauschten gewiss
beim Anhören des Hammelburgers immer die Bemerkungen uns zu: So war’s
von je, so war’s von je! — Aber Glück wünsche ich Ihnen und uns wegen
der Frische Ihrer Laune, und der Herrschaft, die Sie über Ihren reichen
Witz haben, grade nur immer das Rechte, nur immer genug zu sagen. Es
las uns Jemand vor, der Jean Pauls Witz bewundert, und nun auch den
Hammelburger, und ich gestehe, ich musste ihn fragen: Sagt mir Herr, wie
könnt ihr das beides?
Meine Tochter Greyerz schreibt mir von Augsburg, es sei ein kleines
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Ludwig Geiger
Päckchen an mich angelangt, das scheine von Geh. Lang zu sein*) Da
denke ich nun es ist dieses letzte exellente Heft Hammelburg. Also bis ich
nach Hause komme sage ich nichts, aber dann, mein werther Herr, danke
ich, oder bettle, - — wir wollen sehen welches. Bis dahin danke ich aber
doch für den Genuss des Geistes den Sie mir gaben, und für jeden blauen
Fleck den Ihre Geissei etwa den right houuorabl mens anbringt.
Das war also die eine Beschäftigung mit Ihnen, werther Herr — die
andre aber betrifft eine Anklage auf Strang und Schwerd und eine Zumuthung
an Sie dass Sie sollen das Wehe schrein — nicht über Adelheide von
Weisslingen, aber eine ähnliche und noch schlimmer verrufene Weibsperson,
Hexe und Sünderin die Lady Craven auch Markgräfin von Anspach, wegen
ihrer impertinenten Mefmoirjen und über deren ehrvergessenen Rezensenten
in dem Ehrbaaren Litt. Bltt. des Wochnbltts., welches diese Mein, lobt und
diese Frau J>reisst. Sie kennen die Verhältnisse der sauberen Lady in
Anspach, was sie war und wirkte, und obschon wie ich glaube nicht mehr
Augenzeuge, müssten Ihnen eine Menge ihr persönliche Notizen Ihnen zu
Gebot stehen. — Nun wünschte ich vom ersten Moment, wo ich dieses Mem.
Geschmier las, Sie möchten Ihre Geissei über dieselben schwingen; aber seit
ich jene Rezension las, wünsche ichs noch viel mehr und bitte Sie gewaltig
sehr: schenken Sie dem Gegenstand eine Stunde, und züchtigen Sie das
Weib, den Rezensenten und das schaafzahme Publ. das solches Futter frisst!
Brock haus leckt alle zehn Finger für so einen Aufsatz! Und das ist so
hübsch, dass man ä propos der Materie links und rechts hauen kann, und
immer trifft. — Nun bester Geheimrat, thun Sie das! hätte ich Notizen so
würde ich etwas sehr mittelmässiges sagen — Sie haben jedes Mittel, und
können etwas Vortreffliches, heilsames sagen — bitte! bitte!
Mitte Augusts bin ich wieder zu Hause. Ich wollte ich könnte über
Anspach gehen — aber unser eins muss immer den kürzesten Weg machen.
Ich fragte vielerlei Leute nach Ihnen, und hörte zu meiner herzlichen Freude
dass Sie wohl sind. Luise griisst sie noch wie vor 12 Jahren, herzlich und
voll Achtung! Luise ist ein engelliebes, verdienstvolles Weib. Leben Sie
wohl! Unverändert und mit lebhafter Verehrung
Therese Huber.
*) Wohl in Begleitung des oben (S. 87) abgedruckten Briefes vom 1. Juli 1826.
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Quellennachweise,
i ) VgL über ihn Muncker, Allg. D. Biogr. XVII., 606—613, und einen sehr scharfen
den „Memoiren“ gewidmeten Artikel Heigels, einen Vortrag, der aus der Allgemeinen
Zeitung 14/15. Mai 1S78 in Heigels Buch „Aus drei Jahrhunderten, Vorträge aus der neue¬
sten deutschen Geschichte“, Wien 1881, S. 214—233, übergegangen ist. — Ich bin Herrn
Professor Dr. von Heigel für die Übersendung seines Buches zu bestem Danke ver¬
pflichtet. Seitdem habe ich es selbst erworben. — Über Therese Huber (1764—1829)
s. u. a. Forschungen V, 15.
2) Bei Meusel finde ich unter Tangs Schriften (oder Editionen) nur folgende
lateinische verzeichnet: R. P. Jacobi Marelli, L. I. amores. München 1875. Auch
die k. b. Hof- u. Staatsbibliothek zu München weist ausser den Regesta sive rerum boi-
carum autographa (Mch. 1822 ff.) nichts auf.
3) Abraham Gotthelf Kästner (1719— 1800. A. D. B. XV, 439), der bekannte
Mathematiker und Dichter in Göttingen, den als Kollegen ihres Vaters Th. schon als
ihren Lehrer bezeichnen konnte.
4) Der bekannte Nekrologist (1765—1822), einer der 1807 nach München berufenen
Norddeutschen, der aber bis zu seinem Tode in der bayerischen Hauptstadt lebte, in hoch¬
angesehener Stellung und in vielfältiger Beschäftigung (Forschungen V, 34. A. 27).
5) So steht im Text. Gemeint ist aber wohl, dann müsste Th. spottweise den
Namen verwandelt haben, H. K. A. B. H an lein, gest. 16. März 1829, seit 1808 Ober¬
schulrat zu München.
6) Bayard Joseph du Terraill, Direktor des Generalkommissariats des
Rezatkreises.
7) Die „Allem an ia.“ Für Recht und Wahrheit (geleitet von J. Clir. A. M. v.
Aretin (vgl. Forschungen V, 31. A. 7) und Hörmann) erschien neunzehn Monate lang
in 40 Heften oder 7 Bänden (I—V, 1815; V—VII. 1816) und schloss am 15. Aug. 1816
mit der Ankündigung einer neuen Allemania, die „weniger polemisirend als vermittelnd
seyn“ sollte, ob sie auch „politische Verkezerungen und Autodafe’s“ nicht beirren würden.
Die „Neue Allemania“ begann im September 1816 und brachte es auf einen Band
von 304 Seiten und ein Heft zum zweiten Band (112 S.), um im Dezember 1816 zu schliessen.
Die Zeitschrift, welche eine stattliche Reihe historisch politischer Aufsätze brachte, wurde
in ihrer ersten Gestalt zu München im Komptoir der Nationalzeitung, die „Neue
Allemania“ in Sulzbach bei Seydel verkauft. Die Schrift „Die Familie Aretin“ (Alten¬
burg 1825) sagt (S. 48 No. 38) von der Allemania: „Die meisten Aufsätze in dieser Zeit¬
schrift sind von seiner (Aretins) Feder. Der Zweck derselben war, dem damals zur Mode
gewordenen Schimpfen gegen Baieni (im rheinischen Mercur, deutschen Blättern etc.),
sowie den von Arndt und anderen verkündeten Grundsätzen über Teutschheit u. d. m.
Schranken zu setzen.
8) Günzburg, die oben S. 68*) genannte bayerische Stadt (Schwaben), in der
Therese seit 1805 mit ihrem Schwiegersohn von Greyerz und dessen Kamilie lebte
(Forschungen V, 15).
9) Keller gehörte zu Th eres e n s Freundeskreis. Sie hoffte, dass er auf seiner
Romreise die Möglichkeit der Scheidung Louisens (diese war, wie ihr Vater, katholisch)
durchsetzen werde. Weder, wie es scheint, Georg Viktor K., noch Joh. Bapt K. (A. D. B.
18, 579 » 582), beide hervorragende katholische Theologen jener Zeit.
10) Napoleon kam am 16. Okt. 1815 nach St. Helena, erst am 15. Juli hatte er
sich auf das Schiff Bellerophon begeben, wo er den Befehl der Mächte erhielt, nach
jener Insel zu gehen.
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Ludwig Geiger
n) Wiebeking Karl Friedr. von, geb. 1762 in Pommern, gest. 1842 in München,
wohin er (1805) von Wien gerufen wurde (Poggendorff, Biogr. litt. Handwörterbuch
zur Geschichte der exakten Wissenschaften 1863 II, 1316), noch 1819 kgl. geh. Rat, Aka¬
demiker, Konservator am polytechnischen Kabinett; er war ein überaus thätiger Schrift¬
steller auf dem Gebiete des Staats-Wasser- und Strassenbaus. Auch die Allemania (s.
A. 7) beschäftigt sich (VII, 66 ff.) eingehend mit seinen Arbeiten.
12) Frau Dorothea Margaretha von Liebeskind (vgl. oben S. 74) gehört
zu den Intimen Theresens. Sie selbst eine Tochter des Göttinger Professors Wede-
kind, geb. 22. Febr. 1765, also wenige Monate jünger als Therese, (gest.?) zuerst mit dem
Musikdirektor Forkel verheiratet, von diesem, der bis 1818 lebte, getrennt, seit 1794 mit
I. H. Liebeskind in Königsberg, dann in Ansbach, seit 1808 in München, verheiratet,
einem hervorragenden Juristen und Verwaltungsbeamten. Früher war sie in die Mainzer
Revolutionsaffäre verwickelt gewesen (sie lebte dort wohl bei ihrem Bruder vgl. A. D. B.
42, 396 f.) Goedeke V, 475 zitiert nur eine Erzählung von ihr aus dem J. 1784. Sie war
auch mit Caroline befreundet, vgl. bei Waitz, Caroline II, 262 ff., sehr merkwürdige Briefe Cs.
13) Adelsbuch des Königreichs Bayern. München 1815. — Über dies Buch, die
Zscliokkesche Geschichte und einzelne andere Arbeiten, speziell den Plan Längs zu
seinen Memoiren berichtete Lang in 3 merkwürdigen Briefen an Woltmann (1815—17), die
dessen Gattin Karoline in den deutschen Briefen 1834 veröffentlichte.
14) Schlichtegroll, vgl. oben S. 95 A. 3, hatte 1791 den Nekrolog der Deutschen
begonnen; Brockhaus liess seit 1816, gewiss unter der Redaktion von Koetlie, die „Zeit¬
genossen“ erscheinen, zu denen ihm Schlichtegrolls Werk teilweise den Anlass gegeben
hatte. Der Hauptunterschied war, dass in den Zeitgenossen auch Lebende selbst zu Wort
kamen, oder von anderen geschildert wurden. Das Werk erschien bis 1841 und brachte
manche bedeutsame, Aufsehen erregende Artikel. Dass Schl, über das Erscheinen des
neuen Unternehmens ärgerlich war, ist wenig wahrscheinlich, da er schon 1806 das seinige
aufgegeben hatte. Vgl. Ed, Brock haus, F. A. Brockhaus, Lpz. 1876 II. S. 202 f.
15) Göttingen war Lang wert wegen seines Aufenthalts das. 1792, wo sich die
Beziehung mit Hardenberg aufthat und dadurch die günstige Wendung seines Schick¬
sals ein trat.
16) Richtig: Böttiger. Gemeint ist K. A. B. (Forschungen V. 2) der Archäologe
und Journalist. Er stand mit Therese seit 1805 bis zu ihrem Tode 1829 in sehr intimem
Briefwechsel. Von den Briefen Theresens sind einzelne aus dem Jahre 1812 über ihre
Jugend und ihre Familien Verhältnisse in dem Aufsatze „Aus Therese Hubers Herzensleben“
(Westermanns Monatshefte 1897) benutzt; die übrigen, litterarisch und menschlich sehr
interessant, sollen in grösserem Zusammenhang verwertet werden. — Die Charakteristik
Bs. ist einseitig, zeichnet aber die eine schwache Seite seines Charakters sehr gut. —
Ganz lustig ist auch die Stelle Längs in den „Hammelburger Reisen“ (Neudruck S. 25)
über B., „Die Dienstfertigkeit und Emsigkeit des wackeren Hofraths geht über alle Be¬
griffe und man sieht ihm ordentlich au, wie leid es ihm thue, dass seine Statuen zu ihrer
übrigen Schönheit nicht auch noch lebendig seien, damit er dieser vornehmen Gesellschaft
auch mündlich seine Verehrung versichern und gelegentlich mit einer oder der andern
eine Sommerreise in die Heimat machen könnte.“
j7) Heeren, ebenso wie der unten genannte Reuss ein Schwager T h e resens
doch stand, ihr Frau Heeren unendlich viel näher als die andere Schwester. H. A. L. H.,
auch Biograph seines Schwiegervaters Heyne, als Historiker, Schriftsteller und Lehrer,
zu seiner Zeit hochberühmt (1760—1842). Seit 1779 lebte er in Göttingen, wurde 1784
Dozent, 1787 ausserordentlicher, 1794 ordentlicher Professor ohne bestimmtes Fach, 1801
Lehrer der Geschichte. Seine Stellung in G. war, namentlich nach dem Tode seines
Schwiegervaters, ausserordentlich einflussreich.
18) Gustav Hugo, geb. 1764, berühmter Jurist, Stifter der sog. historischen
Rechtsschule, studierte in Göttingen 1782—85, wo er durch Spittler bes. angeregt und
gefesselt, seit 1788 ausserordentl., seit 1792 ordentl. Prof, der Rechte, gest. 1844. Auch er
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Bayerische Briefe. 97
gehörte* fast seine ganze Lebenszeit Göttingen an. Er war weniger als Schriftsteller (fast
nur Kompendien seiner Vorlesungen, die freilich mit der Zeit sehr ausführlich wurden,
sind von ihm erschienen) denn als Forscher und Lehrer thätig. Für Göttingen war er Jahr¬
zehnte lang eine Hauptstütze und grosse Zierde.
19) Gottl. Jak. Planck, protestantischer Theologe und Kirchenhistoriker (1751 bis
1833). Auch er gehörte den grössten Teil seines Lebens, von 1784, Göttingen an, zuerst
als dritter Ordinarius, seit 1796 als Primarius und entwickelte dort eine ungemein geschätzte
Thätigkeit. Von seinen grösseren wissenschaftlichen Werken wurden die „Geschichte des
protestantischen Lehrbegriffs“ und die „Geschichte der Kirchen Verfassung“ besonders berühmt.
20) Über die damaligen Studentenverhältnisse in Göttingen, bes. die Unruhen (1818),
die gerade durch dieses Vorwiegen des militärischen Elements mit veranlasst wurden, vgl.
Elvers, V. A. Huber (unten A. 22) I, 125 f.
21) G. Arm. Heise, 1778-1851, verdient Längs Charakteristik höchstens dadurch,
dass er wenig und in der zweiten Göttinger Zeit gar nichts schrieb. Sein Ruf als Lehrer
war ausserordentlich. Nachdem er schon 1803—5 in Göttingen gelehrt hatte, wurde er
1814 wiederum dorthin berufen, blieb aber, des unwissenschaftlichen Charakters der Stu¬
dierenden wegen, nur bis 1818, seit 1820 w r ar er in hervorragendster richterlicher Stellung
thätig. — Ein kleiner Spott gegen Heise auch in der Hammelb. Reise (Neudr.) S. 32.
22) Victor Aime Huber, 1800—1869, Sohn Theresens, seit 1816 Stud. der
Medizin in Göttin gen.
23) Jer. Dav. Reuss, vgl. A. 17, 1750—1837, Philologe, seit 1782 bez. 1785 Prof,
der Gelehrtengeschichte in Göttingen, seit 1815 Oberbibliothekar, an geistiger Bedeutung
mit der keines der Genannten irgendwie zu vergleichen. (Allg. D. Biogr. XIII, 249)
24) Gemeint ist ebenso wie unten das „Morgenblatt für gebildete Leser“, dessen
Redakteurin Therese seit 1816 war. Ob dieser Beitrag — was gemeint ist, ist nicht
klar — ins M.-Bl. aufgenommen ist, konnte ich nicht feststellen.
25) Sicher wurde, wie aus dem Anfang des nächsten Briefes hervorgeht, dieses
Stück nicht in das M.-Bl. aufgenommen. Es handelt sich um die s. g. „Hannnelburger
Reise“, die stückweise in „9 Fahrten“ 1817 und 1818 erschienen, die erste u. d. T. „Merk¬
würdige Reise durch Erlangen, Dresden, Cassel und Fulda nach Hammelburg“. Neudruck,
München o. J. [1882], die Stelle über Bajazeth das. S. 16, Tlieses in Coburg S. 17 f.
26) Vgl. Anmerkung 25.
27) Der ganze Brief, der im einzelnen nicht kommentiert werden kann, bezieht sich
auf die neue bayerische Verfassung vom 25. Mai 1818. Die beiden Punkte, auf die Lang
besonders eingeht, geistliche und Adelsverhältnisse, waren durch das Konkordat vom
5. Juni 1817, das im Anschluss an die Verfassung publiziert wurde, und durch ein Adels¬
edikt geregelt. Der neueste Historiker (Stern, Geschichte Europas I, 379 ff.) bemerkt,
dass unter dem Eindruck der Verf. der Tadel schwieg. In welchem „Merkur“ wurden
Längs Bemerkungen niedergelegt? Der „teutsche“ und „neue teutsche“ waren längst zu
gründe gegangen, aber auch Görres’ „rheinischer“ hatte am 10. Jan. 1816 zu erscheinen
aufgehört. Die Versuche Mongelas’, die Zeitschrift in Bayern wieder zu beleben (Galland,
Görres S. 205) hätten ihn gerade zur Aufnahme solcher verfassungsfeindlicher Äusserungen
nicht geeignet gemacht.
28) Frau Zenker wohl die Frau des Ministers; J. K. S. Kiefhaber, 1762—1837,
seit 1812 Adjunkt am Reichsarchiv in München, 1818 wirklicher Rat Er war Historiker,
als Schriftsteller vielfach thätig, 1826 Honorarprofessor der hist. Hilfswissenschaften und
der Diplomatik an der Münchener Universität.
29) Gemeint ist W. A. Frhr. v. Kreittmayr, 1705—1790, der Begründer einer
neuen bayerischen Gesetzgebung, der Verfasser des Strafkodex, der Gerichtsordnung, des
Landrechts, die 1751, 53, 56 publiziert wurden. Gemeint sind in der Hammelburger
Reise die Stellen (neue Ausg.) S. 162 f.
30) Offenbar J. A. Graf von Törring 1753—1826; 1807 Staatsminister und Prä¬
sident des Staatsrats. Die ihm gewidmeten biogr. Artikel beschäftigen sich mehr mit den
dichterischen Arbeiten seiner Jugendzeit, als den politischen Schriften seines Alters.
Bayer. Forschungen, VII. 2. 7
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Ludwig Geiger
31) Ein zu München gegen Ludwig U h la n d s „Ludwig der Bayer“ u. a.
preisgekröntes Stück, das 1819 bei J. J. Lentner in München (Heimeran. Ein Trauer¬
spiel in 5 Aufzügen. 191 S.) erschien. Dem Stücke ist „Das Heiligthum, ein Vorspiel,
verfertigt für die Eröffnung des neuen Theaters in München am Nahraenstag Sr. Majestät
des Königs“ (12. Oktober) beigedruckt (26 S.\ das mit der Tragödie in keinem Zusammen¬
hang steht. Der Verfasser Dr. Andreas Erhard (geh. 1790 zu Botzen, gest 1846 zu
München, vgl. Allg. D. Biogr. VI, 196; Prantl, Gesch. der Univ. II, 534) war übrigens
kein Priester. Er hatte das Klerikalseminar verlassen, Philologie studiert und war seit
1837 Professor der Moralphilosophie an der Universität München. Einige Stellen seiner
Vorrede (An meine Freunde z. B. VII) gedenken wohl seiner früheren theologischen
Studien. Kehrein (Biogr. litt. Lexikon I, 90) tadelt mit Recht am „Heimeran“ die ge¬
häuften und gedehnten Monologe. (Vgl. auch Goedeke, Grundriss III, 866. No. 51 1.)
Aus dem Jahre 1831 stammt eine weitere Tragödie Erhards „Wallace“ (Stuttg.).
32) Bei der grossen Verbreitung des Namens Späth in Bayern kämen mehrere
Persönlichkeiten (wie z. B. der Hofpriester Balthasar Sp„ Mai 1818) in betracht. Wenn
es der vielseitig thätige b. Hofrat Johann Leonhard Sp. (1759 — 1842 Poggendorff,
Biogr. litter. Handwörterbuch zur Gesch. d. exakt. Wissensch. 1863. II, 966; Prantl,
Univ.-Gesch. II, 533) war, der seit der Aufhebung der Universität Altdorf (1809) in
München am Lyzeum und seit 1826 an der Universität wirkte, so ist es überraschend,
dass seine gesprächige Selbstbiographie (kurze Darstellung des sechzigjährigen Wirkens
des k. b. Hofrats J. L. Sp., München, bei Georg Franz 1838. 27 S.) nicht erwähnt, dass
er auch als Preisrichter bei der Hoftheaterintendanz tliätig war.
33) Seb. Günthner, 1773 — 1820, Priester, bayr. Historiker, Verf. eines Werkes:
Was hat Bayern für Wissenschaft und Kunst getlian. Er war wiederholt gegen Längs
Bekämpfung der Mon. boica aufgetreten.
34) Lor. v. Westenrieder, 1748-1829, Verf. der Gesch. d. bayer. Akademie.
35) W\ war auch der Biograph Zirngibls, 1740—1816, eines kath. Geistlichen
und bayerischen Historikers, der 1814 mit Lang zusammen eine geschichtliche Unter¬
suchung veröffentlicht hatte.
36) Balde, bekannter Jesuit (1603—1668), deutscher, namentlich lateinischer Dichter,
dessen Dichtungen durch H erders Verdeutschungen bekannt und vielfach eingeführt wurden.
37) Welcher? Die verschiedenen bei Goedeke II, III (n. Ausg.J auch in der A. D. B.
genannten Dichter dieses Namens können nicht gemeint sein.
38) Nürnberg 1819. Vgl. oben Anhang I.
39) Plinius schreibt einmal an Tacitus, dass er apros tres et quidem pulcher-
rimos gefangen habe.
40) B. M. L. v. Werkmeister, 1745—1823, katholischer Theologe, in Württemberg
in hoher Stellung und grossen Ehren, für Aufklärung epochemachend thätig, gerade
damals (seit 1816) für neue Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche bemüht.
41) D rech sei, Karl Jos. Graf von, Präsident des Rezatkreises (Ansbach).
42) Hammelburger Conversations-Lexikon. Ankündigung und erstes Probeheft
Hammelburg bei Elias Springer 1819.
43) Frz. Horn, Umriss zur Geschichte und Kritik der schönen Literatur Deutsch¬
lands während der Jahre 1790—1818, Berlin 1819. Die Stelle über Therese Huber findet
sich das., drittes Buch, I. 89/90, S. 238—240. Der 2. Paragraph handelt über Th. als Re¬
dakteurin des Morgenblattes. Die Hauptsätze des ersten, in denen auch die von Lang
angeführten Worte Vorkommen, lauten:
„Was sie und ihn auszeichnete, ist eine gewisse innere Wohlhabenheit, Liebe und
Kenntniss der Menschen und ihrer Verhältnisse, und jene Phantasie, die durch ein bedeut¬
sames Leben erworben wird. Was wir beklagen, ist der nur zu starke Anhauch von
französischer Bildung, die nun einmal der starken und tiefen deutschen Natur nicht zusagt,
und die deshalb bei ihr und ihrem Gatten nur wie ein erworbenes Gewand erscheint, das,
so heiter und leicht sie es auch tragen, dennoch die Mühe des Erwerbens nicht belohnt.
Wenn Therese Huber die vielerfahrene, liebevolle, fromme deutsche Frau mit köstlich
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Bayerische Briefe.
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geselligem und charakterisierendem Talent, als solche redet, der französischen Bildung
ganz vergessend, nur dann kann sie eines sehr erfreulichen Eindrucks stets gewiss sein,
und gern setzen wir hinzu, dass in dem, w’as sie bisher geleistet, manches dieser Art zu
finden sei.“
44) Die Hammelburger Reise erschien in einzelnen Fahrten. Nach Goedekes
Verzeichnis gehören die ersten 3 den Jahren 1817/18 an, die 4. erst dem J. 1821, sodass
unserem Jahre nur die schon im vorigen Brief erwähnte Probe des Conv.-J.ex. entstammt.
45) Ein neues Blatt unternahm Cotta wohl damals nicht (oder doch die .,Annaleu“?).
Vermutlich hatte der unternehmende (wenn auch politisch vorsichtige) Buchhändler, ge¬
lockt durch den zunehmenden Ruf des politischen Satirikers, ihn für seine vielfachen
alten journalistischen Unternehmungen zu gewinnen gesucht
46) Gemeint ist jedenfalls der vielseitige Philosoph und Staatsmann G. B. Bilfinger,
1693—1750, der auch als Philosoph verbreitete Werke geschrieben hat; ein bestimmtes
Buch über Logik finde ich nicht erwähnt, ausser der doch nicht von ihm herrührenden
Schrift: Praecepta logica cum ipsius quadam oratione de praecipuis discendi regulis [diese
ursprünglich 1739 erschienen]; curante C. F. Veilnagel. 1742. — Wie Laug in seiner
Jugend von einem alten Verwandten mit Bilfingers Logik geplagt wurde, erzählt er selbst
Memoiren (Neudr.) I, 51 f. Die daselbst folgende sehr niedliche Geschichte, wie er, statt
Logik zu lernen, mit einem in demselben Zimmer arbeitenden Nähmädchen einen Liebes-
handel anfing, wurde ganz neuerdings (ich glaube in der „Lesehalle“ des Berl. Tagbl.)
novellistisch bearbeitet.
47) Barbara Celarent sind zwei der mittelalterlichen Formeln der Logik.
48) Therese brachte gern Auszüge aus neuen Büchern im Morgenblatt; ob auch
aus L a ti g ?
49) Vielleicht Just. Christ. Leist, bekannnter Jurist und (nicht immer glücklicher)
Diplomat. Auf ihn passt, dass er jünger als Lang war (geh. 1770, gest. 1858), „hollän¬
dische Geduld“ könnte man uneigentlich mit Bezug auf seinen nordhantiöverschen Ursprung
ihm uachrühmen; 1819 konnte er auf seiner Rückreise von Rom durch Stuttgart kommen.
In den Briefen Theresens finde ich ihn nicht erwähnt.
50) Hobhouse, eig. Lord John Cam Broughton (1786—T869), britischer Staats¬
mann. Reisebeschreibungen und Parteischriften für Napoleon sind von ihm bekannt ; ver¬
mutlich ist eine der letzteren gemeint, die gerade 1819 viel genannt wurde. (Dictionary
of National Biography. Bd. 27 (1891) S. 47—50.
51) Sand in der Bedeutung: unfruchtbarer Boden und Anspielung auf den be¬
kannten Mörder Kotzehues.
52) Auch mit Hilfe gelehrter Freunde konnte ich diese Stelle nicht nachweisen.
53) Erlang ist natürlich: die Universität Erlangen. Mit „deutschen Knaben“
müssen die deutsch- oder teutschthümlichen Versuche gemeint sein, die freilich damals
schon infolge der Karlsbader Beschlüsse bei den Oberen nicht beliebt waren.
54) Über diesen Aufenthalt in Wien handeln sehr hübsche Abschnitte in den
Memoiren (Neudruck) I, 75 ff., 130 ff., 163 ff. Dort fand Lang sich ausserordentlich behaglich,
und sein Entzücken über die Stadt, gegen die er freilich nach seiner Art manche »Satiren
vorbringt, äussert sich z. B. auch darin, dass er die Donau über den Rhein stellt, mehr¬
fach z. B. S. 151 f.
55) List, der berühmte Nationalökouom (1789 — 1846, Allg. D. Biogr. Bd. 18 S. 761),
der damals 1820 seine Tübinger Professur niedergelegt hatte und als Abgeordneter thätig war.
56) Gemeint ist die Revolution Neapels, die am 2. Juli begann und eigentlich erst
im Oktober ihr Ende erreichte. Vgl A. Stern, Geschichte Europas, Bd. 2, S. 103—117.
57) Anspielung auf die Operette „Der Teufel ist los“, erschienen 1743.
58) Karoline von Pichler, geb Greiner, eine Freundin Theresens, Wiener
Schriftstellerin (1769 — 1843, A. D. B. XXVI 106), die gerade damals auf dem Höhe¬
punkt ihres Schaffens und ihrer Berühmtheit stand; im Jahre 1820 begann gerade die
erste Gesamtausgabe ihrer Schriften zu erscheinen.
59) Karoline von Woltmann s. oben S. 70.
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Ludwig Geiger.
60) Der berühmte Orientalist, Historiker und Diplomat Joseph Freiherr von
Hammer-Purgstall (1774—1856, Allg. D. Biogr. X, 482). Seine bedeutendsten Werke
fallen in eine spätere Zeit. Die hier erwähnten „Fundgruben des Orients“ waren eine
mehrbändige Zeitschrift, deren erster Band 1809 veröffentlicht wurde.
61) Hornlay r Jos. v. (1782—1848, A. D. B. XIII, 131), von 1803 - 1828 in Wien,
seitdem in München oder als bayerischer Gesandter in deutschen Staaten thätig, ein un¬
gemein fruchtbarer, fast ausschliesslich für österreichische Geschichte thätiger Historiker.
62) Natürlich Zach. Werner, (1768—1823, Allg. D. Biogr. XLII, 66) der bekannte
Schicksalsdichter, der seit 1814 als Priester in Wien lebte. Da er, nach dem Berichte
mancher, Kapuzinaden im Tone des Abraham a Santa Clara liebte, so mag er eine
ähnliche wie die erwähnte Predigt gehalten haben, wenn auch das Ganze recht w’ohl eine
Langsche Erfindung sein kann.
63) Joli. Bapt. (nicht zu verwechseln mit Joh. Fiedr. Prim. vgl. Goedeke 6, 658 f.)
64) J. J. Prechtl, geh. zu Bischofsheim im Würzburgischen 1778, seit 1818 Di¬
rektor des polytechnischen Instituts in Wien, wo er seit 1811 als Lehrer und Professor
wirkte, seit 1819 gab er Jahrbücher dieses Instituts heraus; starb 1854 (A. D. B. XXVI, 539),
65) Etwa Vinz. Dobrowsky, Physiker, Goedeke 6, 788.
66) Seb. Wilib. Schiessler (vgl. Goedeke a. A. III, 582 und 11. A. VI, 681 (1789
bis 1867). Seine Epigramme erschienen erst 1824 gesammelt; doch hatte er schon 1818
ein Taschenbuch des Scherzes und der guten Laune herausgegeben.
67) Gemeint sind die drei oft erscheinenden Beigaben des Morgeublatts: das Literatur-
Kunst- und Intelligenz-Blatt. Mit dem letztem, als einem rein geschäftlichen Teil, hatte
Therese nie etwas zu thun, auch die beiden anderen Beiblätter wurden, um ihnen
grössere Selbständigkeit zu geben, besonderen Redakteuren unterstellt.
68) Natürlich auch hier wieder ein Spott gegen das offiziöse von Gentz inspirierte
Organ, das nicht gerade als eine Quelle ergötzlicher Unterhaltung galt.
69) Auf eines der Hefte der „Hammelburger Reise“ bezüglich?
70) Die neue württembergische Konstitution von 1822, die manche frühere liberale
Bestimmung aufgehoben und viele Unzufriedene im Lande gemacht hatte.
71) Gemeint ist jedenfalls der Prinz Alexander Hohenlohe (1794—1849, A. D. B.
XII, 6S3), über dessen Predigten und Wuuderkuren in Just Kerners Briefwechsel, 2 Bde.,
Stuttgart 1897, merkwürdige Mitteilungen zu finden sind.
72) Auf die hier erwähnten Einzelheiten des bekannten griechischen Aufstandes,
wenn die erwähnten Dinge nicht etwa, wie man auch annehmen könnte, Langsche Er¬
findungen sind, kann nicht eingegangen werden. Es sei nur hervorgehoben, dass im
Gegensatz zu Lang, der trotz sonstiger liberaler Gesinnung diesen Freiheitskampf miss¬
billigte, Therese durchaus zu den Philhellenisten gehörte und diese Zugehörigkeit durch
Wort und That bewies. Für Ersteres liegt mir manches merkwürdige Zeugnis vor.
73) Der bekannte Dichter Fr. v. Matthisson, 1761—1831, der in der Zeit von
Theresens Aufenthalt in Stuttgart ihr nahe stand, wofür manche ungedruckte Zeugnisse
beigebracht werden könnten. Er vertauschte erst 1829 definitiv Stuttgart mit Dessau,
besuchte aber seine Heimat häufiger und mag bei einer solchen Reise Lang „auf einem
Lauf“ — auf eine kurze Zeit (sonst bei Grimm, d. Wb. nicht bezeugt) oder „auf dem
Wege“ besucht haben. „Leiden“ bezogen sich wohl auf Theresens gezwungene Über¬
siedlung nach Augsburg und ihr Augenleiden, „Freuden“ auf das Zusammenleben mit
einer ihrer Töchter und deren Kindern.
74) Schätzler, Lor. Joh., Kgl. Finanzrat und Bankier in Augsburg, 1819 Abge¬
ordneter der 2. Kammer. Seine Familie war mit der Huberschen bekannt, eine Tochter
war bei Therese in Pension. Über seinen Tod (Selbstmord?) enthalten die Briefe Theresens
manches Detail.
75) Die hier genannten Gelehrten sind alle Münchener Akademiker, die, wie es
scheint, alle im Laufe des Jahres 1826 starben: Velin Jul. Konr., (P'orschungen III, 151)
Konservator der matliem.-physik. Sammlung, gest. 20. Jan. 1826, Spix Joh. Bapt. von.
Konservator der ethnographischen Sammlung, geh. 1781, besonders bekannt durch seine
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Bayerische Briefe. IOI
1817—1820 in Brasilien unternommene Reise, die dem „Hammelburger“ Gelegenheit zu
manchen Spöttereien gab. — Weiller Kajetan (A. D. B. XLI, 494), war geb. 1761, seit
1799 Prof- der Philosophie in München, seit 1S23 Geh. Rat und Gen. Sekretär der Akademie
der Wissenschaften, Nachfolger Sch li ch tegrolls, dessen Biogr. er schrieb, wie er über¬
haupt einer der eifrigsten Beitragenden zu den Akademieschriften war, gest. 1826. —
Fraunhofer, der berühmte Optiker, 1787 bis 7. Juni 1826 (A. D. B. VII, 323). —
Reiche 11 bach Georg von, Ingenieur und Mechaniker, der grösste bayerische Techniker
seinerzeit, geb. 1772, seit 1820 nach dem früher genannten Wiebeking Direktor des Zentral¬
bureaus für Strassen- und Wasserbau, während er schon früher Oberst-Berg- lind Salinenrat
gewesen war. Mitglied der Akademie war er seit 18r 1, erstarb Mai 1826 (A. D. B. XXVII, 656).
76) Elisabeth Charlotte von Orleans (Liselotte), die Schwägerin Lud¬
wigs XIV., die Schreiberin der köstlichen Briefe, die in neuerer Zeit von Holland,
Ranke, Bo den mann, in einer Auswahl auch von mir lierausgegeben wurden. Die
Briefe waren damals höchstens in Auszügen gedruckt; vielleicht waren sie Lang bei seinen
archivalischen Forschungen zugänglich geworden.
77 ) Joseph v. F., Ministerialrat im Ministerium des Äussern, seit 1817 Ritter des
Zivilverdienstordens, zugleich Vorstand des k. b. Haus- und Staatsarchives.
78) Philipp Kasimir Heintz (nicht Heintze), vorerst Pfarrer und Professor
am Gymnasium zu Zweibrücken, kam am 23. Januar 1819 als (4. geistl.) Oberkousi-
storialrat nach München, wo er Schulinspektor und Mitglied der Akademie war.
79) Gruitliuiseu Franz v. Paula (1774—1852, A. D. B. X, 6, Prantl, U.-G. II,
547) Naturforscher und Astronom, seit 1826 Professor der Astronomie in München.
♦
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Die Seidenzucht in Bayern.*)
Zweite Periode.
(Achtzehntes Jahrhundert. Fortsetzung. München und Umgebung.)
Nach archivalischen 1 ) Quellen.
Von
Karl Otto Harz.
Wou allen benachbarten Ländern, so namentlich von Tirol, Italien,
w
Frankreich gelangten Nachrichten zu uns, denen zufolge sich die Seidenzucht
überall ausserordentlich lohnend gestaltete. Auch in Preussen wurden
auf Befehl des grossen Friedrich derartige Versuche mit Geschick und
Glück begonnen. In der Nachbarschaft führte der Augsburger Patrizier
Christian von Münch") und in Würzburg der Fürstbischof Karl
Philipp Heinrich von Greifen klau 8 ) Seidenbauversuche ein. Überall
war man besteht, teils mit Zwang, teils mit Güte, diesen neuen Industriezweig
„zum Nutzen der Unterthanen und zum Wohl des aerarii“ einzuführen und
möglichst zu unterstützen. So verstand es sich für den klugen und kunst¬
sinnigen Kurfürsten Maximilian III. Joseph (1745 —1777) von selbst,
auch in Bayern diesbezügliche Versuche durchzuführen und pekuniäre Opfer
zu diesem Zwecke nicht zu scheuen.
Die dazu verwendeten Persönlichkeiten sollten vor allem schon Kennt¬
nisse in der Seidenzucht und in der Kultur des Maulbeerbaumes mitbringen,
und da solche im Lande nicht vorhanden waren, sah man sich genötigt,
sie vom Auslande kommen zu lassen. Es war wohl unvermeidlich, dass
manche Ungeeignete sich unter den Berufenen befanden, die, anstatt die
Sache gediegen zu fördern, sich selbst möglichst zu nützen trachteten. Der¬
artige Persönlichkeiten, und ebenso viele Sanguiniker, scheuten sich nicht,
auch dann die Zucht des Maulbeerbaumes als vorteilhaft hinzustellen, wenn
sie bereits selbst überzeugt waren, dass Boden und Klima für diesen etwas
verwöhnten Ansiedler bei uns nicht geeignet erschienen. Es kaun ja der
Maulbeerbaum auch um München noch kultiviert werden und ein ziemlich
hohes Alter erreichen, wie wir z. B. an jetzt noch vorhandenen Exemplaren
im Dachauer Hofgarten ersehen können. Aber das Wachstum dieses Baumes,
vor allem die Blattbildung ist eine total verschiedene von der in südlicheren
Ländern, z. B. in Tirol kultivierten. Dort kann man den Maulbeerbaum
im Frühjahr und Sommeranfang bis auf den Hauptstamm und die dicksten
*) Vgl. Forschungen II, 30—45; III, 152 — 171.
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Die Seidenzucht in Bayern.
103
Äste zurückschneiden, also all seiner Blätter berauben (ähnlich etwa wie bei
uns die Weiden behandelt werden), ohne ihn zu schädigen; denn er treibt
alsbald wieder zahlreiche, kräftige reichbelaubte Zweige, die genügende Reserve¬
nahrung für das kommende Jahr bereiten. Würde bei uns in Bayern aber
ein Maulbeerbaum in dieser Weise behandelt, so ginge er sicher nach 1 bis
2 Jahren zu gründe. Dazu kommt ferner, dass die bei uns erzeugten Blätter
bedeutend kleiner, trockener und härter sind, als die im Süden gebildeten,
und dass, dem Klima entsprechend, die gesamte Entwickelung gegenüber den
italienischen, französischen etc. Pflanzen bedeutend zurücksteht.
Die ersten in den Archivalien niedergelegten Nachrichten über den Be¬
ginn der Seidenzucht in dieser Periode bestehen in einem kurfürstlichen
Dekret vom 14. Januar 1754, welches dem kurfürstlichen Hofgärtner Anton
Häussler zu Lustheimb „für ihn und seine Ehewürthiu und Erben“ ein
Privilegium zur Errichtung einer Seidenmanufaktur in den Bayerichen Landen
erteilte. Im Jahre 1758 kam, wie es scheint ungerufen, die Maria Klara
Wallen reiberin aus Bozen behufs „Seidenwurmzucht“ nach München
und bat unter dem 19. Mai 1759 um eine „angemessene Anstellung in der
Seidenzucht“, welche ihr auch im Jahre 1760 bei einem Jahresgehalte von
180 Gulden gewährt wurde. Im Jahre 1778 wurde sie pensioniert; über ihre
Thätigkeit und etwaigen Erfolge konnte ich nichts ermitteln. Ausserdem
scheinen aber seit Beginn der 50er Jahre ziemlich viel Unterthanen, wenn
nicht gerade mit Seidenzucht, so doch mit der Kultur des Maulbeerbaumes
sich beschäftigt zu haben. Der Kurfürst ernannte, um diesen Industriezweig
zu fördern, eine eigene Kommission, liess Maulbeer-Samen und Pflanzen an
Interessenten abgeben und erliess unter dem 24. März 1762 4 ) folgendes
Reskript:
„Wird uns sonders lieb zu vernehmen sein, wann man die bereits hier und an
verschiedenen Orten im Lande mit gar guten Erfolg zu pflanzen angefangene Maul¬
beerbäume noch ferner fleissig fortsetzen, und unter obvermeldeten neuen Heckenzaun
zu pflanzen sich angelegen seyn lasst, wozu Wir den Samen auf Anmelden unentgeltlich
abfolgen, annebens auch die Art und Weiss, wie diese Plantage zu unterhalten, und
nützlich zu gebrauchen sev, gleichfalls durch öffentlichen Druck bekannt machen lassen
werden. Wir gedenken in dem Vollzug dieser Unser gnädigst und landesväterlichen
Verordnung niemand über die Kräften und Möglichkeit zu treiben, wollen auch eben
darum sowohl über den Fortgang der Execution, als die sich hierunter ergebende
Schwierigkeiten und Anstände durch die Beamte und Obrigkeiten von Zeit zu Zeit mit
allen Umständen gehorsamst berichtet seyn, und obwohl bereits eine eigne Commission
von Ministris und Rätlien angeordnet ist, allwo dergleichen Bericht in Ueberlegen und
Erledigung genommen werden sollen, so sind doch solche allezeit gleich unmittelbar zu
unserm geheimen Rath selbst einzuschicken, welches auch hinführo in all ander Sachen
geschehen soll, so das Landesverbesserungswesen überhaupt, sonderbar aber die Cultivirung
öder Gründen, Vermehrung der Mayrscliaften, Beförderug des Credits, Nahrungsstandes
und Geldcirculation, wie auch die Errichtung nützlicher Manufacturen und Fabriquen,
nebst der hiernach zu reguliren kommenden Veraccisir- oder Ausfuhrverwilligung in
ländisch roher Producten betreffen, müssen Wir hiermit alle jene, welche in jetzt benannten
und andern dahin einschlagenden Objectis etwas anzubringen oder einzuberichten haben,
an erwehnte Commission und mit der schriftlichen Ueberreichung an Unsern geheimen
Rath gnädigst angewiesen haben wollen. Datum in Unserer Residenzstadt München
den 24. März 1762.
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104
Karl Otto Harz
Gleichzeitig wurde die Kultur von Maulbeerbäumen vom Kurfürsten
befohlen und laut Schreiben der Commission in deput. oecon. vom 29. März 1768
damit der Gärtner Jakob Kobustull vom laufenden Jahre an auf 6 Jahre
mit 104 Gulden Jahresgehalt, und alle 2 Jahre 25 Gulden zu einem Kleid,
damit betraut und diese Anstellung laut Schreiben vom 11. März 1774 wieder
bis zum Jahre 1779 verlängert. Unter dem 9. Februar 1774 berichtete
Kobustull dem Kurfürsten, dass er bis jetzt auf dem Rampart und in der
Residenzstadt 520 Bäume und auf der Bombasin-Bleiche 250 Bäume, somit
770 Stück in und um München gepflanzt habe. Er macht aber den Vorschlag,
man möchte — weil der Boden auf dem Rampart zu schlecht, auch die Blätter
der Bäume allzuleicht dem ungezählten Entwenden ausgesetzt seien — eine
Pflanzschule auf dem kurfürstlichen Schlossanger zu Berg am Laim errichten;
was nach seinen Berechnungen leicht mit 485 fl. 20 Kreuzern und zum
Nutzen kurfürstlichen aerarii geschehen könnte. Dieser Vorschlag scheint
indessen die allerhöchste Genehmigung nicht erhalten zu haben.
Um das Jahr 1770 macht sich der Schön- und Seidenfärber Simon
Josef Holzer aus Roveredo in München bemerkbar, der sich sehr für
Seidenzucht und Seidenindustrie überhaupt zu interessieren schien. Er er¬
hielt 1775 das Münchener Bürgerrecht; gleichwohl versagte ihm der Magistrat
die Benützung der Mang. Er veranlasste im Jahre 1776 den Kurfürsten, den
Hieronymus Trentini aus Roveredo mit einem Jahresgehalt von
300 Gulden zur Förderung der Seidenzucht in München anzustellen. Der¬
selbe lieferte 17000 Stück Maulbeerbäume aus Tirol, welche zum teil in den
Hasengarten nach Nymphenburg, zum teil nach Landshut kamen. Nach
zweijähriger Anwesenheit in München wurde Girolamo Trentini aufge¬
fordert, seine Liegenschaften sammt Haus in Roveredo zu veräussern und
mit seiner ganzen Familie hielier zu ziehen. Jedoch kaum hatte er den
Verkauf bewerkstelligt, so gelangte unter dem 9. Februar 1778 an Holz 11er
ein Schreiben, er möge dem Trentini mitteilen, dass er sich im heurigen
Jahre wegen der vorgegangenen Abänderung „der höchsten Landesregierung“
keineswegs hieher nach München bemühen möge. Das seit Oktober 1877
bezogene Gehalt von 300 Gulden sei gestrichen. Holzner, der inzwischen
kurfürstlicher Schön- und Seidenfärber geworden war, erfreute sich wegen
seines Eifers in Seidenbausachen auch der Gunst des neuen Kurfürsten
Karl Theodor. 5 ) Er stellte unter dem 2. Februar 1778 den submissesten
Antrag, Mittel zur Beschaffung von Maulbeerbäumen zu erhalten und schlug
vor, die Cocons aus Italien für das Münchener Filatorium vorläufig so
lange kommen zu lassen, bis im Lande selbst genügend Seide erzeugt
werde. Hiernach würde das Pfund Seide 4'Gulden billiger kommen, als
bei der aus Italien bezogenen Seide. — Es wurden ihm auch zunächst
3000 Gulden bewilligt, für Beschaffung von Maulbeerbäumen aus Italien.
Auch der Hofgärtner Starck kam am 29. März 1778 mit einer Eingabe
und der Bitte, ihm etwas Geld zum Versetzen der Mori anzuweisen, „weil es
höchste Zeit dazu sei, und sonst Alles bisher geleistete wieder dem Ruin ent¬
gegengehe.“ Er allein könne das Versetzen, Bearbeiten u. s. w. nicht be-
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Die Seiden/.ucht in Bayern. 105
sorgen, dazu müsse er eine Hilfe haben. Schon am 8. April 1778 liess
ihm der Kurfürst Karl Theodor sofort 100 Gulden dazu an weisen.
Die Kultur der Maulbeerbäume im Hopfen- und Hasen garten war dem
Gärtner Johann Bartholomäus Kolb übertragen worden, indessen scheint
derselbe mehr auf eigene Vorteile gesehen zu haben. Er benützte die Ge¬
legenheit, hier eine kleine Wirtschaft zu errichten, anstatt die Pflanzungen zu
bedienen. Am 8. Mai 1779 lief eine schriftliche Anzeige ein, „dass der
J. B. Kolb sich unterstanden habe, an verschiedene Personen sowohl weisses
als braunes Bier auszuzapfen und gleichsam eine Bierschenke ganz unerlaubt
aufzurichten“, was ihm sofort strengstens untersagt wurde. — Man begnügte
sich jedoch nicht, vorerst die Erfolge der Seidenzucht abzuwarten, wie auch
bisher von irgendwelchen diesbezüglichen Resultaten in den Akten nichts zu
finden ist. Wohl auf Veranlassung Holzers gelangte eine Eingabe des
Johann Baptist Ben venu ti zu Trient d. d. 12. Februar 1779 nach Mün¬
chen, infolge deren er nach München „beliufs Seidenfärberei und zur Hebung
der Zucht überhaupt“ berufen wurde. Man gab ihm u. a. 3000 Gulden in bar
für Beschaffung von Maulbeerbäumen und Seide, wofür denn auch von seinem
Bruder aus Trient für 1500 Gulden rohe Seide, ferner 2000 Stück grosse und
15000 Stück kleine Maulbeerbäume in München ein trafen. Ein Teil dieser
Pflanzungen gelangte nach Landshut.
Holzer erlaubte sich auch noch anderweitige kleine Scherze auf Kosten
der derzeitigen günstigen Stimmung für Seidenbauauslagen. So kamen auf
seine Einladung am 30. September 1781 zwei Familien aus Italien (Tirol),
bestehend aus 8 Personen, in München an, waren bis zum 4. Oktober beim
Weingastgeber zum Storchen in Kost und Logis und verzehrten, nach
Holzers Versicherung mit Fug und Recht, auf Kosten der kurfürstl. Kasse
41 fl. 15 kr. Erst im September 1782 wurde die Rechnung eingereicht und
sodann eine Untersuchung darüber augestellt, ob, wann und wo solche Fa¬
milien hier waren, und ob solche in der Fabrik F A r au ken th al, wie sie an-
gaben, beschäftigt worden seien. Die zwei Familien blieben verschollen, d. h.
sie waren wieder nachhause gereist; der Weinwirt aber erhielt schliesslich
sein Geld aus der Kasse Serenissimi. In einer Eingabe an das Kommerz¬
kollegium beschwerte sich Holzner unter dem 11. September 1779 darüber,
dass er nunmehr 3 1 2 Jahre Mühe und Zeit für die Seidenzucht verbracht
und nichts dafür bekommen habe. Die Herrichtung des ganz verwahrlosten
Hasengartens habe 10 Wochen lang Tagwerker erfordert und er dafür 60 Gulden
aus eigener Tasche verausgabt. Er hätte sich niemals zur Seidenzucht nach
Bayern begeben, wenn er gewusst hätte, dass der Staat planlos jährlich über
1000 Gulden verausgabe, ohnedass bis jetzt ein Kreuzer Nutzen dabei heraus¬
komme. Er klagt darüber, dass bereits ein Rückgang der Seidenkultur in
Bayern zu konstatieren sei, und lässt durchblicken, dass eine einheitliche
Leitung erforderlich und er geneigt wäre, die Oberaufsicht über die in den
kurfürstlichen Landen gepflanzten Mori zu übernehmen. Eine um diese Zeit
vorgenommene Zählung, bez. Mitteilung der mit der Zucht der Bäume be¬
trauten Gärtner ergab, dass im Hasen- und Hopfengarten zu Nymphenburg,
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106 Karl Otto Harz
sodann im Schlossgarten zu Trausnitz bei Landshut 40000 Stück Mori ge¬
setzt seien und Holzner noch weitere 40000 versetzbare vorrätig habe.
Nicht überall zeigte sich jedoch ein Verständnis oder Wohlwollen für den
neuen, das „Wohl der Unterthanen und den Nutzen des Aerarii“ fördern
sollenden Industriezweig. Am 27. September 1781 musste Simon Joseph
Holzner beim Kurfürsten darüber Beschwerde führen, dass man den Hof¬
garten in Nymphenburg, der momentan über 4000 grosse und kleine Maul¬
beerbäume enthalte, in einen Hirscheinfang verwandeln wolle. Diese Absicht
wurde infolgedessen vereitelt, dem Holzner laut Dekret vom 28. Oktober 1781
„alle Recht der Münchener Bürger und Seidenfärber und Seidenfabrikanten“
verliehen, womit namentlich auch die ihm bisher verweigerte Benützung der
Mang verbunden war. Unter dem 6. November 1781 wurde Holzner zum
Direktor der bayerischen Seidenplantagen mit einem Gehalt von jährlich
300 Gulden ernaunt. Die Oberaufsicht des Ganzen aber wurde dem Geheimen Rat
von Goldhagen 6 ) und dein Hofkam 111 errat Liniprun 7 ) übertragen. Die Pflan¬
zungen in Nymphenburg scheinen jedoch keine reiche Blätterausbeute für
die Seidenzucht geliefert zu haben, denn am 10. Mai 1781 reichte Holzner
ein Gesuch ein, dass man ihm gestatten möge, die in München vorhandenen
Mori zu entblättern. Es erfolgte hierauf ein Erlass Serenissimi München
d. d. 29. Mai 1791, der dem Münchener Kunst-, Schön- und Seidenfärber
Holzner die Ablaubung der meisten Maulbeerbäume sowohl im Hasengarten,
als im sogen. Hopfen- und nunmaligen Maulbeerbaumgarten nächst Nymphen¬
burg und der sonst auf kurfürstl. Kosten gepflanzten Bäume erlaubt. Die Zahl
der gezüchteten Raupen mag immerhin eine stattliche gewesen sein, denn
laut Ausweis bezog er vom 2. Juni bis zum 14. Juni 2177 Pfund Blätter.
Zur Förderung der Seidenzucht wurde nun eine besondere Maulbeerbaum-
plantage und Seidenzuchtdirektion 8 ) angeordnet, indem durch gnädigstes
Reskript vom 28. November 1781 Seine kurfürstliche Durchlaucht befahlen,
in Ihren Landen den Seidenbau einzuführen, und ernannten hierzu eine eigene
Direktion, wofür ein jährlicher Fond von 3000 Gulden aus der Landesökonomie¬
kasse bestimmt wurde, wozu sich noch kleinere Einnahmen, wohl haupt¬
sächlich aus dem Verkaufe von Maulbeerbäumen, gesellten. Am 25. Januar
1782 wurden die 3000 Gulden jährlichen Zuschusses abermals bestätigt.
Im April 1782 finden wir den Seidenfabrikanten Joseph Holzner in
Mannheim, wohin ihm die „gnädigst an geordnete Seidenplantagen-Direktion“ zu
München den Auftrag erteilte, dass er „einen Mann und eine Weibsperson zum
Behuf des Seyden-Baues aus Italien, auf München, beschreiben solle,“ was
Holzner in einem Briefe d. Mannheim d. 28. April 1782 brieflich besorgte.
Es kamen ein Bruder und zwei Schwestern Galli aus Tirol, welchen der
Kurfürst jährlich 500 Gulden Pension für später zusicherte, wie aus Eingaben
der Galli d. d. 12. Februar 1782 und 13. August 1783 sich ergiebt Er
selbst wird zum 4. Mai 1782 nach München zurückbefohlen, welchem Befehl
er am 24. Mai auch entspricht. Jedoch im August entwich der Schwindler
laut aufgenommenen Protokolls vom 25. August 1782 unter Hinterlassung
einer grossen Schuldenlast. Auch kam von Goldhagen, Mitglied der
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Die Seidenzuclit in Bayern.
107
Seidenbaudirektion, noch mit einer Nachforderu 11g, indem er angab, er habe
aus seiner Privatpflanzung an den Holzner für 2103 Gulden Maulbeer¬
bäume abgegeben, wovon nur 1153 Gulden und 5 Kreuzer abbezahlt
worden, somit ein Rest von 949 Gulden 45 Kreuzer verbliebe. Die
Entschädigung wurde jedoch nur dahin gewährt, dass ihm vier Monate des
Jahresgehaltes des Holzer ausgefertigt wurden. An seine Stelle wurde^ laut
geheimer Ratsresolution d. d. 12. September 1782 ein gewisser Lorenz
Seyfried als „Seidenwürmwarther“ mit jährlich 300 Gulden Gehalt in
München an gestellt. Auch Maulbeerbäumchen wurden an die Untertlianen
gegen Bezahlung abgegeben (— so erhielt nach den Akten der Beamte Spizeler
zu Miesbach 42 Stück Mori ä 6 Kreuzer von der Seidenbaukommission —)
oder umgekehrt Pflanzen an das Ärar abzusetzen gesucht. So liinterliess der
kurfürstl. Hofkammer-Münz- und Bergrat v. Linbrunn bei seinem 1787
erfolgten Tode eine Forderung für Maulbeerbäume, welche er in der grossen
Plantage Laufzorn auf eigene Kosten gezogen hatte, und die dann bei Er¬
richtung der Landshuter Plantage durch Zachow dahin geholt worden waren.
Die von den Relikten am 20. Juli 1782 eingereichte Rechnung belief sich
auf die für die damalige Zeit ziemlich grosse Summe von 653 fl. 10 kr. Viele
Private versuchten die Seidenzucht auszuführen und holten sich die Blätter
von den kurfürstlichen Bäumen, ohne hierzu Erlaubnis erhalten zu haben.
So machte man im Jahre 1782 die unangenehme Beobachtung, dass die
auf dem Rampart stehenden „und mit viellen Kosten gepflanzeten“ Maulbeer¬
bäume von solchen, die „gerne Bubenstück ausieben und besonders von dem
liederlich Gesindl und Kind sehr sträflich mit der Beschädigung, dann un¬
erlaubter Belaubung ruiniert und angefochten worden/ 4 Es folgte daher der
durchlauchtigste Befehl, dass niemand ohne schriftliches Zeugnis, mit dem
darauf gedrückten Wappen von der kurfürstl. Seidendirektion, Blätter ab¬
nehmen dürfe und, dass die ohnedem da und dort vorhandenen Schild wachen
hierauf zu achten haben.*)
Den 2. Juni 1783 erging zu ähnlichem Zwecke ein Schreiben der
gnädigst angeordneten Seidenbau-Kommission an die kurfürstl. lobl. Komman-
dantschaft München, wornach die für die Baumentlaubung angemeldeten
Seidenzücliter diese früh morgens zwischen 7 und 8 Uhr und abends von 5
bis 7 Uhr zu vollziehen haben. Baumfrevler u. dgl. solle mau sofort arrestierlich
anhalten und anzeigen lassen. Es wurden 241 nummerierte Bäume dabei
verwendet und den 35 Liebhabern etc. der Zahl ihrer Würmer gemäss nach
Nummern zugeteilt. Die meisten bekamen 2-8 Bäume, einige wenige mehr.
Durchlaucht die Frau Herzogin hatte 10, ein Herr von Reindl 25, ein Herr
von Mässenhausen 26 Bäume zur Disposition. Zufolge Auftrages reichte im
*) Im Jahre 1782 waren zu diesem Zwecke nur 7 Erlaubniszettel ausgegeben: 1. Für
die Schneiderin aus der Au, auf die Bombasin-Bleich. 2. H. Ganghofer, nächst Sr. Ex-
cellenz von Goldhagen Garten. 3. Freiherr v. Wal ln er: 4 Bäume hinter der Prinz
Maxischen Kaserne. 4. Mauthrechnungs-Justificant, auf 3 Bäume 1 Zettel. 5. Frau Se-
cretär Müllerin auf 3 Bäume. 6. Der Wirth „bei der Arch-Noej“ nächst seiner Logis.
7. Für die HH. Cadetten bei Iliro Durchlaucht der Frau Herzogin.
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io8
Karl Otto Harz
Jahre 1782 oder 1783 der Gärtner Kobustu 11 nachstehendes Verzeichnis
der in Bayern befindlichen Maulbeerbäume ein, wornach 23819 Stück dieser
Pflanzungen vorhanden waren.
Vorhandene Maulbörbäume.
In dem Hof garten Trausnitz zu Lands*
liut sind 30 Stück alte Maulbörbäum.
Von liier aus wurde über die Sr. Exc.
Herrn Kamnierdirector für H. B. v. Dir-
nitz abgegeben 25 Stück aus dem Haasen-
garten nacher Landshut abgeschickt
575 Stück.
Und in Hofgarten zu Landshut sind
an derley Bäume gleiche alters und qualitet
Vorhände, so versetzt und abgegeben werden
können.
280 Stück.
855 Stück.
Zu Laufzorn sind Bäume von 4jährige
alter Vorhände, so nacher Landshut zu
transportire komme
20000 Stück.
Und in Hofgarte zu Landshut sind
Bäum von gleiche 4. bis 6. jährige alter,
so unmittelbar versetzt werde müsse.
2220 Stück.
22220 Stück.
Der Schönfärber Holzer hat aus
Welschlaud kommen lassen
500 Stück,
per se
Voriger Holzer hat weitters an junge
erzigclte Bäume zwischen 60 bis 100 Stück.
Wie solche vertheilt und verwendet werde.
Diese werde nit besorgt, soitdr bleibe
in ihre placz stehen, und w'erde lieur zu
einen lot körner Saamen mit ihre Blätter
benutzt.
Hiervon werde abgeben an Sr. Exz.
H. Baron v. Daxperg
500 vStück.
Und in Wämpelgraben sind nach des
Zachow’s Ber. präs. f. d. 4. Marti 1782 zum
seczen erforderlich
310 Stück.
Übrig bleiben, so jedoch der Zachow
im Wämpelgraben auch placiren will,
45 Stück.
855 Stück.
Diese 2 Gattungen w r erde in den
Wämpelgarte zu Landshut nach des Za-
chow’s Plan, welcher mit junge und alte
Bäume 63882 Stück gemacht ist, in Ab¬
schlag placiert, id est
22220 Stück.
per se
Die komme auch nach Landshut in
Wümpelgarte, id est in anständige Pläcze
500 Stück,
per se
All diese Bäum komme nach Lands¬
hut und werde theils an anständige pläcz,
theils aber spälliermässig besorgt.
Volgen nun die Münchener Bäum. Nach des KobuStuhls Speci
fication sind Vorhände:
Vom Isar bis zum Sendlinger Thor 123 St.
Vom Sendlinger bis zum Neuhauser
Thor.26 „
Vom Neuliauser bis zum Schwö-
biuger Thor.85 „
Vom Schwöbinger bis zum Isarthor 193 ,,
Uni die Bomasin Blaicli .... 200 „
Summa 627 St.
Auszubessern sind.19 St.
Auszubessern sind. 44 „
Auszubessern sind.24 „
Auszubessern sind.20 „
Auszubessern sind.— ,,
117 St.
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109
Die Seidenzucht in Bayern.
Noch wenn die Ausbesserung ge- Zur Ausbesserung sind die hoch-
schehe.117 St. stämmige Bäum aus der Galli Gartten her-
Thurbedeposten.744 St. zunehmen.
so als dan hier herumstehn.
Im Januar 1783 erfolgte ein Rundschreiben der „Kurfürstlich gnädigst
angeordneten Seidendirektion“ in München zur Hebung und Aufmunterung
der Seidenzucht, nachfolgenden Inhaltes:
Se. Churfürtl. Durchlaucht haben sich zu entschliessen geruhet, dass die Seiden¬
zucht in Höchst dero heroberen Landen eben massig emporgebracht und allgemein ver¬
breitet werden solle. Zu diesem Ende haben Höchst selbe bereits unterm 28. Dezember
1781 eine besondere Maulbeerbaum-Plantage- und Seidenzucht-Direction gnädigst ange¬
ordnet. Wie nun die hierzu nöthig und nützliche Anstalten bereits getroffen, und dahier
sowohl, als zu Landshut, Egglkofen, und Armstorf, geräumige Maulbeerbaum-Plantagen ange¬
legt, auch die Seidenwurmzucht von der angeordneten Direktion sowohl, als verschiedenen
Privatpersonen auf bestem Erfolg in verschiedenen Jahre vorgenommen worden: als wird
zu mehrerer Aufmunterung hiemit allgemein bekannt gemacht, dass 1. diejenigen, welche
mit Halt- und Erzieglung der Seideuwürmer sich abgeben wollen, in Zeiten, und zwar
für dieses Jahr längstens bis Ende des Märzmonats bey der gnädigst angeordneten Seiden-
zuchts-Direction sich melden, den bereits gesammelten Wurmsaanien allda anzeigen, oder
bey Ermanglung dessen um Abfolglassung dergleichen geziememls ansuchen können,
wornach man von den um die hiesige Stadt herumgepflanzten Maulbeerbäumen jedem
nach Verliältniss dcss vorräthigen Wurmsamens so viele Bäume zur heurigen Belaubung
gegen einen sehr leidlichen Preis an weisen, und überlassen wird, als zur Fütterung der
Würmer erforderlich sind. Wobey man sich jedoch versiehet, dass die Belaubung mit
Bescheidenheit vorgenonimeu, und andurcli kein Baum beschädiget, oder zum ferneren
Wachsthum unbrauchbar werde gemacht werden. 2. Wird man durch eine besondere ge¬
druckte Anweisung die Art, wie die Würmer gefüttert, gesund erzogen und erhalten
werden können, nicht nur bekannt machen, und auf Verlangen erfolgen lassen, sondern
es ist auch 3. der in dem sogenannten Sch äfferischen Churfürstl. Plantagehaus in der Au
w'olinende, und zu Besorgung der Seidenzucht angestellte Seidenstrümpfwdrker Lorenz
Seyfried angewiesen, und beordert, dass er zu jenen, welche Seidenwürmer zu halten
verlangen, ohne geringste Bezahlung von Zeit zu Zeit in das Haus gehen, und die Mani¬
pulation, wie mit verstandenen Würmern umgegangen werden muss, an die Hand geben
solle. 4. Wenn die Würmer in die Coucons oder Seidenhäuslein sich wirklich eingesponnen
haben, so stehet jedem zu Belieben, ob er solche der Direction gegen baarer Bezahlung
überlassen, oder aber für sich selbst abhaspeln lassen wolle. Welch letzteres, da zu
solcher Manipulation nicht jeder hergerichtet seyn, oder damit umgehen kann, durch die
Direction dergestallt ward veranstaltet werden, dass die Abhasplung in Beyseyn jeden
Eigenthiuners der Coucons geschehen solle. Für die an die Direction abgebende Coucons
wird das Pfund mit 40. bis 45. kr. bezahlt: für die Abhaspelung aber zahlt jeder Eigen-
thümer für das Pfund Seiden mit 2 fl. es ist jedoch ein- als andenvegs wohl zu merken,
dass die Coucons vorher nach der oben angemerkten Anweisung getrocknet, und die
darin befindlichen Würmer getödet sevn müssen. Damit aber 5. die Seidenzucht im
ganzen Lande geschwinde und ohne grossen Kostenaufwand allgemein verbreitet werde,
so hat man von Directionswegen die Fürsehung getroffen, dass bey den obenbenannten
Churfürstl. Plantagen junge sowohl, als schon erwachsene Maulbeerbäume um einen sehr
geringen Preis, und zwar von den ein- und zweijährigen das hundert per 2 fl. von den
drey- und vierjährigen das Stück per 6 kr. und in der Folge von den 6- 8- und iojähri-
gen das Stück per 12. und 15. kr. jährlich zu gehöriger Zeit, das ist, im Frühjahr, niassen
die Herbstzeit hierzu nicht dienlich ist, an Liebhaber abgegeben w r erden können. 6. Die
Spalier oder Hecken, zu deren Anlegung die ein- und zweyjährigen Bäumein gebraucht
w'erden, sind zur P'rzieglung der Seidenwürmer von darum sehr dienlich, weil an selben
das Blatt fruhezeitiger, als an den hochstämmigen Bäumen hervorkömmt, folgsam die
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Karl Otto Harz
Würmer anfänglich ganz leicht damit ernährt, und so lang fortgebracht werden können,
bis nachhin das Laub der hochstämmigen Bäume zu einer mehreren Vollkommenheit,
und Kräften kommt, denn ohne habende Spalierlauben ist man allzeit bemüssiget, die
Seidenw'iirmer um 8. bis 14. Täg später, als es sonst seyn könnte, ausgehen zu lassen,
nichts zu melden, dass man in Ermanglung der besonders bev jungen zu schonenden
hochstämmigen Bäumen öfters au geniiglicher Fütterung der Würmer Noth leidet. Es
können demnach 7. Alle und jede, welche in ihren Gärten oder angehörigen Gründen
einige Maulbeerspalier und Bäume einzusetzen die Gelegenheit haben, und andurcli zu
baldiger Erzieglung der Seidenwürmer das Verlangen tragen, bey dem von der Direetion
des Endes angestellten Churfürstl. Hofzahlamts-Officiauten Herr G rösch in der Hofsattlers¬
behausung am Ecke des Hofgrabens, oder respective der Residenz-Scliwabingergassen über
3. Stiegen wohnhaft, sich in Zeiten melden, und all erforderliche Auskunft erholen, wor-
nacli man ohnentstehen wird, die an verlangenden Bäume entweder aus hiesiger, oder nach
Gelegenheit der Liebhaber aus den unterländischen Plantagen anweisen, und ausfolgen
zu lassen. Aus diesen wird jedermann von selbst einsehen, dass die Seidenzucht ohne
mindeste Beschwerde der Unterthanen empor gebracht werde: folgsam jedem frey stehen
solle, mittels geringer Mühe, und nichtsbedeutendem Aufwand einen in der Folge be¬
trächtlichen Gewinn sich zu erwerben.
Actum den 26. Jänner 1783.
Churfürstl. gnädigst angeordnete Seideu-Direktion in München.
Infolge ihrer angestrengten Thätigkeit erbaten sich die Mitglieder
der kurfürstlich gnädigst an geordneten Seiden-Direktion vom Kurfürsten eine
Erhöhung ihres Gehaltes, welche aber nur in naturalibus genehmigt wurde.
Laut kurfürstl. Ordonnanz vom 30. Nov. 1783 bekamen nämlich die Mitglieder
der gnädigst angeordneten Seidenbaukommission, „von Goldhagen, v. Kretz und
Nepotn. v. Stubenrauch, 1 °) sowie der Aktuar und Kassier desselben Amts,
Grosch, anstatt eines Recompens, der ihnen unterm 28. Novbr. 1781 mit
Gnädigsten Decrets für die bei dem Seiden bau wesen leistende Verrichtungen
in Geld gnädigst zugesagt w r orden, je 10 Klafter Buchentriftholz mit An¬
fang des 1783^« Jahrs gegen Ersatz des Geldbetrags ä 7 fl aus der Seiden-
zuchtdirektions Kassa gnädigst bewilligtermassen jährlich zu genössen.“
Unter dem 10. Sept. 1783 wurde der Seidendirektion München noch der
laufende Seidenwarenaccis für Seidenzuchtzwecke gnädigst bewilligt. Von
dem 5492 Gulden betragenden Accis nimmt die Seidenbaukommission laut
Bericht vom 3. März 1784 jedoch nur 3000 Gulden an. Zum Präsidenten der
Generalseidenzuchtdirektiou in München war Graf Törri 11 g-G ron sf eld er¬
nannt und jährlich 6000 Gulden (den Zollerträgnissen auf Import fremder
Seide entnommen) eingestellt. Ein gewisser Seyfried wurde als Filateur
angestellt. 1 *) — Wie es scheint, wurden die frevelhaften Beschädigungen der
Maulbeerbäume fortgesetzt, was nachstehenden „Verruf“ bedingte:
Verruf. Es ist zwar aus der in offenen Druck gelegten kurfürstl. höchsten Ver¬
ordnung vom 6 tw » Hornung 1781 vorhin jedermann bekannt, was für Strafen auf die Frev¬
ler der auf öffentlichen Strassen, so andern Orten gepflanzten All£e-Bäume gesetzt sind:
Da aber gemäss eingelaufenen Berichte dessen ungeachtet solche Baumfrevel schon öfters
sträflichst unternommen worden, ohne dass die eigentlichen Tliäter ausfindig gemacht
werden konnten. So geht die weitere gnädigste Willensmeynung dahin, dass, um die¬
selben desto eher in Erfahrung bringen, und nach obig gnädigsten Gesetz behandeln
lassen zu können, einem jeden Aufbringer solcher Frevler nach gründlich gemachter An¬
zeige nebst Verschweigung seines Namen ein Recompens von 30 fl. verreicht werden, und
also selber sich hierum bey der Ortsobrigkeit melden solle, welche hiemit angewiesen
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Die Seidenzucht in Bayern.
111
wird, diessfalls in geheim behörig untertänigsten Bericht zur kurfürstl. oberen Landes¬
regierung zu erstatten. Uebrigens ist gegenwärtiger Verruf aller Orten publiciren, und
affigieren zu lassen. Gegeben in der Kurfürstl. Haupt- und Residenzstadt München
den 23^0 Decembris 1783.
Kurpfalzbaierische obere Landesregierung
Johann Georg Kroiss.
Nach einer 1784 vorgenommeuen Zählung waren nachfolgende Maul¬
beerbaum stocke in und utn München vorhanden:
Auf dem Rainpart. 291 Stück
Auf dem Obermayr Graben bei Neuhaus. 76 „
Auf der Kattunbleich. 52 „
Zur Disposition der Seidenbaukommission zu Nymphenburg:
a) Hochstämmige. 75 ,,
b) Spalierbäume.2000 „
in Summa 2494 Stück
Die früher angeblich vorhandenen grossen Bestände waren sonach schon
bedeutend reduziert; im Jahre vorher befanden sich (bez. waren auf dem Papier
vorhanden) auf dem Rampart noch 1947 Stück Mori. Es waren sonach inner¬
halb eiues Jahres 1656 Stück abhanden gekommen. Ungewohntes kaltes
Klima, übermässige Entlaubungen und mutwillige Beschädigungen können
allerdings auch wesentliche Opfer verlangt haben. Schon im Frühjahr 1783
waren 104 Stück ersetzt (u ach gepflanzt) worden; auch scheinen die bei den
Kulturen angestellten Gärtner mehr auf ihren Vorteil, als auf den des Staates
bedacht gewesen zu sein. Ueber Trunkenheit wurde allgemein geklagt. Der
Gärtner Am and E varist Prillsauer, kaum bei der Plantage angestellt,
reichte im März 1784 ein Bittgesuch ein, mau möge ihm erlauben, „in der
ihm angewiesenen Wohnung, in der auch ein Keller sich befinde, darin so
viel Wein einlegen zu dürfen, dass er, im Fall einige Personen zur Besichtigung
der Plantage von Zeit zu Zeit verkehren würden, dieselben damit bedienen
köunte.“ Das Gesuch wurde d. d. 17. April 1784 einfach abgewiesen. Im
gleichen Monate (30. IV. 1784) macht die Seidenbaudirektion der Kommaii-
dantschaft abermals die Anzeige, dass heuer wiederum nur die mit einem
Billett versehenen Individuen Laub holen dürfen, und bittet, doch ja alle
Baumfrevler durch die wachhabenden Soldaten in Arrest nehmen zu lassen.
Ein ganze Reihe von Akten aus diesem und dem folgenden Jahre be¬
schäftigen sich mit der Bepflanzung des Rampart mit Maulbeerbäumen. Die
damit betrauten Gärtner setzten die Bäume nach Gutdünken an die von ihnen
beliebten Plätze. Die Kommandautschaft aber liess die ihr unbequem ge¬
setzten wieder entfernen bez. herausreissen, wobei selbstverständlich die Soldaten
da und dort auch nicht Erforderliches leisteten. Die Kommandantschaft
(Platz Hauptmanu Adam Nagel) setzte es, um die Streitigkeiten aus dem
Wege zu räumen endlich durch, dass zum Setzen „künftighin“ ein Ingenieur
beigegeben wurde, welcher die Plätze zu bezeichnen hatte, an welche die,
auch dem Militär unbequem gewordenen, Bäume gesetzt werden durften. Am
i7 ten Februar 1784 wurde auch das vor dem Neuhauser Thor gelegene 4 Tag¬
werk grosse, dem Sekretär Auerbach gehörende Anwesen: Haus, Garten
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Karl Otto Harz
und Zubehör für 7300 Gulden zur Errichtung einer Seidenplantage ange¬
kauft. Der dazu erforderliche Zaun kostete 304 Gulden 24 Kreuzer; noch ge¬
nehmigte der Kurfürst allergnädigst im Sept. 1784 einen Steften, im Juni des
folgenden Jahres noch weitere 3 Steften Wasser für diese Anlage. Inzwischen
war die Zahl der um das Wohl der Würmer und Pflanzen besorgten und be¬
schäftigten Personen sehr stattlich geworden. Zunächst die Seidenbaukomniission
aus Präsidenten und hohen Räten nebst dem deren Befehle vermittelnden
Aktuar Grosch. Letzterer und das ganze abwärts rangierende Personal hatte
natürlich freie Dienstwohnung und andere Nutzniessungen in den Plantagen.
Zu diesen niederen gehörten: Zur Fütterung der Seidenwürmer Lorenz
Seyfried, als Spinnmeisterin Violetin, als Gärtner Prillsauer und dessen
Weib, ein Tagwerker Lang und dessen Weib.
Diese wurden vor dem Neuhauser und Sendlinger Thor auch vom
„Spörr-Geld frey“gehalten. — Sodann Gärtner JakobKobustull in der Ere¬
mitage. Gärtner Johann Reber auf dem Rampart und der Cotton-Bleich.
Gärtner Wolf gang Reitlimayr in Both. Im Unterland befanden sich:
S. Excellenz Joh. Nepom. Reichsfreiherr v. Dacksberg, Vicedom zu Lands¬
hut qua Oberinspektor. Friedrich Zachow Seidenzucht-Inspektor zu Lands¬
hut, und Revier., ferner 2 Tagwerker und drei Gärtner: Friedrich Karl
Schneider Gärtner zu Burghausen, Ignaz Dirr Gärtner zu Egglkofen,
Georg Weigl, Gärtner zu Eggeufelden. Endlich findet sich noch vom
Jahre 1784 ein Memorial, ohne Unterschrift, an die hochlöbliche Landschaft,
in dem hervorgehoben wird, dass die Maulbeer- und Seidenzucht in Bayern
möglich und gewinnbringend sei; es fehle aber immer noch an der Haupt¬
sache, am Futter, welchem Uebelstande man abzuhelfen sich erbiete. Petent
ersucht um 2000 Gulden zur Anlage einer Maulbeerplantage, die ihn selbst
5000 Gulden kosten werde. — Ueber das Schicksal dieser Schrift und deren
Autorschaft war nichts zu ermitteln. In diesem Jahr 1784 wurde zu München
das im kurfürstlichen Höf garten stehende Filatorium-Gebäude repariert und
ein Incanatorium errichtet und beides unter Leitung des Seidenfabrikanten
Bartholomeus Grappai gestellt. Es sollte daselbst für die Kaufmann¬
schaft und die Posamentierer gearbeitet werden. Ein Mann musste dazu ver¬
schrieben und ihm jährlich 200 Gulden Gehalt aus der Seidendirektionskassa
bezahlt werden. Dem Grappai wurden für die Direktion Recompensen aus
den jährlichen Einkünften in Aussicht gestellt. Der daselbst wohnende Hof¬
kammerrat und Galerieinspektor Dorn er 12 ) musste die dazu erforderlichen
Räume abtreten (und schliesslich, am 8. April 1786 ganz räumen). Grappai
betrieb jedoch die Sache schlecht, d. h. nur zum eigenen Vorteil, und gründete
eine „Seidentüclielfabrik“ auf Aktien.
Im Jahr 1785 erteilte der Kurfürst zur Förderung der Seidenindustrie
diesem von Tirol ein gewanderten Seidenweber Grappai ein Privilegium auf
die Herstellung seidener Taschen- und Halstücher, womit auch die steuer¬
freie Einführung von Rohseide und steuerfreie Ausfuhr der von Grappai
fabrizierten und gestempelten Hals- und Taschentücher verbunden war. Dieses
Dekret lautet:
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Die Seidenzucht in Bayern.
* 113
Höchst-landeslierrliche Verordnung.
Nachdem Seine Churfürstl. Durclil. zu Pfalzbaieru etc. etc. dem untertliäuigst
eingelangten Bart hol me Grappai, Höchst dero aufgestellten Seideu-Filatoriumsmeister
allhier in Rücksicht seiner angerühmt auch bereits bewiesenen grossen Fähigkeit, und
besitzend sonderbaren Kenntniss ein Privilegium zu Fabricirung der seidenen Hals- und
Sacktücher zu ertheilen mildest geruhet; So haben Höchst dieselben zu nöthiger Be¬
günstigung dieser von ihm Grappai neu anlegenden Fabrique nachfolgend landesherrl.
Verordnung zu jedermanns Wissenschaft, und gehorsamster Nachahmung in Druck zu
legen gnädigst befohlen, und zwar I1110 sollte auch in Zukunft noch zwar die Einfuhr
fremd seidener Hals- und Sacktüchern jedermann unverwehrt sein: doch müssen diese
2do bey keiner andern Station als bey dem Gränz-Mautamt Friedberg eingeführt, und
von da aus zum Hauptmautamte München überliefert werden, wesswegen all anderweite
Einfuhr und Abstoss sub poena Confiscationis hiemit verbothen wird. 3tio Von dieser
einführend fremden seidenen Hals- und Sacktüchern hat gehörtes Haupt-Mautamt Mün¬
chen sechs Gulden zur Consumo-Accis-Gebühr pr. Pf. jederzeit baar einzubringen, auch
zu jed solch vomehmender Behandlung ihn Grappai vorzuladen, welcher sodann oder
persönlich, oder mittelst eines Abgeordneten der Auspack- und Abwägung, wie auch der
Bezahlung der Accisgebiihr behörig beyzuwohnen: die Waaren neben dem Mautämtlichen
— auch mit seinem Fabrique — Stempel zu bezeichnen: Die Accis-Polleten zu Contra-
signiren, und über alle solche Behandlungen ein besonders Manual zu führen hat.
4to Mag mit sothauen fremden seidenen Hals- und Sacktüchern in Zukunft kein Markt
mehr in den Landen zu Baiern auf Losung gebauet werden, sondern es ist von denen-
jenigen, welche einen dergleichen Markt mit sothanen Waaren beziehen wollen, neben
Beobachtung dessen, was aber § 2 wegen der Einfuhr verordnet worden, die treffende
Constnno-Accisgebühr ohne Nachborg, auch ohne zu hoffenden Rückzoll hievon gleich
baar zu entrichten. 5to Müssen zu Vermeidung besorglicher Unterschleife alle bey denen
in den Landen zu Baiern ansessigen Handelsleuten und Krümmern vorhandene ausländische
seidene Hals- und Sacktücher in Zeit 14 Tagen a Dato Publicationis gegenwärtig gnädigster
Verordnung, auf das allhiesige Hauptmautamt gebracht werden, von welchem, wie auch von
dem Grappai oder dessen Abgeordneten in Gemässheit obig §. 3. ordentlich zu plom-
biren, respective zu Contraplombiren, folglich jene aus solchen, welche ohne dieser Plombir-
und Contraplombirung in Zukunft erscheinen werden, für eingeschwärzt anzusehen und
ohne weiters zu coufisciren sind. Endlich und 6to wollen mehrgedacht Se. Churfl. Durchl.
etc. etc. ihm Grappai die zu dieser seiner Fabrikatur benöthigt rohe Seide frey herein:
ebenso auch dessen hieraus fabricirt und mit dessen Fabriquen-Stempel bezeichnete seidene
Hals- und Sacktücher Essito-Accis frey ausser Lands passiren lassen, versehen sich aber
beyuebeus gnädigst, dass er Grappai keine andere als Zugseide herein bringen, und
dessen Bearbeitung Höchst dero hier etabliren Filatorium zu wenden: folglichen sich bey
Hereinbriugung sothaner Seide von Beypackung all anderer Waaren sub poena Confiscationis
enthalten werde. Gegeben in der Churfürstl. Haupt- und Residenstadt München am
2S t «‘» Monatstag Jutiy im Jahre 1785.
Ex comissione sereniss. Dni. Dni.
Ducis et Electoris speciali.
Lic. Ignaz Josef Wäger,
kurpfalz-baierische obere Landesregierungssekret.
Mau hatte schon hin und wieder die Beobachtung gemacht, dass in¬
folge von Kälte und unverständiger Entlaubung die Maulbeerbäume ausser¬
ordentlich Schaden gelitten, daher erliess die Generalseideuzuchtdirektion
München für das folgende Jahr nachstehende Verordnung:
Nachdeme man anheur verfiegt, dass sammentliche Maulbeer-Bäuine auf dem
Rampart wegen der einige Jar — hero durch die Kälte erlithenen Beschädigung pro 1786
mit der Belaubung verschont bleibe, damit sie sich widerum erhoben, und auf ferner
Bayer. Forschungen VII, 2 8
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114’ Karl Otto Harz
Jahr destomehr nutzbar gemacht werden können, so ist eben der Wunsch, dass auch
Iliro Durchlaucht die verwittibte Frau Frau Kurherzogin in Bayern mit denen bisher
auf den Kapuziner Graben vorbehalteuen Maul beer-Bäu men ein gleiches zu verfiegen
Gnädigst geruhen möchten.
Act. ißten November 1785 Kurfürstl. Gnädigst Verordnete
General-Seidenzucht-Direktion München.
Daneben findet sich folgende, die damaligen Zustände wohl charakte¬
risierende Randbemerkung der Kurfürstin-Witwe Maria Anna (f 1797) zu
München:
„Nachdem ich mich bey dem Churfürst selbsten angefragt und von Seiner
Durchlaucht erfahren, dass dieses mandat ihnen nicht allein gänzlich unbekannt wäre,
sondern sehr befremdete, auch niemals gehört hätte, dass bäume ausrasten; also werde
ich wie sonsten die blätter benutzen, bevor selbe dürr vom bäum abfallen, doch mit der
behutsamkeit, dass kein ast letirt wirdt.“
den 23. December 1785. Maria Anna.
Von Privatimtemehmungen in der Seidenzuclit ist nur ein Fall zu
verzeichnen. Es weisen nämlich die Akten des bayerischen Generalkomites
eine Seidenzuchtrechnung der frei herrlichen Lerchenfeld sehen Guts¬
herrschaft zu Ammerland, Hofmarken Aham und Greilsberg, vom Jahre 1785
auf, welche von dem damaligen Hofmarksgerichts- und Oekonoinie-Verwalter
Joseph Benedikt Rein hardstöttner 13 ) gestellt worden ist. Es wurden
für 200 hochstämmige und 2000 Charmillen-Bäume von München 50 fl. aus¬
gelegt. Ein gewisser Zimmer wurde zur Erlernung der Seideuzucht zweimal
nach Landshut geschickt, und erhielt dieser 36 + 40 Kreuzer = 1 fl. 16. kr.
Der Kurfürstl. Seideninspektor Zachow wurde zur Besichtigung dieser
Lerchenfeldsehen Seidenplantage gebeten und erhielt dafür ein Douceur
von 7 Gulden 20 Kreuzer. In den Hofmarken Aham und Greilsberg wurden
im ganzen 120 fl. 19 kr. für Maulbeerpflanzung ausgegeben. Von Eiern oder
von irgend welchen Zuchtresultateu ist jedoch der Nachwelt nichts über¬
kommen. 1786 erliess die Generaldirektion an ihre an den kurfürstlichen
Maulbeerplantagen Angestellten eine General-Instruktion über die An¬
legung der Saatbeete, das Aussäen der Samen, die Anlage der Plantagen,
die Behandlung der Maulbeerbäume; den Schnitt der Hochstämme, im ersten,
zweiten und dritten Jahre; über die Pflanzung, Wartung und das Schneiden
der Maulbeerbaumhecken in den drei ersten Jahren. Auch erliess diese
Seidenzuchtdirektion abermals eine Mitteilung, der zufolge die Schonung
der Maulbeerbäume als dringend notwendig hingestellt wurde. Dieselbe lautete:
„Avertissement.“
„Mau findet sich in die notliwencligkeit versetzt, denen Liebhabern der Seiden¬
zucht anniit erörtern zu lassen, dass in dem bevorstehent 1786ist Jar kein auf dem Ratn-
part stehend Maulbeerbaum zur Belaubung gelassen werden kann. Die 2. Jare nach
einand gefolgte strenge Kälte ist die Ursach und jeder einsichtsvolle wird selbst erkennen,
dass die Bäumen beschädigt worden und deren Kräfte wieder zu erhöhen Zeit haben
müssen, in dem sogar im Ausland, wenn auch die Kälte keinen schaden hieran verursacht
indem auch der Maulbeerbaum nicht allejahre zur Benuzung genohmen, sondern bis auf
ein ßtes verschonet wird in der Seidenzucht. Die Liebhaber mögen sich daher hiernach
achten und ihre allenfalls in dem I785ten Jar erzeugten Wurmsaam der Direktion einlifern,
wogegen man sye versichert, dass der Entlaubung der Bäume auf das I787te Jahr sicher
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Die Seidenzucht in Bayern.
115
vorgesehen wird, sye auch der liehmlichen Quantität und Güte der eingelieferten Samen
entgegen gratis versehen werden sollen.“
Die Seidenzucht-Direction
4 mahl dem Zeituugsblatt gez. v. Stubenrauch.
zu inserieren, und zwar im
Monat Jäner
Febr.
Merz
April 1786.
Inzwischen hatten die Gärtner sich fortgesetzt bei der Generalseiden-
kommission über ihre geringen Bezüge und die viele Arbeitsüberbürdung be¬
klagt, sodass dieselbe sich veranlasst sah an den Kurfürsten zu berichten,
dass sie „die Wehemu th und Armseligkeit der an gestellten Seidenbaugärtner
nicht mehr bergen könne; sie können mit Weib und Kind von den 150 Gulden
Jahresgehalt nicht existiren.“ Die Kommission ersuchte, denen in München
jährlich 4 Klafter, denen in Landshut und Bogenhausen jährlich 3 Klafter
gewöhnliches Ländholz zu gewähren. — Infolge dieser Eingabe bekamen die
beiden Gärtner zu München von Sr. Durchlaucht jährlich vom Jahre 1786 ab
,jeder 4 Maas feiclitenes Triftholz, und die zu Landshut und Burghausen
jeder 3 Klafter gewöhnliches derlei Ländholz, zur ferneren Aufmunterung
und besseren Subsistenz mildest verwilligt.“
Unter den Maulbeergärtnern war namentlich Amandus Prillsauer
der Unordentlichsten einer. Am 21. Juli 1786 berichtete die Generalseidenbau-
kommission an den Kurfürsten, dass sie demselben schon viele Ermahnungen etc.
habe zukoinmeu lassen müssen. „Täglich gibt es mit ihm Tumulte, Schimpfungen,
Subordinationswidrige Führung, beständige Trunkenheit.“ Sie bittet, ihn zu
entlassen. Am 5. August 1786 wird von Serenissimo der Kommission auf¬
tragen, den Prillsauer zum letzten Male zu verwarnen. Solches geschah
denn auch am 26ten August. — Eine Zählung der Bäume ergiebt zu Ende des
Jahres in der kurfürstlichen Plantage vor dem Neuhauser Thor 31600 Stück
Maulbeerpflanzen, und Gärtner Prillsauer spricht von 20000 Stück Pflanzen,
die er abgebeu könne. Im Frühjahr 1787 ergaben sich, wie es scheint, auch
schon in früheren Jahren, Schwierigkeiten im Pflücken der Maulbeerblätter.
Es ist nämlich von besonderer Wichtigkeit, dass dieselben möglichst frisch
und trocken, in nicht zu grosser Menge auf einmal gepflückt werden. Am
besten ist es, die zur Raupeufütterung erforderlichen Quantitäten in zwei bis
drei Tagesrationen je frisch zu holen. Nun wollten aber die Gärtner nicht
erlauben, dass die „Wurmfütterin“ selbständig und nach Bedarf die Blätter
hole, sondern nur sie allein hätten das Recht, die Blätter zu pflücken, und
meinten, auf einmal und vielleicht schon Tags vorher sei es vollkommen
genügend, w r enn das Futtermaterial geliefert werde. Auch kam es vor, dass
einmal einen halben oder ganzen Tag gar keine Blätter geliefert wurden und
die Raupen inzwischen hungern mussten. Einige erlaubten sich auch, das
kurfürstliche Laub zu eigener Seidenraupenzucht zu benützen. Infolge dessen
erschien im Mai 1787 eine Nota der Generalseidendirektion an den Gärtner
Johann Röber folgenden Inhaltes:
8 *
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116 Karl Otto Harz
Zur heurigen Seidenzucht und hiermit verbundenen Baum belaubung ist folgente
Ordnung, bei Vermeydung der Dienstentsagung unveränderlich und pünktlich zu halten
bestimmt.
1. mo korat durch die 2. Gärttner-jungen, dass Laub, und am mindesten durch
eine ander Persohn zu pflicken zu ihrem Verdienst giebt man denen selben solang solche
arbeit andauert täglichen Lohn 18 kr. und zu ihrer Legitimation und Vorzeigung bei
denen ausgestellten Wachtposten jedem ein Pilliet, welches bey der Direction zu morgen
jeden tags von ihnen abgehollt, und zu abents wieder dahin eingeliefert werden muss.
2. do. Die Laub sollen jedesmall zur Plantage directe nicht nass oder staubig,
und auch in der neml. Quantität geliefert werden, wie es von Tag zu Tag erforderlich wird,
3. tio. Ist dem'Gärttner eigene Würm zu halten gänzlich verboten, und so auch
4 to. Am allerwenigsten erlaubt, iemand ander heimlicher weis einiges Laub zu
überlassen, oder selbst zu liefern. Act. den 19. Mai 1787.
Die Gen. Direktion.
Eine Note der Generalseidendirektion hebt hervor, dass das Seiden -
zuchtfixum jährlich nicht mehr als 6000 fl. betrage; hievon sollen alle Aus¬
gaben; Besoldungen, Stiftgelder, Kapitalsfristen, Taglöhner, Reparatur der
Filatorii und incanatorii, Wurmzucht etc. zu München, bei der Plantage,
Ranipart, Landshut, Rhain und Burghausen bestritten werden. Die Direktion
bittet unter dem 15. Febr., sowie d. 24. April 1787 um Erhöhung des Fonds
auf weitere 2000 fl., also auf 8000 fl. im ganzen. Diese gewünschten 2000 fl.
werden laut Dekret Serenissimi vom 20. Juni 1787 auf 6 Jahre hin aus dem
Tobacs Certificaten Fond genehmigt. — Die beständigen, z. Z. ohne Genehmigung
Serenissimi getroffenen Erweiterungen und Kostenvermehrungen, Streitigkeiten
des Personals u. dgl. scheinen aber dem Kurfürsten allmählich zu bunt ge¬
worden zu sein, zumal die Seidenerträge, wofern von solchen überhaupt ge¬
redet werden kann, sich auf ein Minimum beschränkten. Daher befahlen
Serenissimus in einem Schreiben vom 20. Juni 1787 der General sei den-
direktion ernstgemessenst, „dass dieses Institut im geringsten nicht mehr
erweitert, sohin weder durch Errichtung einer ferneren Plantage, noch Auf-
nehmung eines weiteren personals ohne vorläufig höchster Beguehmigung zu
grösseren Koste, Aufwand mehr Anlass gegeben werde, und gebe anbei dem
Ermessen gedachter Direktion lediglich anheim, wie der mit dem Tit. Grafen
von B er ehern in Burghausen getroffene Stifts-Contrakt bei ohnehin uner¬
füllte Bedingnissen abzuändern oder gänzlich zu annuliren seyn möge.“ Mau
suchte namentlich Klöster, Adelige und sonstige grössere Grundbesitzer für
die Seidenzucht zu engagieren, jedoch trotz aller Ermahnungen und „Auf¬
munterungen“ mit sehr geringem Erfolge. Man behauptete höheren Ortes, dass
es doch gleich sei, ob die Klosterherrn und andere Geistliche unter Maulbeer¬
bäumen oder unter anderen Bäumen spazieren gehen, und da wäre es doch ange¬
zeigter, jene zu setzen, zumal sich später eine so grosse Rente durch Seidenzucht
ergeben würde. — In Wirklichkeit war es jedoch zunächst nur darauf abgesehen,
durch den Verkauf möglichst zalilzeicher Maulbeerpflanzen, Gelder einzunehmen.
Aus Zusammenstellungen der Jahre 1783 bis 1790 ergiebt sich, dass Freiherr
Joseph von Franken auf Dürckensee, Langenfeld und Inzing im Herbst 1787
30 Stück, im Frühjahr 1788 24 Stück und 1790 50 Stück Maulbeerbäume
(aus Landshut) einpflanzen Hess. Die ganze Ausbeute bestand darin, dass er
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Die Seidenzucht in Bayern.
117
im Jahre 1790 am 20. Februar an eine „wohllöblich Patriotisch Oeconomische
Gesellschaft“ in München 2 Strähne selbstgewonnener Seide zur Ansicht
schicken konnte. — Im Jahr 1783 wurden aus der Münchener Plantage an
31 Liebhaber, Klöster und Institute abgegeben:
6 und 8jährige Maulbeerbäume ä 12 —15 kr. 32 Stück
3 und 4 „ „ ä 6 kr. 55 1
1 und 2 „ „ das Hundert zu 2 fl. . 2850 „
in Summa 3433 Stück,
wofür 119 Gulden 6 Kreuzer erlöst wurden. Hauptabnehmer der jungen,
selbst geziegelten Bäume blieben immer die kurfürstlichen Plantagen selbst.
So wurden aus den Pflanzschulen im Jahre 1785 angeblich 10000 Stück
hochstämmige und 100000 Stück Spalierbäume an jene abgeliefert. Für das
Jahr 1786 hatten die Gärtner 20000 Hochstämme und 200000 Spalierbäume
und für das Jahr 1787 sogar 40000 Hochstämme und 400000 Spalierbäume
(natürlich nur auf dem Papier) sicher abzugeben. Unter dem 11. September 1787
wurden folgende Maulbeergärtner und Seidenbeflissene nebst Bezügen auf¬
geführt :
Heinrich Zachow, Seidenzucht- und Strassen-Inspektor, bisher in München,
kommt jetzt in gleicher Eigenschaft nach Arnberg. Er bezog anfangs 300 Gulden, seit
dem 10. September 1783 aber 600 Gulden Jahresgehalt. Sodann
1. Röber, Rampart Gärtner. Gehalt nebst Logis.250 fl.
2. Plantage Gärt. Prillsauer, hier. Gehalt nebst Logis .200 „
3. „ „ Schneider, Burghausen. Gehalt nebst Logis . . . 200 „
4 - „ „ Dürr, Landshut. Gehalt nebst Logis.200 „
5. „ „ Rhain (ledig). Gehalt nebst Logis.180 „
6. Erste Spinnmeisterin .— „
7. Zweite Spinnmeisterin, Hesse rin zu Landshut jährlich.48 „
Ein Wurmfutterer Seyfried wird d. 26. 6. 1784 auch mit 50 fl. Jahresgehalt
notiert.
8. Die Spinnmeisterin Violetin bezog von 1786, Sept. an, jährl. 300 fl. nebst
freier Wohnung, die sie hier oder in Landshut beziehen kann.
9. Seidenzeugmacher Grappaj im Filatorium d. d. 4. August 1784.
Die Gesamtkosten der Seidenbauversuche betrugen' nach einer Zu¬
sammenstellung vom Jahre 1787, von 1782 bis 1786 für Landshut und München,
samt Filatorium, Dienerschaft etc., wie folgt:
Einnahmen d. h. vom Chur¬
fürsten bewilligte Gelder:
1782 . 4548 fl. 18 kr.
1783 . 5446 „ 38 l l * „
1784 sammt Rest von 1783. 11073 „ 53 1 /« „
1785 .. » 12047 „ 4U/4 „
1786 „ 8900 „ 47* „
Ausgaben:
4735 fl- 257* kr.
3492 „ 41 7 * n
9940 „ 44 V« „
10236 „ 42
8478 „ 58
42016 fl. 35V« kr. 32884 fl. 31 7i kr.
Diesen Ausgaben gegenüber stehen die Resultate, d. h. die gewonnene
Seide in keinem günstigen Zusammenhänge, wie nachfolgende Zusammen¬
stellung des Generalseidenkommissionssekretärs Grosch ersehen lässt, welche
er Serenissimo submissest zu unterbreiten hatte. Sie lautet:
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Karl Otto Harz
118
Anzeige
der in den Jahren 1782 bis 1787 in Bayern erzigleten Seiden:
Zugseide ' Floretseide
1782 die Zugseide siehe 1783
.—
Pfd.
— Loth
1
Pfd.
14 Eoth
1783.
. 9
„
— „
6
n
16 „
1784.
. 8
n
30 „
1
>»
26
1785 .
. 4
17 >>
2
*>
9 v. „
1786 .
. 4
u
27
5
6 '/« „
1787.
.—
20 „
—
>>
J»
Summa 27
"PfdT
30 Eoth
17
T‘fdT
8 Eoth
Dazu folgt nachstehende
„Anmerkung. 4 Pfd. 27 Lotli feine Seide sind 1786 zu Führhäng in der Gloriet
zu Eandshut für die Frau Prinzessin umgearbeitet worden, welche 40 Ellen Taffet gegeben
haben, und so ist weiters bewusst, dass für Seine Churfürstliche Durchlaucht zwey Dutzent
seidene Schnupftücher von vorspecificirter Seide gemacht Worten.“
Not: 13. Aug. 1788 Secr. Grosch.
Für das Jahr 1788 wurde von Serenissimo abermals eine Kostenüber¬
sicht von der Generalseidenkommissiou verlangt. Dieselbe wurde in nach¬
folgender Weise geliefert:
I. Jährlicher Bond:
Aus der Eandesökonomiekasse.3000 fl.
Aus dem Hofzahlamt.3000 „
Aus den Tabaks Certificatis, die aber noch nicht flüssig . 2000 „
Also vorläufig noch 6000 fl.
II. Ausgaben:
Die drei Rätlie.420 fl.
Der Secretär.230 „
Wurmfutterer.300 „
Hauszins.50 ,,
Erste Spinnmeisterin.300 ,,
Zweite „ .48 »
Inspektor Zachow Sold.326 „ 15 kr.
Gärtner zu Eandshut.200 „
Filatroriimeister.200 ,,
Gärtner K obustu 11 emeritus.248 „
Für Holz . . . . .-. 8 „
Von 2. zu 2 Jahr Kleidergeld 25 fl. 12 „ 30 kr.
Rampartgärtner Röber Sold.250 ,,
„ „ Hauszins. 45 ..
Plautagegärtuer Sold (ist von 1788 an cassirt).200 „
,, zu Rhain (ist von 17S8 an cassirt) . . . 180 „
„ „ Burghausen.200 ,,
Both Reithmayer Sold . . . . ._24 _
Summa der Besoldungen 3241 fl. 45 kr.
Jährl. Kapitalziusen etc. 5 10 » 48 kr.
„ Stiftgelder.190 „
Arbeitslöhne auf dem Rampart München.670 ,,
„ Münchener Plantage incl. Häuser etc. Repa¬
raturen .7 11 »
„ Laudshuter Plantage.360 „
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Die Seidenzucht in Bayern.
119
Arbeitslöhne Burghausen ..1500 ,,
„ Plantage Rhain.600 „
Filatorium mit Maulbeer- und Wurnisamen.136 ,,
Reisekosten. joo „
Gemeine Ausgaben etc.40 ,,
Summa Summarum 5799 fl. 33 kr.
Endlich sei noch bemerkt, dass am 19. Oktober 1787 ein Befehl Sere¬
nissimi erschien, gegen die Trunkenheit der Maulbeergärtner mit aller Strenge
vorzugehen und ihnen nochmals zu bedeuten, dass sie bei erstmaliger Wieder¬
holung unnachsichtlich aus Gehalt und Dienst entlassen werden. Einer der¬
selben, Amandus Prillsauer, Maulbeergärtner an der Plantage vor dem
Neuhauser Thor war bereits am 17. September d. J. wegen Trunkenheit»
Faulheit und vielseitiger anderer Unregelmässigkeiten ohne Pension wegge¬
schickt worden. In der Motivierung vom 1. Oktober 1788 an den Kur¬
fürsten heisst es: „als incorrigibler Mann, wegen vielfacher Berauschung, ist
des öfteren schon mündlich und schriftlich früher gewarnt und ermahnt worden;
hat den Seidenzuchts-Directions-Secretair tit. Grosch (seinen direkten Vor¬
gesetzten) zu Nachtzeit angegriffen und subordinationswidrig gemisshandelt.“
Indessen wird in demselben Berichte wieder zu seinen Gunsten beim Kur¬
fürsten interveniert, indem es heisst: „Da er nun ein eralteter, armer und zum
ferneren Arbeiten untauglicher Tropf ist, dürfte er doch, um nicht im Elend,
gar zu verhungern, des gnädigsten Mitleides zu einem resp. jährlichen Almosen
würdig werden.“ Es wurden ihm sodann allergnädigst jährlich 15 Gulden
vom Kurfürsten bewilligt. 14 ) — Unter dem 23. November 1788 erschien ein
Dekret Serenissimi, wornach alle Unkosten, auch die der Gärtner, aus einem
der Seidenzuchtdirektion überwiesenen fundo zu bestreiten seien. Mit Ende
des Jahres sollen auch die bisherigen Naturalbrennholzabgaben an die Maul¬
beerplantagengärtner abgeschafft sein. [Sie hatten bisher 200 bis 250 Gulden,
4 Maas Fichten triftholz (Dekret vom 23. Okt. 1788 u. 17. Febr. 1789) und
alle zwei Jahre eine Kleidung.] 15 ) — Unter dem 5. April 1788 stellt die Ge¬
neralseidendirektion dem Kurfürsten submissest vor, dass sie mit 6000 Gulden
die Plantagen nicht im gehörigen und wünschenswerten Stand halten könne,
und dass bereits eine Überschreitung von 4021 Gulden vorliege. Auch führt
die Generalseidenbaudirektion den 11. April 1788 bei der Kommandantschaft
Klage, dass fortgesetzt Maulbeerbäume auf dem Rampart beschädiget werden,
trotzdem die Wachen überall ausgestellt wären, und bittet um Verschärfung
der Befehle. Endlich fühlte sich in diesem Jahre noch ein Herr D’Erouvray
bemüssigt, an den Kurfürsten und an den Finanzminister von Oberndorff
mehrere Memoirien über Seidenbau zu richten; wohl in der Erwartung, seine
Kenntnisse über Seidenzucht in Bayern lohnend verwerten zu können. Er
meinte, dass es vorderhand mit den beiden Plantagen München und Landes¬
hut genügend sei; denn schon in der letzteren allein könne man 20000 Bäum-
gut unterbringen. Seine Vorstellungen scheinen keinen Erfolg gehabt zu
haben. — Im September 1788 bestimmte die Generalseidendirektion, dass Maul¬
beersamen ausgesäet werden sollen in Landshut 6 Pfund, Straubing 2 Pfund,
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120
Karl Otto Harz
München 4 Pfund 9 Loth, Summa 12 Pfund 9 Loth. An Exzellenz Graf
Seefeld-Törring wurden im April 1788 aus der Münchener Plantage
7000 Stück zweijährige Maul beerpflanzen abgeliefert. Was die in diesem Jahre
erhaltene Seide betrifft, so scheinen von Privaten 8 Pfund 28 Loth derselben,
teils Strangseide, treils Trama, teils Pedelotte gewonnen worden zu sein. Die
Ernte der kurfürstlichen Plantage betrug in toto 12 Pfund 31®/* Loth Rein¬
seide und 6 Pfund 15 Loth Floretseide, wie nachfolgende, vom Sekretär
Grosch hergestellte Übersicht ergiebt:
1788 lieferte
Wurmfutterer Seyfried 60 Pfund Cocons.60 Pfd.
Davon wurden 2000 Stück im Gewicht von 9 Pfd. 12 Loth zur Eierge-
winnung verwendet.ab 9 Pfd. 12 Loth
Restiren sonach 50 Pfd. 20 Loth
Diese gaben beim Abhaspeln 46 Stränge im Gewicht von 3 Pfd. 7*/« Loth Reine
Seide, sowie 2 Pfd. 31 Loth Floretseide.
Da im selben Jahre in Landshut 9 Pfd. 24 Loth Seide und 3 Pfd. 16 Loth Floret¬
seide gewonnen wurden, so hat ganz Bayern gezigelt 12 Pfd. 31 */♦ Loth Reine Seide und
6 Pfd. 15 Loth Floretseide.
Die Beteiligung der Unterthanen an den Bestrebungen des Kurfürsten
zur Hebung der Seidenzucht war bisher eine ganz unerfreulich geringe. Man
hatte Seidenspinner und Seidenhaspler, Seidenfärber und Seidenweber im Lande,
aber keine einheimische Seide. Trotz aller Aufmunterungen wollte niemand
an die Hebung der neu introduzierten Industrie schreiten. Weder Adel noch
Klöster oder Pfarrer, noch Bürger oder Bauer schickten sich an, auch nur
für die Grundlage des Seidenbaues, den Maulbeerbaum, besorgt zu sein, und
doch standen hunderttausende dieser wertvollen Pflanzen (wenigstens nach
Angabe der Gärtner) in den kurfürstlichen Plantagen und harrten des Ab¬
satzes gegen mässigen Preis. Hohe und niedere Herren wollten immer noch
nicht daran, anstatt der bisherigen Allee- und Luxusbäume, Maulbeerbäume
zu setzen, um später unter ihrem Schatten Kurzweil, Betrachtungen oder
Studien zu üben. Da erschien zur Aufmunterung der Unterthanen im Ja¬
nuar 1789 folgender Erlass des Kurfürsten:
Serenissimus Elector.
„Seine Churfürstliche Durchlaucht haben zwar, um die von dero Regierungs-Vor¬
fahren nach dem Beyspiel anderer deutschen Reichsstaaten in Bayern und der obern
Pfalz schon vor mehrern Jahren angefangenen Seidenzucht zu befördern, die darzu er¬
forderlichen Pflanzschulen von weissen Maulbeer Bäumen mit grossem Kosten-Aufwand
blos in der Absicht anlegen lassen, damit diese, dem ganzen Lande, und fürnämlich dem
armen Unterthann zum Nuzen und sicheren Verdienst gereichende Industrie allgemein
ausgebreitet, somit die zeitliero von auswärts erhohlte Seidenwaaren durch geuügliclie
Erzielung des rohen Materialis auch inner Landes verarbeitet, somit dem beträchtlichen
Geld-Ausfluss so viel möglich gesteuert werden möge.
Die Erfahrung aber hat bewiesen, dass ungeachtet in sothaneu kostspieligen
Pflanz-Schulen eine Menge der schönsten Setzlingen gezogen, und unterhalten worden,
es doch immer noch an dem Ernst und Eifer, nicht nur der mit Vorurtheilen befangener
Bauersleuthen, sondern sogar derjenigen Innwohnerscliaft gebreche, von welcher eine
mehrere Aufklärung, und der wahre Begriff dieser heilsamen Veranstaltung, folglich auch
ein nachahmliches Beyspiel zu gewarten stünde, mit welchem selbige den übrigen Vor¬
gehen sollte, indem der in den Plantagen sich befindende grosse Vorrath junger Maul-
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Die Seidenzucht in Bayern.
I 2 I
beer-Bäumeii ohne mindeste Nachfrage belassen, solchem die zeitliche Verpflanzung der¬
selben, und damit die Emporbringung der ganzen Seidenzucht vernachlässiget zu
werden beginnt
Je gewisser und Höchstgedacht Seine Churfürstliche Durchlaucht sich versehen
hatten, dass sich die mit häufigen Gründen begabte, und mehrere dienstbaren Persohnen
zur Hand habende Klöster, Pfarrer, Beamte Dero landesväterliche Absicht zu unterstützen,
und zwar einsmahligeh Einführung solch liüzlichen Nahrungszweiges alles beyzutragen,
sich vorzüglich bestreben würden, desto befremdlicher ist die Ihro geschehene Anzeige
gewesen, dass noch zur Zeit die wenigsten mit diesem Geschäft abzugeben, oder auch nur
ihre Untergebene dazu aufzumuntern sich bequemet haben. Daher hat die in dem Maul¬
beerbaum-Plantage- und Seidenzuchtw f esen gnädigst angeordnete Directiou sämmentliche
begüterte Klöster, Pfarrer, und Beamte sowohl in Bayern, als der Oberen Pfalz anzufrischen,
damit selbige sich auf sothaue Maulbeerbaum-Pflanzung, und Seidenzucht verlegen, des
Endes von den vorräthlichen Setzlingen von drey- bis sechsjährigen Alters eine erkleck¬
liche Anzahl in den bestimmten leidentlichen Preisen zur weitern Verpflanzung übernehmen,
ihre Haussgenossen, und Unterthaneu in Behandlung der Bäumen eben so wie des Saamens
und der Würmer nach den gedeudeten Anleitungen belehren, folglich selbigen eine ge¬
ringe Mühe erfordernde, gleichwohl sehr einträgliche Beschäftigung durch eigenes gutes
Beyspiel an Hand geben möge, indem Seine Churfürstliche Durchlaucht diejenigen, welche
sich hierunter mit patriotischer Thätigkeit aus zu zeichnen beweisen, bey jeder Gelegenheit
besondere Vorzüge angedeihen zu lassen gedenken, wobey gedachte Direction zu be¬
obachten wissen wird, dass der aus dem Verkauf dieser w r ie all übrigen Baumsetzlingen
erlösende Betrag nicht mit dem Ordinari fond vermischet, sondern lediglich zum Abtrag
der für die erkaufte Plantagen aufgenommener Capitalien verwendet werde. München
den 12^ Jänner 1789.
Auf Seiner Churfürstlichen Durchlaucht
Gnädigsten Spezialbefehl
gez. von Oberndorff.
Der Erfolg blieb jedoch hinter allen Erwartungen zurück. Der Handels¬
mann Muss in an zu Rosenheim bezog im April 1789 180 Stück hoch¬
stämmige Maulbeerbäume, für die er 36 Gulden erlegen musste. Er meldete
am 22. Mai 1789 der kurfürstlichen Generalseidendirektion, dass ihm „allein
anstadt freidt, immer Verdruss gemacht wird, massen mir einige völig abge-
schniten worden sendt, auch Aester abgeschlagen und abgerissen worden sendt.“
Der erzbischöfliche Hofrat Söldner erbittet am 21. Juli 1789 zwei Loth
Maulbeersamen. Er möchte mehr Blätter bekommen, denn wegen des »jetzt
noch wenig Blätterbesitzes“ hat er im vorigen Jahre 1788 nur 19 Loth Cocons
und heuer 45 V« Loth Cocons gewonnen. Er hofft im nächsten Jahre mehr
zu erhalten. Der Rats- und Haudelsmann Ignatius Hepp zu München
erbittet unter dem 29. Mai 1789 pro 1789 ca. zwanzig Zentner Maulbeer¬
blätter, was ihm die Seideubaugeneralkommission das Pfund pro 2 Pfennig
genehmigt. Andere Abnehmer scheinen sich nicht gefunden zu haben;
wenigstens findet sich im Aktenmaterial nichts verzeichnet. In den Mün¬
chener Plantagen wurden in diesem Jahre 10 Loth Eier „ausgebrütet“ und
4 Loth an Unterthanen verkauft. Da die Generalseidenbaukommission der
Meinung war, dass vielleicht der etwas hohe Preis der Maulbeerbäume eine
reichliche und allgemeine Abnahme derselben verhindere, so beschloss man
diesen herunterzusetzen und noch einmal einen Aufruf an die Unterthanen
zu erlassen, was in nachstehender Weise geschah:
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122
Karl Otto Harz
Avertissement.
Noch ist dem im heurigen Jare zue anhang der Münchener Zeitung ddo. 2i ten
Febr. N. 30 im Druck gegebenen höchst-händig gnädigsten Rescript sehr wenig entsprochen
worden, vermög welch Sr. Churfürstl. Durchl. Höchstlandesväterliche Absicht zur Industrie
mit abnahm und Verpflanzung der in höchst dero Plantagen zu München, und Landshut
zahlreich, und vom schönsten Wuchs dastehenden Maulbeer-Bäumen, vorzüglich dass die
Klöster, Pfärrer und Beamte bezichlet werden möchte, wodurch in der Folge den niüssig-
gehenden eine Beschäftigung, und dem Staat der nuz zugehen würde, dürfte vielleicht
dieser höchsten Entsprechung der preyss der Bäumen noch im Wege stehen, so will man
auch diess der höchsten willens meynung gemäss minder, sofort hochstämmigen Maul-
ber-Bäume mit Kronen von 4. und 5. Jaren statt 15 kr das Stück auf 9 kr. Die 2. und
3.jährigen ad 1: kr und die einjährigen pr. 2 Pf. zum Verkauf setzen, auch die abgab
wie sie aus jeden Stück unter einander stehen aus denen Plantagen nach Verlang im
künftig frühjahr Bis medio aprill für jeden zur Zufriedenheit veranstalten. Nicht Lieb¬
haber, sondern jeder und auch mit vorurtheil Befangene dürfte diesen so nützlichen zweige
entgegen eyllen: da man ganz ausser der Frage sein kann, ob der Maulbeer-Baum im
hierländischen Clima seinen Wuchs habe: oder nicht nun auch die erzeigende Seyden der
ausländisch in der güte und feinheit auch vollkommener überzeigung gleich gesetzt
werden darf.
Act. den 19*©» September 1789
Cuhrfürstl. General-Seydenzuclit-
Direction München.
Am 30. März 1789 reichten die Aktionäre der von # Grappai s. Z. ge¬
gründeten „Seidentfichelfabrik“ gegen den Entrepreneur Grappai Klage bei
der kurfürstlichen Hofkammer mit der Bitte, „diesen Grappei sanimt seiner
famille und Anhängern von der Fabrik und den Gebäuden allsogleicli zu
entfernen. Die Grappai’schen Effekten sollten unter Beiziehung der Chur¬
fürstlichen Seidenzuchts-Deputation obsigniret, und dann das Filatorium sammt
den Churfürstlichen Gebäuden bis auf Näheres, sammt dem inventarisirteu
Grappai’schen Entreprise Gehörenden, einstweilen den besagten Actionären
zum Fortbetriebe übermittelt werden. Und Sorge tragen zu lassen, dass die
hiesigen Actionären ihr in die Fabrik eingelegtes Geld wieder bekommen
können.“ Grappai verschwand infolge dieser Vorgänge, und an seine
Stelle kam nach einiger Zeit der Seidenfabrikant Lang. Im Jahre 1790 war
die Beteiligung des Publikums an den Seidenbaubestrebungen eine noch ge¬
ringere, als im vorigen Jahre. Am 11. März 1790 bittet Mussinan in Rosen¬
heim die Geueralseidenbaukommission abermals um 75 Stück Maulbeer¬
bäume für eine Viehweide. Die Bäume müssen aber mindestens 8—9 Fuss
hoch sein, damit das Vieh die Blätter nicht abfresse. Vom Grafen Baum¬
garten aber hörte man (laut Bericht vom 14. Mai 1790), dass er dem Lande
den Seidennutzen wieder entziehen und sein Seidenhaus in ein Militärlazarett
verwandeln wolle. „Er war in seiner Oekonomie verhechset und musste einer
geistlichen Benediction von 26000 Gulden Gotteshausgeldern als ein Vorlehen
gebrauchen.“ — Am 16. März 1790 erliess die Generalseidenbaudirektion ein
Schreiben, worauf sich die Samen und Blätter wünschenden Liebhaber inner¬
halb 4 Wochen zu melden hatten. Maulbeerbäume mit Kronen werden pro
Stück zu 9 kr., 2- u. 3jährige zu 1 kr., 1 jährige zu 2 Pfennig aus der Münchener
Plantage offeriert. Den 24. Novbr. 1790 macht Graf de Thompson 16 ) der
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Die Seidenzucht in Ravern.
123
Generalseidendirektion den Vorschlag, untentgeltlich Maulbeerbäume für die
Miiitärgärten abzugeben. Im Laufe des Jahres erliess die Generalseiden¬
baukommission abermals eine Bekanntmachung und Einladung zur Abnahme
von Maulbeerbäumen, mit dem Versprechen, die Namen der Abnehmer seiner
Durchlaucht direkt mit Namen, Stand und Wohnort bekannt zu geben. Die¬
selbe lautete:
Avertissement. Seine Churfürtl. Durchlaucht haben nur allein aus purer Vater¬
landes-Diebe mit grossen Kosten zur Jntroduction des Seidengeschäftes die herrlichsten
Seiden-Plantagen in München, Landshut und Rhain anlegen lassen; es ist so weit ge¬
kommen, dass man Baierische Seide ziehet, welche weder an Güte, noch Feine weder der
italienischen, noch französischen weichet. Doch müssen Höchstdieselbe missfälligst ver¬
nehmen, dass sich Höchstdero Stände, und Klerus nicht besser beeifern, dem Publikum
mit ihrem Beispiele vorzugehen, auch dass es an dem Eifer seiner Selbsteigenen Beamten
gebricht, also versehen sich dieselbe gnädigst, dass mau von hien an mit aller Thätigkeit
in dieses sehr nützliche Geschäft greifen und mit Plantirung der Seiden-Bäume werkthätig
anfangen werde. Daher haben sich die Liebhaber entweder bei der Churfürstlichen
Direction in München, oder bei der Oberinspektion in Landshut im Monat März oder An¬
fangs April zu melden, wie auch beide befehliget sind, die Liebhaber in ein Verzeichniss
zu bringen, damit solche in einem Konspect Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zum
grössten Wohlgefallen können vorgelegt werden.
In diesem Jahre versuchte noch die kurfürstliche Generalseidenzucht¬
direktion, einen bisher aufbewahrteu Vorrat „selbtgezigelter Seide“ von 25 Pfund
25 3 /4 Loth zu verwerten, wie sich aus nachfolgender Note ergiebt:
Nota.
„Nachdem die Cliurfstl. Hofkammerey-Commission dahier zum Beliufe des höchsten
Dienstes des Jahres mehrere PfundSeide von dem Auslande beyzu kaufen hat ; so wollte
man desselben hiemit erinnerlich machen, dass bey nachgesetztem Orte von der Erzeugung
Sr. Churfürstl. Durch! eigenen Landes-Produkte 25 Pfund 25*/♦ Lotli weisse und gelbe Zug¬
seide von bester Qualität zum Verkaufe stehe. Ob nun dieselbe hiezu vorzüglichen Bedacht
zum Erkaufe nehmen möge, will mau in Antwort vernehmen von der
Churfürstl. General-Seidenzucht-Direction München.“
not: löte« März 1790. Secr. Grosch.
Wie die Antwort gelautet, ist in den Akten nicht enthalten. Indessen
scheint die Verarbeitung der selbst gewonnenen Seide noch manches zu
wünschen übrig gelassen zu haben. Denn am 29. April 1790 übergab die General¬
seidenzuchtdirektion eine Probe der gewonnenen Seide dem kurfürstl. Seiden¬
fabrikanten Ignaz Lang zur Beurteilung. Derselbe sagte darüber aus, „dass
diese Seiden zu nichts, als zu Brocadelle, welche aber äusserst selten Vor¬
kommen, brauchbar seye, mit der Bemerkung, dass r s zu Trama, und 2 3 zu
Orgenzino gemacht seyn müsse. Zu Damast, oder Tafent wäre solche zu
grob, und also unbrauchbar.“ Sie müsste also behufs Vorwurfs besser ver¬
arbeitet werden. — Am 9. Aug. 1790 übergab die Generalseldenbaudirektion.
der kurfürstl. Hauskammerey 28 $ 1^4 Loth „Roh- und Zug-Seiden, so erst
am filatorio bearbeitet werden muss.“ Endlich wird erwähnt, dass die „wohl¬
feile“ Moratelin zu München mit geringen Kosten aus 3 Loth Eiern über
9 reine Seide im Jahre 1790 „erzigelt“ habe. Auch möge noch erwähnt
sein, dass Ende November 1790 der, in seiner Thätigkeit, wie es scheint, nie
beanstandete Maulbeerplantagegärtner Kobustull 86 Jahre alt verstarb
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124
Karl Otto Harz
Das Jahr 1791 weist eine noch geringere Beteiligung der Unterthanen bei der
Seidenzucht, als bisher, auf. Ein Handelsmann Anton Th aller in München
bittet unter dem 11. März 1791 den Kurfürsten um Gratisabgabe von Maul¬
beerlaub, da er voriges Jahr um teueres Geld nur schlechtes bekommen,
daher ein grosser Teil seiner Würmer zu gründe gegangen sei. Nichtsdesto¬
weniger habe er die meiste Seide bekommen. Im Februar setzt die General¬
seidenbaukommission den Preis für die Maulbeerpflanzen abermals herunter,
wie sich aus Nachstehendem ergiebt:
Avertissement. Bisher hat man aus den Cliurfstl. Maulber-Baum-Plantagen Mün¬
chen und Landshut, die hochstämmigen Maulbeer-Bäume von 5. und 6. Jahren, das Stück
in ersteren Jahren zu 15. und ein zeither zu 9 kr verkäuflichen angelassen; Es soll aber
nunmehr der Prevss von dieser Gattung das Stück auf 6 kr. zu stehen haben. Kenner
einer gemeinnüzigen Sache, unter welchen Besonders die lobl. Stifte und Klöster, auch
adelige Stände, und vermöglicher mit Gründen versehene Particuliers nicht erst dazu
dürfen aufgerufen werden. Hatten zwar schon einige Jahre her eine ziemliche Zahl an
sich gebracht, nun aber sich diessfals mit mehrere, und auch mehr zum Besten ihrer Unter¬
thanen Bedienen zu können, ist der Preyss nochmals gemindert worden.
Am 24^n Febr. 1791.
Churf. General-Seidenzucht-Direction München.
Jedoch erwies sich auch die neue Preisherabsetzung als vergebliches
Aufmunterungsmittel. Dagegen mehrten sich allenthalben die mutwilligen Be¬
schädigungen der Maulbeerpflanzen, weshalb der folgende „Verruf“ im Sep¬
tember 1791 erschien.
Verruf. „Seiner Churfiirstl. Durchlaucht etc. etc. haben missfähligst vernohmen,
dass die zum Besten des Staates mit viellen Kosten pflanzende Maulbeer-Bäume sowohl
in als äussere Rainparts durch muthwillige Leute theils ausgerissen, theils abgeschnitten,
und weckgehauen worden. Höchst dieselben finden sich also mehrmals veranlasset, die
in Betref der Baumfrevler bereits unterm 6 ten Febr. 1781 und 23^*11 Dec. 1783 ausgefertigte
Verruf antnit nachdrücklich zu wiederhollen, sofort jedermann bekannt machen zu lassen,
dass derjenige, welcher einem Baumfrevler an denen Allee; Strasse und Rumpart Maul¬
beer und andere zur Zier der Strässen ausgesetzten Bäumen zur Anzeige gründlich bringt,
nicht nur mit 30 fl. Reconpens auf der Stehle begabt, sondern auch sein Namme sicher
und für immer verschwiegen gehalten werden solle.“
Gegeben in der Haubt- und Residenz Stadt München
den 28t«? Sept. 1791.
Die Beschädigungen und Vernichtungen der Pflanzen hörten nicht auf
und waren so ausgedehnt, dass im Oktober 1792 auf dem Rampart allein
466 Löcher zur Wiederergänzung von eben so vielen abgeschnittenen oder heraus¬
gerissenen Bäumen gemacht werden mussten. — Der Wurmfütterer Lorenz
Seyfried Burger musste im März 1791 wegen verschiedener Unregel-
mässigkeiten entlassen werden, und an dessen Stelle kam sofort die Spinn¬
meisterin Anna Violettiu. — Da die Beteiligung, trotz der herabgesetzten
Preise für die Maulbeerpflanzen, nicht vorwärts gehen wollte, so wurden im
Juni 1792 die Pflanzen gratis offeriert, wie folgende Bekanntmachung zeigt
Avertissement. Man glaubte bisher, es dürften die Vortheile, welche Se. kurfürstl.
Durchlaucht durch Anlegung kostbarer Maulbeerbäum-Plantagen den dreien Ständen der
geistlich- adelig- und bürgerlichen Klassen zur Einführung des Seidenbaues verschafft
haben, hinreichen; wenn hieraus die nötliigen Spalier- und hochstämmigen Bäume um
einen gegen den aufgewandten Kosten gar nicht verliältnissmässig geringen Werth zu der
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Die Seidenzucht in Bayern.
125
in der Folge gewiss gemeinnüzigen Absicht des zu verhindernden Geldausflusses abge¬
langt werden könnten. Nachdem aber diesem Wunsche der höchsten Intention gemäss
bisher durch Abnahme solcher Bäume nur von sehr wenigen entsprochen worden; so wird
man, um den Zweck zu erreichen, für künftiges Frühjahr 1793 aus den Münchner- und
Landshuter Plantagen die hochstämmigen- und andere Maulbeerbäume, jedoch vorzüglich
an Städte und Märkte, dann die daruntergehörigen Bürger und Unterthanen ganz unent¬
geltlich abgeben. Es wird daher solche Entschliessung den Liebhabern des Seidenbaues
zu dem Ende öffentlich kund gethan, damit sich jeder nach Gelegenheit seines Wohn¬
ortes bei hiesiger oder der Landshuter Plantage entweder selbst, oder die Unterthanen
bei ihrer Ortsobrigkeit mit Anzeigung ihres Namens, und der Zahl der an verlangenden
Bäume in Zeiten, und zwar längst bis Ende Septembers laufenden Jahres melden, und
ein so anderes zur hiesigen Generals-Seidenzuchtsdirekzion eingeschickt werden könne,
wo sodann die Zubereitung der Baumgruben, im Spätherbst veranstaltet, auch der nötliige
Unterricht hiezu an Händen, und im künftigen Frühjahre die anverlangten Bäume ab¬
gegeben werden können.
München den 30. Juni 1792.
Kurfürstl. General-Seiden-Direkzion.
I. A. Graf von Törring-Gronsfeld.
Sekretär G r o s c h.
Die schenkweise Abgabe der Pflanzen scheint eine grössere Nachfrage
für das kommende Jahr 1793 bewirkt zu haben. Es wurden aus den Plan¬
tagen München und Landsberg zusammen pro nächstes Frühjahr 1754 Stück
Hochstämme, und 3780 Stück Setzlinge bestellt. Nach Angabe des Gärtners
Röber waren am 19. Oktober 1792 in dessen Münchener Plantage vorhan¬
den 1200 Stück 5jährige, 8000 Stück 4jährige und 30000 Stück 2jährige.
Es erklärte sich daher Herr von Goldhagen bereit, dem Tit. Zachow
auf dessen Bitte 1000 Stück Hochstämme und 18000—19000 Stück Setzlinge
nach Amberg zu schicken. Im übrigen waren wieder zahllose Klagen über
die Nachlässigkeiten der Gärtner eingelaufen, welche die Plantagen vernach¬
lässigten und, anstatt der Maulbeerbäume, ihren Kohl und sonstiges Gemüse
pflegten. Die Generalseidenbaukommission schrieb daher sub 13. Juli 1792
an den Gärtner Johann Röber:
Nachdem in der Churfürstl. Maulbeerbaum-Plantage daliier, von dem Gärtner mehr¬
mals, mehr Kräutelwerk ausgesetzter wahmimmt, als beinahe Maulbeerbäume vorhanden
sind, und Überhaupts wohl der 4*5 Theil des Gartens zur eigenen Benützung des Gärtners
mit Ärgernis eines jeden Fremden dastünde, dies unerlaubte Verfahren demselben schon
mehrfach verboten worden ist, ohne dass derselbe mehr Rücksicht nimmt, die Direktions¬
befehle zu befolgen. Dies sei jetzt sofort abzustellen, widrigenfalls der p. p. Röber sofort
unter Einziehung seines Gehaltes unwiderruflich cassiert würde.
Auch der Gärtner Fr. Karl Schneider, der die Saaten auf einem
Grundstücke auf dem Rampart und der Cottonbleiche zu besorgen hatte, pflegte
mehr Kräutelwerk als Maulbeerpflanzen. Auch liess er alles verwahrlosen.
Die losen Bäume wurden nicht mehr festgebunden u. dgl. Er erhielt daher
gleichzeitig denselben Verweis. Der sehr eifrige Handelsmann Th aller in
München erzielte im Jahre 1792 13 7 8 Pfd. Seide, 1793 8 Pfd. 12 Lot Seide,
also mehr, als die beiden Plantagen Landshut und München, welche in beiden
Jahren nicht mehr als je 8 Pfd. Seide produzierten. Man erlaubte ihm im
April 1793, alle Hochstämme auf der Cotton-Bleiche für seine Raupen¬
fütterungen zu verwenden. Der Kurat und Schulinspektor Bauthauser zu
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Karl Otto Harz
Ellenbach erbat unter dem 30. Juli 1792 Maulbeerbäume gratis, und der
Mainzer Hofrat Johann Niklas Herrtlin zu Regensburg erhielt im Frühjahr
1793 aus Landshut 3680 Stück Setzlinge und 154 Stück Hochstämme. Im
Januar und Februar d. J. erschienen abermals Einladungen, Bäume und Eier
rechtzeitig zu bestellen, wie folgt:
Avertissement.
Die Maulbeerbäume, welche sich die Liebhaber des dem Lande nüzlichen Seiden¬
baues auf das im fertigen Jahre in den Zeitungen sub dato ßosten Juni eingerückte
Avertissement bestellt haben, stehen nun nach Belieben zur Abnahme in dem künftigen
April-Monat in den kurfürstl. Plantagen München, und zu Landshut bereit. Man wird
sie sogleich unentgeltlich abfolgen lassen, sobald sich hierum eigens, oder durch Bothen
gemeldet werden wird. Actum den 3osten Jäner 1793.
Kurfürstl. General-Seidenzucht-Direktion Sekretär Grosch.
Diejenigen, welche sich heuer abermal mit der Seidenwurmzucht beschäftigen,
belieben den selbst habenden, oder noch zu erkaufen gedenkenden Wurmsaam zeitlich dies-
orts anzugeben, damit man hiernach die Laubabgabe bemessen könne.
(Anhang zur Münchner Zeitung No. XIX. Samstag den 2. Hornung [Februar.] 1793.)
Interessant ist es auch zu sehen, mit welcher Bequemlichkeit oder
vielmehr Faulheit in dem kurfürstlichen Filatorium gearbeitet wurde. Laut
Bericht vom 5. September 1793 der Generalseidenbaukommission wurden
heuer 7 Pfund 20 Loth im Filatorium von Lang verarbeitet. Hierbei arbeitete
derselbe mit 6 anderen Nichtsthuern 13 Wochen lang an der Filierung. Es
gewinnt oft den Anschein, als ob das gesamte Seidenzuchtpersonal mit wenigen
Ausnahmen sich aus einem Konsortium von Tagdieben und Betrügern zu
deren eigenem Nutzen und Wohl und zum Schaden des aerarii rekrutiert hätte.
Laut diversen Schriften vom 19. Sept., 15. Nov. und 4. Dezbr. 1792 wünschte
sich die „Churfürstliche Seidenspinnerin und Wurmfutterin Anna Violetin“
zu verheiraten. Dies geschah auch zu Anfang 1763 „mit dem Georg Lern¬
bacher, bekannt als einem in dem Fache der Schreiberei geübten Münchener“.
Sie verblieb aber trotzdem noch bei ihrer bisherigen Funktion als „Wurm-
futterin und Seidenspinnerin“. — Das Jahr 1794 war ein der Seidenzucht im
allgemeinen ziemlich günstiges. Zunächst zeigten sich bereits die Folgen der
Gratisabgaben der Maulbeerpflanzeu darin, dass von zahlreichen Privaten Eier
aus den kurfürstlichen Plantagen bezogen wurden. Nämlich für das Jahr 1794
haben folgende Particuliers Eier, das Lot zu 2 fl., bezogen oder verwendet:
Frau Gräfin Sei ns heim selbst 2 */• Loth, H. Registrator Fux selbst 2 Loth, Gold-
arbeiter W i 111 m er erkauft */* Loth (1 fl. 30 kr.) Chirurg G u g ge n b e r ger erkauft '/* Loth
(45 kr.), Frau Postsekretär Ch a ve ri n erkauft ’/a Loth (1 fl.), Geistl. Herrns Jungfer Stalt-
mayrin selbst 1 Loth, Frau Gräfin Rechberg Exc. selbst ’/* Loth, Geistl. Rath Utz
erkauft 'j* Loth (30 kr.), Pfarrer zu Ebersberg gratis */♦ Loth, Secr. Grosch selbst '/* Loth,
Archivarin Hohen-Aicliuerin selbst 1 Loth.
In München wurden 1794 3 Lot Eier ausgelegt und der Anna Violetin
und Lernbacher übergeben. Sie ergaben 112 Pfd. Cocons. Der Blätterbedarf
war 2177 Pfd. 1600 Stück Cocons wurden zur Nachzucht verwendet und
gaben 10 Lot Eier. Man bekam 8 Pfd, 4 Lot Reinseide und 5 Pfd. Floretseide.
1 Pfd. Seide ä 12 fl. = 97 fl. 30 kr. 1 Pfd. Floretseide ä 1 fl. = 5 fl. 10 Lot
Eier ä 4 fl. ~ 40 fl. Summa 142 fl. 30 kr. Einnahmen. Unkosten gehen ab
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Die Seidenzucht in Bayern.
127
61 fl. 56 kr. für Laubpflücken etc. laut Manual, somit 80 fl. 34 kr. Gewinn.
Private erzielten nach einer Zusammenstellung der Generalseidenbaukom¬
mission :
Pro Memoria. geben Seide
Mad. Tavernierc 6 Pf. Sonn ged. Galet.— Pfd. 20 Loth
Mad. Goppenberger 9*/« Pfd. S. g. Gal.1 ,, 16 „
Mad. de Hohenaichner io 1 /« Pfd. Ofen geb. Gal. 1 „ 18 ,,
Mad. la B n * de Rechberg 1 l /a Pfd. S. g. Gal.— ,, 20 „
Mad. la B« de Bruglach 1 */« Pfd. S. g. Gal.— „ 7 „
Mad. la B e Griesenbeck 4'/• Pfd. G. S. g.— „ 18 „
M. le B. Daxberg 48 Pfd. O. g. Gal. NB. v. Landshut . . 4 „ 7 „
D.t« v. Egglkofen 18 Pfd. O. g. Gal.2 „ 25 „
H. Wimmer, Goldarbeiter, 9*/* Pfd O. g. Gal. 1 „ 20 ,,
Kostjungfer Stallmayrin 18 Pfd. O. g. Gal.3 „ 8 „
(Ti) B. v. Prilmayr 20 Pfd. O. g. Gal. 2 „ 13 ,,
H. Reber 1»/. Pfd. Gal.— „ 5 */ # „
H. Musinan 2 Pfd. G.— „ 8 „
Madame Groscli 3 Pfd. 12 Loth G. . . •.— „ 28 „
Summ. 148 Pfd. 28 Loth (Gal.) Cocons gaben 20 Pfd. 21 */• Loth Seide.
Durch eine abermalige Bekanntmachung wird das Publikum auch heuer
wieder auf den Nutzen des Seidenbaues und auf die Gelegenheit aufmerksam
gemacht, Maulbeerpflanzen unentgeltlich aus den kurfürstlichen Plantagen be¬
ziehen zu können. Sie lautete:
Avertissement.
Wenn Liebhaber der Maulbeerbaum- und Seidenzucht sich jener Orte im Aus¬
lande erinnern mögen, wo solche mit der grössten Nutzbarkeit betrieben und nun sehr
ruinös gemacht worden; so dürften dieselben der diesfalsig Aufmerksamkeit willen die
weise Vorkehr des Magistrats der Stadt Landsberg (wovon das heurig 24.^ Stück des
Münchener Intelligenz Blates melireres spricht) nachahmen: umsomehr als nach der
Höchsten Willensmeynung noch für jeden Liebhaber, aus denen Maulbeer-Baum-Plan tagen
München, und Landshut die unentgeltliche Erhaltung der Bäume offen steht.
Es wird dieses zu dem end wiederholter gemeldet, damit mit Zubereithung der
Baumgruben im heurigen Herbst die Vorkehr getroffen, und im Frühjahr des März¬
monats 1795. die Bäume gross und kleiner Gathuug abgelangt und gesezt werden können.
Act. den 11^“ August 1794.
Churfürst. General-Seidenzucht-Direction
3mall in denen Zeitung, und Sekr. Grosch.
Wochenblätter, und eben so oft in dem
Intelligenz Blatt zu widerholl.
Manche benützten auch die günstige Gelegenheit, um unter dem Vor¬
wände, sich für die Seidenzucht zu interessieren, Ländereien oder Grund¬
stücke billig oder unentgeltlich zu erhalten. So machte im Frühjahr 1794
der aus Italien gebürtige, jetzt als Bürger in München ansässige Franz
Anton Thaller dem Kurfürsten den Vorschlag, ihm mit i2jährigem Kon¬
trakt und mit der jährlichen Assignation von 6300 fl. die beiden Plantagen
Landshut und München ganz zu übergeben, und will er innerhalb dieser Zeit
jährlich 80 Pfund reine Seide liefern. Auch will er jährlich Waisenkinder — 24
in Landshut und 24 in München — 3 Jahre nach einander, somit 144 Waisen¬
kinder unentgeltlich in der Seidenzucht unterrichten. Dieses Anerbieten wurde
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Karl Otto Harz
aber nicht angenommen. Joseph Ludwig Wolf, Hofkammerrat zu
München, erhielt laut Dekret vom 22. August 1794 und 5. September dess.
Jahres ein Grundstück vis-a-vis der Gemäldegalerie zwischen dem tit.
v. Burgero und P. P. Theati 11 er-Garten bis an den Bach und äusserste
Bastions-Spitze gelegenen Rampart, auf bodenziusiges Eigentum zur An¬
legung eines Gartens huldreichst verliehen, doch mit dem Beding, in diesem
Garten für immer 47 Stück Maulbeerbäume je und allzeit auf seine Kosten
zu ziehen und nutzen. So gelobte er und versprach für sich und all seine
Erben und Nachkommen. (München, den 29. Sept. 1794.) Hofkammerrat
V. Kreuner, 17 ) sowie Hofschauspieler Heigel 18 ) bekamen beide huldreichst
ansehnliche Grundstücke auf dem Rampart im Jahre 1793 verliehen, wofür sie
nur die Verpflichtung hatten, für sich, ihre Erben und Nachkommen eine
bestimmte Anzahl von Maulbeerbäumen auf eigene Kosten zu unterhalten.
Sonach Unterzeichnete v. Krenner den 17. März 1794 einen Revers, in dem
er sich zur Haltung von 57 Stück Maulbeerbäumen verpflichtete. Aber auch
einige unangenehme Ereignisse kamen in diesem Jahre vor. So wurden die
Pflanzungen des Johann Baptist Musinan zu Rosenheim im Juli 1794
mutwillig total zerstört. Ferner wurden am 28. Juni 1794 im Filatorium
nach Anzeige des Seidenfabrikanten L a n g sämtliche Fenster eingeworfen und
am 20. Oktober 1794 sogar Feuer gelegt, jedoch der dazu zwischen Holz ge¬
legte angebrannte Lappen noch im richtigen Moment aufgefunden. Am
13. August 1794 erklärte der Seidenfabrikaut Lang, dass er die Direktion
wegen allzugrosser persönlicher Opfer an Zeit und Auslagen niederlegen
wolle. Nachdem sofort Inventar aufgenommen und richtig befunden worden,
wurde die Enthebung genehmigt und das Filatorium geschlossen. Franz
Altmutter, Seidenzeug- und Seidenbaud-Fabrikant betrieb hierauf laut Dekret
d. 2. Jan. 1795 die Sache auf eigene Regie, d. h. er durfte im Filatorium
wohnen und bekam am Feigengarten einen Platz geschenkt zur Erbauung
einer eigenen Fabrik. — Das Jahr 1795 bringt nichts ausser der Mitteilung, dass
Inspektor Zachow die ihm s. Z. im Münzgebäude gnädigst angewiesene
Wohnung, für die er seit einigen Jahren auch 25 Gulden Miete zahlen musste,
wieder zu räumen genötigt war. Auch erlässt die Generalseidenbaukommission in
gewohnter Weise wieder einen Aufruf an die Interessenten, rechtzeitig Pflanzen
und Eier zu bestellen. Im folgenden Jahre 1796 beginnen wieder Klagen gegen
einen nachlässigen Gärtner. Es wird nämlich am 17. März 1796 der Seidenober¬
direktion zu München vom Sekr. Grosch die „gehorsamste Anzeige“ gemacht,
dass trotz mehrfach vorangegangener mündlicher Ermahnung der Maulbeer¬
plantagegärtner Reber in der Maulbeerplantage nichts mehr leiste. Seit
Oktober 1795 habe er die Maulbeerpflanzeu nicht angesehen, und seine Haupt¬
beschäftigung sei, „eigenes Interesse zu befördern, nähmlich botanische Pflanzen
zu ziegein (das sind Wirschich, Kolrabi, Salat und dergleichen mehr), die
Spalier zu kassieren, um Holz zu bekommen, wie ausser dem von ihm schon
alle Baumstangen, Spalier Geländ, und Steken zusammengerafft und verbrennt
worden.“ „Die Tagwerker müssen nicht nur für ihn täglich in seinen Müst-
bethern, Kreidlwerke, sondern auch die Obstbaum zögligeti: ist ja sogar in
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Die Seidenzucht in Bayern.
129
fremden Gärten auf mehrere Stunden mit dem Plantage Schanzzeig arbeiten,
welcher dermal nicht mehr nach dem Inhalt des Infentary zum 4. Teil vor¬
handen: sondern ganz zusammen gerakert ist.“ „Da nun meine hundertfach
vorausgemachte Wahrnemungen und Weisungen von ihm Gärtner nur ver¬
höhnt, verlacht und verspottet worden, und er im übrigen treibt was er will,
auch ganz ohne Scheu weisslich spricht, dass in der Plantage nichts mehr
wachsen, sondern alles verderben soll, und er vielmehr mit Respek, auf alles
sch . . . ., so bin ich gezwungen, auch diese Punkten noch weiters unter¬
tänigst anzuzeigen“ u. s. w. München, den 17. May 1796. Grosch.
Zu diesen Mitteilungen dürften weitere Kommentare überflüssig sein.
Diesen Verhältnissen entsprechen auch die Zustände der Plantagen. Den 17. Juni
1796 übergiebt das H. Direktorium für Seidenzucht dem Kameral-Präsidio eine
Zustellung über den schlechten Zustand der Maulbeerbaumplantage. Ein den
9. April 1796 abgeschickter Kommissar konstatierte bereits, dass der grösste
Teil der Spaliermaulbeerbäume total erfroren, die übrigen durch Frost sehr
stark gelitten haben. Den 17. Juni 1796 macht Grosch den Vorschlag, auf
die Plantage nichts mehr zu verwenden, da alles Geld dafür hinausgeworfen
sei. Eine am 15. Juli seitens des Gen.-Direkt.-Sekr. Grosch vorgenommene
Visitation ergab: 1. Die Spaliere und Hochstämme waren nicht gereinigt, meist
abgestanden. 2. Alle „Stück“ (Beete) waren voll Disteln. 3. Befanden sich in
den Bosquets, anstatt der Maulbeerbäume, Obstbäume gesetzt. 4. Hatte der
Gärtner seinen ihm zugewiesenen Grund zu seinem Nutzen eigenmächtig ver-
grössert. 5. Es war ein unerlaubtes Glashaus vorhanden. 6. Vor dem Haus
waren 4 (für die Maulbeerzucht bestimmte Beete) Stuck unbesetzt, u. s. w.
Die Folgen dieser Visitation zeigten sich in nachstehender Nota.
Bei heutig gemachter Unterschrift der Wochenzettel ist mir von Sr. Kxcellenz Herrn
Präsidenten aufgetragen worden, die ferneren Arbeiten auf dem Rampart sowohl, als auch
in der Plantage gänzlich eiuzustellen, sohin sämtliche Tagwerker abzudanken.
Welches hieinit denen titl. H. H. Excellenzien und Gnadeu auch zur Wissen¬
schaft gehorsamst vortragt.
München den 30^“ Juli 1796. Grosch, Secr.
Goldhagen,
v. Kretz.
In diesem Jahre hatte auch der früher schon mehrfach als guter Züchter
erwähnte, aus Italien eingewanderte Fr. Antonius Tha 11 er, bürgerlicher
Handelsmann, zum fünften Male eine Eingabe an den Kurfürsten gerichtet,
um ihn aufmerksam zu machen, „dass trotz einer Ausgabe von jährlich
6300 fl. in München und Landshut nur 3—4, höchstens 6 Pfund Seide er¬
halten werden. Das könnte er fast nimmer mit ansehen“. Er meint, diese
Resultate können auf Particuliers wenig Reiz ausübeu, die Sache selbst zu
beginnen. Das Beste wäre, wenn man ihm die 6300 fl. für 12 Jahre zur
Verfügung stellte, wofür er jährlich 80 Pfund Seide zur höchsten Disposition
einzuliefern vermöge, und alle 3 Jahr in München 24 und zu Landshut auch
24, mithin in 12 Jahren 192 arme christliche Kinder zur Seidenzucht abzu¬
richten. Er meinte, seine kurfürstl. Gnaden müssten mindestens 1000 fl. ge¬
winnen und die grosse Freude haben, dass so viele arme Kinder ihre Unter-
Bayer. Forschungen, VII, 2 9
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130
Karl Otto Harz
kunft durch Seidenbau gewinnen. Das Gesuch wird abermals abgelehnt, da
man doch einsah, dass 80 Pfund Seide und der Unterricht während 6 Wochen
an arme Kinder für 6300 fl. zu teuer erkauft wäre. Vom Jahre 1797
ist nachfolgende Rechnungszusammenstelluug erhalten, wobei unter „Ein¬
nahmen“ nicht etwa Bezüge aus verkaufter Seide oder der Erlös aus Pflanzen,
sondern die vom Kurfürsten genehmigten ärarischen Gelder verstanden
sein wollen. Eine Rechnungszusammenstellung der „churfürstl. gnädigst an-
geordneten Seidenzucht und Maulbeer-Baum Plantage Directions Cassa-Rechnung
de anno 1797“ ergiebt u. a. Folgendes:
Kinn ah men.
Rest vom vorigen Jahr.1056 fl. 7 kr. 1 Pf.
Jährlich bestimmt.3000 „
Seit 1783 gnädigst aus dem Ertrag der accise ein
jährliches Aversum von.3000 „
Für Maulbeerbäume, welche jetzt nach gnädigster
Willensmeinung gratis abgegeben .... Nihil
Für Maulbeersamen.Nihil
An verkauften Wurmsamen. 8 „ 30 „
Für erzieglet und verkaufte Seiden.Nihil
Von der Landsliuter Plantage.Nihil
7064 fl. 37 kr. 1 Pf.
Ausgaben (Besoldungen).
Rcchnungsführer mit 70 fl. Zulage.230 fl.
Spinnmeisterin Lern ba eher in 300 fl. Gehalt nebst
Zulagen.350 „
Johanna Feserin, Spinnmeisterin, zu Landshut . 150 „
Friedrich Zachow zu Amberg.326 „ 15 kr.
Ignaz Dürr, Gärtner der Plantage Landshut . . . . 331 „ 10 „
Johann Röber, Plantage München.353 „ 40 „
Fried. Schneider, Rampart Gärtner.376 „ 10 „
Bot Wolfg. Reithmayr.2 4 „ — „
2141 fl. 15 kr.
Taglöhner in der vor dem Neuliauser Thor belegenen
Plantage.243 fl. 21 kr.
Gebäudeunterhalt.73 „ 39 „
Rampart u. Cotton-Bleich-Taglöhner.133 „ 22 „
Gebäude der Plantage Landshut.224 „ 48 „
Erziegluug der Seidenwürmer München und Abhaspeln
der Seide.12 „ 14 „
Filatorium und Incanatorium.Nihil
Landshuter Seidenzucht.Nihil
Erkaufte Maulbeersamen.Nihil
Erkaufte Wurmsamen.Nihil
Jährliche recompens- und Reis-Deputate.
Kanzler v. Goldliagen.140 fl.
Al. v. Hofstetten, geh. Rath (t 1797).210 „
(Derselbe in diesem Jahr zuviel erhalten, auticipirt etc.)
Hofkammerrath v. Kretz .140 „
Sekr. Grosch.70 ,,
Summa der Recompens 560 fl.
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Die Seidenzucht in Bayern.
131
Ablösungs-Zinsen, Abzahlungen u. s. w.2720 fl. 48 kr.
und endlich sonderbare Ausgaben . 47 „ 33 „
Somit Gesammteinnahmen ....... 7064 fl. 37 kr.
Somit Gesamintausgaben.6157 „ — ,,
Somit Restieren 907 fl. 37kr.
Sehr bezeichnend für die damaligen verlotterten Zustände ist auch der
folgende Vorfall. Sekretär Grosch wohnte von 1786 an im kurfürstl. Maul¬
beerbaumgarten und hatte dabei die Aufsicht sowohl über diesen, als die
darin befiudlichen kurfürstl. Gebäude zu führen. Im April 1797 verliess er
diese Wohnung, um sie mit einer in der Stadt gelegenen zu vertauschen.
Die Plantagewohuung wurde jetzt dem Zahlschreiber Nacht mann zuge¬
sichert. Zuvor aber zog rasch Gärtner Reber in die Groschsche Wohnung,
ohne Erlaubnis erholt zu haben. Laut Direktionsschreiben vom 12. Mai 1797
musste er sie aber sofort wieder dem Nacht 111 an 11 einräumen. — Das bisher
geringe Interesse für die Seidenzucht ist im Jahre 1798 ganz erkaltet. Die
schweren Kriegsjahre machen sich auch nach dieser Richtung hin geltend.
Nur der kurfürstliche Salzamtskoutroleur Pachmayr zu Landsberg bittet
um 50 Stück wenigstens 7 Fuss hoher Maulbeerbäume gegen Bezahlung;
und am 3. Oktober 1798 macht der Gärtner Röber bei der Generaldirekton die
„gehorsamste Anzeig, dass von denen 3 Passeing (Bassins) in der Plantage
die Bleyerne w r asser Rohr nebst den Medallern Aufsäzlen in der gestrigen
Nacht abgedräht und entwendet werden seyen, eine Begebenheit die sehr
auffahlent und viel zu denken übrig lässt!“ — Im Jahre 1799 entschied sich
endlich das Schicksal der Seidenzucht in Bayern für das 18. Jahrhundert.
Eine in sich unmögliche Sache, noch gehemmt durch grossenteils unfähiges,
dabei noch lässiges, träges, gewinnsüchtiges Personal und alle möglichen
unzweckmässigen Anordnungen, Einrichtungen u. dgl. mussten sie endlich
zu Fall bringen. Am 8. Januar 1799 stellte Oberst Hallberg vom kur¬
pfalzbayerischen Artillerieregiment an den Hofkammerpräsidenten, Reichs¬
grafen Exc. J. Aug. von Törring und Gronsfeld, zu Jettenbacli etc. das
Ansuchen, einen Teil des im Hof garten gebäude befindlichen Filatoriums zu
Schulzwecken füf das Regiment zu räumen. Diesem Gesuch wurde alsbald
entsprochen. Unter dem 27. März 1799 erschien endlich das längst erwartete
höchste Reskript:
„Da die in Bayern mit grossen Kosten errichtete Seidenzuchtanstalt den erwarteten
Erfolg keines wegs gehabt hat, so haben Seine Kurfürstl. Durchlaucht gnädigst befohlen,
diese Anstalt gänzlich aufzuheben und noch zur Zeit blos die ausserhalb dem Rampart
nächst der Kasernen befindliche kleine Plantage nebst den um die Stadt herumstehenden
hochstämmigen Maulbeerbäumen zu behalten. Die zwei grossen Gärten hier und zu
Landshut aber ohne weiteres verkaufen zu lassen.“
Die kurfürstl. Hofkammer befahl alsbald de dato 5. April 1799 die
Münchener und Landshutischen Maulbeerbaum gärten durch öffentliche Ver¬
steigerungen Kaufliebhabern zu überlassen, w r omit auch die auf erstem liegenden
5325 fl. zu 4 Prozent vorhandenen Kapitalien zur Übernahme bestimmt an¬
offeriert worden sind.
9 "
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132
Karl Otto Harz
In einem Aktenstück vom Jahre 1806 wird darauf hingewiesen, dass
nunmehr in Bayern von den früheren vielen Bäumen nur noch einzelne ziemlich
grosse Mori auf den Wällen von L,andshut und München vorhanden, die aber
ohne Pflege und Benützung sich selbst überlassen, also sehr verwahrlost sind.
Als eines der letzten Inventarstücke aus der zweiten bayerischen Seidenperiode
figuriert in den Akten noch der Gärtner Friedr. Karl Schneider. Er
wurde 1755 angestellt, kam 1785 nach München in die Maulbeerplantage,
dann nach Burghausen, von dort nach Rhaiu bei Straubing in die dortige
Plantage und schliesslich wieder zurück nach München. Am 27. März 1799
nach 2 7jähriger Dienszeit entzog man ihm die bis dahin bewilligten Holz-,
Zins- und Kleidergelder per Jahr 76 fl. 10 kr. von 1799 aufangend, dieser
Verlust ist, wie er in einer Eingabe an den Kurfürsten d. d. 7. Dezbr. 1801
sagt Jetzt bei dermalig unverinesslich theurer Zeiten um so empfindlicher,
als selbst die Beylage weiset, dass ich mit meiner Familie nach der strengst¬
und eiugezogensten Wirthschaft und ohne nötiger Kleidung mit denen noch
geuiesseuden jährl. 300 fl. doch unmöglich aus langen, viel weniger meine
Schulden bezahlen könne.“ Er fügt seiner Eingabe bei eine
Specification Unentbehrlich täglicher Ausgaben.
Für Fleisch . .
Brod . . .
Gemüss . .
Grünes . .
Schmalz . .
Mehl . . .
Salz . . .
Milch . . .
Bier . . .
Schuupftobak
Rassieren
Licht . . .
Hauszins . .
Holz . . .
— fl.
14 kr.
6
5
1
3
12
2
2
8
5
Pfg. — Hell.
Pf
Summa 1 fl. 2 kr. 2
Hier ist also noch keine Kleidungsstück dabey und beläuft sich die Summa
jährlich auf 380 fl. 58 kr.
1 Hell.
Hierauf erfolgt Bescheid: Supplicant hat sich mit der ihm bewilligten
Pension von 300 fl. zu begnügen. München d. 16. Dezbr. 1801.
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Quellennachweise.
1) Die sämtlichen Archivalien stammen aus dem kgl. Kreisarchiv zu
München.
2) S. über ihn Forschungen III, 152.
3) S. über ihn ebenda III, 154.
4) Mayr, Generaliensammlung. München 1771. § 23. S. 457.
5) Unter seiner Regierung kam die Seidenzucht in besondere Gunst. Vgl. dies¬
bezügliche Erlasse im Intelligenzblatte 1778 (No. 23), 1783 (No. 7), 1784 (No. 27), 1786
(No 40), 1787 (S. 389), 1791 (No. 19), 1792 (No. 31), 1794 (No. 43), 1798 (No. 35) u. a.
6) Wohl der Jesuit Hermann von G. (1718—1794. Allg. D. Biog. IX, 333).
7) Joh. Gg. Dominikus L. 1714—1787. (Allg. D. Biog. XVIII, 659).
8) Zirtigibl, Geschichte des Bayer. Handels. 4. 1817; in Mayrs Gen.-Samml.
Bd. III No. 39 u. 41. Doch ist hier der 28. Dezember angeführt.
9) M a y r G. K. Sammlung der Kurpfalzbaierischen allg. u. besond. Landesver¬
ordnungeil. Münch. 1788 III, 448. 449. — Münchener Intelligenz-Blatt 1783 (No. VII.
S. 61. 62. 8. Febr.).
10) Vergl. Forschungen VI., 81, 84. 86. 117.
11) Die Landwirtschaft in Bayern. Münch. 1860 S. 801.
12) Johann Jakob D. (1741 —1813), gefeierter Maler. (Allg. D. Biogr. V, 354).
13) Seit 1. Februar 1797 Hofmarksherr und Gutsbesitzer auf Lixenried und
Bogen (B.-A. Waldmünchen), wo sein (bereits am 22. Mai 1798 erfolgter) Tod und die
Ungunst des Klimas die von ihm geplante Seidenzucht unmöglich machte.
14) Nach wiederholten Eingaben und Bittschriften erhielt Prillsauer laut Dekret
vom 10. Febr. 1S04 „vom Januar 1804 an ein jährlich Almosen von 36 Gulden aus dem
Hofalmosenariatsfond. — ist 76 Jahre alt.“
15) Am 25. August 1791 werden den Gärtnern noch 45 Gulden Zins und 18 Gulden
40 Kreuzer allergnädigst gewährt, — und im Mai 1793 werden denselben „wegen des
seit einigen Jahren beträclilich steigenden Holzpreises“ jährlich noch 30 Gulden Holzgeld
bewilligt.
16) Rumford, der (1789) den englischen Garten anlegte. (1753 —1814). Vgl.
Jahrbuch für Münchener Geschichte III, 41. Anni. 8 u. S. 52. — Pleickliard Stumpf.
Denkwürdige Bayern. Münch. (1865) S. 294—296. — Allg. D. Biogr. XXIX, 643—655.
17) S. Forschungen III, 150. A. 189.
18) S. Forschungen V, 200, 203. A. 22.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl.
Von
Michael Döberl.
I. Ausgewählte Aktenstücke.*)
I. Wien 1666 Oktober 6. Kaiser Leopold I. an öxl.
ff^ieber Öxl. Mir ist aus Eurem allerunterthänigsten memorial re-
ferirt worden, wasmassen mich Ihr allergehorsambist erünnert und angelangt,
das diploma wegen Euer und der Eurigen erhebung in den ritterlichen reichs¬
adelstand, dessen ich Euch zu Frankfurt bei meiner erwöhlung durch ein
aigenes haudbriefl vertröstet, gehöriger massen ausfertigen zu lassen.
Gleichwie ich nun, was ich mich gegen Euch damalen erklärt habe,
ganz wol erünnere, also solte es auch an der expedition des berürten diplo-
matis nicht ermanglen. Demnach ich aber in fernere consideration gezogen,
welcher gestalt Ir nicht allein in derienigen treuisten devotion, die Ihr
gegen mir und mein erzhaus, ingleichen gegen meines freundlichen lieben
vetters des churfürsten in Bayern L d und dero churhaus, sonderlich bei au-
gedentem Wahltag erwiesen, bishero beständig und rhumblich continuirt, sondern
auch Euch seit der zeit umb das gemeine reichswesen mit Euren erspriesslichen
cousiliis, aufrichtigen actiouibus und vilfeltigen grossen bemuehungen noch
weiters in vil weg sonders wol verdient gemacht: als hab ich mich ferner
aus aigener bewögnus von Selbsten entschlossen, zu bezeugung meiner gegen
Euch tragender beharrlicher genedigsten gewogenheit, Euch, Eure eheliche leibs¬
erben und naclikommen noch mehrers zu begnaden und in den reichsfreiliemi-
stand zu erheben. Allermassen hiemit in craft dis beschicht, will auch die Verord¬
nung thuen, damit hierüber das gehörige diploma in bester formb nach Euerem
belieben aus meiner kais. reichshofcanzlei förderlich ausgefertiget und Euch
hernegst zuegestelt werde. Mich wol versichereud, dass besagt meines vettern
des churfürsten L (1 solches Euch als dero und ihres hauses altem getreuen
diener umb sovil mehr gern gönnen und zu gefallen aufnemen werden, weilen
es ihrer L d selbst zu respect und ehren geraicht und von mir auch genedigst
gemeint ist. Welches ich Euch entzwischen zu Eurer nachricht und Versicherung
*) Ich schicke aus äusseren wie inneren Gründen diese ausgewählten Aktenstücke
der Darstellung voraus. Letztere folgt als zweiter Teil. — Die Aktenstücke sind, soweit
sie nicht einen besonderen Vermerk tragen, den Personalakten Öxls im Münchener Kreis-
arcliiv H. R. f. 250, nr. 446 entnommen. Ihre Veröffentlichung erschien mir um so dringen¬
der, als sie zum teil in einem sehr schadhaften Zustande sich befinden.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
135
hiemit zu wissen machen wollen. Bin und verbleibe Euch anneben noch für-
ders und iederzeit mit beharrlichen kaiserlichen gnaden sonders wol gewogen.
Geben in meiner residenzstatt Wien den 6. Octobris a 1666.
Leopold.
2. Wien 1666 Nov. 4. Obersthofmarschall Hermann Egon von Fürstenberg an
Vizekanzler Kaspar Schmid.
Wohledler, hochgelehrter, insonderst vilgeehrter, geliebter herr vicecanzler.
Was der bischof v. Strasspurg für eine abschrift des bischofen v. Frey¬
sing an Churcöln abgangenen schreiben communicirt, gibt die beilag. Und
demnach ain und anderer passus darinnen, die wohl zue merken und des
bischofen v. Strasspurg mainung nach ich und er darunder verstanden, ich
aber mainen heim vicecanzlern nit gar auch darvon exempt halten thue: als
consoliert mich gleichwohlen dises, dass in aller diser Überlassung bewusster
stücken nichts anders gethan als was Churcöln nuzen erfordert und meines
g. herni intention gewest ist, mich auch die Freysingische gnad oder ungnad
so vil nit anfechten thuet. Man sicht gleichwohlen, dass leit vorhanden, die
so guet sein könden ain und anderen in Unglück zue pringen und zue deni-
griren sich befleissen, nit wissend, ob diser brief eben von demienigen Ursprung
körnen möhte, von welchem mir der Curcölnische caminerdirector Widtman
apertur gethan.
Alliier spilet unser h. Öxel ain andere comedie. Und als ich den
sambstag alhier angelangt, bin ich alsobalden den sontag danif von h. prob-
sten v. Andrimont mit mehrern berichtet worden, wasgestalten D r Öxel
dreimal bei ihro ks. Mt audienz gehabt und zuem andermal zue dero berufen
worden, dabei er dan sowohl mit mereren mündlich, dan auch hernegst schrift¬
lich, nit weniger hernach beim Fürsten v. Lobkowiz angepracht, wasgestalten
ich alhie, ingleichen D r Barbier und Leydele (!) in kurzen anlangen
werden, man werde zwar underschidliche Sachen anpringen, die er erzehlt, so
guet ers gewust hette, dises aber seie nur für ain schain und spiegelfehtuug.
Das rehte secretum seie, dass man auf aller weis und weeg die landesfürstl.
obrigkeit über die grafschaft Neuburg am Inn haben wolle. Item k. Mt und
der first v. Lobkowiz hette sich bei Waldthuru sain lebtag nit zue ver¬
sichern, sonderen seie allain pro forma beschehen, als man beede obligiren wolte.
Die resolution und gegebenen bescheid hat er, nit weniger alle zwischen h.
probsteu v. Andrimont und meinem h. vicecanzler gethane schreiben, die er
mehrenteils copeilich sambt dem protocoll der gehabten conferenz beigelegt,
und alles ganz sinistre und malitiose glossirt. Hingegen zur erzeigung seines
gegen i. ks. Mt und dem firsten v. Lobkowiz tragenden eifers und treu
ain schriftliche instruction aufgesezt, wie die Bömische canzlei und i. ks. Mt
selbsten ihre iura wegen Waldthurn zue manuteuiren. Ja er hat sogar die
formalia, die i. ks. Mt schriftlich an meinen g. herrn abgehen lassen möchten,
vorgeschriben.
Unser hof und ministri seind von ihm durchgehend i. ks. Mt describirt
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136
Michael Döberl
und dabei meiner und des h. vicecanzler dises bedacht worden, dass wir die
ergeste Widersacher des löbl. haus Österreich weren. Er hab auch sogar
mit weinenden äugen i. ks. M t geklagt, dass er allain dessentwegen bei
i. kf. Dt nichts gelte und von hof persequirt werde, weilen er gar zue sehr
und zue guet kaiserisch, und was dergleichen mehr seind und ich nit alles
erfahren können.
Dises alles hat h. probst Andrimont mich avisirt und vermeldet, dass
er seine schriftliche relation und instruction, wie oben gemeldet, selbsten in
handen gehabt und gelesen, dem firsten v. Eobkowiz aber wider restituiren
müessen.
Wie sehr nun mich dise sach erfreuet, ist leichtlich zu erachten.
Und gleichwie mit Überlassung Waldthurn man nichts anderes gesucht als
i. ks. Mt und den fürsten v. Eobköwiz zu obligiren, also hat diser böse
pflichtvergessene gesell gesuecht mit seiner malitiosen relation alles zu ver-
dunklen und aufzueheben. Nit weniger wird der cammerpresident, dessen
man doch aniezt wegen des salzwesen am maisten von nöten, högstens offen-
dirt, dass man ihm mit gewalt die grafsschaft Neuburg abtrucken und die
landesfürstl. obrigkeit haben wolle. Drausen wohl zu schliessen, was dise sach
für affcct gehabt und wie es die gemüeter disponirt habe.
Das nägste, was ich iezt thue, ist allain, dass dises imprimirte concept
als ain erdichte falschheit wider mit gueter mauier den ministris benommen
werde. Bei dem fürsten v. Lobkowiz hab ich schon mein intent erhalten,
der ihn dan gegen mir mit dem titel aines erzschelmen zweimal verehrt und
gemeldet hat, er könte ihn uf seine actiones von Regenspurg und Frankfurt
hero gar zu wohl, ueme ihn wunder, dass man denselben hiehero gelassen,
man solte solchen auf eine pfleg im laud von Bayern thuen und sehen, dass
er keinesfals hin wegen könte, sonsten er böse händel anfangen möchte. Weiters
hab ich nit mehr aus dem firsten dermalen pringen köndten.
Wie ich nun auch durch den anderen puncten i. ks. Mt recommen-
diret worden, indem es von ainem Churbayerischen geheimben ratscanzier und
mit solcher emphasi beschehen, was ich darvon für nuzen oder schaden in
meinen particularis zue empfangen, nit weniger wi hoch i. kf. Dt guete dienst
bei hiesigem hof zue leisten bei meiner anwesenheit accredirt worden, ist
leichtlich zue ermessen.
Mich verwundert aber solches desto weniger, als er es unsern g. herrn
selbsten nit besser gemacht, weilen dieselbe beim dritten puncten ex conse-
quentia nit fir guet kaiserisch ausgeschrieben worden, indem er als guet kai¬
serisch nit geachtet sein solle. Ich hab von diseu leichtfertigen vorgeben zu
Frankfurt schon mit meinen hegsten schaden vil persecutiones leiden müessen,
deren ich mich aber ferners zu underwerfen nit mehr gesint, und verhoffe,
i. kf. Dt werde hierin mir solhe pilliche satisfaction geben lassen, damit ich
und ain anderer ehrlicher man in diensten verpleiben kann.
Ich hoffe und hab Vertröstung, dass der Andrimont mir des Öxels
aigtie hand und Schriften zue wegen pringen werde, so ich gleich mitpringe
und überschicke, alsdan er desto besser convincirt und vernommen wird werden
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 137
köndten. Das ist auch köstlich gewesen, dass er von i. ks. Mt begert, man
solte den probst v. Andrimont von hier wochen 4 oder 5 hinwegschicken
oder doch ex officio silentium itnponiren, so i. ks. Mt Selbsten uit gefallen,
aber sein lamentiren und weinen gleichwohlen so vil verkosart hat, dass es
böse impressiones gemacht und zue thun haben wird durch ministris, wie es
zum teil beschehen, selbige wider zue divertiren. Es heisst „calumniare au-
dacter; semper aliquid haeret.“
Der first v. Eobkowiz und alle, die davon wissen, haben sich recht
über dies maus untreu formalisirt, indeme er gegen saines herrn interesse und
seine pflicht so weit öffentlich und schriftlich herausgelassen. Und hat der
first dem Andrimont befohlen dem Öxel zu verstehen zue geben, man
höre zwar die spiones an, aber für ihre personen seien darumben nit desto
lieber. Mir ist nur umb i. ks. Mt (?) und camerpresident, die disen vögele nit
reht können und für einen ehrlichen man halten, also ihro gewohnheit nach
die impressiones sinistras nit gern fallen lassen möchten.
Er Öxel gibt vor, dass er künftigen montag oder erchtag von hier
verreisen werde. Ich aber zweifle sehr daran, derowegen nit bös were, wan
i. kf. D fc denselben avocirten; dan sonsten ainmahl dero interesse darunder
leiden wird. Das schreiben könte h. Barbier uberschickt und entweder, wann
er noch hier, ihme vom selbigen aingehändiget oder, wan er verreist, wider
zurückgeschickt werden.
Ich hab mich in meinem schreiben au i. kf. Dt auf Deroselben referirt,
hette Dero die sach in substantia vorzupringen, weilen dises schreiben in
hegster eil und confusion verfertiget und propter iudignitatem rei sine motu
animi nit vil darvon melden kan. In dem salzwesen hab ich guete hoffnung
und könte mehr melden, wan dise lumpenhändel nit darzwischen kotnen.
Wien den 4. Nov. 1666.
Verpleibe etc. Herman Egon v. Fürstenberg.
PS. Wan i. kf. Dt das vicethumbatnt zue Straubing ersezen wollen,
wüsste ich in meinem gewissen auf dem ganzen land keinen tauglichem als
den gf. v. Preysing im Mooss.
3. Wien 1666 Nov. 4. Kanzler der Regierung Landshut Dr. Johann German
Barbier an Vizekanzler Kaspar Schmid.
Wohledler und gestrenger hochgeehrtister herr vicecanzler.
Was der Öxel vor sauber händel alhier angericht und gesuecht unsere
negotiation auf alle mitl und weg zu hindern, werden i. Excell. der h. gf.
v. Fürstenberg sowohl i. kf. Dt als meinem hohen g. herrn überschreiben.
Weil aber derselbe etwas kurz dardurch gehen 4 missen, hab ich die parti-
cularia berichten wollen, weliche ich von hohgedachten h. gf. v. Fürsten¬
berg vernomen.
J. kf. Mt hat er Öxel in gehabter Audienz mit weinenden äugen ge¬
klagt, dass er bei i. kf. Dt allein der Ursachen nit wol angesehen und in
gnaden stehe, weil er gar zu guet kaiserisch seie, dahingegen der h. gf.
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138
Michael Döberl
v. Fürstenberg und mein hoher g. herr, weliche ihue am meisten perse-
quiren, der Französischen faction ergeben seien. Dem v. Lobcowiz hat er
vergebilt, die gnad, so ihme wegen Waltthurn beschehen, seie ein lauter
spiglfechtung; dan, weilen in diser cession seiner person allein gedacht worden,
köne man dieselbe nach seinem tod pro libitu retractiren und zurucknemben.
Dem camerpresident hat er vorgesagt, i. kf. Dt seien genzlich resolvirt die
landesfürstl. hohe obrigkeit bei Neuburg durchgehend zu behaubten. Man solle
uns zweien nit trauen, weil wür arge vögl, ja er soll sogar schriftlich von sich
gegeben haben, wie uns in unsern pretensionibus zu begegnen sein mehte. .
Wan nun dises sich also wahr sein befündet, würd der Öxl ein schwere
Verantwortung haben; ich hab mir leicht einbilden können, dass er uns werde
tricas machen. Dass er aber sich so weit vergessen und ex professo wider
i. kf. D fc interesse agiren sollte, were mir nie zu sinnen körnen. Scheint,
dass ihne gott der almechtige villeicht aus verdienter straf wegen seiner
gegen iederman practicirten falschheit fallen lassen. Das seint rehte schelmen-
stück, die einem geheimen ratscanzier, welicher erst iüngstlich von meinem
g. herrn so vil gnaden empfangen, gar wohl ansteheu.
I. Excell. gf. v. Fürstenberg haben genueg zu thun, dass sye
i. ks. und dero ministris das ungleiche concept benemben, zumal sye durch
den Öxel recht alien und perplex gemacht worden. Das beste ist, dass die
ks. hohe ministri seinen genium ziinblich kennen. Dixerunt, sye hören die
Spionen zwar gern, ihn thuens aber hassen. Der von Lobcowiz hat ihm
das praedicat geben, er seie ein schelm in der haut.
Mich hat er vorgestert mit einem rausch besucht und gesagt, dass er
bei i. ks. Mt drei Sachen negotirt habe: wie das diploma wegen des adelsstand,
damit er der von i. kf. Dt gegebenen edlmansfreiheit genüessen kone; 2. pri-
mas preces uf ein canonicat vor seinen iüngsten sohn; 3. kaiserlichen dienst
vor seiner iüngsten tohter liebsten, weil sich dieselbe in Bayern nit verheu-
raten wolle. Sonst hat er imerdar gesprochen, dass man seine dienst als
eines 38iahrigen dieners so gar nit mehr achte, es seie auiezo eine rehte zeit
beim ks. hof pretensiones zu stöllen. Dan weil i. ks. Mt voller freid, werde
es gleich heissen: fiat. Ich hab ihm darauf nichts geantwort, auch noh nie¬
mals besucht, thues auch noh nit gedenken. Nunmehr ist er mir ganz fail,
weil er so gar untreu gegen meinen g. hern ist.
Bei solicher beschaffenheit könte kein ehrlicher man etwas nuzlichs
negotireu. Es ist des h. graven anwesenheit wol unser grosses glick. Dan
sonsten wurden wür von allen über zwerch angesehen worden sein, unwissend,
wo es herkome.
Wegen unser Unterhaltung erwarten wür wol mit verlangen die g. re-
solution. Es ist nit zu besthreiben, wie alles so teuer ist. In einem würt-
haus wurde uns das monat leichtlich 1000 fl aufgehen, wür doh dannoch so
stattlich nit tractirt werden. In Eil.
Wien den 4. Novembris Meines hochgeehrten lierru
gehorsamer diener
Barbier.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
139
4. Wien 1666 Nov. 4. Hermann Egon von Fürstenberg an den Kurfürsten.
Durchleichtigster churfirst,
gnedigster herr.
Demnach ich vergangenen sambstag alhie gottlob glücklich augelangt,
hab ich nit underlassen gleich bald darauf die gelegenheit zue suchen mit
ainem und andern ks. ministro mich zue besprechen und E. kf. Dt interesse
besterinassen zue recommendiren. Was ich aber anfenglich gleich und zwar
den dritten tag verwenden müessen, hab ich Dero geheimen ratsvicecanzlern
mit mehrern ubescriben. Darauf ich mich gehorsamblich beziehe und Dem¬
selben mit verdriesslicher widerholung nit molest sein will. Gewiss aber ist
es, dass ain woche und mehrers allein an wenden muess den ks. ministris
die aingegebene impressiones wider zu benemeu, gleich bei teilen, bevorab
fürsten v. Lobkowiz beregtes beschehen. Und solcher gestalten verhoffe, Dero
negociutn anoch zue g. satisfaction ausschlagen werde. Mich damit zue Dero
beharlichen churfirstlichen gnaden undertheuigst empfehlend
E. kf. Dt
München (!) den 4. November undertheuigst gehorsambster
1666. H. Egon v. Fürstenberg.
5. München 1667 März I. Kaspar Schmid an öxl.
Hochgeehrter herr gehaimber ratscanzier.
Demselben thue ich in vertrauen nit verhalten, dass i. kf. D 1 mein g.
herr noch Vorhabens sein ihre reis in Italien nacher Padua in begleitung ihrer
geinahlin meiner g. fraueu zu der eingeratenen badcur bald nach Ostern fort-
zusezen. Dieweilen dan höchstgedacht s. kf. Di zue besagter rais dero ge-
haimben rat den Mayr zue gebrauchen, vorhero aber mit meinem hoch¬
geehrten herrn gehaimben ratscanzier conferieren zue lassen gedenken, was
in ihrer abweseuheit in reichssachen zu beobachten die notdurft erfordern
möchte: also ist i. er kf. Dt g. will, dass er sich, so bald es immer möglich,
dan ein kurze zeit ohne das mehr übrig und in lezten wochen als der heiligen
zeit nichts zu negotieren ist, auf den weg begebe und alhier einfinde. Dessen
sich i. kf. Dt verlassen, und ich verbleibe nechst dienstlicher recommendation
iederzeit
meines hochgeehrten herrn canzlers
bereitwilligster diener
Casp. Schmidt.
6. München 1667 April 10. öxl an den Kurfürsten Ferdinand Maria.
Durchlauchtigister churfürst, gnädigister herr.
Demnach ich durch die gnaden gottes nunmehr das 62. iahr meines
alters erraicht und darunder 38 in E. er kf. Dt und Dero höchstlöblichisten
churhauses diensten. sonderlich auch die lestere 18 iahr (ohne was vorhero
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140
Michael Döberl
beschehen) fast continuirlich in reichscommissionen zugebracht habe, mit dem
alter aber und durch die ausgestandene travaglien und Ungelegenheiten zu¬
gleich auch allerhand leibszueständ auf mich kommen, dass ich meinen diensten
und bishero gehabten Verrichtungen solcher gestalt nicht mehr vorstehen kan:
als gelangt an E. kf. Dt mein uuderthenigiste bitt, Dieselbe geruhen ge-
nädist mich meiner würklichen dienstpflicht und obhabenden Commissionen in
kf. gnaden zu entlassen, damit ich die übrige kurze zeit meines lebens in
leibs und gemieths ruhe an einem gelegenlichen ort verzehren, auch mithin
gott dem allmechtigen desto vollkommener dienen möge.
Damit ich aber meiner so lang getragener schwerer dienerschaft in
meinem alter zue ehren und nuzen noch fürders genüessen möge, thue E.
kf. Dt ich nicht wenigers demüetigist bitten, Dieselbe wollen mir den ge-
heimben ratscanzlerstitul sambt meiner bisherigen besoldung und was deren
weiters beigelegt ist, die ijoch gar wenige zeit, so mich gott leben lassen
möchte, gnädigst zuegönnen, auch zuverwilligen, wann ich etwan ein oder
andersmal von E. kf. Dt erfordert werden oder in meinen angelegenen Privat¬
geschäft von selbst alhero khommen solte, dass ich zu begebender concurrenz
den rank under den geheimben räten, wie bis dato, behalten möge. Dic-
weiln ich auch mit meiner hausfrauen zue Regenspurg der Memingerin,
iezo Syrothin, pactiren müessen, wann ich das quartier endern oder quittieren
wolle, dass ich solches ein monatsfrisst vorhero aufkinden solle, leb ich der
underthenigisten hoffnung, E. kf. Dt werden kein bedenken haben, dass ich
besagtes quartier under der benambsten zeit, da ohne das der züns noch
daraus geraicht werden muess, vollends genüesse, und mir die gewöhnliche
deputat- und underhaltungsgelter wenigist noch disen monat passirt werden,
damit ich meine Sachen anderwerts desto fueglicher anstellen kände.
Die pfleg Tei spach betreffend, weiln E. kf. Dt mir hiebevor die gnad
gethan und vermög Dero den 14. August negst vergangenen 66. iahrs ergangenen
gnedigsten decreti, davon ein extract hiebei liegt, erklärt, dass Dieselbe nicht
ungeuaigt seien, auf meinen tötlichen hintritt gedachte pfleg uund was even-
tualiter wegen zuelegung des castenambts darbei enthalten, einem meiner söhn,
der hierzu qualificirt sein und den ich hierzue benennen werde, zu verlassen,
und es nun zue solchem meinem tödlichen hintritt gar nicht weit mehr
ist, ich auch also zue reden ohne das schon civiliter mortuus bin, solchem
nach ist an E. kf. Dt mein gehorsambstes anlangen, Dieselbe wollen mir
gnädigst erlauben, dass ich die pfleg meinem öltisten sohn Conrad Bartholme,
welcher bereits bei 8 jahren i. er hochfstl. Eminenz des herrn erzbischofen
zue Salzburg würkliclier cammerrat und von deroselben under wehrenden
reichstag zugleich in publicis neg.ociis mit sonderbaren gueten satisfaction ge¬
braucht worden, auch hoffentlich zue solchem ambt genuegsamb qualificirt
ist, dergestalt resignieren, dass er selbige negst künftigen St. Michaelis würk-
lich beziehen möge, zumaln ohne dass E. kf. Dt nichts daran gelegen, ob die
pfleg er oder ich bis zu meinem tod genüessen thue: wie ich dann auch
underthenigist verhoffe, E. kf. Dt werden ilime meinem sohn, was wegen seiner
dienstsaccomodation in angezogenem decret begriffen, seinem verlangen nach
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 14 1
ebenmessig gedeien lassen, damit E. kf. Dt er anstatt meiner zu Dero diensten
gehorsambist auffzuwarten und sich zu einem noch mehrern capace zu machen
gelegenheit erlange. Deroselben mich zu hocheu kf. gnaden underthenigst
befehlend
Den io. April a. 1667.
E. kf. Dt
underthönigster gehorsamster
und treuister diener
J. G. Oexl.
(Das Konzept befindet sich im Müuchener Kreisarchiv H. R. f. 301, nr. 216.)
7. Kurfürstliches Dekret vom 13. April 1667.
I. kf. Dt in Bayrn unser g. herr haben aus dero geheimbeu ratscanzlern
Johan Georg Öxels übergebnen underthenigsten meinorial mit mehrerm
ersehen, welcher gestalten und aus was Ursachen derselbe bitten thuet, ihne
seiner pflicht und dienst in kf. gnaden zue geben, iedoch den geheimben rats-
canzlerstitl und gang, auch die besoldung und was demselben weiters beige¬
legt ist, die zeit seines lebens zue lassen und zue bewilligen, dass ihme das
deputat wegen der Regenspurg. gesaudtschaft bis zue ausgang dises monats
verreicht und das underkommen in der Memingerischen behausung zue Regens¬
purg noch uf ein inonat verstattet, auch sein älterer sohn Conrad Bartolme
zue der pfleg Deispach gelassen werden möchte.
Gleichwie nun i. kf. Dt ermelt dero geheimben ratscanzlers resignation
aus denen von ihme angeführten Ursachen in gnaden an- und aufnehmen,
auch ihne hiemit seiner dienst und pflicht entlassen, also thuen sie auch g.
bewilligen, dass ihme in ansehung seiner langwürigen und müehsamben diener-
schaft die bisherige geheimbe ratscanzlers besoldung und, was derselben bei¬
gelegt gewesen, neben dem titl und gang die zeit seines lebens verbleiben, wie
nit weniger das Regenspurgische deputat und underkomen in der Memingeri¬
schen behausung bis zue ausgang dises monats, auch seinem eiteren sohn
Conrad Bartolme die pfleg Deispach gelassen und ihme, bis sich mit der
zeit eine gelegenheit zue seiner accomodation in würkliche ratsdienst eraignet,
der ratstitl erteilt werde. Jedoch hat ermelter geheimbe ratscanzier hingegen
höchstgedacht seiner kf. Dt dergleichen revers under seiner aignen hand-
underschrift und fertigung anzueliefern, wie die beilag mehrers aus weiset.
Welches alles i. kf. Dt öftergedacht dero geheimben ratscanzlern also in
gnaden, mit denen sie ihme wolgewogen, anzuefiiegen befohlen.
Den 13. April 1667.
Konzept v. Schmid.
8. öxls Revers, ausgestellt am 14. April 1667.
Ich Johann Georg Öxel etc. urkunde und bekenne hiemit. Dem¬
nach mir der durchleuchtigste kf. die hohe kf. gnad gethan und uf mein
underthenigste bitt mich nit allein meiner bishero gehabten pflicht und dienst
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Michael Döberl
in gnaden begeben, sondern auch die besoldung neben dem gang und titl
eines geheimben ratscanzlers die zeit meines lebens, iedoch dergestalt bewilliget,
dass ich in keine andere dienst treten noch hohen oder nidem Standspersonen
in Sachen, so wider des hochlobl. haus Bayrn interesse directe oder indirecte
sein, mit rat oder tat an die hand gehen, auch alles dasienige, was mir in zeit
meiner langwürigen dienerschaft von des kf. haus gerechtsamben oder sonsten
vertraut oder bekant worden, im geringsten nichts offenbaren, sondern vermög
meiner vorigen pflicht bis in mein tod verschweigen, i. kf. D* und ihres
hohen haus nuzen iederzeit befördern, allen schaden wenden und wahren, auch
die in meinen handen habende documenta und schriftliche urkunden, acta
publica und anders, so i. kf. D* zuegehörig, bona fide extradiren wolle.
Als gelob und versprich ich hiemit und in kraft dises, deme allem getreulich
nachzuekommen und darwider nit zue handlen, bei meinen wahren Worten,
treu und glauben, zue dessen gezeuguus ich mich aigenhendig underschriben
und disen revers mit meinem petschaft gefertiget, so geschehen
den 14. April 1667.
Konzept v. Schmid.
9. München 1668 Januar 3. Kurfürst Ferdinand Maria an den bayerischen
Residenten in Wien Dr. Stoiberer.
Indeme wir auch vernommen, dass Dein schwehervater unser ge-
haimber ratscanzier der Öxel sich zu Wien aufhalte, so hast Du ihme zu
bedeuten, dass wür nit gedenken die demselben sonst ad dies vitae bewilligte
besoldung ausser lands ausfolgen zu lassen, zumalen wir ihm dieselbe aus
gnaden darumben bewilliget, dass er uns noch verpflichtet und verobligiert
bleiben, auch in begebenden vorfallen mit der Information an die hand gehen,
nit dass er erinelte besoldung anderwerts, wo er uns mehr schädlich als
nuzlich ist, zu seiner gelegenheit vezehreti solle. Wollen wür Dir nit
verhalten und sein Dir anbei mit gnaden gewogen.
Dat. München den 3. Jener a. 1668.
Ex speciali commissione
serenissimi domini ducis electoris.
Caspar Hueber.
10. München 1668 Febr. 24. Kurfürst Ferdinand Maria an öxl.
Lieber getreuer. Demnach uns gewisse und hochwichtige Sachen zu
consultiren und überlegen zu lassen vorgefallen, darbei wir Deiner in person
vonneten haben, als ist unser g. bevelch hiemit, das Du nach empfachung
dis Dich gleich auf den weg machen und innerhalb 14 tagen alhier unfelbar
einfinden sollest. Verlassen wür uns ohne einige eiitschuldiguug zu geschehen,
und seint Dir anbei etc.
München den 24. Febr. 1668.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 143
II. Regensburg 1668 März 4. Johann Scherer an seinen Schwiegervater öxl.
Hochgeehrtister herzliebster herr vater.
J. hochfstl. Eminenz der herr Cardinal von Thun haben gesteren nach
der tafel mich allein zurück behalten und in dero zimmer geführt, allwo sie
remotis omnibus arbitris mir zu verneinen geben, welcher gestalt i. kf.
Dt in Bayern jüngsthin dem herren vater zu verstehen geben lasen, das sie
ihn ungern zu Wien, als in einem ort, da er ihro mehr schaden als nutzen
thäte, sehen müssen, und auch aus solcher ursach ihmbe die Verabfolgung
seiner besoldung verweigeren lasen; nachdeme aber s. kf. D* gesehen hetten,
das dannoch der herr vater sich daran nit kehre und daselbsten noch lenger
verwailen thue, als hetten sie zweifelsohn aus antrieb des herren vaters
grösten missgönner eine andere resolution gefast, umb ihn von dem ks.
hof zu pringen und ihn underem praetext, das sie in angelegenen Sachen
seiner vonnöten hetten, nach München citirt. Es liesen aber höchstgedacht
seine hochfstl. Eminenz den herrti vater Selbsten vernünftig erwegen, ob er
solcher praetextirten citation glauben beimessen und sich der augenschein¬
lichen gefahr undergeben wolle, indeme ihmbe ja genugsamb wissend seie,
dass diejenige, so dermalen bei dem Churbayrischen hof alles nach belieben
regieren, die vornembste sein würden, welche zu vestmachung und Ver¬
sicherung seiner person alle ersinnliche anschläg geben würden, und besorg-
lich, wann es uf das allergnädigste ablaufen möchte, ihmbe ad dies vitae die
statt München würde angesezt werden, so sie doch nit glauben könten,
sondern viel ehender, dass eine personalarrestirung und Verschaffung an einen
wohlverwahrten sicheren ort, so extra commercium hominum sein dörfte
(intelligenti satis) erfolgen möchte. Solchem nach wann sie dem herrn vatern
als sein treuer und aufrichtiger freund raten solten, so solte er die comparation
über alles, was ihmbe uf der weit lieb ist, flihen und ehender ioo ent-
schuldigung suchen, als uf dise gefährliche citation das geringste sich ver¬
sicheren. Dabei sie dann diese wort gepraucht, das sich der herr vater auf
seiner libertät bei leib nit geben und ehender alles fahren lassen solte. Ich
solte dise ihre wohlgemeinte gnädigste warnung mit heütiger post, aber in
zifferen dem herrn vater ausführlich überschreiben und zu wissen machen,
und sie wolten ihn auch durch ihren Buechholtz treulich warnen lassen.
Wie dises anpringeu mir müse sein Vorkommen, das kan der herr
vater onschwehr ermessen, ich habe aber meines theils keine stund wollen ver¬
lieren, alles umbstendig zu berichten, und damit gleichwolen diser brief
am sicheristen möge dem herren vater zuekommen, für das beste zu sein be¬
funden, dass ich solchen herrn hofcanzler Hoch er solchergestalt beischliese
und recommendire, das er ihn nicht von handen gebe, bis der herr Schwager
Franz Ignati sich darumb in namen des herrn vaters bei ihmbe an gebe;
so ich vertraue sein richtiges haben werde und nit nöttig sein, dass ich mich
der ziffer gebrauche. Was ich meines wenigen orts darzue sagen solle, stehe
ich an, weilen der herr vater von so hohem ort zu seinem besten auf das
treuiste gewarnet würt, ist mir aber beigefallen, was ich in den notis Justi
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Michael Döberl
Lipsii ad libros politicorum sive civilis doctrinae nit nur einmal gelesen, da
er meldet: consentiunt reges: quicunque sub iis res magnas gessere, ad
extremum aut in offensa aut in exigua gratia fuisse; darauf er von dem
Alfonso Albuquerquio sagt: accusatus maioris spei et suspectus deuique
revocatus in patriam est et morte opportuna fortasse ignominiis exemptus.
Simile Pacieco, qui post magna merita in custodiam et vincla coniectus
etiam fuit et in clara innocentia liberatus tandem, sed ut in paupertate
senesceret. Und dann von dem Comniinaeo, nachdem er viel er-
zehlt, was der könig Ludwig mit ihmbe geredet habe, sagt er praeclara
omnia: sed age tu, Comminaee, qui haec scis et praecipis, satisne cavisti?
Naturalis tua prudentia sepsit aut munivit ? Accepisti plagam, et in tua arena
circumventus es ab aulicis, qui effecere calumniis, ut in carcerem condereris,
per trienuium fere servareris, denique capitis causam ipse diceres, ne patro-
cinari quidem quoquam auso.
(Bene me monet gener meus, et Lipsius in proxime sequentibus notis
plura talia exempla refert; addit denique: Non sic nostri Austriaci patientes
ministrorum suorum ed ad extremum mites. Randbemerkung Öxls)
NB.! Wann ich an das implacabile odium Fürstenbergiorum gedenke,
wie der herr von Bluhm dem herrn vater gesagt, und das procedere con-
siderire, das man mit dem herrn vater geprauht, wie man ihn nit mehr leiden
und dulten, ja sehen wollen, und sehe, was jezo darauf folget, so schliesse ich
bei mir, das seine malevolenten zum öfteren müse gerüheu haben, dass sie sich
nicht seiner versichert und also ihn eschappieren haben lasen. Der liebe gott
würt hoffentlich in ansehung des herrn vaters Unschuld ihmbe solche nütz¬
liche und zu seiner Sicherheit diensambe gedauken und anscliläg iuspiriren,
das er allen disen bastant würt genugsamb gewachsen sein und begegnen
können.
Empfehle also hiemit denselben in desen göttlichen starken schlitz und
verpleibe so lang ich lebe
Meines hochgeehrtisten herzliebsten
herren vaters
treuer gehorsamber
sohn
Johann Scherer.
Datum sigilli den 4. Martii 1668.
12. Neustadt in Niederösterreich 1668 April 13. öxl an Kurfürst Ferdinand Maria.
Durchleuchtigister gnädigister churfürst und herr.
E. kf. Dt rat und resident an dem ks. hof der Dr. Stoiberer hat
mir mündlich angezaigt und hernach auf mein ersuchen durch schriftlichen
extract communicirt, was Dieselbe mir zu bedeuten im verschinen gnädigst
anbefohlen haben, nemblich, indem E. kf. D* vernemen, dass ich mich zu
Wien aufhalte, Sie nit gedenken, die mir sonst ad dies vitae bewilligte be-
soldung ausser lands ausfolgen zu lassen; zumalen E. kf. Dt mir dieselbe aus
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
H5
gnaden darumb bewilliget, dass Ihro ich noch verpflichtet unnd verobligirt
bleiben, auch in begebender vorfallenheit mit der information an die liand gehen,
nicht dass ich ermelte besoldung anderwerts, wo Deroselben ich mehrers
schäd- als nützlich seie, zu meiner gelegenheit verzehren solle. Als ich nun
eben im werk gewesen, E. kf. Dt hierüber meine durch den Stoiberer in
antecessum vertröstete underthänigste erläuter- und erklärung zu überschreiben,
ist mir freitags den 2. passato, als ich gleich hieher raisen und zue gutscheu
sitzen wollen, Deroselben den 24. Februar an mich selbsten abgangener be-
felch von besagten Stoiberer feraers gelüfert worden, inhalts dessen E. kf.
Dt gnädigst begehren, demnach Ihro gewisse und hochwichtige Sachen zu
consultirn und überlegen zu lassen vorgefallen, darbei Sye meiner in person
vonnöten haben, dass ich mich gleich auf den weg machen und innerhalb
14 tagen unfehlbar zu München einfinden solle.
Soviel nun das erste betrifft, erinnern E. kf. Dt Sich gnädigist, dass
bei Deroselben ich vor ainem iahr umb zwai Sachen uuderthänigst supplicando
und zwar distiucte augehalten: 1. dass E. kf. Dt mich meiner dienstpflicht
in gnaden entlassen, 2. mir den gehaimben ratscantzlerstitul sambt meiner be¬
soldung und, was deren weiters beigelegt ist, die noch wenig übrige Zeit
meines lebens gnädigst gönnen wolten. Darauf auch E. kf. Dt Sich durch
Dero den 13. Aprilis des vergangenen 67sten iahrs datirten, mir aber erst
den 18. eiusdem nach Deroselben aufbruch in Italien von dem canzleipoten
gelüfertes decret ebenergestalt distincte gegen mir gnädigist erklärt und mir
in meinen primo petito allerdings simpliciter et absolute mit denen formalibus
willfahret haben, dass E. kf. Dt meine resignation in gnaden an- und auf-
nenien, auch mich hiemit meiner dienst und pflicht entlassen. Die andere
petita haben Dieselbe mir zwar auch, iedoch, wie die formalia meines revers
lauten, dergestalten (id est: bis conditionibus) bewilliget, dass ich in kaine
andere Dienst treten wolle und was weiters hernach folget. Von deme aber,
dass E. kf. Dt ich noch verpflichtet und obligirt bleiben, auch in begebenden
vorfallenheiten mit der information an liand gehen und die angedeuter massen
certis conditionibus verwilligte besoldung nit ausser lands zu meiner gelegenheit
verzörn solle, ist weder in E. kf. Dt decreto noch in meinem revers mit
ainigem wort nicht vermeldet, auch per ueccessariam consequentiam daraus
dergleichen nicht zue eliciern, und thete ia einander diametraliter zuwider¬
laufen, der dienst und pflicht erlasseu oder, wie mein revers lautet, meiner
bishero gehabten pflicht und dienst in gnaden begeben zue sein und dass
ich darmit noch verpachtet und verobligirt bleiben solle. Es sind mir
auch die vorberührte concessiones ad dies vitae nicht darumben, dass E. kf.
Dt ich noch verpflichtet und verobligirt verbleiben solle, noch ex mera gratia,
sondern, wie däs decret vermag, in ansehung meiner langwürigen und rnühe-
samben dienerschaft, als pro remuneratione beschehen. Ebenso wenig seind
selbige auf die längere dienstverpflichtung und obligationsverbleibung, sondern
auf die von mir ad dies vitae verlangte und ausgebetene besoldung und
gehaimben ratscanzlerstitul cum annexis conditionirt und diese, gar nicht
aber die absolute concedirte dienstentlassung darumb und dergestalt bewilliget
Bayer. Forschungen VII, 2. 10
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146
Michael Döberl
worden, dass ich hingegen den mir zuegemueteten und vorgeschribenen revers
ausslüfern solle, craft dessen ich in kain andere dienst treten noch hohe oder
nider Stands personen in Sachen, so wider das hochlöbl. haus Bayrn interesse
directe oder indirekte seind, mit rat oder that an die hand gehen, auch alles
dasjenige, was mir in zeit meiner langwierigen dienerschafft von des kf.
hauses gerechtsambe oder sonsten vertraut und bekant worden, im geringsten
nichts offenbaren, sondern vermög meiner vorigen pflichts bis in mein tod
verschweigen, E. kf. Dt und Ihres hochen hauses nuzen iederzeit befürdern,
allen schaden wenden und wahren, auch die in meinen händen habende
documenta und schriftliche urkunden, acta publica und anders, so E. kf. D t
gehörig, bona fide extradirn wolle.
Gleichwie nun E. kf. Dt verstandeuermassen meine resignation absolute
ohne ainzige restriction oder bedingung in gnaden an- und aufgenommen und
mich secundum tenorem et vigore decreti meiner dienst und pflieht darmit
und ipso actu entlassen: also hab ich auch solche gnädigste puram dimissionem
und unbeschrenkte entlassung mit underthänigstem dank acceptirt vnnd
mich derselbigen publice, libere et licite gebraucht, lasse es auch annoch aller¬
dings darbei bewenden und werde E. kf. Dt die tag meines lebens das
geringste nicht darwider zuemueten.
Wass aber öfters geinelte meine andere petita betrifft, welche E. kf. Dt
mir ad dies vitae, iedoch gegen dem mir zuegemueteten und vorgeschribenen
revers bewilliget, hab ich solchen zue fertigen und auszuelüfem neben
andern antringenden Ursachen umb so viel weuigers bedenken gehabt, weilen
ich, wie ichs E. kf. Dt damals hinterlassenen gehaimben räten, dem herni
obristcammerer freiherrn von Rechberg, gehaimben ratscanzlern Schmid
und Dr. Marquarden, bei meinen von ihnen genommenen abschid mündlich
an gezeugt und meine darbei geführte inten tion deutlich erklärt, für billich
gehalten habe, dass wan und so lang ich dieser gnaden und vitalitii ge¬
messen, ich auch in keine andere dienst treten und dasienig, was obge¬
sagten inhalts der revers weiters vermag (darunder zwar Sachen begriffen,
darzue ich mich ohne dergleichen Spezialobligation und verreversierung von
selbst in croft meiner voriggehabten pflieht, soweit sich solche künftig er¬
strecken, iure naturali verbunden waiss) in gebührende obacht nemen wolle.
Ich bin auch deme allem bishero aufrichtig, ehrlich, redlich unnd getreulich
nachkomben, und wird kain mensch auf dieser weit mit wahrheitsgrund bei-
bringen könden, dass ich im geringsten etwas darwider gehandelt habe. Dan
dass E. kf. Dt mit falschen auf mich erdichten calumnien, wie vor diesem
öfters, abermal hintergangen worden, als solte Demselben ich auderwerts (id
est zu Wien, alwo ich mich aufgehalten) mehrers schäd- als nützlich sein;
darmit beschicht mir vor gott und der weit das gröste, vor s. göttlichen
Maiestät nimmermehr verantwortliches unrecht und gwalt, welches E. kf. Dt
ich, ongeachtet niemand ad negativam probandam verbunden ist, mit vilen
offenbaren und wissentlichen umbständen und andern hochen unverwerflichen
gezeugnüssen gleich absobalt klar vor äugen stöllen könte, wan Demselben
ich mit weitläufiger deduction nicht Verdruss machen würde, will aber solches
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Der Sturz des kurbayerisehen Kanzlers Öxl.
T 47
neben den andern und vorigen mir von meinen Widersachern bei E. kf. Dt
unbegründter und verleimbderischen weis aufgebürdeten falschen zuelagen
gezimender massen abzuleiuen und mein innocenz offenbarlich zu demonstrirn
und zu defendirn auf ein andere gelegenere zeit ausgestelt und mir Vor¬
behalten haben. Inmassen auch, dass ich mich dieser orten meiner gesund-
heit halber begeben und nachgehends wegen meiner notorisch vier monatlichen
stetigen schweren krankheit und gefährlichen leibszueständen so lange zeit
wider mein intention und willen habe aufhalten müessen, darmit meinem
revers, neben dem die not kain gesatz hat, nichts zugegen geschehen,
weilen ich ia weder in demselbigen noch in E. kf. Dt resolutionsdecret an
keine gewisse land und ort weder in Bayern noch anderswohin astringirt
und confinirt, zumalen auch ganz nichts darinnen bedingt worden, das ich
die mir ad dies vitae verwilligte besoldung allein in Bayern ge messen müeste
und nicht anderwerts meiner gelegenheit nach verzeren dörfte, dan mir
sonsten solche aussers lands nicht würde aussgefolgt werden.
Ich habe mir auch umb so viel weniger derenthalben einige difficultät
oder widrige gedanken einbilden köndeu. sintemalen E. kf. Dt dergleichen
vitalitia und besoldungsgnaden ja andern, als dem bischof von Almir
Dr. Den ich nach Augspurg und dem Cliurcölnischen obristen cammerer
freiherrn von Metternich gar nach Bon, schon viel iahr richtig und
unaufgehalten ausfolgen lassen.
E. kf. Dt versichere ich auch bei der höchsten Wahrheit, wan mir
dergleichen condition, dass ich nemblich in Dero landen verbleiben und die
verwilligte besoldung sonst nirgend als daselbsten verzehren solte, zuegemutet
worden, dass ichs nimmermehr eingaugen wäre, sondern ehender alles, was
mir auf diser weit beliebet, verlassen bette. Dan ich vomehmblich, ia einig
und allein umb der Ursachen willen meine dienst resigniert und E. kf Dt
umb Dero entlassuug underthänigst gebeten (ob ich es schon ex moderatione
animi und umb glimpfs willen in meiner supplication specialiter uit exprimirt,
sondern under der generalauzaig meiner ausgestandenen travaglien und un-
gel egen hei ten, welche mir, wie E. kf. Dt überflüssig bekant, sonderlich damalen
von meinen Widersachern begegnet seind, verstanden habe), damit ich mich
dardurch von ihren längers unerträglichen persequutionen, falschen delationen
und usque ad sanguinein et extremum fere spiritum immerhin coutinnirten
mortificationen ledig machen, auf freien fues stellen und mir anderwerts
(zwar nicht eben allein diss orts, sondern wo es mich ein und anders mal
am besten zu sein gedünken würde) dereneinst frid und Sicherheit vor ihnen
schaffen, also mein übriges weniges leben vor ihrer immanitet licito modo
erretten möge; welches ich nicht erlangt, wan ich in Bayern noch länger
under ihrem ungerechten gewalt, Verfolgungen und pressurn bette verbleiben
müessen.
Wie ich dan dise mein intention gar nicht in gehaimb gehalten,
sondern bekander massen ohne scheu öffentlich, verbis et factis, genugsamb
an tag geben habe, dass man es an E. kf. Dt hof wohl gewüst. Und ist
io*
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Michael DÖberl
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schon lang vor meiner resignation zwar ohne fuudament communis vox et
fama gewesen, dass ich mich an den ks. hof zu begeben gedenke. Gleichwohl
ist derentwegen nichts gegen mir geandet, weniger es mir auf einigerlei weis
verboten worden, bis ich im December uechst verschinenen 67ten iahrs bei
dem hofzalmeister Camerlohr die damalen ausständig geweste drei quartal
sollicitiert habe.
Demnach nun dises darauf erfolget, dass E. kf. Dt nicht gedenken,
mehrangeregte mir ad dies vitae verwilligte besoldung aussers lands aus¬
folgen zu lassen, ich aber selbige in Dero landen zu verzehren niemalen in
gedanken gehabt habe und noch nicht begehre: als will mir nit gebühren,
E. kf. D fc disfalls etwas wider Dero willen zuezumuten, sondern gleichwie
ich vorhero meine dienst Selbsten quittirt habe und quittirn könden, also
thue E. kf. Dt ich auch dieses accessorium der besoldungsverwilligung gleicher
gestalt in underthönigkeit resignirn. Wie ich dan ohne das nach meiner
dienstsresignation mehrers nicht dan 400 fl. und zwar, wie mein quittung
zu erkennen gibt, nicht eben in specie als ein besoldung, sondern allein in
genere auf recliuung und in abschlag, weilen ich noch aiuige raiskosten dar-
gegen zu praetendirn, empfangen. Gleichwohl hab ich underdessen zu Regenspurg
mit Zusammenrichtung der vilen und gehäuften reichsacten in E. kf. Dt
geschäften bei vier inonat zu egebrach t. Habe also die ganze zeithero aus
meinen aigenen beutl nicht ohne grosse beschwärnus und nachtail zehren und
leben müesseu. Damit nun auch meine malevolenten meiner vollkommenen
privation aller von E. kf. Dt bishero gehabter gnaden desto grössers vergnüegen
erlangen, thue ich zugleich das gehaimben rathscanzlers praedicat und was deme
anhängig, sambt der vor disem mir zwar in amplissima forma (dergleichen vor
und nach mir nie kainer gehabt) concedirte edlmansfreiheit allerdings widerumb
zurückgeben, sicut quilibet favori pro se introducto renuntiare potest. Die pfleg
Deispach hab ich bereits verschinenen Michaelis würcklich abgetreten. Kan
solchem nach mit dem allwissenden gott bezeugen und sonuenclar erweisen,
dass ich von meinem acht vnnd dreissigjährigen Churbayerischeu diensten, welche
ich dis orts nicht herfürzuestreichen begehre, sondern andere unpassiouirte,
ia die acta und registraturn selbsten darvon reden lassen will, nicht einen
kreuzer oder kreuzers wert darvontrage, weilen ich alle die ganze lange zeit
über empfangene besoldungs-, deputat- und geschenkte gnadengelter zu E.
kf. Dt reputation, dienst und nutzen widerumbeu treuherzig an gewendet und
wohl nichts, wie andere, in mein privatbeutl gesteckt.
Anreichend nun E. kf. Dt an mich abgegangeuen citationsbefelch wiird
der Dr. Stoiberer albereit zeitlich berichtet, dass ich mich der erscheinung
halber entschuldigt, aber darneben erboten habe E. kf. Dt die Ursachen so
fiirderlich als müglich mit umbständen selbsten gehorsambst zu hi 11 derbringen.
Bitte diesem nach Dieselbe uuderthönigst, Sye wollen Ihro gnädigst belieben
lassen, aus der beilag mit nr. 1 zu ersehen, was für ein eben dergleichen
citationschreiben E. kf. Dt gehaimber ratsvicecanzler seinem vorgeben nach
aus Deroselben befelch vor ainem jahr an mich nach Regenspurg ausgefertigt
und den praetext gebraucht, dass E. kf. Dt vor Dero abrais in Italiam vor-
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
149
hero mit mir conferiren zu lassen gedenken, was in Ihrer abwesenheit in reichs-
sachen zu beobachten die noturft erfordern möchte, da doch hierzue kaiu
einiger gedanken gewesen, sondern E. kf. Dt aus widriger delation unnd
Suggestion meiner adversariorum albereit etlich wochen zuvor resolvirt ge¬
habt, mich nicht allein von meiner Regenspurgischen reichstagscommission
mit Substituierung des Dr. Ernst an meine stöl zu amoviru, sondern gar
meiner dienst zu entsetzen. Wie dan auf mein beschehene gehorsambste er¬
schein ung erfolgt ist, das nicht ain wort mit mir von den reichsnegotien
conferirt, ia ich nicht einmal nur zu einer gemaineu gehaimben ratsver-
samblung erfordert, sondern anstatt dessen mir alsobald bedeutet worden, was-
massen E. kf. D fc eine grosse ungnad, misstrauen und bösen verdacht auf
mich geworfen haben; derohalben mir am ratsambsten sein werd, meine
dienst schleunig zu quittiern und nicht zu erwarten, dass E. kf. Dt die
amotion selbsten auf eine mir sehr unbeliebige weis vornehmen thuen. Welchem
advertiment, weilen ich vernommen, das es Deroselben intentiou gemäss seye,
gestracks parirt und E. kf. Dt durch den obristen cammerer und Dero
beichtvatern den Dr. Manzin allein dis underthönigst und eiferigst gebeten
habe, das Dieselbe mir doch die wider mich angebrachte klag uinb meine
billichmässige Verantwortung zuekommen lassen wolten. Als ich aber nicht
erhalten künden, liab ich inständig urgirt, mir aufs wenigst zu eröffnen, was
dan die ursach seie, derenthalb bei E. kf. Dt ich in so unverseliene offensam,
diffidentiam et sinistram suspicionem geraten? Ich wusste mich ia keines
ainigen Verbrechens schuldig. Es ist mir aber auch dieses versagt und an¬
gedeutet worden, E. kf. Dt hetten hierauf vermeltet, Sie begehren kain process
mit mir auzufahen, stehe Ihro frey, einen diener ohne eröffnung der ursach
nach Ihrem belieben zu behalten oder zu licentirn; ich hette mich nichts
darwider zu beschwären, weilen Dieselbe gedacht seien, mir sowohl das ge¬
haimben ratscanzlers prädicat als die besoldung und andere accessoria zu
lassen: allein wollen Sye mich in würklichen diensten weiter nicht gebrauchen.
Endlich hab ich in die vierte wochen ganz diemüetigst und flehentlichst an¬
gehalten, dass E. kf. Dt mir doch diese hoche gnad noch erzeigen und mir
nur so viel audienz gnädigst ertailen wolten, dass von Deroselben ich mich
gehorsambst beurlauben möchte, mit dem underthönigsten erbieten, dass E.
kf. Dt ich nichts unangenembes Vorbringen wolle. Darauf zwar und auf
gar vilmaliges anmahnen des herrn obristcammerers E. kf. Dt mich fast von
tag zu tag der gnädigsten admission vertrösten lassen; es haben aber meine
adversanten auch dieses hintertriben und so lang rigl fürgeschoben, bis
E. kf. Dt würklich abgeraist seind, ohne das Sye mich mit ainem einigen
wort anhören oder nur mit ainem augenblück begnaden mögen. Wie schmerz¬
lich nun mir betagten ehrlichen man, der E. kf. Dt und Dero churfürstl.
haus in die 38 jahr so redlich, treulich, eiferig, mühesamb und nüzlich, auch
mit gefahr leibs und lebens gedient, dergleichen höchste betrübte leze zu
herzen gestigen, kan ein iedes ehrliebendes gemüet leichtlich errachten, und
ist ja nicht zu begreifen, dass in diesen ganzen werk meine capitales hostes
zugleich meine accusatores, testes, judices und exequutores contra me gewesen
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Michael Döberl
150
und ich zumalen inauditus et indefensus, imo nec significata quidem accu-
sationis et putiitionis causa condemnirt worden.
Wan ich nun all disen verlauf in frische gedächtnus und raife con-
sideration ziehe und dargegen halte, dass obenvehnter massen E. kf. Dt von
meinen Widersachern abermalen unbegründer weis berichtet und beredet werden,
samb Deroselben ich diser orten mehrers schädlich als nützlich seie: so
könden E. kf. Dt Selbsten die consequenz und Schluss machen, was ich von
der iezigen citation (welche Deroselben ohne allen zweifei von meinen Wider¬
sachern darumben ein geraten worden, dass sye mich widerumben under ihre
press bringen und mir die seel vollends aus dem leib trucken, also durch
meinen tod oder doch vollkommene gänzliche ruin ihre ambierende höhere
promotiones desto geschwinder erhalten mögen) vernünftiglich zu judicim
und zue gewarten habe.
Ich hielte es pro sumnio piaculo, wan ich in E er kf. Dt christliche
sincerität, lioches fürstl. gemüet und löblichst gottselige actiones den ge¬
ringsten zweifei stellen wolte, hab auch an Deroselben bis auf die letzte
persequution meiner feind ainen so gar gnädigsten, miltreichesten und ab¬
sonderlich bestgewognetsten churfürsten und herrn gehabt und im werk
erfahren, dass iclis nicht genugsamb rühmen kan unnd ursach habe, Ihro
bis in mein tod devot unnd dankbar darumb zu verbleiben. Aber es haben
E. kf. Dt meine persequenten mit ihren unbegründen delationen und er¬
dichten calumnien wider mich dermassen obruirt unnd verwicklet, dass es
scheinet, E. kf. Dt könden Sich Selbsten nicht mehr daraus extricieren noch
mir mit einigen gnaden und gnädigsten vertrauen mehr gewogen werden.
E. kf. Dt bitt ich umb gottes willen, Dieselbe wollen sich doch nur
ein wenig reflectirn, woher sich dise mein Verfolgungen ursprünglich nemen
thuen. Ex vindincta, aemulatione et invidia. Ex vindincta darumb, die-
weilen ich bei der lezstern zue Frankfort vorgangenen ks. wähl auf E. kf.
Dt gemessenen ernstlichen befelch etwelche grosse herrn unnd potentaten,
auch andere grandes hoch habe offendirn und mich bei ihnen feindselig
machen müessen, dessen ich noch bis auf heutigen tag entgelten thue. Mir
ist damalen schon vorgangen, es werde mir einmal, wan sich der hofstatus
endert, solche bittere früchten bringen, derenthalbeu ichs alsobalt E. kf. Dt
underthönigst erinnert und umb verschonung gehorsambst gebeten, Dieselbe
aber haben mich iederzeit gnädigist animirt und mir scharpf eingebunden,
kainen respectum personarum zu tragen, sondern in meiner treue und eifer
stark zu verfahren, mit der gnädigsten Versicherung und versprechen, dass
Sye mich wider alle adversarios zue gnügen manutenirn unnd schützen wollen.
Dessenthalben nicht allain verschaidene under Ihrem aigeueu handzeichen au
mich immediate ausgefertigte rescripta, sondern auch noch mehrere von dem
obristen landhofmeister herrn graf Kurzen sei. aus Dero special befelch mir
zugethane schreiben vorhanden seind. Gestalten dan auch E. kf. Dt es so¬
wohl under wehrender wähl in underschidlichen vorfallenheiten als zumalen
gleich nach solcher, wie i. kf. Dt zu Cöln aus verhezung anderer passio-
nirten wider mich conspiri ereil den ein langes heftiges quereischreiben wider
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 15 1
mich aigenhändig an E. kf. Dt abgehen lassen, im werk selbsten hochlöb-
lichst erwisen lind darauf widerumb aigenhändig nach laut der beilag Nr. 2
(welche mir selig gedachter obrist landhofmeister nach meiner zuruckkhunft
von Frankfort selbsten communicirt) under andern mit disen formalibus ge¬
antwortet, dass E. kf. Dt Churcöln der warheit zur Steuer versichern müessen,
dass mir mit dermaligen imputation so onrecht beschehen, als ich zu loben
seie, dass ich in occasion der vergangenen Churfälzischen impertinenz fast
allein gethan, was ain getreuer diener seinem herrn schuldig; dessenthalben
dan auch E. kf. Dt ursach haben, mir gebührenden schütz zu halten und et
postea. Ich hette meine Verfolger und leut, die alle meine actiones, thuen
und lassen hässig ausdeuten, deren müess ich umb meiner treue willen ent¬
gelten. E. kf. Dt aber weilen diesselbe des widrigen versichert, geschehen
lassen, was sie nicht wenden, gleichwolen aber weder mich noch andere umb
Unschuld verdenken könten etc. etc. Gnädigster churfürst und herr, isti
inimici mei adhuc vivunt et confirmati sunt super me (sie seind anitzo die
vornembsten am brett) et multiplicati sunt (und haben noch andere mehr
an sich gezogen), qui oderunt me inique!
E. kf. Dt will ich dis orts mit ausführlicher remonstration nit be-
hölligen. Was für weitere uubilliche bezüchtigungen bei E. kf. Dt mir nach
der hand von zeit zu zeit zuegezogen und wie ich beschuldiget worden, ob
hette ich wider E. kf. Dt intention und befelch mit Zurücksetzung ihrer
hochfürstl. Dt herrn bischofeu zu Freising den nun in gott ruhenten herrn
grafen Adam Lorenz von Dörring zum bistumb Regeuspurg befiirdern helfen
und deshalben mit dem herrn erzbischofen zue Salzburg colludirt; dass ich
mich vermessen, zwischen E. kf. Dt und Churpfalz eine engere verständnus
und correspondenz auzustiften und zu solchem end eine persönliche Zu¬
sammenkunft vorzuschlagen; dass ich bei den Brandenburg - Culmbachischen
tractaten der catholischen religion in der Obern Pfalz wider gewissen viel
vergeben; dass ich in einer hochwichtigen sach E. kf. Dt meine particular-
meinung für einen gemeinen Schluss der gesambten catholischen churfürstl.
gesanten obtrudirt und Dieselbe dardurch zu intimidirn gesucht; dass ich
mich bei dem reichstag zue Regenspurg in materia capitulationis suspect ge¬
macht und mehrere reflexiou auf ihrer kaiserl. Maiestät als E. kf. Dt intention
gestelt, desswegen dan auch E. kf. Dt in solcher materi mir nichts mehr
vertrauet, sondern alle instructiones und befelch an den Dr. Mayr a part
ausgefertigt haben; und was dergleichen händl noch viel mehr seind etc.
Dises allein thue ich hierbei mit wenigen anregen, dass meine E. kf.
Dt wohlbekante aemuli und iuvidi bei dergleichen unerfündlichen angebungen
sich dopfer gebraucht und ich dahero umb so viel mehr ursach gehabt habe,
Deroselben ain und anders mal meine offenbare Unschuld klärlich vorzu¬
stellen und Dieselbe darbei öfters underthönigst und eifrigst zu bitten, dass
doch E. kf. Dt dergleichen wider mich confingirten delationeu nicht so gleich
glauben geben, sondern mich wenigst darüber vernemen und sich Dero
obangedeuten manutenenz Versprechungen gnädigst erinnern wollen, welches
Dieselbe mir zwar zu München unnd Dachau verschaidenlich vertröstet und
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152 Michael Döberl
versichert. Gleichwolen aber haben meine persequutores bei E. kf. Dt der¬
massen praevalirt, dass ich diser an sich Selbsten billichster zuesag, sonderlich
in meiner lezten Verfolgung würklich nicht geniessen könden.
Bei welcher wahren beschaffenheit und bewandnus E. kf. Dt ich
allerunderthönigst bitte, mir nicht übel auszudeuten noch in Ungnaden zu
vermerken, dass ich auf die beschehene citation nicht erkönden, daran auch
Demselben wenig gelegen, weilen mir von den jezigen estats priucipien unnd
affairen kain Wissenschaft beiwohnet, ich also zu der vorgehabten consultation
gar nichts oder das wenigst und ungüldigst würde haben contribuirn könden.
Wan aber E. kf. Dt ich ie in denen iezo de praesenti vorgefallenen oder
künftig in denen bei vorigen Zeiten vorgangenen Sachen mit aiuigen taug-
samen information und treu gehorsambste guetachten oder in andern negotien
erspriesslich solte au hand gehen könden, bin ich des underthönigsten er-
bietens, nicht allein solches auf weitern gnädigsten befelch, und da es E.
kf. J)t gefällig, mit angelegnistern eifer und fleis von haus aus oder, wo ich
mich ein und anders mals befänden werde, willigst zue leisten, sondern auch
zue begebenden vorfallenheiten von selbsten E. kf. Dt und Dero hochlöb¬
lichstem churhausse reputation, interessi und gerechtsambe sowohl diser als
anderer orten, ohne Demselben belohnung oder Vergeltung, nach meinen
eusseristen kräften und vermögen, sovil nur immer gewissens und pflicht
halber sein kan (darwider E. kf. Dt mir ohne das nichts zuemueten werden),
zue beobachten und zu befürderu.
E. kf. Dt mich damit zu hochen churfürstlichen gnaden in under-
tliönigkheit diemüetigst befehlend.
Datum Neustatt in Niderösterreich den 13. Aprilis a. 1668.
E. kf. Dt etc.
P o s t s c r i p t u m.
Auch, gnädigster cliurfürst und herr. Bitt E. kf. Dt ich underthönigst
in übelem und Ungnaden nicht zue vermerken, dass ich nicht zeitlicher auf
Demselben citationschreiben haubtsächlich geantwortet und die durch den
Stoiberer vertröstete entschuldigung mehrers befördert habe. Mein betrüebter,
elender und verwürter zuestand macht mir mein verstand dermassen perplex
und distract, dass ich fast nichts darvor thuen, auch was ich thue, selbst
nicht recht urteilen kan. Habe dahero in diser schwärwichtigen nicht nur
mein zeitliche, sondern auch wegen allerhand besorgenden bösen consequentien
mein öwige Wohlfahrt betreffend sach auf viles und langes nachgedenken eben
nicht gewust, was ich für ein eigentliche resolution fassen sollen. Mein guetes
gewissen, aufrichtige redliche actiones und veste lioffnung zue gott haben
mich zwar zue der erscheinung animirt. Hingegen aber haben mich die un¬
ersättliche coutinuirende Verfolgung meiner Widersacher, ihr arrogirte auctorität
und nicht nur in Bayern, sondern in ganzen Rom. reich ruchbare grosse
potenz, das mit mir vorhero selbst erst iüngst vorgenommenes exempel und
so viler auch vornehmer grosser herrn und anderer meiner wohlgönner treu¬
herzige gewarnungen und bewägliche erinnerungen überwunden, dass ich der
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 153
Vernunft stattgeben und nolens volens zue dieser resolution schreiten müessen.
Wofern etwan auch E. kf. Dt darfür halten solten, dass ich in ainem oder
andern passu etwas zue harts gangen were, wollen Dieselbe dargegen erwegen,
dass im geringsten nichts wider E. kf. Dt, sondern alles allein wider meine
Verfolger, so an meinem Unglück auch allein schuldig seind, gemaint und dass
es gleichwohl der gründlichen Wahrheit gemäss, sich auch nicht zu verwundern
seie, wan ich ex iustissimo dolore eben nicht alles so gelind machen kan, wan
ich mit warnenden äugen und herzbrechenden Seufzern betrachte, dass ich aller
meiner meriten, ehr und Wohlstands, welche ich bei E. kf. Dt und Dero höchst¬
löblichsten churhaus in acht und dreissig ganzer langer iahren mit so viler
grosser mühe, arbeit, Sorgfalt, embsigkeit, treue, ia zueweilen mit gefahr leibs
und lebens hartiglich erworben, auf einmal und zwar in meinem 63 jährigen
alter, da ich derselbigen erst recht gemessen solte, beraubet und dargegen in
offenen spot und schand, schaden und Verlust des meinigen und wegen der
längers unerträglichen afflictionen immerzue entstehenden schwären leibs- und
getnüetskrankheiten in gefahr meines armen lebens, ia fast der höchstbetriiebten
seel selbsten gesezt worden.
13. Wien 1668 April 16.
In sonders vil geehrter und geliebter brueder.
Meines vilgeliebten brueders undern dato 30. Martii iüngsthin an mich
abgelassenes briefl, habe ich selbiges den 10. passato bei der post rechts er¬
halten und den inhalt daraus in einem und andern zue geniegen vernomen.
Und obwolen ich zwar meiner Schuldigkeit nach dem brueder in der ver¬
langten Sache gern ehender parte geben haben wolte, so ist aber dises die
ursach, indeine dieienige person, warauf ich mein reflexion gemacht, nicht
zur stel, sondern in gewissen negotien verreist gewesen. Nachdeme aber der¬
selbe verschienenen sanibstag widerumben nacher haus gelangt, habe ich den¬
selben volgenden tags darauf zue mir zum mittagmal beruefen und mich von
weiten, so lang er bei mir verharrt in einen discurs eingelassen, von welchen
ich dises nachvolgentes vernomen:
1. Dass dieienige bewuste person seit des Octobris Hingst verwichenen
iahrs sich alhier befindet. 2. Die ursach dessen, dass derselbe mit iliro
Excellenz herrn grafen von Fürstenberg, vornemblich aber, umbwillen er
mit deroselbeti wegen einer uation gewissen strittigkeit wider das haus Öster¬
reich nit einstimen wollen, betragen können. 3. Were er bei i. kf. Dt unver¬
schuldeter dingen durch anstiftung seiner Verfolger in die höchste ungnad geraten,
dass höchstgedacht i. kf. Dt, als sich dieselbe in Italia befunden, die zum finften-
mal begehrte audienz, damit er sich genuegsamb hette purgiren könneu, ver-
waigert worden; dahero er ursach nehmen müessen zu resigniren. 4. Aniezo
aber und seit sich derselbe alhier aufhaltet, ist er zum öftern in höchster ge-
heimb zur audienz beruefen worden. Was nun dessen anbringen oder Vor¬
haben seie, ist der zeit unmöglich solches in erfahrung zue bringen, sinte¬
malen umb dise sach mehrers nicht als 3 personen, welche ich für dismal zu
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154
Michael Poberl
benennen underlasse, darumben Wissenschaft tragen. 5. Diser zeit aber und
seit die feursprunst alliier bei hof auskomeu, hat sich derselbe mit der hof¬
stat nacher der Neustadt movirt, alwo er sich noch de facto befindet. 6. Wegen
eines under handen habenden werks, waran in die 8 Schreiber täglich laboriren
solten, befindet sich selbiges vorgeben nicht also; dann solang als er alhie
ist, mehrers nicht als seinen aignen Schreiber gehalten, allermassen ich dan
in dem haus, ahvo er logirt, durch eine vertraute person (iedoch ohne ainig
habenden argwohns) inquiriren lassen.
Und w'eilen ich dan dem brueder für dismal ein mehrern bericht nicht
zu erstatten weiss, als habe ich damit schliessen und uns dabei der göttlichen
protection, ich mich aber in Dessen briiederlichen favor bestermassen bevehlen
wollen, mit verbleibuug meines vilgeliebten brueders
Wien den 16. April a. 1668. dienstobligirt
(Name nicht mehr leserlich.)
14. Johann Rottkäpls gewesten Schreibers bei herrn gehaimen rathscanzlern Oexl
aussag über seines herrn noch in handen habende reichs- vnd andre acta.
Nachdeme i. gnaden herr gehaimber ratsvicecanzler wegen herrn Oexls
mich 11111b ein so anders befragt, als habe ich hierauf, sovil mir wissend ist,
zu papier bringen und i. gnaden solches gehorsamblich überreichen wollen.
Als herr Oexl vor zwei iahren alhier zu München gewest und i. kf.
Dt umb licenz underthänigst ersuecht, dass er eine padcur zu Baaden vor¬
nemen dörfte, hat er alhier vom Martin Widl gewesten geheimben canzlei-
registratore den Waldturuischen act begehrt und nicht allein von solchem,
sondern auch aus dem zollsduplirungsact underschidliche Sachen durch mich
extrahiren lassen, die er mit ime auf Wien genommen und mit selbigen
uuderschidlich mal zu ihrer fürstl. Gnaden von Lobkowiz (bei denen er
bisweilen über 2 stund lang sich aufgehalten) wie nit weniger auch zu
dem herrn probst zu Antrimont gefahren. Zu was ende nun solches geschehen,
ist mir unwissend, allein habe ich uuderschidliolnnaln von ime per discursum
verstanden, dass ged. herr probst i. ks. M 1 und i. kf. Dt, auch i. fürstl. Gnaden
von Lobkowiz, item herrn cammerpräsidenten zu Wien, auch i. Excellenz
herrn grafen von Fürstenberg hette aneinander bringen können, dass eine
sehr grosse feindschafft allerseits entstanden were; und so haben i. Mt i.
fürstl. Gnaden von Lobkowiz 2 oder 3 mal verboten, dass sie dise sach
bei ihnen in geheimb behalten sollen.
Wie herr Oexl nun seine rais von Wien auf Regenspurg genomeu
und der gesaudtschaft widerumben abgewartet haben, hat über eine zeitlang
des Widls frau ine herrn Oexl ein schreiben überschickt, in welchem sye
ihme alle formalia, absonderlich was E. gnaden in der Waldturuischen sach
mit ihme Widl geredt und demselben vorgehalten haben, iiberschriben.
Etliche wochen hernach, als E. gnaden ihne herrn Oexl aus gnädigster
anbevelchung durch ein schreiben hieher citiert haben, habe ich von solchem
alsogleich eine copiam machen müssen, die er neben noch aiuem aigenen
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Der Stur/, des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
155
handbriefl i. er ks. Mt überschickt hat. Und ist gleich von selbiger zeit an
schier täglich, wann er nur wegen seiner unpässligkheit hat fortkommen
können, in sein heruuders zinuner, alwo die mehriste acta gelegen, gangen
und durch mich wie auch noch einen andern mann, namens Georg Jungi nger,
ain zimblich grosse wie auch ein mittere und eine kleine, also 3 raistrüchen
voller acta sowohl in folio als in quart und octav (welche fast alle schon zue-
samben gebunden gewest waren) • einrichten vnnd verpitschieren lassen. Was
dises nun für acta gewest sein, ist mir unbewusst, weilen ich selbige nit
zusamenrichten dürfen, sondern nur bloss gebundner von uns beeden in
beisein seiner in die 3 trüchen gelegt worden seint. Seit diser citation hat
er ihme underschidliche gedanken gemacht und, wie ich zu verschidenen
malen von ime verstanden, ist er allezeit in diser mainung gewest, es möchte
under sein wehrender heraufrais nacher München herr geheimber rat von
Mayer gnädigsten bevelch erhalten, in dessen abwesenheit seine acta zu
Regenspurg zu visitiren, gestalten er dan zue dem ende die erste nacht, als
er von Regenspurg abgeraist ist, obbemelte 3 raistrüchen seinem herrn tochter-
maun in das quartier führen lassen, so ich mit disen personell, die es über-
nomen und weckgeführt haben, beweisen will.
Item so hat er auch a parte in einem klainen raistrüchel und dem
canzleisack underschidliche brief und acta herausnemen wollen, wie er aber
am heil. Josephabent zue mittag auf Büburg zu den h. h. Jesuitern kommen
und von dem alhierigen h. p. rectore einen brief, in welchem ihme sein
einkher, die er in dem collegio hier hat nemen wollen, mit einer guten manier
ist abgeschriben worden, gefunden, ist er noch klainmüetiger worden und
in disen gedanken gestanden, er möchte villeicht gar in arrest genommen
werden, und hat zu dem ende etlich schreiben neben einem handbriefl durch
einen poten, zue Regenspurg insgemein der Schönhäusl genant, seinem tochter¬
mann überschickt und solche brief in des poten cleider einmachen lassen.
Indeme er nun das letztere nachtlöger zue Greinegg 4 meil von hier
gehalten, hat er aldort abermaln etliche acta und schreiben, was verdächtig
gewest ist, in den bei sich gehabten canzleisak gethan und selbige durch
einen auch mit sich gehabten poten, namens Georg Pu ec her, verpitschierter
mehrgemelt seinem tochtermann neben einem schreiben zuruck remittirt.
Und wie er sich alliier etliche täg aufgehalten, auch wegen seiner unpässlig-
keit zu haus halten müessen, hat er seine andere noch bei sich gehabte Schriften
und brief durchgangen und etliche schreiben neben einem handbriefl mehroftged.
seinem tochtermanu durch den hans Händl, salztragern zu Stattamhof, in
dessen Kleider eingenähter überschickt.
Nachdeme er widerumb auf Regenspurg kommen, ist er etliche täg zu
haus verbliben und alsdan ain oder 2 mal zue den Churbrandenburg hh.
gesandten gefahren und mich des andern tags darauf zue den herm von
Marnholz und herrn Jena geschickt, mit diseni befelcli, dass zu beeden
hh. gesandten ich Selbsten gehen und die bewusste Sachen, wie er vorhero
mit ihnen geredt hat, verpitschierter abholen sollen, die mir es auch alsogleich
aigenhendig zuegestelt haben. Des andern tags darauf befähle er mir, ich solte
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Michael Döberl
156
diese zwei stuck in duplo in seinem zimmer abschreiben, und, sovil ich
daraus ersechen habe, ist es ein proiect der ks. wahlcapitulation, in welchem
der protestirenden mouita in margine gestanden, wie auch das protocoll darüber
gewesen, so, wann mir recht ist, im Januario oder Februario 1667 in dem
nebenzimmer vorgenomen worden ist. Von disen abschriften sowohl des
proiects als protocolls hat er den daraufvolgenden postag neben einem hand-
briefl i. ks. M* communication gethan und selbige an den herm Stoiberer
addressirt, der es an sein gehör hat überlifern sollen, auf welches aber herr
Stoiberer gleich geantwortet und seinen herrn schwehervater gebeten, ihne
doch mit solchen Commissionen künftig zu verschonen, so auch beschehen,
und seine brief, die er hinab gewexlet, dem h. p. Hilz, gewesten vice-
rectori zue Regenspurg, durch mich überschicken lassen, der es in ihr der
h. h. Jesuiter paget verschlossen und dem ks. beichtvater herrn P. Miller
nacher besagten Wien remittirt hat.
Als ich mich vor seiner Wiener rais, von welcher ich gewiss nicht
einige nachricht gehabt, licentiert und hiehero auf München mir umb dienst
zu vigilim begeben habe, hat er mir an i. Excellenz den herrn oberstcammerer
alhier ein schreiben, in welchem er sich angefragt, dass, wann dieselbe für guet
anseheten, er sich heraufbegeben und von i. kf. Dt beurlauben, zugestelt und
des andern tags darauf einen aigenen poten, namens Georg Jun ginger,
hernach alhero geschükt, die antwort von wohlged. i. Excellenz abzu-
holeu. Weiln aber dieselbe dazumal nicht hier, sondern zue Höchen Cammer
gewest seint, habe ich solches schreiben durch ihne poten aldahin remittirt,
welcher von dort aus die antwort auf Regenspurg überbracht, aber ine h.
Oexl nicht mehr angetroffeu hat.
Sovil ich sonst gesehen, auch von andern verstanden habe, lassen
i. hochfürstl. Eminenz zu Salzberg ihne h. Oexl fast alle postäg von
allen relationen, so die Össterreich. gesandtschaft zue Regenspurg, item
auch von den handbrieflen, welche erstged. i. Eminenz an i. ks. Mt a parte
abgehen lassen, abschrift durch den herrn von Puechholz als Salzburgischen
gesandten zue Wien communicirn und bisweilen etwas an gelt hinab über¬
schicken.
Und weiln ich schliesslichen, in seiner abrais nacher Wienn, nicht
mehr bei ihme, sondern alhier gewest bin, als kann ich nicht wissen, was
er für trüchen und acta mit sich genomen, sovil ich aber von einer person,
die mit ihme verreist ist, verstanden, solle er nur die grosse raisstruchen mit
actis mit ihme genomen haben. Es müsste dane sein, dass die übrige trüchen
die Frau Oexl in, als sye vor Martini hinab geraist ist, mit ihr aldahin
gebracht hette, sintemal ich bei ihrer ankonft nicht mehr zu Wien, sondern
auf der heraufrais nach Regenspurg begriffen gewest.
Wie ich auch von seines herren tochtermanns Schreibern zue Regens¬
purg, welcher aniezo für ainen richter zue Priiell in der Cartaus angenomen
werden solle und der auch obig anfangs benambste 3 trüchen nächtlicher weil
aus des herrn Oexls in seines herrn tochtermans quartier überbringen
helfen, verstanden, so sollen noch vil verschlagene küsten in dessen quartier
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Der Sturz des kurbayerischeil Kanzlers Öxl. 157
zu Regenspurg stehen. Ob nun acta darunder begriffen sein möchten, ist
mir unbewust K er Gnaden mich underthening und gehorsamblich empfehlend.
E er Gnaden
underthenig gehorsamster diener
Johannes Rottkäpl.
15. Straubing 1669 April 24. öxl a. d. Kurfürsten.
Ich habe mit höchstbestürztem gemüht verstanden, wasmassen E. kf.
Dt mein vor einem iahr auf Dero mir damals nacher Wien zuegefertigten g.
erfordernngsbevelch abgelassenes entschuldigungsschreiben zue ungnädigstem
müsfallen und dahin empfündlich aufgenommen, das ich darmit die fines debitae
modestiae et respectus überschritten und solches gar impertinenter eingerichtet,
also bei E. kf. Dt noch grössere ungnad und offension verursacht habe.
Gleichwie ich nun mit dem allwissenden gott und reinem gewissen
bezeugen kan, dass in mein herz und gedanken niemalen kommen, E. kf. Dt
darmit ungezümbter weis zu attaquiren oder Dero actiones vorrücklich zu
tadlen und mich Irer bevelchen aus muetwilligem und fürsezlichem unge¬
horsam zu widersezen, inmasseu ich derenthalben in dem gedachten schreiben
beigefügtem P. S. gleich alsbald damals ausführlich und deutlich contestirt
habe: also ist mir das gröste herzlaid, dass es anderster ausgedeutet und
E. kf. Dt hierdurch offendiret, auch zu noch mehrer ungnad gegen mir be¬
wegt worden
Versichere Dieselbe underthänigist bei der höchsten warheit, wan ich
in meiner damaligen eussersten perplexität und gemütsverstöning prudenter
hette indiciren köudten, dass es einen solchen widrigen effect und üblen aus-
schlag gewännen, dass ichs wohl uuderlassen und lieber alle beschwerlichkeit
erlitten als E. kf. Dt zu solchem disgust, Widerwillen und risentiment würde
ursach gegeben haben. Ich hab zumalen mir nicht eingebildet, dass dises
schreiben so gar impertinent und exorbitant sein solte, weilen es auch am
höchsten ort nicht also verstanden oder improbirt worden.
Was derowegen darinnen zu hart, ungebührlich und wider den schuldigen
respect, dessen ich mich sonsten gegen E. kf. Dt iederzeit höchstens beflissen,
ein geschlichen sein möchte, das ist alles ex mera perturbatione animi, unbe¬
dachtsamer praecipitanz und mir von andern beigebrachten ungleichen bericht
in der grössten ängstigkeit wider mein intention und willen beschechen, ver-
hoffe auch, es werde darbei desto weniger bedenken Vorfällen, weil es iederzeit
und bishero inter privatos parietes verbliben, uud solches schreiben keinem
menschen auf diser weit als i. k. Mt, dero beichtvatern P. Mi 11 er 11 und
hofcanzlern baron Hocherm under äugen kommen. Der fiirst v. Lobkowiz,
wie er etwas darvon vernommen, hat es auch ad statum videndi von mir be-
gert, aber allein umb zu sechen, ob nichts darin wider ihn gemeldt, uud hat
es e vestigio restituirt.
Dass auf bedeutes E. kf. Dt citationsschreiben ich nicht erschienen,
hab ich die Ursachen damal schon etwas angeregt, und ist haubtsächlich
und vornemblich dasienige daran verhinderlich gewesen, was i. Eminenz
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15 «
Michael Döberl
der herr Cardinal v. Thun sei. mir vermög des originalbeischlusses durch
meinen tochtermann den Dr. Scherren aus Regensburg so eifrig und umb-
ständlich überschriben und mich so gar operose gewarnen lassen, welchem
ich desto leichter glauben beigemessen, weil i. Em. mich vorhero durch vil
verschaidene aigenhändige schreiben der sonderbaren g. affection und sincerität
aufs kreftigist versichert. Inmassen dann aus dem heiligenden original Selbsten
zu ersehen, wie dieselbe mich noch kurz vor E. kf. Dt citation vergewisst,
dass i. Em. nichts mehrers verlangen als mir in allen begebenheiten ire
particularaffection zu contestiren und im werk Selbsten zu erweisen, dass sie,
wie die demütigiste formalia lauten, di tutto cuore mein wohlaffectionirter,
obligirter unverändlicher freund seien und bleiben. Ja sie haben mir noch
vor meiner abrais nach Wien ultro iährlich aintausend ducaten besoldung neben
andern gnaden mehr angeboten, wan ich mich in dero dienst begeben wolte.
Was sonst sowol i. hochfürstl. Eminenz als andere mir weiters durch besagt
meinen tochtermann den Scherer in simili zu entbieten und er an den
Dr. Stoiberer gelangen lassen, hab ich dem geheimben ratsvicecanzlern
Schmid überschickt. Und lasse nun E. k. Dt tanquam aequissimum et
sapientissimum rerum arbitruin ich höchstvernünftig ermessen, ob nicht dises
alles — anders dergleichen noch vil merers zu geschweigen — solche Sachen
seien, welche mir iustissimum et vel inconstantissimum et innocentissimum
virum cadentem metum et abhorrescentiam causirn könden. Indeme zumal
alle, welche es gelesen, vorderist aber i. k. Mt selbsten, wie auch vorbenante
dero beichtvater und liofcanzler, die ich hierumben umb rat und hilf an ge¬
sprochen, mir zu verstehen geben, dass bei so gestalten Sachen die erscheinung
höchstgefährlich und mir keineswegs ratsamb seie. Hab ich mich nun der¬
selben und deren mir augetroten und so stark eingebildeten eussersten gefalir,
not und elends entschütten und befreien wollen, bin ich ia höchstens ge¬
zwungen und getrungen gewesen, E. kf. Dt die mir hievor so g. und mild¬
reich conferirte gnaden, wardurch Sie mich Deroselben noch für obligirt und
zu compariru schuldig erachtet, allzumal, wie ungern ich auch daran kommen,
zu resignirn und mich dadurch in freiheit zu stellen.
Bei welcher der Sachen wahren und dem allwissenden gott bekanten
gründlichen beschaffenheit E. kf. Dt ich ganz underthäuigst, demütigst und
flechentlichist bitte, Dieselbe wollen mir umb der liebe Christi und Mariae
willen alles dasienige, was Sie Iro von mir in einem und andern zu müs-
fallen und belaidigung gethan und geschriben zu sein vermeinen, aus Dero
angeborner höchstrühmblichen kf. milte und barmherzigkeit g. verzeichen,
mich deren keines entgelten, sondern zu vorigen hochen kf. g. affection und
vertrauen, auch zu würklichem volkomenem genuss der vorher couferirten
mehrfeltigeu gnaden quasi postliminio kommen zu lassen.
Dargegeu bin ich des underthänigsteu erbietens E. kf. Dt bei ver-
pfendung meines kopfs liquidissime darzuthuen, das ich wider meine reversales,
auch vormals getragene pflicht nicht umb einen buchstaben gehandlet und
verbrochen, dass meine anwesenheit zu Wien E. kf. Dt im geringsten nichts
geschadet habe, sonder vilmehr zu Deroselben diensten nicht wenig nuzlich
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
159
und erspriesslich sein könde, und dass alles, was ich widriges bezichtiget
worden, lauter von passionirten und interessirten leuten herrühretide falsche
unbegründete und erdichte auflagen, dargegen ich iederzeit in meiner E. kf.
Dt schuldigen treue und devotion beständig und unversehrt verblieben seie.
Darin ich auch noch fürters bis in mein tod zu verharren und, da es von
uöten, mit meinem bluet zu bezeugen verlange.
Damit ich nun solches alles desto förderlicher und besser ins werk
richten möge, hab ich mich von Wien mit allem, was ich dahin gebracht — ausser
was ich daselbst mit wenig tausend gülden wert eingebüest — hinweg und
wider in E. kf. Dt landen hiehero nach Straubing begeben, alda ich ge-
horsamst erwarten will, was Dieselbe mir in einem und andern g. bevelchen,
deme ich dann alles vleises und eifers gehorsambst nachkommen werde, mich
im übrigen auf mein an Dero geheimben vicecanzler Schmid bereits den
17. verschinen monats Marti i aus Wien pro aliquali praevia informatione
in antecessum abgangnes erleuterungs- und erbietungsschreiben beziehend
und E. kf. Dt mich bevelcheud.
Straubing den 24. Aprilis a. 1669.
16. Straubing 1669 April 24. öxl an Hermann Egon von Fürstenberg.
Ich stell in keinen zweifei, E. hochgeb. Excellenz werden meine
ankuuft dahier und die ursach derselben albereit vernomen haben und aus
meinem an i. kf. Dt unter heutigen dato abgehenden schreiben noch mehrers
verneinen. Dieweilen mir nun wohl bewusst, dass E. Excellenz bei meiner
reconciliationssach an ihrem hohen ort sehr viel zue befördern vermögen, als
ersuche Dieselbe hiemit gehorsamblich, mich der vor diesem zue mir ge¬
tragenen gnädigen affection annoch gemessen zu lassen und nachtrückenlich
zu cooperiren, dass i. kf. Dt sich über mein underthänigster anlangen gnedigst
und mildreich und willfhärig erklären möchten, so umb E. Excellenz uud
Dero gesambte hochloblichste familia mit meinen geringfuegigen diensten zu
promeriren ich mich die tage meines lebens iederzeit eifrigst befleissen und
im werk bezeigen werde. Was ich nebst meiner eifrigsten empfehlung wahr¬
haftig, seie und verbleibe etc.
17. München 1669 Mai I. Kurfürst Ferdinand Maria an öxl.
Liber getreuer. Wür haben Dein uutertenigstes deprecation- und ent¬
schuldigungschreiben vom 24. nechst abgewichenen monats Aprilis wol em¬
pfangen und daraus mit mehrerm ableseut vernommen, welchergestalten Du
bitten thuest Dich in ansehung der angeführten Ursachen wider zue kf.
gnaden aufzuenemen und zue volstendiger geuiessung dessen kommen zu
lassen, was wür Dir hiebevor bei der in gnaden beschehner dimission Deiner
dienst bewilliget haben.
Nun ist zwar dasienige schreiben, so Du unterm 13. April vorigen
iahrs aus Wien an uns abgehen lassen, mit solchen groben und impertinenten
anzügen, deren die wenigste nit ist, dass Du sogar unseren hof yermessentlicli
einer tyranei beschuldiget, angefüllt, dass wir gar nit ursach lieten, Dir mit
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160 Michael DÖberl
weiteren gnaden gewogen zu sein, bevorab weil uns nur gar zue wohl
bewust, was Du in Deiner an Wesenheit zu Wien wider Deinen
von hand gegebenen revers unseren dinsten zuegegen gethan.
Dieweilen wür uns aber Deiner hiebevor uns und unserm churhaus geleister
gueter dienst erinnern, so wollen wür in ausehung derselben auf Deine iezige
deprecation in kf. gnaden bewilliget habeu, dass Dir iehrlich, so lang Du noch
das leben haben würdest, zue Deinem underhalt tausend gülden verreicht
werden, doch dass Du Deinem vorigen revers gemess in keinen andern dienst
tretest, auch Dich nirgents anderst als zue Augspurg aufhaltest und auf iedes
unser erfordern, weil wür iezuweilen Deiner in gewissen negotien von nöten
haben möchten, gehorsambist einstellst. Massen wir derentwegen eines neuen
revers gewertig sein und verbleiben Dir anbei mit gnaden.*)
München den i. Mai a. 1669.
Konzept v. Schmid.
18. München 1671 Mai 18. Öxl an Kurfürst Ferdinand Maria.
Durchleuchtigister churfürst, gnädigister herr.
Als oft ich an E. kf. Dt gedenken thue, welches täglich vielmals ge¬
schieht, so oft betrüebt es mich im innersten grund meines herzens, ja in
meiner seel, dass ich bei demjenigen grossen herren, bei deme ich vorhero in
so mächtigen gnaden und sonderbarem credit gelebt, welche ich durch meine
demselben, seinen hochloblichisten voreitern und ganzen kf. haus gelaistete
langwüerige, zwar geringe, doch — ohne unzümbliche vorriieckung — getreuist
und redlichiste dienst erworben, nunmehr bei 4 ganzer jahr in widriger
ungnad und misstrauen gleichsamb erstorben und tot sein solle. Was ich
linder solcher zeit vür januner, elend und widerwertigkeit an ehr, hab und
guet, an leib und leben, ja gar an meiner armen, eusserist affligierteil seel
Selbsten habe ausstehen müessen, ist fast nicht zue beschreiben. E. kf. Dt
glauben meinen wahren Worten, die ich gegen Deroselben hiemit in angesicht
des allwissenden gottes mit traurigistem herzen und bitterem schmerzen aus¬
giesse, dass ich dergestalt gelitten und gestritten, dass es ein unmenschliches
herz erbarmen und einen harten felsen erwaichen möchte. Und wau er der
grundgüetigiste gott neben seinen gerechtsten heimbsuechungen nicht zue-
gleich sein allgewaltige hand so väterlich, barmherziglich und vestiglich ob
mir gehalten, dass ich menschlicher weis au oberwentem allem hette gänzlich
zue grund gehen muesseti. Ich hab auf dieser weit im gäistlichen und welt¬
lichen anfangen wollen, was nur immer sein könden, so ist mir E. kf. Dt un¬
gnad jederzeit im weg gestanden und hat mich dermassen zue boden geschlagen,
dass ich mich nit rüehren, weniger über sich schwingen könden. Ich will
nicht sagen von der grossen Verachtung, spott und vielfältigen höchst ehren-
verlezlichen, aber unwahrhaften verklainerungen, so bishero über mich gangen
*) Am 26. November 1669 bewilligte der Kurfürst eine weitere Zulage von 200 Gulden
und den geheimen Ratskanzlertitel, auf erneute Vorstellung (s. Nr. 18) eine Zulage von
300 Gulden und .wies Öxl entsprechend seinen Gesuchen anfangs Augsburg, später Ingol¬
stadt, zuletzt Landshut als Aufenthaltsort an.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. l6l
und mich umb allen respect und meine bei so vielen hochen und nidern
Standspersonen in allerlai vorgewesenen occurrentien so saur und teur er¬
worbene guete existimation und rüemblichen namen nuet wenig gebracht
haben. Es ist so weit mit mir kommen, dass fast alle meine gehabte guete
freund und patronen, ia sogar meine aigne kinder und tochtermänner sich
meiner enteussert und zum teils mich gänzlich verlassen und einige noch
darzue selbsten verfolget.
So kan ichs specifice und urkundlich darthuen, dass ich in selbigem
meinem statu exinanctionis und gleichsamb vierjährigem elend durch zuege-
standene immerwehrende unglückseligkaiten und traversen über 16000 gülden
— so wahr gott ist — paaren beisammen gehabten und härtiglich, ja tails mit
gefahr leibs und lebens erworbenen gelts ohne alle ergözlichkait und reputation
eingebüesst. Aller andern, sonderlich im herzogtumb Württenberg empfangener
grosser und vielen Schäden, auch des inmittels verabsäumten lucri cessantis,
warzue mir alle mittel abgeschnitten gewesen, gar nichts zu gedenken. Ich
kan den teuren verlust meines lieben weibs, die sich über meine disgratia
und widerwertigkait zu tod bekümert hat, nicht genuegsamb beherzigen, noch
bis in mein grab verschmerzen. Meine aus lauter betrüebnus contrahierte und
ausgestandene unterschidliche schwere und darunter zwai tötliche krankheiten
seind bekannt.
Welches unhail allzuemal ainig und alleinig von meinem aus Neustatt
in Oesterreich au E. kf. Dt den 13. Aprilis a. 1668 leider unbedachtsamber
weis abgangenen impertinenten resignationschreiben, dardurch ich Dieselbe
neben ainigeu Dero vornemen ministem so hoch offendiert habe, ursprüng¬
lich hergeflossen. Dan ausser dessen waiss ich nach fleissigister erforschung
meines gewissens nichts, was ich sonsten E. kf. D l zue nachteil oder disrepu-
tation ungebüehrlich verhandelt oder malitiose delinquiert haben sollte.
Gleichwie aber angeregtes unglückseliges resignationschreiben aus lauter
üblen Information, eingejagten grossen schrecken und übereilter unbesonnen-
hait herkommen, wie ichs in meiner darüeber gethanenen unterthänigisten de-
precationsclirift umbständlicher ausgeführt habe, benebetis verhoffe, was ich
darmit und etwan auch in andere weg E. kf. Dt zu ungnädigstem missfalleu
verhandlet und verschuldt haben möchte, durch oberzehlte so manigfaltige
schwäre und langwiierige trangsalen genuegsamb abgebüsst zu haben: also bitte
ich E. kf. Dt unterthänigst fuessfallend, mich armen 42jährigen Churbayeri¬
schen diener nunmehr in meinem zimblichen hochen und 66jährigen alter zue
vorigen kf. milten gnaden völlig gnädigist wieder an- und aufzuenemen, mehr-
erwehntes ungezümbtes resignationschreiben sambt allem, was darin begriffen,
gänzlich zue abolieren, was E. kf. Dt ich iemalen zuewider gethan, umb der
liebe Jesu Christi willen mir gnädigist zu verzeicheu und in den abgrund
ewiger Vergessenheit und amnistie zue versenken, auch mithin mich allerdings
wieder in den gnadenstand, wie es E. kf. Dt den 13 Aprilis anno 1667 gnä¬
digist decretiert haben, aus kf. milte nnd güetigkait g. zu reponieren und
fürters deren mir vormals conferierten gnaden und beneficien wirklich und
völlig wieder gemessen zu lassen. Ich verpflichte mich hinwider gegen
Bayer. Forschungen VII, 2. 11
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Michael Döberl
E. kf. Dt nicht allein dasjenige, was ich in meinen vormaligen reversalen
versprochen, aufs treuist und fleissigist zu observieren, sondern auch die mir
erneuerte hohe gnade mit allen meinen unterthänigisten diensten bis in mein
grueb nach meinen eusseristen kräften und vermögen zue promerieren.
Euer kf. Dt mich liieneben zue der alten hochen kf. gnaden und gnö-
digistes vertrauen in tiefister demuet gehorsambst empfehlend.
München, den 18. Mai 1671.
E. kf. Dt etc.
19. München 1673 Dezember I. Kurfürst Ferdinand Maria an den Viztum und
Kanzler zu Landshut.
Ferdinand Maria etc.
Unser geheimer canzler der Öxl ist gleichwolen mit seinen Sachen
und hauswesen also umbgangen, dass, anstatt dass er ihme und den seinigen
einen ehrlichen Vorrat erhalten und iedermau also contentiren können, dass
wir seinetwegen unangeloffen pleiben mögen, aniezo nichts als schulden und
zwar solche vorhanden sein, deren entrichtung mit guetem gewissen nit kan
differiert werden, massen beede origiualeinschlüssen ausweisen, dass neben
andern praetendenten auch die lidlöhner, davon der eine als der gutschier
noch würklich in seinen diensten ist, umb ihren lang verdienten sold pitten
und suplicireu müssen.
Dieweilen dan bei so gestalten Sachen und ihme Öxl seinem vorgeben
nach allerdings entgangenen mittein das beste sein wird, dass er sich derieni-
gen, so ihme nur das seinige ohn werden helfen, gänzlich entschlage und
an ein solches ort begebe, wo er vordrist dem gottesdienst und seiner Seelen
hail bei täglich zunehmendem alter und Schwachheit am besten und ruhigsten
abzuwarten die gelegenheit habe und hierunder von demienigen, so wir ihme
aus lautern gnaden verraicheu lassen, so vil erhalte, dass die in ihne tringen-
de creditores, vordrist aber die armen lidlöhner nach und nach zu dem
ihrigen gelangen: solchemnach ist unser g. befelch, dass Ihr ihme dieses wohl
zu gemüt führet und benebens unser g. meinung dahin eröffnet, dass er sich zu
den Dominicanern zu Landshuet in die kost begeben und mit euerm zutliuen
gleichwohl mit denselben tractire, was er für sich und einen diener nach ge¬
stalt des ordinaritisch und trunks quartaliter geben solle, welches nach be-
schehener Vergleichung und von ihme Öxl vorhandener anweisung also an¬
geschafft werden könte, dass die Dominikaner quartaliter das ihrige alliie zu
erheben uud richtig einzunehmen hetten. Wir zweifeln nit, er Öxl werde
Selbsten erkennen, dass auf diese weis er ihme, wan er nur will, wol sein lassen
und die arme bediente ihres ausstands in kurzem werde befriedigen können.
Dan sollte er sich wider versehen nach diser unser ihme zu seiner
ewigen und zeitlichen wolfahrt zum besten gemainten intention nit bequemen
und hingegen die creditores dasienige haben wollen, was ihnen nach ausweis
der vorhandenen originalbekauntnüssen als verdienter lidlohn keinesweg länger
vorenthalten werden kan, so gedenken wir den lauf der unparteiischen iustiz
nit zu hemmen, sondern vielmehr die Verfügung zu thuen, dass derselben
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
163
gemäss einem ieden zu dem seinigen verholfen werde. So aber auf obgedachten
wohlgemeinten Vorschlag vermieden blibe und ihme Öxl weit besser als itzo,
da alles eine vorhin verzehrte sach zu sein und nichts zu verbleiben scheinet,
sein würde. Darüber wir nun Euers untertheiligsten umbstandigen berichts ge¬
wärtig sei n d.
20. I67S März, öxl an den Kurfürsten Ferdinand Maria.
Durchleichtigister Churfürst
genedigister herr etc.
E. kf. Dt thite ich einen alten kranken und notlaidenden bedler für
Dero gnaden trohn allerunnderthönigst und diemiedigist vorlegen, durch gott
flehendlist bitend, Dieselbe wollen sich aus lauter barmbherzigkheit meiner umb
gotteswillen genedigst erbarmben. Ich bin alt und habe nunmehro das 68.
jalir auf mir, darunder ich Deroselben und ihrem kf. haus 38 würklich und
nunmehr 6 jahr als ein emeritus und zue gnaden wider angenommener diener,
also in allem 44 jahr servieren tliue. So hat mich auch gott der allmöchtige
an St. Jacobitag des verschiuen jahrs mit einer solchen schwären urpläzlichen
und gefährlichen zuestand des laidigen schlags oder seines göttlichen gwalts
väterlich haimbgesueclit, das glaicli damals mäniglich an meinem aufkommen
desperiert, mich mit dem sacro viatico wie auch mit dem sacrament der lesten
oelung versehen gehabt, weswegen ich die ganze zeithero an der rechten
saiten grosse lähme, schmerzen und not leiden, auch ohne zweifei mit dem
tod Selbsten bezahlen muessen, da mich seine göttliche allmacht nicht mira-
culose erhalten hete.
Wie armbselig, notdürftig und elend ich seie, ist mir inehrers mit
haissen zähren zue bewainen als genuegsatub zue beschreiben und, ob ich
wohl in E. kf. Dt diensten grosse gnaden und milthätigkeit empfangen,
hab ich doch dermalen nichts mehr darvon übriges als 4000 fl. Capital und
bishero darvon ausständig 2600 fl. interesse bei dem herzog von Württenberg,
so E. kf. Dt mir lestmals ao. 1659 von dem kaiserl. Wahltag zue Frankfort
widerumb zuruckommeu geschenkt und ich aus lauter guetherzigkeit von
Dero obristen cammern und gehaimben rat freiherni von Haslang beraits
vor 13 jahren an gekauft, aber über vilfältiges sollicitiern, auch aigeuem kostpar-
lichen nachraiseu bishero weder an Capital noch interesse nichts darvon ge¬
nossen oder erhalten habe, sondern erst iezo mit kostparlichen process an
dem ks. reichshofrat auswürken muess. Und ob ich wohl bei den Wür-
tenbergischen underthoneu ein nambhafte summa zue suechen gehabt, so ist
mir doch das selbige alles entgangen, indeme mir zwar E er kf. Dt frau mueter
höchstseligen angedenkens a° 1655 zue einbringung solcher schulden mir die
gnädigiste erlaubuus geben gehabt, dass ich auf dem deputationstag zue
Frankfort, zue welchem ich neben ihrer landgräflichen Excellenz dem herm
grafen von Fürstenberg und dem revisionsrat Dr. Wampl verordnet
worden, zumalen mir underwegs gewesen, ich 6 wochen voran nacher
Göppingen ziechen und daselbst meiner Sachen notturft verrichten möge.
Als ich mich nun kautnb 14 täg daselbsten aufgehalteu und meine negocia
10*
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164 Michael Döberl, Der Sturz des kurbaverischen Kanzlers Öxl.
ein wenig in ein Ordnung gericht, ist mir gnädigister befelch zuekonnnen, dass
ich mich alsbald nach Nürnberg verfiegen und daselbst der Culmbacliischen
acteninrotulation beiwohnen soll. Ehe und dan ich aber von dorten wide-
rumb nach Göppingen gelangt, habe ich fernem gnädigisten befelch auf
dem tisch gefunden, craft dessen ich gestracks nach gedachtem Frankfort fort-
raisen müessen, weilen derWampl schon abgefertigt und bei ihrer landgräflichen
Excellenz zue Hailichenberg ankommen war. Dahero ich alles widerumb in
confusione einmachen und, zuemalen ich von selbiger zeit an continuierlich
in publicis negociis bin gedrängt worden, die Sachen also hangen lassen und
E. kf. Dt hochangelegene geschäft meinen privatis billig vorzieclien und diese
bishero, wie man zu reden pflegt, an ein nagel hänken müessen, bis ich vor
ungefähr drittlialb jaliren mit E. kf. Dt gnädigister erlaubnus mich widerumb
nacher Göppingen begeben und meine seidhero gar in verwürung und zer-
ritung geratene Sachen auszuemachen gesuecht habe. Da sich dan befunden, dass
die underpfand dertweiln in die drite und vierte, ia wohl fünfte und sechste
hand gelangt und gar verloren worden, das man uit mehr gewusst, wohin
dieselben kommen seind. Danueuhero ich nit allein alle interesse nachlassen
müessen, sondern auch an den capitalien Selbsten über die 10000 fl in Ver¬
lust geraten, wie die ordentliche extract des undervogts zue Göppingen Johan
Phil ipp Sadlers und baumaisters Hanns Ulrich Helfrich, welche hierin
underhändler und meine beiständer gewesen, beinebens ihren bei gelegten
rechnungen, welche ich in meiner lestern amvesenheit zue München dem
herrn gehaimben ratsvicecanzlern durch dero gehaimben expeditorn communi-
ciert habe, ausfierlich zue vernemen geben.
21. Inschrift auf dem Grabstein des Kanzlers öxl in der Frauenkapelle
zu Landshut.
Siste gradum viator et paulisper arbiträre, quam caduca sint omnia.
Hic quiescit
Illustris. ac generös. Dominus D. Joannes Georgius Öxl anno MDCVI Argen-
torati in lucem editus, a. MDCXXVIII orthodoxae fidei lücem Dilingae amplexus
Exinde publicis admotus officiis sereniss* 8 utriusque Bavariae ducibus
S. R. I. electoribus Maximiliano et Ferdiuando Mariae XLVIII annos im-
pendit ea fidelitate ac felicitate, ut intimus arcanorum cancellarius ad gra-
viss ma reipubl. negotia, ad imperii Status conventus Noriinbergam, Fronko-
furtum, Augustam, Ratisbonam pro legato mitteretur, sive pacis angel. sive
iuris interpres, magno ubique plausu exceptus. Summa pontificum et cae-
sarum commendatione regum et principum aestimatione communi omnium
utilitate probatus certe Francofurti ob res praeclare gestas ab augustiss 0 Leo-
poldo I novo tum caesare primum imperatoriae potestatis fructum prim 8 re-
portavit nobilitaten. Baro dein esse iussus aucto etiam equestri dignitate hic
vir hic tandem officis vitaque defunctus plenus dierum supremum diem obiit
Landishuti A. MDCLXXV aetatis EXX Maii XXVII. Cuius funeri ac moerori
ut grati parentarent filii filiaeque hoc posuerunt monumentum.
Tu piis manibus bene precare et vale.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites*)
(1657—1659).
(Zwei Jahre reichsst&ndischer Politik.)
Von
Karl Lory.
Einleitung.
roi est mort, vive le roi!
Im alten heiligen römischen Reiche hat man diesen Grundsatz, der in
jedem modernen Staatsweseu monarchischer Verfassung zur Geltung gelangt
ist, nie gekannt 1 ). Sorgfältig hielt man hier bis zum letzten Augenblick an
den Traditionen des Mittelalters fest, lieber stritt man sich in endlosem Hader
über Recht und Ursprung, über Sinn und Bedeutung längst unbrauchbar ge¬
wordener Einrichtungen, als dass man es gewagt hätte, an dem morschen Bau
des Imperiums und seiner Verfassung zu rütteln. So nur war es möglich,
dass die deutschen Politiker und Rechts gelehrten noch zu einer Zeit, da der
eingangs citierte Satz jenseits der Vogesen längst schon zum Staatsgrundgesetz
erhoben w r ar, ratlos vor dem Institute des sogenannten Reichsvikariats 2 ) stehen
konnten. Ursprünglich bestimmt, die Schrecken einer kaiserlosen Zeit hint¬
anzuhalten, war dasselbe infolge des tiefen Dunkels, das über seinen Ursprung
gebreitet war, doch nur zu sehr geeignet, die Wirren eines anfallenden Inter¬
regnums zu vermehren. Aber das Reichsvikariat war doch auch noch in
den spätesten Zeiten des alten Reiches mehr als ein blosser staatsrechtlicher
Anachronismus, der längst alles Interesse der Lebenden eingebüsst hatte.
1648 beginnt vielmehr für die Geschichte desselben eine neue Periode, die
erst nach der Thronbesteigung des letzten römischen Kaisers deutscher Nation
ihren Abschluss findet. Und gerade die Geschichte des Reichsvikariats be¬
weist, dass man auch in späteren und spätesten Zeiten an einer Reform der
*) Nach zwei Seiten hin scheint die vorliegende Arbeit dem Verfasser einer Recht¬
fertigung zu bedürfen: wegen der geringen Berücksichtigung der Vikariatshandlungen
Karl Ludwigs, sowie wegen der umfänglichen Darstellung des Verhaltens der kleineren
Reichsstände. Erstere war bedingt durch die Unauffindbarkeit des pfälzischen Akten¬
materials; zur zweiten bewog den Verfasser der Gedanke, dass der Vikariatsstreit als Folie
für die Kaiserwahl von 1657 besonders geeignet erscheint, ein Stimmungsbild in weitem
Umfange darzubieten. Von der älteren Litleratur fand hauptsächlich die zeitgenössische
Berücksichtigung, ausserdem J. J. Mosers „Teutsches Staatsrecht“, dessen Darstellung
zweifelsohne zum teil wenigstens auf handschriftlichem Material beruht; dagegen fanden
namentlich die späteren Streitschriften, deren Kenntnisse über das Reichsvikariat von 1657
fast ausnahmslos aus dem Theatrum Europaeum u. dgl. geschöpft sind, keine Verwendung.
Bayer. Forschungen, VII, 3. 12
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Karl Lory
Reichsverfassung nicht ohne Eifer arbeitete; Berufene und allerdings auch
viele Unberufene finden wir hier an der Arbeit, die Verfassung auszubauen
und weiterzuführen, soweit es auf der einmal gegebenen schwankenden Grund¬
lage möglich war. Aber auch hier zeigte sich das Friedensinstrument von
1648 in seiner Unzulänglichkeit und Zweideutigkeit: 1657, als Kaiser Ferdi¬
nand III. gestorben war und die Schwierigkeit der Successionsfrage ein
längeres Interregnum zur Folge hatte, war das Iustrumentum pacis gerade gut
genug, um der alten Rivalität zwischen der pfälzischen und bayerischen Linie
des Hauses Wittelsbach neue Nahrung zu geben. Ferdinand Maria er¬
klärte das Reichsvikariat als ein mit dem Besitz der vierten Kur und speziell
des Erztruchsessenamtes unauflöslich verbundenes Recht und nahm dasselbe
als nunmehriger Inhaber dieser beiden Ämter für sich in Anspruch. Karl
Ludwig von der Pfalz dagegen betrachtete das Vikariatsrecht als mit dem
Pfalzgrafenamt verwachsen und forderte dasselbe für sich als Pfalzgraf bei
Rhein und Besitzer der unteren Pfalz. Beide Parteien stützten sich dabei auf
die goldene Bulle (Cap. 5: Quotiens insuper ut premittitur sacrum vacare
continget imperium, illustris comes palatinus Reni sacri imperii archidapifer
ad manus futuri regis Romanorum in partibus Reni et Suevie et in jure Fran¬
conico ratioue principatus seu comitatus palatiui privilegio esse debet provisor
ipsius imperii etc.) und das Friedeusinstrument, dessen 4. Artikel dem Hause
Bayern die Kurwürde, welche früher die Pfälzer innegehabt hatten, samt
allen Regalien, Ämtern, Rechten und Zugehörigkeiten einschliesslich der obern
Pfalz zuerkannte; die scheinbar einfachen und unzweideutigen Worte wurden
durch eine Fülle bombastischer Gelehrsamkeit so verdunkelt und entstellt,
dass es in der That unmöglich war, zwischen Recht und Irrtum zu scheiden.
Heute untersteht es keinem Zweifel mehr, dass das Reichsvikariat mit
der Kurwürde ursprünglich nichts zu thun hatte, sondern an das Pfalzgrafen¬
amt gebunden war. Und wenn auch die Zeit sowie die Art und Weise seiner
Ausbildung vielfach unklar sind, soviel darf heutzutage als feststehend be¬
trachtet werden, dass die ersten nachweisbaren Beispiele eines pfälzischen
Reichsvikariats in eine Zeit fallen, da das Kurfürstenkollegium erst an der
Schwelle seiner Entwickelung angelangt war 8 ). Auch gewinnt immer mehr die
Anschauung an Boden, dass sich das Reichsvikariatsrecht des Pfalzgrafen bei
Rhein aus seiner Vikariatsgerichtsbarkeit, d. h. aus seiner Stellung als Richter
eines im Falle der Thronerledigung von ihm zu besetzenden, die Stelle des
königlichen Hofgerichts einnehmenden Gerichtshofes, entwickelt habe. „Vom
Reichsvikariatsgericht zu dem vollen Reichsvikariate war nur ein Schritt 4 )/'
Dem widerspricht auch nicht, dass man in neuester Zeit das Reichsvikariat
ebenfalls mit der sehr bald schon notwendig gewordenen Stellvertretung des
Königs bei der Bannleihe durch bestimmte Fürsten (nach einer Angabe des
Schwaben Spiegels durch die drei herzoglichen Erzbeamten) in Zusammenhang
brachte 5 ).
Zu diesem Bild, das w r ir uns heute von dem Ursprung des Reichs¬
vikariats machen können, fehlte 1657 so gut wue alles. Es kann ja gewiss
keinem Zweifel unterliegen, dass die beiden Parteien damals aus den ihnen
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 167
erreichbaren Quellen alles hervorholten, was ihnen irgendwie zur Verteidigung
ihrer Ansprüche dienlich erscheinen konnte; dass im Verlaufe des namentlich
auch litterarisch geführten Streites die gesamte Kenntnis jener Zeit von dem
Ursprung und der Geschichte des Reichsvikariats zutage trat. Aber wie
kümmerlich, wie unzuverlässig war diese Kenntnis! Die pfälzische Partei
konnte mit Bestimmtheit wenigstens kein einziges Reichsvikariat vor der
goldenen Bulle namhaft machen, kein einziges, da der Reichsvikar nicht auch
Kurfürst gewesen wäre; sie konnte nicht leugnen, dass das übliche Vikariats¬
wappen für ihre Ansprüche nichts, für die ihres Gegners sehr viel bewies;
denn nicht das Abzeichen der Pfalzgrafenwürde (die beiden Schwerter), sondern
jenes des mit der vierten Kur verbundenen Truchsessenamtes (der Reichsapfel)
war darauf zu sehen. Anderseits mussten auch die Verteidiger des bayerischen
Reichsvikariats zugeben, dass wohl in dem Lehensbrief von 1623 das Vikariat
ausdrücklich erwähnt worden war, nicht mehr dagegen in jenem von 1652 6 ).
Kurz, eine unanfechtbare rechtliche Entscheidung war bei dem damaligen
Stande der verfassungsgeschichtlichen Kenntnisse überhaupt nicht möglich,
und da Nachgiebigkeit nicht in dem Charakter der beiden Wittelsbacher lag,
war ein Konflikt unvermeidlich.
Kurbayern blieb mit seinen Ansprüchen auf das Reichsvikariat nur
einer Politik treu, die es schon längst mit Hartnäckigkeit verfolgt hatte. Das
Streben nach dem Reichsvikariat ist ja nur die logische Folgerung, welche
*
aus dem Streben nach der Kurwürde gezogen werden musste. Schon im
16. Jahrhundert hatten die Bewerbungen Bayerns um den Kurhut Bündnisse
sämtlicher pfälzischer Linien untereinander zur Erhaltung der pfälzischen Kur¬
würde veranlasst 7 ). Die Sorge um das Reichsvikariat selbst hatte ebenfalls
schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1519) einen förmlichen Vertrag zwischen
dem pfälzischen Kanzler und dem französischen Gesandten zur Folge gehabt 8 ).
Ausdrücklichen Anspruch auf die Reichsverweserschaft erhob Bayern freilich
fast ein Jahrhundert später zum erstenmal; es lässt sich jedoch kaum be¬
zweifeln, dass schon in den ca. 1544—1559 von Wilhelm IV. und Albrecht V #
von Bayern offen erhobenen Ansprüchen auf die Kur (cfr. Riezler IV, 335,
338 f., 341, 392, 438—441) der Anspruch auf das Vikariat inbegriffen war;
denn bei der letzten Thronerledigung (1519) hatte Pfalz neben Sachsen unbe¬
stritten das Vikariat geübt (cfr. Deutsche Reichstagsakteu, Jüngere Reihe II,
987, bes. 170), und 1551 legten die Pfälzer den Bayern zur Widerlegung ihrer
Ansprüche auch die Briefe über das Vikariat vor (cfr. Muffat, Geschichte der
bayer. und pfälzischen Kur, S. 302). Als 1612 die pfälzischen Patente nach
München kamen, verweigerte Herzog Maximilian die Annahme, da die
Reichsverweserschaft des Pfalzgrafen auf den bayerischen Kreis sich nicht
erstrecke 9 ); der herzogliche Archivar Gewold aber wechselte in den Jahren
1612—1614 viermal Streitschriften mit den Pfälzern, um nachzuweisen, dass
der Herzog von Bayern als solcher Kurfürst, Verweser und Truchsess des
Reiches sei 10 ). Genauer erörterte er den Gegenstand sodann in seinem 1616
erschienenen Kommentar „De imperii septemviratu“, der fünf Jahre später zum
zweitenmal und vermehrt herausgegeben wurde 11 ). Doch waren diese Versuche
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Karl Lory
Bayerns, die Kur und mit ihr die Reichsverweserschaft für sich zu ge¬
winnen, im buchstäblichen Sinne auf dem Papiere geblieben, und erst 1657
wurde in München eine thatsächliche Ausübung der Vikariatsrechte ins
Werk gesetzt.
Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Pfalz Bayern gegenüber von vorne-
herein im Nachteil war. Zeigt ja doch gerade der Vikariatsstreit in seinem
Verlaufe deutlich, dass Bayern auf die Unterstützung fast sämtlicher Stände
der alten Religion rechnen durfte; selbst Worms und Speier, die doch un¬
mittelbar vor dem Ausbruch des Streites durch ein Votum Dr. Öxls (in der
Wildfangfrage) sich hätten gekränkt fühlen können, fielen ihm zu. Nicht
aber durfte Karl Ludwig darauf rechnen, dass er die meisten oder auch nur
die bedeutendsten Stände Augsburgischer Konfession (zu denen seit 1648 ja
auch die Reformierten endgiltig zählten) hinter sich haben werde. Kursachsen
z. B. war berüchtigt wegen seiner Gehässigkeit gegen die Reformierten; ein
Sprössling der reformierten Linie Simmem hatte von dieser Seite kaum
auf Unterstützung zu rechnen; eher war zu erwarten (wie es ja dann auch
tliatsächlich geschah), dass mau in Dresden, vor die Wahl zwischen Katholisch
und Reformiert gestellt, auch diesmal für ersteres sich entscheiden werde.
Von Brandenburg aber, dessen Kraft und Interesse von den nordischen Ver¬
wickelungen vollständig in Anspruch genommen war, konnte sich Karl Ludwig
eine entschiedene Stellungnahme in der rein internen Angelegenheit des
Vikariatsstreites ebenfalls kaum versprechen, selbst damals nicht, als Branden¬
burgs Beziehungen zu Schweden noch keine Trübung erfahren hatten; denn
wenn auch die schwedische Bundesgenossenschaft Friedrich Wilhelm der
Pfalz hätte näher bringen können, so hatte er doch auch keinen Grund, es
mit Ferdinand Maria zu verderben, der allgemein als nicht zu unter¬
schätzender Rivale der auch Brandenburg manchmal beunruhigenden habs¬
burgischen Politik galt. Und es traf sich für Bayern sehr günstig, dass die
allmählich sich vollziehende Annäherung Friedrich Wilhelms sowohl als
auch Ferdinand Marias an das Kaiserhaus fast-gleichen Schritt hielt —
in dem gleichen Verhältnis trat auch der preussische Kurfürst aus seiner
Neutralität heraus und auf die Seite Bayerns herüber.
Karl Ludwig hatte zudem im Reiche zahlreiche erklärte Feinde 12 ).
Um von dem Konflikte mit dem Hause seiner Gemahlin gar nicht zu sprechen,
sei nur an die Händel mit den Kirchenfürsten von Worms und Speier wegen
Ausübung des sogeuanuten Wildfangrechtes erinnert 13 ). Mit dem Wormser
prozessierte er ausserdem wegen Restitution des Stiftes Neuhausen u ). Johann
Philipp von Mainz war erbittert wegen des pfälzischen Widerstandes gegen
die von ihm der Rheinschiffahrt auferlegteu Zölle und hatte wegen Verletzung
seines Stapelrechtes auf dem Rhein und anderer Gerechtsamen beim Reichs¬
hofrat Klage erhoben 15 ). In dem Streit mit Christian August von Sulz¬
bach wegen Zurückziehung der pfälzischen Truppen aus Weiden und Parkstein
war bereits eine kaiserliche Verordnung gegen den Pfalzgrafen ergangen 16 ).
Eben um die Zeit, da Ferdinand III. starb, befand sich der Hof gerichtsrat
Dr. Lingelsheim als pfälzischer Gesandter in Wien, um die Sache seines
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
169
Kurfürsten sowohl in dem Streite wegen Weiden und Parkstein als auch in
dem Konflikte mit Johann Philipp zu vertreten.
In seinen Händeln mit den rheinischen Kirchenfürsten suchte sich
Karl Ludwig auf die Städte zu stützen. Wandte sich der Mainzer an Kur-
Köln, um eine gemeinsame Abwehr der pfälzischen Übergriffe anzuregen, so
instruierte der Pfalzgraf sofort seinen Gesandten beim Frankfurter Deputations¬
tag (Dr Peil), den Städten Frankfurt und Köln begreiflich zu machen, dass
ihr Interesse auf pfälzischer Seite liege 17 ). Und in der That traten während
des Vikariatsstreites selbst innerhalb der rheinischen Städte wenigstens nicht
selten unzweifelhafte Sympathien für den Pfalzgrafen zutage, die in erster
Linie jedenfalls auf das konfessionelle Element zurückzuführen sind.
Nichts aber liess noch unmittelbar vor dem Tode Ferdinands III.
den Ausbruch eines Konfliktes zwischen Bayern und Pfalz erwarten. Ein
Votum des bayerischen Gesandten Öxl beim Frankfurter Deputationstag in
Sachen des Wildfangstreites veranlasste vielmehr Karl Ludwig noch am
10./20. März 1657, Dr. Peil gegenüber seine Hoffnungen bezüglich eines dauern¬
den guten Einvernehmens „mit Churbayerns Lbd., als die aus einem Hause
mit uns ursprünglich entsprossen“, auszusprechen ,8 ). Allerdings suchte auch
der erbittertste Gegner des Pfalzgrafen, Erzbischof Johann Philipp von
Schönborn, seit längerem schon eine Annäherung an den bayerischen Kur¬
fürsten. Am 7. März bat er Ferdinand Maria, derselbe möge ihm wegen
der „an Chursachsen von Churbrandenburg wider Polen gesuchten assistenz“
seine „hiebey zu Gemüth gehende Gedanken“ eröffnen, indem er die Hoffnung
aussprach, sie würden sich „einer Meinung vergleichen“. Öxl wurde darauf¬
hin um sein Gutachten gefragt und ihm zugleich der Entwurf einer Antwort
an den Erzkanzler, datiert vom 21. März, nach Frankfurt geschickt 19 ).
Ehe aber noch ein weiterer Schritt in dieser Angelegenheit gethan
werden konnte, starb der Kaiser am 2. April, und die nächsten Ereignisse
schon gaben dem Verfasser des Theatrum Europaeum Recht, der den Tod des
Kaisers mit dem Sturze eines „starken und wohlbeasteten“ Baumes vergleicht,
dessen Fall weithin vernommen w r ird*°).
I.
Vom Tode Ferdinands III. bis zum Zusammentritt des Wahltages 91 ).
a) Bayerisch-pfälzischer Wettbewerb um die Anerkennung
als Reichsvikar.
Mehrere Reichsstände waren für die Kaiserkrone in Aussicht genommen:
der Erzkanzler Johann Philipp von Schönborn begünstigte den Habs¬
burger Leopold Wilhelm 29 ), das habsburgische Haus selbst einigte sich
auf König Leopold von Böhmen und Ungarn, Ferdinands III. minder¬
jährigen Sohn 28 ), Mazarin endlich bot alles auf, den bayerischen Kurfürsten
auf den Thron zu bringen * 4 ). Das Reich in seiner Gesamtheit aber wurde
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Karl Lory
doch ohne Zweifel durch den Vikariatsstreit lebhafter beunruhigt, als durch
die Uneinigkeit über die Person des zukünftigen Kaisers. Denn die Bemühungen
für die verschiedenen Thronkandidaten waren Sache der hohen Politik und
berührten die kleineren und kleinsten Reichsstände kaum, das doppelte Reichs¬
vikariat in den rheinischen, fränkischen und schwäbischen Landen aber erregte
die verschiedensten Befürchtungen und Hoffnungen, vor allem bei denjenigen,
die innerhalb der Machtsphäre der feindlichen Vettern sich befanden — die
Frage der Kaiserwahl ward in diesen Kreisen darüber vielfach völlig vergessen 26 ).
Ein merkwürdiges Spiel des Zufalls brachte es mit sich, dass auch in
Italien um das (ständige) Reichsvikariat gestritten wurde, indem Modena dasselbe
auf grund des Herkommens für sich beanspruchte, während Ferdinand III.
es kurz vor seinem Tode den (habsburgisch gesinnten und mit Habsburg
verwandten) Gonzagas verliehen hatte 26 ). Doch berührte der italienische
Vikariatsstreit diesseits der Alpen vielleicht niemand ausser die Kurfürstin
Adelaide, die von dem Reichsvikariat ihres Gatten Vorteile für das Haus,
dem sie entsprossen war, erwartete 27 ), wie sie von der nächsten Wahlkonferenz
die Krone Karl des Grossen für ihren Gatten erträumte; in jeder Hinsicht
wurde sie bitter enttäuscht 28 ). Die Frage der Thronfolge und der bayerisch¬
pfälzische Vikariatsstreit dagegen Hessen damals weite Kreise im deutschen
Volke sogar kriegerische Verwickelungen befürchten; denn Österreich that
allerdings, als „prätendierte es die Krone nicht“, aber alle Welt war davon
überzeugt, dass derjenige, der sie ihm rauben wolle, „Handschuhe anhaben
und sich darum schlagen müsse“ 29 ); niemand auch zweifelte, dass die starken
Rüstungen, die Bayern sofort nach Uebernahme des Vikariats vor aller Augen
begann, dazu bestimmt waren, dem Anspruch auf die Reichsverweserschaft
nötigen Falls mit den Waffen Nachdruck zu verleihen. Freilich ist es zu
diesem Äussersten nicht gekommen; aber im Folgenden wird gezeigt werden,
dass mehr als einmal eine kriegerische Lösung der obwaltenden Missverständnisse
unausbleiblich scheinen musste.
Schon am 9. April hatte Kurfürstin Adelaide triumphierend an ihre
Mutter geschrieben: Monsieur lelectur et leletur de Saxe hauront le Vicariat
et le soin de lempire 80 ). Man war eben in München von vornherein fest ent¬
schlossen, nicht nur den Versuch zu machen, das Vikariat zu beanspruchen,
sondern auch unter allen Umständen dasselbe zu behaupten, und trat daher
auch von Anfang an mit einer Sicherheit auf, als hätte die Ludwigsche Linie
die Reichsverweserschaft von den Zeiten der goldenen Bulle an ununterbrochen
innegehabt. In Wahrheit freilich war man in München seiner Sache durch¬
aus nicht so sicher, wie man sich den Anschein gab: von mehreren Rechts¬
gelehrten wurden Gutachten über die Rechte und Befugnisse des Reichsvikars
eingeholt öl ), an mehrere Archive wegen des früheren Gebrauches bei Reichs¬
verweserschaf ten geschrieben 3 2 ), vom Reichskammergericht resp. vom Kanzlei¬
verwalter desselben, Dr. Albrecht von Lauter bürg, durch Vermittelung des
kurkölnischen Gesandten auf dem Frankfurter Deputationstag, Aldenhofen,
ein Titularbuch erbeten 88 ); vor allem aber wandte sich Ferdinand Maria
an Johann Philipp von Mainz mit der Bitte um Unterstützung durch Rat
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 171
und That, und ohne dieselbe, die ihm ja im weitesten Umfange zu teil wurde,
dürfte er auch kaum einen geringen Bruchteil der Erfolge, deren er sich er¬
freuen konnte, errungen haben.
Am 11. April teilte der Kurfürst seinem Gesandten beim Frankfurter
Deputationstag, welcher zur Beendigung eines Teiles der auf dem Regens¬
burger Reichstag nicht erledigten Geschäfte seit 1654 versammelt war, dem
Dr. Öxl, die Nachricht vom Hintritt des Kaisers mit „Uns liegt bei solch
unverhofften emergenti neben dem gemeinen Reichswesen auch in particulari
ob, was wir von eines röm. Reichsvikariats wegen, dessen wir sonderlich durch
den jüngsten Friedensschluss berechtigt, haben in Acht zu nehmen, weil wir
nit zweifeln, man werde sich an Seiten Kurpfalz, ohnerachtet des jetzt er¬
wähnten Friedensschlusses, äusserst bemühen, sich in das Vikariat einzu-
drängen, und mit Hilfe anderwärtiger assistenz neue Trublen zu erwecken.“
Damit nun der Kurfürst seine Massnahmen treffen könne, sollte Öxl sich
sofort zum Kurfürsten von Mainz, wo immer auch sich derselbe befände, be¬
geben ; er sollte sich bei demselben erkundigen, wie das Amt „seiner Wichtig¬
keit nach zu incaminiereu wäre“, auch ihn ersuchen, auf grund der Einsicht,
die ihm die Reichsregistratur jeden Augenblick gebe, Ferdinand Maria
Nachricht zukommen zu lassen, was insonderheit 1. beim Reichskammergericht
zu thun wäre, 2. wie es mit Kursachsen zu halten sei, und was man unter
den Landen des sächsischen Rechtes zu verstehen habe, 3. was an die aus¬
schreibenden Fürsten des rheinischen, schwäbischen und fränkischen Kreises
gebracht werden müsse. Bei Fortsetzung der Verhandlungen in Frankfurt
solle für Öxl der kurmainzische geheime Rat von Vorburg „ad referen-
dum geben“, aber nicht votieren 34 ). Gleichzeitig wandte sich der Kurfürst
in einem Schreiben selbst an Johann Philipp, indem er ihm mitteilte, dass
er „als Erztruchsess und Kurfürst in Bayern“ das Vikariat beanspruche, es
bereits übernommen, durch gedruckte Patente (ein solches, vom 12. datiert,
lag bei) die Übernahme an gezeigt und auch schon daran gedacht habe, mit
.seinem Convicarius, dem Kurfürsten von Sachsen, wegen des Siegels für das
Kammergericht sich zu vergleichen, um dasselbe dann dem Herkommen ge¬
mäss Kur-Mainz „zur Beobachtung der weiteren Notdurft“ zuzusenden 35 ).
Öxl wandte sich zunächst schriftlich an Boineburg, jedenfalls mit
der Bitte, ihm bei Johann Philipp von Schönborn den Boden zu ebnen 86 );
Boineburg empfing schon am 15. Öxls Schreiben und trug es unverzüg¬
lich dem Kurfürsten vor. Am 17. traf Öxl selbst in Prozelten bei Johann
Philipp ein und hatte eine kurze Audienz, kurz, wie es scheint, vor allem
deshalb, weil Johann Philipp bereits mit Vorbereitungen zur Abreise be¬
schäftigt war. Er habe, schrieb Öxl von Würzburg aus „cursorie“ an einen
ungenannten Freiherrn im Gefolge des Bischofs (an Boineburg?), den Kur¬
fürsten „auf der Reise und weil es schon spät gewesen“ billig nicht länger
aufhalten dürfen; „zu meiner, geliebts Gott, ehisten Zurückkunft muss ich
mein pensum vollends abhaspeln; unterdessen habe ich meinen hochgeehrten
Herrn ganz dienstlich ersuchen wollen, bei Ihrer Churfstl. Gn. die ohnmass-
gebliche Erinnerung zu thun, nicht allein den nächstgelegenen Postmeistern
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Karl Lory
zu Köln, Frankfurt, Würzburg und Nürnberg (vielleicht auch zu Augsburg
und Strassburg) ernstlich anbefehlen zu lassen, dass sie von Churpfalz keine
Vikariatsbefehle und dispositiones bei den Posten annehmen, oder denselben
parieren lassen; sondern auch dem Herrn Generalreichspostmeister Grafen von
Taxis die Notdurft selbstfürderlichst zuzuschreiben, weil das Postwesen von
dem Churmainzischen Erzkanzellariat nicht wenig dependieret“; ferner wieder¬
holte er seine Bitte, der Kammerkanzlei in Speier gehörige „prohibitions-
Befehle“ zuzustellen und „die vertröstete communication der Vikariatsakta“ zu
beschleunigen 87 ).
Nach der Audienz setzte Öxl unverzüglich seine Reise nach München
fort 88 ), Johann Philipp begab sich nach Aschaffenburg, wo am über¬
nächsten Tage ein pfälzischer Gesandter eintraf — derselbe war zu spät ge¬
kommen! —
Selbstverständlich war auch Karl Ludwig entschlossen, seinen An¬
spruch auf das Vikariat geltend zu machen; empfand er ja die Bestimmungen
des Friedensinstrumentes ohnehin schon drückend genug, und die Erwerbung*
des Vikariats bedeutete für Bayern die Krönung und Vollendung jener auf
Kosten der Pfalz schon seit langem verfolgten Bestrebungen, die durch die
Erwerbung des Kurhutes bereits den glänzendsten Erfolg errungen hatten.
Dem Freiherm von Dallenberg, Marschall des Bischofs von Speier,
gegenüber, der Anfang Mai nach Heidelberg kam, äusserte sich der Kurfürst,
„er sei zwar dermalen nicht bei Mitteln, wolle aber gleichwohl seine äussersten
Kräfte einsetzen, um sein Recht zu behaupten; man ziele ja doch nur dahin
ab, ihn und das Kurhaus um alles zu bringen“ 89 ). Da man also auf keiner
Seite irgendwie nachgeben wollte, so entstand auf Monate hinaus ein förm¬
licher Wettbewerb um die Anerkennung als „Reichsvikar in den Landen des
Rheins, schwäbischen und fränkischen Rechtes“, ein Wettbewerb, bei dem
Kurbayern, das vom Tode des Kaisers auch zuerst Kunde erhalten hatte, bald
einen bedeutenden Vorsprung gewann 40 ). Die beiden Gegner überschwemmten
die südwestliche Hälfte Deutschlands mit ihren Patenten, an wichtigeren Orten
Hessen sie ihre Sache noch überdies durch eigene Gesandtschaften vertreten;
sehr bald liess auch Karl Ludwig schon Vikariatsmünzen prägen, in Gold
sowohl wie in Silber, „auf der einen Seite der Leu und oben herumb der
gewöhnliche Titel, doch mit dem Zusatz Vicarius Imperii, auf der andern ein
leeres Schiltel mit der Überschrift Dous Providebit“ 4 *).
Schon mit Herausgabe der Patente, in welchen die Stände dem Her¬
kommen gemäss zu Ruhe und Frieden im Reiche ermahnt, bei vorkommen¬
den Streitigkeiten aber die Parteien vor den Richterstuhl des Reichsvikars
geladen wurden 43 ), war Kurbayern zuvorgekommen: die pfälzischen (und
sächsischen) Patente erschienen am 6. 16. April, als die bayerischen, vom 12.
datiert, längst schon auf dem Wege waren, die Kunde von den Ansprüchen
Ferdinand Marias den Reichsständen und teilweise auch dem Auslande
zu bringen. An alle Stände des Vikariatsbezirkes nämlich wurden solche
Patente meist in grösserer Anzahl (je nach der Ausdehnung des betreffenden
Gebietes) übersandt mit der Weisung, dieselben „gehörigen Orts“ zu publizieren;
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
173
aber auch an andere Stände des Reiches und — hauptsächlich von Kur¬
bayern 48 ) — auch an auswärtige Staaten wurden zahlreiche Patente verschickt,
natürlich lediglich von einem Notifikationsschreiben begleitet. In München
scheinen 44 ) drei Expeditionen von solchen „Vikariatsausschreiben“ stattgefunden
zu haben: die meisten wurden am 12. April erledigt, mehrere, z. B. an Loth¬
ringen, nach Innsbruck, nach Prag, an die Schweiz, vielleicht erst am 23.,
am 29. endlich wurde noch an den Dogen von Venedig geschrieben. Am
13. April verliessen ferner die bayerischen Hofratssekretäre B er ehern und
Denkel mit je einem Stoss solcher Ausschreiben München, um bei den
meisten Ständen des Vikariatssprengels die „Insinuation“ persönlich vorzu¬
nehmen.
Grösste Eile war ihnen anempfohlen. Gleich nach ihrer Abfertigung
mussten sie abreisen. Den Kurfürsten und Fürsten, den Prälaten und den
Direktorien der freien Reichsritterschaft hatten sie verschlossene Schreiben zu
übergeben, denen eine Anzahl von Patenten eingefügt waren; auf Antwort
brauchten sie nicht zu warten, nur ein „recepisse“ sollten sie verlangen. Für
jede Reichsstadt waren sie mit einem offenen Patent versehen, mit welchem
sie sich bei dem Magistrat einzufinden hatten, um die Affigierung zu ver¬
langen; sollte der Magistrat die Publikation verweigern, so waren sie ange¬
wiesen, dieselbe persönlich vorzunehmen, doch „mit Behutsamkeit, dass Ihr.
Churfstl. Dchl. kein Nachteil zugezogen wird“. Entdeckten sie irgendwo
pfälzische Patente, so hatten die Gesandten deren Entfernung zu verlangen 48 ).
Denkel entledigte sich seines Auftrages nicht eben glücklich. Er
ging zunächst nach Augsburg 46 ) und Ulm, wo er sich auch seines Auftrages
für Württemberg entledigte, dann südwärts nach Memmingen, Lindau, Über¬
lingen (wegen des Malteserordens), von da weiter nach Basel, Kolmar, zurück
über Rotweil, Reuttlingen, Ravensburg, Ellwangen, Sigmaringen, um dann
jetzt erst Kempten und Kaufbeuren zu besuchen 47 ), — bei seinem Eintreffen
waren natürlich die pfälzischen Patente längst schon angeschlagen.
Berchems Reise ging über Regensburg in den fränkischen Kreis:
nach Nürnberg (wo er auch für Rottenburg, Windsheim und den Deutsch¬
meister in Mergentheim seiner Aufgabe sich entledigte), weiter nach Ansbach,
Bayreuth, Bamberg, Fulda (fränkisches Ritterschaftsdirektorium), Frankfurt,
Hagenau, Worms, Speier (zugleich auch wegen der beiden Baden) und Strass¬
burg, von wo aus er durch das Reichspostamt Zweibrücken und Kurpfalz
die bayerischen Patente zustellen liess. Am 25. Mai war er wieder daheim.
In München war die Regierung in den ersten Tagen des Mai um
Berehern sehr besorgt; nachdem er nämlich zuletzt von Nürnberg aus Be¬
richt erstattet hatte, blieb man vierzehn Tage lang ohne jede Nachricht über
ihn. Man besorgte, er möchte etwa von Kurpfalz selbst oder auf pfälzisches
Anstiften hin von anderen mit seinen Patenten aufgehoben und „arrestiert“
worden sein, ja, man möchte ihm „noch wohl etwas Ärgeres, nach denen
kurpfälzischen bekannten proceduren“, angethan haben 48 ). Vizekanzler Adlz-
reiter schrieb nach Frankfurt an Aldenhofen (2. Mai), Öxl instruierte
seinen Sohn, den er nebst dem Kanzlisten Angermiller zurückgelassen
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Karl Lory
hatte, alles aufzubieten, um über Berchems Verbleib etwas zu erfahren,
indem er die väterliche Mahnung daran knüpfte: „Du hast aber NB. über ihn
oder seine actiones nicht zu schimpfen, sondern nudissime zu berichten, was
und wie du seinethalben vernommen“ 49 ), — alles umsonst! Aldenhofen
sowohl 50 ) wie Öxl junior 51 ) konnten über die Schicksale des Sekretärs nichts
Näheres berichten, Aldenhofen schrieb sogar von einem Gerücht, welches
von einem Unfälle, der ihm zugestossen, zu erzählen wisse.
In München freilich dürfte man inzwischen bereits durch einen Brief
Berchems selbst beruhigt worden sein.
Karl Ludwig verzichtete darauf, in solch förmlicher Weise den
Vikariatssprengel bereisen zu lassen; vielleicht war ihm das zu kostspielig.
Bei den Gesandtschaften, die er aussandte, war es weniger der Reichsvikar,
welcher die Erfüllung einer Pflicht forderte, sondern mehr der Pfalzgraf, der
um ein Bündnis nachsuchte und häufig in fast demütigender Weise die ob¬
schwebenden Misshelligkeiten mit den betreffenden Reichsständen in den
Hintergrund zu drängen bestrebt war; in den folgenden Abschnitten wird
darauf mehrmals zurückzukommen sein.
Auch sonst ging die Politik der beiden Konkurrenten von Anfang an
auseinander. Bayern betrieb seine Rüstungen und Werbungen ganz offen¬
kundig, Kurpfalz dagegen that, als fehlten ihm alle Mittel, um an eine Ver¬
mehrung seiner Streitkräfte denken zu können; vortrefflich verstand es Karl
Ludwig, aus der Not eine Tugend zu machen und seine geringeren Kräfte
Bayern gegenüber als Trumpf auszuspielen.
Wie ernst gemeint Bayerns Rüstungen waren, geht aus dem Briefe der
Kurfürstin vom 18. April an ihre Mutter und an eine ihrer Schwestern 52 )
deutlich hervor. Bayerns Werbungen standen denn auch namentlich bei den
rheinischen Kirchenfürsten in grossem Ansehen Ba ). Leicht freilich war es
nicht, in den verödeten deutschen Landen noch neues Truppenmaterial auf¬
zutreiben; im Bambergischen z. B. wurde den Bayern wohl gestattet, die
Werbetrommel zu rühren, doch zugleich bedeutet, es werde wahrscheinlich die
Kosten nicht austragen 54 ). Erzherzog Ferdin and .von Tirol dagegen verbot
in seinen Landen, die vom Kriege mehr verschont geblieben waren, die
Werbung BB ).
Je offenkundiger aber Kurbayern in dieser Hinsicht zu Werke ging,
und je mehr von den bayerischen Rüstungen gesprochen wurde, desto sorg¬
fältiger gab sich Karl Ludwig den Anschein, nicht zu rüsten und über¬
haupt nicht rüsten zu können. Leibifing berichtete Anfang Mai ausführlich
über die pfälzische Streitmacht nach München: dieselbe dürfe sich nur auf
600 Mann belaufen, 150 stünden in Heidelberg, 200 in Frankenthal, die
übrigen seien in anderen Garnisonen verteilt; von Werbungen aber könne
man zur Zeit nicht das Geringste vernehmen, ja es verbreite
sich die Ansicht, dass von Kurpfalz „ausser Behauptung und
insinuation ihres vermeintlichen Rechtes weiter nichts sen-
tiret werden soll“ 56 ).
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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Im letzten Grunde ging diese Ansicht auf niemand Anderen zurück als
auf Karl Ludwig selbst, der die Rüstungen seines Gegners zu einer Waffe
gegen diesen selbst zu gestalten versuchte. Am 7.' 17. April bereits hatte er
seinem Gesandten beim Deputationstag, dem Dr. Peil, geschrieben, „wenn die
Katholischen mehr auf Bayerns Seite neigten, so solle er ihnen neben sonstigen
argumenten auch in discours vermelden, dass. sie sich wohl erinnern würden,
wie der jüngst abgeleibte Herzog in Bayern gegen das Reich .... sich be¬
zeuget; zu ihm aber könnten sie ein besseres Vertrauen haben, da er die
Macht nicht habe wie Bayern, derentwegen sie soviel weniger jalousie von
ihm haben könnten, etwas Unbilliges gegen sie vorzunehmen“ 147 ). In ähn¬
lichem Sinne wandte sich Karl Ludwig am 9./19. Juni selbst an den Bischof
von Konstanz als ausschreibenden Fürsten des schwäbischen Kreises: Kur¬
bayerns Rüstungen könnten nicht allein dazu bestimmt sein, dessen Gebiet
zu schützen, der Bischof solle den Kurfürsten mahnen, dass Ruhe und Friede
im lieben Vaterlande aufrecht erhalten blieben“ 6 R ).
In Wahrheit freilich suchte auch Karl Ludwig seine Truppen zu
verstärken: Oberst May war in Aussicht genommen, 1000 Schweizer in
6 Kompagnien zu werben 69 ); auf der Tagsatzung im Juli 1657 wurde mit
den akatholischen Kantonen, hauptsächlich mit Zürich, wegen Überlassung
von 4000 Mann unterhandelt 60 ), allerdings, wie es scheint, ohne Erfolg, wenigstens
kam von Glarus abschlägige Antwort 61 ). Doch scheinen die pfälzischen
Fahnen in den evangelischen Gegenden immerhin manchen Zuwachs bekommen
zu haben 6a ).
Was war nun der Erfolg der Anstrengungen 63 ), die man auf keiner
Seite sparte? Vor allem: wie stellte .sich das Reich zu dem Vikariatsstreite?
b) Die Wittelsbachischen Nebenlinien 64 ).
Es wird sich im weiteren Verlaufe dieser Untersuchung an verschiedenen
Stellen zeigen, in welche Verlegenheit und Ratlosigkeit der Vikariatsstreit
gerade die kleineren und kleinsten Reichsstände manchmal versetzte. Am
stärksten mag diese Verlegenheit bei den verschiedenen Linien des Hauses
Wittelsbach selbst gewesen sein. Im kleinen bietet sich hier ein getreues
Bild der Verwirrung des ganzen Reiches: auf der einen Seite vermied man
es überhaupt, Stellung in der heikein Angelegenheit zu nehmen, auf der andern
bekannte man sich zögernd und spät für einen der beiden Prätendenten, halb
aus politischen Gründen, halb, weil man sich einzureden suchte, auf seiner
Seite sei das Recht, an dritter Stelle endlich war die Haltung aus konfessio¬
nellen Gründen von Anfang an entschieden — kurz, genau die gleichen Ver¬
hältnisse, denen wir auch bei den übrigen (mittleren und kleineren) Reichs¬
ständen begegnen, nirgends eine Spur von Eintracht und Vermittlungsversuchen,
nirgends auch nur der Gedanke, welch eigentümliches Licht der Streit der
feindlichen Brüder auf die Zustände im Reiche überhaupt werfen müsse.
Anfang Mai wandte sich Zweibrücken an Karl Ludwig mit der
Frage, was es auf die Zusendung der bayerischen Patente hin beginnen solle.
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Karl Lory
Der Pfalzgraf antwortete am 12. 22. Mai, sein Rat gehe dahin, dieselben ganz
unbeantwortet zu lassen, vor allem aber Ferdinand Maria nicht den Vikars¬
titel zu geben Ä5 ). In Zweibrucken hat man sich aller Wahrscheinlichkeit nach
solches nicht zweimal sagen lassen, sondern das bayerische Notifikations¬
schreiben stillschweigend ad acta gelegt. Ob ! dasselbe mit den Patenten Karl
Ludwigs geschah, darüber findet sich nirgends ein Anhaltspunkt, es wäre
aber immerhin möglich; jedenfalls war Karl Ludwig am 22. Mai der An¬
erkennung seines Reichsvikariats durch die Linie Zweibrücken noch nicht
sicher, da es sonst unverständlich wäre, wie er hätte besorgen können, man
würde in Zweibrücken seinem Gegner den bestrittenen Titel erteilen. Über¬
haupt wird Zweibrücken während des ganzen Vikariatsstreites sonst nicht
mehr erwähnt.
An die Pfalz-Neuburgische Kanzlei hatte der geheime Rat Dr. Schmid
bei Ausbruch des Streites um Übersendung dort befindlicher Vikariatsakten
geschrieben, worauf am 12. April kurpfälzische Ausschreiben, Patente und
sonstige Produkte von 1612 nach München geschickt wurden 66 ). Umsonst
aber wartete man in München auf eine Beantwortung des kurbayerischen
N otifikationsschreibens. Schon hatte * sich Ferdinand Maria aus diesem
Grunde mit einer Anfrage nach Sulzbach gewandt 67 ), als endlich, vom 2. August
datiert, aus Düsseldorf ein Schreiben in München eintraf, worin die Verspätung
damit entschuldigt wurde, dass das Ausschreiben vom 12. April jetzt erst
(nach fast 4 Monaten!) ein gelaufen wäre! Im übrigen erklärte sich Philipp
Wilhelm bereit, den Reichssatzungen, speziell der goldenen Bulle, nachzu¬
kommen, und zwar um so lieber, je mehr ihn alles freue, was zum Auf¬
nehmen des Herrn Vetters und seines flauses beitrage 68 ).
Dass dieses späte Besinnen auf die „Reichssatzungen“ durch die Nähe
des Wahltages etwas beeinflusst worden sein dürfte, ist jedenfalls nicht aus¬
geschlossen.
Sulzbach war seit Jahren schon der erklärte Feind des Pfalzgrafen;
denn das Besatzungsrecht, welches Karl Ludwig auf grund des Friedens¬
schlusses in den Ämtern Weiden und Parkstein beanspruchte und auch that-
sächlich ausübte, hatte schon längst zu Unverträglichkeiten aller Art Anlass
gegeben 69 ). Der Vikariatsstreit verschärfte den Gegensatz: Das katholische
Sulzbach erklärte sich natürlich für Ferdinand Maria und verbot die
Affigierung der pfälzischen Patente, die pfälzischen Truppen aber erzwangen
dieselbe an mehreren Orten, nicht zuletzt in der Hauptstadt des Ländchens
selbst; um die Wiederabnahme der Patente zu verhüten, wurden dieselben
überdies, in Hohen parkstein z. B., Tag und Nacht militärisch bewacht.
Angesichts der bedrohlichen Nähe des Feindes befürchtete die bayerische
Regierung sogar für das eigene Gebiet, vor allem für die neuerworbene Ober¬
pfalz. Mit grösster Strenge wurde selbst in den kleinsten Ortschaften auf
die Publikation der bayerischen Patente gedrungen. Dieselbe geschah ent¬
weder durch den Orts Vorsteher, der, am liebsten an Markttagen, die Patente
am Gemeindehaus anschlagen liess, nachdem der Inhalt derselben öffentlich
verkündet worden war, oder durch den Pfarrer, der dieselben von der Kanzel
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
177
ablas und dann an der Kirchenthüre anheftete, in Filialdörfern endlich durch
den Schulmeister. Der Regierung in Amberg war die grösste Wachsamkeit
nachdrücklichst geboten; dieselbe bestellte den Oberstwachtmeister Schrenk
zur Unterdrückung etwaiger gegnerischer Unternehmungen. Doch kamen
solche so gut wie gar nicht vor, wohl aber gab der Vikariatsstreit manchen,
wie z. B. dem Schultheiss Druckmüller von Neumarkt, willkommene Gelegen¬
heit, durch Übereifer im Aufsuchen und vielleicht sogar im Erdichten pfälzischer
Umtriebe ihre Ergebenheit gegenüber der Regierung an den Tag zu legen.
Die Sulzbachische Regierung suchte den Konflikt zwischen Ferdinand
Maria und Karl Ludwig zu ihrem Vorteil auszunützen. Am 15. Mai kam
als ihr Abgeordneter der Kanzler Hans Ernst von Ravenstein nach
München, um wegen Aufnahme von Sulzbach in eine Allianz katholischer
Stände, die man an dieser Stelle als bereits abgeschlossen oder deren Abschluss
man wenigstens als bevorstehend vermutete, zu verhandeln; Ravenstein
wies auf die Anfeindung hin, welche der Übertritt der Sulzbachischen Linie
zum Katholizismus bei allen protestierenden Ständen derselben zugezogen
habe, vor allem auch auf den verderblichen Einfluss pfälzischer Proselyten¬
macherei in ihrem Lande, welcher fast täglich neuen Abfall zum Protestantis¬
mus zur Folge habe. Ohne Zweifel hatte man in Sulzbach Kenntnis von den
Verhandlungen, die zwischen Ferdinand Maria und Johann Philipp
von Mainz gepflogen wurden, und hielt dieselben schon für weiter vor¬
geschritten als sie es wirklich waren.
Der Herr von Ravenstein bekam zur Antwort, man wisse in
München von einer Allianz katholischer Fürsten nichts. Dafür aber wurde ihm
zu verstehen gegeben, dass man es gerne gesehen hätte, wenn seine Regierung
sich an den Kurfürsten als derzeitigen Reichsvikar in dieser Angelegenheit
gewandt hätte; wie denn Ferdinand Maria sehr bald schon, von Kur-
'Mainz ermuntert 70 ), nicht als Bundesgenosse und Alliierter von Sulzbach,
sondern eben in seiner Machtvollkommenheit als Reichsvikar, der nicht nur
das Recht, sondern sogar die Pflicht habe, für den Vollzug kaiserlicher Ver¬
ordnungen zu sorgen, die „Evakuation“ der Ämter Weiden und Parkstein
von den pfälzischen Truppen ins Werk setzte 71 ).
Es kann nicht die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung sein, auf den
Streit um Weiden und Parkstein näher einzugehen. Dafür mag es erlaubt
sein, ein Gegenstück zu dem, was über die Diensteifrigkeit von Leuten wie
Druckmüller gesagt wurde, anzuführen, um die übertriebene Peinlichkeit
der bayerischen Regierung in Wahrung ihrer Hoheitsrechte zu illustrieren.
Die Rottenbergschen Ganerben hatten in ihrem Distrikt die Kuud-
barmachung der Vikariatsübernahme durch Ferdinand Maria selbst in die
Hand genommen. Eifrige Diener der bayerischen Regierung hatten davon
sehr bald an zuständiger Stelle Mitteilung gemacht, und ein kurfürstliches
Reskript wies den Statthalter in Amberg, Graf Wolfs egg, an, die Publikation
der Patente nochmals vorzunehmen, denn die erste durch die Ganerben sei
„vermutlich zu dem Ende angesehen, damit sie durch solche Kur-Bayern dem
Schein nach gutgemeinte publication einen actum ihrer mit Unfug angemassten
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17 «
Karl Lory
immedietät exercirn möchten“. Nach einigem Hin- und Herschreiben fügten
sich die Ganerben, und ihrem Beispiel folgte man in Waldthurn und überall
sonst, wo ähnliche Verhältnisse bestanden 72 ).
c) Der Vikariatsstreit und die kleineren Reichsstände.
Der Vikariatsstreit dürfte nicht zuletzt deswegen von Interesse sein,
weil er fast sämtliche Stände des Reiches nötigte, einer uralten Institution
der Reichsverfassung gegenüber Stellung zu nehmen.
Wichtig in dieser Hinsicht ist vor allem das Verhalten der Reichsstädte.
Als Denkel, wie bereits erwähnt, Anfang Mai nach Kempten und
Kaufbeuren kam, waren bereits die pfälzischen Patente angeschlagen. Bald
kam auch von anderwärts die Nachricht nach München, da und dort sei das
Gleiche geschehen. Namentlich aus dem schwäbischen Kreis kamen solche
Botschaften in Fülle: ausser Kempten und Kaufbeuren hatten auch Ulm,
Memmingen, Isny, Ravensburg, Heilbroun, Esslingen, Schwäbisch - Gmünd,
selbst Lindau, welches doch nach München schrieb, „es werde in allem schul¬
digen Respekt leisten“ 78 ), die pfälzischen Patente neben den bayerischen an¬
genommen. Das Gleiche hatten Köln, Frankfurt, Speier und Wetzlar gethan^
auch in Worms waren beide Patente angeschlagen.
Nun hatte man allerdings in München schon befürchtet, Kurpfalz könnte
Bayern „in den unteren Kreisen ebenso zuvorkommen wie Bayern der Pfalz
in den „oberen“ 74 ). Aber auch gerade die kleinen schwäbischen Reichsstädte
mussten durch den Vikariatsstreit in die grösste Verlegenheit geraten: mitten
zwischen den beiden Gegnern, von denen der eine in einer Weise rüstete,
dass das ganze Reich davon sprach, der andere fortwährend mit der Assistenz
der Kronen Frankreich und Schweden drohte, waren sie vor keinem sicher, *
und es war das Nächstliegende, was sie thun konnten, beide Patente an¬
zunehmen. „Ihre Stadt sei zu gering, so hohen Kurfürsten irgend etwas an
ihren Rechten zu präjudizieren“, schrieb Ravensburg an Ferdinand Maria,
Heilbronn und andere äusserten sich ganz im gleichen Sinne 75 ). Ängstlich
aber scheint in den meisten Fällen darüber gewacht worden zu sein, dass
keiner Partei mehr verstattet wurde als der anderen; Ulm z. B. teilte Karl
Ludwig mit, die bayerischen Patente seien auf Ansuchen hin angeschlagen
worden, mit den pfälzischen werde ein Gleiches geschehen 76 ). Vielleicht hat
allerdings auch das konfessionelle Moment in den genannten Städten da und
dort für Karl Ludwig günstig gewirkt.
Die bayerische Regierung machte aus der an sich herzlich unbedeuten¬
den Sache sofort eine Haupt- und Staatsaktion. Man muss ihr Verhalten,
um es nicht ungerecht zu beurteilen, vom Standpunkt ihrer Zeit aus be¬
trachten, jener Zeit, die auf Titel und Etikette soviel gab und soviel wichtigere
Dinge darüber versäumte. Denn was für ein Bild ist es, wenn wir Ferdinand
Maria den ganzen Sommer 1657 hindurch Erlass um Erlass an seine Beamten
in Wiesensteig und Mindelheim senden sehen, damit nur ja in keiner von
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
179
den schwäbischen Städten, und wäre dieselbe auch noch so klein gewesen,
ein pfälzisches Patent wenigstens ohne feierlichen Protest von bayerischer
Seite stehen blieb, damit nur ja die bayerischen Patente überall angeschlagen
wurden und angeschlagen blieben 77 ); wenn er genauen Bericht erforderte über
die unbedeutendsten Umstände, wie z. B. darauf Wert gelegt wurde, ob das
bayerische Patent rechts und das pfälzische links gehangen, oder ob es um¬
gekehrt gewesen; was für ein Triumph war es dann, wenn der Rat einer
solchen Stadt, zitternd vor der Rache des Pfälzers, „unterthänigst“ nach München
berichtete, „es sei die Gebühr besorgt“! Aber der Vikariatsstreit war hier
eben im letzten Grunde eine Machtprobe zwischen Bayern und Pfalz, und
Bayern dürfte in den meisten Fällen (vielleicht schon seiner Hartnäckigkeit
wegen) Sieger geblieben sein 78 ).
Auch die rheinischen Städte (mit Ausnahme von Speier) befolgten
dieselbe Taktik wie die genannten schwäbischen. In Wetzlar hatte Anger¬
miller von Frankfurt aus die „Insinuation“ vorgenommen, doch war ihm
ein pfälzischer Abgesandter um eine Stunde zuvorgekommen. Die Stadt hatte
dessen Patente angenommen und trotz AngermiIlers Drohung, man würde
dieselben wieder abreissen, liess sie doch zwei davon neben den bayerischen
anschlagen; mit der Affigierung des dritten aber wurde gewartet, bis auch
von Bayern ein drittes Exemplar an gekommen wäre 79 ).
Ganz ähnlich wie in Wetzlar lagen die Dinge in Köln. Am 25. April
waren dort die bayerischen Patente in Beisein eines Notars und zweier Zeugen
(wohl wegen der Bedeutung der Stadt) angeschlagen worden. Am 27. kam
der Pfälzer Dr. Gerhard Schreiber in die Stadt und wandte sich sofort an
den Rat, welcher ihm „ebenmässige affixion salvo jure utriusque“ gestattete 80 ).
Alle Versuche, mehr zu erreichen, waren erfolglos; es blieb Schreiber nichts
übrig, als sich ebenfalls um einen Notar 81 ) und zwei Zeugen umzusehen und
an 7 verschiedenen Orten in der Stadt die Anschlagung selbst vorzunehmen 82 ).
Ferdinand Maria freilich betrachtete die Affixion der gegnerischen Patente
auch unter diesen Umständen „als ein ihm nachteiliges praejudicium“ 83 ); das
bayerische Patent wurde überdies wieder abgerissen, schliesslich aber behielt
es doch die Oberhand 84 ).
Auch die Stadt Worms bekam von Ferdinand Maria ein „Ahndungs¬
schreiben“, worin sogar — wenigstens zwischen den Zeilen — mit der Acht
gedroht war 85 ); die unmittelbare Nähe des stark gefährdeten Speier mag hier
besonders in betracht gekommen sein. Auch scheint man in München ge¬
glaubt zu haben, die bayerischen Patente seien auf Anordnung des Rates hin
abgerissen worden 86 ). Richtig war, dass der bayerische Abgesandte die
Affigierung von der Stadt nicht hatte erlangen können; dieselbe war darauf¬
hin von ihm persönlich vorgenommen worden. Aber ebenso war es ohne
Zweifel auch den Pfälzischen ergangen; und vergeblich hatte Karl Ludwig
den Korporal Valentin Jäger von seiner Leibgarde nebst einem Reiter an
den Rat gesandt, um die Abnahme der bayerischen Patente zu verlangen. Da
die Stadt sich dessen weigerte, hatte Jäger die Patente selbst abgerissen 87 )
Die Stadt aber war ohne Schuld.
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Karl Lory
Nur eine Stadt nahm offen für Karl Ludwig Partei, nämlich Speier.
Die dortigen Vorkommnisse können aber nur im Zusammenhang mit den Vor¬
gängen beim Kammergerichte behandelt werden, ebenso wie die Ereignisse in
Frankfurt in Verbindung mit den Verhältnissen beim Deputationstag zur Dar¬
stellung kommen sollen. —
Aus dem gleichen Grunde wie Speier für Karl Ludwig hatten sich
mehrere katholische Städte von Anfang an für Ferdinand Maria ent¬
schieden: Überlingen hatte bei seiner Gratulation den Wunsch ausgesprochen,
Gott möge den Kurfürsten „als eine vornehmbste Säul der katholischen
Kirchen“ in glücklicher Regierung erhalten 88 ); Rottweil hatte sich sofort zur
Anschlagung der Patente bereit erklärt und gebeten, ihre „gut katholische
Stadt“ bei den alten Privilegien derselben zu schützen 89 ).
Aber auch ausgesprochen oder wenigstens überwiegend evangelische
Städte entschieden sich für Kurbayern, so vor allem Nürnberg, Augsburg und
Regensburg. Adelaide scheint geneigt zu sein, diesen Erfolg dem Respekt
vor den bayerischen Truppen zuzuschreiben 90 ), doch wahrscheinlich mit Un¬
recht. Nicht aus Angst handelte man hier, sondern aus Überzeugung: mehrere
Reichsstädte der Augsburgischen Konfession, darunter Augsburg selbst (aller
Wahrscheinlichkeit nach aber auch Nürnberg und Regensburg) hatten sich
an ihren Agenten in Wien, den Dr. Gräss, gewandt um ein Gutachten, wie
sie sich „der Vikariatspatente halber“ verhalten sollten; Dr. Gräss aber hatte
sich für Bayern entschieden, welches bereits vom Kammergericht „pro Vicario
traktiert werde“ und auch mit Sachsen als convicarius sich vereinbart hätte,
und die Städte, wenigstens die genannten, scheinen sich darnach gerichtet
zu haben 91 ).
Es war immerhin ein nicht unbedeutender Erfolg für die bayerische
Sache, dass diese drei altberühmten, angesehenen Reichsstädte offen für
Ferdinand Maria sich erklärten, und die Freude über denselben war auch
in München und sonst überall, wo Bayern Freunde hatte, nicht gering: „C’est
qui est fort bon pour nous“, schrieb Kurfürstin Adelaide erfreut an ihre
Mutter 98 ), triumphierend berichtete Öxl nach Frankfurt, dass Augsburg,
Nürnberg und Regensburg „totaliter“ auf seines Herrn Seite stünden 93 ), und
Heil an dt nannte es ein „egregium facinus“, dass die Nürnberger das pfälzische
Ansuchen schlechterdings ab gewiesen hätten 94 ). —
Wenn das konfessionelle Element schon bei den Reichsstädten eine
gewisse Rolle spielte, so wird es nicht wunder nehmen, dass die geistlichen
Stände, soweit sie sich überhaupt herbeiliessen, Stellung zum Vikariatsstreit
zu nehmen, ausnahmslos Ferdinand Maria anerkannten. „Die Katholischen
werden auf ihr interesse sehen müssen“, hatte Schnapauf in dem bereits
erwähnten Briefe aus Bamberg an Dr. Öxl geschrieben. Im Stifte Kempten
wurden nur die bayerischen Patente affigiert, die pfälzischen unterdrückt 96 ).
Die Äbtissin von Buchau, die Äbte von Weissenau und Ochsenhausen, die
Bischöfe von Konstanz, Brixen und Trient sandten Gratulations- und Ergeben¬
heitsschreiben; der Bischof von Konstanz schickte überdies alles, was ihm
von Heidelberg aus zugegangen war, nach München 96 ).
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 181
Gerade die benachbarten und die bedeutenderen geist¬
lichen Fürsten aber machten Schwierigkeiten wegen Annahme
derVikariatspatente.
Der Bischof von Freising z. B. erklärte, er sei jederzeit bereit, Bayern
zu dienen, „obwohl er aber einigen Stand des Reiches auch nicht gerne be¬
leidigen wolle“. Da er sich des Vikarstitels überhaupt nicht bedient hatte,
wurde ihm von München aus neuerdings energisch zu geschrieben, worauf
dann ein förmliches Gratulationsschreiben einlief, welches zugleich die Mit¬
teilung enthielt, in Werdenfels und Burgrain sei die Affigierung bereits ge¬
schehen, in Freising selbst nur durch ein Versehen unterblieben, der Schuldige
werde der Strafe dafür nicht entgehen 97 ).
Scheint sich somit Freising wenigstens nachträglich zur Affigierung
verstanden zu haben, so wurde dieselbe im Gebiete des Erzbischofs von Salz¬
burg sowie in den Diözesen Worms und Speier überhaupt niemals vollzogen.
Vom Erzbischof Guidobald war auf eine Anfrage wegen der Patente
hin eine so zuvorkommende Antwort eingelaufen, dass Ferdinand Maria
sich veranlasst fühlte, ihm persönlich zu danken. Da kam vom Salzbeamten
in Reichenhall der Bericht, nirgends im Salzburgischen seien die bayerischen
Patente angeschlagen, dieselben seien nur bei den zuständigen Ämtern
„insinuiert“ worden; auf seine Erkundigungen hin hatte man erklärt, „Salz¬
burg als ein getreuer Stand des Reiches werde der kaiserlichen Majestät und
dem Kurfürsten ohnedies jederzeit beständig verbleiben, die Affixion der Patente
aber habe man nicht für notwendig befunden“. Ferdinand Maria scheint
sich auch damit begnügt zu haben, wenigstens verrät nichts in den Akten 98 ),
dass er neuerdings auf die Anschlagung gedrungen habe, was ja doch aller
Wahrscheinlichkeit nach ohne Erfolg geblieben wäre.
Ganz ebenso wie Guidobald verhielt sich Hugo Eberhard von
Worms. In Frankfurt vermutete man, Kurpfalz wäre bereit, demselben das
strittige Stift Neuhausen anzubieten, wenn er die pfälzischen Patente acceptierte;
doch tröstete sich die katholische Partei, „es sei bekannt, wie dieser Bischof
so löblich pro religione catholica halte, und dass sich derselbe durch einige
Vertröstungen und Versprechungen nicht werde inescirn lassen“ 99 ). In der
That schrieb der Bischof an Ferdinand Maria ein tiefergebenes Gratu¬
lationsschreiben, in welchem er zugleich durchblicken liess, dass er von dem
Vikariat desselben „Trost und Aufnehmen für sein hart bedrängtes Stift“ er¬
warte; aber auch er bat, dass es für diesmal ohne Affixion verbleiben möge,
indem er auf die Gefahren hin wies, welche die unmittelbare Nachbarschaft des
Pfälzers seinem Stifte drohe l0 °).
Auch den Bischof von Speier suchte Karl Ludwig vergeblich durch
Zugeständnisse zu Anerkennung seiner Vikariatswürde zu bestimmen 101 ).
Zweimal kamen pfälzische Emissäre nach Speier: das erste Mal am
19. April „ein welscher Minorit, oder wie sie auch sonsten genennt zu werden
pflegen, Gaudent“ lüa ), dem der Bischof zuerst mit scharfen Worten zu ver¬
stehen gab, „es zieme sich für ihn sehr schlecht, zu Gunsten eines evangelischen
Fürsten gegen einen katholischen Partei zu nehmen“, dem es aber doch
Bayer. Forschungen VII, 3. 13
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Karl Lory
glückte, auch eine zweite Audienz zu erlangen, freilich ohne mehr als den
mündlichen Bescheid zu erzielen, der Bischof wolle weder das Recht des einen
noch des anderen der beiden Fürsten präjudizieren, er habe sich „nach seinem
Metropolitano“ zu richten; eine schriftliche Resolution wurde ihm abgeschlagen
mit der Bemerkung, wenn er mit dem erhaltenen Bescheid nicht zufrieden
sei, werde ihm der Bischof denselben in Beisein einiger* seiner Canonici am
Morgen des andern Tages wiederholen 103 ); am 25. April erschien „ein junger
Adeliger aus dem Geschlechte derer von Friesen“; auf die Übersendung seines
Kreditivs hin liess ihn der Fürst „in seiner sechsspännigen Leib - Carozza“
aus dem Wirtshaus abholen; doch händigte derselbe dem Bischof nur einige
Patente ein, wegen Anschlagung derselben vermeldete er nichts; der Bischof
antwortete mit Ausflüchten und Friesen selbst verzichtete auf ein Gegen -
kredential, „wohlwissend, dass ihm der Vikariatstitel doch nicht bewilligt
würde“ 104 ). Es ist wohl möglich, dass Karl Ludwig absichtlich auf eine
Affigierung seiner Patente verzichtete, um dadurch den Bischof eher zur An¬
erkennung seines Rechtes zu bestimmen; und wenn ihm auch dieser Plan
nicht glückte, die Genugthuung ward ihm doch, dass im Speierischen Gebiete
auch die Patente seines Gegners nicht angeschlagen wurden: der Bischof liess
Ferdinand Maria mitteilen, er habein seinem Archiv nachgeschlagen, aber
nicht entdecken können, dass die Affigierung früher üblich gewesen sei 105 ).
Unter diesen Umständen ist vielleicht der Zweifel berechtigt, ob in
Freising wirklich nur ein Versehen die Affigierung verzögerte; in Worms und
Speier war es ja doch gewiss nicht nur die Furcht vor der bedrohlichen Nähe
des reizbaren Gegners, welche es dazu überhaupt nie kommen liess; in Freising
wie in Worms und Speier 106 ) scheint man nach dem Vorbild der Metropolitane
gehandelt zu haben; kam es ja doch den rheinischen Erzbischöfen ebenso¬
wenig wie dem Primas von Deutschland jemals in den Sinn, Vikariatspatente
Ferdinand Marias in ihren Landen anschlagen zu lassen und dadurch
eine wenn auch nur zeitweilige Überordnung des bayerischen Kurfürsten anzu¬
erkennen, eine Überordnung, die sie zweifellos mit ihrer Souveränität unver¬
einbar finden mochten.
Nur im Bistum Eichstätt scheint man wirklich aus Ratlosigkeit gegen¬
über der Rechtsfrage mit der Affigierung gezögert zu haben. Als die pfälzi¬
schen Patente acht Tage nach den bayerischen einliefen, antwortete man mit
dem Hinweis auf die von Kurbayern vor gebrachten Rechtsgründe, frug aber
gleichw r ohl auch in München an, „ob man denn nun die Affixion in suspenso
lassen solle“. Öxl beeilte sich daraufhin, dem Eichstättischen Kanzler
Dr. Schüz zu schreiben, man nehme nicht au, dass die Anschlagung unter¬
lassen w r orden sei, fügte auch nochmals eine ausführliche Erläuterung der
bayerischen Ansprüche und ihrer Gründe bei, die ihren Zweck nicht verfehlt
haben dürfte 107 ).
Unter den weltlichen Fürsten und Herren war die Spaltung
gross: die westerwäldisehen Grafen nahmen die pfälzischen Patente an 108 ), die
schwäbischen scheinen sich für Ferdinand Maria entschieden zu haben 109 );
auch die fränkische Ritterschaft zeigte guten Willen 110 ), die schwäbische
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 183
dagegen scheint wiederholte Mahnungsschreiben bekommen zu haben 111 ); ein
hübsches Bild der allgemeinen Verwirrung boten die Brüder Isenburg: Der
ältere hatte die pfälzischen Patente publiziert, die drei jüngeren, welche ihm
die Herrschaft streitig machten, suchte Bayern zu gewinnen, was auch ohne
Zweifel gelungen sein dürfte 118 ).
Von den Reichsfürsten lobte Karl Ludwig Baden-Durlach wegen
„pura acceptio“ seiner Patente 118 ), auch Kulmbach und Ansbach rechnete er
unter seine Anhänger 114 ). Letzteres hatte sich aber jedenfalls auch nur
zögernd entschlossen, hatte man doch von Ansbach aus sich nach Eichstätt
um Rat gewandt, da man Bedenken trage, für einen der beiden Prätendenten
sich zu entscheiden 11B ).
Überhaupt begegnen wir bei den weltlichen Fürsten des Reiches ge¬
ringerer Parteilichkeit wie bei den geistlichen, vielmehr dem Bestreben, das
schon bei den Reichsstädten sich gezeigt hatte, keinem an seinem Rechte
etwas zu „präjudizieren“, viel grösserer Ängstlichkeit, die Reichsverfassung zu
verletzen; daneben freilich fehlt es auch bei ihnen nicht an Versuchen, der
Affigierung sich zu entziehen.
Gut lässt sich dies in dem Verhalten Herzog Eberhards von Württem¬
berg nachweisen. Anfangs scheint derselbe (aus konfessionellen Gründen?)
auf Karl Ludwigs Seite sich geneigt zu haben 116 ), der durch eine eigene
Gesandtschaft bei ihm zu wirken suchte. Später aber wurde er zweifelhaft:
am 6./16. Mai schrieb er an Graf Kurz, bei diesem Werk „von nicht ge¬
ringer importanz“ habe jeder Fürst und Stand des Reiches Ursach, „hierin
sorgfältig zu sein“; er müsse daher von einer offiziellen Beantwortung des
bayerischen Notifikationsschreibens Abstand nehmen, ersuche aber den Grafen,
den Kurfürsten „seiner guten confidenz“ zu versichern, nachdem auch der
pfälzische Gesandte ohne Rekreditiv habe abziehen müssen, da er ein solches
ohne den Vikariatstitel nicht habe annehmen wollen; was die Affigierung
betreffe, so gehe aus den actis hervor, dass dieselbe weder 1612 noch 1619
vollzogen worden sei 117 ). Es wird auch wohl ohne Erfolg geblieben sein,
wenn Ferdinand Maria dem Herzog antworten liess, dass man in dem
gegenwärtigen ausserordentlichen Falle auch mit einer ausserordentlichen
Demonstration Vorgehen müsse 118 ). Übrigens war man in München schon
sehr zufrieden, dass Württemberg und andere protestantische Stände Karl
Ludwig wenigstens nicht unterstützten: dadurch hielt man eine Kriegs¬
gefahr für beseitigt 119 ).
Bayern hatte, wenn es von evangelischen Ständen sprach, die auf seiner
Seite stünden, jedenfalls die drei Landgrafen von Hessen im Auge 180 ). Gleich
bei Ausbruch des Streites hatte Karl Ludwig den Peil nach Darmstadt
geschickt 181 ); man sprach (und zwar nicht ohne Grund) sogar von einer
Interposition, welche der Landgraf zwischen Heidelberg und Mainz vermitteln
sollte. Peils Erfolge aber waren sehr gering: ausser leeren Abspeisungen
hat derselbe, wenn wir Aid en h of en glauben.dürfen 188 ), nur „einen Rausch
mitgebracht, dass er kaum wusste, wie er in die Kutsche kommen solle“.
Auch vom Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel war man in Frankfurt
13*
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Karl Lory
überzeugt, dass er Kurbayern „pro Vicario“ halte 128 ). Und nachdem Frei¬
herr von Groseck, der im Aufträge des Landgrafen Wilhelm nach Heidel¬
berg und Mainz ging, an letzterem Orte erfahren hatte, dass das Gerücht irrig
sei, der Exkanzler des Reiches gebe keinem der beiden Kurfürsten das Prädikat
Reichsvikar 124 ), nachdem Landgraf Georg von Darmstadt überdies noch von
dem Kurfürsten von Sachsen eine ausführliche Widerlegung der pfälzischen
Ansprüche zugegangen war 126 ), dürften in der That sämtliche Hessen sich
für Bayern entschieden haben. Die Affigierung der Vikariatspatente scheint
aber trotzdem nicht vorgenommen worden zu sein ,26 ).
Nicht ohne tieferen Grund ist die vielleicht willkürlich erscheinende
Nebeneinanderstellung der Reichsstädte, der geistlichen und weltlichen Stände
gewählt worden: während die Reichsstädte wenigstens bereit waren, durch
Anschlagung der Vikariatspatente ihre Unterordnung unter ein Institut der
Reichs Verfassung zu erkennen zu geben, hielten die meisten und bedeutendsten
geistlichen Fürsten es für überflüssig, diesen Akt der Pflichterfüllung gegen¬
über dem Reiche zu bethätigen; während sie aber doch noch (allerdings aus
persönlichen Gründen) geschlossen für einen von den beiden Prätendenten
eintraten, war unter den weltlichen Fürsten die Verwirrung vollends heillos.
Freilich wäre es schwer zu sagen, wo die Unordnung grösser war; mit er¬
schreckender Unzweideutigkeit zeigte sich, dass bereits die kleinen und kleinsten
Reichsstände zum Gehorsam gegen die Reichsverfassung sich nicht mehr
verpflichtet fühlten. Nur der Bischof von Brixen hatte in seiner Er¬
widerung auf das bayerische Notifikationsschreiben erklärt, er werde gegebenen
Falles den Rechtsschutz des Vikariatsgerichtes in Anspruch nehmen. Der¬
artige Bezeigungen guten Willens aber sind spärlichen Lichtpunkten gleich,
welche die Schatten des Bildes nur um so schwärzer hervortreten lassen:
nirgends Sicherheit gegenüber der Rechtsfrage, nirgends der Wille, seine
persönlichen Vorteile der Verfassung zum Opfer zu bringen — das ist im
allgemeinen das Verhalten des Reiches gegenüber dem Vikariatsstreit.
d) Die Kurfürsten und das Ausland.
Alle bis jetzt erwähnten Reichsstände werden uns im weiteren Verlaufe
des Vikariatsstreites so gut wie nicht mehr begegnen: wie bei einem Stein¬
wurf in einen Teich zog derselbe im Reiche für einen Augenblick seine Kreise,
bald, sehr bald aber schon glättete sich die Fläche wieder und, weit entfernt,
den bayerisch-pfälzischen Konflikt als eine Angelegenheit des gesamten Reiches
zu betrachten, war man froh, wenn man möglichst wenig damit zu thun hatte;
das Reich liebte es nicht, in einen Streit, der möglicherweise die weittragendsten
und ernstesten Folgen haben konnte, sich zu mischen, um eventuell einen
schreienden Rechtsbruch zu verhindern, einen ohnehin schon schwer getroffenen
Stand des Reiches nicht noch tiefer kränken zu lassen 127 ). Ferdinand
Maria hatte auf keinen Widerstand zu rechnen, solange er nicht zum
Äussersten schritt. „Sonsten finde ich gar wenig Freunde von Churpfalz“,
schrieb Heiland am 24. April au Dr. Öxl, „ich vernehme auch nirgends,
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 185
dass man die churbayerischen Werbungen übel deuten wolle, wenn die Arma
nur in terminis terminantibus bleiben, und nicht etwa zu gänzlichem ruin
und supprimirung des Herrn Churfürsten Pfalzgrafen missbraucht werden;
denn solchen Falls verhoffe ich wohl, er werde nicht zwar ex amore ad causam
eiusqüe justitiam, sondern mehr ex commiseratione, auch wohl ex invidia
Freunde bekommen, die sonst still sein würden“ 128 ).
Die Frage des Rechts kam im Grossen und Ganzen wenigstens über¬
haupt nicht in betracht; Ferdin and Maria war Sieger, sobald er in politischer
Hinsicht glücklich war, und dazu bestand alle Aussicht.
Die Entscheidung aber lag in dem Verhalten der Kurfürsten und des
Auslandes. —
Bei sämtlichen geistlichen Kurfürsten wiederholt sich das gleiche
Schauspiel: Ferdinand Maria w r urde von ihnen anerkannt, und die Abge¬
sandten des Pfalzgrafen mussten mit leeren Händen abziehen.
Nach Aschaffenburg kam Freiherr von der Li pp, genannt Hun.
In seiner Audienz am 19. April erklärte er, man erwarte in Heidelberg, der
Erzkanzler werde dem Herkommen entsprechend die pfälzischen Patente
affigieren lassen; dafür erbiete sich der Pfalzgraf, während des Vikariats nichts
ohne den Kurfürsten vorzunehmen, ja, wenn es gewünscht w T erde, jemand von
Mainz bei sich in Heidelberg zu haben, um in allen Rechtssachen mit ihm
und in seinem Beisein zu verhandeln. Aber man erwiderte ihm, es sei bereits
vor zwei Tagen ein bayerischer Gesandter dagew r esen, man habe sich der
pfälzischen Zumutung keineswegs versehen, vielmehr das Vikariat für eine
im Friedensschluss ausgemachte Sache halten müssen, und verwundere sich,
dass es nun noch Streit geben solle; das instrumentum pacis sei einmal da,
und sei Kurbayem der Meinung, sibi deberi vicariatum tamquam annexum
electoratus quarti, dieweil dieser cum omnibus pertinentiis im Frieden ihm
gegeben sei. Und da Hun unter Hinweis auf die goldene Bulle das Vikariat
als Anhang der Pfalzgrafen würde erklärte, wurde ihm „discursweis“ bedeutet,
die goldene Bulle handle überhaupt nur von den geistlichen und weltlichen
Fürsten „quatenus de numero electorum erant; und also sei auch des Pfalz¬
grafen, sub ratione terrae Palatinae, darin Meldung vorhanden, nämlich qua
est elector, et in specie, quoad officium, archidapifer“. Man sieht, wie gut
die Mainzische Diplomatie die bayerische Lektion eingelernt hatte. Dass Pfalz¬
grafen Reichsvikare waren, bevor sie oder wenn sie nicht zugleich Kurfürsten
gewesen, wurde einfach bestritten; übrigens, wmrde Hun bedeutet, wäre es
noch in Regensburg Zeit gewesen, vom Vikariat zu reden, vor allem aber
hätte sich der Pfalzgraf in Münster desselben „vel protestando vel aliter“
reservieren sollen.
Dies scheint gewiss unzweideutig gesprochen; aber man würde irren,
wollte man glauben, Mainz hätte sich nicht für alle Fälle ein Hinterthürchen
offen gelassen: die anderen Kurfürsten, erklärte man zuletzt, würden sich
jedenfalls auch vernehmen lassen; würden diese das Friedensinstrument zu
gunsten der Pfalz interpretieren, „so wollten sich Ihre Churfstl. Gnaden auch
nicht davon separieren“.
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Karl Lory
Hun hat darauf „nichts Sonderliches mehr repliziert“, er vermeldete
nur noch, sein Herr werde sich des Vikariats unter allen Umständen an¬
nehmen, er wolle hoffen, man werde ihm nichts präjudizieren.
Am andern Tage erschien Hun nochmals, „um seine Abfertigung von
Ihr. Churfstl. Gn. in dero Gemach Selbsten zu bekommen“ 129 ). Das Rekreditiv,
welches den Vikariatstitel nicht enthielt, wollte er nicht annehmen und legte
es wieder auf den Tisch. Ebenso wurden ihm die Vikariatspatente, die er
Tags zuvor dahin gelegt hatte, zwei oder dreimal zugestellt, aber auch sie
legte er stets wieder an ihren Platz zurück. Der Kurfürst rief daraufhin
Boineburg zum Zeugen an, dass er sie zwar hier liegen lasse, aber niemals
aufmache, es auch vor allem nicht „pro insinuato“ halten wolle. „Sie könntens
Bayern nicht nehmen, Instrumentum pacis sei vor ihm“ 180 ).
So reiste denn Hun buchstäblich mit leeren Händen wieder ab, und
Öxl sandte ihm die spöttische Bemerkung nach, er habe in Aschaffenburg
„wohl auch keine ova excludiret“. —
Ganz ähnlich erging es Dr. Schreiber bei Maximilian Heinrich
von Köln und einem dritten pfälzischen Gesandten bei Karl Kaspar von
Trier: beide wurden mit leeren Höflichkeiten abgespeist, beide gaben das
Rekredential zurück, weil dasselbe den Vikariatstitel nicht enthielt, und bei
beiden nahm man daraus Veranlassung, ihnen auch die pfälzischen Patente
wieder zustellen zu lassen 181 ). Karl Kaspar beeilte sich, Ferdinand
Maria zu schreiben, er trage kein Bedenken, ihn als Reichsvikar anzuerkennen,
Kurpfalz habe im Friedensschluss die achte Kurwürde „ohne einiges anhängiges
regal“ bekommen 182 ); Maximilian Heinrich stand nicht an, Ferdinand
Marias Bitte zu erfüllen 188 ) und Dr. Aldenhofen anzuweisen, alles Vor¬
gefallene von Frankfurt nach München zu berichten l84 ).
Es dauerte ja nicht lange mehr, und man war in Mainz, Köln und
Trier bereit, dem Kurfürsten von Bayern sogar die Kaiserkrone aufs Haupt
zu setzen ,8B ). —
Der schwerste Schlag aber, der Karl Ludwig treffen konnte, war,
dass auch Kurfürst Johann Georg von Sachsen sich gegen ihn erklärte,
doppelt schwer, weil derselbe als das Haupt der evangelischen Partei im Reiche
galt 186 ), und demselben das zweite Reichsvikariat in den Landen des sächsischen
Rechtes zustand.
Der Pfalzgraf, wohl wissend, was auf dem Spiele stand, versuchte auf
die verschiedenste Weise auf Johann Georg einzuwirken: nicht nur, dass
er Dr. Peil nach Dresden abordnete, auch durch den schwedischen Residenten
am kursächsischen Hofe liess er seine Sache vertreten 137 ), er scheint über¬
haupt jede Art von Einfluss, die er dort besass, benützt zu haben, um den
Kurfürsten sich günstig zu stimmen ,88 ) — alles umsonst: diejenigen, die sich
für Karl Ludwig verwandten, erhielten leere Abfertigungen, der Kurfürst
hoffe, die Sache werde bald und friedlich bei gelegt werden, er könne nichts
mehr machen, nachdem die Angelegenheit nicht mehr „res integra“ sei 189 );
am 28. April (8. Mai) schrieb der Kurfürst, wie bereits kurz erwähnt, an
Landgraf Georg von Hessen, es sei ja reichskundig, was es mit dem pfälzischen
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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Hause vor dreissig und mehr Jahren für eine Bewandtnis gehabt habe, Stück
für Stück die von Kurpfalz geltend gemachten Rechtsgründe ausführlich
widerlegend 14 ®); und zw r ei Tage darauf erging an Karl Ludwig selbst jener
sehr bald durchs ganze Reich verbreitete Brief, in welchem derselbe in nicht
misszuverstehender Weise der Auflehnung gegen die klaren Bestimmungen
des Friedensinstrumentes bezichtigt wurde, wodurch er einen Weg beschritten
habe, auf dem ihm das allzeit reichs- und kaisertreue Sachsen nicht folgen
könne 141 ).
Mit dem Bekanntwerden dieses Schreibens war die Niederlage Karl
Ludwigs auch in den Kreisen der protestantischen Reichsstände so gut wie
entschieden. Sachsen selbst war nur einer längst geübten Politik treu ge¬
blieben, wenn der Hass gegen den Reformierten stärker gewesen als die Ab¬
neigung gegen den Katholiken. —
Auch König Leopold von Böhmen (und mit ihm das ganze Habs¬
burgische Haus) hatte keinen Grund, Ferdinand Maria die Anerkennung
zu versagen; befürchtete man doch in Prag und Wien längst vor Bekannt¬
werden von Mazarins Plan, dem bayerischen Kurfürsten die Kaiserkrone zu¬
zubringen, ja schon lange bevor die französischen Emissäre anfingen, bei den
rheinischen Erzbischöfen dafür den Boden zu ebnen, in München könne man
sich mit der Absicht tragen, dem Hause Habsburg die Krone streitig zu
machen, wie man anderseits überzeugt war, wenn Bayern Leopold seine
Stimme gebe, würden alle anderen Kurfürsten von selbst demselben zufallen l48 ).
Wie gering die Aussichten für Karl Ludwig auch hier waren, erfuhr
Dr. Lingelsheim, dessen Mission durch den Tod des Kaisers hinfällig ge¬
worden war, der aber vor seiner Abreise von Wien dort die Vikariatsange¬
legenheit betreiben sollte. Graf Auersperg versprach, Pfalz bei allen Ge¬
legenheiten zu dienen, des Vikariats aber gedachte er mit keinem Worte. Der
Reichs Vizekanzler Graf Kurz meinte, er hätte geglaubt, was das Vikariat
betreffe, wäre solches zu Münster, Osnabrück und Prag ausgemacht und auf
Kurbayern transferiert worden; nachdem sich aber Kurpfalz desselben unter¬
zogen, werde das grosse „confusiones“ im Reiche verursachen; er freilich
hielte dafür, die Herren Kurfürsten sollten sich darüber vergleichen. Reichs¬
hofratspräsident Fürst Öttingen erklärte, durch den Todesfall des Kaisers
sei seine bisherige Charge erloschen, obw r ohl dieselbe überhaupt mit dieser
Sache nichts zu thun hätte; er könne also nicht einsehen, warum Kurpfalz
ihm solches kommunizieren Hesse; Lingelsheim erwiderte, es geschehe, damit
er eine kurze Information aus der Sache habe, präsentierte auch zugleich ein
gedrucktes Patent, welches der Fürst aber nicht annehmen wollte, indem er
erklärte, es sei nicht nötig. Auch Reichshofrat und Vizepräsident Graf Not-
hafft befürchtete „grosse difficulteten und confusiones“, zudem Kurbayern
sein Recht mit gewappneter Hand behaupten werde; und, fügte er lachend
hinzu, Kurbayern werde es wohl etliche Millionen mit Werbung und Unter¬
haltung der Völker kosten, hingegen werde es Kurpfalz mit Papier verfechten;
er gab zu verstehen, dass er nichts mehr wünsche, als Kurpfalz zu dienen —
der einzige, der sich dazu herbeiliess ,48 ). Und was von solchen Versprechungen
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Karl Lory
zu hoffen war, auch wenn dieselben als aufrichtig gemeint gelten konnten,
erfuhr Lingelsheim nirgends drastischer als bei Reichshofrat Boss: derselbe
gratulierte dem Pfalzgrafen, bat unter vielen feinen Sprüchen, seine Person
bestens zu rekommandieren, erklärte aber doch gleich, dass er anstehen müsse,
wie er sich zu verhalten habe, „im Falle von Kur-Bayern und Kur-Sachsen
als angemassten (!) Vicariis imperii des Reichshofrats jurisdiction prorogirt
und in den sessionibus fortzufahren anbefohlen werden sollte“; „das beste
Mittel, niemand zu offendieren, würde sein, sich zu absentieren“ 144 ).
Auf die Erfahrungen Lingelsheims hin dürfte man sich demnach
in Heidelberg kaum besondere Hoffnungen gemacht haben; dieselben wären
auch in der That völlig eitel gewesen — am 6. Juni konnte Ferdinand
Maria, der es klug vermieden hatte, Habsburgs Ansprüche auf Exemption
von der Machtvollkommenheit des Reichsvikars zu verletzen 146 ), Dr. Öxl
nach Frankfurt berichten, dass vom König von Ungarn und Böhmen (wie
auch von Erzherzog Leopold Wilhelm) der Vikarstitel „gebührendt“ erteilt
werde 146 ). —
Friedrich Wilhelm von Brandenburg war der einzige von
sämtlichen Kurfürsten, der es verschmähte, Partei für einen der beiden Kon¬
kurrenten zu ergreifen. Auf das bayerische Notifikationsschreiben hin ant¬
wortete er unterm 17./27. April, er vernehme nur ungern, dass bei den gegen¬
wärtigen ohnedies irrigen Zeiten zwischen zwei Kurfürsten und vornehme
Stände des heiligen röm. Reiches einiges Misstrauen erwachse und die Sache
sich zu Weitläufigkeit und contradiction anschicken wolle; er werde an seinem
Orte willig und gern alles thun, was nur immer zu gütlicher Vergleichung
und Hebung dieses Werkes dienen möchte 147 ). Im Mai kam sodann Port¬
mann im Aufträge des Kurfürsten, welcher eine Verlängerung des Wahltermins
wünschte, nach Heidelberg und nun wurde es vollends klar, dass Branden¬
burg nicht vorhatte, in den Vikariatsstreit sich einzumischen. Da in seinem
Kreditiv der Vikariatstitel nicht enthalten war, konnte er eine Audienz nur
durch Abgabe der schriftlichen Erklärung erlangen, bei Abgang seiner Kreditive
sei das pfälzische Notifikationsschreiben noch nicht eingelangt gewesen; Karl
Ludwig benützte die Gelegenheit, um sich über Kurbayerns gewaltthätiges
Vorgehen auf grund seines angemassten Vikariatsrechtes zu beklagen — Port-
mann hat sich aber zweifelsohne in dieser Hinsicht auf nichts eingelassen 148 ).
Auch in München war die bevorstehende Ankunft eines branden-
burgisclien Gesandten angezeigt worden, ohne dass das betreffende Schreiben
den Vikarstitel enthalten hätte. Ferdinand Maria tröstete sich mit dem
Gedanken, dass dasselbe vor Eintreffen der Vikariatspatente abgesandt sein
könnte, war aber auf jeden Fall entschlossen, den Gesandten nicht vorzulassen,
weun auch in seinem Kreditiv der fragliche Titel fehle 149 ). Dr. Öxl war
anfangs der Meinung, es werde dem Gesandten die Audienz nicht zu ver¬
weigern sein, auch wenn der Titel fehle 160 ); da verbreitete sich in Frankfurt
das Gerücht, auf der Post sei ein brandenburgisches Schreiben an Kurpfalz
mit dem Vikarstitel gesehen worden, Öxl war voreilig genug, sofort nach
München zu berichten, Friedrich Wilhelm gebe dem Pfalzgrafen das so
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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heiss umstrittene Prädikat, sein Brief mochte vielleicht gerade gleichzeitig mit
Canstein in München eintreffen 151 ), jedenfalls war es zu spät, als Öxl
zwei Tage später aufs neue schrieb, nachdem ihm Portmann versichert hatte,
sein Herr habe vor, völlig freie Hand zu behalten 162 ) — Canstein war
trotz aller Bemühungen und Beteuerungen resultatlos und schwer gekränkt
von München abgereist, nachdem ihm nicht einmal eine Privataudienz be¬
willigt worden war 168 ); Ferdinand Maria hatte die Anwesenheit Can¬
steins in Heidelberg, die seinem Eintreffen in München vorausgegangen
war, in Zusammenhalt mit Öxls Alarmnachricht für einen Beweis von der
Richtigkeit der letzteren betrachtet und dementsprechend gehandelt 164 ).
Eine Änderung in Friedrich Wilhelms neutraler Haltung gegen¬
über dem Vikariatsstreit konnte auch Cansteins verunglückte Mission nicht
herbeiführen. —
Karl Ludwig war also so gut wie von allen Seiten verlassen und
preisgegeben. Er machte sich auch kein Hehl daraus, dass er vom Kur¬
fürstenkollegium nichts zu erwarten habe, indem „Chur-Maintz völlig die
glanzendte Chur-Bayerische Waffen ansehe, Chur-Trier seine consilia fast
täglich ändere, Chur-Köln zu Bayern der engste Vetter, Sachsen sich ziemlich
bayrisch bezeiget, Chur-Brandenburg in anderweg okkupieret“ 15ß ); am schmerz¬
lichsten aber hat er vielleicht nicht die Haltung der Kurfürsten, sondern jene
seiner evangelischen Nachbarstände empfunden 166 ). Auf jeden Fall aber hatte
den leicht erregbaren Fürsten, der eben damals auch in seinem Familienleben
tief unglücklich war, der Vikariatsstreit so heftig angegriffen, dass der schon
erwähnte Dallenberg ihn kaum mehr erkannte ,57 ). Fast vom ganzen Reiche
war er ohne Hilfe gelassen, sodass seine Lage wenigstens bis zu einem
gewissen Grade an jene des grossen Kurfürsten vor dem Frieden von St. Ger-
main erinnert — war es ein Wunder, wenn er nach dem gleichen Ausweg
suchte, den auch Friedrich Wilhelm damals einschlug, wenn er sein
Recht, das ihm vom Reiche verweigert wurde, vom Auslande erhoffte und
erstrebte ?
Karl Ludwig rechnete mit Bestimmtheit auf die Unterstützung der
Kronen Frankreich und Schweden. Dass er sich an den schwedischen Ge¬
sandten am sächsischen Hofe wandte, haben wir bereits gesehen. D allen-
berg gegenüber sprach er sich ganz offen aus, er sei gezwungen, seine Zu¬
flucht zu den Friedensgaranten zu nehmen 168 ). Aber Frankreich, welches die
Erhebung seines Gegners zum römischen Könige betrieb, kam überhaupt nicht
in betracht, wenn es sich um ein Vorgehen gegen Ferdinand Maria ge¬
handelt haben würde, und die Intervention Schwedens zu gunsten des Pfalz¬
grafen beschränkte sich, wie wir später sehen werden, auf eine wenig be¬
deutende Kundgebung des pommerischen Gesandten Snoilsky in Frankfurt 162 ).
Ferdinand Maria hatte natürlich auch nicht versäumt, die Über¬
nahme des Reichsvikariats dem Ausland anzuzeigen. An den Papst, an
Spanien, Frankreich, England, Dänemark, Schweden und Polen wurde ge¬
schrieben; dabei suchte mau überall vorsichtig zu vermeiden, was des einen
oder anderen Ortes irgendwie Anstoss hätte erregen können: in dem Schreiben
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Karl Lory
an Spanien z. B. suchte man nach Ausdrücken des tiefsten Schmerzes über
den Hingang des Habsburgers; in jenem an Frankreich dagegen zeigte sich
keine Spur von einer Trauer, für welche man in Versailles jedenfalls kein
Verständnis voraussetzte. Besondere Schwierigkeiten mochte das Notifikation -
schreiben an den Papst verursachen; gründeten sich doch die bayerischen
Ansprüche hauptsächlich auf jenes Friedensinstrument, das vom Papste nicht
nur nicht anerkannt, gegen das vom hl. Stuhle sogar Protest eingelegt worden
war. Man muss der kurfürstlichen Kanzlei aber zugestehen, dass sie sich
mit vielem Anstand aus der Schlinge zu ziehen wusste: das Vikariat, schrieb
man nach Rom, ein Annex des kurfürstlichen Truchsessenamtes, sei vom
Kaiser dem Vater des Kurfürsten und der ganzen Ludwigschen Linie recht¬
mässig zuerkannt worden; da das Friedensinstrument doch nicht ganz zu
umgehen war, nahm man wenigstens Veranlassung, die unsterblichen Verdienste
des damaligen Nuntius, jetzigen Papstes Al ex an der s VII., in Münster und
Osnabrück rühmend zu erwähnen, und sorgte dafür, dass das ganze Schreiben
genau so klang, als sei der Kurfürst vollständig überzeugt, Kurhut und
Reichsvikariat in erster Linie dem hl. Stuhle zu verdanken. Das Notifikations-
sclireiben an den Papst kreuzte sich übrigens mit einem Briefe Alexanders VII.,
in welchem der Kurfürst in Anbetracht des Todes des Kaisers zur Sorge für
Reich und Kirche ermahnt wurde. Der Kurfürst antwortete darauf in ziemlich
allgemeinen Wendungen, während ein weiteres Schreiben der Kurie auch des
Reichsvikariats keine Erwähnung that — so schlau man eben in München
zu Werke gegangen war, eines scheint man hier nicht gewusst zu haben:
dass der hl. Stuhl seit Alters her sede imperii vacante das Vikariat im Reiche
für sich selbst in Anspruch nahm 160 ). Auch an die kleineren italienischen
Staaten wurde geschrieben, an Toskana, Modena, Parma, Mirandola, dagegen
nicht, wie es scheint, an Mantua 161 ). Im Laufe des Mai trafen von allen
diesen mehr oder weniger förmliche und schwülstige Gratulationen ein, Mantua
zeigte sein Vikariat au 162 ), nur Venedig liess auf sich warten 168 ), an welches
ebenso wie au die Schweiz und die Generalstaaten ebenfalls Notifikations¬
schreiben abgegangen waren. Die letzteren erwiderten, sie wollten mit dem
Reich und allen seinen Fürsten gute Freundschaft halten. Von den grösseren
Staaten dürften nur Polen, und dieses ziemlich allgemein, Dänemark und
Spanien geantwortet haben 164 ).
Den Hinweis auf die spanisch - habsburgische Bundesgenossenschaft
konnte man nun freilich in München vorerst der Drohung mit einer schwedisch¬
französischen Allianz nicht entgegensetzen, solange man sich über die Stellung,
die mau in der Wahlfrage ein nehmen wollte, nicht klar geworden war. Ernst¬
lich freilich scheint man auch durch die umlaufenden Gerüchte 165 ) nicht be¬
ängstigt worden zu sein 166 ); vor allem aber ging die bayerische Politik dahin,
innerhalb der durch den Friedensschluss gezogenen Grenzen zu bleiben und
es dadurch von vorneherein unmöglich zu machen, dass Frankreich noch
sonst eine Macht, und wäre es auch eine habsburgische, sich beschweren
konnte 167 ). Innerhalb des Reiches aber hoffte man um so leichter alle
Schwierigkeiten überwinden zu können, als zu allen übrigen Erfolgen sehr
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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bald noch ein weiterer sich gesellte, der Ferdinand Maria vollends den
Besitz des schon zur Hälfte errungenen Vikariats zu sichern versprach —
der Abschluss einer förmlichen Allianz mit dem Erzkanzler des Reiches.
e) Die bayerisch-mainzische Allianz.
%
Zweifellos mit gutem Bescheid, wenn wir denselben auch nicht näher
kennen, war Dr. Öxl nach seinem Besuche beim Erzkanzler des Reiches in
München eingetroffen, und Ferdinand Maria beeilte sich, Johann Philipp
für seine Bereitwilligkeit, Bayerns Sache zu unterstützen, bestens zu danken l68 ).
Er erhielt die Antwort, der Erzbischof habe bereits beim Kammergericht im
Interesse Bayerns die entsprechenden Schritte gethan, sich auch geweigert,
dem Pfalzgrafen den Vikarstitel zu geben, „aller remonstration und beschehener
vielfältiger Offerten ungeachtet“ 169 ). Inzwischen war überdies schon längst
als Mainzischer Abgeordneter B 1 u m in München ein getroffen 17 °), weicherden
Auftrag hatte, einer „Partikular-Allianz“ zwischen Bayern und Mainz den
Boden zu ebnen: nachdem die unverhoffte „Reichsvakatur“ und insbesondere
der Vikariatsstreit „leicht ein und andern motus“ besorgen lasse, erscheine
dem Erzkanzler „zu mehrerer Befestigung des guten Vertrauens sowie
zu Handhabung des Friedens und der Ruhe im Reiche“ eine auf das
Friedensinstrument fundierte Partikularallianz zu gegenseitiger Unterstützung
wünschenswert 171 ).
Mit Blum waren die Hoffnungen aller Gegner des Pfalzgrafen auch
in Speier, Worms und Frankfurt 172 ). Jetzt zeigte es sich, dass die Partei¬
nahme für Ferdinand Marias Reichsvikariat in Mainz und den erwähnten
Orten nicht der Überzeugung von dessen Rechte entsprang, auch nicht einmal
in erster Linie konfessionellen Gründen, sondern vor allem sehr materiellen
Erwägungen und Hoffnungen: aufs neue war der Streit wegen der Wildfänge
und der Rheinzölle entbrannt 178 ), und während die kleineren Fürsten, des
Pfalzgrafen gewaltthätiges Temperament fürchtend, von Bayerns „glanzendteu
Waffen“ Schutz und Hilfe sich erwarteten, mochte in Johann Philipp
sogar der geheime Gedanke wohnen, der Bundesgenossenschaft Bayerns sich
zu bedienen, um den auch von ihm für gefährlich gehaltenen Pfälzer wenn
möglich unschädlich zu machen; auf jeden Fall steht fest, dass Johann
Philipp ernstliche Verwickelungen befürchtete, und die Lage in dem Masse, da
die Verhandlungen mit Bayern fortschritten, ernster und gefahrdrohender wurde.
Der Bescheid, den Blum am ersten Mai erhielt, war überaus entgegen¬
kommend : der Kurfürst verlange selbst nichts Anderes, als mit dem Erzbischof
„zu desto mehrerer Versicherung der beiderseitigen Rechte und Befugnisse“
eine Allianz zu schliessen; als Bedingung schlug Bayern gegenseitige Unter¬
stützung und Verteidigung vor, namentlich für den Fall, dass Karl Ludwig
den Erzbischof des Vikariats wegen angreifen sollte, sowie gleichmässige Ver¬
teilung der beiderseitigen Kontingente (1000 Manu zu Fuss und 200 Reiter 174 ),
— die Dauer der projektierten Allianz wurde dem Gutdünken des Erzkanzlers
anheimgestellt 176 ). In Mainz war man mit Blums Erfolgen sehr zufrieden.
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Karl Lory
Am 6. Mai verliess derselbe München, und schon am n. berichtete er, man
sei in Mainz sehr erfreut über den glücklichen Anfang, man erwarte die
baldige Ankunft Öxls, um den Vertrag definitiv abzuschliessen l7B ). Ob
man freilich auch in München so sehr befriedigt war, ist eine andere Frage;
jedenfalls aber war man hier geneigt, in nebensächlichen Dingen sich nach¬
giebig zu zeigen, um nicht das Ganze zu gefährden ,77 ), und am 14. Mai trat
Öxl seine Reise an 178 ).
Am 19. (Pfingstsamstag) hatte er bereits wiederholte stundenlange
Unterredungen mit dem Kurfürsten. Am Pfingstmontag wurde der Allianz¬
rezess zu Papier gebracht, am 23. erhielt Öxl denselben mit den vom Bischof
vorgenommeneu Korrekturen ,79 ) zurück. Es bestand nur noch eine Schwierig¬
keit: Johann Philipp verlangte Erhöhung des bayerischen Kontingents,
Öxl aber hatte für diesen Fall keine Instruktion.
Verschiedene Umstände wirkten zusammen, um dem Erzkanzler die
Lage als bedrohlich erscheinen zu lassen. Am 23. Mai war Freiherr von Hun
bei ihm gewesen, hatte aber nichts erreichen können und unter Drohungen
Mainz wieder verlassen. Freitag den 25. Morgens 3 Uhr kam der Mainzische
Landrentmeister ins Schloss und brachte die Nachricht, die Vermittlungsver¬
suche Georgs von Hessen zwischen dem Erzkanzler und Karl Ludwig
hätten sich nun vollends zerschlagen; das Gerücht war verbreitet, Kurpfalz
ziehe bereits seine Völker zusammen, und Johann Philipp gab Befehl, die
bedrohten Punkte sofort zu besetzen.
Öxl hatte am 23. nach Huns Entlassung abermals eine Audienz;
der Kurfürst führte ihn zu den Festungswerken, die er anlegen liess, und
erzählte ihm dabei von Huns Anbringen. Als aber Öxl einen endgiltigen
Bescheid erbat, erklärte er, er habe es nicht gerne, wenn derselbe gleich am
andern Morgen wieder fortwolle, weil Donnerstag abend die Extraordinari-
Post einlaufe und Neuigkeiten zu erwarten sein dürften. Ohne Zweifel hatte
der Erzbischof schon Kunde von dem negativen Resultat des hessischen Ver¬
mittlungsversuches. Am Donnerstag wurde Öxl im Jesuitenkolleg und in
der Akademie herumgeführt, mittags speiste er bei dem Kurfürsten, welcher
ihm auftrug, noch bis abend zu verbleiben; da die „Extraordinari“ nichts
brachte, sollte er am nächsten Tage abgefertigt werden. Als er um 8 Uhr
erschien und um seine Entlassung bat, wurde er auf Mittag vertröstet, und
erst abends konnte er nach einer nochmaligen längeren Audienz nach Frank¬
furt aufbrechen. Der Kurfürst hatte alles aufgeboten, Bayern die Erhöhung
des Kontingents plausibel zu machen: die bayerischen Lande würden das
Erzstift Mainz und Würzburg leicht aufwiegen, das Herzogtum Franken be¬
stehe „in nudo titulo absque vitulo“; der Kurfürst von Bayern habe vom
weissen Bier allein mehr Einnahmen als mancher andere Stand vom Wein
und dergl. Oft war er verstimmt und, wie es Öxl erschien, sogar betrübt
gewesen, sodass dieser selbst den Vorschlag machte, in die geforderte Er¬
höhung zu willigen, um nicht das ganze Werk zu gefährden 180 ).
Und Ferdinand Maria war bereit: am 26. hätte er bereits an Öxl
geschrieben, er sei damit einverstanden, das Simplum auf 1200 Mann zu Fuss
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
und 400 zu Pferd zu erhöhen l8i ), und auf dieser Grundlage wurde dann auch
der Vertrag, vom 1. Juni 1657 datiert, abgeschlossen: die Allianz sollte sich
auf Mainz, Würzburg und Franken, sowie auf sämtliche bayerische Lande
erstrecken, als Fundament derselben galt das instrumentum pacis; Mainz ver¬
pflichtete sich im Ernstfälle zur Stellung von 1000 Mann zu Fuss und 200
zu Pferd, Bayern von 1200 bez. 400 Mann pro simplo; ausführliche Be¬
stimmungen waren über Oberbefehl und Verpflegung der Truppen getroffen,
der Vertrag sollte vorläufig auf ein Jahr geschlossen sein und vollständig
geheim gehalten werden 188 ). —
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Johann Philipp damals, als er
Öxl nicht aus Mainz lassen wollte, ohne wegen Erhöhung des bayerischen
Kontingents eine bindende Zusage zu erhalten, daran dachte, den Konflikt
wegen der Rheinzölle mit Gewalt zum Austrag zu bringen. Jedenfalls aber
kam er von dem Gedanken wieder ab, wahrscheinlich weil er erwartete,
Ferdinand Maria werde etwas in der Sache thun. Er hatte schon seit
langem für die Anerkennung des bayerischen Vikariats beim Reichskammer-
gericht unermüdlich gewirkt und fuhr fort, stets das Gleiche zu thun; er
gestattete bayerische Werbungen in seinen Territorien 183 ), er willigte in die
Affigierung der bayerischen Patente wenigstens in Würzburg und Aschaffen-
bürg 184 ), obwohl kein anderer von den Erzbischöfen des Reiches 186 ), auch
Worms und Speier nicht einmal in dieselbe willigten — und Ferdinand
Maria? Er verjagte kraft seiner Machtvollkommenheit als Reichsvikar die
pfälzischen Truppen aus Weiden und Parkstein, aber er vermied es, in der
gleichen Eigenschaft wenigstens einen dem Erzbischof günstigen Schiedsspruch
zu thun, indem er, wie es scheint, die Aufmunterung zu ersterem Schritte
von Johann Philipps Seite nicht als das erkannte, was dieselbe ohne
Zweifel sein wollte, eine indirekte Aufforderung, auch der rheinischen Zoll¬
frage als Reichsvikar sich anzunehmen. Ferdinand Maria mochte es von
seinem Standpunkte aus immerhin als selbstverständlich betrachten, dass
Johann Philipp in der Weise, wie es von demselben geschah, das bayerische
Reichsvikariat beim Kammergericht förderte; er mochte darin nichts mehr
sehen als eine blosse Pflichterfüllung des Erzkanzlers des Reiches — er ver-
gass dabei, dass die Zeiten der Pflichterfüllung gegenüber der alten Reichs¬
verfassung vorbei waren, dass sein Anspruch auf das Reichsvikariat selbst
kaum vor dem Richterstuhle strengster Unparteilichkeit bestehen konnte; er
vergass, Johann Philipp die Gegendienste zu erweisen, die derselbe zweifel¬
los erwartete, er vergass, dass dies notwendigerweise trotz des Vertrages zu
einer Erkältung des gegenseitigen guten Einvernehmens führen müsse. Und
indem jener Vertrag vom 1. Juni 1657 in Johann Philipp Erwartungen
erregen musste, um deren Erfüllung er sich am Ende betrogen sah, ist er
gleichsam schon das erste Anzeichen eines nahenden Umschwungs, welcher
dem bisherigen raschen Siegeslauf Ferdinand Marias eine unerwartete
Wendung zu gunsten Karl Ludwigs folgen liess.
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f) Der Vikariatsstreit auf dem Frankfurter Depu tationstag.
Die Verhandlungen auf dem Deputationstag wurden durch die Nach¬
richt vom Tode des Kaisers jäh unterbrochen, und es entstand die Frage, ob
derselbe jetzt nicht überhaupt ganz aufgehört habe; verschiedene Gesandte
waren der Ansicht, es sei dies der Fall, „weil praecipua pars iutegrans ab¬
gangen und der übrigen Kurfürsten und Stand Gesandten mandatum er¬
loschen“ 18 6 ). Öxl schickte seinen Sohn zur kaiserlichen Gesandtschaft und
liess kondolieren, worauf die übrigen das Gleiche thaten 187 ); kurze Zeit darauf
rief ein Befehl seines Kurfürsten ihn ab.
Die Verfechtung der bayerischen Sache überliess er seinem Sohn, vor
allem aber den Mainzischen Gesandten Meel und Vor bürg. Ein unzwei¬
deutiger Parteigänger Ferdinand Marias war auch Dr. Aid enhof en,
welchen sein Prinzipal, wie bereits erwähnt, angewiesen hatte, über alle Vor¬
gänge in Frankfurt ausführlich nach München zu berichten. Ebenso waren
Öxl befreundet der braunschweigische Gesandte Dr. Heiland und Het-
tinger, Sekretär der Reichsritterschaft; als Öxl jun. sich einmal erlaubte,
an dessen Aufrichtigkeit zu zweifeln, wurde er dafür von seinem Vater ziemlich
unfreundlich augelassen. Alle diese, ebenso der vorübergehend anwesende
Kammergerichtsfiskal Dr. Emmerich, berichteten Öxl über alle, selbst die
unbedeutendsten Ereignisse, und ihre Briefe sind neben jenen Meels an den
Mainzischen Geheimsekretär Berninger die wichtigste Quelle für die Ge¬
schichte des Vikariatsstreites.
Nur. geringes Vertrauen schenkte Dr. Öxl dem österreichischen Ge¬
sandten Vol mar l88 ), ebenso den Brandenburgischen, Portmanu undHübener,
in deren Versicherungen, sie könnten sich für keine Partei entscheiden, er
mit Unrecht Zweifel setzte 189 ); Aldeuhofen scheint sein Misstrauen geteilt
zu haben 190 ). Begreiflich ist dasselbe immerhin, wenn man erwägt, dass die
brandeuburgische und pfälzische Politik gerade in der letzten Zeit vor dem
Tode des Kaisers stets die gleichen Wege wenigstens bei den Verhandlungen
des Deputationstages gegangen war 191 ). Entschiedene Anhänger des Pfalz¬
grafen waren jedoch in Frankfurt, von einigen ständischen Gesandten abge¬
sehen, nur Dr. Stengel, der Syndikus der Stadt, und Snoilski, der
schwedisch-pommerische Bevollmächtigte.
Zu ihnen gesellte sich bald nach Öxls Abreise schon Dr. Peil,
welcher in Frankfurt die „Insinuation“ vorzuuehmen hatte. Er war zunächst
an die Evaugelischen gewiesen, aber auch die Katholiken sollte er durch Hin¬
weis auf die (uotgedrungene) Friedfertigkeit des Pfalzgrafen, der auch kein
Feind der Katholischen wäre, sondern dieselben in seinen Landen wohl trak¬
tiere, zu gewinnen suchen; würde dies nichts fruchten, so sollte er mit der
schwedischen und französischen Bun des gen ossenschaft drohen; mit Snoilski
und Gravell sollte er sich in Verbindung setzen und ohne den ersteren
nichts Entscheidendes vornehmen 192 ). Thatsächlich scheint auch der Vikariats¬
streit vor Gravell gebracht worden zu sein 100 ), doch nirgends findet sich
der geringste Anhaltspunkt, dass derselbe zu gunsten einer der beiden Parteien
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
195
sich geäussert hätte. Wohl aber wurde eine solche Äusserung Snoilskis
sehr bald schon verbreitet, ebenso eine Auslassung Stengels, „er sei dabei
gewesen, und habe in seine Ohren hinein gehört, dass der verstorbene Kaiser
zu dem Kurfürsten Pfalzgrafen folgende formalia gemelt habe: Euer Liebden
Vorfahren sind Vicarii des Reichs gewesen, Euer Liebden sind es auch, und
ich will dieselben dabei manutenieren“ 194 ). Öxl spottete darüber, „es sei
wohl nicht üblich, dass Kaiser, wenn sie mit Kurfürsten des Reichs solch
wichtige Sachen redeten, städtische syndicos dazu nähmen“ 196 ). An der Stelle
aber, an der Stengels Worte gefallen waren, im Rat der Stadt, machten
dieselben Eindruck, und ihnen war es zuzuschreiben, dass am Römer und an
verschiedenen Thoren der Stadt, am Zeughaus u. s. w. die pfälzischen Patente
angeschlagen wurden 196 ). Gleichzeitig ging das Gerücht, es sei Absicht der
Protestanten, „Sachsen ob defectum investiturae Caesareae nicht ad vicariatum
kommen zu lassen, sondern neben Pfalz Kurbrandeuburg dasselbe als primo
in ordine zu übertragen, welche junctim Bayern wohl würden abhalten können,
zumalen Brandenburg schon in armis stehe und leicht mit Polen sich ver¬
gleichen könnte“ 197 ). Für den 20. April war ein „Ratsgang“ anberaumt, und
die Ratlosigkeit der Bayernfreunde, deren Führer (Aldenhofen) ohne jede
Instruktion für einen solchen Fall war, kannte keine Grenzen 198 ).
Da wurde in letzter Stunde der Ratsgang abgesagt: Volmar hatte
sich entschuldigt, dass er noch nicht mit Trauerkleidern versehen sei 199 ).
Die Anhänger Bayerns waren mit dem Schrecken davon gekommen. Ihre
nächste Sorge war, eine Fortsetzung der Verhandlungen bis zum Eintreffen
näherer Weisungen aus München zu verhindern, und Hettinger brach in
Eile nach Aschaffenburg zu Johann Philipp auf, um persönlich mit dem¬
selben darüber zu verhandeln 200 ). Ausserdem trug sich Aldenhofen mit
dem Gedanken, bei der Stadt wegen Affigierung der pfälzischen Patente Be¬
schwerde einzulegen, wovon ihm aber Volmar, Meel und Vorburg ab¬
rieten, umsomehr, als die bayerischen Patente noch immer nicht eingetroffen
waren 201 ). Volmar interpellierte aber wenigstens Stengel in dieser Ange¬
legenheit, der sich jedoch entschuldigte, „man habe es eben geschehen lassen
müssen“ 2 * 2 ). Im übrigen beschränkten sich die Freunde Bayerns darauf,
Öxls Wunsch zu erfüllen 208 ) und dafür zu sorgen, dass die Ratsgänge
eingestellt blieben; die Abreise verschiedener Gesandten und später die Nähe
des Pfingstfestes kamen ihren Bestrebungen in dieser Beziehung zu statten.
Nach Pfingsten kam Öxl wieder selbst nach Frankfurt Die Stadt
hatte inzwischen auch die bayerischen Patente neben den pfälzischen affigiert 204 );
der Rat beobachtete eben hier das gleiche Verfahren wie fast alle übrigen Reichs¬
städte. Öxl aber war damit nicht zufrieden; schon von München aus hatte
er in bezug auf die Haltung der Städter das Wort der Schrift gebraucht:
Qui mecum non colligit, dispergit 206 ). Sofort nach seiner Rückkehr nun ver¬
langte er, die Stadt solle die pfälzischen Patente abnehmen lassen; natürlich
wurde dem nicht willfahrt, im Gegenteil erklärten ihm mehrere Ratsherren,
dass sie sich in den Vikariatshandel überhaupt nicht einmischen wollten.
Öxl liess darauf die pfälzischen Patente selbst abreissen, dieselben wurden
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196
Karl Lory
aber stets wieder durch neue ersetzt 206 ). Die an sich unbedeutende Ange¬
legenheit scheint ihn über Gebühr aufgeregt zu haben: da bei diesem öfteren
Anschlägen und Abreissen nichts weiter herauskäme als Stossen, Reissen,
Schlagen und vielleicht noch gefährlichere Dinge, schrieb er am 12. Juni an
den Kurfürsten, so halte er sich zur Abreise fertig und werde seinen Kanzlisten
vorausschicken; der Kurfürst möge ihm eilig Geld zukommen lassen, „denn
wenn ich ohne Bezahlung der Schuld mich sollte hinwegbegeben wollen, ist
ohnschwer zu erachten, was es Ihr. Churfstl. Drchl. für einen respect machen
und was für ein affrouto ich darüber zu gewärtigen haben würde“. In
München freilich sah man in diesem Vorgehen Öxls. ein „bedenkliches
Anmassen“ 207 ), und statt der erbetenen Geldsendung dürfte eine entsprechende
Zurechtweisung nicht ausgeblieben sein; gewiss ist, dass Öxl Frankfurt
nicht verliess.
Inzwischen war die Frage der Verlängerung wieder brennend geworden.
Kur-Mainz 208 ), Österreich, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Hessen - Kassel
waren von Anfang an für dieselbe, auch von Trier erwartete man, „es werde
sich nicht separieren“ 209 ). Der Antrag auf Verlängerung ging von Kur¬
sachsen aus. Am 19. Juni kamen die Katholischen bei den Karmelitern
zusammen und beschlossen, diesen Antrag zu unterstützen 210 ); bayerischer-
seits hatte man zur Bedingung gemacht, dass die kaiserlichen Kommissäre
durch solche der Reichsvikare ersetzt werden müssten, widrigenfalls, erklärte
Öxl, sei er instruiert, „auf die Suspension zu votieren“; Vor bürg und
Meel waren angewiesen worden, sich nach Bayern und Sachsen, die beide
sich mitsammen verglichen hatten, zu richten, und so drang Öxle durch 211 ).
Am 20. dann geschah die sächsische Proposition, und ist „darauf in beiden
collegiis beschlossen worden, dass diese ordinari-Deputation in statu quo und
circa illas materias continuiren solle, welche in dem letzten Reichsabschied
zu Regensburg dahin verwiesen worden“ 212 ).
Meel fürchtete von der Ersetzung der kaiserlichen Kommissäre durch
die der Reichsvikare einen Machtaufschwung der letzteren, welcher dem Erz¬
kanzler einmal gefährlich werden könnte 218 ). Doch tröstete er sich, „die
inconvenientien, die daraus zu besorgen, würden verhoffentlich wohl können
praeconirt werden“ 214 ). Seine Besorgnisse aber waren umsonst, es kam nie
zur Aufstellung solcher Kommissäre. Gleich in den ersten Sitzungen — am
20. und 22. Juni — ergaben sich endlose Schwierigkeiten, ob die Kommissäre
ständig anwesend sein, oder ob „die Herren Reichsvikare erst eveniente casu
desideratae executionis vel interpositionis um Administrierung der officia be¬
langt“ werden sollten; der kurpfälzische Gesandte nahm daraus Veranlassung,
sich höchlichst zu beklagen, die fürstlichen Deputierten antworteten, sie hätten
niemand in specie geuannt, schon bestand Gefahr, man würde zum Schluss
weiter auseinander kommen als man anfangs gewesen, bis man sich endlich
entschloss, „eins ums andere ad referendum zu nehmen und von seinen
gnädigsten und gnädigen principalen weitere specialinstruction zu erwarten“ —
damit war die Angelegenheit der Vikariatskomraissäre auf dem Deputatious-
tage aller Wahrscheinlichkeit nach begraben 216 ).
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites,
197
g) Wirren in Speier und beim Reichskammergerichte.
Am 13. April hatte Ferdinand Maria dem Reichskammergericht
die Übernahme des Reichs vikariats au gezeigt 316 ) und gleichzeitig um Ver-
haltungsmassregeln an Freiherrn Karl August von Leibifing, den dem
bayerischen Hofe wohlgesinnten Kämmerer des Speierer Bischofs, sich ge¬
wandt 211 ). Johann Georg von Sachsen teilte dem Gericht neben der Noti¬
fikation der Vikariatsübernahme am 6./16. April mit, dass er sich mit
Ferdinand Maria wegen des Insiegels vergleichen werde 318 ). Zuletzt, vom
14./24. datiert, traf auch von Karl Ludwig eine ausführliche Begründung
seines Rechtes nebst Konfirmation des Gerichtes und Mitteilung eines
zu gebrauchenden Titels ein 319 ), nachdem schon zuvor jener Minorit,
welcher beim Bischof die Insinuation vorzunehmen hatte, ohne einen Erfolg
auch beim Kammergericht bemüht gewesen war 220 ).
Ehe er weggegangen, hatte er das Erscheinen zweier weiterer pfälzischer
Gesandten in Aussicht gestellt. Sofort beeilte sich der Kammergerichtsfiskal
Dr. Emmerich, den wir bereits als Freund der bayerischen Sache kennen,
bei den Katholischen zu „unterbauen“, und mit ihrer Hilfe gelang es, dass
am 10./20. April das Kammergericht an Ferdinand Maria 931 ) und an
Johann Georg 222 ) ein Dankschreiben richtete und darin die Benützung des
in Aussicht gestellten Insiegels versprach 328 ). Gleichzeitig beeilte sich die
bayerische Partei in Speier, Ferdinand Maria die gewünschten Ratschläge
zukommen zu lassen: Leibifing berichtete, die Vikariatssiegel seien früher
durch die Reichsverweser dem Erzkanzler zugestellt worden, welcher sie daun
an den Kanzlei Verwalter gelangen liess, die Prozesse seien „unangesehen der
in aurea bulla vorgesehenen Abtheilung und einen jeden aus den Herren Vicariis
zugelegten Landen communi utriusque nomine sigillo ausgefertigt worden“ 334 );
der Bischof selbst liess in den vorhandenen Akten nachschlagen und durch
Leibifing mitteilen, man habe sich 1612 vor allem daran gestossen, dass
die Reichsverweser den Titel „Vikariatskammergericht“ gebrauchten 32 B ),
Dr. Emmerich schrieb sogar, Ferdinand Maria möge selbst schleunigst nach
Speier kommen 236 ). Diesen Wunsch erfüllte ihm der Kurfürst allerdings nicht,
ein neues Schreiben aus München vom 25. April aber bestätigte das Kammer¬
gericht in seinem vollen Umfang, stellte den Schutz des Reichsvikars in Aus¬
sicht und berichtete von den mit Sachsen wegen des Siegels unternommenen
Schritten, der anstössige Titel „Vikariatskammergericht“ aber war sorgfältig
vermieden und wurde überhaupt während des ganzen Interregnums nicht gehört.
Ende April traf einer der in Aussicht gestellten pfälzischen Gesandten,
Vizekanzler Mieg, in Speier ein, er nahm die „Insinuation“ der Patente beim
Gericht vor und „prätendierte bei solchem actus die erste Stelle“ 237 ), fand aber
damit wenig Anklang: „per deputatos assessores“ wurde ihm vorgehalten, man
habe beim Kammergericht selbst über das Reichsvikariat keine andere Nach¬
richt, „als dass bei vacatur des Reiches Kurpfalz und Kursachsen ein gemein¬
sames sigillum zu verfertigen (darauf ausser dem Reichsadler der Reichsapfel
und die zwei Schwerter gestochen) und dieses sigillum Kurmainz zukommen
Bayer. Forschungen, VII, 3. 14
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Karl Lory
zu lassen pflegten; dieses schicke sie dann zur Benutzung au das Kammergericht;
jedoch und weil vermöge des Friedensschlusses das hiebevorige kurpfälzische
insiegel des Reichsapfels auf Kurbayern transferiret wäre, so könnte das
Kammergericht nicht anders als bei dieser uralten obseruanz zu inhaeriren
um des vermeldten sigilli zu erwarten, könnten also dem kurpfälzischen An¬
suchen nicht statt geben“ 228 ). Am 18. Mai erhielt der Kanzlei Verwalter
Lauterburg die sächsisch - bayerischen Siegel — das Kammergericht war
für Karl Ludwig verloren.
Seit dem 16. April waren dort keine Urteile mehr ausgefertigt worden 229 );
der Kurfürst von Mainz hatte Lauterburg aufgefordert, die alten kaiser¬
lichen Siegel nach Mainz zu bringen, für den Fall aber, dass sich jemand
„während des Interregnums bei der Kanzlei einige direction unterm Schein
des Vikariats anmassen wollte“, als Erzkanzler des Reiches demselben be¬
fohlen, darauf nicht zu achten, sondern lediglich seinen, des Kurfürsten, An¬
ordnungen nachzukommen 230 ). Lauterburg aber zögerte, denn der Fiskal,
welcher für den Fall seiner Abwesenheit den pfälzischen Einfluss bei den
übrigen Kanzleibediensteten fürchtete, hatte ihn ängstlich gemacht 281 ), und trotz
erneuten Befehles 282 ) brach er erst nach Mainz auf, als von dort die offizielle
Mitteilung von der Ankunft der Vikariatssiegel 2 8 3 ) eingetroffen war 234 ); am
18. kam er nach Mainz und lieferte morgens zwischen 8 und 9 Uhr die alten
Siegel an Johann Philipp ab 285 ), der Kurfürst Hess dieselben in sein
Zimmer bringen und in Anwesenheit mehrerer Zeugen, darunter Boineburg,
Vor bürg, Blum, durch den Hofschlosser zerschlagen, und die Stücke dem
Kanzlei Verwalter nebst den neuen Vikariatssiegelu 280 ) wieder zustellen 287 ).
Am gleichen Tage noch teilte Johann Philipp den Reichsvikaren die Über¬
antwortung ihres Siegels mit 258 ), und zwei Tage darauf schrieb Lauterburg
an Adlzreiter, er sei eben beschäftigt, Prozesse mit demselben auszufertigen 239 ).
Karl Ludwig, schon dadurch, dass man seinen Gesandten beim
Gericht überhaupt nicht vorgelassen hatte, aufs höchste erbittert, antwortete
alsbald mit Drohungen und endlich sogar mit Gewalt auf die Annahme der
bayerisch-sächsischen Siegel. Ja schon vorher hatte er sich in diesem Sinne
ausgelassen. Anfang Mai war der badische Hofjunker Herr von Plitters¬
dorf nach Heidelberg gekommen; ihm gegenüber hatte der Pfalzgraf ge-
äussert, wegen der paar Monate sei es gar nicht der Mühe wert, dass Bayern
sich in eine so gefährliche Sache einlasse, er für seinen Teil strebe mit Hand
und Fuss nach Erwählung eines neuen Kaisers, der Vikariatsstreit aber „müsse
von den Kronen Schweden und Frankreich als den executores pacis aus¬
getragen werden“; was aber speziell das Kammergericht betreffe, meinte er
lächelnd, so könne er sich „über dessen sauberes Procedere“ nicht genugsam
verwundern; „es derffen aber diese gewaltige Herrn villeicht mit der Zeit
noch wohl mores lernen müssen“ 240 ). Den besten Bundesgenossen gegen das
Gericht aber fand Karl Ludwig in den Bürgern von Speier, welche anfangs
versteckt und bald schon offen gegen den Kurfürsten von Bayern Partei nahmen.
Als Lauterburg mit den neuen Siegeln in die Stadt kam, hatten die
Unruhen schon eine bedenkliche Höhe srreicht.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 199
Am 19. April waren die bayerischen Patente angeschlagen worden ;
zwei Tage darauf hatte Dr. Peil feierlichen Protest erhoben 241 ) und die
pfälzischen affigiert; in der Nacht vom 27. aber wurden sie mit Kot be¬
schmutzt, und der Rat der Stadt nahm daraus die Veranlassung, bei Karl
Ludwig die Unschuld der Stadt zu beteuern 842 ). Am 3. Mai kam Berchem
in die Stadt; da der Rat sich zwei Tage Bedenkzeit erbat, um in Heidelberg
anzufragen, nahm er seiner Instruktion gemäss, von Leibifing an dieselbe
erinnert, die Affigierung persönlich vor und reiste wieder ab 248 ). Sofort sandte
der Pfalzgraf, von der Stadt unter dem angegebenen Vorwand benachrichtigt,
die Weisung nach Speier, die Patente wieder abzunehmen oder wenigstens
seinen Leuten solches zu gestatten, widrigenfalls er gegen die Stadt das vor¬
nehmen werde, wozu ihn seine Stellung als Reichsvikar bevollmächtige.
„Worüber gleich alsbald zu Rat angesagt und inmittels zwei kurpfälzische
Karabiner nächst dem Rathaus bis ungefähr 5 Uhr sich aufgehalten. Welche,
nachdem sie der Stadt notarium Schiller mit zwei Zeugen aus den Ratstuben
herausgehen sehen, sich alsobald zu dem Kaufhaus verfügt, und in Beisein
ziemlicher Anzahl Volks die kurbayerische Patenter teils mit den Händen,
teils aber mit zu diesem Ende bei sich gehabten langen Messern mit höchstem
Schimpf herabgerissen, mit Vermelden, Kurpfalz hätt’ sich bereits des Vikariats
unterfangen, derentwillen gehörige Anstalt gemacht, und zu männiglich besserer
N achricht sogar Vikariatsmünzen schlagen lassen, habe man daher eines andern
Vikars weiter nicht uöthig. Mit welchem sie auch nicht zufrieden, sondern
gleich hernach in Beisein des notarii und testium, so beiden actibus beigewohnt,
sogar instrumenta hierüber auf gerichtet, zu dem Rathaus sich verfügt, und
gleichermassen das andere kurbayerische Patent in Beiwesenheit mehreren
Volkes als zuvor mit grossem Gewalt und sondern Fleiss dergestalten heraus¬
geschnitten, dass nichts als die äussersten Enden und zwar, mit unterthänigstem
respect zu vermelden, in forma patibuli vorhanden“ 244 ).
Gegenseitiges Abreisseu der Patente war nun ja auch in anderen Reichs¬
städten etwas ganz Gewöhnliches, nur verhielt sich in denselben die Bürger¬
schaft wenigstens nach aussenhin, wie wir gesehen haben, fast durchweg
neutral. Auch in Speier schien man anfangs keine Ausnahme machen zu
wollen; wenn wir Leibifing glauben dürfen, konnten auch protestantische
Bürger über diesen Kurbayern angethanen Schimpf sich „nicht genugsam
verwundern“, und der Rat blieb bis 7 Uhr abends beisammen, nachdem die
Kurpfälzischen schon längst die Stadt hinter sich hatten. Vielleicht war es
aber vor allem die Furcht vor der Rache Ferdinand Marias, welche da
uud dort Kopfschütteln und Missbilligung hervorgerufen haben mag 346 ). Als
sich die Stadt später den Rücken durch Karl Ludwig gedeckt glaubte,
kamen solche Äusserungen nicht mehr vor, immer mehr uud mehr gewann
die pfälzische Sache an Boden und immer kecker gleichzeitig traten die
Städter gegen das ihnen schon längst unbequeme Kammergericht und gegen
die gehassten Bischöflichen auf. — Speier beweist, dass auch in anderen prote¬
stantischen Reichsstädten es an Sympathien für Karl Ludwig nicht gefehlt
haben mag, dass deren unentschiedene Haltung nur eine unfreiwillige war
14*
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Karl Lory
und nur der Furcht vor Bayern entsprang, da man hier jener Sicherheit ent¬
behrte, welche die unmittelbare Nähe Karl Ludwigs den Speierern
verlieh. —
Leiblfing wollte in den nächsten Tagen die schimpflichen Reste
entfernen, wenn möglich auch die pfälzischen Patente abreissen, wurde aber
vor der Wachsamkeit der Parteigänger des Pfalzgrafen gewarnt und, ängstlich
wie er war, unterliess er es daher, um so lieber, wie er an Ferdinand
Maria schreibt, als derselbe jetzt nicht mehr zögern werde, energisch gegen
die Stadt vorzugehen. Wie schon angedeutet, war ja nicht nur die Freund¬
schaft des Mainzers, sondern auch jene des Bischofs von Speier (und Worms)
für Ferdinand Maria durchaus nicht eine gänzlich uneigennützige; als
bald der Wildfangstreit wieder heftiger denn je entbrannte, erwartete man
von Kurbayern Unterstützung, und für den Augenblick erhoffte Leibifing
von einem thatkräftigen Einschreiten Ferdinand Marias wenigstens eine
Stärkung des bischöflichen Ansehens und der bischöflichen Macht gegenüber
den Städtern 246 ).
In München war man aber nur zu einer leeren Demonstration ent¬
schlossen: ein Hofbedienter, Sayler mit Namen, wurde beauftragt, eiligst
per Post nach Speier zu reisen, dort zuerst den Rat der bewährten Freunde
Bayerns einzuholen, hierauf, nachdem er die Gewänder eines „Reichsvikariats-
herolds“ angelegt, bei den Stadtvätern sich einzufinden und ihnen ein Schreiben
zu präsentieren, in welchem, falls die pfälzischen Patente nicht abgenommen
würden, in nicht misszu verstehen der Weise mit der Reichsacht gedroht
wurde 247 ). Lei bl fing wurde von dem Eintreffen Saylers in Kenntnis
gesetzt. Allein letzterer mag München kaum verlassen haben, als ein Brief
eiulief, welcher keinen Zweifel darüber liess, dass Leibifing plötzlich sehr
kleinlaut geworden war. Sein Rat ging dahin, Sayler solle sich in der Stadt
womöglich überhaupt erst dann blicken lassen, wenn beim Kammergericht
„die insinuatio ratione sigilli“ vollzogen sei; mit der Reichsacht zu drohen,
schien ihm überdies sehr bedenklich, da Speier sich an andere Reichsstädte
wenden und ihnen das Schicksal Donauwörths Vorhalten könne 248 ). Schon
ein früherer Brief des Freiherrn hatte in München gezeigt, dass ein Umschwung
in der Stimmung der Bürgerschaft eingetreten war. Der Kammerrichter hatte
den Stadtsyndikus wegen des Abschneidens der bayerischen Patente zur Rede
gestellt 249 ) und dabei die ganze Schadenfreude der Protestanten über den der
Vormacht des Katholizismus in Deutschland widerfahrenen Schimpf kennen
gelernt. „Sie fühlen sich sicher in der Überzeugung, dass niemand ihnen
etwas anhaben könne“— das war das Urteil Lei blf in gs 25 °).
Und dieses Gefühl der Sicherheit war nur allzusehr begründet: Karl
Ludwig hatte seine Wachen bis fast vor die Thore der Stadt vorgeschoben;
und in den allernächsten Tagen schon begann der Jahrmarkt, bei welcher
Gelegenheit der Pfalzgraf als Schutzherr der Stadt eine Anzahl Volkes herüber¬
zuschicken pflegte 261 ), während gleichzeitig geflissentlich das Gerücht ver¬
breitet wurde, Sachsen habe sich von Bayern nunmehr wieder getrennt 262 ).
Die Stadt war auf diese Weise überhaupt nicht imstande, die pfälzischen
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
201
Patente abzunehmen, ohne sich von Seiten Karl Ludwigs Widerwärtigkeiten
auszusetzen 258 ), ihren guten Willen, an dem aber billig zu zweifeln ist, vor¬
ausgesetzt Als nun Sayler am 13. Mai in Speier eintraf, gab er auf den
Rat Leiblfings, der mit Emmerich „bis in die vierte Stunde der Nacht“
über die Angelegenheit konferierte, sein Schreiben an Rat und Bürgermeister
überhaupt nicht ab 254 ) und entfernte sich aus der Stadt 265 ), um in dem fünf
Stunden entfernten Bruchsal auf weitere Instruktionen Leiblfings zu
warten 25fl ). Der Kurfürst erklärte sich nachträglich mit allem einverstanden 267 ).
Samstag den 19. erst entledigte sich Sayler — in Beisein des pfälzischen
Vizekanzlers Mi eg — seines Auftrages und reiste dann sofort wieder nach
München zurück 258 ).
Am folgenden Tag — Pfingstsonntag war es — Hess die Stadt abends
5 Uhr abermals pfälzische „Karabiner“ in Uniform beim Rheinthore ein,
dieselben rissen die von Sayler neu affigierten Patente ab und schlugen die
pfälzischen an; ein angesehener Bürger führte sie selbst zum Kaufhaus, viele
„Hessen sich mit grossem Frohlocken vernehmen“, nun könne man sehen, wer
von beiden Reichsvikar wäre, weil Kurpfalz sich solches nicht erlauben würde,
wenn es nicht das Recht auf seiner Seite hätte, im Rathaus aber beriet man
sich, wie einer abermaligen Verunreinigung der pfälzischen Patente vorzubeugen
wäre 268 ). Die Drohung mit der Acht erwies sich als völlig verfehlt: dieselbe
'machte auf die Städter so gut wie keinen Eindruck; die Acht könne, sagten
sie, ohne Zustimmung aller Reichsstände überhaupt nicht verhängt werden,
auch hatten sie Ausreden in Fülle, B er ehern hätte warten können, Sayler
habe sich unanständig genug benommen u. s. w., und wenn Ferdinand
Maria etwas erreicht hatte, so war es nur das, dass er die Opposition der
Städter gegen sich verstärkt hatte 200 ). Leiblfings Rat ging nun dahin,
mit Mainz und Sachsen sich ins Benehmen zu setzen und eventuell mit diesen ge¬
meinsam vorzugehen 261 ).
Ferdinand Maria schien nun in der That ernstlich entschlossen,
ein Exempel zu statuieren, wollte aber nichts ohne den Rat und das Vor¬
wissen Johann Philipps ausführen 262 ). Ehe es aber zu einem solchen
Schritte kam, ehe überhaupt aus Mainz eine Antwort eintraf, erreichten ihn
schon neue bedrohliche Nachrichten aus Speier und die Kunde von neuen
Unternehmungen seines Gegners, der auch das Kammergericht keinen Moment
aus den Augen Hess. Vier Tage, nachdem das sächsisch-bayerische Insiegel
innerhalb der Mauern Speiers eingelangt war, erschien ein neues Patent Karl
Ludwigs, in welchem er gegen die Ausfertigung der Kammergerichtsprozesse
unter diesem Siegel protestierte und die Stände des Reiches aufforderte, allen
auf diese Weise ausgefertigten Erkenntnissen keinen Gehorsam entgegenzu¬
bringen, widrigenfalls er sein Recht zu wahren wissen w r erde 268 ). Die Fürsten
des schwäbischen Kreises, denen dasselbe zugegangen war, versammelten sich
am 1. Juni zu Baden, um darüber zu beraten; sie kamen zu der Ansicht, dass
sie es den Ihrigen nicht verwehren könnten, ihr Recht beim Kammergerichte
zu suchen 264 ). Auch Johann Georg von Sachsen antwortete dem Pfalz¬
grafen abwehrend und mit Betonung der Rechte Bayerns 265 ). Um so grösser
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Karl Lory
aber war der Eindruck, den ein Schreiben Karl Ludwigs vom 13./23. Mai
beim Kammergerichte selbst hervorbrachte.
Dasselbe war eigentlich nur eine Wiederholung dessen, was schon in
dem Patente vom Tag zuvor verkündet worden war 266 ). In Speier aber war
man überzeugt, Karl Ludwig werde mit seinen Drohungen Ernst machen.
„Er muss einen heimlichen Rücken haben, sonsten dergleichen er sich insoweit
dessen nicht unterfangen würde“, schrieb Emmerich an Dr. Öxl 267 ), und
Lauterburg beschloss, „in Gottes Namen in Speier zu bleiben, statt den
ihm vom Arzt angeordneten Sauerbrunn aufzusuchen“, denn er war überzeugt,
seine Anwesenheit werde in Bälde nötig sein 268 ). Das Kammergericht aber
wandte sich an den Erzkanzler mit der Frage, was es gegenüber den pfälzischen
Drohungen beginnen solle 269 ).
Kur-Mainz beeilte sich, für das Recht Ferdinand Marias einzutreten:
Dr. Oppenheimer wurde abgeordnet, um mit dem Fiskal wegen Versicherung
des Gerichtes sich zu beraten 270 ), Lau terbu rg wurde dringend aufgefordert,
der Vikariatssiegel stets sich zu bedienen 271 ), vor allem aber erhielt das
Gericht, d. h. der Präsident und die Assessoren, eine energische Vermahnung,
ihre Pflicht in „Administrierung der Justiz“ zu thun; ohne Siegel könne kein
Prozess expediert werden 272 ). Am 1. Juni wurde das Schreiben des Erz¬
kanzlers verlesen; es wurde beschlossen, sich nach demselben zu richten,
dagegen lehnte die Majorität es ab, die Angelegenheit wegen der „pfälzischen
Bedrohung“ vor die Reichsvikare zu bringen; Leibifing riet daher, die
letzteren sollten selbst eine Abordnung oder wenigstens ein Schreiben an das
Kammergericht gelangen lassen 278 ). Der gleiche Rat kam aus Mainz 274 ),
und Öxl berichtete eine Äusserung Emmerichs, dass sich nämlich die
Katholiken am Kammergericht über Kurbayerns langsames procedere nicht
genugsam wundern könnten 275 ).
Nur der Umstand, dass die Frage der Kaiserwahl damals den Kur¬
fürsten hauptsächlich in Anspruch nahm, lässt es wenigstens teilweise erklärlich
erscheinen, dass Ferdinand Maria allen diesen Vorstellungen gegenüber,
und obwohl alsbald noch schlimmere Nachrichten einliefen, so gut wie gar
nichts that. Die Protestanten beim Kammergericht sannen auf Mittel, trotz
der Verwarnung des Erzkanzlers die Siegelung zu umgehen 276 ), Notariats-
instruraente wurden im Namen von Pfalz und Sachsen als Reichsvikaren auf¬
gerichtet, evangelische Prokuratoren unterstanden sich sogar am 5. Juni,
Braunschweig neben dem Kammergericht drei Reichsvikare als Richter vor¬
zuschlagen 917 ). Die Stadt schien für einen Augenblick allerdings Ruhe halten
zu wollen, die Befürchtungen, sie werde eine pfälzische Garnison einnehmen
und dem Bischof, welcher auf kurze Zeit verreist war, die Thore sperren 278 ),
erwiesen sich als unbegründet; der Rat machte dem Kammerrichter sogar
Mitteilung, einer der Hauptanstifter der letzten Unruhen sei in den Turm
gelegt worden 279 ); aber Leibifing, der dem Frieden nicht traute, — „diese
Leute wollen immerdar engelrein sein und vermeinen, dass mit ihren falschen
Worten alles ausgerichtet sei“, schrieb er 280 ) — sollte Recht bekommen: am
Johannistage (24. Juni) kam es gelegentlich eines Johannisfeuers zu neuen
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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argen Unruhen, wobei sich die Städter sogar an Mitgliedern des Kammer¬
gerichts vergriffen 28 *). Ferdinand Maria aber that allen diesen Wirren
gegenüber nur wenig: am 15. Juni erging ein Gesamtschreiben der beiden
Reichsvikare an das Kammergericht wegen der von verschiedenen Anwälten
ins Werk gesetzten Ausfertigung der Notariatsinstrumente in dreier Vikare
Namen 282 ), und am 13,23. Juli ein solches gegen die Stadt, worin ihr mit
der Acht gedroht wurde 983 ), obwohl dieses Mittel schon das erste Mal nicht
verfangen hatte und obwohl Emmerichs Rat gewesen war, „consulem und
syndicum beim Kopf zu nehmen“ 284 ).
Kein Wunder, wenn Emmerich schon am 30. Juli wieder dringend
bat, das Gericht in Schutz zu nehmen, da dasselbe „a ciuitate nescio quo
temerario ausu hoc tempore interregni mehr als je und fast täglich angefochten
werde“ 285 ). Und überdies machte Karl Ludwig jetzt Ernst mit Ausführung
seiner Drohungen: am 29. Juni und neuerdings am 3. Juli 280 ) erliess er
scharfe Befehle, die Kammerboten, wo immer solche getroffen würden, anzu¬
halten, ihnen die Prozesse, die sie bei sich hatten, abzunehmen und dieselben
zum Zweck der Vernichtung nach Heidelberg zu senden. Bald wird von
Angriffen auf die Boten nicht allein, sondern sogar von Behelligung des
Kammergerichtspräsideuten von pfälzischer Seite zu berichten sein.
Speier und das Reichskammergericht waren die beiden ersten Nieder¬
lagen Ferdinand Marias.
II.
Vom Zusammentritte des Wahltages bis zum Beginne der
Regensburger Verhandlungen.
a) Vom Beginne der Wahlhandlung bis zur Tintenfassszeue.
Immer kecker wurde das Auftreten der pfälzischen Partei gegenüber
dem Reichskammergericht, welches — von einzelnen Schwankungen unter
den evangelischen Mitgliedern desselben abgesehen — im ganzen und grossen
treu zur Sache Ferdinand Marias hielt: es war, als habe die ganze
Heftigkeit des Streites auf diesen einen Punkt sich konzentriert, nachdem er
für die weiten Kreise des Reiches schon längst an Interesse verloren und die
wichtigere Frage der Kaiserwahl in den Vordergrund getreten war.
Die beiden Prätendenten selber beharrten allerdings nach wie vor mit
derselben kleinlichen Hartnäckigkeit auf der Erteilung des beanspruchten
Titels: umsonst hatte Heilbronn an Karl Ludwig sich gewandt, es möge
mit cter „reaffixion“ der pfälzischen Patente verschont bleiben 287 ); und um ein
bayerisches Gegenstück nicht zu vergessen, sei erwähnt, dass Ferdinand
Maria sich beim spanischen Gesandten wegen Auslassung des Vikarstitels
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Karl Lory
beklagte 288 ) und daraufhin auch in der That — damals ja schon längst
Bundesgenosse der Habsburger — ein äusserst zuvorkommendes Entschuldigungs¬
schreiben erhielt 289 ). Kündigte sich ja doch nunmehr überhaupt allmählich
eine festere Stellungnahme auch der Mächte gegenüber dem Vikariatsstreit an,
wie z. B. Karl Gustav von Schweden nunmehr den Pfalzgrafen rückhaltlos
als Reichsvikar titulierte 290 ). Wenn hier kein Zweifel sein kann und das
spätere Verhalten Schwedens auch beweist, dass in Stockholm das bayerische
Reichsvikariat nicht eben auf Sympathien rechnen konnte, so ist es doch
immerhin möglich, dass schon damals der Gedanke an drei Reichsvikare
dortselbst ins Auge gefasst war, wie es auf diese Weise sich auch erklärt,
dass Johann Kasimir von Polen Karl Ludwig ebenfalls den Vikarstitel
erteilte 291 ), nachdem er, wie wir sahen, auch auf das Notifikationsschreiben
Ferdinand Marias geantwortet hatte.
Innerhalb des Reiches freilich mag vereinzelt wenigstens eine Bayern
weniger günstige Stimmung allmählich Platz gegriffen haben 292 ), weniger aber
vielleicht, wie Pufendorf meint, bei den Fürsten, als vielmehr bei den
Städten. In Worms z. B. scheint man sich nachträglich für Karl Ludwig
entschieden zu haben 298 ).
Gewiss war dies hier einerseits durch die Nähe Heidelbergs, anderseits
durch die Nachbarschaft Speiers verursacht. Denn in letzterer Stadt kümmerte
man sich so wenig um die Schreiben der Reichsvikare zum Schutz des Ge¬
richtes, dass die Assessoren entschlossen waren, an dieselben mit der Bitte
um Transferierung sich zu wenden; „man würde beim Kammergericht nichts
lieber sehen, als endlich von diesen gefährlichen Leuten befreit zu werden“ 294 ).
Zudem machte Karl Ludwig nunmehr Ernst mit seinen Drohungen. Am
22. August langte in Bretten der Hausrat des Grafen Fu gger-Kir chberg-
Weissenhorn an, welcher als Kammergerichtspräsident nach Speier über¬
siedelte; trotz eines Freipasses der Reichsvikare 29ö ) wurden die Fuhrleute zur
Erlegung des Zolls gezwungen, das Original des Passes aber wurde zurück¬
behalten 296 ). Im Oktober und November endlich begann vonseiten der
pfälzischen Ämter eine allgemeine Jagd auf die Kammer gerichtsboten, nachdem
am 18. Oktober eine energische Mahnung in dieser Hinsicht nach Neustadt,
Alzey, Germersheim, Bacharach und Heidelberg ergangen war 297 ). Selbst aus
dem Frühjahr 1658 ist uns noch wiederholt Kunde von solchen pfälzischen
Handstreichen erhalten; am i./ii. März beschwerte sich Karl Ludwig,
nachdem zu Friedelsheim und Mannheim den Gerichtsboten die Prozesse ab¬
genommen worden waren, es seien ihm Akten zu Gesicht gekommen, bei
denen der rechtmässige Titel und das rechtmässige Siegel nicht gebraucht
w r orden, wodurch ihm ein „unleid entlieh er Eingriff“ geschehen; er sei daher
verursacht worden, die betreffenden Stücke durch den Präsidenten seines
Vikariatsgerichtes in pleno consessu und vor jedermanns Augen coram Notario
et testibus zerreisseu und annullieren zu lassen, und lebe der zuversichtlichen
Hoffnung, man werde ihm solches nicht vermerken, sondern auch diesen seinen
Gegen-actum beim Archiv registrieren und verwahren lassen; das Kammer¬
gericht bat darauf am 2. April den Erzkanzler, „das Archiv in bessere securitet
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
205
zu nehmen“ 298 ). Allmählich aber löste sich der Kampf um das Gericht
völlig in einen papiernen Streit auf, nachdem von seiten Ferdinand Marias
derselbe schon längst nicht anders geführt wurde: im Oktober ersuchten die
Reichsvikare den Erzbischof von Mainz, einige Räte zur Untersuchung der
Unruhen am Johannistag und der sonstigen Gewaltthätigkeiten der Stadt
gegenüber dem Gericht nach Speier zu senden 299 ); im Dezember benachrichtigte
Johann Philipp dieselben von den Attentaten auf die Gerichtsboten 300 ),
worauf Ferdinand Maria am 24. Februar 1658 das Gericht aufforderte,
sich in Ausübung der Justiz nicht beirren zu lassen 801 ), am 11. April ein
feierliches Patent gegen die pfälzischen Übergriffe ausgehen liess 302 ) und
den kaiserlichen Notar Lubertus Han, der in Heidelberg bei Zerreissung
der Gerichtsakten anwesend w r ar und überdies in Speier aufs neue die bayerischen
Patente abgerissen hatte, feierlich vor sein Gericht lud 803 ). Karl Ludwig
antwortete am 17./27. April dadurch, dass er dem Kanzlei Verwalter und den
übrigen Kanzlei verwandten den Gebrauch des bayerischen Vikariatssiegels bei
einer Strafe von 30 Mark lötigen Silbers verbot 304 ) und am 23. April (3. Mai)
dem letzten bayerischen Patent ein pfälzisches entgegensetzte 306 ). Als aber
von München aus eine neue Sendung von Edikten, Patenten und Zitationen
ins Werk gesetzt wurde, als abermals ein Bediensteter 806 ) nach Speier abgesandt
werden sollte und eine neue Haupt- und Staatsaktion mit Notar und Zeugen
geplant war, da zeigte sich, dass man dort auch auf seiten der Anhänger
Ferdinand Marias der fortwährenden Unruhen müde war, und Leibifing
riet dem Kurfürsten allen Ernstes, Sommerer könne sich ja seines Auftrages
anderswo, z. B. in Worms, entledigen — derselbe scheint auch in der That
unverrichteter Dinge wieder abgezogen zu sein 807 ).
Das Hauptinteresse des Reiches galt ja damals eben schon längst nicht
mehr dem Vikariatsstreit, sondern der Kaiserwahl. Im Laufe des August waren
die Wähler und Wahlgesandtschaften in Frankfurt eingetroffen, und „hierauf
nun fing sich das Spiel an: denn die Stadt Frankfurt“, wie das Theatrum Europaeum
treffend sagt, „war für diesmal gleichsam wie ein Theatrum, oder Schauburg,
worauf ganz Europa sein Interesse oder Angelegenheit abhandelte“ 808 ). Bei
diesem Spiel aber war auch der Vikariatsstreit von nicht untergeordneter
Bedeutung. Man muss den Ernst kennen, mit welchem fort und fort die
beiderseitigen Ansprüche beim Reichskammergericht z. B. verfochten wurden,
um die Aussichten der französischen Gesandten, welche von Bayern um den
Preis der Kaiserwürde einen Verzicht auf das Vikariat erwarteten 809 ), in ihrem
ganzen Unwert zu würdigen, wie es anderseits überhaupt gewiss ein eigenartiges
Licht auf den Charakter jener Zeit wirft, dass der eine der beiden Konkurrenten,
die sich nunmehr fast ein halbes Jahr laug aufs bitterste und oft in beschimpfender
Weise bekämpften, dem andern seine Stimme zur Kaiserkrone geben sollte!
Die französischen Gesandten hatten bei ihrem Besuche in Oppenheim
Karl Ludwig die Erklärung gegeben, „dass es Se. Maj. billige, wenn der
Pfalzgraf die schwebende Angelegenheit mit Bayern auf eine für ihn möglichst
vorteilhafte Weise ordne“ 310 ). Nach ihnen war Wilhelm von Fürsten-
berg nach Heidelberg gegangen, um dort eine Verständigung mit Kurbayern
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206
Karl Lory
an zubahnen 8,1 ). Karl Ludwig war auch wahrscheinlich in der That ent¬
schlossen, um den Preis des Vikariats, zu welchem er mit Hilfe der Mächte
und der Kurfürsten zu gelangen hoffen mochte, Bayern seine Stimme zu
geben: zu Bacharach verhandelten pfälzische und Trierer Kavaliere, ob Trier
Kurpfalz den Vikarstitel geben wolle: von ersterer Seite aber wurde erklärt,
Trier wolle sich in den Streit überhaupt nicht einmischen 812 ). Aber ohne
bestimmte Aussicht auf Erlangung des Vikariats dachte Karl Ludwig
zweifelsohne keinen Augenblick daran, Ferdinand Maria seine Stimme zu
geben, trotz aller Hoffnungen der französischen Gesandten nach ihrer Rückkehr
von Oppenheim war die pfälzische Stimme dem Habsburger so gut wie sicher,
seit sich zeigte, dass Pfalz auf Unterstützung der Kurfürsten in Sachen der
Reichsverweserschaft nicht rechnen dürfe. Und diese Gewissheit ergab sich
für Karl Ludwig, mehr noch wie in Bacharach, in Frankfurt selbst
Am 24. August bereits hatte sich Öxl bei den Kur-Trierischen Ge¬
sandten beschwert, dass „der Chur-Pfältzische seinen Gewalt sub nomine des
Reichs-Vicarii eingegeben“; er begehrte, Mainz, Trier und Köln sollten das
betr. Vollmachtsschreiben dem Pfälzer „extradiren“ und ihn zur Einsendung
eines andern auffordern; er erhielt zwar den Bescheid, diese Frage könne
anders als vor dem Kurkollegium nicht entschieden werden, gleichzeitig aber
wurde er geradezu aufgefordert, bei Eröffnung der Sitzungen selbst die Sache
nochmals vorzubringen, „zumalen als dann mit besserem Fug Chur-Bayern
willfahret und Chur-Pfalz per collegiale conclusum remonstriret werden könnte,
nachdem man Chur-Bayern pro Vicario Imperii erkannt, ihme auch alle mögliche
Assistentz anerbotten“ 318 ). Am 7. November bei Verlesung der Vollmachten
protestierte auch der pfälzische Gesandte gegen den Vikarstitel in der bayerischen,
und in dem daraus sich entspinnenden Wortwechsel zeigte sich unzweideutig,
dass in der Stellung der Kurfürsten noch keine Änderung eingetreten war:
Brandenburg allein wollte eine gütliche Beilegung, ohne sich für und wider
herauszulassen, Mainz, Trier und Köln dagegen, desgleichen Sachsen erklärten
rundweg, dass sie nur Ferdinand Maria für den rechtmässigen Vikar
halten könnten 814 ). Karl Ludwigs Hoffnungen waren auch von allem
Anfang sehr gering gewesen: schon im Oktober hatte er sich Friedrich
von Jena gegenüber bitter beklagt, er wäre seiner Macht meistenteils ent-
blösst und überdies suche man ihm täglich auch noch „das Hinterstellige“ zu
entziehen, er hätte sich auch im Reiche keiner Hilfe zu getrosten und müsse
sich von jedermann urgieren lassen 816 ).
Fest aber stand noch immer seine Hoffnung auf Schweden und Frank¬
reich 816 ), mit welch letzterem er zum Schutze seines Vikariats sogar ein
Bündnis abschloss 317 ). Die französischen Subsidiengelder gedachte er in
seinem Heere anzulegen 818 ). Gleichwohl wurden seine Aussichten immer
ungünstiger. Je sicherer er auf Schweden rechnete, um so verdächtiger musste
er Friedrich Wilhelm erscheinen, der längst schon aufgehört hatte, ein
Bundesgenosse Karl Gustavs zu sein; jeder Schritt, um den sich der
Kurfürst von Schweden entfernte, brachte ihn Ferdinand Maria in der
Vikariatsfrage näher. Welcher Umschwung liegt allein schon darin, dass
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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Friedrich Wilhelm auch nur einen Augenblick an ein Regiment der
Reichsvikare bis zur Volljährigkeit König Leopolds denken konnte, auch
wenn er die diesbezüglichen Worte in der Instruktion für Canstein (vom
13. Februar 1658) sofort wieder ausstrich 819 )!
Und Friedrich Wilhelm trennte sich nicht nur von Schweden,
er näherte sich umgekehrt in gleichem Verhältnis dem Hause Habsburg, an
welches auch Ferdinand Maria schon längst — 24. August — einen
Anschluss gefunden hatte: traten nun auch noch Österreich und Brandenburg
entschieden auf die Seite der Gegner des Pfalzgrafen, so war das Vikariat für
ihn — wenigstens für den Augenblick konnte niemand daran zweifeln —
verloren.
Ferdinand Maria war nichts weniger als geneigt, eine unsichere
Kaiserkrone gegen das Reichsvikariat einzutauschen: er gab im Gegenteil
seine Bewerbung um die erstere auf für die Zusicherung habsburgischer Unter¬
stützung, deren Spitze sich gegen niemand als den Pfalzgrafen richtete. Zu¬
gleich mit dem Schreiben an König Leopold, welches diesem die bayerische
Stimme anbot, war an den Reichs Vizekanzler das Projekt eines bayerisch¬
österreichischen Bündnisses abgegangen, welches derselbe dem König und
dem Erzherzog Leopold Wilhelm vorlegen sollte 880 ). Schon am 3. September
versicherte darauf König Leopold dem Kurfürsten, er werde ihn mit aller
Macht gegen alle zu besorgenden Gefahren — Ferdinand Maria mochte eine
Einmischung Frankreichs in den Vikariatsstreit zu gunsten der Pfalz am
meisten befürchten 881 ) — schützen und am 5. erhielt Graf Kurz 50000 Gulden
von ihm ausgeworfen 388 ). Am 28. Oktober wurde im geheimen Rat, in An¬
wesenheit Erzherzog Leopold Wilhelms, des Fürsten von Auersperg, der
Grafen Portia, Kurz und Schwarzenberg, ein „Assekurationsrezess“ zwischen
Bayern und Österreich König Leopold vorgelesen und fand dessen Billigung;
es hiess darin, dass bei jetziger aller Arten und Enden empor gehenden Kriegs¬
verfassung beide Häuser besser zusammen consolidirt und deren beständige
manutenenz und Aufnehmen dergestalt versichert werden solle, dass sich ein
Teil auf den andern in jeder Begebenheit kräftlich verlassen könne 885 ). Am
1. Dezember erhielt Freiherr von Puecher Vollmacht „ad tractandum et con-
cludendum“ mit dem bayerischen Hofkammer- und Kriegsrat Theissinger 884 ).
Er hatte zunächst zu berichten, „was des Churfürsten Liebden vor ein corpo
beisammen und was Sie noch weiter aufbringen wollen, und gegen wen die
conjunction angesehen sein möchte“ 326 ). Die Nachrichten, die Puecher
darüber nach Wien sandte, beweisen, dass die bayerische Kriegsmacht dem
Rufe nicht mehr entsprach, den sie im Reiche genoss, dass man in München
eine kriegerische Aktion der Pfalz mit auswärtiger Hilfe befürchte und sich
darum des habsburgischen Schutzes versichern wolle, den Leopold auch für
den Fall, dass die Wahl auf ihn falle, in Aussicht stellte 826 ).
Nach dem Gesagten kann die Bedeutung des am 18. Jannuar 1658
zwischen Bayern und Österreich abgeschlossenen Allianzrezesses 827 ) nicht
zweifelhaft sein: Bayern wollte sich für den Fall, dass Frankreich sich des
pfälzischen Vikariats annehmen sollte, der habsburgischen Hilfe versichern;
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Karl Lory
die sichere Zuversicht auf diese Bundesgenossenschaft mochte aber vielleicht
an Stelle der unzweifelhaft vorhandenen Besorgnisse allmählich den Wunsch
treten lassen, die Waffen überhaupt zur Entscheidung des Vikariatsstreites zu
gebrauchen. Wenigstens riet Ferdinand Maria schon am 20. Februar zu
einer Besetzung der böhmischen und (ober-)pfälzischen Grenzen unter Hinweis
auf die von Frankreich drohende Gefahr 328 ). Ein Vierteljahr später aber trat
ein unvorhergesehener Zwischenfall ein, der in Bayern den Entschluss zu einer
kriegerischen Aktion zur Reife kommen liess. —
Ferdinand Maria irrte sich hinsichtlich der Absichten Karl
Ludwigs: dieselben waren durchaus friedliche. Die „assistenz“ der Friedens-
garanten dachte sich der Pfalzgraf wahrscheinlich nie anders als einen Schieds¬
spruch hinsichtlich der Auslegung des Friedensinstrumentes. Was die
französische Kriegshilfe betreffe, erklärte er anfangs April dem Kammerrichter,
so wäre es ihm am liebsten, wenn auch die wenigen Franzosen, die in
Frankenthal lagen, wieder daheim wären. Und dass diese Äusserung auf¬
richtig gemeint war, scheint kaum zweifelhaft: eine versöhnliche Stimmung
scheint damals über den Pfalzgrafen gekommen zu sein, er sprach von end-
giltiger Herstellung eines guten Einvernehmens mit seiner Gattin, und beklagte,
dass man in Münster zu voreilig zu Werke gegangen sei, Bayern hätte besser
gethau, die Hand von dem Besitz seiner engsten Anverwandten zu lassen
und dafür die Lande ober der Enns zu behaupten 329 ).
Nicht ohne Teilnahme wird mau diese Worte eines Fürsten, der gerade
von denen, die ihm am nächsten standen, am schwersten gekränkt wurde,
lesen können, um so mehr, als alle seine Hoffnungen eitel waren: der Sinn
der Churfürstin Charlotte war nicht zu beugen, und Ferdinand Maria
war nicht gesonnen, auf das Reichsvikariat zu verzichten oder auch nur diese
Würde mit seinem Vetter zu teilen.
b) Die Tintenfassszene und ihre Folgen.
Am 3. Juli 1658 befahl Karl Ludwig, welcher an den Wahlver¬
handlungen persönlich teilnahm, seinem „Votanten“, ehe er sich über die
damals behandelte Proposition „votando herauslasse“, eine an demselben Morgen
verfasste Protestationsschrift abzulesen; der Inhalt derselben war ungefähr der,
dass Kurpfalz Bayern nichts wolle eiugeräumt haben, sondern sich und seinen
Nachkommen alle ihnen „competireude jura“, welche Bayern „teils zu turbiren
teils gar zu benehmen“ und dadurch den Friedeusschluss selbst zu „durch¬
löchern“ sich unterstehe, „per expressum reservire“.
Sofort erhob sich Öxl und erklärte, dieser Protest käme fast einer
Friedensaufkündigung gleich; es könne wohl niemand etwas anführen, wo¬
durch Bayern gegen den Friedensschluss sich vergangen hätte; in Bayern sei
man aber der Ansicht, man würde kurpfälzischerseits mit dem erhaltenen
achten Platz „ruhiglich sich betragen und zufrieden sein können“.
Karl Ludwig erwiderte darauf nur, „die bayerische reprotestation
und reservation könne man ruhig auf ihrem Unwert beruhen lassen“ 880 ). Die
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 209
bayerische Gesandtschaft aber setzte am folgenden Tage einen Bericht über
den Vorfall auf und sandte denselben mit Extrapost nach München.
Ferdinand Maria fand ihre Reprotestation „ex tempore“ lobenswert,
doch seien sie der „insolenten Zulag“ gegenüber „etwas laiss gangen“; Bayern
könne die Bezichtigung des Friedensbruches nicht auf sich sitzen lassen;
weshalb er es für nötig fand, unterm 11 . ihnen eine ausführliche Reprotestations¬
schrift zukommen zu lassen 881 ). Am 15. traf dieselbe in Frankfurt ein.
Am folgenden Tage that Öxl vor der Sitzung „einem und andern
Herrn Kurfürsten in generalibus davon Vermeidung“, dass er gegen die ueu-
liche Auslassung des Pfalzgrafen etwas vorzubringen habe 382 ); dieser selbst
wusste davon, dass etwas gegen ihn im Werke sei; wenigstens sagte er vor
der Sitzung zu Johann Georg: „Ew. Ld., jetzt werden die Bayerischen über
mich kommen“ 888 ). In der Sitzung selbst wurde über ein Memoriale des
schwedischen Gesandten Bärenklau verhandelt. Nachdem Öxl sein Votum
in dieser Sache abgegeben hatte, fing er an, „deutlich und laut, doch mit
geziemender Bescheidenheit“ 334 ) die Tags zuvor eingetroffene Reprotestation
stehend abzulesen; sämtliche Kurfürsten und kurfürstliche Gesandte, auch der
Pfalzgraf selbst, hörten „attente“ zu, gerade der letztere, ein spöttisches Lächeln
auf den Lippen 836 ), schien sich am wenigsten „commoviren“ zu lassen; hörte
er ja doch auch aus dem Anfang des bayerischen Schriftstückes deutlich
genug den Ärger seines Gegners heraus und konnte sich also mit Befriedigung
gestehen, dass die pfälzische „protestatio“ ihren Zweck nicht ganz verfehlt
habe. Als aber Öxl „circa medium“ von einer „Verwirkung“ der pfälzischen
Kur vorlas, geriet der Pfalzgraf in heftige Aufregung und rief, es sei nicht
wahr. „Was? Verwirkt? Es ist nicht wahr!“ „Dessen ungeachtet Dr. Öxl
mit lössen fortgefahren“. Nun wandte sich Karl Ludwig an die übrigen
Kurfürsten, sie sollten solches nicht leiden, es sei wider Friedensschluss und
Amnestie 830 ), mehrmals diese Aufforderung wiederholend; „Dr. Öxl aberlass
immerfort“, während Graf Hermann Egon von Fürstenberg replizierte,
sie (die bayerischen Gesandten) hätten gemessenen Befehl, sie müssten dem¬
selben nachkotnmen, und man dürfe ihnen dieses nicht verdenken. Der Pfalz¬
graf wandte sich nun an das kurmainzische Direktorium, dasselbe solle weiteres
Lesen verbieten, ja er soll auch geäussert haben, es werde ein Unglück ge¬
schehen (wenigstens will Ö x 1 solches nachträglich von dem kölnischen Oberst¬
hofmeister Franz Egon von Fürstenberg und den brandenburgischen
Gesandten gehört haben), „als aber der Dr. Öxl sich dieses nicht irren liess,
sondern in Ablesen immer fortfuhr und die Herren Kurfürsten dazu still
schwiegen“, sprang der Pfalzgraf auf und lief auf Ö x 1 „mit der grössten
furi“ 887 ) los, ja er soll sogar, so versicherte wenigstens der an seiner Seite
sitzende Johann Georg Öxl selbst, etlichemal au den Degen gegriffen
haben, Geheimrat von Hun aber fasste ihn beim Mantel und führte ihn auf
die Seite, „sonsten hätte er mir richtig“ — wie Öxl, aber doch wohl mit
Unrecht, vermeinte — „sein französisches Wehrl, so er tragt, über mich aus¬
gezogen und mir durch den Leib gestossen 888 ); Hun schien den Pfalzgrafen
bereden zu wollen abzutreten, auch die auderen pfälzischen Räte kamen herbei
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Karl Lory
und sprachen auf Karl Ludwig ein, „unterdessen thäte der Öxl alleweil
fort lesen 1 *. Die Beschwichtigungsversuche der pfälzischen Räte waren unter
solchen Umständen vergeblich, der Pfalzgraf stellte sich wieder vor Öxl hin,
wahrscheinlich in der Absicht, ihm die Protestationsschrift zu entreissen.
„Öxl aber wandte sich damit etwas auf die Seiten“, sodass der Pfalzgraf,
da der Votantentisch dazwischen war, ihm nicht beikommen konnte ÖSÖ ), und
liess sich auch dadurch nicht beirren, dass ihm, der Pfalzgraf mit der Faust
drohte, als ob er ihn damit „an den Hals“ schlagen wollte 840 ). Da ergriff
Karl Ludwig plötzlich ein vor dem sächsischen Votanten Dr. Strauch
stehendes hölzernes Tintenfass und schüttete den Inhalt gegen die Repro¬
testation 341 ), Öxl aber merkte noch rechtzeitig sein Vorhaben und zog den
Kopf zurück, brachte auch jedenfalls die Schrift rechtzeitig auf die Seite 842 ),
sodass ihm die Tinte allein über den Leib, die rechte Hand, die er auf dem
Tische liegen hatte, und die vor ihm gelegenen Akten, nur zum geringsten
Teile aber über die Reprotestation selber 843 ) ablief. Weil aber auch dies Öxl
noch wenig beirrte, warf der Pfalzgraf das Tintenfass selber nach ihm, Öxl
aber retirierte hinter den zu seiner linken sitzenden kölnischen Kanzler
Buschmann; scharf an des Doktors rechter Schläfe vorüber flog das Tinten¬
fass über alle hinter ihm sitzenden Votanten („so meistens vornehme Reichs¬
grafen, Freiherrn und Cavaglieri wahren“) „mit grossem impetu“ durch die
ganze Länge des Zimmers hinweg und prallte an der Wand ein Stück zurück,
seinen Inhalt über die hinter Öxl Sitzenden vollends ausgiessend; am
schlimmsten war Graf Franz Egon von Fürstenberg weggekommeu,
dem Mund und Gesicht mit Tinte besudelt wurden, während die Übrigen mit
Flecken auf Haar und Kleidung davonkamen; auch der Pfalzgraf selbst hatte
sich „hin und wieder“ sehr beschmutzt.
„Als solches geschehen, sind gleich sowohl die sämmtlichen Herren
Kurfürsten als Gesandte alle aufgestanden, und ist ein ziemlich Gedräng
worden, der Dr. Öxl aber ist an seinem Ort strack stehen verblieben, und
hat ohne einiges Aussetzen, auch ungeachtet aller solchen Begebniss, je länger,
je lauter fort gelesen, dass man es auch unter dem Tumult wohl hören können,
bis ers zum End gebiacht“. „Und versichere ich Ew. Exzellenz bei dem
wahren Gott“, schreibt er an Valley, „dass ich hiezu sei resoluirt und in-
capricirt gewesen, dass wenn schon der Pfalzgraf auf mich gefahren und ge¬
hauen hätte, ich doch vom Ablesen nicht aufgehört haben wollte, solange
ich ein Wort mit Augen sehen und mit dem Mund aussprechen können“.
Öxl wird wohl überhaupt nicht ganz von dem Vorwurf freigesprochen werden
können, in seinen Berichten etwas zu starke Farben aufgetragen zu haben;
er behauptete nicht nur, der Pfalzgraf habe ihm die Tinte ins Gesicht schütten
wollen, er bemühte sich auch, den Glauben zu erwecken, derselbe habe bei
seinem Wurfe die Absicht gehabt, ihn schwer zu verletzen, wenn nicht gar zu
töten, während Karl Ludwig doch wohl nichts weiter wollte, als ihm auf
eine drastische Weise den Mund stopfen. Öxl benützte jede Gelegenheit, um
zu betonen, wie er „wahrlich des Todes eigen gewesen wäre“ 344 ), hätte ihn
der Wurf an die Schläfe getroffen; in diesem Sinne sprach er sich in dem schon
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 21 I
erwähnten „Gegenbericht“ aus, in diesem Sinne schrieb er vor allem auch
an Graf Kurz 845 ), und zwar an diesen in besonders humoristischer Weise.
„Gott hat mich sonderbar behütet, dass, obwohl die kurpfälzische Furie auf
mich allein angesehen gewesen, andere benachbarte Beisassen fast mehreres
gelitten haben, denn ich, weil die Färberei bloss über meine Handdözeln,
angehabten schwarzen Rock und vor mir gelegene Schriftereien abgelaufeu.
Hätt er mich an die Schlaf getroffen, wär ich wahrlich des Todes gewesen“ 540 ).
Doch war es gewiss weniger das Bestreben, aus seinem Verhalten irgendwie
eine Heldeuthat zu machen, was Öxl dazu veranlasste, als vielmehr die
Absicht, den Vorfall seines lächerlichen Charakters zu entkleiden, und, in
richtiger Erkenntnis gewisser Stimmungen und Neigungen in München, viel¬
leicht sogar einen casus belli daraus zu konstruieren. —
Während Öxl mit unerschütterlicher Ruhe seine Reprotestation zu
Ende las, nahmen die Kurfürsten und andere den Pfalzgrafen in ihre Mitte
und suchten ihn zu „appaisiren“, Karl Ludwig war aber noch immer wütend
und rief, damit sei nun die amnistia und alles aufgehoben, das instrumentum
pacis werde nicht gehalten und dergl., er soll sogar, als Hermann Fürsten¬
berg wiederholte, was Öxl thue, thue er aus gemessenem Befehl, geantwortet
haben: „Wenn Euer Herr selbst da wäre, so thät’ ich’s ihm eben auch also
machen, und wenn er auf dem Altar stünde!“ 347 ). Öxl aber, als er zu Ende
gekommen, rief den Versammelten „eifrig“ zu, sie hätten selbst gesehen,
welcher Gestalt der Pfalzgraf mit ihm verfahren wäre, diese grosse Schmach
und iujuri betreffe nicht ihn in particularibus, sondern seinen gnädigsten
Herrn, aus dessen Befehl und Mund er geredet, er wolle darwider soleinnissime
protestiert haben, sein gnädigster Herr werde es wissen zu retorquiren; er
bitte um Schutz und Schirm, weilen er dergestalt seines Lebens von dem
Pfalzgrafen nicht gesichert, es sei eine unerhörte Sach’, und würde dergleichen
in dem kurfürstlichen Collegio, so lange es steht, nicht wohl vorgegangen sein.
Die Stimmung der Zuschauer bei dieser „atramentarischen action“ war
geteilt Die brandenburgischen Gesandten waren geneigt, Karl Ludwig
gegen die ihm „in faciem“ gesagten „Injurien“ in Schutz zu nehmen, als die
wirklich Schuldigen erschienen denselben die anwesenden Kurfürsten, welche
den Vorfall recht wohl hätten verhindern können 848 ). Dieses Urteil ist auch
entschieden richtig: Die Herren Kurfürsten, soweit sie anwesend, waren aus¬
schliesslich Gegner des Pfälzers, vergönnten diesem wahrscheinlich von ganzem
Herzen die ihm widerfahrene Demütigung, ihnen mochte der ganze Vorfall
im Geheimen Freude bereiten, keiner von ihnen rührte sich, um denselben
zu verhindern, und erst als sie die Worte Öxls daran erinnerten, dass der
Vorfall ernste Vernickelungen nach sich ziehen könnte, beeilten sie sich, ihre
Vermittlung anzubieten. Für den Augenblick aber hörte man wahrscheinlich
nur Stimmen der Entrüstung: vornehmlich diejenigen, „so obgedachter
Massen bemakelt worden“, Hessen „allerhand Reden schiessen, dass dies gar
keine Manier, wer solcher Gestalt Gesandter sein wolle?“ 349 ) Eine, wenn sie
richtig ist, bemerkenswerte Äusserung soll Johann Georg Öxl gegenüber
gemacht haben: er begehre zwar nicht Öl ins Feuer zu giessen, aber „der
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Kart Lory
Teufel hole ihn vor seinem (Ö xls) Augesicht, wenn er nicht dem Pfalzgrafen,
da er ihm dieses gethan hätte, den Krieg ankünden wollte, und sollte er wissen,
dass er Land und Leute, ja sein Leib und Leben darüber verlieren müsse“ 350 ).
Das Nächste war nun, dass die Kurfürsten, Johann Philipp an der
Spitze, den Pfalzgrafen sowohl wie die bayerischen Gesandten bewogen, sich
zurückzuziehen 3öl ); Öxl that es nicht anders, als indem er nochmals feierlichst
gegen diese „Verletzung des Völkerrechtes“ protestierte. Die Kurfürsten waren
ziemlich einig darin, dass der Pfalzgraf angehalten werden solle, sich zu ent¬
schuldigen ; von Kur-Sachsen 362 ) und den brandenburgischen Gesandten wurde
vorgeschlagen, man solle Kur-Bayern durch einige am Münchener Hofe gut
angeschriebeneu Personen die Sache so darstellen lassen, als habe der Kurfürst-
Pfalzgraf nur im Eifer und aus Übereilung gehandelt, ihrer Meinung nach
anlässlich der harten Worte, die Öxl beim Ablesen oft vorgebracht, ein Vor¬
schlag, der nach längerem Debattieren endlich angenommen wurde 853 ). Um
ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, wurde ausserdem noch
beschlossen, ein Kurfürst, der sich wieder Derartiges zu schulden kommen
liesse, solle für die Dauer der betreffenden Versammlung, gleichviel, ob Wahl-,
Reichs- oder sonst irgend ein Tag, Sitz und Stimme verlieren, eine ähnliche
Handlung seitens eines Gesandten solle ganz die gleichen Folgen nach sich
ziehen, als hätte sein Herr dieselbe persönlich begangen 854 ); doch hätte man
sich in Zukunft überhaupt aller derartigen Protestationen und Reprotestatiouen,
die zum „Hauptwerk“ nicht gehören, zu enthalten, wenn man nicht gewärtigen
wolle, dass die Kurfürsten dieselben überhaupt nicht anhören, sondern sofort
aufstehen und davon gehen würden 855 ).
Der Pfalzgraf wurde von diesen Beschlüssen in Kenntnis gesetzt und ihm
das Versprechen abgenommen, die bayerische Gesandtschaft nie wieder zu be¬
helligen; die letztere wurde überdies wiederholt gebeten, in anbetracht der
Wichtigkeit der Verhandlungen nicht den Sitzungen etwa ferne zu bleiben; eine
bindende Zusage in dieser Richtung war aber von derselben nicht zu erlangen.
Es war gegen drei Uhr Nachmittag geworden, bis man sich nach dieser
denkwürdigen Sitzung trennte.
Nachträglich scheint Karl Ludwig sein unparlamentarisches Auftreten
doch leid geworden zu sein; wenigstens suchte er, wie Öxl 86C ) es ausdrückt,
allerlei colores hervor, um seine „atramentarische action“ nicht so gar schwarz
erscheinen zu lassen. Die Hauptschuld suchte er auf Öxl zu schieben, in¬
dem er augab, er habe auf denselben einen Privatgroll gehabt 357 ), auch sei
er der Meinung gewesen, die vorgeleseue Reprotestationsschrift sei von den
Gesandten selbst verfasst gewesen 808 ). Öxl berichtet auch, er sei bei den
Kurfürsten herumgefahreu und habe sich entschuldigt; „ja er deprecirt sogar
bei allen denen cauaglieren und kurfürstlichen Räten, auch bei den Doktorn,
die er mit Diuten bespritzt; dem Dr. Thena hat er ein schönes mit stattlich
spüz aufgemachtes Hembd, Überschlag und Handtdäzeln, weil er ihm das
Seinige schändlich verderbt gehabt, pro indemnisatione ins Haus geschickt,
dieser aber solches dem Pfalzgrafen wieder zurückgeschickt mit dem Vermelden,
er sei mit dergleichen Waar selbsten noch wohlversehen“. —
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 213
Von den Gesandten Ferdinand Marias wurde beschlossen, trotz
aller Gegenvorstellungen die Sitzungen bis auf Weiteres nicht mehr zu be¬
suchen, dagegen aus ihrer Mitte einen Vertreter an den Kurfürsten zu sendeu;
Graf Otto, Erbtruchsess zu Friedberg und Trauchgau, wurde dazu ausersehen.
Maximilian Heinrich von Köln liess denselben vor seiner Abreise zu
sich berufen und übergab ihm ein Schreiben an Ferdinand Maria, worin
derselbe ersucht wurde, das Werk reiflich zu überlegen und einen dem
Frieden im Reiche dienenden Entschluss zu fassen, im übrigen dem Erb¬
truchsessen „gleich ihm selbst“ Glauben beizumessen 859 ); von dieser zweiten
Mission ihres Kollegen hatten die beiden anderen bayerischen Gesandten
(oder jedenfalls Dr. Öxl wenigstens) keine Ahnung.
Graf Otto stand bereits „in procinctu“ 80 °), während noch an dem
Konzept des „Summarischen Berichtes“ geschrieben wurde; mittlerweile er¬
schienen der mainzische Domkapitular Wilderich von Walderdorf und
der sächsische Bevollmächtigte Herr von Friesen, stellten sich als die
Abgeordneten der Kurfürsten vor und drangen abermals in die bayerischen
Gesandten, die Sitzungen doch ja zu besuchen, ohne jedoch mehr als eine
ausweichende Antwort zu erzielen. Der Erbtruchsess reiste dann abends
6 Uhr ab, die kurfürstliche Deputation erst zwei Tage später, weil Friesen
im letzten Moment erkrankte; gleichwohl traf die letztere unmittelbar nach
dem bayerischen Abgeordneten in München ein.
Alles hing nun davon ab, ob in München die beruhigende, be¬
schwichtigende Darstellung des Kurfürstenkollegiums oder jener „Gegenbericht“
überwog, den Öxl, die scheinbar plötzlich total veränderte Stimmung der
Kurfürsten wohl bemerkend, zu Papier gebracht hatte. „Es scheinet“, schrieb
er darin, „als ob die Herren Kurfürsten verlangen, den Pfalzgrafen in ihrem
Land pro vicario zu haben, damit er ihnen und ihren Uuterthanen wie den
Bischöfen zu Worms und Speier die Platten auf kalvinisch desto besser
scheeren könnte“. Das Verhalten der Kurfürsten gegenüber dem Vikariats¬
streit gleicht eben beinahe einem Spiel mit dem Feuer: alle, mehr oder
weniger dem Pfalzgrafen gram, hatten demselben gern alle Demütigungen
vergönnt, hatten Ferdinand Maria in seinem Auftreten gegen denselben
bestärkt und gegen denselben aufgereizt, um dann jetzt, da ihr Verhalten
schlimme Früchte zu tragen drohte, auf Seite seines Gegners sich zu neigen
und durch einen moralischen Druck wenigstens Ferdinand Maria zu ver¬
hindern, die Konsequenzen zu ziehen, die er aus ihrer früheren Haltung
immerhin ziehen durfte. Und ein Umschwung hatte sich schon längst vor¬
bereitet; schon seit Beginn des Wahltages war die mainzische Politik mehr
oder weniger Hand in Hand mit der pfälzischen gegangen, und wenn auch
zu Beginn der Verhandlungen noch die Parteinahme für Ferdinand Marias
Reichsvikariat feststand, allmählich scheint wenigstens die mainzische Politik
mit dem Gedanken sich vertraut gemacht zu haben (wenn sie im geheimen
nicht schon von jeher diesen Gedanken hatte), der Vikariatsstreit müsse nach
Beendigung der Wahl auf einer Reichsversammlung zum Austrag gebracht
werden. Mainzischerseits war mau ja, wie bereits dargethan, jedenfalls von
Bayer. Forschungen, VII, 3. 15
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Karl Lory
Ferdinand Maria in seinen eigennützigen Erwartungen getauscht worden;
man neigte darum jetzt notgedrungen zu einer friedlichen Vergleichung mit
dem Pfalzgrafen und ein Gerücht hatte Öxl sogar davon Kunde gebracht,
diese Vergleichung sei bereits vollzogen. Nun aber war dem Erzkanzler
Gelegenheit zur Wieden-ergeltung gegeben: nun drang er darauf, dass
Ferdinand Maria ebenfalls sich vergleiche, und seinem Einfluss gelang
es leicht, auch die anderen, ohnehin für die Erhaltung des Friedens besorgten
Kurfürsten für seine Absichten zu gewinnen.
Dr. Öxl war über die mainzische Zumutung, man solle sich mit Kur¬
pfalz vergleichen, sehr entrüstet: zuerst, meinte er in seinem „Gegenbericht“,
habe man von einem Vergleiche immer abgeraten; auch solle Mainz sich zuerst
wegen der Wildfäng und der Wormser Rheinfahrt vergleichen nach dem
Grundsätze: primum trabem ex oculo tuo: habe sich aber Mainz bereits ver¬
glichen, wie man sagen wolle, dass es geheim geschehen, so sei das wider
die Allianz mit Bayern; überhaupt sei „die Relation Facti“ in dem Berichte
der kurfürstlichen Gesandtschaft „gar sicce und fast gänzlich in fauorem
Palatini eingerichtet“, die Fassung eines neuen conclusum sei sogar gegen die
goldene Bulle, welche genau vorschriebe, was in derartigen Fällen zu geschehen
habe; wenn aber die Kurfürsten die Sache so darstellten, als wolle man den Friedens-
garanten keine Einmischung ermöglichen, so sei das vollends lächerlich, Frankreich
und Schweden ginge die Sache überhaupt nichts an, sondern den Kaiser,
das Reich und die Stände: zudem seien die beiden Mächte Partei, Frankreich
wegen der Allianz mit Pfalz, Schweden „aus mehrfältig bekannten respecten“.
Aber Ferdinand Maria konnte die vom Kurfürstenkollegium ange¬
botene „Interposition“ auch nicht abschlagen, ohne das Odium einer absicht¬
lichen Friedensstörung auf sich zu laden. Dass er vielleicht nicht abgeneigt
gewesen wäre, zu einem entscheidenden Schlage auszuholeu, und dass ihm
der Vorfall selbst aus diesem Grunde nicht einmal ungelegen kam, scheinen
mir die hohen Lobeserhebungen zu beweisen, die er am 21. Mai bereits
Dr. Öxl zugehen liess 801 ). Und ausserdem hatte doch immerhin einer von
den Kurfürsten ohne Vorwissen der übrigen ihm in einer Weise geschrieben,
dass dieselbe seine Zuversicht erheblich verstärken musste, wenn auch
immerhin nicht zu vergessen war, dass der Betreffende von der bayerischen
Stimme vor allem die Kaiserkrone sich erwartete: ein eigenhändiges Schreiben
König Leopolds vom 15. Mai hatte dem bayerischen Kurfürsten die Ver¬
sicherung gegeben, derselbe werde nichts versäumen, was er Ferdinand
Marias „Hoheit und reputation zum besten werde thun und prestiren können“,
er erwarte, was ihm zu solchem Ende werde „au die Hand“ gegeben werden 862 ).
Die Antwort, die ihm Ferdinand Maria vierzehn Tage darauf zugehen liess,
ist der beste Beweis dafür, dass der Kurfürst, wenn schon er „zur Bezeigung
seines friedliebenden Gemüthes“ die Interposition nicht gänzlich von der Hand
wies, sich doch von derselben nur wenig versprach: er sei neugierig, schrieb
er, welche Mittel zur Erlangung einer gebührenden Satisfaktion man ihm
vorschlagen werde; jedenfalls aber wisse er, was dergleichen Vermessenheit
für eine Ahndung erfordere, er müsse sich daher Vorbehalten, das Nötige
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 2 15
zur Wiederherstellung der Ehre seines Hauses ins Werk zu setzen, sei
auch bereits begriffen, alle dazu nötigen Dispositionen zu treffen. Ein
Postskriptum vom folgenden Tage Hess sich noch deutlicher aus: zwar sei
die allgemeine Ruhe billig einem „particularresentiment“ vorzuziehen, im
Notfälle aber glaube er dem Pfalzgrafen gewachsen zu sein; sollte derselbe
aber irgendwoher Assistenz erwarten, so hoffe der Kurfürst, Leopold werde
sich seiner soweit annehmen, als das königliche Handbriefei und der zwischen
ihnen aufgerichtete Rezess erwarten lasse 363 ).
In diesem Sinne fiel auch der Bescheid, den sich die kurfürstliche
Deputation in München holte, aus: derselbe war eine vollständige Recht¬
fertigung Öxls; die Interposition würde um „eines lieben Friedens“ willen
und nur unter der Bedingung angenommen, dass die notwendige „reparation*
ohne Verzug in zufriedenstellender Weise geleistet werde; die Einwilligung
zum Wiedererscheinen der bayerischen Gesandtschaft auf den Verhandlungen
wurde zwar erteilt, aber nur gegen die schriftliche Erklärung, dass die Inter¬
position und die daraus hervorgehende „Satisfaktion“ innerhalb dreier Wochen
bewerkstelligt werde 864 ). Die Gesandtschaft selbst erhielt durch den Erb¬
truchsess den Auftrag übermittelt, das Satisfaktionswerk nach allen Kräften
zu betreiben 86B ).
Die Vorgänge, die sich aber inzwischen in Frankfurt abspielten, Hessen
es sehr zweifelhaft erscheinen, ob die dreiwöchentliche Frist eingehalten
werde. Zugleich zeigte sich immer deutlicher, dass man den Pfalzgrafen
Öxl gegenüber verteidigte und den letzteren als den einzigen Schuldigen
hinstellte 366 ). Johann Georg, vielleicht vom Erzkanzler darauf aufmerksam
gemacht, was für Folgen aufreizende Reden den Gesandten gegenüber haben
könnten, hielt es jetzt plötzlich für genügend, wenn der Pfalzgraf ein paarmal
von den Sitzungen fern bliebe; der Erzkanzler selbst erbot sich, es dahin zu
bringen, dass die bayerischen Gesandten von dem Kurfürstenkolleg ersucht
würden, sich wieder einzufmden, „ihr Erscheinen solle ihnen zu keinerlei
praejudicio gereichen“; am 29. Mai nahmen dieselben dann auch, vom Kur¬
fürsten unterm 21. dazu angewiesen, den Besuch der Sitzungen wieder auf 367 ).
Als der Erbtruchsess am 5. Juni nach Frankfurt zurückkam, versuchte man
ihn auszuforschen, was für eine Satisfaktion Ferdinand Maria eigentlich
erwarte; wohl absichtlich aber hatte der Kurfürst mit der Begründung,
er als „pars laesa“ könne in dieser Hinsicht nichts thun, sich darüber nicht
näher ausgelassen. Inzwischen kamen die Pfingsfeiertage heran, und die
meisten Kurfürsten, auch verschiedene Gesandte verliessen Frankfurt 368 ) —
die drei Wochen waren vorübergegangen, ohnedass das Satisfaktionswerk
auch nur in Angriff genommen worden wäre.
Am 17. Juni erst fand sich das Kurkollegium bemüssigt, Ferdinand
Maria mitzuteilen, man sei bereit, das Satisfaktionswerk „in die Hand“ zu
nehmen 369 ). Der Kurfürst antwortete mit immer neuen Aufforderungen zur
Beschleunigung, mit immer neuen Befehlen an seine Gesandtschaft, das Werk
soviel als irgend möglich zu betreiben. Doch versprach er sich augenschein¬
lich nur wenig davon, jedenfalls befürchtete er, dasselbe würde auf die lange
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2 16 Karl Lory
Bank geschoben werden, und je unerträglicher es ihm sein musste, solange
einer Genugthuung zu entbehren, um so natürlicher war es, dass der Gedanke,
sich mit den Waffen dieselbe zu verschaffen, abermals und zwar vielleicht
lebhafter als je vorher sich geltend machte. Am 19. Juni fragte er bei König
Leopold an, ob er von ihm gegebenen Falles 4000 Mann zu Fuss und
2000 Reiter haben könne, am 7. Juni antwortete derselbe, in seinen Grenz¬
gebieten stünden 2500 Mann Fussvolk und 1500 Mann Reiterei, jeden
Augenblick bereit zu marschieren; binnen Monatsfrist hoffe er, dem Kur¬
fürsten überdies 5—6000 Mann zur Verfügung stellen zu können 870 ). Der
Pfalzgraf selbst befürchtete eine kriegerische Aktion seines Gegners. Er
wandte sich schon zwei Tage nach jener Szene vom 16. Mai an die aus¬
schreibenden Fürsten des fränkischen Kreises mit dem Ersuchen, Ferdinand
Maria von Thätlichkeiteu abzuraten, jedenfalls ihm aber den Durchzug zu
verweigern; diebetreffenden Fürsten, Philipp Valentin von Bamberg
sowie der Burggraf Georg Albrecht von Nürnberg, baten daraufhin
den Kurfürsten, es doch nicht zum Äussersten kommen zu lassen, erhielten
aber nur die Antwort, welche Ferdinand Maria jeder Friedensmahnuug
gegenüber hatte: niemand könne es ihm verdenken, wenn er das, was er
auf andere Weise nicht erhalten könne, mit allen ihm zu gebotet stehenden
Mitteln ins Werk zu setzen suche 871 ). Die Anfrage aber, ob die bayerischeu
Truppen das mainzische Gebiet passieren dürften, brachte endlich auch Leben
in die Frankfurter Verhandlungen.
Johann Philipp beeilte sich, Öxl gegenüber von einer kriegerischen
Aktion aufs lebhafteste abzuraten : Bayern würde dadurch nur den Anschein
erwecken, als verschmähe es die bereits im Werk begriffene „Interposition“
der Kurfürsten, auch wäre es jedenfalls eigentümlich, wäre Ferdinand Maria
der erste, der den Frieden störte, nachdem das Reich sich wieder eines
Oberhauptes erfreue. Der Erzkanzler machte in dieser Audienz (18. Juli) kein
Hehl daraus, dass er sich an die vor einem Jahre abgeschlossene Allianz nicht
mehr für gebunden erachte, kaum auch, dass er seinen Ärger über die
Schwenkung Bayerns nach der habsburgischen Seite hin verbergen konnte;
vom Hause Habsburg selbst sprach er, wie man es von einem Satelliten
Frankreichs nicht anders erwarten konnte, wie von einem Friedensstörer und
Unruhestifter. Aber das Satisfaktionswerk wurde jetzt doch wenigstens
energischer als zuvor gefördert; am 19. Juli gedieh dasselbe soweit, dass es
zu seiner Vollendung nur noch der Erklärung Ferdinand Marias bedurfte,
der bayerischen Reprotestati011 sei eine beleidigende Absicht nicht zu gründe
gelegen; daraufhin sollte dann der Pfalzgraf seinerseits erklären, das Vor-
gegangeue sei ihm leid und nur ex praecipitantia geschehen, er wünschte, es
wäre unterblieben 372 ). Ferdinand Maria allerdings war mit diesem Modus
sehr wenig einverstanden, er beklagte sich, dass nun Bayern gleichsam den
Anfang machen solle, den pfälzischen Exzess zu entschuldigen, bevollmächtigte
aber doch seine Gesandten 378 ) zur Abgabe der Erklärung, die bayerische
Reprotestation habe keinen anderen Verstand gehabt, als der pfälzischen
Protestation zu begegnen und deren „Unerheblichkeit“ darzuthuu.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
217
Auf dieser Grundlage kam dann am 2. August, am Tage nach der
Krönung Leopolds, die Interposition der Kurfürsten zum Abschluss und
ein Gesamtschreiben des Kollegiums teilte Ferdinand Maria am darauf¬
folgenden Tage die ihm geschehene Geuugthuung mit 874 ). Auch Kaiser
Leopold benützte die Gelegenheit, den Kurfürsten zum Frieden zu ermahnen
und ihn zu ersuchen, sich mit der vom Pfalzgrafen geleisteten Genugthuung
zufrieden zu geben 876 ).
Ferdinand Maria hatte immerhin etwas erreicht: die Wahlversammlung
ebenso wie der vorausgegangene Deputationstag hatte sich mit der rechtlichen
Seite des Vikariatsstreites nicht befasst, und wenn hier wie dort einer der
beiden Prätendenten de facto Anerkennung gefunden hatte, so durfte Ferdinand
Maria sich schmeicheln, dass er es gewesen; er hatte um den Preis des
Verzichtes auf eine unsichere Kaiserkrone das Ziel einer längst traditionell
gewordenen Politik seines Hauses erreicht, wenn es ihm gelang, vom Kaiser
die Konfirmation seiner Vikariatshandlungen und daneben die Kassation aller
pfälzischen zu erzielen: dadurch war das Recht Bayerns auf die Würde der
Reichsverweserschaft offiziell anerkannt
An diesem letzten Erfolge aber konnte er keinen Augenblick zweifeln.
c) Ein Umschwung.
Am 31. Juli verkündigte Ferdinand Maria sämtlichen Ämtern seines
Landes, dass das heilige römische Reich am 18. desselben Monats wieder ein
Oberhaupt erhalten habe und seine Reichsverweserschaft „für diesmal“ beendigt
sei 876 ). An den Ständen des Reiches selbst scheint das Ende des ersten
bayerischen Reichsvikariats sang- und klanglos vorübergegangen zu sein; nur
die getreue Reichsstadt Regensburg gratulierte dem Kurfürsten zur glücklichen
Führung des Vikariatsamtes unter Segenswünschen für sein ferneres Wohl¬
ergehen 377 ).
Das Herkommen erforderte es, dass der Kaiser die Handlungen der
Reichsvikare alsbald nach seinem Regierungsantritt ausdrücklich bestätigte,
ein Artikel der Wahlkapitulation pflegte ihn gewöhnlich dazu zu verpflichten 878 ).
Auch Leopolds Kapitulation enthielt einen nach der herkömmlichen Schablone
verfassten Artikel, der sich auf das Reichsvikariat bezog 879 ). Allein in dem¬
selben war nur „de ipsis juribus“ 880 ) die Rede, Personen wurden darin über¬
haupt nicht genannt, jedenfalls auf grund des am 16. Mai gefassten Beschlusses,
wonach der Vikariatsstreit auf dem Wahltag überhaupt nicht mehr angeschnitten
werden durfte. Statt dessen war man auf den Ausweg verfallen, König
Leopold sollte Ferdinand Maria und Johann Georg einen Revers
ausstellen, welcher das Versprechen der kaiserlichen Konfirmation enthalten
und ganz die gleiche Bedeutung wie ein Artikel der Wahlkapitulation selbst
haben sollte. Von bayerischer Seite war man bemüht, auch das Versprechen
einer Kassation der pfälzischen Vikariatshandlungen in diesen Revers zu
bringen; aber alle Bemühungen Dr. Öxls in dieser Beziehung scheiterten an
der hartnäckigen Weigerung des sächsischen Rates Friesen, der, wie Öxl
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Karl Lorv
nur zu wohl wusste, bei Johann Georg allein etwas in staatsrechtlichen
Fragen galt; es blieb Öxl nichts übrig, als von Leopold selbst und dem
Reichsvizekanzler ein diesbezügliches Versprechen auszuwirken 881 ). Beide
erklärten sich in zuvorkommendster Weise dazu bereit, und da die Ver¬
handlungen wegen der erwähnten Kassationsklausel die Ausstellung bis über
die Wahl hinaus verschleppten, wurde der Revers auf den 16. Juli zurück¬
datiert 882 ); einige Zeit nach seiner Krönung — mit Datum vom 5. August 1658
— wurde Bayern auch die kaiserliche Kassation der pfälzischen Vikariats¬
handlungen eingehändigt 888 ).
Eine enge Verbindung zwischen München und Wien schien sich an¬
zubahnen. Von Leibifing über neue Versuche des Pfalzgrafen unterrichtet,
die Anerkennung des pfälzischen Vikariats beim Kammergericht durchzusetzen,
beschwerte sich Ferdinand Maria beim Kaiser 384 ), und dieser zögerte nicht,
dem Gerichte eine Weisung zugehen zu lassen, mit der man in München
sehr wohl zufrieden sein konnte 886 ). Auf der Rückreise von Frankfurt be¬
suchte Leopold den Kurfürsten in München, der Wortlaut des Konfirmatoriums
wurde genau festgestellt, Ferdinand Maria überdies des kaiserlichen
Schutzes in der Vikariatsfrage neuerdings in unzweideutigster Weise ver¬
sichert. Am 8. November endlich wurde im geheimen Rat in Wien das
Projekt einer „engeren Verbindung“ zwischen Bayern und Habsburg eingehend
beraten. Ursprünglich war als zweiter Artikel die Zusicherung österreichischer
Unterstützung gegenüber allen pfälzischen Ansprüchen auf das Reichsvikariat
gedacht, dieser Passus aber wurde gestrichen, und darauf das Projekt, von
einem kaiserlichen Handschreiben begleitet, nach Müncheu gesandt 886 ). Dort
hätte man wahrscheinlich eine andere Antwort gefunden, wäre der ursprüngliche
zweite Artikel noch vorhanden gewesen; so aber hielt Ferdinand Maria die
Zeit noch nicht für gekommen, eine derartige engere Verbindung einzugehen 387 );
schon zuvor waren zur Empfangung der Lehen und Regalien zwei notorische
Franzosen freunde, Graf Fürsteuberg und Dr. Schrnid, nach Wien gesandt
worden 388 ).
Diese ablehnende Haltung Bayerns erscheint um so unbegreiflicher,
als man in München über die zwischen Mainz und Pfalz erfolgte Annäherung
genau unterrichtet war. Hätte Ferdiu and Maria auf einer ausdrücklichen
Erwähnung des Vikariats in dem Projekt bestanden, so hätte Leopold
zweifelsohne nachgegeben, nachdem man in Wien anfänglich von freien Stücken
gesonnen war, ihm dieselbe anzubieten; aber während man in München sonst
bei allen denkbaren Gelegenheiten die Vikariatsfrage in den Vordergrund
drängte, während man die kleinste Reichsstadt um die Anerkennung quälte,
hier, wo vieles, wenn nicht alles auf dem Spiele stand, vermied man ein ent¬
schiedenes Vorgehen, zweifelsohne um den treulosen Johann Philipp und
seinen Verbündeten, Ludwig XIV., nicht zu reizen 889 ); Bayern, das anfangs
so energisch vorgegangen, als es galt, die Kleinen und Kleinsten im Reiche
seine Macht fühlen zu lassen und Patente und Traktate ohne Zahl in die
Welt zu senden, zögerte hier auf dem Gebiete der grossen Politik, wo es sich
wirklich um die Entscheidung handelte, wiederholt — es wird noch darauf
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
219
zurückzukommen sein — eine günstige Gelegenheit zu benützen; einer von
den anfänglich errungenen Vorteilen nach dem andern glitt ihm aus den
Händen, und statt einer raschen Entscheidung war der Erfolg endlose neue
Verhandlungen und schliesslich ein Kompromiss, vor dem man sich in München
doch anfangs sorglich hüten wollte.
Der Kaiser antwortete in der gleichen Weise, wie man in München
sich verhalten hatte: als Bayern auf Ausstellung des Konfirmatoriums drang,
beeilte sich der Kaiser damit ebensowenig wie zuvor der Kurfürst mit der
ihm angebotenen engeren Verbindung, und als man von ihm ein Mahnungs¬
schreiben an den Erzkanzler verlangte, hielt man in Wien dasselbe für ebenso
unzeitgemäss, wie man zuvor in München die Weiterführung des Allianz¬
projektes gehalten hatte. Und doch wäre gerade jetzt für die Sache des
bayerischen Vikariats ein fester Rückhalt notwendig gewesen.
Jener berüchtigte Ausspruch Johann Philipps „Ne sit jurgium inter
fratres!“ hatte zwar eine Aussöhnung zwischen der mainzischen und der über
ihre Misserfolge in der Wahlfrage gereizten französischen Partei dokumentiert,
die Missstimmung beider gegen Bayern aber war geblieben 890 ). Allmählich
hatte das Projekt des Rheinbundes immer festere Gestalt angenommen, Freunde
und Feinde des bayerischen Reichsvikariats vereinend, — Braunschweig und
Hessen so gut wie der Pfalzgraf selbst waren dabei beteiligt. Mainz aber als
Haupt des Bundes musste daran liegen, mit Karl Ludwig sich auszusöhnen.
Durch französische Vermittlung kam auch in der That ein Ausgleich wegen
der bestehenden Misshelligkeiten zustande, und ein geheimer Artikel sicherte
Kurpfalz ausserdem die Unterstützung des Erzkanzlers wegen eines dritten
Reichsvikariats zu, das durch Verwendung der Kurfürsten errichtet und wo¬
durch der Vikariatsstreit aus der Welt geschafft werden sollte 891 ); sollten die
Kurfürsten nicht dazu zu gewinnen sein, so versprach der Erzkanzler die
Sache auf den nächsten Reichstag zu bringen 892 ). Der ganze Vertrag war
ein Meisterstück mainzischer Schacherpolitik, die unter Wahrung aller ihrer
eigenen Interessen fremde Rechte, Rechte eines Bundesgenossen obendrein,
verkaufte, und jedenfalls ein Beitrag zur Charakteristik dieses Schönborn,
der unter dem Deckmantel seiner Friedenspolitik eigenen Vorteil wohl zu
wahren wusste. Glückte es ihm, sein Versprechen zu realisieren, so durfte er
an dem Beitritt des Pfalzgrafen zur rheinischen Allianz — denn dahin zielten
ja wohl auch vor allem diese Liebeswerbungen — nicht mehr zweifeln.
Die nächste Folge des mainzisch-pfälzischen Vertrages war, dass der
Erzkanzler ein Kollegialschreiben zur Mitunterfertigung bei den Kurfürsten
herumschickte, in welchem Ferdinand Maria die vom Pfalzgrafen geleistete
Satisfaktion offiziell mitgeteilt und zum Schluss die Interposition der Kur¬
fürsten auch in der Rechtsfrage in Aussicht gestellt wurde. Dr. Öxl erhielt
durch seine geheimen Verbindungen noch während seiner Anwesenheit in
Frankfurt davon Nachricht. Ferdinand Maria wandte sich au den
Kaiser 398 ), und dieser erklärte sich mit dem Vorhaben des Kurfürsten, das
betreffende Schreiben, wenn noch irgend möglich, abzufangen, einverstanden
im übrigen aber, war seine Antwort, ,habe es bei dem zu verbleiben, wozu er
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Karl Lory
sich jüngst zu München erboten“, dass er nämlich „zu mehrerer Feststellung
Kurbayerns diesfalls habenden Rechtes“ bei der neuen Investitur sich in specie
auf die früheren von 1623, 1628 und 1638 beziehen, und dem Kurfürsten
„von tragenden kaiserlichen Amts wegen“ allen Schutz widerfahren lassen
werde 894 ). Einige Zeit später wurde dann jenes schon erwähnte Allianzprojekt
ausgearbeitet, und wenn darin der Artikel über das Reichsvikariat gestrichen
wurde, so geschah es wohl nur, um den Schein einer feindlichen Spitze gegen
den Rheinbund zu vermeiden, vielleicht auch, um die Frage der Interposition
nicht durch eine voreilige Gegenaktion ins Rollen zu bringen. Sicherlich
aber konnte Bayern nach dem zuvor gewechselten Meinungsaustausch an der
österreichischen Unterstützung hinsichtlich des Vikariats mit Recht wenigstens
keinen Augenblick zweifeln; hätte Ferdinand Maria vorurteilslos die Lage
überschaut, so hätte er sich nicht verhehlen können, dass er wie der Kaiser
in den Rheinbundfürsten mindestens keine Freunde sehen durfte, und dass
ihnen gegenüber ein Rückhalt nicht schaden könne. Durch die Zurückweisung
des Projektes aber verletzte er nicht nur den Kaiser, seinen natürlichen Bundes¬
genossen, er setzte sich überdies noch der Gefahr aus, demselben verdächtig
zu fallen.
Zu spät gingen dem Kurfürsten die Augen auf; erst als der Erzkanzler
gerade entgegen den Bestimmungen des bayerisch-mainzischen Vertrags den
Vikariatsstreit vor das Kurfürstenkollegium zu ziehen suchte, scheint es ihm
klar geworden zu sein, dass er von dieser Seite nichts mehr zu erwarten habe.
Denn zunächst scheint er noch immer gezweifelt zu haben, ob Johann
Philipp mit einer öffentlichen Begünstigung des Pfalzgrafen Ernst machen
werde. Am 17. Oktober sandte er dem Kurfürstenkollegium einen Protest
gegen die Zumutung, sein Recht durch eine „Interposition“ in Zweifel ziehen
zu lassen 896 ). Während er aber noch an die Mehrzahl der Kurfürsten einzeln
sich wandte mit leeren Redensarten, er wolle hoffen, man werde ihm nichts
präjudizieren, er sehe nicht ein, wozu eine Interposition dienen könne u. s. w.,
bereiteten der Pfalzgraf und der Erzkanzler einen neuen, schweren Schlag
gegen ihn vor, und nur ganz besonders glücklichen Umständen hatte er es
zu verdanken, dass derselbe nicht ein vernichtender wurde, dass ihm derselbe
sogar einen neuen, starken Bundesgenossen brachte, dessen Hand der Kurfürst
freilich abermals zurückwies.
Der Pfalzgraf fürchtete die Ausstellung des kaiserlichen Konfirmatoriums
für seinen Gegner und wandte sich an seinen neuen Bundesgenossen mit der
Bitte, dieselbe zu hintertreiben; als Johann Philipp dem pfälzischen ge¬
heimen Rate Frays, den er zwar sehr ehrenvoll aufgenommen hatte, bedeutete,
er werde das nicht wohl können, wenn der Kaiser die feste Absicht habe,
schrieb ihm Karl Ludwig am 8. Oktober, derartige Konfirmatorien pflegten
zur Erlangung der Giltigkeit vom Erzkanzler gegen gezeichnet zu werden, er
solle sich daher gegebenen Falls dessen weigern; eine andere Angelegenheit
schien ihm aber für den Augenblick dringlicher: er erinnerte den Kurfürsten
an „die zu veranlassende bewusste Erörterung der Hauptsach“ 89Ä ). Kur-Mainz
hatte nämlich, wovon der Pfalzgraf natürlich unterrichtet war, ein vom 24. Juli
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
221
datiertes Schreiben Karl Gustavs von Schweden, worin Ferdinand Maria
in der schärfsten Weise des Friedensbruches bezichtigt und die Kurfürsten
zum Einschreiten gegen ihn aufgefordert wurden 897 ), bisher zurückgehalten.
Auch jetzt noch zögerte J o h a n n Philipp, wahrscheinlich selbst etwas bange
vor den etwaigen Folgen dieser unerhörten Anmassung eines fremden Staates
in internen Angelegenheiten des Reiches, mit der Veröffentlichung. Am
29. Dezember aber machte er Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg davon
Mitteilung mit der Motivierung, er hätte es aus Rücksicht auf den lieben
Frieden gerne ganz unterdrückt, sei aber in einer Weise gedrängt worden,
dass er nicht länger damit habe zurückhalten können 398 ). Zwei Tage später
schickte Blum seinem Freunde Öxl Nachricht von diesem Schritte seines
Herrn nach München, worin er denselben freilich auch so gut als möglich
zu entschuldigen suchte und die Sache so darstellte, als bedauere dieser
selbst, nicht anders haben handeln zu können 899 ). Der Erzkanzler aber beeilte
sich, den ersten Teil jenes geheimen Artikels zur Ausführung zu bringen:
Blum selbst wurde nach München gesandt, er hatte den Auftrag, dem Kur¬
fürsten kurz und bündig zu erklären, der Erzkanzler halte es für erspriesslich,
dass der Vikariatsstreit vor dem Kurfürstenkollegium als der gesetzlichen
Instanz ausgetragen und der Pfalzgraf ein drittes Vikariat erhalten würde 400 ).
Der Bescheid, den Blum erhielt, war ein abschlägiger, wie auch nach
dem bisherigen Verhalten Ferdinand Marias nicht anders zu erwarten
stand; man könne in München diesen Gesinnungswechsel überhaupt nicht
begreifen und habe auch keine Lust, sein klares Recht in Zweifel ziehen
zu lassen 401 ). Und gleichzeitig hätte sich dem Kurfürsten Gelegenheit ge¬
boten, den Angriff des Erzkanzlers zu einer Waffe wider seine Gegner zu
gestalten und damit seinem abschlägigen Bescheid einen realen Rückhalt zu
geben. Denn bei den meisten Kurfürsten hatte die Veröffentlichung des
schwedischen Schreibens das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung hervor¬
gebracht. Nicht einmal der Kölner, nächst Mainz das einzige Mitglied des
rheinischen Bundes im Kurfürstenkollegium, war für die Interposition; er
suchte zwar seinen Alliierten, von dessen guter Absicht er überzeugt sei,
notdürftig zu entschuldigen, verhehlte aber nicht, er hätte gewünscht, die
Sache „ohne Schmälerung der Rechte Bayerns“ zum Austrag zu bringen 402 ).
Sachsen aber, vor die Notwendigkeit gestellt, dem Reformierten seine Dienste
anzubieten, beeilte sich, Johann Philipp seine Missbilligung der vor¬
genommenen Veröffentlichung des schwedischen Schreibens auszudrücken 408 )
und Ferdinand Maria seiner nach wie vor unveränderten Gesinnung zu
versichern 404 ). Jene beiden Kurfürsten aber, welche anfänglich an den
Rheinbund Verhandlungen teil genommen hatten, dann aber zurückgetreten
waren, äusserteu sich noch deutlicher. Karl Kaspar von Trier liess
das Mainzische Schreiben überhaupt unbeantwortet und versicherte Ferdinand
Maria, er werde stets für Bayerns Rechte eintreten 405 ); in der Folgezeit trat
dieser Kurfürst in jene Mentorrolle ein, welche in den Anfängen des Vikariats¬
streites Johann Philipp gespielt hatte, und ohne die Ferdinand Maria
augenscheinlich nicht weiter zu kommen wusste. Vor allem aber brachte die
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Karl Lory
schwedische Aumassung nun auch noch den einzigen Kurfürsten, der bisher
in der Vikariatsfrage eine neutrale Zurückhaltung beobachtet hatte, Friedrich
Wilhelm von Brandenburg, zu offener Parteinahme : für die bayerische
Sache. Friedrich Wilhelm hatte schon längst mit Karl Gustav,
seinem natürlichen Gegner, gebrochen; eine Annäherung desselben an den
Kaiser war eingetreten; dem Rheinbundsprojekt war er von Anfang an nur
scheinbar günstig gegenüber gestanden. Jetzt war er der erste, welcher
Johann Philipp in der schärfsten Weise antwortete: er habe von Bayern
niemals auch nur das Geringste vernommen, was einer Friedensstörung gleich
komme; und mit Bezug auf die schweren Ausfälle, die Karl Gustav sich
auch gegen den Kaiser erlaubt hatte, meinte er, es sei nur allzubegreiflich,
dass Schweden dem Kaiser abhold sei, denn es greife die Reichsgesetze an,
die der Kaiser schützen wolle 406 ). Ferdinand Maria, von Trier über
Friedrich Wilhelms Antwort insgeheim unterrichtet, bedankte sich dafür
in Berlin und erhielt darauf eine Antwort, welche einem Bündnisantrag so
ziemlich gleichkam. Der Kurfürst sei ihm keinen Dank schuldig, antwortete
Friedrich Wilhelm, er habe nicht mehr gethan, als einem Kurfürsten in
dergleichen occasion zu thun obliege; sie sollten sich gegenseitig vertraulich
ins Benehmen setzen und sich bei dem Bestreben, des hl. Reiches tranquillität
und Sicherheit zu befördern, unterstützen, da er allein auf die Dauer dazu
kaum imstande sein dürfte, worauf noch ein nicht misszuverstehender Hin¬
weis auf die Mittel, die Bayern an die Hand gegeben wären, folgte; was den
Mainzischen Vorschlag eines dritten Vikariats betreffe, so thue zwar der Erz¬
kanzler, als ob solches lediglich von ihm allein dependierte, allein auch
Brandenburg befinde sich dabei merklich interessiert 407 ). Ferdinand
Maria antwortete darauf, er werde des Kurfürsten Unterstützung wegen des
dritten Reichsvikariats durch einen nicht geringeren Eifer für die branden-
burgischen Angelegenheiten erwidern, versprach auch seinerseits für des
Vaterlandes Wohlfahrt und Ruhe nach Kräften wirken zu wollen, aber die
Gelegenheit zu einem engeren Zusammenschluss mit Brandenburg-Preussen
liess er doch ungenützt vorübergehen 408 ). Freilich blieben die freundschaft¬
lichen Beziehungen zwischen München und Berlin bestehen 409 ), wie Friedrich
Wilhelm auch wohl der einzige war, der auf Ferdinand Marias Auf¬
forderung hin 410 ) dem Pfalzgrafen eine scharfe Mahnung zur Ruhe zugehen
liess 411 ); aber wie ganz anders hätte sich die Lage gestaltet, hätte man in
München die Allianz mit Habsburg nicht von der Hand gewiesen und die¬
selbe nunmehr durch Heranziehung Preussens zu einem Bunde ausgestaltet,
der wohl imstande gewesen wäre, dem Rheinbund die Wagschale zu halten!
Ferdinand Maria hatte nicht gezögert, dem Kaiser von Blums
Anbringen und dem darauf erteilten Bescheid Nachricht zu geben; daran
hatte er die Bitte geknüpft, Mainz als Antwort auf die Veröffentlichung des
schwedischen Schreibens eiu kaiserliches „Abmahnungsschreiben“ zukommen
zu lassen, zugleich war Dr. Schmid angewiesen worden, die Ausstellung
desselben beim Reichsvizekanzler zu fördern 413 ). Der Kaiser lobte nun aller¬
dings den dem Blum gegebenen Bescheid als wohldurchdacht, den Augenblick
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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zu einem solchem Abmahnungsschreiben hielt er aber noch nicht für ge¬
kommen 418 ). Am schmerzlichsten jedoch musste man in München jetzt em¬
pfinden, dass in Wien nicht mehr die frühere Bereitwilligkeit den Wünschen
Bayerns gegenüber vorhanden war, als man auf Ausfertigung des ver¬
sprochenen Konfirmatoriums drang. Schon Ende des Jahres 1658 hatte
Schmid wegen desselben angefragt, man hatte ihm geantwortet, die
Vikariatshandlungen seien dem Reichshofrat zur Begutachtung und Prüfung
vorgelegt worden, nachdem derselbe die Akten bereits remittiert, werde das
Konfirmatorium alsbald ausgestellt werden. Ferdinand Maria beschwerte
sich aufs höchste, dass seine Vikariatshandlungen beim Reichshofrat „gleich¬
sam in einen Prozess“ gezogen würden, und Schmid drang neuerdings auf
die Ausfertigung der Bestätigung. Am 27. Januar aber wurde ihm eröffnet,
dieselbe werde nur unter der Bedingung erfolgen, dass Bayern die Exemption
sämtlicher habsburgischer Erblande von der Machtbefugnis der Reichsvikare
anerkenne, dass die Bestätigung den Parteien nicht die üblichen remedia juris
benehme, und dass von einer Insinuation der Bestätigung beim Reichshofrat
Abstand genommen würde.. Auch die Bemerkung, das Konfirmatorium habe
die gleiche Bedeutung wie ein Artikel der Wahlkapitulation, wurde verweigert
Schliesslich erklärte man Schmid überhaupt, Sachsen habe noch nie ein
Konfirmatorium eingeholt, man glaube, es werde auch diesmal davon Abstand
nehmen. Umsonst waren alle Bemühungen S c h m i d s, alle Mahnungsschreiben
und Bitten, alle Klagen und Vorwürfe des Kurfürsten; überall hatte man
darauf nur Ausflüchte und Ausreden auf den Karneval und -die Fastenzeit;
in der Hauptsache aber blieb man fest. Schmid hatte bereits in allen
Punkten nachgeben müssen, nur auf die Insinuation beim Reichshofrat glaubte
Bayern nicht verzichten zu können. Ein schwerer Schlag für die bayerische
Sache war auch die tödliche Erkrankung des Reichsvizekanzlers. Schon war
das Abberufungsschreiben au Schmid auf dem Wege, als endlich, am 18. April,
ein Reskript der kaiserlichen Kanzlei den Reichshofrat anwies, auf grund
der bayerischen Vikariatshandlungen, welche dem Kurfürsten vom Kaiser
bestätigt worden wären, in Zukunft zu verfahren. Doch soll nicht unerwähnt
bleiben, dass der Reichshofrat schon zuvor auf grund der bayerischen Vikariats¬
handlungen erkannt hatte, wovon Schmid durch den Augenschein sich zu
überzeugen Gelegenheit geboten war.
.Noch länger als die Insinuation des Konfirmatoriums beim Reichs¬
hofrat verzögerte sich das Abmahnungsschreiben an den Erzkanzler, um dessen
Ausfertigung der Kurfürst wowöglich noch dringender gebeten hatte. Am
21. April — wahrscheinlich unter dem Eindruck der Abberufung Schmids —
erklärte sich der Kaiser dazu bereit, falls der Kurfürst es durchaus wünsche;
am 8. Mai hatte Ferdinand Maria mit neuen Bitten geantwortet, aber
erst am 9. Juli (!) wurde das Konzept eines solchen nach München gesandt,
und der Kurfürst, dem diese Frage wie grausamer Hohn klingen musste,
wurde nochmals gefragt, ob er denn die Absendung wirklich wünsche; am
25. Juli erfolgte die Antwort aus München, und nun erst ging das Schreiben,
allerdings auf den 8. Juli zurückdatiert, nach Mainz ab. In demselben drückte
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Karl Lory
der Kaiser sein Befremden darüber aus, dass Mainz ihm nicht auch das schwedische
Schreiben mitgeteilt habe, daran war eine kurze Ermahnung zur Erhaltung des
Friedens geknüpft, Mainz solle sich der mit so grosser Mühe endlich ab¬
gehandelten Sache nicht weiter annehmen 414 ).
Unterdessen war die Zeit gekommen, da sich auf Einladung des Kaisers
hin die Reichsstände und ihre Deputierten in Regensburg versammeln sollten.
Von seinen ehemals treuesten Bundesgenossen konnte Ferdinand Maria
nur noch auf Karl Kaspar von Trier mit Bestimmtheit rechnen, welcher
den ganzen Sommer 1659 hindurch fortgesetzt in freundschaftlichen Be¬
ziehungen zum Münchener Hofe blieb. Die Haltung des Kölners dagegen
war mehr als zweifelhaft; er hatte Ferdinand Maria geschrieben, das ge¬
samte Kollegium sei bei dem schwedischen Schreiben interessiert, er werde
sich angelegen sein lassen, dass durch dasselbe dasjenige in die Hand ge¬
nommen werde, was zu ungekränkter Erhaltung des Friedensschlusses diene
-- Worte, welche nach Belieben gedeutet werden konnten 41 r> ). Mainz aber
hatte jetzt sogar einen neuen Grund, gegen Ferdinand Maria Stellung zu
nehmen; dieser (und mit ihm Trier, Sachsen und Brandenburg) begünstigte
ja die vom Kaiser gewünschte Verlegung des Reichstages nach Regensburg
und hatte auch Johann Philipp dafür zu gewinnen gesucht; ein un¬
genannter Mainzischer Beamter verfasste daraufhin eine kurze Denkschrift,
welche ein helles Licht auf die wachsende Abneigung gegen Bayern in
Maiuzischen Kreisen wirft: er halte es für schändlich, dass der Erzkanzler sich
mit dem Bayern noch weiter in disputat einlassen solle; man möge demselben
simpliciter bedeuten, dass keine translatiou alicuius publici conventus per privata
suffragia, sondern allein per publica conclusa vorgenommen werden könne 416 ).
Der Wille des Kaisers blieb aber schliesslich doch stärker als der
Widerstand des Kurfürsten von Mainz; die Verhandlungen zu Regensburg
begannen, und Johann Philipp musste, wollte er den Verpflichtungen des
Vertrages mit dem Pfalzgrafen nachkommen, die Frage eines dritten Vikariats
hier zur Sprache bringen.
Anhang 1.
Die litterarisch e Fehde.
Der erste Ausbruch zwischen Bayern und Pfalz produzierte eine Anzahl
von Traktaten und Flugschriften, welche in ermüdender Breite die in der
Einleitung auseinandergesetzten Rechtsgründe wiederholten und daher nur der
Vollzähligkeit halber hier aufgezählt werden sollen.
Das M. St. A. 417 ) bewahrt in zwei Abschriften das Gutachten des Reichs¬
hofrates Bonn „über die Bewandtnis der Reichsvikariaten“, worin die Gründe
pro et contra ohne Parteinahme für einen der beiden Konkurrenten abgewogen
werden. Kanzler Schmid, welcher die Mehrzahl der bayerischen Streit¬
schriften, wie er von sich selbst gesteht, verfasste, stellte an der Hand dieses
Gutachtens, jedenfalls als Grundlage seiner weiteren Arbeiten in dieser Richtung,
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
225
„Rationes Notabiliores, Quare Vic. Imp. spectet ad sereniss. Elect. Bavariae,
non Palatinum“ zusammen 418 ). In Druck erschienen von bayerischer Seite:
1. Chur-Bayerischer Gegen - Bericht, dass das Vicariat - Recht, vermöge
der Chur-Würde, Chur-Bayern und nicht Chur-Pfaltz zustehe. München,
1657. 4°. 4,# ).
2. Fernere Anzeigung über die Chur-Pf alt zische Ableinungsschrift, das
Vicariat betreffend. Frankfurt a. M., 1657 42 °).
3. Endliche abgenötigte Ableinung der Churpfältzischen Abfertigung
des Vikariats. München, 1658 421 ).
4. Refutation du Manifeste Palatin, contenante les preuves evidentes du
Droit, que etc. Ferdinand Marie, Duc des deux Bavieres etc. et sa Maison
Electorale a au Vicariat du S. Empire k l’exclusion de Charles Louys, Comte
Palatin, etc. ä Munich, 1657 422 ). — Auch lateinisch als Refutatio solida etc.
5. Wenige Gedanken, von was importanz und Erheblichkeit das von
Chur-Heidelberg den 1. Mai dieses 1657. Jahrswegen des hl. Reichs Vicariat in
offenem Druck ausgegangene manifest sein möge. — Das Konzept im M. St. A.
ist datiert: Amberg, 15. Juni 1657; unterzeichnet ist Adam Lorenz
Bohembt, Canzler.
Alle diese Schriften sind also nur Antworten auf pfäzische Angriffe;
von seiten Karl Ludwigs wurde bereits am 1. Mai 1657 die literarische
Fehde eröffnet durch
1. Kurtzer und summarischer Bericht, dass das Vicariat in den Landen
des Rheins etc. Chur-Pfaltz zustehe und gebühre. Heidelberg, 1657 428 ).
2. Ableinung des von Chur-Bayern in puncto juris Vicariatus wider den
Chur-Pfältzischen summarischen Bericht ausgegangenen Gegenberichts. 1657 424 ).
3. Chur - Pfälzische Abfertigung der ferneren Anzeige wegen des am
Rhein, Schwaben und fränkischen Reich-Vikariats. Heidelberg 1658 425 ).
4. Manifeste pour etc. Charles Louis, Comte Palatin etc., contenant
un abrege des raisons de son Droit sur le Vicariat de 1 ’Empire daus les Cercles
du Rhin, de la Suebe et du Droit Franconique. Heidelberg 1657 426 ).
5. Discours sur les affaires d’Allemagne, et sur le Vicariat de rempire. —
Das 322 Seiten starke Buch ist dem Herzog von Gramont gewidmet die
Widmung ist unterzeichnet E. S. (Ezechiel Span heim? vergl. Jöcher,
Gelehrtenlexikon).
6. Vicariatus Imperii Palatiuus, defensus auctore Nordenio 417 ).
Schon im April 1657 hatte Weyprecht von Gemmigen Karl
Ludwig auf Hermann Conriug in Helmstädt aufmerksam gemacht 428 ).
Der Pfalzgraf hatte diesen Wink nicht unbeachtet gelassen, und bereits im Juli
war ein Traktat Con ri n gs „de defensioue juris Palatini“ nahezu fertig, eine
Reise des Gelehrten nach Ostfriesland scheint aber die Publikation verhindert
zu haben 429 ). Da kam im folgenden Jahre das Manuskript des „Vicariatus
Defensus“ dem Pfalzgrafen zu Gesicht und gefiel ihm so wohl, dass er es
drucken liess; erst nachdem dies geschehen, wurde ihm Hermann Conring
als Verfasser bekannt 480 ). Derselbe war mit der vorgenommenen Veränderung
der Schlusspartie (er hatte hier die Entscheidung dem Reichstag resp. den
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Karl L,ory
Reichsständen anheim gestellt) freilich nicht so ganz einverstanden 481 ), erklärte
auch, wegen der grossen Entfernung von Helmstädt keine Verbesserungen
vornehmen zu können, überliess es aber im übrigen dem Kurfürsten, mit dem
Traktat nach Belieben zu schalten und zu walten, nur sollte derselbe das
Pseudonym wahren 482 ). In Anerkennung seiner Dienste liess ihm Karl
Ludwig durch Kanzler Mi eg einen Pokal im Werte von 40 rheinischen
Thalern zustellen 438 ).
Es soll hier nicht vergessen werden, zu erwähnen, dass derselbe Conring
sich von Ferdinand Maria als Reichsvikar ein Privileg gegen Nachdruck
seiner Bücher ausstellen liess.
Anhang 2.
Der „Proventus Imperii“ durch Bayern (und Sachsen).
Anfangs fehlte es nicht an Versuchen der beiden Reichsvikare, wegen
gemeinsamer Inangriffnahme der Reichsgeschäfte sich zu vereinigen. Sehr
bald aber schon kam man davon wieder ab, und nur gering sind im allge¬
meinen die „Vikariatshandlungen“, die wir zu verzeichnen haben.
Am 2. Mai hatte Ferdinand Maria den beiden Reichsfiskalen
Pley mann und Reste au die Übernahme des Vikariats an gezeigt 434 ); am
8. Mai 1657 sandte ihm darauf der erstere seinen Glückwunsch mit der
Nachricht, das pfälzische „Ansinnen“ habe er unbeantwortet gelassen 436 ).
Auf die Aufforderung der Reichsvikare hin wies er sich am 5. Juni über
den Stand der Reichsfinanzen aus, bitter über die säumigen Zahler im Reiche
sich beklagend und die Unterstützung der Vikare gegen sie anrufend 436 ).
Allein sein Kollege Reste au bereitete die ersten Schwierigkeiten, er weigerte
sich, vor den Gesandten der Vikare in Frankfurt mit Pley mann abzurechnen;
letzterer starb im Herbste des nämlichen Jahres, Sachsen und Bayern beeilten
sich, die Versiegelung seiner Kasse vorzunehmen, der Pfalzgraf wies seinen
Kanzler an, dafür zu sorgen, dass auch von pfälzischer Seite die Versiegelung
vorgenommen werde 487 ). Die erledigte Reichspfennigmeisterstelle erhielt auf
Verwendung des Erzbischofs von Trier hin der Freiherr von Hohenfeld,
der durch die Gesandten der Reichsvikare in Frankfurt in Pflicht ge¬
nommen wurde 438 ).
Vor allem aber beeilten sich sämtliche drei Reichsvikare, Vikariats¬
gerichte ins Leben zu rufen. Näheres konnte der Verfasser nur bezüglich des
bayerischen eruieren. Im ganzen wurden hier 159 Gerichtshändel ver-
beschieden. Zahlreich waren die erteilten Privilegien gegen Nachdruck von
Büchern, auch die Erlaubnis zur Wappenänderung wurde wiederholt aus¬
gesprochen; mehrere Nachkommen unehrlicher Leute wurden ehrlich erklärt,
einige wirkten wohl auch den Schutz des Vikariatsgerichtes aus, dass
ihnen begangene Übelthaten „nicht schädlich sein sollten“. Die Klientel des
Vikariatsgerichtes beschränkte sich natürlich hauptsächlich auf Bayern und
die angrenzenden Teile Frankens und Schwabens. Nach Ablauf des Vikariats
wurden die Gerichtsakten an den Reichshofrat gesandt, nur die Duplikate
wurden zurückbehalten 439 ).
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
227
Einen politischen Beigeschmack haben die Versuche Ferdinand
Marias, beim Reichshofrat die zur Fortführung einiger Prozesse not¬
wendigen Akten ausgeliefert zu erhalten, Versuche, welche trotz aller Be¬
mühungen zu keinem Resultate führten; dieselben erinnern lebhaft an die
Bestrebungen des Kurfürsten, das versprochene Konfirmatorium auszuwirken.
Seit dem 27. Juli 1657 bemühte sich Ferdinand Maria fort und fort,
durch Vermittelung des Erzkanzlers beim Reichsvizekanzler die Auslieferung
der Akten durchzusetzen. Im Dezember endlich gab Johann Philipp dem
Grafen Kurz wiederholt den entsprechenden Befehl, widerrief denselben aber
am 4. Januar 1658 wenigstens hinsichtlich des Prozesses der Brüder Öttingen,
nachdem der eine der letzteren ihn am 21. Dezember darum ersucht hatte;
Graf Kurz aber war ohnehin nicht gesonnen, auch nur einen einzigen Akt
ausliefern zu lassen, er antwortete dem Erzkanzler mit steten Versicherungen
seiner Bereitwilligkeit, doch sei noch niemand erschienen, um die Akten ab-
zuliolen u. s. w.; am 20. März erklärte er endlich Ferdinand Maria
selbst rundweg, er könne aus administrativen Gründen die nach dem Tode
des Kaisers versiegelten Akten nicht eröffnen 440 ). —
Ein von Dr. Gay ausgestelltes „Gutachten über die quaestion, ob die
Reichsvasallen sede Caesarea vacante adeoque durante Vicariatu die Reichs¬
lehen intra annum et diem sub caducitate bei diesem Vicariat zu empfangen
haben“ 441 ), kam zwar zu dem negativen Resultat, ein derartiges Unterfangen
könne grossen Nachteil nach sich ziehen, und es sei nicht consilii, solches
zu versuchen; als aber verschiedene Reichsstädte, darunter Nürnberg und
Strassburg, nach Ablauf der gesetzlichen Frist hei Ferdinand Maria um
kurze Verschiebung des Termins zur Lehenserneuerung einkamen 442 ) und
der Kurfürst daraus ersehen mochte* dass im Reiche da und dort wenigstens
eine von Dr. Gays Gutachten abweichende Auffassung vorhanden sei, er¬
schienen am 11. April gedruckte Patente, welche zur Rekognition und Wieder¬
empfang der Reichslehen binnen Monatsfrist aufforderten 448 ). Am j, 10, Mai
folgten die pfälzischen 444 ). 74 Reichsvasallen meldeten sich daraufhin beim
Vikariatsgericht an und empfingen von demselben ihre Lehen aufs neue,
darunter die schwäbische Reichsritterschaft des Donauviertels, die Reichs¬
ritterschaft im unteren Eteass, sämtliche Grafen Fugger, die Freiherm
von Freiberg, der Dompropst zu Constanz, der Abt zu Elchingen, der Abt
zu Kempten, der Abt zu St. Emmeram, die Städte Nürnberg, Augsburg,
Frankfurt, Strassburg, Kempten, Kaufbeuren, Altdorf, Ulm u. s. w. —
Die gedrängte Übersicht über die Vikariatshaudlungen Ferdinand
Marias wäre unvollständig ohne die Erwähnung seines Eingreifens in den
Wildfangstreit und in die sog. Münsterische Fehde, in welcher er gemeinsam
mit Johann Georg vorging.
Schon Ende Mai 1657 empfahl Emmerich Dr. Öxl wiederholt und
dringend, bei Ferdinand Maria dahin zu wirken, dass sich derselbe des
durch den Wildfangstreit hart bedrängten Bischofs von Speier annehme 445 ).
Von Leibifing scheint darauf nähere Information wegen des Wildfangrechtes
eingeholt worden zu sein, und am 16. Juli schrieb der Kurfürst demselben,
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Karl Lory
da er die Nachricht erlangt habe, dass das Wildfangrecht kraft der auf ihn
und seine Nachkommen transferierten Kurwürde, des Truchsessenamtes und
insonderheit der davon dependierenden Vikariatsgerechtigkeit ausgeübt werde, so
sehe er sich genötigt, den pfälzischen Anmassungen entgegenzutreten 446 ). Es
erschien in der That ein Patent, welches das Wildfangrecht für Bayern in An¬
spruch nahm 441 ), dabei aber hatte es sein Verbleiben, und in Speier und an anderen
Orten dürfte mau wohl über diese merkwürdige Hilfeleistung die Köpfe ge¬
schüttelt haben.
In der Fehde zwischen dem Bischof Bernhard und der Stadt
Münster, welche mit den Hansastädten und Niederlanden gegen ersteren sich
verbündete, richteten beide Reichsvikare wiederholt Gesamtschreiben an die
Stadt wie an den Bischof, alle im Sinne einer Mahnung zum Frieden abge¬
fasst; da dieselben aber auf den Gang der Fehde kaum einen Einfluss aus¬
übten, kann von einem näheren Eingehen auf dieselben hier billig Abstand
genommen werden 418 ).
Anhang 3.
Einnahmen aus dem bayer. Reiclis vikari at 449 ).
Bei Verleihung der Reichslehen ist angefallen an Taxgeldern 1492 fl.;
davon zum Hofzahlamt...922 fl.;
Rest bei der geh. Kanzlei..570 fl.
Die Kanzlei-jura haben ertragen in allem 460 ).569 fl.;
davon ist gegeben worden Sekretär Berchem .100 fl.;
2 Kanzlisten der Hofkanzlei 451 ) ä 40 fl. 80 fl. ;
dem Kanzleijungen und Boten je 20 fl. 40 fl.;
* 220 fl.
Die übrigen 349 fl. sind unter die sieben Kanzlei verwandten verteilt worden.
Anhang 4.
Remunerationen für die Vikari atshof gerichtsräte 462 ).
Ein kurfürstliches Dekret an die Hofkammer bestimmte am 7. Nov. 1658,
dass von den sieben Räten, welche dem Vikariatsgericht „sonderbar verordnet“
geweseu und demselben neben ihren sonstigen Obliegenheiten „abgewartet“
hatten, nämlich Joh. Christ. Tauner, Kämmerer und Revisionsrat, Dr. Ernst,
Hofkanzler und Geheimrat, Dr. Kasp. Schmid, geheimer Rat, Dr. Inninger,
Sterz, Wämpl, Stier, sämtliche Revisions-, Hof- uud Kammerräte, zur
Belohnung einem jeden eine goldene Kette im Werte von 300 fl. und des
Kurfürsten Bildnis verliehen werde.
Dazu seien die 922 fl., so bisher an Reichs-Lehen-Taxen eiugegangen
wären, zu verwenden, das Fehlende sei aus anderweitigen Gefällen herzunehmen.
Am 20. September 1659 bat Kaspar Schmid 453 ) um die seitdem
neuerdings angefallenen Lelieutaxen (im Betrag von 652 fl.), und sein Gesuch
wurde bewilligt, jedoch die Auslieferung des Geldes geheim gehalten, um nicht
die Unzufriedenheit der übrigen Räte zu erregen.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
22 $
Anhang 5.
Karl Gustav von Schweden an die Kurfürsten, 24. Juli 1658.
Nos Carolus Gustavus D. G. Suecorum Gotorum Vandalorumque Rex etc.
Pervenit ad aures nostras, litem quandam in Collegio Electorali non ita pridem
esse subnatam inter D. D. Electores Bavariae & Palatinatus Rheni ex ea
potissimum causa, quod post quandatn protestationem modestissimis verbis ab
Electore Palatino factam, Legatus Bavaricus in pleno etiara concessu reli-
quorum D. D. Electorum haud dubitaverit, contra amnestiae publicas leges
eas voces proferre, quae non possint non esse Instrumento pacis noxiae, ac
Domui Palatinae insigni probro ac ignominiae. Si ergo ex tali offensione, quae
et publice erat intolerauda, et proprium concernebat Domus honorem, non
nihil commotus sit Elector Palatinus, atque justa indignatione accensus ex
continuatione contumeliosae recitationis legati ultra modum audacis, haud certe
mirandum est. Quid enim injustius aut iudignius est, quam in Augusto
Collegio Electorali audire hominem verbis intemperantem & dissolutum de
industria refricare vulnera tot iucommodis reipublicae sanata? Cognitum tarnen
est tarn ante hanc contentionem quam post eam nihilnon concessisse Electorem
Palatinuni Rheni cura ac Studio rediutegrandae concordiae, cum e contra nil-
nisi bellum spiret et minetur Bavarus, atque ea paret, quae tranquillitatem
publicam ab ea quoque parte haud dubie fodicatura sunt. Nunc vero si causam
propius inspexerint et enucleaverint Dil i8 V ria constabit, Electorem Bavariae
nullo certe jure sed ob solum pacis amorem consecutum esse has dignitates
et praerogativas, quibus nunc in Collegio Dil or Vest ror - conspicitur, atque
propterea par esset, ut iisdem gauderet et frueretur absque pacis laesione, et
dedecore eius, cui eximia haec accessio detracta est. Cum autem videatur non
satis contentus esse, sed sub specie necessariae conteutionis anxie quaerere
veile causam belli et dissensionis, eius rei rationem aliam subducere nequimus,
nisi quod ab ea Germanica parte pacem publicam non minus ille temerare
constituerit, quam Domus Austriaca cum suis adhaerentibus hisce in oris
eandem assidue vellicat. Relinquimus autem Dil iH \ TTi8 judicandum, quid
ex talibus attentatis tandem proveniat S. J. Romano, si nou occludantur, et quam
periculosa sint haec, quae fabricantur molimina. Proinde a Dil iM V ris amice
requirere volumus, ut pro viribus omnibus in laudabili pacis tueudae proposito
perseverantes prospiciant, ne fenestra nimis aperiatur malis admittendis, quae
postea in quemvis recepta tramitem, non nisi difficulter sisti possunt, atque
si rationem habere velint, ne majore exinde generentur, et medicina, quae
serius adhibetur sanationi, impar deprehendatur. Haec pro perpetua illa cura,
qua ducimur in Germania tranquillitate ad D° 8 V 1 ™ perscribenda censuimus,
non dubitautes, quin exinde perspiciant affectum Nostrum et ea pro prudentia
sua acturi sint, quae in pacis conservationem, unicum nostrum scopum, colli-
mare et vergere possint.
Dedim. Wismariae etc.
Bayer. Forschungen, VII, 3.
16
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Quellen* und Litteraturnachweise
1) Die Theorie kam freilich auch auf ähnliche Gedanken; cfr. Gewold, De
Sacr. Rom. Imp. Septemviratu (1616), c. XI, p. 198: „moriente quamvis Caesare, Tribunal
tarnen istud summum non moritur (nämlich das Reichskammergericht); sed non secus
atque Imperium ipsum idem semper manet, vivit, suamque integritatem, authoritatem,
ac majestatem absque ulla diminutione retinet“. Wie wenig aber gerade das Reichsvikariat,
welches G. bei diesen Worten im Auge hat, geeignet war, den angedeuteten Zweck zu
erfüllen, kann vielleicht nichts schlagender beweisen als eine Geschichte des Vikariats¬
streites nach dem Tode Ferdinands III.
2) Man hat in neuerer Zeit wiederholt ,,der“ Reichsvikariat geschrieben, und ohne
Zweifel mit gutem Grunde; wenn in der folgenden Arbeit trotzdem stets „das“ Reichs¬
vikariat geschrieben wird, so geschieht es vor allem aus historischen Rücksichten, da der
weitaus grösste Teil der älteren Litteratur sich des Neutrums bediente, aber nicht zuletzt
auch deshalb, weil auch in der Gegenwart noch meistens und jedenfalls in Hinblick auf
naheliegende Analogien dieser Gebrauch beibehalten wurde.
3) Die ältesten Zeugnisse bei Schröder, S. 479, Anm. 75.
4) Ebd., S. 499.
5) C. Mayer, Deutsche und französische Verfassungsgeschiehte, II, 355.
6) Auf die hier in aller Kürze angeführten Gründe und Gegengründe der beiden
Parteien lassen sich in der Hauptsache alle die weitschweifigen und nicht immer höflichen
Ausführungen der im Laufe des Streites erschienenen Schriften zusammen fassen.
7) Vertrag von Disibodenburg (21. Februar 1541), vergl. Stumpf, Baierns
politische Geschichte, S. 237 ff.; ein neuer Vertrag 1546, vergl. ebd. S. 270 ff.
8) A. a. O. S. 24.
9) Vergl. den bei Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. Teil, 2. Buch, 142. Cap., §93
(S. 532 ff.) abgedruckten Briefwechsel zwischen Heidelberg und München.
10) Vergl. Oefeles Artikel über Gewold, A. D. B. IX, I31 ff.
jj) Ebd.
12) Adelaide schreibt über ihn: „II est vrey, qu’il desoblige tout le monde avec
sa mouaisse conduite“; Merkel S. 208.
13) Vergl. die von Hugo Eberhard von Worms, Lothar Friedrich von
Speier sowie den Rhein- und Wildgrafen Friedrich, Adolf und Ludwig bei der
Frankfurter Deputation eingereichten Memorialia, W. A., Erzkanzlerarchiv, Reichstags¬
akten 1654/62, 203.
14) Vergl. die Akten darüber W. A. ebd.
15) Vergl. die Instruktionen für Peil und Lingelsheim (März 1657) M. St.
A. Kbl. 123/5.
16) Dieselbe bot später Ferdinand Maria Anlass zum Eingreifen in den betr.
Streit, s. u. (Die Wittelsbacliischen Nebenlinien).
17) Karl Ludwig an Peil, 7./17. März 1657, Original M. St. A. Kbl. 142/5.
18) A. a. O. Vergl. hiezu übrigens Severinus de Monzamb. c. IV, § 8: „Id prae-
primis callide a Bauaro obseruatum, ut quod moliretur, altissima dissimulatione premeret,
ne mature ipsius destinata possent eludi“.
19) M. St. A. Ks. 36/4.
20) Theatr. Europ. VIII, 2.
21) D. h. bis zum Eintreffen der Wahlgesandtscliaften in Frankfurt.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 23 t
22) Näheres bei Pribram, Zur Wahl Leopolds I.
23) Ebd.
24) Vergl. Heide, Die Wahl Leopolds I.
25) Aus diesem Grunde scheint mir auch Häussers Urteil über den Vikariatsstreit
in seiner Schroffheit zu weit zu gehen, wenn er sagt: „Man wird an jenen Sterbenden,
um den zwei Ärzte sich reissen, bis er verscheidet, sehr lebhaft erinnert, wenn man sieht,
wie hier zwei Fürsten das todkranke Reich noch einmal um ein glänzendes Nichts
ohne Bedeutung in Fieberhitze versetzten“ (Gesch. d. rhein. Pfalz, II, 615).
26) Merkel, S. 207. Claretta, S. 110 f.
27) Ebd.; Adelaide erwartete für Karl Etnanuel die Investitur mit Mont-
ferrat, die ihm im Frieden versprochen worden war (Instr. pac. §95), und ausserdem
das italienische Reichsvikariat.
28) Um das Vikariatsrecht des Herzogs von Modena nahm sich Frankreich auf
dem Deputations- und Wahltag vergeblich an (cfr. Theatr. Europ. VIII, pag. 3 a);
Ferdinand Maria scheint für dasselbe so viel wie nichts gethan zu haben, wenigstens
weisen die Vikariatsakten nichts darüber aus, auch dürfte es ihm an einer Gelegenheit
dazu gefehlt haben, nachdem er mit sich selbst gerade genug zu thun hatte.
29) Diese Äusserung soll General Hunoldtstein in Wien „bey einer vornehmen
Gasterey“ gethan haben; entnommen ist dieselbe der Relation des pfälzischen Hofgerichts¬
rats Dr. Lingelsheim über seine „letzte Wienerische Verrichtung“, M. St. A. Kbl. 101 2.
30) Merkel, 205 f.; auch Claretta, 110.
31) Näheres in dem Kapitel über die „Literarische Fehde“ und über den „Pro-
ventus imperii“.
32) Näheres bei Roth weil und Pfalz-Neu burg.
33) Die diesbezügl. Korrespondenz, M. St. A. Ks. 121/20.
34) Abschriften M. St. A. Ks. 121/14 und Ks. 121 19.
35) Original W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl- und Krönungsakten, 21 a.
36) Öxls Schreiben an Boineburg ist nicht erhalten, sondern nur dessen
Antwort, M. St. A. Ks. 121/19.
37) W. A., a. a. O.
38) Öxl an den Kurfürsten aus Würzburg, 18. April 1657, M. St. A. Ks. 121/14.
39) Leibifing aus Speier an den Kurfürsten Ferdinand Maria, 7. Mai 1657,
M. St. A. Ks. 121/14.
40) Moser, Teutsches Staatsrecht, VII. Teil, (2. Buch, 142. Kapitel, § 12), S. 429:
Kürbayern habe den Vorteil gehabt, „dass es des Kaysers Tod eher erfuhr, sich also auch
eher in die nöthige Verfassung setzen und an vielen Orten das praevenire spielen konnte“.
Ebenso S. 436 (§ 14): „Churbavern erhielte einen ansehnlichen Vorsprung“. Ähnlich
Wundt, S. 214. Dass freilich ganz andere Momente den Erfolg Bayerns verursachten als
die frühere Kenntnis vom Tode des Kaisers, wird im Folgenden zu zeigen sein.
41) Leibifing aus Speier, 2. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/15.
42) Die Patente sind oft abgedruckt, vor allem Theatr. Europ. VIII, 3a f.; 4b f.;
das pfälzische allein Diar. Europ. I, 69, u. s. w.
43) Wieweit es bei Kurpfalz der Fall war, lässt sich bei dem lückenhaften Akten¬
material nicht nachweisen.
44) Dieser Ausdruck war geboten, da von den Vikariatsausschreiben nur wiederholt
umgeschriebene, oft mit unklaren Vermerken versehene Konzepte vorhanden sind. (M. St.
A. Ks. 121/14).
45 ) „Puncta für die beiden Commissäre des Hofrats, welche die Vicariatspatenta
zu insinuieren haben“, M. St. A. Ks. 121/14.
46) Angeführt sind (wie auch bei B er ehern) nur diejenigen Orte, deren Besuch
auf grund der von dort datierten Berichte oder Recepisse des M. St. A. genau feststeht,
und welche eiu genaues Bild der Reiseroute geben.
47) Am 5. Mai kam er nach Kempten.
48) Öxl an seinen Sohn, 3. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/19.
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49) Öxl, a. a. O.
50) Aldenhofen an Adlzreiter, 9. Mai, M. St. A. Ks. 121/20.
51) Öxl jun. an seinen Vater, 5. Mai, M. St. A. Ks. 121/19.
52) Merkel, 206 f. Die Rüstungen betreffend heisst es: „Asteure Ion leue des
soldats isy, et je croy, qu’il seront bien tost nesesaire; Car il y ä quelque prince de la
Religion reformee, qui n’a pas euvie de reconoistre Mr. mon Mary pour Vighaire de
lanipire, et de se declarer enerni“.
53) Öxl jun. an seinen Vater, 8. Mai, wo es heisst, die bayerischen Rüstungen
ständen, namentlich in Frankfurt selbst, „in grosser consideration“; M. St A. Ks. 121/19.
54) J oh. Schuapauf aus Bamberg an Dr. Öxl, 22. April, M. St. A. ebd.
55) Schreiben dess. vom 1. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/14.
56) Leibifing aus Speier, 2. Mai, M. St. A. Ks. 121/15.
57) Instruktion für Peil, M. St. A. Kbl. 123/5.
58) Eine Kopie dieses Schreibens wurde von Konstanz an Ferdinand Maria
gesandt, M. St. Ks. 121 /r5.
59) Reskript der kurpfälzischen Kammerkanzlei an den hohen Rat vom 24. April/4. Mai,
M. St. A. Kbl. 123/5.
60) Nachricht darüber sandte der Bischof von Konstanz nach München, M. St.
A. Ks. 121/15.
61) M. St. A. Kbl. 123/5.
62) Das M. R. A. bewahrt (Vikariatsakten von 1658) ein Schreiben des Küns-
berg auf Wernstein, worin sich derselbe über das Entlaufen eines Hintersassen bei dem
pfälzischen Kommandanten der in der Nähe stehenden Truppen beklagt, der auch andere
verführt habe, in die Armee des Reichsvikars einzutreten.
63) Und zu denen sich bald zahlreiche Streitschriften von beiden Seiten gesellten
(s. Anhang I).
64) Die Stellung Maximilian Heinrichs von Köln zum Vikariatsstreit ist in
dem Kapitel über „die Kurfürsten und das Ausland“ besprochen.
65) Kopie M. St. A. Kbl. 100/2.
66) M. St. A. Ks. 121/14.
67) Kopie M. St. A. Ks. 121/20.
68) M. St. A. Ks. 121/20.
69) S. Einleitung.
70) Wie aus den Briefen Öxls unzweideutig hervorgeht.
71) Vergl. hiezu: „Kurzer, wahrhafter Bericht, was Ihre Churfürstl. Dclil. der Herr
Pfalzgraf zu dem gemeinschaftlichen Amte Weiden und Parkstein vor ein klares Recht
hat“, 1650; „Ablehnung“ desselben, 1651; „Gründlicher Bericht wegen der von Chur¬
bayern vorgenommenen Exekution zu Weiden und Parkstein“, 1657. — Der Bericht
Ravensteins und die Kopie des ihm erteilten Bescheides M. St. A., die Verhältnisse
in der Oberpfalz nach M. R. A., „Akta das Reichsvikariat de anno 1657 betreffend“.
72) M. R. A., a. a. O.
73) M. St. A. Ks. 121/20.
74) Öxl an Hettinger, 3. Mai, M. St. A. Ks. 121/19.
75) M. St. A. Ks. 121/20.
76) M. St. A. Kbl. 100/2.
77) Falls der Rat, eingeschüchtert durch die pfälzischen Drohungen — mit denen
ja wohl auch nicht gerade gespart worden sein dürfte, die sich aber immerhin in ver¬
schwindend geringer Anzahl gegenüber den bayerischen in den Akten finden — die Ab-'
nähme verfügt hatte.
78) Ausführliches Eingehen auf diese Dinge wäre doch wohl zu weitschweifig;
auch ist das Aktenmaterial (hauptsächlich M. St. A. Ks. 121/20) zu lückenhaft, um auch
nur mit Sicherheit feststellen zu können, wo die bayerischen Patente schliesslich die Ober¬
hand behielten.
79) Bericht Angermillers vom 28. April, M. St. A. Ks. 121/19.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
80) Metternich an Ferdinand Maria, Köln, 29. April, M. StA. Ks. 121/14.
81) Der Zufall fügte es, dass er keinen Anderen auftreiben konnte als den, der
auch bei Affixion der bayerischen Patente zugegen gewesen war.
82) Bericht Schreibers an Karl Ludwig, 5. Mai, M. St. A. Kbl. 100/2.
83) Ferdinand Maria an Metternich, 9. Mai, Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
84) Theatr. Europ. VIII, S. 5 b.
85) 23. Mai, Kopie M. St. A. Ks. J 21/20.
86) Der Kurfürst au Öxl, 23. Mai, ebd.
87) Vergl. die Instruktion für Jäger und dessen Bericht vom 24. April I4. Mai,
M. St. A. Kbl. 100/2.
88) M. St. A. Ks. 121/20.
89) Ebd.; die Privilegien beziehen sich auf das Hofgericht. Wegen des letzteren
war auch von München aus angefragt worden, wie es bei früheren Reichsverweserschaften
gehalten worden sei.
90) ,,Ces Villes sont toute les luteriens, qui aysset (!) cette niaison, et dans les
guerres passee il ont donne bien de besogne; nies asteure Monseigneur lelectur luy mestre
de nos Soldat dedans, quil faudrat, qu’il fasset ce qu’on Vodrat.“ Merkel, S. 208.
91) Von Ganss’ Bericht aus Wien, 16. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. Dr. Gräss
hatte Ganss sein Gutachten lesen lassen.
92) Merkel, a. a. O.
93) 4. Mai, Kopie M. St. A.
94) Heilandt an Dr. Öxl, 24. April, M. St. A. Ks. 121/19.
95) Bericht darüber M. R. A., Akta des Vikariats in anno 1657 betreffend.
96) Die Korrespondenz mit den Genannten, teils in Originalen, teils in Kopien,
M. St. A. Ks. 121/20.
97) Die Korrespondenz mit Freising, M. St. A. a. a. O.
98) M. St. A. a. a. O.
99) Aldenhofen am 28. April, M. St A. Ks. 121/19.
100) Hugo Eberhard an Ferdinand Maria, 6. Mai, M. St. A. Ks. 121/20.
Derselbe hat später einem pfälzischen Gesandten gegenüber rundweg erklärt, dass er
Ferdinand Maria für den rechtsmässigen Reichsvikar halte; cfr. sein Schreiben an
Ferdinand Maria, 4. Juli, M. St. A. Ks. 121/15. Seine Parteistellung ist somit völlig
unzweifelhaft.
101) Aldenhofen a. a. O.: Beim Bischof von Speier sei die agnoscierung des
angemassten pfälzischen Pseudovikariats mit grossen promessen begehrt worden, doch sei
derselbe nicht darauf eingegangen.
102) Derselbe war, in Speier von den übrigen Religiösen vertrieben, unter dem
Schein, „samb er des Churfürsten von der Pfalz Frau Schwester, Prinzessin Elisabeth,
zu bekehren vorgab“, nach Heidelberg gegangen.
103) Ausführlich berichtet darüber ein Brief Leiblfings vom 20. April, M. St
A. Ks. 121/14.
104) Bericht bei Leibifing, Schreiben aus Speier vom 2. Mai, M. St A. a. a. O.
105) Leibifing an Ferdinand Maria, 16. Mai, M. St. A. a. a. O.
106) Hinsichtlich Speiers vergl. Leiblfings Schreiben vom 2. Mai: Wenn Kur-
Mainz die Patente anschlagen lassen, werde es auch in Speier keine Schwierigkeit damit
haben; der Bischof scheine entschlossen zu sein, sich nach seinem Erzbischof zu richten.
107) Die Korrespondenz zwischen Dr. Öxl u. Kanzler Schüz M. St. A. Ks. 121/14.
108) Schreiben eines Ungenannten (Heiland?) an Dr. Öxl aus Frankfurt, 4. Mai,
M. St. A. Ks. 121/19.
109) Gratulationsschreiben des Direktoriums vom 8. Juni, M. St A. Ks. 121/20.
110) Schreiben des Direktoriums an Ferdinand Maria, 15. Mai, a. a. O.
in) Am 15. Mai ? Vorhanden ist nur die Adresse, a. a. O.
112) Das Projekt, den Streit der Isenburger Brüder in diesem Sinne auszunützen,
ist enthalten in dem zuvor erwähnten Schreiben aus Frankfurt an Dr. Öxl.
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113) Aldenhofen aus Frankfurt, M. St. A. Ks. 121/20.
114) Peil an Dr. Öxl, 21. Mai, W. A., E.-K. A., Wahl- und Krönungsakten 21a.
115) Vergl. die Korrespondenz zwischen München und Eichstätt M. St. A. Ks. 121/14.
116) Leibifing aus Speier, 7. Mai: K. L. soll sich über Württemberg beklagt
haben, welches anfänglich versprach, ,,ihm getreulich zu assistiren“, M. St. A.
Ks. 121/14.
117) M. St. A. Ks. 121/20
118) Kopie a. a. O.
119) Merkel a. a. O., S. 208.
120) Ebd. S. 213 f.
121) Instruktion für denselben vom 8. 18. April, M. St. A. Kbl. 123/5.
122) Aldenhofen am 28. April, M. St. A. Ks. 121/19.
123) Heiland an Öxl, 24. April, a. a. O.
124) Heiland an Öxl, 4. Mai, a. a. O.
125) 8. Mai; W. A., Erzkanzler-Archiv, a. a. O.
126) Heiland a. a. O.
127) Vergl. Sever. der Monzamb, cap. IV, § 8: „Alienam litem in sese derivare
nemo voluit“.
128) M. St. A. Ks. 121/19.
129) Am 19. hatte er nur mit Boineburg unterhandelt
130) „Aschaffenburger protocoll“ vom 19. und 20. April, W. A., E.-K. A., Wahl-
und Krönungsakten, 21a.
131) Vergl. hiezu das Schreiben Karl Kaspars von Trier an Ferdinand Maria
vom 2. Mai, M. St. A. Ks. 121/20; den Bericht Dr. Schreibers an Karl Ludwig vom
vom 3. Mai, M. St. A. Kbl. 100/2.
132) A. a. O.
133) Ferdinand Maria an Kur-Köln, 11. April, Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
134) Max Heinrich an Ferdinand Maria, 3. Mai, Kopie M. St. A. Ks. 121/20.
135) Vergl. Heide, Die Wahl Leopolds I., Forschungen XXV., 8 ff.
136) Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte 1648—1740, I, 74.
137) Vergl. Öxl an Kur-Mainz, 28. Mai, Kopie, M. St. A.
138) Bericht des Heinrich Bielcke aus Dresden an Karl Ludwig, i./ii. Mai,
W. A., a. a. O.
139) W. A., a. a. O. Auch Urk. u. Aktenst. 8, 448.
140) Ebd.
141) Ebd. Wiederholt gedruckt: Theatr. Eur. VIII, 8b f.; Diar. Eur. I, 79 f.
142) Vergl. L in gelsheims Bericht an Karl L u dw i g über seine „letzte Wienerische
Verrichtung“, M. St A. Kbl. 1002.
143) Auerspergs Äusserung war kaum mehr als eine leere Höflichkeitsformel,
nachdem er den springenden Punkt überhaupt nicht berührte.
144) Lingelsheim, a. a. O.
145) Moser, Teutsches Staatsrecht, a. a. O., § 94 (S. 535).
146) Kopie M. St A.
147) M. St. A. Ks. 121/20.
148) Vergl. Urk. und Aktenst 8, 438; ebenso Pufendorf, De rebus gestis Fried.
Guilelm. elect VII, 21.
149) Ferdinand Maria an Dr. Öxl, 25. Mai.
150) Öxl an den Kurfürsten, 3. Juni.
151) Öxl an den Kurfürsten, 10. Juni.
152) Öxl an den Kurfürsten, 12. Juni.
153) Urk. und Aktenst 8, 444; Pufendorf a. a. O. VII, 23.
154) Ferdinand Maria an Dr. Öxl, 17. Juni.
155) Karl Ludwig zu Dallenberg, Leibifing aus Speier, 7. Mai, M. St. A.
Ks. 121/14.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
235
156) Bes. Württembergs. Ebd.
157) Ebd.
158) Ebd.
159) Wenigstens vorläufig.
160) Knötschke, Versuch einer Geschichte des Reichsvikariats, S. 227 ff.
161) Merkel a. a. O. S. 208.
162) Ebd.
163) Doge Verdizetti gratulierte dem Kurfürsten erst am 8. Juni; Venedig hatte
sich zuerst an seinen Botschafter in Wien um Verhaltungsmassregeln gewandt; Bartoli
aus Venedig M. St. A. Ks. 121/20.
164) Alle die angeführten Notifikationsschreiben sind in Kopien, die allerdings oft
wiederholt angefertigt und mit widersprechenden Bemerkungen rücksichtlich der
Datierung etc. versehen sind, enthalten M. St. A. Ks. 121/20, ebenso die Briefe des Papstes,
die übrigen Antwortschreiben in Originalen.
165) Dass das Gerücht, der Pfalzgraf suche die Hilfe der Kronen Frankreich und
Schweden, stark verbreitet war, geht aus den Akten an verschiedenen Stellen hervor
(s. den unten zitierten Brief Öxls); es scheint aber im allgemeinen bei dem Gerücht
geblieben zu sein, wenigstens weisen die (hinsichtlich der pfälzischen Verhältnisse allerdings
sehr lückenhaften) Akten nicht eine Spur von Verhandlungen zwischen Heidelberg und
Versailles bezw. Stokholm auf.
166) Merkel a. a. O. S. 208; „Toute sa confiance est au Frances, et Monseigneur
lelectur atand de uoir, si apres tant de belles offres, qu’il nous ont faict, il serviront le
prince ä nostre preiudice, et contre toute raison.“
167) ö x 1 an den Kurfürsten, 1. Juni.
168) 25. April, Kopie W. A. a. a. O.
169) 29. April, M. St. A. Ks. 121/15.
170) Abgeordnet wurde derselbe am 20. April.
171) M. St. A., Mainzische Korrespondenz, Ks. 36/4.
172) Vergleiche hiezu des Kammergerichtsfiskals Dr. Emmerich Brief an Öxl
vom 23. April, M. St. A. Ks. 121/19.
173) Ein Brief Heilands an Dr. öxl vom 25. April beweist, dass Mainzische Schiffe
zur Entrichtung der von Kurpfalz bei Bacharach und Caub erhobenen Abgaben, deren
Gesetzlichleit von Mainz bestritten wurde, gezwungen worden waren; und wenn sich nicht
der Wild fangstreit damals mit erneuter Heftigkeit erhoben hätte, wäre es unverständlich,
dass unmittelbar nach Bekanntwerden von Blums glücklichen Erfolgen Ferdin and M arias
Unterstützung in dieser Angelegenheit sp. von Speier aus dringend erbeten wurde. Vergl.
Emmerich an öxl, 23. und 30. Mai, M. St. A. Ks. 121/20.
174) M. St. A. Ks. 36/4.
175) Boineburg an Blum bez. Öxl, 4. Mai, M. St. A. Ks. 121/19.
176) M. St. A. Ks. 121/14.
177) Blum hatte erklärt, die Affigierung der Patente in den Landen des Erzkanzlers
sei nicht herkömmlich; es wurde daraufhin unterm 2. Mai ein Schreiben an Johann
Philipp angefertigt, des Inhalts, gerade den pfälzischen Ansprüchen gegenüber könne
man nicht gut darauf verzichten; das ohnehin schon vorsichtig abgefasste Schreiben wuirde
aber überhaupt nicht expediert, M. St. A. Ks. 121/15.
178) Kopie seines Kreditivs, M. St. A. Ks. 36/4.
179) Dieselben w'aren sehr unbedeutend.
180) Nach den Berichten Öxls, M. St. A. Ks. 36/4.
181) Ebd.
182) Das Original liegt im Kreisarchiv Würzburg; das St. A. M. (Ks. 121/19 u. sonst)
bewahrt mehrere Kopien; gedruckt ist dieselbe bei Stumpf, Diplomatische Beiträge (Zeit¬
schrift für Bayern 1816, 4. Heft, S. 145 ff.). Vergl. auch Aretin, Chronologisches Ver¬
zeichnis, S. 44.
t 8}) Öxl an Ferd. Maria. 3. Juni.
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184) Bayer. Revers darüber vom 21. Juni, M. St. A. Ksj 121/20.
185) D. h. von Trier und Köln scheint dieselbe überhaupt nicht verlangt worden
zu sein.
186) Meel an Berninger, 14. April, W. A., E. K. A., Reichstagsakten 1652—1664, 200.
187) Ebd.
188) Öxl au Aldenhofen, 3. Mai, M. St. A. Ks. 121/19.
189) Ebd.: „Ob aber dasjenige, was Herr Hüben er gegen Herrn Heil an dt ver¬
meldet, dass nämlich Churbrandenburgischer Seits dem Churpfälzischen angemassten
Vicariat kein Beifall gegeben werden solle, nicht eine Torner Zeitung sei, wird mein hoch¬
geehrter Herr Bruder aus denen bishero . . . . geführten votis leichtlich ermessen
können. Ich traue mir nicht allhie dergleichen persuasiones zu machen, sondern befürchte,
es möchte mir ergehen, wie dem Apothekergesellen zu Torn, und dürfte das Öxl auf den
Esel kommen“.
190) Aldenhofen an Öxl, 15. Mai, M. St. A. Ks. 121/20.
191) Wie aus den Briefen Meels an Berninger besonders deutlich hervorgeht.
192) Instruktion für Peil, 7./17. April, M. St. A. Kbl. 123/5.
193) Mit der Kopie des bayerisch-mainzisclien Allianzrezesses scheint auch eine
französisch abgefasste, mit deutscher Interlinearübersetzung versehene Notiz über den
Vikariatsstreit nach München gekommen zu sein (M. St. A. Ks. 36/4). Dieselbe ist ohne
Datum, ohne Unterschrift, ohne jeden Vermerk, doch spricht alles dafür, dass es eine
kurze, völlig parteilose Mitteilung des französischen Gesandten an seinen Monarchen in
Abschrift ist, die man sich in Mainz zu verschaffen wusste und nach München sandte.
194) Emmerich an Öxl, 21. April und Öxls Antwort vom 30. April, M. St. A.
Ks. 121/19.
195) A. a. O.
196) Emmerich a. a. O.; ausserdem Öxl jun. und Hettinger au Dr. Öxl,
20. April, M. St. A. a. a. O.
197) Emmerich a. a. O.; Öxl jun. an seinen Vater, 8. Mai, M. St A. a. a. O.
198) Aldenhofen an Öxl, 20. April, a. a. O.
199) Ebd.; ferner Öxl jun. an seinen Vater, 20. April, a. a. O.
200) Aldenhofen a. a. O.; Hettinger aus Aschaffenburg an Öxl, ebda.
201) Aldenhofen a. a. O.
202) Volmar an Öxl, 21. April, a. a. O.
203) Tlieatr. Europ. VIII, 5 b.
204) Öxl an Aldenhofen, 23. April, a. a. O.
205) 5. Mai, a. a. O.
206) Das Theatr. Europ. VIII, 5 b sagt nur, in Frankfurt seien beide Patente an¬
geschlagen worden.
207) Diesen Vermerk trägt der fragt. Brief Öxls.
208) Obwohl Meel seinem Kurfürsten ein ausführliches Gutachten gegen die Ver¬
längerung schickte, W. A. a. a. O.
209) Aldenhofen an Öxl, 28. April, M. St. A. Ks. 121/19.
2T0) Meel an Berninger, 20. Juni, W. A., a. a. O.
211) Desgl., 21. Juni, a. a. O.*
212) Ebd.
213) Meel an Berninger, 20. Juni, a. a. O.
214) Desgl., 21. Juni, a. a. O.
215) Alle Bemühungen, über weitere Verhandlungen wegen des Reichsvikariats auf
dem Deputationstag etwas zu erfahren, blieben erfolglos; das Vorstehende nach den
Protokollen M. St A. Ks. 172/2.
216) Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
217) Vergl. Leiblfings Brief vom 17. April, a. a. O.
2iS) Kopie M. St. A. Ks. 121/15.
219) Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
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220) Vergl. u. a. Leiblfings Brief vom 19. April, a. a. O.
221) Kopie W. A. } E. K. A., Wahl- und Krönungsakten, 21a.
222) Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
223) Vergl. hiezu auch Leiblfings Brief vom 19. April, a. a. O.
224) 17. April, a. a. O.
225) 24. April, a. a. O.
226) 17. April, a. a. O.
227) Aldenhofen, 28. April, M. St A. Ks. 121/19.
228) A. a. O.
229) Mit Ausnahme derjenigen, welche vor dem 2. April entschieden worden waren
und daher noch mit dem kaiserlichen Siegel ausgefertigt werden konnten. Lauterburg
an Johann Philipp, 16. April, W. A. a. a. O.
2 3 °) 2 3 - April, Kopie a. a. O.; ebenso an Emmerich, 9. Mai, a. a. O.
231) Emmerich an Johann Philipp, 14. Mai, a. a. O.
232) 15. Mai, Kopie a. a. O.
2 33 ) Welche Bayern und Sachsen unterm 4. Mai an Mainz hatten abgehen lassen, a. a. O.
234) Johann Philipp an das Kammergericht, 17. Mai, a. a. O. (Kopie).
235) Ein grosses für feierliche Gelegenheiten, ein mittleres für die gewöhnlichen
Prozesse, ein kleines für die Zollbefreiungen.
236) Nach dem Abdruck, welcher auf der letzten Seite des bayerisch - sächsischen
Begleitschreibens (im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, a. a. O.) angebracht ist, zeigten
dieselben den Doppeladler, in demselben zwei Wappen, das eine mit dem Reichsapfel,
das andere mit den beiden gekreuzten Schwertern; Umschrift: Bavarus & Saxo Vicarii
Vacante Imperio 1657.
237) Entnommen dem Bericht W. A. a. a. O., unterzeichnet „Vitus Berninger,
Geheimer Secretarius, loco protocolli“, 18. Mai 1657.
238) Kopie W. A. a. a. O. Völlig verwirrt ist der Bericht des Theatr. Europ. VIII, 5 b f.
239) M. St. A. Ks. 121/20. Die Parteien hatten bereits seit Anfang Mai über die
Verzögerung bei den Prozessausfertigungen Klage erhoben, vergl. die Briefe Aldenh ofens
und Emmerichs vom 9. Mai, M. St. A. Ks. 121/14.
240) Leiblfing, 7. Mai, M. St. A. a. a. O.
241) Kopie des darüber aufgenommenen Notariatsinstrumentes M. St. A. Ks. 121/19.
242) M. St. A. Kbl. 100/2. Es wurde der Stadtschreiber Josaphat König nach
Heidelberg gesandt.
243) Die erste Affigierung der bayerischen Patente hatte ohne Zweifel keinen offi¬
ziellen Charakter, sie dürfte von Anhängern der bayerischen Sache unter der Hand vor¬
genommen worden sein; Leiblfing allerdings war dabei kaum beteiligt, er würde nicht
versäumt haben, seine Anteilnahme gebührend zu erwähnen. — Berchem schlug die
Patente am Rathaus und Kaufhaus an, Leiblfing 7. Mai, M. St. A. Ks. 121/14.
244) Leiblfing a. a. O.
245) A. a. O.: Es sei den meisten Bürgern „nicht ganz wohl bei der Sache“. —
Übrigens wurde das pfälzische Patent gleich in der folgenden Nacht abermals besudelt.
246) Die Erwartungen, welche man an das Vikariat F. M.s knüpfte, kommen deut¬
lich zum Ausdruck in einem Briefe Emmerichs an Öxl, 12. Mai, a. a. O.
247) „Memorial, wonach sich . . . Sayler zu verhalten“, a. a. O. Emmerich (an
Johann Philipp, 14. Mai) nennt das Schreiben „sehr scharf und bedrohlich“; W. A.
a. a. O.
248) 12. Mai, M. St. A. a. a. O.
249) Weil es die Stadt geduldet habe.
250) 9. Mai, a. a. O.
251) Leiblfing, 12. Mai.
252) Leiblfing, 9. Mai. Das Gerücht ging vom Pfalzgrafen selbst aus, der sich
zu Plitterstorf in diesem Sinne äusserte; Veranlassung dazu mag ihm gegeben haben,
dass der sächsische Gesandte Strauch seine projektierte Reise nach München unterliess.
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253) Emmerich a. a. 0 .
254) Er händigte dasselbe Leibifing ein.
255) Saylers Bericht aus Speier vom 14., a. a. O.
256) Leibifing, 16. Mai, a. a. O.
257) Schreiben au Leibifing und Sayler, 16. Mai, a. a. O.
258) Leibifing, 21. Mai, a. a. O., Notariatsinstrument vom 19. über Saylers
Verrichtung, ebd.
259) Dieselbe, glaubt Leibifing, wäre von Anhängern Karl Ludwigs selbst
ausgegangen, um den Pfalzgrafen noch mehr zu reizen. A. a. O. Theatr. Europ. VIII, p. 5 b.
260) Vergl. hauptsächlich Leiblfings Brief vom 23. Mai, a. a. O.
261) Leibifing, 21. Mai.
262) An Öxl und Johann Philipp, 25. bez. 24. Mai, W. A., a. a. O.
263) Gedruckt Theatr. Europ. VIII, pag. 9 b f.; Diar. Europ. I, 87; datiert vom
12. (= 22.) Mai 1657.
264) Oppenheimer an Johann Philipp, 1. Juni, W. A. a. a. O. Karl
Ludwig hatte sich bei denselben auch beklagt, dass sie ihm den Vikarstitel nicht geben
wollten, worauf ihm geantwortet wurde, es sei dies niemals in der Korrespondenz üblich
gewesen. A. a. O.
265) Johann Georg an Ferd. M., 5. Juni, M. St. A. Ks. 121/15.
266) M. St. A. Kbl. 100/2.
267) 30. Mai, M. St. A. Ks. 121/14.
268) 26. Mai, W. A. a. a. O.
269) 26. und 27. Mai, a. a. O.
270) Joh. Phil, an Emmerich, 29. Mai, Kopie a. a. O.
271) An Lauterburg, vom gl. Tage, a. a. O.
272) An Präsidenten und Assessoren des Kammergerichtes, vom gl Tage, a. a. O.
273) Leibifing, 2. Juni, M. St A. Ks. 121/14.
274) Joh. Phil, an Ferd. Mar., 4. Juni, W. A. a. a. O.
275) Öxl an Ferd. M., 5. Juni, M. St. A. a. a. O.
276) Oppenheimer an Joh. Phil., 5. Juni, W. A. a. a. O.
277) Leibifing 6. Juni, M. St A. Ks. 121/14.
278) Emmerich an Öxl, 23. Mai, M. St. A. Ks. 121/20.
279) Leibifing, 13. Juni, M. St. A. Ks. 121/14.
280) Ebd.
281) Vergl. die darüber zwischen Markgraf Wilhelm von Baden, Mainz und
München geführten Korrespondenzen, W. A. a. a. O.
282) Kopie M. St A. Ks. 121/14.
283) Kopie W. A. a. a. O.
284) Au Öxl, 17. Juli, M. St A. Ks. 172/14.
285) Desgl., a. a. O.
286) Kopien M. St A. Kbl. 100/2.
287) M. St. A. Kbl. 100/2.
288) 5. Februar 1658; Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
289) 17. Februar, a. a. O.
290) Karl Gustav an Karl Ludwig, 19. April 1658, M. St. A. Kbl. 100/2.
291) 25. März 1658, a. a. O.
292) Severinus de Monzambano, cap. IV, § 8: „Et satis constat, non paucos prin-
cipum doluisse, literas sese ad Bavarum retractare non posse“.
293) Am i./ii. Februar 1658 erteilen Rat und Bürgermeister der Stadt dem Pfalz¬
grafen in einem Rekreditiv für Lingelsheim den Vikarstitel, und Karl Ludwig be¬
dankt sich am 12./27-, dass die Stadt seinen Gesandten nicht nur freundlich angehört,
sondern auch in seinen Geschäften gefördert habe. A. a. O. im M. St. A.
294) Leibifing aus Frankfurt an Graf Kurz, 18. Sept. 1657, M. St. A. Ks. 369/18.
295) D. h. Ferdinand Marias und Johann Georgs.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
239
296) Bericht des Brettener Amtsvorstandes von 12./22. August, und Belobigungs¬
schreiben Karl Ludwigs, M. St. A. Kbl. 100/2.
297) M. St. A. Kbl. ioo;2. Zahlreiche Berichte auf gefangener Kammergerichtsboten
im M. St A. — cfr. Theatr. Europ. VIII, 377 b.
298) Kopien M. St A. Ks. 122/4.
299) W. A. a. a. O.
300) Kopie a. a. O.
301) Kopie M. St A. Ks. 121/14.
302) Theatr. Europ. VIII, 378 a f.
303) Kopie M. St. A. Ks. 122/4.
304) „Copia vidimata“ M. St. A. Ks. 121/14.
305) Theatr. Europ. VIII, 379 b f.
306) Namens Sommerer.
307) Leibifing, 30. April 1658, M. St A. Ks. 121/14.
308) Theatr. Europ. VIII, 53.
309) Heide a. a. O. S. 21.
310) A. a. O.
311) A. a. O.
312) M. St. A. Ks. 121/14, Bericht aus Frankfurt vom 7. Nov. 1657.
313) Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. Teil, 2. Buch, 142. Cap., § 20 (p. 440 f.),
welcher hier unzweifelhaft einer schriftlichen Grundlage (dem Protokoll über die Beratung
zwischen den drei geistlichen Kurfürsten?) folgt.
314) A. a. O. § 21 (p. 442 ff.).
315) Urkunden und Aktenstücke 8, 463 ff.
316) A. a. O.
317) Stumpf a. a. O. S. 142.
318) Leibifing berichtet am 29. Nov. neuerdings von grossen pfälzischen Rüstungen.
M. St. A. Ks. 121/14.
319) Urkunden und Aktenstücke, 8., S. 479.
320) Original des Begleitschreibens W. A., Bavarica 4 a; das Projekt selbst wünschte
Ferdinand Maria im Interesse der Geheimhaltung zurück.
321) Kopien a. a. O.
322) A. a. O.
323) W. A., Weisungen nach München.
324) Leopold an Puecher, 4. Dezember 1657, Kopie a. a. O.
325) Puechers Relation vom 6. Dezember: Ersehe, dass I. Churfl. D. sich zwar
dem katholischen gemeinen Wesen zum Besten und zu Sicherung ihrer Lande in eine
Verfassung begeben, welche aber kaum noch zu defension derselben bastant sein, und
bestehe in allem in fünfthalb tausend Mann Fussvolks, und 1600 Reuttern, unter welchen
eine Comp. Tragoner von 100 Mann sei.“ A. a. O.
326) Leopold an Puecher, 13. Dezember, Kopie a. a. O.
327) Gedruckt bei Stumpf a. a. O., S. 141.
328) Ausweichende Antwort darauf vom 1. März, Kopie W. A. Bavarica 4 a.
329) Leibifing aus Speier, 9. April, M. St. A. Ks. 121/14.
330) „Extract. Protocolli“ M. St A. Ks. 172/4.
331) A. a. O.
332) Öxl an den Kurfürsten, 17. Mai, a. a. O.
333 ) Öxl an Graf Valley, 18. Mai, M. St. A. Ks. 297/31.
334) Es wird hier im allgemeinen der „Summarischen Erzählung etc.“, von Öxls
Hand verfasst, M. St. A. Ks. 172/4, doch mit Heranziehung auch der übrigen (speziell
angeführten) Berichte, gefolgt
335) Der Pfalzgraf habe, schreibt Öxl a. a. O., „mit etwas Lächeln aufgemörckht“.
336) Karl Ludwig konnte sich auch mit Recht beleidigt fühlen, wenn ihm vor
dem ganzen Kollegium, wie es hier der Fall war, gesagt wurde, nur ex amore pacis und
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240
Karl Lorv
aus kaiserlicher Gnade sei ihm die achte Kur gegeben worden, und er hätte allen Grund,
damit sich zufrieden zu geben; in der pfälzischen Protestation war nämlich von einer
freiwilligen Eintauschung der 8. gegen die 4. Kur gesprochen worden.
337) Ö x 1 an Valley, s. o.
338) Ebd.
339) Dem,, Summ arischen Bericht“ zufolge hätte Karl Ludwig jetzt erst ans Wehrgehäng
gegriffen, allein den bestimmten Worten der an Valley gerichteten Darstellung gegen¬
über („da aber der von Hun gekommen und ihn beim Arm hinweggerissen, sonsten
hätte er mir etc.“) dürfte der in der ersten Aufregung zusammengeschriebene „Summarische
Bericht“, obwohl er vom 16. und der Brief an Valley vom 18. stammt, weniger Glauben
verdienen; es ist immerhin wahrscheinlich, dass die Zureden seiner Räte wenigstens soviel
auf Karl Ludwig vermocht hatten, dass er seinen Degen stecken liess.
340) Öxl an Valley.
341) Öxl behauptet zwar stets „gegen sein Gesicht“, und wahrscheinlich wäre K. L.
wenig daran gelegen, wäre es ihm ins Gesicht gegangen; aber zunächst wird der Pfalz¬
graf doch wohl vor allem die Schrift haben unleserlich machen wollen; wenn dabei auch
einiges dem hartnäckigen Leser ins Gesicht ging, um so besser.
342) Öxl selbst berichtet davon nichts, wahrscheinlich um keinen Zweifel gegen
seine Behauptung aufkommen zu lassen, K. L. habe ihm die Tinte ins Gesicht schütten
wollen; dafür heisst es in dem vom Kurfürstenkollegium an Ferdinand Maria geschickten
offiziellen Bericht, Öxl habe die Schrift unter dem Mantel und hinter dem Rücken versteckt,
was freilich auch wieder zuviel gesagt sein dürfte; denn, sagt Öxl in dem „Gegenbericht
der bayer. Gesandten“ nicht mit Unrecht, wie wäre dann ein ununterbrochenes Fortlesen
möglich gewesen ? Soviel aber dürfte doch auf jeden Fall daraus hervorgehen, dass Ö x 1
die Schrift noch im letzten Moment wegzog; daraus erklärt sich auch, dass die Tinten¬
spuren auf dem Original der „Reprotestatio“ (M. St. A. Ks. 172/4) nicht besonders stark sind.
343) In dem Bericht an Valley wird davon überhaupt nichts erwähnt.
344) Öxl au Valley a. a. O.
345) In einem Berichte im M. Kr. A.; vergl. Heigel, A. D. B. XXV, 24 ff.
346) Heigel, a. a. O.; Heide, a. a. O., 61. Früher war wohl auch die Meinung
verbreitet, K. L- habe dem Ö. das Tintenfass wirklich an den Kopf geworfen; vergl.
Büchner, IX, 5*, („warf ihm das Dintenfass an den Kopf“), ebenso Häusser, a. a. O.,
II, 616; eine andere Tradition weiss von einem Wurf überhaupt nichts, vergl. Wundt
a. a. O. 127 f., wonach K. L. Ö. das Tintenfass ,,entgegenschüttete“, wahrscheinlich nach
Burgoldensis (674): „atramento petierit“; die gleichzeitige Litteratur entscheidet sich
überhaupt nicht für die eine oder andere Version; Grundlage derselben: Theatr. Europ.
VIII, 432: K. L- warf das Tintenfass „auf den Tisch, oder, wrie andere wollen, nach dem
Herrn Abgesandten“; ebenso Lünig, Reichskanzlei, I, 717, und Lundorp Acta publ. VIII,
332; dem freilich daneben noch ein Einblick in geschriebene offizielle Quellen zur Ver¬
fügung gestanden haben dürfte, wenigstens erzählt er die darauffolgenden Verhandlungen
ziemlich genau und im ganzen richtig; offiziell scheint eben die Version „auf den Tisch“
verbreitet worden zu sein, und die zeitgenössische Meinung scheint zwischen ihr und einem,
dem Thatbestande besser entsprechenden Gerüchte unentschieden geschwankt zu haben.
Richtig ist die aus Heigels Artikel geschöpfte Darstellung bei Zwiedineck-Süden-
horst, I, 188, und Erdmannsdörffer, I, 311,
347) Öxl an Valley.
348) Bericht derselben vom 21. Mai, Urk. u. Aktenst., 8, 506; vergl. Zwiedineck-S.,
a. a. O.
349) Öxls „Summ. Ber.“
350) Öxl an Valley.
351) Die Nachricht des Theatr. Europ., gleich nach dem Vorfall seien die Beteiligten
heimgefahren und hätten die Kleider gewechselt, ist also mindestens ungenau.
352) Wenn derselbe zuvor wirklich die angeführten Worte zu Ö. gesprochen hatte
(die allerdings so bestimmt von diesem wiedergegeben werden, dass man sich schw'er dazu
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
2 4 I
versteht, sie als Erfindung zu betrachten), so zeigt er sich bei dieser Affäre in einem
wenig ehrenvollen Dicht; jedenfalls ersieht man daraus, welche Unterstützung F. M.
bei allen seinen bisherigen „Freunden“ hätte gewärtigen dürfen, falls er mit einer
kriegerischen Aktion Ernst gemacht hätte.
353) Extract. protocolli M. St. A. Ks. 297/31.
354) Gedruckt bei Lundorp, a. a. O.
355 ) Vergl. Zwiedineck-S., a. a. O.
356) In dem Bericht an Valley, dem im Folgenden die Darstellung zu gründe
gelegt ist.
357 ) Was Ö. jedoch nicht gelten lässt; der Pfalzgraf habe gegen ihn zu Regensburg
und sonsten jedesmal eine sonderbar gute und gnädigste affection verspüren lassen, ja
noch wenige Tage zuvor in Beisein des Trierers mit ihm geredet und gescherzt, als ober
seinesgleichen wäre.
358) Auch dies wird von Ö. widerlegt: er habe vor dem Ablesen ausdrücklich darauf
aufmerksam gemacht, dass die Schrift der Gesandtschaft tags zuvor von ihrem Kurfürsten
zugegangen sei.
359) Max. Heinr. au Ferd. M., 17. Mai, M. St. A. Ks. 172/4.
360) Öxl an Ferd. M., 18. Mai, a. a. O.
361) Kopie M. St. A. Ks. 172/4.
362) Kopie M. St. A. Ks. 297/31.
363) Kopien a. a. O.
364) Konzept M. St. A. Ks. 172/4.
365) Konzept des Memorials für den Grafen Fried he rg a. a. O.
366) Vergl. „Was mit des kurfstl. Kollegii Gesandten .... mündlich conferiret
worden“, ebd. Ks. 413/13.
367) Öxl aus Frankfurt, 28. Mai, Postskriptum, M. St. A. Ks. 172/4.
368) Graf Friedberg an Ferd. M., 8. Juni, a. a. O.
369) M. St. A. Ks. 172/4.
370) Kopien M. St. A. Ks. 297/31.
371) Kopien M. St. A. Ks. 172/4.
372) Bericht Öxls vom 19. Juli, a. a. O.
373) Am 22. Juli, Kopie a. a. O.
374) Vergl. Copia Protoc. Mog. M. St. A. Ks. 297/31; Kopie des Gesamtschreibens
Ks. 172/4.
375 ) 5 - August, a. a. O.
376) M. R. A., Acta das Reichsvikariat de anno 1657 betreffend.
377) Orig. M. St. A. Ks. 122/4.
378) Moser a. a. O., 141. Kapitel, § 15ff.; (S. 419ff.).
379) Theatr. Europ. VIII, 486b; vergl. auch Moser a. a. O., § 24 (S. 455).
380) Wie Dr. Öxl sich ausdrückte.
381) Bericht Öxl vom 20. Juli 1658, M. St. A. Ks. 122/4.
382) M. St. A. Ks. 122/4 Kopie mit dem Vermerk: „Das Original ist am 9. August
in das innere Archiv gegeben worden. Adlzreiter.“
383) Kopien M. St. A. a. a. O. mit einem Vermerk über Aufnahme des Originals
ins innere Archiv.
384) 26. September, Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
385) 14. Oktober, Kopie ebd.
386) Konzept W. A. Bav. 4 a.
387) 12. Dezember, Original a. a. O.
388) 26. November; Kreditiv für dieselben a. a. O.
389) Diese Besorgnis klingt aus dem bayerischen Antwortschreiben unverhohlen durch.
390) Vergl. Joachim, S. 354 a. a. O.
391) Vergl. Öxls Bericht vom 9. September, im Auszug erhalten in der „Mainzischen
Korrespondenz“ des M. St. A.; der betreffende Passus des pfälziscli-maiiizischen Vertrages
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242 Karl Lory
(gedruckt bei Moser, a. a. O., 142. Kap., § 25, S. 455) lautet: Promittit .... Elector
Moguntinus, se omni Studio tarn pro se quam apud alios eo allaboraturum, ut in causa
principali super Vicariatu Mediatio Collegii Electoralis in effectum deducatur, atque ut
sola huius Controversiae compositio eo melius procedat, vult quoque, ubi Opus fuerit, ad
Electorem Bavariae mittere, qui rem eam debita & omni possibili diligentia promoveat,
quo Electori Palatino in certis Circulis aliisque Districtibus propediem per ineundam cum
Electore Bavariae pactionem desiguandis (salva semper, pro ut hactenus, Archi-Episcopatus
Moguntini a Vicariatu manente exemptione et immunitate) tertius Imperii Vicariatus
relinquatur atque concedatur, ita tarnen, ut Elector Palatinus in Judicio Vicariali totidem
assessores Catholicos, quot Protestantes, constituat.
392) A. a. O.: Declarat Elector Moguntinus, quodsi, praeter spern, per Mediationem
Collegii Electoralis, aut alia via amicabili, Vicariatus Palatini stabilimentum obtineri non
poterit, se omnibus viribus, tarn pro se, quam apud alios, curaturum, ut in proximis Comitiis
impetretur & stabiliatur.
393) 19. September, Kopie M. St. A. Ks. 172/4.
394) Kaiser Leopold an den Kurfürsten, 14. Oktober, Orig. M. St. A. a. a. O.
395) Gedruckt: Diar. Europ. I, 1119; Lünig, Reichskanzler, I, 771 f., etc.
396) Orig. W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl- und Krönungsakten 21a.
397) Orig. a. a. O.
398) Kopien M. St. A. Ks. 172/4.
399) Orig. a. a. O.
400) Instruktion für Blum vom 15. Januar 1659, W. A. a. a. O.
401) W. A. a. a. O.
402) Schreiben dess. an Kerd. Maria, 9. Februar 1659, Kopie M. St. A. Ks. 121/14.
403) 18-/28. Januar 1659, Kopie a. a. O.
404) 8./18. Februar, a. a. O.
405) 19. Februar, a. a. O.
406) 8./18. Januar 1659, Kopie a. a. O.
407) 2./12. März 1659, a. a. O.
408) 23. April, Kopie a. a. O.
409) 29. April (9. Mai) schrieb Friedr. Wilh. abermals an Ferd. M., Antwort
darauf 11. Juni; a. a. O.
410) An sämtliche Kurfürsten gerichtet, 16. April, Kopie M. St A.
411) 29. April (9. Mai), ebenso.
412) 19. Januar, M. St. A. Ks. 81 5.
413) 22. Februar, Kopie M. St. A. Ks. 121,14.
414) Das Vorstehende im allgemeinen nach den Berichten Schmids aus Wien und
den Briefen des Kurfürsten an denselben, M. St. A. Ks. 81/5; das Original des Abmahnungs¬
schreibens an Mainz W. A. a. a. O.
415) 4. Mai, Orig. M. St. A. Ks. 172/4.
416) „Olinvorgreiffliche Meinung“ eines Ungenannten, W. A., Erzkanzler-Archiv,
Reiclis-Tagsakten 201.
417) Ks. 12 r 36 und Ks. 121/15.
418) M. St. A. Ks. 121/35; trägt den Bleistiftvermerk ,,conscr. a Bar. de Schmid.*
419) Theatr. Europ. VIII, 11b f.; Moser a. a. O., 142. Cap., § 1, S. 425.
420) Theatr. Europ. ebd. 35a ff.; Moser ebd.
421) Moser ebd.
422) Moser ebd.
423) Theatr. Europ. a. a. O. S. 6 ff.; Moser ebd.
424) Theatr. Europ. a. a. O. S. 16b ff.; Moser ebd.
425) Theatr. Europ. a. a. O. S. 382a ff.; Moser ebd.
426) Moser ebd.
427) Vergl. Moser a. a. O.
428) M. St. A. Kbl. 100/2.
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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites.
243
429) Conring an den „Reichsvikar“ Karl Ludwig, 30. Juli/9. August, M. St. A.
Kbl. 100/3.
430) Mieg an Conring, i./ii. Juni 1658, Kopie a. a. O.
431) Conring an Karl Ludwig, 30. August (9. September) 1658, a. a O.
432) Degl. 14-/24. Juni 1658, a. a. O.
433) Original des diesbez. Spezialbefehls a. a. O.
434) Kopie M. St. A. Ks. 121/15.
435 ) Orig. M. St. A. Ks. 121/20.
436) Orig. M. St. A. Ks. 121/15.
437) 22. Oktober, Orig. M. St. A. Kbl. 100/3.
438) Die diesbezügl. Korrespondenz M. St. A. Ks. 121/15.
439) Aus diesem Grunde lassen sich auch die bayerischen Vikariatshandlungen nur
in allgemeinen Umrissen darstellen; ein genaues Bild der einzelnen behandelten Fälle lässt
sich aus den im Staatsarchiv in München erhaltenen Spezifikationen und Verzeichnissen
nicht feststellen, und in Wien scheinen die bayer. Vikariatshandlungen spurlos verloren
gegangen zu sein; wenigstens waren alle Nachforschungen nach denselben erfolglos.
440) Die diesbez. Korrespondenz hauptsächlich im W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl-
und Krönungs-Akten 21a; auch M. St. A. (Ks. 122/4).
441) M. St. A.
442) Lehensausschreiben für die genannten Städte vom 9. April 1658, M. St. A.
Ks. 122/4.
443) Theatr. Europ. VIII, 379 a f.
444) Ebd. 381 a f.
445) M. St. A. Ks. 121/20.
446) M. St. A. Ks. 121/15.
447) Vergl. „Kurze Information wegen des an Seiten Chur-Pfaltz unbefugter Weise
prätendirten Rechts der Wildfäng und was dem anhängig“; München, 1657. Dazu Brunner^
a. a. O. S. 20.
448) Vergl. Tücking, Geschichte des Stiftes Münster unter Christoph Bern¬
hard von Galen, S. 43 ff.; M. St. A. Ks. 121/28.
449) M. St. A. Ks. 121/15.
450) Darunter 150 fl. recompens von der Stadt Nürnberg.
450 „Welche die Lehenbrief schreiben helfen.“
452) M. St. A. Ks. 121/15.
453) Schmid hatte nicht nur die Revidierung der eingelaufeneu Akten, die Ab¬
setzung der Gutachten, Befehle und Mandate, sondern auch die „refutierung der chur-
pfältzischen in Truck gegebenen Schriften“ besorgt.
A. Archivalien:
1) Akten des Kgl. Bayer. Allgemeinen Reichsarchivs in München (M. R. A.). —
2) Akten des Kgl. bayer. geheimen Staatsarchivs in München (M. St. A.) — 3) Akten des
Kgl. bayer. Kreisarchivs in München (Kr. A. M.). — 4) Akten des K. K. Haus-, Hof- und
Staatsarchivs in Wien (W. A.)
B. Gedruckte Quellen (ältere Litteratur):
Theatrum Europaeum, 8 Bd. — Diarium Europaeum, 1. Bd. — Lünig,
Reichs-Kanzley, 1. Bd. — Londorp, Acta publica, 8. Bd. — Severin us de Monzam-
bano, De statu imperii.— Burgoldensis, Notitiae rerum illustrium imperii. (Dasauf
den Vikariatsstreit Bezügliche ist teilweise wörtlich aus Severi nus de Mozainbano
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244 Karl Lory
entnommen.) — Gramont, M£moires. — Pufendorf, De rebus gestis Friderici Wil-
helmi Magni. — J. J. Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. u. 8. Teil. — (Eine teilweise
Zusammenstellung der älteren Litteratur bei Pf effinger,* Vitriarius illustratus.)
C. Nettere Litteratnr:
Aretin, Chronologisches Verzeichnis der bayerischen Staatsverträge.— Brunner,
Der pfälzische Wildfangstreit. — Büchner, Baierische Geschichte, 9. Bd. — Claretta,
Adelaide di Savoia e i suoi tempi. — Erdm an nsdörffer, Deutsche Geschichte 1648 bis
1740, I. Bd. — Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, II. Bd. — Heide, Die Wahl
Leopolds I. (Forschungen z. D. Gesch. 25. Bd.). — Heigel, Öxl, A. D. B. 25. Bd.). —
Merkel, Adelaide di Savoia. — Pribram, Zur Wahl Leopolds I. (Arch. für österr.
Gesch. 73. Bd.). — Stumpf, Diplomatische Beiträge zur teutschen und europ. Geschichte,
Zeitschrift f. Bayern, 1816. — Stumpf, Baiems politische Geschichte, ebd. — Urkunden
und Aktenstücke zur Geschichte des grossen Kurfürsten (Urk. uud Akt). — Wundt,
Versuch einer Geschichte des Lebens und der Regierung Karl Ludwigs, "Kurfürsten
von der Pfalz, Genf 1786. — Zwiedineck-Südenhorst, Deutsche Geschichte im
Zeitalter der Gründung des preussischen Königtums, 1. Bd.
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Ein unbekannter Brief Westenrieders.
Mitgeteilt
von
Karl Theodor von Heigel.
schriftlichen Nachlass Utzschneiders, von dem ich mit gütiger
Erlaubnis des Herrn Hauptmann Knorr Einsicht nehmen durfte, stiess ich
auf einen Brief Westenrieders, der mir, obwohl er für die Geschichte keinen
neuen Aufschluss gewährt, der Veröffentlichung nicht unwert erschien: kommt
doch gerade hier die empfindsame Art des jungen, durch Sterne und dessen
deutsche Nachahmer bedeutsam angeregten Westenrieder zu merkwürdigem,
fast wunderlichem Ausdruck.
Der Brief liegt unter Papieren des Andreas Andree, der, ein Oheim
Utzschneiders, in Diensten der Herzogin Maria Anna stand und wegen
seiner Agitation gegen die Abtretung Bayerns an Österreich von Karl
Theodor mit Haft und Verbannung bestraft wurde. Da jedoch keine Adresse
beiliegt und auch der Inhalt keine Anhaltspunkte bietet, lässt sich nicht fest¬
stellen, ob der Brief an Audree selbst oder einen anderen jungen Mann
gerichtet worden ist. Dagegen lässt sich mit Bestimmtheit erklären, dass
Westenrieder denselben eigenhändig geschrieben hat; durch genaue Ver¬
gleichung mit unbezweifelten Autographeu wurde jeder Zweifel ausgeschlossen.
Das Schriftstück ist meines Wissens noch nicht bekannt; Cs findet
sich weder unter den Briefen, die als Anhang zu Gandershofers Er¬
innerungen an Westenrieder (München 1840) mitgeteilt sind, noch in der
Sammlung, welche August Kluckhohn dem handschriftlichen Nachlass
Westenrieders auf der Münchener Staatsbibliothek entnommen und in den
Abhandlungen der Münchener Akademie veröffentlicht hat (Histor. Klasse, Neue
Folge, 16. Band, 105). Während die schon gedruckten Briefe aus den Jahren
1776—1805 herrühren, ist der uns vorliegende schon 1775 geschrieben, stammt
also noch aus der Landshuter Periode, die vorwiegend noch poetischen Ver¬
suchen gewidmet war; in den Jahren 1773—1775 entstanden die unbedeuten¬
den dramatischen Arbeiten „Die zwei Kandidaten“, „König Saul“ u. a., freilich
auch schon die wertvollen pädagogischen Abhandlungen: „Warum man in
Schulen gewöhnlich mehr die Wissenschaften als die Weisheit erlernt“ und
„Erinnerungen über den geringen Nutzen, den man in Schulen aus der Lektüre
der alten klassischen Autoren erhält“, und die theologischen Schriften: „In¬
begriff der christkatholischen Lehre“ und „Wesentliche Begriffe des praktischen
Christentums“, wodurch er sich eine scharfe Verwarnung des Freisinger
Ordinariats zuzog.
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246
Karl Theodor von Heigel. Ein unbekannter Brief Westenrieders.
Mein lieber Freund!
Sie haben mir mit Ihrem gefühlvollen Briefe eine Freude gemacht, die ich unter
die Glückseligkeiten meines Lebens gezählet habe. Mein Herz dankt Ihnen dafür eben
so aufrichtig, wie für die gütige Einladung in das Landhaus, welche Sie mir mit einer
Gutherzigkeit vorgelegt haben, die mich in der That bewegen sollte, sie anzunehmen.
Wie sollte es mich freuen, mich nach diesem angenehmen Blumenort begeben und dort-
selbst ausruhen zu können! Allein ich gehe meistens sehr früh, oder am Abend spaziera,
und da ist es lebenslänglich schon meine Gewohnheit, gänzlich allein zu gehen, mich mir
selbst zu überlassen, und den Raum des Himmels zu athmen. Gleichwol würde ich,
so bald ich meine Gegenwart zu Ihrer Bildung für nothwendig hielte, es für eine Pflicht
ansehen, denselben öfters zu betretten; allein ich bin gänzlich der Meynung, dass mau
auf dem Weg zur Bildung niemals den Gang eines ängstlichen Systems annehmen, sich
niemals gerade an gewisse Stunden binden, sondern von seinem fortgesezten Privatfleis,
und der Zeit, die alles vollendet, seine Entwicklung erwarten soll. So edel und lobens-
würdig Ihr Entzweck ist: so zweifle ich doch, ob eine ordentliche Unterredung das Mittel
seyn könne, denselben in die Länge zu erhalten. Das, was unsre Seele, so zu reden,
aufthaut und stärket, ist Enthusiasmus und Liebe im innigsten, sprachlosen Gefühl der
Kunst, das an keinen Zeitpunkt sich fesseln lässt; es führt sich von selbst und unver¬
merkt herbei, ohne dass man es durch Vorsaz und Bemühung gerufen hat. So bald man
sich vorsagt, wann mau empfinden und denken will: so denkt man mit Zwang und Mühe,
und empfindet mit Schüchternheit. Mein Rath wäre, dass Sie sich das einander schreiben,
was Sie nunmehr geglaubt haben, sich mündlich sagen zu sollen. Diess ist in Ihren
Jahren ganz gewiss das zuverlässigste Mittel, sich zu bilden, und selbst zu unterrichten.
Um nichts davon zu sagen, dass durch diese Übung, diese vieleicht einzige gute Übung,
unsere Schreibart bestimmt, natürlich und gefühlvoll wird, so ist es gewiss, dass man sich
viele Sachen schreibt, die man ausserdem nie gesagt haben würde; man drückt sich mit
Empfindung und Liebe aus, und gewöhnt sich dadurch, sich gut und mit Ordnung und
Wahl auszudrücken. Auch erhält man sich dadurch stets in einer gewissen Entfernung
und Hochachtung, die zur Vermeidung des Eckels und zu dauernder Freundschaft so
nothwendig ist. Ich würde mich an nichts Gewisses binden, sondern schreiben, was ich
eben auf dem Herzen hätte, und was Zeit und Gelegenheit eingäbe. Diess würde ich
auch und* um desto mehr im persönlichen Umgang beobachten und mir niemals vor¬
nehmen, was ich mit meinen Freunden nach einer Methode zergliedern und lesen wollte.
Ich besize, denn warum sollte ich Ihnen nicht sagen, dass ich der glückliche Mensch
war, einen Freund dieser Art, einen tugendhaften, gefühlvollen Freund in meiner Jugend
zu finden, ich besize, sage ich, etliche hundert Briefe, die ich an ihn geschrieben oder
von ihm erhalten habe. Wenn ich sie manchmal so hervornehme und lese, so fliesst mein
Herz in die dankbarste Entzückung hin. Ich finde darin die Geschichte meines Herzens,
die Geschichte der Entwicklung meiner Talente, und die seligsten Augenblicke meines
Lebens. Ich sehe darinn, wie ich von Stuffe zu Stuffe zu bessrem Begriff gekommen,
zu reinerm Ausdrücken, und zur Festigkeit meiner Ideen gelangt bin.
Wie wünschte ich, zur Befestigung Ihrer Freundschaft mit diesen würdigen Mit¬
schülern etwas bevtragen zu können; denn es gibt kein köstlicheres Gut auf Erden, als
einen wahren Freund. Wenn Sie einen Zweifel haben, worinn Sie meine Meynung ver¬
nehmen möchten: so werde ich mich allzeit bemühen, Ihr Zutrauen und guten Absichten
zu unterstüzen. Versichern Sie die beiden würdigen jungen Männer meiner vollkommensten
Freundschaft und meines wärmsten Antheils an allem, was selben lieb und nüzlich seyn
kann. Ich bin unaufhörlich Ihr
wahrer Freund
Den 24. April 1775.
W e s t e n r i e d e r.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl.
Von
Michael Döberl.
II. Darstellung.
^n den ersten Tagen des Monats März 1667, damals, als Kurfürst
Ferdinand Maria von Bayern mit seiner Gemahlin Adelheid sich zu der
seit Jahr und Tag geplanten Erholungsreise nach Italien rüstete, kurz bevor König
Ludwig XIV. von Frankreich zu dem längst vorbereiteten Schlage gegen
die spanischen Niederlande ausholte, ging dem ersten bayerischen Gesandten
am Regensburger Reichstage, dem geheimen Ratskanzler Dr. Johann Georg
Öxl, durch den Vizekanzler Kaspar Sclimid die allerhöchste Weisung zu,
er habe sich in thunlichster Bälde in München einzufinden; der Kurfürst
werde unmittelbar nach Ostern seine Reise nach Padua antreten und wünsche
vor seinem Aufbruche mit Öxl über die während seines italienischen Auf¬
enthaltes in Regensburg einzuschlagende Haltung zu konferieren x ).
Als Öxl am 19. März in München eintraf, harrte er vergebens auf den
Befehl zu einer Audienz beim Kurfürsten oder wenigstens zu einer geheimen Rats¬
sitzung, es wurde kein Wort von Reichstagsangelegenheiten mit ihm gewechselt.
Statt dessen wurde ihm bedeutet, der Landesherr habe „grosse Ungnade, Miss¬
trauen und bösen Verdacht“ gegen ihn gefasst, er solle schleunigst seine Ent¬
lassung nehmen; sonst sähe sich der Kurfürst genötigt, Öxl auf eine ihm
sehr unliebe Weise aus dem Amte zu entfernen.
Der politische Gesinnungsgenosse Öxls, der österreichfreundliche Oberst¬
kämmerer Baron von Haslang, und der kurfürstliche Beichtvater Dr. Manzin
verwandten sich bei Ferdinand Maria für Öxl, man möge ihm die An¬
klageschrift zur Verantwortung zustellen, man möge ihm wenigstens die
Gründe für die allerhöchste Ungnade eröffnen, „warum er beim Kurfürsten
in unversehene offensam, diffidentiam et sinistram suspicionem geraten.“ Es
war vergebens, beides blieb Öxl versagt. Es wurde ihm vielmehr im Aufträge
Ferdinand Marias bekannt gegeben, der Kurfürst wolle keinen Prozess
gegen ihn anstrengen; es stehe einem Landesfürsten frei, nach Belieben, ohne
Eröffnung der Ursachen einen Diener zu behalten oder zu verabschieden;
Öxl könne sich umso weniger beschweren, da der Kurfürst entschlossen sei,
ihm Titel, Rang und vollen Gehaltzu belassen, ihn nur in wirklichen Diensten
nicht weiter gebrauchen wolle.
l ) Aktenstücke Nr. 5.
Bayer. Forschungen, VII, 4. 17
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Michael Döberl
248
Wochenlang wiederholte Öxl die Bitte um Gewährung einer Abschieds¬
audienz; er werde nichts Vorbringen, was dem Kurfürsten unangenehm sein
könnte. Auch diese Bitte blieb ihm versagt. Am 10. April 1667 reichte er
sein Entlassungsgesuch ein; er habe nunmehr durch die Gnade Gottes sein
62. Lebensjahr erreicht, habe 38 Jahre davon in den Diensten des Kurfürsten
und des bayerischen Kurhauses, habe die letzten 18 Jahre fast ausschliesslich
in Reichskommissionen verbracht, mit dem Alter und den ausgestandenen
Strapazen und Ungelegenheiten seien allerhand Leibeszustände über ihn ge¬
kommen, so dass er seinem Dienste nicht mehr in gewohnter Weise nachgehen
könne. Er bat, ihn seiner Pflichten und Dienste zu entheben, aber im Besitze
des Titels und Gehaltes eines geheimen Ratskanzlers zu belassen und seinem
Sohne Konrad Bartholme die Pflege Teisbach, die er bisher inne gehabt,
zuzuweisen 8 ). Am 13. April wurde durch kurfürstliches Dekret 3 ) Öxls Ent¬
lassungsgesuch genehmigt und ihm alles bewilligt, was er nachgesucht hatte,
aber gegen Unterzeichnung eines Reverses 4 ), in welchem er sich verpflichten
musste, in keine anderen Dienste zu treten, weder einer hohen noch einer
niederen Standesperson wider das Interesse Bayerns mit Rat und That an die
Hand zu gehen, das Dienstgeheimnis bis an sein Ende streng zu wahren und
die in seinem Besitze befindlichen Akten auszuliefern. Am 18. April reiste
der Kurfürst mit seiner Gemahlin nach dem Süden ab, ohne Öxl eine Ab¬
schiedsaudien z bewilligt zu haben.
So schildert Öxl selbst 6 ) die näheren Umstände seiner Entlassung.
Ein offizieller bayerischer Bericht existiert nicht, auch die Nachforschungen
in Wien und Paris nach Berichten der kaiserlichen und der französischen
Gesandtschaft in Regensburg sind leider erfolglos geblieben. Die Schilderung
Öxls klingt hart, mitleiderregend, und doch war der Sturz Öxls kein
tragisches Geschick, auch nach dem, was ihm vorausgegangen war, kein über¬
raschendes Ereignis mehr.
♦
Die Politik Bayerns während der Kaiserwahlfrage, mit der Öxls Name
aufs engste verknüpft war, die er von den aktiven Teilnehmern Bayerns am
längsten überlebte, hatte nicht die vom bayerischen Hofe erwarteten und vom
Kaiser und den kaiserlichen Ministern in verlockender Nähe gezeigten Früchte
getragen, hatte im Gegenteil schlimme Enttäuschungen gebracht
In jenen Monaten, da eine Welt in die Schranken trat, um die Casa
d’Austria von dem wie ein Erbstück des Hauses angesehenen Kaiserthrone
auszuschliessen, hatte der Wiener Hof wieder einmal die rosigste Geberlaune
gezeigt, um den gefährlichsten Konkurrenten von der Bewerbung um die
Kaiserkrone zurückzuhalten, Bayern. Seit dem dreissigjährigen Kriege waren
die Einkünfte des bayerischen Salzmonopols empfindlich gekürzt worden durch
den zur Einführung gebrachten Aufschlag auf das nach Böhmen gehende Salz.
*) Aktenstücke Nr. 6.
*) Aktenstücke Nr 7.
4 ) Aktenstücke Nr. 8.
5 ) Aktenstücke Nr. 12.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
249
In den Tagen des Wahlkampfes gaben der Kaiser und die kaiserlichen Minister
von Wien wie von Frankfurt aus die schönsten Vertröstungen. Das Ergebnis
nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I. war, dass, um mit den Worten des
Kurfürsten von Bayern zu sprechen, nach mehr als viermonatlichen Verhand¬
lungen/ nach schweren Unkosten, nach vielfältigen Versprechungen der un¬
leidliche Zustand fortdauerte. Seit dem westfälischen Frieden war an Stelle
des alten Zankapfels zwischen bayerischen und pfälzischen Wittelsbachern, an
Stelle des Haders um die pfälzische Kurwürde der Reichs vikariatstreit getreten.
In den Tagen des Wahlkampfes gelobte der Kaiser, mit seiner ganzen Autorität,
nötigenfalls mit den Waffen, das Reichsvikariatsrecht Bayerns aufrecht zu
erhalten. Das Ergebnis nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I. war derart,
dass man noch in den siebziger Jahren am bayerischen Hofe klagte, das Kaiser¬
haus habe sich in dieser Frage von jeher zweideutig benommen und niemals
mit Entschiedenheit das Vorrecht Bayerns anerkannt. Seit dem dreissigjährigen
Kriege stritten sich das dem bayerischen Hofe verwandte Savoyen und Mantua
um Montferrat, um das Stadtgebiet von Trino, um das Reichsvikariat von
Oberitalien. Im vierten Artikel der Wahlkapitulation übernahm der Kaiser
die eidliche Verpflichtung, den Herzog von Savoyen mit den genannten Streit¬
objekten zu belehnen. Das Ergebnis nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I.
war, dass Savoyen die Investitur versagt blieb, versagt blieb trotz Jahre lang
fortgesetzter Bemühungen des Kurfürsten und seiner Minister. Das war der
Dank vom Hause Österreich 6 ).
Schon klagten die bayerischen Minister über den Wortbruch der kaiser¬
lichen Räte, die dem Kurfürsten, als sie seiner Dienste bedurften, tausend
Versprechungen gemacht hätten, jetzt aber, da sie der Dienste entraten zu
können glaubten, der Versprechungen sich nicht mehr erinnern wollten; schon
drohten sie damit, dass sich der Kurfürst um andere Hilfe Umsehen werde.
Öxl selbst muss in einem vertraulichen Schreiben an Maximilian von
Kurz bekennen: „Es ist freilich wahr, quod in aula Caesarea adversarii
honoreutur, amici autem onerentur“. Über diesen Erfahrungen musste nicht
bloss Österreich seinen Kredit einbüssen, es mussten zugleich die Wortführer
der verkrachten Spekulation in Mitleidenschaft gezogen werden, es musste mit
der Zeit auch Ö x 1 an Vertrauen verlieren, wenn ihn auch zunächst noch die
Erinnerung an sein sogenanntes schneidiges Auftreten gegen den verhassten
Pfälzerin Frankfurt 7 ) vor einer Massregelung des Kurfürsten schützte. Ferdinand
Maria war von Haus aus argwöhnisch; die Enttäuschung konnte daher um
so bedenklicher wirken, als gerade die bisherigen Berater dem österreichischen
Kaiserhause und dessen leitenden Ministern persönlich nahe standen und des-
Ä ) Über diese bayerischen Enttäuschungen s. Döberl, Bayerns Anschluss
an Frankreich unter Ferdinand Maria, seine Entstehungsgeschichte und seine Wir¬
kungen bis zum Frieden von Füssen, S. 69—110.
7 ) Dass sich Öxl mit diesen wohlfeilen, durch eigene Ruhmredigkeit künstlich
aufgeputzten Lorbeeren bei dem für Kränkungen seiner Ehre ausserordentlich empfind¬
lichen Kurfürsten einen mächtigen Stein ins Brett gelegt hat, geht aus verschiedenen
Äusserungen hervor.
i 7 .
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250
Michael Döberl
halb der Verdacht aufkeimen konnte, dass sie das Interesse Bayerns dem
Interesse Österreichs geopfert 8 ).
*
Die Wirkungen dieser Enttäuschungen zeigten sich bald in den Gegen¬
sätzen zwischen Bayern und Österreich in Fragen der Reichs-
wie der auswärtigen Politik, schon in den Jahren 1659—62, die man
bisher völlig habsburgfreundlich geglaubt hat
Bayern protestiert im Frühjahr 1659, als der Kaiser Neigung verrät,
im Widerspruch mit der beschworenen Wahlkapitulation den Spaniern sowohl
nach Italien als nach den Niederlanden bewaffnete Hilfe zu senden, gegen
eine Einmischung des Reiches in den Krieg im Westen, droht, nötigenfalls
den kaiserlichen Völkern den Durchzug mit Gewalt zu verwehren. Dasselbe
Bayern weist zur Zeit des nordischen Krieges die Einladung zu einer Allianz
mit Österreich ostentativ zurück, protestiert vielmehr durch eine eigene Ge¬
sandtschaft gegen eine Einmischung des Reiches in den Krieg im Norden.
Bayern geht beim ersten Proteste thatsächlich zusammen mit der rheinischen
Allianz, beim zweiten mit der rheinischen Allianz und mit Frankreich. Und
dasselbe Bayern kreuzt die Wege der kaiserlichen Politik auch in dem lang¬
wierigen Deputationsstreite, zwingt den Kaiser nach heftigem Widerstande
schliesslich zu dem, was er vorher wie in Vorahnung der kommenden Er¬
eignisse als unvereinbar mit seiner Autorität, als ein „gegen die Posterität
unverantwortliches Werk“ bezeichnet hatte, zur Berufung des Reichstages,
der tagen sollte bis zum Ende des heiligen römischen Reiches 9 ). Das Ver¬
trauen zwischen den Kabinetten von Wien und München war zerstört
Auch diese Gegensätze zwischen dem Münchener und dem Wiener Kabinett
waren verhängnisvoll für den politischen Einfluss Öxls, die Niederlagen der
österreichischen Diplomatie waren zugleich Niederlagen Öxls; denn dieser
hatte sich auch jetzt mit der österreichischen Diplomatie völlig identifiziert
Die verhetzende und widerspruchsvolle Art vollends, wie Öxl bei
diesen Ereignissen für die Sache Österreichs eintrat, hat zugleich dem poli¬
tischen Kredit Öxls den Bankerott gebracht, hat nicht bloss die Feindschaften,
die er vom Frankfurter Wahltag her auf sich gezogen hatte, verschärft, sondern
seine eigenen politischen Freunde an ihm irre gemacht. Um die kölnisch-
fürstenbergischen Ausgleichsvorschläge im Deputationsstreite zu nichte zu machen,
beschuldigter den Reichsvizekanzler, dass er sich von Nürnberg habe bestechen
lassen, verhetzt er gemeinsam mit seinem Freunde Volmar die Augsburger
Konfessionsverwandten gegen die katholischen Kurfürsten — sie sollten
den Pfaffen nicht trauen, weil sie sich betrogen finden würden —, giebt
er in den katholischen Kreisen die Parole einer Gefahr für den Katholizismus
aus. Dass Öxl die Sache Österreichs vertrat, könnte man ihm an sich nicht
zum Vorwurfe machen, aber er verwickelt sich dabei in die gröbsten Wider-
8 ) Dieser Verdacht ist von Ferdinand Maria thatsächlich geäussert worden.
Vgl. Heigel, Quellen u. Abh. z. n. G. Bayerns I, 242 f.
9 ) Über diese Gegensätze zwischen Bayern und Österreich s. Döberl a. a. O. noff.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl. 251
Sprüche; einem oberflächlichen Leser müsste er bald als ein grimmiger
Österreichhasser, bald als ein Österreich Schwärmer erscheinen. Er stimmt bei
jeder Gelegenheit ein in das verdammende Urteil über den Undank Österreichs,
über die Lässigkeit und Uneinigkeit der kaiserlichen Ministerrepublik — am
Kaiserhofe brauche man zu den Negotien gewöhnlich die Ochsenpost und
gehe es auch sonst in publtcis nicht besser her —, manchmal über die Person
des Kaisers selbst, und unmittelbar darauf bittet und beschwört er im Namen
der nationalen Sache, das blind zu erfüllen, was die österreichische Diplomatie,
und zwar oft die einseitigste Richtung derselben, dekretiert hat. Derselbe Öxl,
der sich vor nicht langer Zeit den Anschein gegeben hat, als ob er den
Türkenkrieg begrüsse, weil er Beschleunigung des Reichstages und damit
Lösung des Deputationskonfliktes bringen werde, erklärt unmittelbar darauf
Billigung der österreichischerseits erhobenen Hindernisse gegen einen Reichstag
für „echt altdeutsch“, findet ein kursächsisches Zustimmungsschreiben wert,
„dass man es in Gold einfasse und Patrioten für einen Spiegel ihrer Pflicht und
gebührenden Freiheit Vorhalte“. Die Folge dieser Doppelzüngigkeit war, dass
Öxl schliesslich bei Freund und Feind in Misskredit fiel. Am 4. November
1666, zu der Zeit, als Öxl, wiewohl noch in kurbayerischen Diensten stehend,
sein bedenkliches Spiel am Wiener Hofe begann, schrieb der Landshuter
Regierungskanzler Dr. German Barbier, derselbe, der früher als Protokoll¬
führer am Regensburger Reichstag unter ihm gedient: „Scheint, dass ihn Gott
wegen seiner gegen jedermann praktizierten Falschheit fallen
lässt“ 10 ). Öxl selbst klagt schon im September 1661, dass er von der kur¬
fürstlichen Kanzlei wie ein Landes- und Reichsverräter behandelt werde 11 ).
* * *
Die Stellung Öxls musste noch mehr erschüttert werden, als den
herrschenden Einfluss am Münchener Hofe Persönlichkeiten gewannen, die
teils aus sachlichen, teils aus persönlichen Motiven Gegner der österreichfreund¬
lichen Politik und ihrer Vertreter waren.
Am 10. Juli 1662 starb Graf Maximilian von Kurz, der sicherlich
aus Überzeugung den politischen Anschluss Bayerns an Österreich empfohlen,
der Öxl protegiert hatte. Das wichtigte Amt des Obersthöfmeisters, der an
der Spitze nicht bloss der Hof-, sondern auch der Staatsverwaltung stand,
blieb bis zum Jahre 1670 unerledigt. Während dieses Interimistikums führte
nominell die Geschäfte des Obersthofmeisters der nächsthöhere Hof- und
Staatsbeamte, der österreichisch gesinnte Oberstkämmerer Baron von Haslang,
thatsächlich aber war seit dem Jahre 1662 der erste Hof- und Staatsbeamte
der Obersthofmarschall Hermann Egon von Fürstenberg, wenn er auch
erst im Jahre 1670 auf den Obersthofmeistersposten erhoben wurde. Und
schon vorher war das enge Verhältnis zwischen dem Münchener und dem von
den Brüdern Herrn anns, Franz und Wilhelm Egon von Fürstenberg,
10 ) Aktenstücke Nr. 3.
n ) Über dieses widerspruchsvolle Verhalten Öxls vgl. Döberl a. a. O., nament¬
lich S. 138 ff-, 153 ff-, 156 ff.
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Michael Döberl
252
geleiteten Kölner Hofe, das man bisher österreichischerseits so ängstlich fern-
zuhalten gesucht hatte, begründet 12 ). Hermann Egon von Fürstenberg
war nicht bloss der Gegner des früheren Systems, er war auch ein persönlicher
Feind Öxls; Öxl hatte ihn und seine Brüder bis aufs Messer bekämpft
Das Urteil, das die Geschichte über Fürsten berg Zufällen hat, ist kein günstiges;
ich habe an anderer Stelle ein Charakterbild dieses Mannes zu entwerfen
versucht 13 ). Aber das Verfahren, das Öxl in der Bekämpfung Fürstenbergs
beliebte, war nichts weniger als einwandfrei. Öxl hat in der Zeit des Frank¬
furter Wahltages den bayerischen Prinzipalgesandten Fürsten berg verdächtigt,
ihn beschuldigt, dass er seine Pflicht versäumt habe, weil er anlässlich der
künstlich zu einer Aktion ersten Ranges aufgebauschten Tintenfassszene ihm
in seiner Hetze gegen die Pfalz nicht sekundierte 14 ); Fürstenberg beklagt
sich noch in den siebziger Jahren gegen den österreichischen Gesandten
Königsegg, dass Öxl, um sein Verhalten gelegentlich der Kaiserwahl zu
kompromittieren, Brieffälschungen vorgenommen, und dass diese anfänglich sogar
Aufnahme in die Historiadi Leopoldo Cesare von Gualdo Priorato gefunden
hätten 15 ). Öxl hat in der Zeit des Regensburger Deputationstages in der
Bekämpfung und Verdrehung alles dessen, was von Fürstenberg und
seinem Hause kam, sein Möglichstes geleistet, ohne Rücksicht darauf, ob jenes
gut oder schlecht war. Und dieser Kampf wurde von Öxl vielfach in der
Weise geführt, dass er giftige Pfeile aus sicherem Verstecke entsandte, wie
namentlich seine vertrauliche Korrespondenz mit dem Grafen Maximilian
von Kurz an den Tag legt, die vielleicht nach dessen Tode in die Hand
des Fürstenberges geriet 16 ). Gerade die gehässige Art, mit der Öxl in
ll ) Döberl a. a. O. 156.
15 ) A. a. O. 163— 166.
14 ) A. a. O. 53 f.
16 ) „Erfangete an ganz empfindlich wider den baron Öxel zu schelten, gäbe ihm
die schuld, dass er in kaiserliche diffidenz geraten; er hette falsche schreiben formieret, so
anfänglich gar der conte Gualdo in seine historia gesezet habe.“ Wiener Staatsarchiv,
Staatskanzlei. 1672 Nov. 18., Königsegg an Leopold I.
lö ) Nach dem Tode des Grafen Kurz sah sich Öxl am 25. Juli 1662 veranlasst,
den Kurfürsten zu bitten, seine Partikularkorrespondenz mit dem Obersthofmeister in
sicheren Gewahrsam zu bringen: „Aus E. kf. D* in Gott rhuenden h. vatem und nach
dessen ableiben aus Ihro frauw mueter als mitvormunderin, auch nach E. kf. D* ange¬
tretenen regierung aus Deroselben selbst aigenen g. befelchen hab ich in die 13 iahr
lang — under welchen ich dritthalb iahr zue hof und ailfthalb iahr, einmahl zue
Nürnberg, zweimal zue Frankfort und auch dahie zue Regenspurg zwaimal, in reichs-
cominissiouen und conventen gewesen — mit dem negst verstorbenen obristen hof- und
landhofmaister in Sachen, welche man nicht gern in die cauzlei oder auch für andere rät
körnen lassen, von wochen zue wochen ordinarie, auch öfters extraordinarie continuierlich
ä part und in geheimben vertrauwen correspondieret und under solcher zeit vil hundert
schreiben sambt vornehmen wichtigen beilagen an ihne abgehen, welche er, wie ich ver¬
standen, in einer sonderbaren registratur hatte, auch iew r eilen nach gestalten Sachen eines
und anders dem Hu eher und Widel, auch villeicht ieweilen dem Wilderer und
dessen Vorfahren in officio dem Veit Jacob Pühler zuer geheimben und Ihren particular-
registraturn geben lassen. Nun seind nicht allein allerhand wichtige und ge¬
heim be materiell, sondern auch vil personalia darinnen begriffen, welche,
iv an sie nach seliggedachten obristen landliofmeisters erfolgtem tod-
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
253
der Zeit seiner Macht auftrat, trug gewiss keine geringe Schuld daran, dass
der Umschwung der bayerischen Politik zum Teil in recht gehässigen und
persönlichen Formen sich bewegte.
Allerdings erhielt öxl in dem nämlichen Jahre 1662 nach dem Tode
Adlzreiters Gehalt und Rangeines wirklichen geheimen Ratskanzlers, allein
dies geschah mehr in Rücksicht auf sein Dienstalter und auf die in früheren
Jahren dem Kurhause geleisteten Dienste. Überdies hat Öxl bei seiner Ab¬
neigung gegen das Bureauleben keinen Schritt gethan, um in seiner Eigen¬
schaft als Kanzler wirklich an die Spitze der geheimen Ratskanzlei zu treten,
blieb vielmehr zuerst als Reichsdeputations-, dann als Reichtstagsgesandter in
Regensburg und überliess damit die geschäftliche Leitung der bayerischen
Politik demjenigen, der schon bisher alle Schritte gegen Österreich geleitet
hatte, der schon bisher in geschäftlichen Gegensatz zu Öxl getreten war, der, wie
sich immer mehr zeigte, Öxl auch persönlich unsympathisch gegenüberstand,
Kaspar Schmid. Als Gesandter war der Kanzler Öxl an die Instruktionen
seiner Regierung gebunden, Form und Inhalt gab denselben der Vorstand
der geheimen Ratskanzlei, der Vizekanzler Schmid.
Mit dem wachsenden Einfluss Fürstenbergs und Schmids war
die Stellung Öxls noch schwieriger geworden. Für Öxl gab es keine andere
Wahl als Anschluss an die Richtung des neuen Kurses oder Rücktritt. Er
wollte keines von beiden, sondern Politik auf eigene Faust machen. Dazu
eignete sich am allerwenigsten der Gesandtschaftsposten. Es ist nicht zulässig,
dass der Gesandte, namentlich an einem so wichtigen Platze wie in Regens¬
burg, eine der Zentralregierung entgegengesetzte Politik vertritt; darunter
hätte die Disziplin, die Einheit des Dienstes leiden müssen, wären zwei Zentral¬
stellen für die auswärtige Politik ins Leben getreten. Es ist stets gefährlich,
wenn der Schwächere es wagt, dem Stärkeren die Wege zu kreuzen, gefährlich,
im Leben wie in der Politik, doppelt gefährlich dann, wenn dem Unternehmen
die Lauterkeit der Gesinnung fehlt, wenn der Unternehmer sich moralische
Blossen giebt. Öxl that sein Möglichstes, um einerseits seine Gegner zu
reizen, um anderseits seinen Gegnern Waffen in die Hand zu liefern.
fall in andere und ungleiche händ geraten sollten, mir und andern vil
grosse ungelegenheiten und Verfolgungen verursachen würden. Gelanget
diesem nach an E. kf. Dt meine underthönigste und höchstangelegniste bitt, die fürder-
samste g. Verordnung zue thuen, dass der Wilderer alle solche meine schreiben, bericht,
acta und beilag sowohl bei des obristen landhofmeisters sei. registratura und briefereien
als bei dem Hueber, Widel wie auch bei dem iüngst angestölten geheimben canzlei-
registrator Spannagel — dafern er etwas hiervon under seine hand bekomen hett —
alsbald zuesamensuchen und abfordern, auch bei ihme wohlverwahrt aufbehalten oder doch
dem obristen camerem in sein geheimbe custodiam überlüfem solle, bis ich selbsten
hinaufkomen und derenthalben die notdurft in obacht nemen kan. Wie ich nicht wenigers
des underthänigsten erbietens bin, des abgeleibten obristlandhofmeisters an mich abgelassene
schreiben, deren ich von seiner aigenen hand auch etlich hundert habe, negstens aus-
und demienigen, wem es E. kf. D* g. schaffen, gebührend zue überlüfern, damit sie ebener
gestalten nach meinem tod in keine frembde händ komen.“ Münchener Kreisarchiv,
Personalakten Öxls. Thatsächlich wurden diese Schreiben schon in der Zeit Ferdinand
Marias den einschlägigen Akten der geheimen Kanzleiregistratur einverleibt.
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254
Michael Doberl
Die Türkenpanik des Jahres 1663 brachte den Kurfürsten von Bayern
zu der unabweisbaren Überzeugung, dass er in der Isolierung der letzten
Jahre nicht verharren könne, dass er eines Rückhaltes bedürfe, und dass er
diesen nur an Frankreich finden könne. Es begannen jene bayerisch-französischen
Beziehungen, die mit einer Entente einsetzten und auf dem Wege über drei
Allianzprojekte zum bayerisch-französischen Bündnis von 1670 führten 17 ),
Öxl nahm anfänglich wirklich einen Anlauf, sich in die neuen Ver¬
hältnisse zu schicken. Eben damals, am 7. Juli 1663, zog der Vertreter
Frankreichs in Deutschland, Robert de Gravel, in Regensburg ein, nach¬
dem schon vorher die Frankfurter Deputation dem Regensburger Reichstag
Platz gemacht hatte und im Zusammenhänge damit der Bundesrat der rheinischen
Allianz von Frankfurt nach Regensburg verlegt worden war. Einige Gesandte
der weltlichen Kurfürsten, insbesondere der kurpfälzische, nahmen anfänglich
Anstand, dem französischen Gesandten die Ehre der ersten Visite zu erweisen.
Doch der Vertreter des Kurfürsten von Bayern machte den Anfang mit seinem
Besuche, und dadurch wurden auch die anderen Gesandten gezwungen, inm
nachzufolgen. Ja der von Frankfurt her als grimmiger Franzosenfeind bekannte
Öxl versicherte den Vertreter des allerchristlichsten Königs seiner Dienste
mit einer Wärme, welche über die konventionelle Sprache der Diplomaten hinaus¬
zugehen schien. Gravel war völlig überrascht: „J’y ai recognu une disposition
toute autre, qu’il ne m’a paru autrefois ä Francfort, au moins autant que
l’onen peutjuger des marques exterieures. Quoique chacun dans ces premieres
recontres, qui ne sont que de ceremonies, en use civilement, neantmoins on
rencognoit bien qu’il y a plus de franchise et de sincerite en de certains com-
plimens qu’en d’autres 18 ).“
Freilich schrieb Gravel die veränderte Haltung des bayerischen Ge¬
sandten einer ausdrücklichen Weisung des Kurfürsten und diese selbst dem
Einfluss der Kurfürstin Adelheid zu 19 ). Das Vertrauen Gravels zu Öxl
war auch jetzt kein grosses: „Vous cognoissez le genie de mr. Oec sei qui se
rapporte beaucoup ä ceux des chanceliers Meel etAnetanus. II leur manque
maintenant le quatrieme pour faire l’atelage complet qui estoit le bon mr.
Volmar ä qui Dieu fasse misericorde 20 ).“ Noch geringer war das Vertrauen
der französischen Regierung. Als anfangs August der Staatssekretär des aus¬
wärtigen Amtes in Paris, Marquis de Lion ne, in einem Schreiben an die
Kurfürstin den Antrag auf Erneuerung der Korrespondenz oder Entente
zwischen Bayern und Frankreich stellte, verbat er sich ausdrücklich die Person
Öxls für die Vermittelung dieser Korrespondenz 21 ): „Wenn diese Korrespondenz
aufgerichtet werden soll, dann muss Herrn Öxl alle Wissenschaft davon
1T ) D öb e rl a. a. O.
18 ) Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne t. 157. 1663 Juli 26, Gravel an Ludwig XIV.
19 ) »Je s^ay de tr&s bonue part que la mani&re obligeante et extraordinaire dont
on a use aveq moy le deput£ de Baviere vient d’un ordre tres exprez qu’il en a receu
de son maistre et sans doute par les tnouvemens de madame l’electrice.“
,0 ) Ebenda. 1663 Aug. 23, Gravel an Ludwig XIV.
**) Münchener geheimes Hausarchiv.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
255
entzogen werden, wenn Sie nicht wollen, dass man zu Wien von allem eher
als zu München Kenntnis habe.“
In der That war es Ö x 1 auch jetzt mit der Durchführung der Intentionen
der Münchener Regierung so wenig ernst, dass er gleich die erste Probe schlecht
bestand, dass er in der Hitze des Weines, dem er auch sonst mehr, als er vertrug,
zugesprochen zu haben scheint, aus der kurz zuvor einstudierten Rolle plump
herausfiel. Gravel hatte die beiden bayerischen Gesandten am Regensburger
Reichstage, den geheimen Ratskanzler Dr. Öxl und den Hofkanzler Dr. Ernst,
am 25. August zu einem Diner zu sich gebeten, zu dem ausgesprochenen Zwecke,
ihrer wahren politischen Gesinnung auf die Spur zu kommen. Hier nun, im
Hause des französischen Gesandten, brach Öxl mit seiner antifranzösischen
Gesinnung offen heraus. Der Kölner Gesandte, der zum Diner deshalb bei¬
gezogen worden war, damit er Zeuge der Auslassungen Öxls werde und
nötigenfalls seinen kurfürstlichen Herrn, dieser aber den verwandten Münchener
Hof verständigen könne, war, um mit den Worten •Gravels zu sprechen,
schlecht erbaut, der zweite Gesandte Bayerns aber, Hofkanzler Dr. Ernst,
gab noch während des Diners dem Vertreter Frankreichs seinen Unwillen
über das taktlose Verhalten seines Vorgesetzten kund und entschuldigte sich
am folgenden Tage in aller Form wegen des Zwischenfalls 22 ). Dieser Vorfall,
der sicherlich, wenn auch auf Umwegen, sei es über Köln, sei es über Neuburg
— der Pfalzgraf von Neuburg wurde durch den jüngeren Gravel davon be¬
nachrichtigt 23 ) — zur Kenntnis der bayerischen Regierung kam, war geeignet,
einen gänzlichen Mangel an Disciplin in der bayerischen Diplomatie vor aller
Welt zu bekunden, musste Bayern fürchten lassen, man werde ihm franzö-
sischerseits nahe legen, erst die Beamtenschaft zu disciplinieren, ehe man an
eine Bündnisfähigkeit denke. Schon damals scheint nicht bloss von französischer
Seite der Wunsch laut geworden zu sein, sondern auch am bayerischen Hofe
die Neigung bestanden zu haben, Öxl von Regensburg abzuberufen.
Man nimmt zwar mit der Ausführung noch Anstand aus Rücksicht
auf den Kaiserhof, um vor diesem nicht die politische Schwenkung aufzudecken,
enschliesst sich einstweilen, den zweiten Reichstagsgesandten Dr. Johann
Ernst abzuberufen, um für Franz von Mayr, den Mann des Vertrauens
Frankreichs, Platz zu machen. Aber hinter dem Rücken Öxls führt dieser
**) „Le 25 e j’invitay ä disner les ministres de Baviere aveq celuy de Cologne et
monsieur Stadion qui est de la part de monsieur l’electeur de Mayance afin de me servir
de cette occasion pour descouvrir les sentimens des dits tninistres sur toutes les prote-
stations qu’ils m’avoient faites de la part de leurs maistres. Le sr. Exei ne put s’empescher
dans la chaleur du vin de descouvrir son attachement k la court de Vienne dont le depute
de Cologne fut fort mal 6difie. Je les avois aussi priez ensemble afin que ce dernier
recognoissant les sentimens de l’autre en pust donner ad vis ä son maistre qui ne manquera
pas de le faire s^avoir ä la court de Bavieres. Le chancelier qui est le collegue du dit
Exei fist paroistre n’estre pas fort content des discours du dit Exei auquel je respondis
avec beaucoup de retenue pour ne luy pas donner matiere d’escrire que je 1’avois invit6
pour le quereier. 11 m’en a fait luy mesme des excuses le lendemain en des termes fort
humiliez.“ Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne 1.157. 1663 Aug. 30, Gravel an Ludwig XIV.
**) Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne. 1663 Sept. 6, Bericht des jüngeren Gravel.
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Michael Döberl
256
zweite Reichstagsgesandte Mayr mit Grave 1 die mit Frankreich eingeleitete
Geheimkorrespondenz, werden ihm von der eigenen Regierung umständliche
Weisungen erteilt, damit der erste Reichstagsgesandte Öxl dieser Korrespondenz
nicht auf die Spur komme, berichtet Mayr in umständlicher Weise, welche
Vorkehrungen er zu diesem Zwecke getroffen habe 24 ). So war bereits im
Jahre 1663 das thatsächliche Verhältnis zwischen dem ersten Gesandten am
Regensburger Reichstage und der Zentralregierung. Und doch musste, wenn
das Staatsinteresse nicht leiden sollte, gerade gegen die Gesandtschaft in
Regensburg rückhaltlose Offenheit bis zum letzten Worte herrschen.
Dieses Misstrauen gegen Ö x 1 wurde noch verschärft durch sein intimes
Verhältnis zum kaiserlichen Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstage,
dem Erzbischof Guidobald von Salzburg. Ehedem hatten allerdings zwischen
dem bayerischen Hof und dem Erzbischof Guidobald die freundschaft¬
lichsten Beziehungen bestanden, aber gegen das Ende des Deputationsstreites
hatten sich die Wege-Bayerns und Salzburgs geschieden, seit dem Regens¬
burger Reichstag und dem Regensburger Kreiskonvent wurde das Verhältnis
zwischen den beiden Höfen ein geradezu gespanntes. Guidobald galt seit
dem Regensburger Kreiskonvent als ein Gegner des bayerischen Kreisobersten-
amtes 2 °), seit den Kapitulationsverhandlungen als ein Gegner der von Bayern
eifersüchtig gewahrten kurfürstlichen Präeminenz: „Erscheint dar, dass der
erzbischof zu Salzburg als des fürstlichen collegii membrum sich stark be-
müeht des kfl. collegii beginnen zu hindertreiben, als welches ime das ius
eligendi Caesarem et capitulandi zumisset und behaubten wile, und i. Mt wenigist
dahin zu vermögen sich bearbeiten thuet, dass dieselbe disen puncten ex
plenitudine potestatis zu sich ziehen und auf künftiger reichstäg deliberationes
verschiben sollen 26 )/ 1 Bei diesem Erzbischof stand der älteste Sohn Öxls
als Kammerrat in Diensten, von diesem wurde derselbe Sohn auch am Regens¬
burger Reichstag verwendet 27 ), bei diesem ging der Vater täglich aus und ein.
Der Erzbischof hat sich selbst einmal Öxls „wohlaffektionierten, obligierten (!)
und unveränderlichen Freund“ genannt 28 ). In Rücksicht auf diesen Erzbischof
bekämpft Öxl während des Streites um die Befugnisse des Kreisoberstenamtes
in seinen Immediatberichten an den Kurfürsten zwar versteckt, aber doch
merklich die von der Zentralregierung beliebte Politik 29 ). In Rücksicht auf
diesen Erzbischof und den Kaiserhof giebt er sich bei den Verhandlungen der
Wahlkapitulation solche Blossen, dass man die wichtigsten Verhandlungen
ihm entzieht und sie in die Hand Mayrs legt 30 ). Damit war der Kanzler
auch in den Reichstagsverhandlungen soviel wie „extra negotia“ gekommen,
von Mayr thatsächlich verdrängt worden.
u ) Münchener Staatsarchiv K. schw. 279/28.
M ) Döberl a. a. O. 229 ff.
* a ) M. St. A. K. schw. 261/33.
27 ) Aktenstücke Nr. 6.
28 ) Aktenstücke Nr. 15.
w ) M. St. A. K. schw 449/6 ff.
80 ) Aktenstücke Nr. 12. Vgl. Döberl a. a. O. 288.
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257
Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
Daneben arbeiten die Gegner mit Anklagen, die, mögen sie für gut
oder schlecht fundiert gelten, jedenfalls geeignet waren, Ferdinand Maria in
leidenschaftliche Erregung zu bringen, einsetzend bei der unüberwindlichen Ab¬
neigung des Kurfürsten gegen die Kurpfalz, bei seiner notorisch streng katholischen
Gesinnung, bei seinem Familienstolze. Öxl selbst gedenkt in einem Schreiben,
das er nach seinem Sturze an den Kurfürsten gerichtet hat, dieser Anklagen 3l ).
Schwer wird es für uns Stellung zu nehmen zur ersten Beschuldigung:
Öxl habe sich vermessen, zwischen Kurbayern und Kurpfalz eine Entente
zu stiften, und habe zu diesem Zwecke eine persönliche Zusammenkunft der
beiden Kurfürsten in Vorschlag gebracht. Es hat sich bis jetzt kein äusserer
Beleg weder für noch gegen die Thatsächlichkeit der Anklage gefunden; wir
sind daher angewiesen, diese Frage vom Standpunkt der inneren Wahr¬
scheinlichkeit zu beantworten. Und von diesem Standpunkte aus muss sie
allerdings bejaht werden. Die Pfalz hatte ehedem in einem Allianzverhältnis
zu Frankreich gestanden. Grund genug damals für die französische Diplomatie,
eine Verständigung zwischen Pfalz und Bayern zu versuchen, um beide in
ihrem Lager zu vereinigen. Grund genug aber auch für Österreich, solche
französische Versuche mit allen Mitteln zu hintertreiben 3 *). Seit dem Ablauf
der französisch - pfälzischen Allianz hatte sich das Bjld geändert, seit dem
Jahre 1661 war die Pfalz in ein freundschaftliches Verhältnis zu Österreich
getreten 33 ). Seitdem hatte der Kaiserhof dasselbe Interesse an einer Ver¬
ständigung zwischen Bayern und Pfalz, wie ehedem Frankreich, und es ist
wohl glaublich, dass er sich bei derartigen Versuchen des Mannes bediente,
der so oft das Sprachrohr der österreichischen Diplomatie gewesen, Öxls.
Der Kurfürst von Bayern war jetzt, wie früher, ausgesprochenster Gegner
jeglichen Vergleichsgedankens in dem Streite mit der Kurpfalz, betrachtete jetzt
die pfälzisch - österreichischen Beziehungen mit demselben Misstrauen 34 ), wie
früher die pfälzisch-französischen. Und dieses Misstrauen musste auch den¬
jenigen treffen, der, wenn auch nur versteckt, österreichische Vermittelungs¬
gedanken lancierte.
Etwas besser steht es mit dem Gegenstände der zweiten Anklage, die gegen
Öxl erhoben wurde: Er habe bei den Verhandlungen mit Brandenburg-
Kulmbach den Rechten der katholischen Kirche in der Oberpfalz vergeben.
Zwar enthalten die Akten dieser bayerisch - kulmbachischen Verhandlungen,
welche sich im Amberger Kreisarchiv befinden, und die ich eingesehen habe,
keinen direkten Beleg dafür, dass gegen Öxl wegen des Resultates der Ver¬
handlungen eine Anklage erhoben wurde, aber immerhin ergiebt sich aus diesen
Akten, dass die Verhandlungen von Öxl geführt wurden, und dass man mit
dem Resultate derselben auf weltlichem, namentlich aber auf kirchlichem Ge¬
biete unzufrieden war.
S1 ) Aktenstücke Nr. 12.
M ) Döberl a. a. O. 48 und 90.
**) Döberl a. a. O. 208 ff.
94 ) Ebenda.
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Michael Döberl
258
Seitdem Bayern in den Besitz des Fürstentums der Oberpfalz gelangt
war, erhoben sich zwischen ihm und dem der Oberpfalz benachbarten Fürstentum
Brandenburg-Kulmbach Grenzstreitigkeiten über Landeshoheit, Gerichtsbarkeit,
Forstberechtiguug, Jagdgerechtigkeit, kurz über die Auslegung der 1536 und
1541 zwischen Pfalz und Kulmbach geschlossenen Verträge. Ganz besonders
aber stritt man sich über kirchliche Verhältnisse.
Bayern war nämlich seit der zweiten Hälfte der Regierung AlbrechtsV.
ein ausschliesslich katholisches Land. Den Mitgliedern der übrigen christlichen
Glaubensgesellschaften war die Niederlassung, die Verehelichung, die Er¬
werbung von Grund und Boden, das Betreiben eines Gewerbes verboten, die
Ablegung des tridentinischen Glaubensbekenntnisses war Vorbedingung für
den Civil- wie für den Militärdienst, für die Aufnahme als Lehrling wie für
die Erlaubnis zur Wanderschaft, der Verkehr mit dem protestantischen Aus¬
land war verboten oder wenigstens erschwert. Und diese Grundsätze fanden
unter dem kirchlichen Absolutismus des Kurfürsten Max I. auch Ausdehnung
auf das neu erworbene Fürstentum der Oberpfalz, das bis dahin teils lutherisch,
teils reformiert gewesen war.
Und doch gab es noch in dem Grenzgebiet zwischen dem katholisch
gewordenen Fürstentum der Oberpfalz und dem lutherischen Fürstentum
Brandenburg-Kulmbach nicht bloss auf kulmbachischem Boden katholische
Unterthanen, Zins- und Lehensleute des Kurfürsten von Bayern, sondern auch
auf bayerischem Boden lutherische Unterthanen, Zins- und Lehensleute des
Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, namentlich sassen noch immer zahl¬
reiche lutherische Vasallen des Markgrafen auf oberpfälzischem Boden oder
hatten wenigstens Liegenschaften in der Oberpfalz. Auch gab es katholische
Unterthanen der Oberpfalz, welche in unkatholischen Pfarreien des Fürsten¬
tums Branden bürg-Kulmbach eingepfarrt waren.
Die aus diesen Verhältnissen erwachsenden unvermeidlichen Konflikte
nahmen unter der Regierung Ferdinand Marias eine verschärfte Form
an, eine Zeit lang schien es zwischen Bayern und Brandenburg-Kulmbach
zum offenen Kriege zu kommen. Wiederholt wurden Verhandlungen an-
geknüpft, sie blieben aber ergebnislos. Erst die Konferenzen, welche im Juni
1665 in München eröffnet wurden, führten zu einem Resultate.
Freilich wurde in dem bis jetzt ungedruckten Vertrage vom 12. August 1665
von Bayern in mehr als einem Punkte der Rückzug angetreten, auf weltlichem
Gebiete, wie z. B. in der Gerichtsbarkeit, wie auf kirchlichem. Nicht bloss wurde
bestimmt, dass die kulmbachischen Unterthanen Augsburger Konfession auf
bayerischem Boden und die bayerischen Unterthanen katholischer Konfession
auf kulmbachischem Boden samt ihren liegenden Gütern gegenseitig aus¬
getauscht werden sollten, die bayerischen Bevollmächtigten willigten auch ein,
dass die unausgewechselt gebliebenen kulmbachischen Unterthanen Augsburger
Konfession bis zu ihrem Tode auf bayerischem Boden geduldet und ihren
Erben wenigstens eine Frist von zwei Jahren zum Verkaufe ihrer Häuser,
Höfe und Güter gewährt werden sollte. Ja im Artikel 9 des Vergleiches wurde
eine Deklaration des Kurfürsten von Bayern in Aussicht gestellt, welche den
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 259
in der Oberpfalz angesessenen markgräflichen Vasallen Augsburger Konfession
Religionstoleranz nicht bloss für ihre Person, sondern auch für ihre Familien
gewährte, nur dass sie einem etwaigen Austausche sich nicht widersetzen sollten.
Einem Ferdinand Maria, dem der Vater als erste und vornehmste Pflicht
des Fürsten bezeichnet hatte, „die heilige katholische Religion und das Heil der
Seelen seiner von Gott ihm anbefohlenen Unterthanen, für welche er am jüngsten
Tage Rechenschaft zu geben habe, nach allem Verstand und Vermögen zu
fördern“, der in der That an dem von seinem Ahnherrn aufgestellten Grund¬
sätze der ausschliesslichen Katholizität des Landes festhielt, der, um auch aus¬
wärtige Protestanten für den Katholizismus zu gewinnen, eine Konvertitenkasse
begründete, mussten solche Zugeständnisse schwer fallen. Das innere Wider¬
streben, mit dem Ferdinand Maria in dieses Zugeständnis willigte, hat
einen Niederschlag gefunden in der Deklaration, die am 30. August an den
Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach abging:
„Dieweilen nun der 9^ articul mit sich bringet, dass wür uns wegen der marggräflichen
in der Oberen Pfalz angesessenen der Augspurg. coufession zugethaneu adelichen vasalen
religionsfreiheiten in ansehung E E d für sye eingewendten inständigen und cräftigen Vor¬
worts gegen Deroselben Selbsten durch schreiben dergestalt erklären wollen, dass E L d
daraus unsre freundvetterliche affection und Willfährigkeit im werk zu verspiren haben:
also erbieten wür nns dahin, dass, obwohlen uns starke und wichtige consi-
derationes entgegen gestanden, wür iedoch uf E L d so eiteriges und unablessiges
ansuchen, auch anderer consideration halber Derselben zu sonderbaren freundvetterlichen
gefallen besagte Dero in unsern Oberpfälzischen landen gesessene der Augspurgisclien con-
fession annoch zugethane adeliche Vasallen für sich und ihre familien, ab weiters nicht bei
ihrer ietzigeu religion, iedoch ohne öffentliches exercitium in landen, und wan sie sich
in ihren leben und handl der gebühr nach unsträflich, fridlich und schidlich verhalten, auch
der religion halber an öffentlichen feuer-, fest- und bettdägen und sonsten keine ärgemuss
oder hinderung geben, noch fernere gedulten wollen. Darneben thuen wür uns gänzlich
verlassen, dass obgemelter mehrfältiger austruckentlichen erklärung und Versicherung noch
diese unsere nachgebungen der veranlasten auswexlung oder Vertauschung besagter vasallen
keineswegs hinderlich sein noch sie sich ihrer religionstoleranz darwider missbrauchen
oder solcher permutation widereezen, sondern nach der gebührenden Vollziehung die religions-
disposition wegen ihrer und der ihrigen allerdings bei uns stehen solle.“
Es ist wohl zu glauben, dass derjenige, der mit der Führung dieser
Angelegenheit betraut war, Öxl, beschuldigt wurde, dass er dem Interesse
seines Herrn vergeben habe. Öxl selbst gedenkt in einem Aktenverzeichnisse
eines eigenhändigen ausführlichen Berichtes in dieser Angelegenheit, wohl
einer Rechtfertigung 35 ). Die Initiative zu der Anklage konnte vom Kurfürsten
selbst ergriffen, die Anklage konnte aus der Mitte des geheimen Rates hervor¬
gegangen sein — thatsächlich ist hier noch in den siebziger Jahren an dem
Vertrage eine abfällige Kritik geübt worden 36 ) —, die Anklage konnte auch
von den beiden Räten, die Öxl zu den Konferenzen bei gegeben waren, vom
Revisionsrat Dr. Johann Wämpl und vom Vizekanzler Schmid, erhoben
worden sein. Es ist aber deshalb durchaus nicht nötig, Schmid ein unlauteres
Motiv zuzuschreiben; er hatte ja, wie wir aus anderen Akten wissen, schon
#6 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten.
88 ) Amberger Kreisarchiv, Akten der brandenburgisch-kulmbachischen Verhand¬
lungen. Adm. Obpf. nr. 3568, f. 151.
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2ÖO
Michael Döberl
zu früher, einer Zeit, da er noch einfacher geheimer Rat war, mit seinen
Bedenken wegen der Nachgiebigkeit Öxls gegen Brandenburg-Kulmbach nicht
zurückgehalten 87 ).
Am reichlichsten fliessen die Quellen über den Gegenstand der dritten
Anklage. Öxl habe — so lautete nach der Wiedergabe Öxls selbst diese
dritte Beschuldigung — gegen die ausdrückliche Weisung seines Kurfürsten
nicht die Kandidatur des wittelsbachischen Bischofs von Freising, Albert
Sigismund, sondern die des Grafen Adam Lorenz von Törringfür
das Bistum Regensburg fördern helfen und habe hierin mit dem Erzbischof
von Salzburg unter einer Decke gespielt
Diese Anklage ist thatsächlich erhoben worden. Das ergiebt sich aus
den von mir eingesehenen Regensburger Wahlakten 38 ). Aber auf grund dieser
Wahlakten muss ebenso gleich anfangs konstatiert werden, dass diese Anklage
nicht von den politischen Gegnern Öxls in München, sondern von Freising
ausging, dass die politischen Gegner am Münchener Hofe, insbesondere
Kaspar Schmid, lediglich thaten, was ihre Pflicht war.
Am 12. Juni 1663 starb der Bischof von Regensburg, Graf Johann
Georg von Herberstein. Noch am nämlichen Tage erhielt Öxl den
Befehl, bei dem Erzbischof Guidobald von Salzburg, dem Metropolitan der
bayerischen Kirchenprovinz, der sich damals, wie bereits berichtet, als kaiser¬
licher Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstage befand, auf eine dila¬
torische Behandlung der Wahlangelegenheit hinzuarbeiten, um das Wahl¬
geschäft in bayerischem Sinne beeinflussen zu können.
Bis zum Ende des Monats blieb die Regierung ohne offiziellen Bericht.
Das einzige, was nach München gedrungen zu sein scheint, war die Anklage,
Öxl habe den Domprediger von Regensburg, Pater Neuhäuser Soc. Jesu,
verdächtigt, sofort nach dem Tode des Regensburger Bischofs einen eigenen
Boten mit der Nachricht nach Freising geschickt zu haben, damit Albert
Sigismund rechtzeitig Schritte zur Erlangung des erledigten Hochstifts
unternehmen könne.
Inzwischen hatte sich der bayerische Kurfürst für die Begünstigung
der Wahl des wittelsbachischen Bischofs von Freising entschieden; er war
durch Albert Sigismund wie durch dessen Vater, den Herzog Albrecht,
ausdrücklich darum gebeten worden. Am 22. Juni 1663 erging nach Regens¬
burg der Befehl, beim Erzbischof von Salzburg sowohl wie beim Domkapitel
für die Postulation des Freisinger Bischofs nach Regensburg zu wirken. Dieser
Befehl wurde aber nicht mehr an Öxl allein, sondern zugleich an den zweiten
Reichstagsgesandten, den Hofkanzler Dr. Ernst, gerichtet, Öxl also unter
Kontrolle gestellt. Öxl selbst erblickte in dieser Massregel eine Folge der
erwähnten Beschuldigung.
Noch war weder auf den ersten noch auf den zweiten Befehl ein
offizieller Bericht in München eingetroffen, da wurde eine viel schwerere An¬
klage direkt an die kurfürstliche Regierung gebracht, auf grund von Schreiben,
87 ) M.St.A. K. schw. 475/6 („ÖxIsche Papiere“).
88 ) M. St. A. K. schw. 104/1.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 261
welche der Bischof von Freising „von vertrauten Korrespondenten“ aus Regens¬
burg empfangen hatte, und wovon ein Auszug beigelegt war : Als am Sonntag
den 24. Juni, dem Feste des hl. Johannes, die kurfürstliche Weisung an die
beiden Regensburger Gesandten eingetroffen sei, habe Öxl den Befehl dem
Dr. Ernst zu einer Zeit zugeschickt, da derselbe in der Kirche war, habe
bis Montag nachmittag nicht ein Wort über diesen Gegenstand mit ihm
konferiert und habe sich zu dieser Zeit ohne weitere Besprechung mit ihm
zur Audienz beim Erzbischof von Salzburg begeben. In der Zwischenzeit aber
sei Öxl zweimal im Salzburger Hof gesehen worden und noch am Montag
beim Erzbischof zu Gaste gewesen. Guidobald habe bei der Audienz die
beiden Gesandten zwar mit schönen Redensarten empfangen, aber zur Sache
selbst erklärt, die Regensburger Wahlangelegenheit sei zu weit gekommen,
als dass er dem Wunsche des Kurfürsten willfahren könnte; dieselbe sei schon
zu Lebzeiten des verstorbenen Bischofs soviel wie entschieden worden. Vom
Erzbischof hinweg seien beide Gesandten zum Domdechant gegangen, und
hier habe Öxl unter anderem geäussert, dem Kurfürsten sei die Personen¬
frage gleichgiltig, wenn der Kandidat nur die erforderlichen Eigenschaften
besitze. Derselbe Öxl habe alle guten Absichten, welche der Domdechant
für das bayerische Haus, insbesondere für den Bischof von Freising, ihm an¬
vertraut, dem Erzbischof von Salzburg verraten. Dieser habe dann dem Prior
des Karmelitenklosters Mitteilungen gemacht, der Prior aber, ein Parteigänger
des Grafen Törring, habe für die weitere Verbreitung nach Kräften gesorgt
Öxl habe ferner geäussert, man werde sich in der Wahlangelegenheit um den
Domdechant nicht viel bekümmern, noch weniger sich von ihm meistern
lassen, es werde sich vielmehr ein höherer Schulmeister bei St. Emeram
finden. Derjenige, der damit gemeint war, der Erzbischof von Salzburg, sollte
sich in ähnlichem Sinne geäussert haben: Er hätte wohl Ursache mit dem
Domdechant zu brechen, wolle aber augenblicklich die Abrechnung noch
unterlassen. Das Absehen des Erzbischofs und des Dr. Ö x 1 — so schliesst
der Auszug — geht dahin, dem Kurfürsten und dem Bischof von Freising
künstlich die Überzeugung beizubringen, alle Bemühungen um die Erhebung
des Freisinger Bischofs auf den Regensburger Bischofstuhl seien vergebens,
seien nur geeignet, das Ansehen Kurbayerns zu gefährden.
Diese Anklage muss am 29. Juni dem Kurfürsten vorgelegt worden
sein. Noch am nämlichen Tage ging ein scharfes Reskript nach Regensburg
ab. Hier wird nicht bloss den beiden Gesandten Vorhalt gemacht wegen der
säumigen Berichterstattung, hier wird Öxl direkt der Pflichtverletzung be¬
schuldigt. „Es kommt uns glaubwürdig vor, dass Du, Öxl, hierin die Schul¬
digkeit ausser acht gelassen und die Sache an seinem Ort nicht, wie Deine
Instruktion gelautet, vorgebracht hast.“
Wenige Tage später trafen allerdings von der Regensburger Gesandt¬
schaft zwei Schreiben ein, sowohl der Bericht Öxls auf den ersten Befehl
als der Bericht Öxls und des Hofkanzlers Dr. Ernst auf die zweite Weisung,
beide vom 28. Juni datiert. Aber der Inhalt dieser Schreiben musste den
bayerischen Hof erst recht in der Überzeugung bestärken, dass der Erzbischof
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2Ö2
Michael Döberl
alles aufbiete, um dem Kurfürsten die Wahl seines Vetters aus dem Kopf zu
schlagen: Die Angelegenheit sei kein unbeschriebenes Blatt mehr, sämtliche
Regensburger Kapitulare ausser zwei oder höchstens drei hätten bereits einen
förmlichen Beschluss gefasst, zu keiner Postulation zu schreiten, sondern nur
einen Kandidaten aus ihrer Mitte zu wählen. Sie hielten es geradezu für
einen Schimpf, wenn unter so viel vornehmen Grafen und Baronen keiner zur
bischöflichen Würde tauglich befunden würde, wenn man ausserhalb des Dom¬
kapitels eine geeignete Persönlichkeit suchen müsste. Der Erzbischof selbst
sei bereits mit seinem Worte für den Dompropst Grafen von Tor ring so
weit engagiert, dass er ohne Schaden für seine Ehre und seinen Kredit keinen
Rückzug mehr antreten könne. Die augenblickliche Lage des Hochstifts er¬
fordere einen Bischof, der wirklich in Regensburg residiere, dazu würde sich
der Bischof von Freising schwerlich entschliessen, einem Administrator aber
würde sich das Domkapitel nicht unterwerfen. Der Bischof von Freising
würde auch schwerlich von Rom die Konfirmation erhalten. Übrigens werde
der Kurfürst den Zweck, den er mit der Förderung der Wahl des Bischofs
von Freising anstrebe, eine gute Nachbarschaft zwischen Bayern und dem
Hochstift, viel besser mit dem Grafen von Tor ring erreichen. Dem Kur¬
fürsten sei zur genüge bekannt, welche Beschwerden und Ungelegenheiten
der Bischof Albert Sigismund der bayerischen Regierung bereitet; der¬
selbe habe in den Streite wegen Besteuerung der bayerischen Geistlichkeit 39 )
sogar ihn, den Erzbischof, hineinziehen wollen, er habe aber aus lauter Rück¬
sicht auf den Kurfürsten den Bischof nach Rom verwiesen. Mit dem Grafen
Törring werde der Kurfürst leichter fortkommen; denn er sei nicht so
skrupulös und nicht so widerwärtigen Humors, sondern sanft und friedliebend,
auch dem Kurfürsten als bayerischer Landsasse verpflichtet. Es seien ehedem
allerdings auch über den Törring ungünstige Gerüchte gegangen, der Erz¬
bischof habe ihn aber seit geraumer Zeit beobachtet und könne ihm das
Zeugnis einer wirklichen Besserung ausstellen.
So liess der Erzbischof durch Ö x 1 auf jene erste kurfürstliche Weisung
schreiben, in der des Bischofs von Freising noch gar nicht gedacht war. In
demselben Sinne äusserte er sich, als Öxl gemeinsam mit Dr. Ernst den
zweiten Auftrag an den Erzbischof ablegte. Er sei jederzeit beflissen gewesen,
die Intentionen des Kurfürsten nach Möglichkeit zu fördern, er wünschte, dass
es ihm auch in dieser Angelegenheit möglich wäre. Es hätten aber die
Kapitularen bereits den Beschluss gefasst, nur ex gremio zu wählen. Übrigens
habe sich ihr Kandidat, der Graf Törring, verpflichtet, gute Nachbarschaft
mit Bayern zu halten.
Diese beiden Berichte waren nicht bloss geeignet, die bayerische Re¬
gierung in dem Verdacht zu bestärken, dass der Erzbischof den Kurfürsten
von weiteren Bemühungen für den Freisinger Vetter abhalten wollte, sie
mussten zugleich den Verdacht nahelegen, dass der Erzbischof bei der Kan¬
didatur des Grafen Törring selbst die Hand im Spiele gehabt. Dafür sprach
8Ö ) Vgl. Döberl a. a. O. 49.
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263
Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
der Einfluss, den der Erzbischof auf das Domkapitel übte, dafür sprach die
Wärme, mit welcher der Erzbischof für das Domkapitel und für den Kandidaten
Törring eintrat, der Eifer, mit dem er gegen den Bischof von Freising
Stellung nahm. Der Erzbischof wusste von einem Beschluss der Kapitularen
bereits zu einer Zeit zu berichten, da der verstorbene Bischof kaum beigesetzt
war. Und doch ist dieser Beschluss erst gefasst worden am 28., bezw. 30. Juni.
Was lag näher als die Vermutung, dass der Beschluss, von dem der Erz¬
bischof am frühesten Kenntnis hatte, Kenntnis hatte, bevor er eigentlich ge¬
fasst war, seiner Initiative entsprang? Er weiss sogar, dass sich Graf Tör¬
ring verpflichtet hat, mit Bayern gute Nachbarschaft zu halten, zu einer Zeit,
da die Wähler mit dem Kandidaten noch gar nicht in offizielle Verhandlung
eingetreten sein können.
Und Öxl? Er muss selbst bekennen, dass er schon bei der ersten
Audienz gegen den Erzbischof die Vermutung ausgesprochen habe, dass die
bayerische Regierung an die Erhebung des Freisinger Bischofs denke. Und
doch hatte er dazu mit keinem Worte eine Weisung, sondern lediglich die
Aufgabe, eine dilatorische Behandlung zu erwirken, Zeit für seine Regierung
zu gewinnen. Derselbe Öxl lässt in einer so dringenden Angelegenheit seine
Regierung auf seinen Bericht vierzehn volle Tage warten. Und doch musste
er wissen, dass die Gegner der Freisinger Kandidatur gleichzeitig mit Hoch¬
druck arbeiteten. Und diese Unterlassung rechtfertigt er mit der faden¬
scheinigen Entschuldigung, die Denunziation des Paters Neuhäuser habe
ihn fürchten lassen, ein für den Freisinger ungünstiger Bericht würde seinen
Gegnern eine Handhabe liefern, ihm alle Schuld an dem Scheitern des Frei¬
singer Projektes zuzuschieben. Der Bericht über die erste Audienz beim Erz¬
bischof wie der Bericht über die zweite tragen als Abgangsdatum den 28. Juni,
jenen Tag, an welchem das Domkapitel von Regensburg zum erstenmale
offiziell zu der Wahlfrage Stellung nahm, an welchem sich ein Ereignis voll¬
zog, das zweifellos von langer Hand vorbereitet war, an welchem die
Möglichkeit einer Wahl des Freisingers so viel wie endgiltig beseitigt
wurde. Am 28. Juni nämlich, am Vorabend von St. Peter und Paul, über¬
reichten in einer Kapitelsitzung mehrere Kapitulare eine schriftliche Erklärung,
dass die Wahl längstens innerhalb 5—6 Wochen vollzogen, eine Postulation
vermieden, unter jeder Bedingung ex gremio gewählt werden solle. Und
diese Deklaration wurde am 30. Juni zum förmlichen Beschluss erhoben.
Was lag für die bayerische Regierung näher als zu glauben, dass Öxl von
Anfang an um den Plan der Gegner Freisings im Domkapitel wusste, dass
er mit seinem Berichte absichtlich so lange zurückhielt, bis jede Gegenthätigkeit
seitens der bayerischen Regierung unmöglich geworden wäre? Und diese
beiden von Öxl redigierten Berichte durchzieht in fast aufdringlicher Art
wieder und wieder der Grundgedanke, es sei dem Ansehen der bayerischen
Regierung schädlich, weitere Schritte in der Wahlangelegenheit zu unternehmen.
Was lag näher für die bayerische Regierung als zu glauben, dass Öxl mit
dem zusammenarbeitete, in dessen Haus er fast täglich aus und einging, der
selbst auf den Bericht Oxis wie auf eine Verteidigerngsschrift hiugewieseu
Bayer. Forschungen. VII, 4. 18
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264 Michael Döberl
hatte, mit dem Erzbischof von Salzburg? Die Freisiuger Anklage, das Ab¬
sehen des Erzbischofs von Salzburg und des Dr. Oxl gehe dahin, den Kur¬
fürsten von Bayern von einer weiteren Betreibung der Kandidatur des Freisinger
Bischofs abzuschrecken, hatte durch die Berichte Oxis selbst nur neue
Nahrung empfangen.
So ging denn am 6. Juli 1663 ein noch schärferes Reskript ab, in
welchem zuerst beiden Gesandten eine Rüge erteilt wurde wegen der Art,
wie sie sich beim Erzbischof sowohl wie bei den Domkapitularen ihrer
Aufträge entledigt hätten, in welchem aber besonders das widerspruchsvolle
Verfahren Öxls mit den schärfsten Worten gegeisselt wurde: „Wir können
nicht verstehen, wie sich zusammenschickt, dass Du vor diesem berichtet hast,
es sei bei Lebzeiten des vorigen Bischofs schon eine ausgemachte Sache
gewesen, keinen successorem nisi ex gremio zu erwählen, da doch Eurem
jetzigen Bericht nach erst unlängst etliche Kapitularen sich zusammen -
gethan und unter anderem auch diesen Punkt unter sich projektiert und ver¬
glichen haben, wir auch von anderwärts her gute Nachricht haben, dass es
noch allerdings eine res integra sei. Aus welchem wir denn nicht unbillig
in die Gedanken kommen, dass dieses Mittel zur Ausschliessung unseres
Vetters mit Fleiss auf die Bahn gebracht worden sei, welches Du, Öxl, weil
Dir unsere Intention schon vor Eintreffen unserer Befehle wohl bekannt
gewesen, vielmehr hättest verhindern als eine Sache, die noch im Werden
begriffen und, wenn man sich ihrer mit Eifer angenommen hätte, wohl hätte
hintertrieben werden können, für ausgemacht zu verschreiben.“ An den zweiten
Reichstagsgesandten aber erging noch am nämlichen Tage die gesonderte
Weisung, bei seinen Pflichten zu berichten, was ihm bezüglich der gegen
Öxl erhobenen Anklagen bekannt sei.
Am 10. Juli 1663 schrieb der Hofkanzler Dr. Ernst den Bericht
nieder, bei dessen Abfassung er aus doppeltem Grunde mit aller Vorsicht Vor¬
gehen musste, einmal wegen seines dienstlichen Verhältnisses zu Öxl, und
dann weil er in der Angelegenheit persönlich engagiert war. Er bestätigt,
dass die Post am 24. Juni ziemlich früh gegen 7 Uhr eiugetroffeu sei, und
dass Öxl erst zwischen 9 und 10 Uhr, als Dr. Ernst in der Kirche war,
den Befehl überschickt habe, dass sich Öxl unmittelbar nach der Übersendung
ebenfalls in die Kirche und von da nach dem Salzburger Hof begeben und
beim Erzbischof, wo er zur Tafel geladen war, den ganzen Nachmittag bis
spät abends verbracht habe, dass derselbe Öxl den Montag früh in einer
Reichstagssitzuug, den Mittag bei einer zweiten Einladung beim Erzbischof
geweilt habe, dass daher Ernst erst am Montag unmittelbar vor dem Auf¬
bruch zur Audienz beim Erzbischof den Kanzler habe sprechen können. Dass
bei dieser Audienz der Erzbischof geäussert habe, die Kapitularen hätten schon
bei Lebzeiten des verstorbenen Bischofs den Beschluss gefasst,
nur einen aus ihrer Mitte zu wählen, könne er sich allerdings nicht erinnern;
doch das fiel für die bayerische Regierung nicht viel ins Gewicht, es genügte
derselben, dass nach dem Berichte Öxls selbst der Erzbischof schon bei
der ersten Audienz von einem diesbezüglichen Beschlüsse sprechen konnte.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 265
Ebensowenig kann sich Ernst erinnern an die angebliche Äusserung Öxls
gegen den Domdechant, dein Kurfürsten sei die Personenfrage gleichgiltig;
eine solche Äusserung musste Öxl, auch wenn er dem Freisinger Projekt
entgegen war, schon in Rücksicht auf den mitauwesenden Dr. Ernst ver¬
meiden. „Ich wollte es auch“ — so fügt an dieser Stelle Dr. Ernst seinem
Berichte bezeichnend bei —, „wenn es geschehen wäre, mit Bescheidenheit zu
ahnden und ein anderes zu kontestiren gewisslich nicht ermangelt haben.“
Dass Öxl die guten Absichten des Regensburger Domdechanten dem Erz¬
bischof verraten und geäussert habe, man werde sich vom Domdechanten nicht
meistern lassen, es werde vielmehr in der Person des Erzbischofs ein höherer
Schulmeister zu finden sein, kann der Hofkanzler weder bestätigen noch wider¬
legen. Der Mangel an Information war natürlich nicht geeignet, der bayerischen
Regierung den Glauben an eine dem Naturell und der bilderreichen Redeweise
Öxls wohl entsprechende Äusserung zu nehmen. Ernst gedenkt im Anschluss
daran einer Auslassung, welche Öxl einige Tage vor Eintreffen des zweiten
Befehls gemacht habe: Wenn er bei der vorausgehenden Bischofswahl Befehl
gehabt hätte, für Freising zu arbeiten, hätte er mit Zuthun des Domdechanten,
der damals mehr Kredit bei den Domkapitularen besessen, für Frei sing etwas
eweichen können, nunmehr aber sei die Sache in einem anderen Stande, und
würden die Kapitularen allem Anscheine nach einen ex gremio wählen Ob
diese Äusserung, ganz abgesehen von der auch sonst bekannten Doppel¬
züngigkeit Öxls, geeignet war, den Kanzler in den Augen seiner Regierung
zu entlasten, muss zum mindesten angezweifelt werden; sie liess sich eben¬
sogut als indirekte Bestätigung der Freisinger Denunziation auffassen.
Alles in allem war das, was auf grund der Freisinger Denunziation
an ein Zusammenarbeiten Öxls mit dem Erzbischof von Salzburg glauben
liess, nicht widerlegt, sondern eher bestätigt worden, und doch ging durch
den Bericht des Dr. Ernst mehr ein apologetischer als denunziatorischer Zug.
Noch weniger war zur Entlastung Öxls geeignet, was er selbst am
nämlichen Tage zu seiner Rechtfertigung an den Kurfürsten schrieb: Er habe
mit grossem Herzeleid vernommen, welch üble Meinung der Kurfürst auf
ungerechte Anklagen hin wider ihn gefasst habe, er wisse sich in seinem
Gewissen völlig unschuldig. „Ich bitte E. kf. Dt um Gottes Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit willen, Dieselben wollen doch Deren vorige gnädige Affektion
und Vertrauen von mir nicht abwenden und mich vorher zur Genüge ver¬
nehmen, ehe Sie ein so ungnädiges Urteil von Ihrem allzeit treu gewesenen,
armen und höchst betrübten, ja bis in den Tod bekümmerten Diener schöpfen.
Ich bin in völliger Abfassung meiner unterthänigsten Verantwortung, daneben
aber in solchem schweren Herzeleid begriffen, dass ich aus lauter Melancholie
und Distraktion fast nichts thun und verrichten kann und es besorglich
hernächst mit einer gefährlichen Krankheit, wo nicht gar mit dem Leben
bezahlen muss.“ „Mir ist eben ganz unerträglich und will ich lieber den
Tod leiden, als dass ich bei E. kf. Dt unschuldigerweise in einen solchen
Diskredit und Disaffektion gesetzt worden bin und darin leben soll. Bitte
nochmals um Gottes und aller lieben Heiligen willen mit einem demütigsten
18*
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266
Michael Döberl
Fussfall, mich vorher mit meiner unterthänigsten Verantwortung zu vernehmen,
und wenn ich nicht darthue, dass ich aufrichtig und redlich gehandelt, mich
alsdann zu bestrafen, was ich gerne ausstehen will.“ Was bei der Regierung
mehr gewirkt hätte als diese überschwänglichen Unschuldsbeteuerungen, die
wirkliche Absendung der in Aussicht gestellten Verantwortung, ist niemals
eingetreten. Man war übrigens an solche Versprechungen seitens Öxls ge¬
wöhnt. Er hatte ja auch am 28. Juni ausdrücklich geäussert, er werde sich
wegen des verspäteten Berichts über die erste Audienz beim Erzbischof noch
besonders rechtfertigen, und hatte auch hier dem Versprechen niemals die
That folgen lassen.
Am 6. August 1663 ging an die kurfürstliche Regierung die offizielle
Mitteilung, dass der Dompropst Graf Adam von Törring „auf ungezweifeltes
Eingeben des hl. Geistes“ zum Bischof von Regensburg erwählt worden sei.
Graf Adam von Törring erfreute sich nur drei Jahre seiner neuen
Würde, er ist im Herbst 1666 gestorben. Wiederum tritt der bayerische
Kurfürst für die Wahl des Freisinger Vetters ein, wiederum ist es der Erz¬
bischof von Salzburg, der die bayerischen Wünsche durchkreuzt. Diesmal
tritt er mit seinen Absichten noch nackter hervor, er lässt sich selbst auf den
Stuhl des hl. Wolfgang erheben. Der Groll, den die bayerische Regierung
über diese neue Demütigung empfand, gab sich kund in der (vorübergehend
getragenen) Absicht, gegen den Erzbischof Beschwerde in Rom wegen Be¬
stechung der Wähler zu erheben, kam zum Ausdruck in dem Schreiben, mit
welchem die bayerische Regierung die erzbischöfliche Notifikation beantwortete.
„Gleichwie E. L d schon vorher in Ihrem des Electionswerks halber an uns
abgegangenen Schreiben kontestiert, dass dies eine Sache sei, so von der
Kooperation des hl. Geistes dependiere, und in Ihrem jetzigen absonderlich
anführen, dass diese Wahl aus eigentlicher Verfügung Gottes auf Sie aus¬
gefallen sei: also haben wir ja nicht anders Ursache denn nächst Bedankung
um die gethanene Notifikation uns mit Ihnen von Herzen zu freuen“ 40 ).
Damals weilte Öxl allerdings in Wien. Aber der Kanzler hatte nach
wie vor seinen intimen Verkehr mit demjenigen fortgesetzt, von dem man sich
neuerdings aus dem Felde geschlagen sah. Was Wunder, wenn der alte
Argwohn gegen das Verhalten Öxls bei der Wahl des Jahres 1663 nur neu
aufgefrischt wurde, umsomehr als wenige Tage nach dem Abgang jenes
zweifelhaften Gratulationsschreibens eine schwere Anklage von Wien aus gegen
Öxl erhoben wurde.
*
* *
Trotz seines Verhaltens bei der Regensburger Bischofswahl gelang es
Öxl in dem Bischof von Freising einen Bundesgenossen zu gewinnen und
so auf dem Wege über Freising einen Feldzug gegen die ihm unbequemen
leitenden Minister Münchens und Kölns zu eröffnen. Im Oktober 1666 traf
in Köln eine Stafette mit einem Schreiben aus Freising ein. Darin klagte der
Bischof von Freising seinem Bruder, Maximilian Heinrich von Köln,
40 ) M.St.A. K. schw. 104/2.
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Der Sturz des kurlmyerischen Kanzlers Öxl. 267
die bayerischen Minister hätten dahin gearbeitet, den beiden Brüdern ihr
väterliches Erbe vorzuenthalten, und dazu hätten vielleicht selbst diejenigen
nicht wenig mitgewirkt, „auf welche der Bruder einige Reflexion oder Ge¬
danken niemals gemacht habe“ 41 ). Damit war auf den Kölner Obersthofmeister,
der zugleich Bischof von Strassburg war, Franz Egon v. Fürstenberg,
und den bayerischen Obersthofmarschall, Hermann Egon v. Fürstenberg,
nach der Interpretation des letzteren, der durch Vermittelung seines Bruders
von dem Schreiben Kenntnis erhielt, auch auf den bayerischen Vizekanzler
Kaspar Schmid angespielt. „Nach der Meinung des Bischofs von Strass¬
burg sind ich und er darunter verstanden, ich halte aber auch den Herrn
Vizekanzler nicht ganz davon exempt.“ „Es beruhigt mich, dass ich in dieser
Angelegenheit nichts anderes gethan, als was der Nutzen Kurkölns erfordert
hat und die Intention meines Herrn gewesen ist. Es ficht mich auch die
Freisinger Gnade oder Ungnade so sehr nicht an. Man sieht aber gleich¬
wohl, dass Leute vorhanden sind, die so gut sein könnten,
einen und anderen ins Unglück zu bringen, und ihn anzu¬
schwärzen sich befleissigen“ 42 ). Diese Worte richteten, wie aus der
weiteren Darstellung Hermanns v. Fürstenberg zu lesen ist, ihre Spitze
gegen Öxl.
In demselben Briefe vom 4. November 1666, in welchem Hermann
v. Fürstenberg an Vizekanzler Schmid und durch ihn an den Kurfürsten
Mitteilung von der Intrigue machte, überschrieb er eine andere Anklage
gegen Öxl.
Damals war eben die vom Bischof Christoval de Roxas und
Dr. Johann Joachim Becher angeregte wirtschaftspolitische Konferenz 43 )
in Wien zusammengetreten. Seitens Bayerns waren dazu delegiert der Hof¬
kammerrat Dr. Johann Baptist Leidl und der nunmehrige Kanzler der
Regierung Landshut Dr. Johann German Barbier. Auch der Obersthof-
marschall Hermann Egon v. Fürstenberg hatte sich dorthin begeben,
um der wirtschaftlichen Mission den Boden zu ebnen und zugleich eine
private finanzielle Angelegenheit zu regeln. Zu derselben Zeit weilte aber in
Wien eine andere Persönlichkeit, Öxl. Er hatte sich beurlauben lassen, um
sich in Baden in Niederösterreich einer Badekur zu unterziehen. Thatsächlich
aber befand er sich damals in Wien, hatte nach der Darstellung Fürsten bergs
verschiedene Audienzen beim Kaiser und den Ministern Lobkowitz und
Sinzendorf und arbeitete gegen den bayerischen Hof und dessen leitende
Minister, um der wirtschaftlichen Mission den Boden abzugraben.
Roxas hatte eine Verständigung zwischen Bayern und Österreich auf
wirtschaftlicher Grundlage angeregt, Becher im Anschluss daran eine Reihe
gemeinsamer wirtschaftlicher Probleme in Vorschlag gebracht. In den ernsten
41 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten.
41 ) Aktenstücke Nr. 2.
4S ) S. darüber Döberl, Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaft¬
licher Grundlage a. d. J. 1665 und die sich daranschliessenden wirtschaftspolitischen Ver¬
handlungen zwischen Bayern und Österreich. Forsch, z. bayer. Gesch. VI. 163—205.
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26S Michael Döberl
Regierungskreisen Bayerns hielt man zwar diese Projekte für utopistisch, be¬
schickte aber dennoch die Konferenz, um auf diesem Wege Abstellung lang¬
jähriger wirtschaftlicher Beschwerden, Abstellung der hohen Donauzölle, Ab¬
stellung des böhmischen Aufschlags auf das bayerische Salz zu erwirken.
So die Intention der bayerischen Regierung. Der bayerische geheime Rats¬
kanzler Öxl dagegen förderte diese Intention in der Weise, dass er in den
erwähnten Audienzen äusserte: Fürstenberg, Barbier und Leidl würden
in kurzem anlangen und verschiedene Anträge Vorbringen, diese seien aber
eitel Schein und Spiegelfechterei. Offenbar meinte er damit jene Gegenstände,
auf welche Bayern damals wirklich nur zum Scheine einging, die Projekte
Roxas’ und Bechers.
Die bayerische Regierung hatte den Minister Lobkowitz und zu¬
gleich den Kaiser für die wirtschaftlichen Verhandlungen günstig zu stimmen
gesucht durch ein Zugeständnis in einem langen Streite. Seit den 50 er Jahren
war Fürst Lobkowitz fortgesetzt bemüht, seine in der Oberpfalz gelegene
Herrschaft Störnstein abzurunden durch Erwerbung der ebenfalls oberpfälzischen
Herrschaft Waldthurn, welche nach dem Aussterben des wirsbergischen Mannes¬
stammes vom Prager Lehensgerichtshof für ein heimgefallenes Lehen erkannt
worden war (1654). Schon 1656 hatte er bei der königlichen Hofkammer
in Prag, welche die Herrschaft als ein böhmisches Lehen zu vergeben hatte,
Anwartschaft zu einem bestimmten Kaufpreis erlangt.
Lobkowitz hatte die Kaufverhandlungen eingeleitet iu der Voraus¬
setzung, dass Waldthurn nicht bloss im böhmischen Lehensverbande, sondern
auch unter der böhmischen Landeshoheit stehe. Doch Bayern nahm die
Landeshoheit für sich in Anspruch unter Berufung auf die thatsächliche Praxis
während der kurpfälzischen, kaiserlichen und kurbayerischen Verwaltung der
Oberpfalz und wurde hierin erst recht bestärkt, weil es sich im Interesse der
Abrundung der Landgrafschaft Leuchtenberg ebenfalls Hoffnung auf Wald¬
thurn gemacht hatte und sich durch L ob ko wi tz überholt sah. Lobkowitz
stiess sich an dieser bayerischen Forderung, und darüber verschleppte sich
nicht bloss der Abschluss des Kaufgeschäftes zwischen Lobkowitz und der
böhmischen Hofkammer, es kam auch zu einem leidenschaftlichen Streite 44 )
zwischen der bayerischen und der böhmischen, bezw. kaiserlichen Regierung,
welche den bayerischen Ansprüchen mit der Erklärung begegnete, dass Wald¬
thurn zur Zeit der Lehensauftragung an Böhmen (1352) reichsunmittelbar ge¬
wesen sei. Deduktion wechselte mit Gegendeduktion, Protest mit Gegenprotest.
Als die böhmische Hofkammer mit gewaltsamen Mitteln drohte, ging die
Regierung Amberg mit Dragonern vor und Hess sogar die von der böhmischen
Lehenskammer aüfgestellten Verwalter wegen Widersetzlichkeit verhaften und
für einige Zeit in den sogenannten „Fuchssteiner“ zu Amberg werfen. Nun
fordert zu Anfang des Jahres 1660 die kaiserliche Regierung zu Wien von
der böhmischen Hofkammer Einschickung der Akten, und geht Ende des
44 ) Die Akten über diesen Streit befinden sich teils im Münchener Reichs-, teils
im Amberger Kreisarchiv. Ich verdanke mehrere Mitteilungen Herrn Lehrer May, der
eine Geschichte Waldthurns vorbereitet.
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269
Der Stur/, des kurbaycriseheu Kanzlers Öxl.
Jahres 1661 eine geharnischte Erklärung nach München, zu Anfang des
folgenden Jahres aber an die böhmische Verwaltung in Waldthurn der Befehl,
sich nötigenfalls der Egerer Garnison zu bedienen. Zwar bleibt es kaiser-
licherseits auch jetzt bei blossen Drohuugen, aber die Verbitterung zwischen
Bayern und Österreich wegen dieser Frage spitzt sich so zu, dass man dem
Erzbischof Guidobald von Salzburg, als er sich im Herbst 1662 als kaiser¬
licher Prinzipalkommissär auf dem Wege über München nach Regensburg
begab, mit dem Beitritt zur rheinischen Allianz droht: „Ich habe i. kf. Dt sehr
alterirt befunden und aus ihrem aignen mund wie auch von dero geheimben
raten verstanden, welchermassen man nit allein einem ergreifenden gewalt sich
zu widersezen entschlossen, mit austrucklichen vorschuz, sye wissen schon
leut, die ihnen genuegsamblich assistirn werden, sondern auch verspüret, dass
zugleich andere nachtailige resolutiones als nemblichen die eiutretung in die
bewuste allianz allem vermueten nach erfolgen möchte, massen mir unver¬
borgen, dass man ihro derentwegen stark zuesezet und gar enge negociationes
underlaufen“ 4,1 ).
Thatsächlich behauptete sich Bayern bis zum Jahre 1666 im Besitze
der Landeshoheit. „Ich habe mich bei Durchlesung der sich während dieser
Zeit gesammelten vielen voluminösen Akten oft herzlich über die Würde, den
Mut und die Entschlossenheit der hiesigen Regierung gefreut, womit selbe
die landeshoheitlichen Rechte bei jeder Gelegenheit verteidigte und auch er¬
hielt“, rühmt ein später zu erwähnendes Gutachten aus dem Jahre 1800.
Trotzdem nahm die Angelegenheit im Februar 1666 eine für Lob-
kowitz günstige Wendung. Ende des Monats Februar oder Anfang März
erschien im Aufträge des Fürsten der Propst zu Hunfeld, Otto Reinhold
von Andrimont, zu München. Es fanden zwischen ihm und bayerischen Be¬
vollmächtigten mehrere Konferenzen statt, und das Ergebnis war ein kurfürst¬
licher Bescheid vom 18. März 1666, in welchem Ferdinand Maria erklärte,
er habe sich auf Ansuchen des Kaisers und des Fürsten Lobkowitz ent¬
schlossen, sich der landeshoheitlichen Rechte über Waldthurn zu begeben, in
der Voraussetzung, dass von seiten des Kaisers ein Gleiches geschehe: „Ob-
wolen zum öftern mit umbständen remonstrirt worden, was i er kf. Dt bei be¬
sagten gut Waldthurn für gerechtsame zueständig, so wollen sye doch i* r k s -
M fc zu untertänigsten ehren, absonderlich aber auch zur bezeigung ihrer gegen
den fürsten von Lobcowiz und herzogen zu Sagau tragenden gueten affek-
tion sich hiemit nachfolgender gestalten erklärt haben, dass sye hochgedacht
i cr fl. Gd von Lobcowiz und dero fl. erben die landesfürstliche superioritet
und obrigkeit, auch was derselben anhengig und bishero von seiten des fürsten-
tumbs der Oberenpfalz hergebracht und exerzirt worden, bei ermelten gut
Waldthurn nach verlangen genzlich überlassen und bei dero regierung Am¬
berg die Verordnung thuen, dass i. fl. Gd von Lobcowiz an exerzirung der
landesfürstlichen obrigkeit, einnemung Steuer und umbgelds. und was sonsten
derselben anhengig, kein einhalt erzaigt werde, doch dass an seiten der cron
Böhmen ein gleichmässiges geschehe.“ Wirklich verständigte der Kurfürst
4 ’) M.St.A. K. schw. 261 ;a. 1662 Okt. 8. Guido bald an Pürsten von Port in
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Michael Döberl
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unterm 21. April 1666 die Regierung Amberg von diesem Bescheide, und
fand am 13. Mai 1666, nachdem auch der Kaiser seinen Rechten zu gunsten
des Fürsten entsagt hatte, in Anwesenheit böhmischer und kurbayerischer
Bevollmächtigter die Extradition Waldthurns an Lobkowitz statt. Der
Kurfürst erklärte sogar am 8. Juni 1666 auf eine Anfrage der Regierung Am -
berg, dass er auf die rückständige Steuer verzichte.
Lobkowitz war eben 1665 allmächtiger Obersthofmeister geworden,
und im Dezember desselben Jahres hatte die bayerische Regierung durch
Dr. Johann Joachim Becher die Abstellung jener langjährigen wirtschaft¬
lichen Beschwerden angeregt und, wenn man Becher glauben darf, bereits
eine erste Vertröstung empfangen 46 ). In den Konferenzen mit Becher wurde
von Lobkowitz scher Seite auch die Waldthurnische Angelegenheit berührt,
vermutlich in Begleitung Bechers ging dann Andrimont nach München
und erwirkte hier den bereits im Auszug mitgeteilten kurfürstlichen Bescheid.
Das erste Ergebnis dieser Nachgebigkeit in der Waldthurner Angelegenheit
war, dass der Kaiser am 3. Juli 1666 zunächst seine Zustimmung gab zu
einer Konferenz, auf welcher nicht bloss neue wirtschaftliche Projekte erörtert,
sondern auch die älteren nachbarlichen Differenzen bei gelegt werden
sollten 47 ). Von den Verhandlungen dieser Konferenz, die, wie bereits ge¬
schildert, im Herbst desselben Jahres wirklich zusammen trat, erwartete man
die weiteren Ergebnisse.
„Mit der Überlassung Waldthurns hat man nichts anderes gesucht als
ihre kaiserliche Majestät und den Fürsten von Lobkowitz zu obligieren.“
So äussert sich derjenige, welcher sich nach dem Zeugnisse des Lobkowitz-
schen Unterhändlers An drimo n t wie des Reichshofvizekanzlers Dr. Hocher
um das Zustandekommen des Waldthurner Vergleichs wesentliche Verdienste
erworben hatte, Hermann v. Fürsten berg 48 ). Öxl dagegen bot während
seines Wiener Aufenthaltes seine ganze Beredsamkeit auf, um den Wert des
Vergleiches in den Augen des Kaisers und der kaiserlichen Minister herab¬
zusetzen, und legte, um seinen Worten mehr Nachdruck zu geben, Abschriften
bayerischer Akten vor. Er warnte den Fürsten vor bayerischen Hintergedanken:
Die Überlassung sei nur zum Schein geschehen, da die Zession lediglich seiner
Person gedenke; man könne dieselbe nach seinem Tode nach Belieben zurück¬
nehmen. Den österreichischen Vorsitzenden der Wirtschaftskonferenz, den
Hofkammerpräsidenten Siuzendorf, der ebenfalls auf bayerischem Boden
ein Schmerzenskind hatte, die Grafschaft Neuburg am Inn, suchte derselbe
Öxl gegen Bayern durch die Denuntiation einzunehmen, der Kurfürst bestehe
auf der landesfürstlichen Obrigkeit über die Grafschaft Neuburg, um damit
eine Handhabe zu gewinnen, dem Hofkammerpräsideuten die Grafschaft ab¬
zudrücken, d. h. ihn zum Verkauf der Grafschaft mürbe zu machen. Man solle
40 ) Döberl, Das Projekt etc. a. a. O.
47 ) Döberl, Das Projekt etc. a. a. O.
48 ) M.St.A. K. schw. 176/13. Regensburg 1666 Mai 30. Hocher an Fürste 11-
berg. Freilich ergiebt sich aus dieser Korrespondenz auch, dass Fürsteilberg neben
den wirtschaftlichen Interessen seines Kurfürsten auch ein Privatinteresse im Auge hatte.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 271
den beiden bayerischen Ministern keinen Glauben schenken, da sie arge Vögel
seien. Öxl soll sogar zur Bezeigung seines Eifers und seiner Treue gegen
den Kaiser und gegen Lobkowitz eine schriftliche Information eingereicht
haben, wie die böhmische Kanzlei und der Kaiser selbst ihre Rechte an Wald-
thurn behaupten könnten.
Derselbe Öxl schilderte den bayerischen Hof in den schwärzesten
Farben, erzählte mit weinenden Augen, er gelte nur deswegen beim Kurfürsten
nichts und werde vom Hofe verfolgt, weil er zu gut kaiserlich gesinnt sei.
Fürstenberg und Schmid dagegen, welche ihn am meisten verfolgten, seien
die ärgsten Widersacher des Hauses Österreich und der französischen Partei
ergeben.
So lautete die Anklage, wie sie Fürstenberg und Barbier auf
grund der Mitteilungen des Propstes Andrimont von Wien aus über¬
schrieben 49 ). Nach denselben brieflichen Mitteilungen hätte der Propst die
schriftliche Information Öxls selbst in Händen gehabt durch Vermittelung
des Fürsten Lobkowitz.
Von den Gegnern Öxls wurde die Anklage noch gehörig ausgeschlachtet.
Fürstenberg weist auf die schlimmen Folgen hin, welche die Aussagen
Öxls „dieses bösen, pflichtvergessenen Gesellen“, über die Waldthuruer und
die Neuburgische Angelegenheit bei den kaiserlichen Ministern haben müssten.
Fürst Lobkowitz zwar sei von ihm bereits herumgebracht; derselbe habe durch
Andrimont dem Öxl zu verstehen gegeben, man höre die Spione an, aber
ihre Person werde einem dadurch nicht lieber, derselbe habe ihm, dem Fürsten¬
berger, gegenüber Öxl einen Erzschelm genannt, der ihm von seinen Aktionen
zu Regensburg und Frankfurt her zur genüge bekannt sei. Aber es werde
doch längere Zeit verstreichen, bis es gelingen wird, sämtlichen kaiserlichen
Ministern den Eindruck dieser Einflüsterungen zu benehmen. „Namentlich
wird es beim Hofkammerpräsidenten, der diesen Vogel nicht kennt und für
einen ehrlichen Mann hält, harte Arbeit kosten.“ Fürstenberg machte auch
auf die üblen Folgen der Schilderungen des bayerischen Hofes aufmerksam,
auf den Schaden, den er insbesondere sowohl als Gesandter des Kurfürsten wie
in seinen Privatgeschäften erleide, da diese Schilderungen von einem kur¬
bayerischen geheimen Ratskanzler ausgegangen. Allerdings wundere ihn solches
umso weniger, als der Kanzler nicht einmal der Person des Kurfürsten ge¬
schont, diesen wenigstens indirekt einer antikaiserlichen Gesinnung geziehen
habe. Aber er habe von diesen leichtfertigen Verdächtigungen Öxls schon
zu Frankfurt genug Verfolgungen und Schaden leiden müssen und sei nicht
mehr gewillt, sich ferner solchen auszusetzen. Er hoffe, man werde ihm
billige Satisfaktion zu teil werden lassen, damit er und ein anderer ehrlicher
Mann in bayerischen Diensten verbleiben könne.
Barbier ergänzt nicht bloss den Bericht Fürstenbergs, er fügt
auch Bemerkungen hinzu, welche das Verfahren Öxls in noch schlimmerem
Lichte erscheinen lassen mussten, freilich auch in umso hellerem das Verdienst
4Ö ) Aktenstücke Nr, 2 und 3.
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272 Michael Döberl
seines Anklägers Fürstenberg. „Ich habe mir leicht einbilden können,
dass uns Öxl Händel machen wird. Dass er sich aber so weit vergessen
und vorsätzlich wider des Kurfürsten Interesse agitieren würde, wäre mir
nie in den Sinn gekommen. Scheint, dass ihn Gott der Allmächtige, vielleicht
zur verdienten Strafe für seine gegen jedermann geübte Falschheit, hat
fallen lassen. Das sind rechte Schelmeustücke, die einem geheimen Rats¬
kanzler, welcher erst jüngst von meinem gnädigen Herrn so viel Gnaden
empfangen, schlecht anstehen. Graf von Fürste 11berg hat genug zu thun,
dass er dem Kaiser und seinen Ministern die vorgefasste widrige Meinung nimmt.“
„Es ist des Herrn Grafen Anwesenheit unser grosses Glück; denn sonst
würden wir von allen mit Argwohn angesehen werden, ohne zu wissen, woher
er kommt.“ Mich hat er vorgestern mit einem Rausch besucht und gesagt,
dass er beim Kaiser drei Angelegenheiten betrieben habe, Ausstellung des
Adelsdiploms für sich, um der vom Kurfürsten ihm verliehenen Edelmanns¬
freiheit auch wirklich geniesseu zu können, Präsentation auf ein Kanonikat
für seinen jüngsten Sohn, Anstellung in kaiserlichen Diensten für den Bräutigam
seiner jüngsten Tochter, weil sich diese in Bayern nicht verheiraten wolle.
Im übrigen äusserte er wiederholt, mau achte seine 38jährigen Dienste am
bayerischen Hofe gar nicht mehr, es sei jetzt rechte Zeit, am kaiserlichen Hofe
Prätensionen zu stellen; denn weil der Kaiser voller Freude sei, werde es
gleich heissen: fiat.“
Fürstenberg fordert Abberufung Öxls. Derselbe gebe zwar vor, dass
er künftigen Montag oder Dienstag von hier verreisen werde; er aber zweifle
sehr daran. Versteckt scheint Fürstenberg noch mehr augedeutet zu haben.
An derselben Stelle, da er jener Äusserung des Fürsten Lobkowitz überdas
Auftreten Öxls in Regensburg und Frankfurt gedenkt, erwähnt er eine andere
Auslassung desselben Fürsten: Es nehme ihn wunder, dass man Öxl nach
Wien gelassen; man solle denselben auf eine Pflege im Laude Bayern ver¬
setzen und sorgen, dass er sich nicht entfernen könne; sonst möchte er noch
böse Händel anfangeu.
Man könnte auf den Gedanken kommen, die ganze Anklage sei von
den Gegnern Öxls erfunden worden, weder Fürstenberg und Barbier
noch der Adressat Schmid hätten daran geglaubt.
Indes dass diese Kreise die Anklage ernst nahmen, dafür spricht schon
die Thatsache, dass Schmid eine Untersuchung anstellte.
Und die Aussagen, welche später auf gruud dieser Untersuchung der
Schreiber Öxls, Johann Rottkäpl, machte, bestätigen den Inhalt der Anklage:
Als Öxl vor seiner Wiener Reise in München weilte, um vom Kurfürsten Urlaub
für eine Badekur in Wien zu erbitteu, habe er sich von dem geheimen Kanzlei¬
registrator Martin Widl den Waldthunier Akt ausheben und von dem¬
selben wie von anderen Akten durch seinen Schreiber Rottkäpl Abschriften
machen lassen, die er dann mit sich nach Wien genommen. Mit diesen Akten
habe er sich wiederholt zu Lobkowitz begeben und bei ihm bisweilen über
zwei Stunden verweilt; ebenso sei er damit beim Propst von Andrimont vor¬
gefahren. Der Zweck dieser Besudle sei ihm unbekannt gel)lieben, doch
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273
Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
habe sich Öxl in der Unterhaltung wiederholt dahin vernehmen lassen, dass
der Propst von Andrimont den Kaiser und den Kurfürsten von Bayern, ebenso
den Fürsten Lobkowitz, den Kammerpräsidenten Sinzendorf und den
bayerischen Obersthofmarschall Fürstenberg hätte „aneinander bringen
können, so dass eine grosse Feindschaft daraus entstanden wäre“. Der Kaiser
habe deshalb dem Fürsten Lobkowitz wiederholt ans Herz gelegt, über
diese Dinge strengstes Stillschweigen zu bewahren aü ).
Für die Thatsächlichkeit der Anklage spricht auch das Ergebnis der
Untersuchung, welche schon vor dem Verhöre Rottkäpls der Vizekanzler
Schmid mit dem geheimen Kanzleiregistrator Martin Widl anstellte, der
Umstand, dass unmittelbar darauf Widl seiner Stelle enthoben wurde, dass
Widls Frau nach dem ersten Verhör sich veranlasst sah, Öxl von der Unter¬
suchung gegen ihren Mann, von dem Wortlaut der an ihn gerichteten Fragen
zu verständigen 51 ).
Dafür sprechen auch die kaiserlichen Gnadenerweise, welche Öxl in
Wien empfangen hat. Der Kaiser hatte ihm in Frankfurt für seine Ver¬
dienste bei der Kaiserwahl Erhebung in den Reiehsritterstand versprochen.
Jahre waren darüber hinweggegangen. Jetzt erfüllte der Kaiser nicht bloss
das alte Versprechen, die kaiserliche Kanzlei stellte ein Diplom 52 ) aus, worin
Öxl für sich und seine Nachkommen in den Reichsfreiherrnstand erhoben
wurde. Und der Schwiegersohn, Scherer, erscheint später wirklich, wie
Öxl und seiue Tochter gewünscht hatten, in kaiserlichen Diensten.
Doch man könnte einw r enden, dass auch die Untersuchung, welche
Schmid anstellte, nicht ernst zu nehmen sei, dass Schmid mit Fürstenberg
und Barbier unter einer Decke gespielt habe, um Öxl zu vernichten. Man
könnte einwenden, dass die Untersuchung des Vizekanzlers Schmid gegen
den Registrator Widl ungerecht geführt, dass die Aussagen, welche der
Schreiber Öxls gemacht haben sollte, von den Gegnern Öxls in die Feder
diktiert, dass Rottkäpl zur Übernahme derselben bestimmt worden sei durch
Hass gegen seinen früheren Prinzipal, durch Aussicht auf Versorgung 52,1 ). Man
könnte endlich einwenden, dass die Gnaden, welche Öxl in Wien empfangen,
wirklich nur der Lohn für die früheren Verdienste des Kanzlers um das
Kaiserhaus gewesen sei.
So wandte ich mich denn an das Hausarchiv der Familie Lobkowitz
zu Raudnitz a. Elbe; die Aussagen Fürstenbergs und Barbiers, dass
Öxl in der Waldthurner Angelegenheit dem Fürsten Lobkowitz eine
schriftliche Information eingehändigt habe, legten den Gedanken nahe. War
die Anfrage ergebnislos, so war dieses negative Resultat noch keineswegs ge¬
eignet, die Anklage gegen Öxl zu erschüttern; denn ein solches Aktenstück
konnte gerade im Interesse des Kanzlers vernichtet worden sein. Fand sich
aber ein derartiges Schriftstück, dann war nicht bloss ein Beweis erbracht für
50 ) Aktenstücke Nr. 14.
51 ) Ebenda.
55! ) Aktenstücke Nr. r.
oix ) Das Anni. 76 citierte Schreiben könnte dazu Anlass geben.
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Michael Döberl
die Wahrheit einer einzelnen Anklage, danu bot sich zugleich an einer höchst
wichtigen Stelle eine Generalprobe für die Verlässigkeit der Aussagen sämt¬
licher Zeugen, die uns in diesem Prozesse begegnen, wie für die Verlässigkeit
der Unschuldsbeteuerungen Öxls. Die Anfrage hatte einen überraschenden
Erfolg, das Ergebnis war bedeutender, als envartet werden konnte.
Damit tritt ein Zeuge auf, dessen Glaubwürdigkeit jeden Zweifel aus-
schliesst, dessen Bedeutung alle früheren und späteren Zeugenaussagen in
Schatten stellt, ihnen erst das gebührende Mass an Zuverlässigkeit zuweist.
Um den Inhalt dieser Zeugenaussage vollauf zu würdigen, gilt es noch ein¬
mal auf die Waldthurner Angelegenheit zurück zu greifen, sich nicht mehr zu
begnügen mit den schriftlichen Äusserungen, welche der Öffentlichkeit ge¬
boten wurden, sondern in das einzudringen, was sich hinter den Kulissen
abgespielt. Zwar haben sich die Akten der Verhandlungen mit dem Propst
von Andrimont bis jetzt nicht vorgefunden, dafür entschädigen aber Abschriften,
welche sich in einer Deduktion des Münchener Staatsarchivs aus dem Jahre
1800 befinden 53 ).
Daraus ergiebt sich, dass der Kurfürst den Verzicht auf die landes¬
fürstliche Obrigkeit über Waldthurn wirklich nur für seine Person erteilte,
seine Nachfolger nicht gebunden wissen wollte und von einer Einrückung
dieser Worte in den Andrimont erteilten Bescheid nur Abstand nahm auf
dessen ausdrückliche Erklärung hin, dass dem Nachfolger ohnehin freistehe,
eine solche Bewilligung zurückzunehmen. Ferner hatte man dem Propst als
Gegenleistung das Versprechen zugeschoben, auf den Fürsten Lobkowitz
einzuwirken, dass er vom Kaiser den Verzicht auf die landesfürstliche Obrigkeit
über die Grafschaft Neuburg a. Inn zu guusten Bayerns erwirke; wegen
dieser Grafschaft stand man nämlich mit dem Besitzer, dem kaiserlichen Hof¬
kammerpräsidenten Grafen von Sinzendorf, in Kauf- bezw. Tausch¬
verhandlungen.
Diese beiden Vorbehalte stellt ein Vermerk des Vizekanzlers Kaspar
Schmid zu dem Konzept des dem Pröpsten von Andrimont erteilten Be¬
scheides ausdrücklich fest.
„Pro futura memoria ist zu notieren, dass anfangs i. kf. D t die bewilligung allein
ad dies vitae suae gethan, mit vermelden, dass sie den successoribus in der primogenitur
nit praeiudiciren könden. Als aber der h. probst mündlich audienz gehabt und unter
andern vermelt, dass i. kf. D* die wort ad dies vitae darumb wol auslassen könnten, weil
den successoribus ohne das bevorstehe, da sie wollen, solche bewilligung wieder zuruck-
zunemen, haben i. kf. D* entlieh consentirt, gleichwolen aber befolchen anzuhängen, dass
der h. probst dasienige zum effect bringen wolle, was mit ihm in mündlicher conferenz
abgeredt worden. Als er aber wieder repliciert und gebeten, auch diesen anhang aus¬
zulassen, mit dem erbieten, dass er sich hierzu durch einen absonderlichen zettel obligieren
wolle, ist auch solches erbieten angenomeu und der zettel ad acta geleget w r ordeu. Was
aber von seiten i. kf. D fc für ein gegenpraetension geschehen, die h. probst ad effecta zu
bringen über sich genomen, ist diese, dass i. fl. gd. von Lobcoviz bei ihr M* für das
churhaus Bayrn auswürken wollten die landesfürstl. obrigkeit über Neuburg am In, damit
man mit der kaufshandlung, darzue sich der von Sinzendorf hiebevor diesen erboten,
58 ) M.St.A. K. schw. 565/34. „Vortrag über die Territorialansprüche seiner ietzt
regierenden kf. D* auf die dermalen fl. L o b k o w i t z i s c h e Herrschaft Waldthurn“.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
275
desto besser fortkommen könte. Und dies were das mittl, die Waldthurnische cession
der landesfürstl. obrigkeit dargegen zu compensiren und die sach auch gegen der posteri-
taet in Sicherheit zu ttellen.“
Von diesen Vorbehalten, die allerdings das Ergebnis der Mission
Andrimonts sehr herabdrückten, hatte Fürst Lobkowitz aus naheliegenden
Gründen keine Kenntnis erhalten. Öxl nun war es, welcher sich dieser Auf¬
gabe unterzog, welcher sich vor seiner Reise nach München Abschriften von
den Waldthumer Akten, insbesondere von dem Vermerke Schmids zu dem
kurfürstlichen Bescheide vom 18. März 1666 verschaffte, mit diesen Akten
sich zu Lobkowitz begab und diesen von den Hintergedanken der bayerischen
Regierung bezüglich Waldthums, von den Absichten der bayerischen Re¬
gierung auf die Grafschaft Neuburg unterrichtete und dadurch bei Lob¬
kowitz wie bei Sinzendorf jene begreifliche Erregung hervorrief, die ge¬
eignet war, den Gang der wirtschaftlichen Verhandlungen aufs ungünstigste
zu beeinflussen; Mitteilungen auf diesem Wege mussten eben die bayerische
Politik in noch schlimmerem Lichte erscheinen lassen.
Das ergiebt sich jetzt untrügbar aus der von Öxl nach seinen münd¬
lichen Mitteilungen dem Fürsten Lobkowitz ein gehändigten Information,
die noch heute im Lobkowi tz sehen Hausarchiv zu Raudnitz lagert 54 ). In
dem Schriftstück, das doch nur mittelbar der vorausgehenden mündlichen
Mitteilungen gedenkt, finden sich wiederholt wörtliche Anlehnungen an den
Wortlaut des Vermerkes Schmids. Damit sind die Anklagen, welche
Fürstenberg und Barbier von Wien aus erhoben haben, vollauf bestätigt.
Und diese Information Öxls diente wirklich, wie Fürstenberg überschrieben
hatte, dem Zwecke, dem Fürsten Lobkowitz Mittel an die Hand zu geben,
um die Absichten der bayerischen Regierung zu durchkreuzen. Öxl hat
damit zweifellos Verrat an seinem Kurfürsten geübt, wenn auch das, was er
berichtete, der Wahrheit gemäss war. Und dass sich Öxl dieses Charakters
seiner Handlungsweise bewusst war, das verrät er wiederum in derselben In¬
formation. Lassen wir diesem für die Charakteristik Öxls so wichtigen
Schriftstück selbst das Wort, es spricht beredter als breite Kommentare.
Durchleüchtiger kertzog, gnädigster fürst und lierr.
In der Waldtkurniscken sack wäre mein gekorsambstes und unmassgeblickes
parere folgendes.
Das ganze werk besteket auf zwen kaubtpuncten: i°. Dass dem kerrn probst von
Andrimont imputirt wird, er habe versprochen, Ew. fürstl. Gnaden werden ihre kais.
Maiestät dahin disponim, dass dieselbe ihrer churfurstl. Durchlaucht in Bayern die lands-
oberkerrlichkeit über die herrschaft Neuburg am Yhn cedirn, damit der tausch solcher
grafschaft gegen Orttenburg desto besser eingerichtet werden könte, und dieses seie gleich¬
sam das mittel gewesen, worauf die churfürstl. resolution oder bescheid wegen Waldthurn
conditionirt worden.
2® Dass gedachter probst Selbsten vermeldet und erstangezogenen bescheid dahin
interpretirt, dass ihrer kf. Dt successoribus bevorstehe, da sie wollen, solche bewilligung
wieder zuruckzunehmen, in welchem verstand die sonst den vorigen bescheidaufsatzen
eingeruckte clausul (ad dies vitae, so lang nemlich der liebe Gott höchstermelt ihrer kf.
Dt das leben fristen würdt) wieder expungirt worden.
M ) Sub sign. M. 17. ex cop. 4.
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276
Michael Döberl
Soviel den ersten pmieten betrifft, verbleibe ich noch, wie allemal, der unter-
thänigsten gehorsamsten wohlmeinung, man solte darvon gänzlich abstrahim, und weder
Ew. ftirstl. Gnaden noch der herr probst von Andrimont sich gegen jemanden, sonder¬
lich die churbayerische ministros oder selbige alhero verordnete gesandte im geringsten
darvon nicht vermerken lassen, sondern allerdings dissimulirn und erwarten, ob sie oder
ihre kf. Dt selbsten derentliaiben etwas movim werden oder nicht Si hoc salva res est:
si prius, und da hiervon etwas auf die bahn gebracht werden solte, wissen Ew. fürstl.
Gnaden sich von selbsten schon zu genügen zu entschuldigen, dass nemlich der herr probst
von Andrimont das versprechen ohne Ew. fürstl. Gnaden vorwissen und willen, auch
ohne allen gehabten befelch, ia wider sein gehabte instruction gethan, zumalen als Dero-
selben der Dr. Becher eben dergleichen vorhero schon zugemutet, Sie Sich gleich ent¬
schuldiget und auch dem herrn probsteu von Andrimont expresse inhibirt haben, Ew.
fürstl. Gnaden mit solcherlei anbegehrn und Commission nicht zue impegniern, weiln in
Deroselben macht und gewalt nicht stehe, ihre ks. M* zu der verlangten cession juris
territorialis über Neuburg zu vermögen, sintemaln deroselben gar zu viel, sonderlich
wegen der correspondenz und commercien in Bayern und Tyrol daran gelegen, dass auch
solche cession gegen der Waldthurnischen oberpotmessigkheit gar kein proportion habe,
und Ew. fürstl. Gnaden vorhinein schon wüssten, dass ihre ks. M 4 sich keiues wegs darzue
verstehen würden. Habe der Herr von Andrimont disfalls wider Ew. fürstl. Gnaden
intention und befelch etwas versprochen und fines mandati überschritten, haben Ew. fürstl.
Gnaden es weder zu praejtirn noch zu verantworten, immassen dan auch die Deroselben
überbrachte churfürstl. resolution und schriftliche erklärung auf dergleichen Zumutung, so
dem herrn Probsten beschehen sein solte, oder auf sein vorgebenermassen darüber getlianes
versprechen nicht conditionirt, noch das geringst hiervon darin gemeldet, sondern aller¬
dings pur und lauter seie. Was derentliaiben bei den mündlichen conferenzen vorgangen
oder w r as sich der herr von Andrimont gegen den geheimen ratsvicecanzler durch
privatzettul oder schreiben erboten, darvon seie Ew. fürstl. Gnaden nichts bewusst, es habe
auch Deroselben er hiervon weder zu seiner rückkunft, noch bishero das geringste schrift-
oder mündlich referirt oder Ihro in der sach etwas zugemutet. Solchergestalt kommt
der ganze handel auf den herrn probsten, der mag selbigen mit den Churbayerischen
gleichwohl austragen und suchen, wie er sich wiederum enodiren thue. Gestalten er den
hergang der Sachen und sein beschehenes erbieten weit anderster erzählt und interpretirt,
als es in dem bewussten annotamento des Churbayerischen vicecanzler
Schmidts enthalten ist, darvon Ew. fürstl. Gnaden ich, und was mir der
herr von Andrimont desswegen für erleuterung gegeben, albereitu nterthenigste
relation erstattet habe, so ohnnöthig und verdriesslich dis orts zu widerholen.
Meinem geringfügigen sentiment nach würde wohl das beste sein, wau der herr von
Andrimont den tausch oder wexel der grafschaft Neuburg gegen Orttenbürg mit guter
manier bei dem herrn kaiserlichen cammerpraesidenten ganz unterbrechen thete; so
würden die obbedeute difficulteten für sich selbst cessiem und fallen.
Anlangend den andern puncten, läugnet zwar der herr probst, dass er dergleichen
Interpretation, wie in des Dr. Schmidts annotato wegen der churfürstl. successom re-
tractation vermerkt ist, gethan habe, sondern gibt vor, dass solche von den heim Chur-
bayerischen zu den conferentien verordneten commissarien aufgeworfen worden, welche er
aber alsobald widersprochen. Dem seie nun wie da wöll, so erscheinet doch aus der
churfürstl. resolution oder bescheid klärlich, dass selbige allein auf die jetzt regierende
kf. Dt eiugericlit und restringirt und gar nicht zugleich auf dero erben und nachkommen
extendirt ist, dannenhero waii ihre kf. Dt (so der allmechtige Gott lang verhüten wolle)
mit tod abgehen, seind Ew. fürstl. Gnaden und Dero successores nicht gesichert, dass die
churfürstl. nachfolger in die vorgangene cession ebenergestalt conseutim oder sich darzu
verbunden zu sein erachten würden. Diser künftigen difficultet und missverstand zeit¬
lich vorzubauen ist kein besseres und sicheres expediens, als dass Ew. fürstl. Gnaden
den herrn churfürsten meinen gnädigsten herrn durch ein freundliches handbriefl er¬
suchen , Deroselben über die erteilte willfährige resolution ein förmliches instrumentum
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Der Sturz des kurbaverischen Kanzlers Öxl. 277
cessionis für ihrer kf. Dt person und dero erben und nachkommen auf Ew. fürstl.
Guadeu und Dero gleiclimessige erben und nachkommen wiederfahren lassen wollten.
Worbey aber 3 Sachen wohl in obacht zunehmen: i°. Dass Ew. fürstl. Gnaden solch
schreiben nicht gleich ietzo ex abrupto abgehen lassen, d a n man sousten zu München
gar zu deutlich merken würde, dass es Deroselben von jemanden in
geheim also suggerirt worden, dardurch ich ausser allem zweifei stracks
in verdacht und mithin in grosses Unglück geraten würde, sondern weiln
gar gewiss, dass die annahende Churbayerische gesandschaft von ihrer kf. Dt ein particular-
recommendationschreiben ihrer obhabenden negotien an Ew. fürstl. Gnaden mitbringen
wird, haben dieselbe gar treffentliche gute gelegenheit der risposta disen puncten füglich
mitanzuhängen. 2 do - wird solches anfangs mit wenigen und in solchen terminis beschehen
müssen, auf dass mit weitläufiger anziehung oder operoser ausführung der sach selbe
nicht erst suspect gemacht oder ihrer kf. Dt und dero ministris anlass gegeben werde,
daraus zu schliessen, dass Ew. fürstl. Gnaden selbsten der churfürstl. successom halber
im zweifei stehen und die churfürstl. resolution eben auch dergestalt, wie dem lierrn
probst von Andrimont imputirt wird, interpretirn und verstehen. 3tio weiln mehr
allegirte churfürstl. erklärung und cession sich austruckentlich dahin beziehet und be¬
dinget, dass an seiten der cron Behaimb ein gleichmässiges beschehen soll, so wäre dem
werk überaus vorträglich, wan Ew. fürstl. Gnaden vor allem ein solches instrumentuni
cessionis von ihrer ks. Mt als könig in Böhaimb, vor sich und ihre königliche erben
und nachkommen, auf Ew. fürstl. Gnaden und Dero erben und nachkommen auswürkten,
dasselbig zu Ihrer intention aufs beste tarn quoad materiam, quam quoad formam stylisirn
und sodan ihrer kf. Dt per vidimatam eopiam communicirn, beinebenst bitten thäten, Ihro
mutatis mutandis in eadem forma et simili modo das instrumentum cessionis zukommen
zu lassen. Solcher gestalt könnte man Churbayerischen teils es um so viel weniger diffi-
cultirn oder abschlagen.
Das ersuchen aber an ihre kf. Dt könnte unmassgeblich ungefähr auf folgenden
schlag abgefasst und dem vorangedeuten antwortschreiben praemissis reliquis praemitten-
dis annectirt werden :
Sonsten thue gegen Ew. IJt ich mich nochmaln zum höchsten bedanken, dass
Dieselbe in der Waldthurnischen sach nicht allein Sich so willfährig erklärt und mir
und meinen fürstlichen erben die landsfürstliche superioritaet und obrigkeit, und was
derselben anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern Pfaltz hergebracht
und exerzirt worden, bei Waldthum nach meinem verlangen gänzlich überlassen, sondern
auch der regierung Amberg derenthalben die gehörige notturft an befehlen und die execution
durch verordnete commissarios neben den kgl. Bohaimbischen abgeordneten zugleich wirk¬
lich vornehmen und vollziehen lassen. Gleichwie nun die kgl. ks. Mt mein allergnädigster
kaiser und herr als könig in Bohaimb ihres theils mir hierüber zu besserem bestand und
richtigkeit der Sachen, auch za Vermeidung aller künftigen irrungen ein ordentliches und
förmliches instrumentum cessionis nach laut beiliegender vidimirter abschrift allergnädigst
ertheilt haben: Also gelanget an Ew. D* mein gehorsames ersuchen und bitten, mir auch
Ihrerseits ein gleichlautendes cessionsinstrument in ebenmässiger form, inhalt und qualitet
meinem allzeit gehabten verlangen nach wiederfahren zu lassen. Gestalten ich ein un¬
massgebliches project mutatis mutandis beischliesse und Euer Dt unzweifentliche willfah-
rung darüber erwarte. Hierdurch werden Dieselbe mich noch mehrers obligieren. Das
übrige will ich bei fernerer mündlichen Unterredung gehorsamlich anfügen, und verstehet
sich obiges alles ohne geringste unzimliche massgebung.
Thue damit Ew. fürstl. Gnaden mich zu Dero beharrlichen hohen huldeu und
gnädigster protection unterthänigst und gehorsamst befehlen.
Euer fürstl. Gnaden
unterthänigster gehorsamster und treuister Diener
J. G. Oexl m. p.
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278 Michael Döberl
Und das ist nicht das einzige Ergebnis der Nachforschung im Raudnitzer
Archiv. Noch auf dem Rückweg von Wien nach Regensburg, von Linz aus
schickte Öxl anLobkowitz förmliche Entwürfe einer kaiserlichen und einer
kurfürstlichen Zessionsurkunde, welche der Fürst in Wien und München er¬
wirken sollte, um sich die landesfürstliche Obrigkeit über Waldthurn auch^
überden Tod Ferdinand Marias hinaus zu sichern. Diese Entwürfe
fanden sich ebenfalls im Lob ko witzschen Hausarchiv, zugleich mit dem
Begleitschreiben Öxls. Dasselbe ist eben nicht, wie Öxl ausdrücklich ge¬
wünscht hatte, verbrannt worden.
Ich lasse sämtliche drei Schriftstücke hier folgen, da sie für uns noch
von Wichtigkeit sein werden:
Durchleuchtiger herzog,
gnädigster fürst und herr
Demnach ich disen abend zue wasser allhie gottlob glücklich augelangt, habe ich
meinem unterthänigsten erbieten zue schuldigster folg nicht unterlassen sollen, E. f. Gd.
meine unterwegs unfürgreiflich aufgesetzte projecta beider königlicher Behmischen und
Churbayer, cessionsbrief über die landesfürstliche obrigkheit zue Waldthurn hiemit ge-
horsambst von hier aus zu überschicken und unterthänigst umb Verzeihung zu bitten, dass
ich solche concept nicht ad munduni gerichtet, weilen ichs keinem andern vertrauen
können, Selbsten aber zue rescribiren und describiren w r egen eines überaus starken cathars,
welchen ich auf dem wasser bekommen, und dannenhero verursachte sehr schmerzlichen
kopfwehes ia nicht vermögt habe. E. f. Gd. geruhen eines und anderes, ehe Dieselbe es
lesen, von einem Ihrer vertrauten geheimen bedienten unmassgeblich in mundo abschreiben
zue lassen, so werden Sie desto besser und unverhinderter daraus kommen, auch den
inhalt umb so viel reifer tibelegen können. Ich habe sonderlich in substantialibus, so
viel immer möglich, die terminos und formalia der königl. Behmischen und Churbayer.
resolutionsdecreti gebraucht, im übrigen aber nichts ohne sonderbare consideration und
ursach beigesetzt, jedoch alles auf E. f. Gd. gnädigste adprobation, guetbefinden und
Verbesserung, welche darvon und darzue thun können, was Ihro beliebet. Der kaiserl.
und königl. Behmische canzleistylus ist mir quoad formalitates so eben nicht bekannt,
und kann das cessionsconcept leichtlich darnach eingerichtet werden. Welcher gestalten
sonsten E. f. Gd. die sach an meinen gnädigsten heim den churfürsten in Bayern mit
guter manier gelangen lassen möchten, habe Deroselben ich nicht allein mein untertänigstes
parere mündlich eröffnet, sondern auch schriftlich eingeliefert und ein unfürgreiflichen
aufsatz eines handbriefeis mitangehengt, darvon E. f. Gd. ohne Zweifel copias werden
haben nemen lassen, worauf ich mich beziehe und aufs allerhöchst durch Gott
bitte,meine ei n ga n gs a n ge z oge n e projecta, wan abschriften darvon ge¬
nommen worden, sambt disem meinem brief verbrennen zu lassen und
mich in Dero beständigen hohen fürstlichen hulden und gnaden und kräftigste protection,
darzue ich mich ganz eiterigst und demütigst befehle, zue conserviren.
Linz, den 22. Novemb. a°- 1666.
E. f. Gd.
untertänigster gehorsamster und treuester diener
Sub sign. M. 17. ex orig. 4. J. G. Oexl. m. p.
Project des königl Böhmischen instrumenti cessionis über das guet Waldthurn.
Wir Leopold von Gottes gnaden etc. (ponatur integer titulus) bekennen als
regierender könig in Behem für uns, alle unsere erben und nachkommende regierende
könige mit disem unserem offenen brief und tun kund mäniglich: Nachdeme sich zwischen
uns von wegen der cron Behem, dan dem Durchleuchtigen (inseratur similiter totus titulus)
Ferdinand Maria etc. etc. als herzogen gedachter Obern Pfalz der landsfürsUichen
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
279
obrigkheit halber, und was daran anhängig, bei dem guet Waldthurn von etlicher zeit
her differentien enthalten, und hierüber zu beiden theilen verschiedene Schriften gewexlet,
auch einige mündliche conferenzen zwischen denen darzue verordneten gehalten und unsere
königliche gerechtsame bei jetztgemeltem guet zu mehrmalen an tag geben worden;
gleichwohln aber gemelts churfürsten L d sich onlängst hin gegen den hochgebornen
(addatur plenus titulus) Wenzel herzogen zu Sagan etc., deme die niedere gerichts-
barkeit bei besagtem guet Waldthurn undisputierlich zuestehet, erkläret haben, die ihrer¬
seits darbei praetendirte landsftirstliche superioritaet und Obrigkeit, auch was derselben
anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern Pfalz hergebracht und
exercirt worden, ihme herzogen zue Sagan und dessen fürstlichen erben nach verlangen
gänzlich zu überlassen und bei der regierung Amberg die Verordnung zue thun, dass
ihme an exercierung der landsfürstlichen obrigkheit, einemung Steuer und umbgelt, und
was sonsten derselben anhängig, kein einhalt erzeigt werde, doch dass an seiten der cron
Behem ein gleichmässiges geschehe etc.: das derowegen wir uns in gnädigster ansehung
sein des herzogen zu Sagan L d uns und der cron Behem in viele wege erzeigten und
zue unserem gnädigsten Wohlgefallen noch erzeigenden fürtrefflichen, getreuen und er-
spriesslichen diensten gnädigst resolviret, deroselben und ihren fürstlichen erben auch
unsersteils alle dieienige iura regia, die uns wegen der laudssuperioritaet bei ofterwähntem
gut Waldthurn unserer erbcron Behem halber zueständig sein, ohne reservat gänzlich
gleicher gestalt zu überlassen. Allermassen wir für uns, alle unsere erben und nach-
kommende regierende könige, auch für die cron Behem ihme herzogen zue Sagan L d ,
allen dessen fürstlichen erben und nachkommen benante iura regia, landsfürstliche obrig¬
kheit, und was derselbigen anhängig und uns zueständig, hiemit und in craft dieses königl.
cessionsbriefs allerdings und ohne einigen Vorbehalt auf ein ganzes und ewiges cediren,
überlassen, zueignen und in ihre gewalt und gewehr setzen in bester und kräftigster form,
als es immer sein kan und mag, also und dergestalt, dass des herzogs L d , alle dero fürst¬
liche erben und nachkommen nun hinfüro sich der landsfürstlichen obrigkeit und der
reichsimmedietaet, und was darvon dependirt, bei vilmehrbesagtem guet Waldthurn ihnen
zueignen, nuzen, messen und gleich ihren eigenen immediatreichsgüetern besitzen, ge-
wehren und gebrauchen mögen, ohne all unser als Rom. kaisers und königs in Behem,
auch unserer erben und nachkommen am Rom. reich und der cron Behem unmäniglichs
widerred, einhalt oder Verhinderung. Desshalb wir auch des herzogen L d unsere bei
Waldthurn gehabte gerechtsame durch gewisse cornmissarios albereit würklich tradieren,
ziieeignen und in deren rechtmässigen besitz ordentlicher beständiger weis stellen lassen.
Welches alles wir als könig und von wegen der cron Behem, zumalen so viel die reichs¬
immedietaet und deren gewönliche jura betrifft, als regierender Rom. kaiser für uns, all
unsere respective erben und nachkommen hiemit nochmalen und in kraft dis bester und
bestendigster massen confirmieren, bestäten und genehm halten, in der zueverlässigen
und ungezweifelten zueversicht, es werde an seite unsere freundlich lieben vettern des
churfüreten in Bayern L d allerdings ein gleichmässiges beschehen und dieselbe zu mehreren
Versicherung der sach für sich, dero erben und nachkommen dem herzogen von Sagan
ein gleichlautenden cessions- und Übergabsbrief eben dises inhalts, form und gestalt un-
verwaigerlich widerfahren lassen, wormit zuegleich die eingangs berührte zwischen uns
und des churfüreten L d enthaltene und vorgewesene differentien gänzlich aufgehoben, tot
und ab sein sollen. Alles getreulich und ohne geferde. Zue urkund haben wir dieses
instrumentum cessionis und Übergabsbrief mit unserer eigenen handunterechrift verfertigt,
auch unser kaiserl. und königl. insigell daran hengen lassen. Geschehen etc. etc.
Sub. sign. M. 17. ex orig.
Project des churbayer. instrumenti cessionis über das guet Waldthurn.
Von Gottes gnaden wir Ferdinand Maria (ponatur integer titulus) bekennen
als einig regierender füret für uns, alle unsere erben und nachkommen regierende fürsten
mit diesem unserm offenen brief und tliuen kund mäniglich: Nachdem sich zwischen dem
allerdurchleuchtigsten (iuseratur similiter totus titulus) und uns als herzogen gedachter
Bayer. Forschungen, VII, 4. 19
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28o
Michael Döberl
Obernpfalz der landsfürstlichen obrigkheit halber, und was daran anhängig, bei dem guet
Waldthurn von etlicher zeit hero differentiell enthalten und hierüber zue beiden theilen
verschiedene Schriften gewexlet, auch einige mündliche conferenzen zwischen denen darzn
verordneten gehalten und von uns mit umbstenden zum öfteren remonstriert worden, was
uns bei besagtem guet Waldthurn für gerechtsame zuständig, dass wir jedoch höchstermelter
ihrer ks. Mt zue unterthänigsteu ehren, absonderlich aber auch zu bezeigung unserer gegen
des hochgebornen (addaturplenus titulus) Wenzel herzogszue Sagan L d , deroohne das die
nidergerichtbarkheit bei solchem guet undisputierlich zuesteliet, tragenden gueten affection
erkläret, ihrer L d und dero fürstlichen erben die landsfürstliche superioritaet und obrig¬
kheit, auch was derselben anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern
Pfalz hergebracht und exerciret worden, bei erwehntem guet Waldthurn nach verlangen
gänzlich zu überlassen und bei unserer regierung zu Amberg die Verordnung zue thun,
dass ihrer L, d an exercierung der landesfürstlichen obrigkheit, einnemung steyr und umb-
gelt, und was sonsten derselben anhängig, kein einhalt erzeigt werde, doch das an seiten
der cron von Behem ein gleichmässiges geschehe; dieweilen nun ihre ks. Mt dise
unsere erklärung zue gnädigstem Wohlgefallen aufgeiioinmen und sich gegen dem
herzogen zue Sagan ebenniässig gnädigst resolviert haben, ihme und dessen fürstlichen
erben auch ihres theils alle diejenige jura regia, welche dieselbe wegen der iands-
superioritaet bei oftberülirtem guet Waldthurn ihrer erbcron Behem halber ihro zue-
ständig zue sein praetendiret haben, ohne reservat gänzlich gleicher gestalt zue über¬
lassen; allermassen ihre Mt für sich, alle dero erben und nachkonimende regierende
könige, auch für die cron Behemb ihme herzogen und dessen fürstlichen erben und
nachkominen hierüber einen ordentlichen cessiotis- und Übergabsbrief, darvon uns glaub¬
hafte absclirift comuniciret worden, in bester form ausgefertigt und zuegestellt haben
als thun wir nicht weniger gleichmässigen inhalts für uns, alle unsere erben und nacli-
koninien des herzogen zue Sagan L d und allen dero fürstlichen erben und nachkommen
die benante landsfürstliclie superioritaet und obrigkeit, und was derselben mehrers
anhängig und uns bei Wr.^thurn zueständig, liiemit und in kraft dieses unsers cessions-
briefs allerdings und ohne einigen Vorbehalt auf ein ganzes und ewiges cedieren, über¬
lassen , zueaignen und in ihren gewalt und gewelir sezen, in bester und kräftigster
form, als es immer sein kan und mag, also und dergestalt, dass des herzogs IA alle
dero fürstliche erben und nachkommen nun hinfüro sich der landsfürstlichen obrig¬
keit, und was darvon dependiret, bei melirbesagtem gut Waldthurn ihnen zueignen,
nuzen, niessen und gleich andern ihren eigenen immediatreichsgüeteru besizen, gewehren
und gebrauchen mögen, ohne all unser, unserer erben und nachkommen widerred, einhalt
oder Verhinderung. Deshalben wir auch des herzogen unsere bei Waldthurn gehabte
gerechtsame durch gewisse commissarios alberait würklich tradiren, zueignen und in
deren rechtmässigen besitz ordentlicher beständiger weis stellen lassen. Welches alles wir
für uns, all unsere erben und nachkommen hienut nochmalen und in kraft dis bester
und beständigstermassen confirmieren, bestäten und genemb halten. Wormit zuegleicli
die eingangs berührte zwischen ihrer ks. Mt als könig in Behem und selbiger krön mit
uns vorgewesene differentiell gänzlich aufgehoben, tot und ab sein sollen. Alles getreulich
und ohne geferde. Zue urkund haben wir dieses instrumeutum cessionis und iibergabs-
bricf mit unserer eigenen hand unterzeichnet und unser churfürstliches secretinsigel
daran hetigen lassen. Geschehen und geben etc. etc.
Sub sign. M. 17. ex orig. 4.
So handelte Öxl in Wien im Verkehr mit dem Fürsten Lobkowitz,
zu dem er niemals in freundschaftlichere Beziehungen getreten war. Was
mochte sich erst abgespielt haben in Frankfurt und in Regeusburg, im Hause
der kaiserlichen Gesandten Volmar und Guido bald von Salzburg, bei
denen Ö x 1 aus- und einging ?
Wir fragen uns nach den Gründen einer solchen Handlungsweise. Öxl
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
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wollte sich auf diese Weise den Weg zu den erstrebten kaiserlichen Gnaden¬
erweisen ebnen; wir kennen ja bereits einige Wünsche, die er von Regens¬
burg mit nach Wien brachte. Vielleicht dachte er damals schon selbst an
einen Eintritt in den österreichischen Staatsdienst. Vielleicht arbeitete er bei
Lobkowitz um klingenden Lohn. Sein früheres Auftreten gegen das Haus
Fürstenberg lässt aber Öxl auch fähig erscheinen, aus blosser Eifersucht
gegen Hermann Egon von Fürstenberg einer Verständigung entgegen¬
zuarbeiten, an welcher dieser hervorragend beteiligt war.
Der Eindruck, den diese Enthüllungen auf das Gemüt eines Ferdinand
Maria machen mussten, konnte nur ein ausserordentlicher sein. Ein Hof,
der gerade auf die Wahrung des Geheimnisses so viel hielt, musste doppelt
Anstoss nehmen. Nach solchen Nachrichten war man zweifellos fest ent¬
schlossen, die Absicht, mit der man sich längst getragen hatte, zu verwirklichen,
Öxl kalt zu stellen. Und doch musste man sich eine Reserve auferlegen —
in Rücksicht auf den Kaiserhof. Man Hess einige Wochen verstreichen, damit
der Sturz Öxls der Öffentlichkeit gegenüber nicht als eine unmittelbare Folge
seines Wiener Aufenthaltes erschien. Aus demselben Grunde, nicht aus
Mangel an Beweisen, sah man später auch von einer strafrechtlichen Ver¬
folgung Öxls ab.
Zunächst scheint man sich damit begnügt zu haben, Öxl im Sinne
der Anregung Fürstenbergs durch ein von Barbier vermitteltes Schreiben
abzuberufen; es müsste denn der Kanzler wirklich freiwillig nach Regensburg
zurückgekehrt sein. Schon am 6. Dezember zeigte er der kurfürstlichen Re¬
gierung seine Ankunft in Regensburg und die Wiederaufnahme der Reichs¬
tagsgeschäfte an 56 ).
Der Kurfürst willigte zunächst nicht bloss in die Fortführung der
Gesandtschaftsgeschäfte, das Antwortschreiben vom 10. Dezember 1666 57 )
schien sogar in einem äusserlich gnädigen Ton gehalten zu sein: „Wir haben
auf Deinen uns unterm 6. Dezember erstatteten Bericht gerne vernommen,
wie Dir Deine zu Baden und Wien gebrauchte Bade- und andere Kur so wohl
angeschlagen, dass Du mit göttlichem Beistand wieder zu guter Rekonvales¬
zenz und Kräften gekommen zu sein verspürst, solchem nach den 4. dieses
Monats wiederum zu Regensburg angelangt und Deinen Verrichtungen allda
wiederum abzuwarten erbietig bist. Gleichwie wir Dir nun zu Deiner er¬
langten Gesundheit Glück und langjährigen Bestand wünschen, also zweifeln
wir hingegen auch nicht, Du werdest Dir eifrig angelegen sein lassen, was
die Reichsgeschäfte zu unserem und des gemeinen Wesens Dienst erfordern.“
Und Öxl suchte dem Wortlaut des kurfürstlichen Handschreibens eine noch
grössere Bedeutung zu unterlegen, als er thatsächlich gehabt hat: ,.Es hat
mich meine zu Baden und Wien gebrauchte Kur nicht so fast an den Kräften
meines Eeibes, als Euer kf. Dt den 10. dieses Monats an mich abgegangenes
Schreiben an meinem sonst so äusserst mortifizierten Gemüt und bedrängter
Seel erquickt und wirklich wiederum aufgerichtet, weil ich daraus zu meinem
66 ) Ergiebt sich aus dem in der nächsten Anmerkung zitierten Antwortschreiben.
ö7 ) M.St.A. K. schw. 174/11. 1666 Dez. ro, Kurfürst an ÖxU
19 *
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282 Michael Döberl
höchsten Trost verspürt, dass Ew. kf. Dt mich aus der vor diesem gegen
mich, Ihren armen, unwürdigsten Diener, getragenen gnädigen Affektion, will
Gott auch aus damaligem guten Kredit und Vertrauen nicht ganz haben
sinken lassen“ 38 ).
In Wirklichkeit giugen die gnädigen Worte des kurfürstlichen Schrei¬
bens über den Charakter konventioneller Äusserlichkeit nicht hinaus. Lässt
schon die krampfhafte Art, mit der sich Öxl an diese Äusserlichkeiten an-
klammert, vermuten, dass er sich nicht sicher fühlt, so verrät sich diese
Stimmung noch deutlicher in den Worten, die er anfügt: „Ich wünschte auf
dieser Welt nichts, als dass Ew. kf. Dt gleich dem allmächtigen Gott in mein
Herz sehen und mit Augen begreifen könnten, wie aufrichtig und treu
ich es mit Deroselben bisher gemeint habe und wie redlich und ehrlich ich
meinen schweren Pflichten gemäss in allen meinen Handlungen gegen Ew.
kf. Dt verfahren bin, so würden gewiss meine widerwärtigen, ex iniusta
vindicta, aemulatione et invidia hergeflossenen, unbegründeten Relationen und
Delationen nicht so weit prävaliert haben. Welches ich aber dem allwissenden
und allmächtigen Gott bis zur Zeit meiner ihm beliebigen Erlösung iu höchster
Geduld heimstellen und Ew. kf. D 1 mit einem tiefsten Fussfall um Gottes-
willen bitten thue, noch eine kleine Geduld mit mir zu haben und mich
inzwischen durch uugerechte Verfolgung nicht ganz über einen Haufen
werfen zu lassen. Der grundgütige Gott, welchen ich Tag und Nacht darum
anrufe, wird Ew. kf. Dt hier zeitlich und dort ewig vergelten.“ So schrieb
derjenige, der noch auf dem Rückwege von Wien nach Regensburg dem
Fürsten Lobkowitz Werkzeuge in die Hand geliefert hatte gegen seine
eigene Regierung, der noch von Linz aus gebeten hatte, die ihn kom¬
promittierenden Schriftstücke zu verbrennen. Für uns kann es nicht mehr
zweifelhaft sein, was aus den zuletzt angeführten Zeilen Öxls spricht, ob die
Angst vor ungerechter Verfolgung oder vielmehr das böse Gewissen, welches
das drohende Strafgericht mit de- und wehmütigen Worten zu beschwören sucht.
Jedenfalls sah Öxl trotz der in das Schreiben des Kurfürsten ein geflochtenen
gnädigen Redensarten seine Stellung noch immer ernstlich gefährdet. Und
darin musste ihn die Nachricht von der Einleitung des Untersuchungs-
verfahrens gegen den geheimen Kanzleiregistrator W i d 1 erst recht bestärken.
Überraschend kam also die wenige Wochen später hereinbrechende Katastrophe
für Öxl gewiss nicht.
Die Waldthurner Angelegenheit warf aber noch unmittelbar in die
Wochen, da Öxl gestürzt wurde, ihre Schatten hinein. Im März 1667, wenige
Tage nach der Ankunft Öxls in München, traf — eine merkwürdige Ver¬
kettung der Verhältnisse — ein Schreiben des Fürsten von Lobkowitz
ein 31 '). Darin bat der kaiserliche Obersthofmeister für Waldthurn um Aus¬
stellung einer förmlichen, im Entwurf beigelegten Zessionsurkunde, unter Be¬
rufung auf ein ebenfalls beigeschlossenes, vom Kaiser inzwischen erwirktes
ßH ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 1666. Dez. 13, Öxl au den Kurfürsten.
Ö ' J ) Datiert 22. März 1667, Münchener Reichsarchiv.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 283
instrumentum cessionis 00 ). Der Fürst hatte trotz der abfälligen Äusserungen
über den Charakter Öxls in seinen Privatgeschäften den Weisungen des
Kanzlers gehorsamste Folge geleistet; das Handschreiben an den Kurfürsten
war ganz mit der Vorsicht abgefasst, wie sie Öxl empfohlen hatte, die beiden
Urkunden aber, die kaiserliche Zessionsurkunde und der Entwurf der baye¬
rischen, waren nach den Konzepten Öxls niedergeschrieben. Ein Vergleich
ergiebt das sofort. Unter den obwaltenden Verhältnissen, wie sich diese gerade
infolge der Intrigen Öxls herausentwickelt hatten, musste der Kurfürst
dem Gesuche willfahren, die von Lobkowitz übersandte Urkunde vollziehen 61 ),
wie der Kaiser und König von Böhmen für sich und seine Erben den
landeshoheitlichen Rechten über Waldthurn entsagen. Damit war für Kur¬
bayern die in dem Sclimidsehen Vermerke vorgesehene Möglichkeit, nach
dem Tode Ferdinand Marias die Ansprüche auf die Landeshoheit über
Waldthurn zu erneuern, abgeschnitten. Und in der That hat man bis zum
Jahre 1799 baverischerseits nicht mehr daran gedacht, solche Rechte geltend
zu machen.
Öxl hatte ausdrücklich auch aus dem Grunde Vorsicht empfohlen,
damit er nicht „in Verdacht und mithin in grosses Unglück gerate“. Freilich
dieser Zweck wurde trotz aller Mahnungen Öxls nicht erreicht. Dass man
ungeachtet aller Vorsicht am bayerischen Hofe den Zusammenhang wohl er¬
fasste, in dem Gesuche des Fürsten Lobkowitz eine Wirkung der Iutrigue
Öxls erkannte, kann nach den der bayerischen Regierung gewordenen Mit¬
teilungen nicht mehr zweifelhaft sein. Gerade dieses Eintreffen des Lobkowitz -
sehen Gauches musste, wenn der Kurfürst überhaupt noch schwankend ge¬
wesen wäre, die letzten Bedenken gegen die Entlassung Öxls überwinden,
die Krisis abkürzen. Der Kurfürst, der vor der Reise nach Italien stand,
musste fürchten, dass Öxl während seiner Abwesenheit sein Intriguenwerk
erst recht fortsetze. Und doch kannte der Kurfürst noch nicht das Schlimmste,
das Beleidigendste, das ihm persönlich widerfahren war. Wie möchte wohl
Ferdinand Maria, der von seiner hoheitsvollen Stellung mehr als andere
durchdrungen war, aufgebraust sein, wenn er gewusst hätte, was wir wissen:
dass er mit jener Urkunde, durch welche er für sich und seine Erben jede
Handhabe gegen Waldthurn und zugleich jede Aussicht auf Kompensation
preisgab, ein Schriftstück vollzog, dessen Konzept von der Hand seines
Kanzlers stammte!
Aus diesen Verhältnissen heraus hatten sich die Ereignisse des Monats
März und April 1667 vollzogen. Das unsichere Verhalten Öxls unmittelbar
vor dem Sturze, von dem Eintreffen des Zitationsschreibeus bis zur Ankunft
in München, ist nicht geeignet, ihn zu entlasten, war zum mindesten zwei¬
deutig ; ich folge hier der Zeugenaussage des Privatsekretärs Öxls,
00 ) Datiert 15. März 1667. Ebenda.
öl ) Die Urkunde ist vom 15. April 1667 datiert. Ebenda.
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284
Michael DÖberl
Rottkäpl 62 ), dessen Glaubwürdigkeit wir bereits an einer wichtigen Stelle
erprobt haben, und der gerade hier mit thatsächlichem Material aufwartet und
in scharfer, auschaulicher Weise eine Darstellung der Vorgänge giebt. Öxl
liess sogleich von dem Zitationsschreiben eine Abschrift herstellen und über¬
schickte diese nebst einem Handschreiben an den Kaiser. Er liess in seinem
Beisein durch Rottkäpl und einen gewissen Georg Junginger Akten,
die, offenbar in der Befürchtung unlieber Überraschungen, schon früher bei¬
seite gelegt worden waren, versiegeln und in drei Koffer verpacken und diese
Koffer in der Nacht vor seiner Abreise in das Quartier seines Schwieger¬
sohnes Scherer schaffen. Er äusserte gegen Rottkäpl zu verschiedenen
Malen die Besorgnis, es möchte während seiner Münchener Reise der
bayerische Gesandte am Regensburger Reichstage, der geheime Rat Franz
von Mayr, auf allerhöchsten Befehl eine Haussuchung und eine Visitation
seiner Akten vornehmen. Wie er auf seiner Reise von Regensburg nach
München am Mittag des 19. März das Jesuitenkollegium zu Biburg pas¬
sierte und hier einen Brief des Münchener Rektors eingehändigt erhielt,
welcher ihm die Einkehr in das Kloster in höflicher, aber bestimmter Form
versagte, da verlor er, der sich bereits wie einen Pestkranken gemieden sah,
vollends alle Ruhe und Sicherheit, äusserte gegen seine Umgebung die Be¬
fürchtung, er möchte in München in Arrest genommen werden, und schickte
einen Teil der Akten und Briefe, die er in einem Reisekoffer und dem Kanzlei¬
sack noch mit sich führte, durch einen Boten, Namens Schönhäusl, in
dessen Kleidern sie eingenäht wurden, an seinen Schwiegersohn nach Regens¬
burg. Als er zu Greinegg, vier Meilen von München, das letzte Nachtlager
genommen hatte, sandte er den Kanzleisack selbst mit weiteren Akten und
Schreiben durch einen anderen Boten, Georg Puecher, versiegelt an den¬
selben Scherer. Während seines Münchener Aufenhaltes endlich unterwarf
er den Rest der Akten, die er mit sich geführt, einer neuen Prüfung und
sandte dann eine vierte Serie an seinen Tochtermanu, diesmal durch den
Boten Hans Händler, Salzträger aus Stadtamhof, wieder in dessen Kleider
eingenäht.
*
Das Verhalten, welches Öxl nach seinem Sturze an den Tag legte,
ist wiederum nicht geeignet, ihn zu entlasten. Kaspar von Schmid,
dem bekanntlich in den Anfängen Max Emanuels ein ähnliches Schicksal
zu teil wurde, wie Öxl, hat nach seinem Sturze sein „otium Bellofontanum“ 63 )
benützt, um den berühmten Kommentar zum Codex Maximilianeus zu schreiben,
um der Regierung von Zeit zu Zeit mit Gutachten an die Hand zu gehen.
Fürst Auersperg hat nach seinem Sturze wenigstens das ihm auferlegte
Stillschweigen redlich gehalten und sich dadurch die Achtung seines kaiserlichen
Herrn wieder in etwas verdient. Öxl dagegen ging noch im Oktober 1667,
nach einem kurzen Aufenthalte in Regensburg, nach Wien, pflog die
61 ) Aktenstücke Nr. 14.
® 8 ) Auf seiner Hofmark Schönbrunn bei Dachau.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 285
intimsten Beziehungen zu der Wieuer Hofburg, gab — der Verdacht liegt
wenigstens sehr nahe — die intimsten Staatsgeheimnisse seines Hofes preis.
Das war zu einer Zeit, da infolge der bayerischen Politik im Devolutions¬
kriege die gespanntesten Beziehungen zwischen Wien und München bestanden,
da bereits Aktenstücke mit der Hand am Degengriffe gewechselt wurden 64 ).
Von Wien aus richtete Öxl am 10. Dezember 1667 ein Supplikations¬
schreiben nach München um Auszahlung seines Gehaltes; er habe nur die
beiden ersten Quartale vom Hofzahlamt empfangen, die Quartale Michaeli und
Weihnachten stünden noch aus 65 ). Vierzehn Tage später erfuhr eine Vor¬
stellung des Kurfürsten von Bayern beim Kaiser wegen dessen Haltung im
Devolutionskriege eine scharfe Abweisung, in einer Sprache, wie sie deutlicher
selten von Wien nach Müuchen gerichtet worden ist 66 ). Ungefähr um die¬
selbe Zeit traf in München die Nachricht ein, dass Öxl ein Werk unter den
Händen habe, an welchem täglich an acht Schreiber arbeiteten 67 ). Es war,
wie es scheint, eine Verwechslung mit der Historia Leopoldi des Gualdo
Priorato; es besteht nämlich Grund zu der Annahme, dass Öxl während seines
Wiener Aufenthaltes dem kaiserlichen Hofhistoriographen den Stoff zu dem
Bayern arg kompromittierenden und später auf bayerische Veranlassung unter¬
drückten Teil seines Werkes geliefert hat 67 *). Unter dem frischen Eindruck
der kaiserlichen Note und des Wiener Avisos entschloss sich die bayerische
Regierung, dem Bittgesuche Öxls nicht stattzugeben, ihn vielmehr mit der
Drohung der Gehaltssperre nach München zurückzurufen. „Da wir vernommen
haben — so schrieb der Kabinetssekretär Huber am 3. Januar 1668 in aller¬
höchstem Aufträge an den bayerischen Residenten in Wieu, Dr. Stoiber er 68 )
—, dass Dein Schwiegervater, unser geheimer Ratskanzler Ö x 1 , sich zu Wien
aufhalte, so hast Du ihm zu bedeuten, dass wir nicht gedenken, die demselben
auf Lebenszeit bewilligte Besoldung ausser Landes ausfolgen zu lassen, zumal
wir ihm diese darum bewilligt haben, dass er uns noch verpflichtet bleibe,
auch nötigenfalls mit Information an die Hand gehe, nicht aber, damit er die¬
selbe anderwärts, wo er uus mehr schädlich als nützlich ist, ver¬
zehre.“ Bevor noch Öxl darauf erwidert hatte, wurde von berufener Seite
in München ein vorsichtigerer Weg ausfindig gemacht, um den kurbayerischen
Kanzler vom Kaiserhofe zu entfernen, gingÖxl unterm 24. Februar 6 ^ durch
Vermittelung desselben Stoiberer ein kurfürstlicher Befehl zu, innerhalb
vierzehn Tagen nach Empfangnahme des Schreibens sich in München ein¬
zufinden, da hochwichtige Gegenstände zur Beratung stünden, wobei mau
seiner in Person vonnöten habe.
**) Döberl, Bayerns Anschluss etc. S. 293 ff.
ÖÄ ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten.
*•) Döberl a. a. O. 365 f.
° 7 ) Ergiebt sich indirekt aus Aktenstücken Nr. 13.
ö7 «) Vgl. Anni. 15. P^benso Döberl a. a. O. 45. Ich werde iu diesen Blättern
den von mir aufgefundenen ursprünglichen Text in einer besonderen Monographie „Die
bayerische Kaiserwahlpolitik 1657/58“ publizieren.
ü<< ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten.
6V ) Ebenda.
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286
Michael Döberl
Auf diese ihm übermittelten Zitationsschreiben entgegnete Öxl am
12. März 1668 70 ) von Wiener Neustadt aus, wo damals das kaiserliche Hof¬
lager weilte, an Stoiberer, er möge einstweilen dem Kurfürsten berichten,
dass er unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht erscheinen könne; die
Bedenken, die er gegen die Reise habe, w T erde er dem Kurfürsten selbst um¬
ständlich berichten, er sei bereits mit der Abfassung des Entschuldigungs¬
schreibens beschäftigt, könne aber wegen seiner Unpässlichkeit und der reif¬
lichen Überlegung, die jenes erfordere, nicht so schnell damit zu Ende kommen.
„Kein Mensch“, fügt er in einem Postskriptum hinzu, „der von der Citation,
die vor einem Jahre unter dem gleichen Vorwände erfolgt ist, und von dem
gegen mich eingeschlagenen Verfahren Kenntnis hat, rät mir zu dieser Reise.
Meine unchristlichen malevoli thuu bei ihrer kf. D* totaliter praevalieren, und
ich armer, unschuldiger Tropf würde weder gehört noch weniger verteidigt
werden.“
Öxl hat später 71 ) seine Weigerung, sich in München zu stellen, unter
anderm damit entschuldigt, dass ihn der kaiserliche Prinzipalkommissär am
Regensburger Reichstage, der Erzbischof Guidobald von Salzburg, davor
gewarnt habe, und legte zum Beweise hiefür ein Schreiben seines in Regens¬
burg in kaiserlichen Diensten stehenden Schwiegersohnes Johann Scherer vom
4. März 1668 72 ) vor. Laut dieses Briefes behielt der Erzbischof den Scherer nach
einer Tafel bei sich zurück, setzte ihn von den beiden gegen seinen Schwieger¬
vater gerichteten letzten Erlassen der bayerischen Regierung in Kenntnis und
forderte ihn auf, Öxl vor einer Rückkehr nach München unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen zu warnen; er wolle ihn durch seinen Vertreter in
Wien, Buchholz, ebenfalls warnen lassen. Öxl müsse wissen, dass die¬
jenigen, welche augenblicklich am kurbayerischen Hofe alles nach Belieben
regieren, die vornehmsten sein würden, welche zur Festnahme seiner Person alle
erdenklichen Anschläge machen würden. Im günstigsten Falle werde ihm die
Stadt München auf Lebenszeit zum Zwangsaufenthalt angewiesen, viel wahrschein¬
licher aber werde er an einen wohlverwahrten, ausser dem Verkehr gelegenen
Ort in Personalhaft gebracht werden. Wenn er dem Schwiegervater als ein treuer
und aufrichtiger Freund einen Rat erteilen dürfe, so möge er der Zitation
nicht Folge leisten, eher hundert Entschuldigungen suchen, nötigenfalls eher
alles fahren lassen, als sich seiner Freiheit begeben. Von dieser Unterredung
setzte Johannes Scherer den Schwiegervater in dem erwähnten Schreiben vom
4. März in Kenntnis. Auch er warnt Öxl vor einer Rückkehr nach München
und führt zur Bekräftigung eine Stelle aus Justus Lipsius an: „Consentiunt
reges, quicunque sub iis res magnas gessere, ad extremum aut in offensa aut in
exigua gratia fuisse“, und belegt diesen Satz mit Beispielen aus der Geschichte,
die demselben Lipsius entnommen sind. „Wenn ich an den unversöhnlichen
Hass der Fürstenberger gedenke und das Verfahren erwäge, das man
gegen den Herrn Vater in Anwendung gebracht, wie man ihn nicht mehr
70 ) Ebenda.
71 ) Aktenstücke Nr. 15.
n ) Aktenstücke Nr. 11.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
287
leiden und dulden, ja sehen wollen, und schaue, was jetzt darauf folgt, so
schliesse ich bei mir, dass seine Gegner zum öftern müsse gereut haben, dass
sie sich seiner nicht versichert und ihn haben entwischen lassen.“ Und dieses
Schreiben schloss Scherer der Briefsendung an den österreichischen Hof¬
kanzler Hocher bei — ein Beweis, in welch nahen Beziehungen Öxl und
seine Familie zu den Wiener Regierungskreisen standen.
Am 13. April 1668 sandte Öxl den angekündigten Brief 73 ) an den
Kurfürsten ab, in welchem er in der brüskesten Form, unter den beissendsten
Bemerkungen gegen die Münchener Minister, auf seinen Gehalt, auf seinen
Titel, auf alle sonstigen Gnaden verzichtete, weil er nicht gewillt sei, solche
in den kurbayerischen Landen zu geniesseu. Den Beweis für seine Unschuld
dagegen verspart er auf einen günstigeren Zeitpunkt, der thatsächlich nie¬
mals eingetreten ist. „Davon, dass ich Euer kf. Dt noch verpflichtet bleiben,
nötigenfalls mit Information an die Hand gehen und die Besoldung nicht
ausser Landes verzehren solle, ist weder in dem kurfürstlichen Dekret noch
in meinem Revers mit einem Worte die Rede. Im Gegenteil bin ich meiner
Pflichten und Dienste ausdrücklich enthoben worden. Besoldung und Titel
aber sind mir nicht darum gewährt, dass ich Euer kf. Dt noch weiters ver¬
pflichtet bleibe, auch nicht aus blosser Gnade, sondern für geleistete Dienste.
Den wirklich daran geknüpften Bedingungen bin ich bisher aufrichtig, ehrlich,
redlich und getreu nachgekommen. Mit der Anklage, als sollte ich Euer kf. Dt
anderwärts mehr schädlich als nützlich sein, geschieht mir vor Gott und der
Welt das grösste, vor seiner göttlichen Majestät nimmermehr zu verantwortende
Unrecht. Ich könnte mit vielen Umständen und Zeugnissen die Unwahrheit
derselben sofort erweisen, will aber die Widerlegung dieser wie der früheren
Anklagen auf eine gelegenere Zeit verspareu. Ich habe mich lediglich
meiner Gesundheit halber hieher begeben.“ Was aber die Forderung betreffe,
den Gehalt innerhalb des Landes zu verzehren, so widerspreche dem die
thatsächliche Praxis. „Ich hätte auch die Bedingung, die Besoldung nur
innerhalb des Landes zu gemessen, niemals eingegangen, sondern eher
alles verlassen; denn ich habe vornehmlich deshalb um meine Entlassung
gebeten, um der Verfolgungen meiner Feinde los zu werden und mir ander¬
wärts Ruhe und Sicherheit zu verschaffen. Da nun der Kurfürst nicht
gedenkt, mir die Besoldung ausser Landes ausfolgen zu lassen, ich .aber
weder früher noch jetzt den Gedanken habe, solche in seinen Landen zu
verzehren, also will mir nicht gebühren, dem Kurfürsten wider seinen
Willen etwas zuzumutten. Wie ich also früher freiwillig meine Stelle quit¬
tiert habe, so verzichte ich jetzt auch freiwillig auf meinen Gehalt. Und da¬
mit meine Gegner ein volles Vergnügen erlangen, begebe ich mich zugleich
des geheimen Ratskanzlertitels wie der Edelmannsfreiheit.“ Und nun schildert
er den eigentlichen Anlass, weshalb er der Zitation nicht Folge geleistet, das
Verfahren, das man vor einem Jahre bei seiner Entlassung gegen ihn ein¬
geschlagen. Aus dieser Erfahrung schliesse er, dass auch die jetzige Zitation
7S ) Aktenstücke Nr. 12.
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288 Michael Döberl
dem Kurfürsten von seinen Widersachern nur darum eingeraten worden sei,
dass sie ihn wiederum unter ihre Presse bringen und ihm vollends die Seele aus
dem Leibe drucken, also durch seinen Tod oder doch gänzlichen Ruin ihre
ehrgeizigen Absichten auf Beförderung desto geschwinder erreichen möchten.
„Meine Verfolger haben mit ihren unbegründeten Anklagen und erdichteten
Verleumdungen E. kf. D* derart wider mich eingenommen und verstrickt, dass
es scheint, E. kf. Dt könnten sich selbst nicht mehr daraus loslösen.“ Der
Grund ihrer Verfolgungen sei vindicta, aemulatio et invidia und reiche zurück
bis auf den Frankfurter Wahltag, und doch habe er sich ihren Unwillen nur
in Vollziehung des kurfürstlichen Willens zugezogen. „Isti inimici mei adhuc
vivunt et confirmati sunt super me et multiplicati sunt, qui oderunt me
inique.“ Der Eindruck dieses Schriftstückes konnte nicht abgeschwächt werden,
der Charakter des Verfassers in keinem milderen Lichte erscheinen, wenn dem
so scharf abgefassten Schreiben ganz in Öxlscher Manier eine de- und weh¬
mütige Nachschrift folgte: „Mein betrübter, elender und verwirrter Zustand
macht mir meinen Verstand dermassen perplex, dass ich fast nichts thun und,
was ich wirklich thue, nicht recht beurteilen kann.“ „Wofern etwa E. kf. D*
dafür halten sollten, dass ich in dem einen oder anderen Punkt etwas zu
schroff herausgegangen wäre, so mögen Dieselbe erwägen, dass nicht das
Geringste wider E. kf. Dt, sondern alles allein wider meine Verfolger, die an
meinem Unglück auch allein schuld sind, gemeint sei.“
So schrieb derjenige, der noch vor kurzem den salbungsvollen Aus¬
spruch gethan, er werde alles mit Geduld über sich ergehen lassen! Mit
solcher Entrüstung warf derjenige die kurfürstlichen Gnadenerweise seinem
Herrn vor die Füsse, der erwiesenermassen sein Gewissen nicht rein wusste!
Und dieses Schreiben machte vor seinem Abgang die Runde beim Kaiser
und den kaiserlichen Ministern; nach seinem eigenen späteren Geständnisse 74 )
legte es Öxl dem kaiserlichen Obersthofmeister Lobkowitz, dem kaiser¬
lichen Hofkanzler Hoch er, dem kaiserlichen Beichtvater P. Miller vor.
Fast gleichzeitig mit dieser schriftlichen Kraftleistung Öxls traf von
Wien von befreundeter Seite her ein vertrauliches Schreiben 70 ) ein, welches
auf eine Anfrage vom 30. März über den Aufenthalt Öxls in Wien folgende
Mitteilungen machte: Der Kanzler sei im Oktober des verflossenen Jahres in
Wien eingetroffen. Die Nachricht, dass er mit acht Schreibern an einem Werke
arbeite, bestätige sich zwar nicht — er habe, solange er in Wien gewesen,
nicht mehr als seinen gewohnten Schreiber gehalten —, wohl aber habe er
sich über seinen Sturz in den offiziellen Kreisen Wiens dahin geäussert,
seine Entlassung habe ihre Ursache in dem Umstande, dass er sich mit
Hermann von Fürstenberg nicht habe vertragen können, und der vor¬
nehmste Grund hiefür sei der gewesen, dass er in dem Streite einer gewissen
Nation, mit anderen Worten Frankreichs, mit dem Hause Österreich seiner
Politik nicht habe zustimmen wollen; auf Anstiften seiner Verfolger sei er
beim Kurfürsten derart in Ungnade gefallen, dass ihm dieser trotz fünfmaligen
74 ) Aktenstücke Nr. 15.
76 ) Aktenstücke Nr. 13.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
289
Nachsuchens die Audienz versagt habe. Aus derselben Zuschrift erfuhr man,
dass Öxl keineswegs zum Kurgebrauch nach Baden, sondern von Regens¬
burg nach Wien gereist und nach dem Brande in der Hofburg mit dem kaiser¬
lichen Hoflager nach Wiener Neustadt übergesiedelt sei und dort noch ver¬
weile, dass er wiederholt im tiefsten Geheimnis zur Audienz berufen, dass nur
drei Personen in den Gegenstand dieser Konferenzen eingeweiht seien. Und
diese Zuschrift aus Wien musste am bayerischen Hof vollen Glauben erwecken,
nicht bloss wegen ihrer Herkunft, sondern auch wegen ihres materiellen In¬
halts, der sich teils mit den dem bayerischen Hofe bekannten Thatsachen,
teils mit gleichzeitigen und späteren Äusserungen Öxls deckte.
In den Münchener Regierungskreisen fürchtete man, Öxl habe einen
Teil der Akten zurückbehalten und nach Wien verbracht. Der bayerische
Gesandte am Regensburger Reichstag, Franz von Mayr, erhielt daher den
Auftrag, die ehemaligen Schreiber Öxls in das Verhör zu nehmen. Das Er¬
gebnis dieser Voruntersuchung veranlasste den Gesandten, die Zitation des
einen dieser Schreiber, der das reichste Material bieten konnte, des uns bereits
bekannt gewordenen Johann Rottkäpl, nach München zu bewirken 76 ).
Hier machte Rottkäpl die mitgeteilten Aussagen 77 ) über das Verhalten
Öxls unmittelbar vor seinem Sturze und dazu fügte er folgende weitere Er¬
öffnungen: Nach seiner Rückkehr von München nach Regensburg habe Öxl
durch ihn, Rottkäpl, von den beiden Brandenburger Gesandten, Mahren -
holz und Jena, zwei Aktenstücke abholen und hierauf kopieren lassen, ein
Wahlkapitulationsprojekt mit den monita der protestierenden Fürsten am
Rande und das Protokoll der Verhandlungen über dasselbe, welche seines
Erinuerus im Januar oder Februar 1667 im Nebenzimmer Öxls stattgefunden
hätten. Diese Kopien habe der Kanzler nebst einem Handschreiben an den
Kaiser überschickt und an den bayerischen Residenten in Wien, seinen
Schwiegersohn Dr. Stoib er er, adressiert. Da sich Stoiber er derartige
Zusendungen für die Zukunft verbeten habe, habe sich Öxl späterhin für die
nach Wien bestimmten Schriftstücke der Vermittelung des Vizerektors des
Jesuitenkollegiums in Regensburg, des P. Hilz, bedient. Dieser habe sie in
die Schriftsendungen des Jesuitenkollegiums ein geschlossen und dem kaiser¬
lichen Beichtvater P. Miller nach Wien übersandt. So viel er, Rottkäpl,
gesehen und von anderen vernommen, habe dem Kanzler Öxl der kaiserliche
Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstag, Erzbischof Guidobald von
Salzburg, von allen Berichten der kaiserlichen Gesandtschaft in Regensburg
wie auch von seinen Handschreiben an den Kaiser Abschriften durch den
Salzburger Gesandten in Wien, Buchholz, auch zuweilen Geldsendungen
zukommen lassen. Welche Akten Öxl von Regensburg mit sich nach Wien
genommen, könne er nicht wissen, weil er zur Zeit der Abreise Öxls noch
in München gewesen sei. So viel er von einer Person, die mit ihm gereist
sei, gehört, habe er nur die grosse Truhe mit Akten hinabgenommen, es
76 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. Regensburg 1668 April 19, Franz
v. Mayr an Kaspar Schmid.
77 ) Aktenstücke Nr. 14.
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Michael Döberl
290
müsste denn sein, dass die Frau Öxls, welche ihrem Manne um Martini
nach Wien gefolgt, weitere Akten mit sich geführt hätte.
Zur Zeit, als das Resignationsschreiben. abging, rechnete Öxl mit un¬
fehlbarer Sicherheit auf eine Anstellung in kaiserlichen oder salzburgischen
Diensten. Nur so erklärt sich sein barsches und brüskes Auftreten, die
Leichtigkeit, mit der er seine ganze wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzte.
Als aber der Erzbischof von Salzburg starb und auch der Wiener Hof immer
deutlicher zu erkennen gab, dass man „zwar die Spione anhöre, aber für ihre
Person seien sie darum nicht desto lieber“, als sich nach dem Aachener Frieden
der Gegensatz zwischen Bayern und Österreich zu mildern schien, vorüber¬
gehend sogar der Gedanke einer katholischen Union auftauchte, welche Frank¬
reich, den Kaiser, Bayern in sich schliessen sollte 77 *), da brachte es Öxl über
sich, an denselben Hof, den er gerade ein Jahr vorher so sehr provoziert
hatte, am 24. April 1669 in der de- und wehmütigsten Form zu schreiben: 78 )
Er habe mit höchst betrübtem Gemüt vernommen, dass sein vor einem Jahre
abgelassenes Entschuldigungsschreiben zu allerhöchstem Missfallen aufgenommen
worden sei. Er könne vor dem allwissenden Gott mit reinem Gewissen be¬
zeugen, dass ihm niemals ins Herz und in die Gedanken gekommen, den
Kurfürsten damit ungeziemender Weise anzugreifen oder seine Handlungen
zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn er in seiner damaligen Gemütsverfassung
hätte urteilen können, dass es einen solchen Ausschlag nehmen würde, hätte
er lieber alle Beschwerlichkeiten erlitten, als dem Kurfürsten zu solchem Wider¬
willen Ursache gegeben. Er habe um so weniger an diese Möglichkeit ge¬
dacht, als es der Kaiser selbst nicht so verstanden. Was sich etwa gegen den
schuldigen Respekt eingeschlichen habe, sei lediglich seiner Gemütsverwirrung
und „anderen beigebrachten ungleichen Berichten“ zuzuschreiben. Er hoffe,
das Resignationsschreiben werde um so weniger Bedenken verursachen, weil
es ausser dem Kaiser, dessen Beichtvater, dem Hofkanzler H ocher, dem
Fürsten Lobkowitz niemand unter die Augen gekommen sei. Derselbe
Mann, der es früher verschmäht hatte, sein Gehalt in Bayern zu verzehren,
dagegen in den überschwänglichsten Worten des habsburgischen Staates ge¬
dacht hatte, fand jetzt plötzlich, dass er in Österreich quasi in exilio gelebt,
schob die Schuld für jenes Schreiben leichten Herzens auf denjenigen, der sich
seiner am meisten angenommen, auf den Erzbischof von Salzburg — auf
grund seiner Warnung hätten der Kaiser, der kaiserliche Beichtvater und
Hoch er seine Rückkehr nach München für gefährlich erklärt —, bat um
der Liebe Christi und Mariä willen ihm zu verzeihen und ihn die früher ver¬
liehenen Gnaden geniessen zu lassen, beschwor nicht bloss den kurfürstlichen
Beichtvater Dr. Manzin und den Oberstkämmerer Haslang um ihre Verwen¬
dung, sondern schrieb selbst in den demütigsten Worten an Schmi d und Für¬
stenberg, erinnerte letzteren an die früher zu ihm getragene gnädige Affek¬
tion und versprach, ihm und seiner Familie fortan seine Dienste zu weihen 79 )
---
77ä ) Döberl a. a. O. 399 ff.
78 ) Aktenstücke Nr. 15.
79 ) Die Schreiben Öxls an Manzin, Haslang und Fürstenberg, alle
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 291
Spricht das Verhalten Öxls nach seiner Entlassung gegen ihn, so
spricht das Verhalten des bayerischen Hofes nach den ÖxIschen Provo¬
kationen für diesen. Nirgends empfängt man den Eindruck einer blinden
Verfolgungswut. Schon am 1. Mai 1669 bewilligte der Kurfürst Dr. Johann
Georg Öxl einen jährlichen Gnaden gehalt von 1000 Gulden 79 *) und wies ihm
als Aufenthaltsort nicht eine bayerische Landstadt, sondern die Reichsstadt Augs¬
burg an 80 ), ein Beweis, dass man Öxl nicht in seiner wirtschaftlichen Exi¬
stenz vernichten, dass man sich nicht einmal seiner Person versichern wollte.
Allerdings wurde an den Gnadenakt die Bedingung geknüpft, dass Öxl nach
dem Wortlaut seines früheren Reverses in keinen anderen Dienst trete, dass
er sich von Augsburg nicht entferne und dem bayerischen Hofe, wenn er
seiner Dienste bedürfe, zur Verfügung stelle und darüber einen neuen Revers
unterschreibe. Auch wurde in dem Dekret ausdrücklich konstatiert, dass man
der in dem Resignationsschreiben vom 13. April 1668 gegen den bayerischen
Hof erhobenen schweren Beschuldigungen keineswegs vergessen habe und
nur zu gut wisse, was Öxl während seines Wiener Aufenthaltes unter Ver¬
letzung des von ihm ausgestellten Reverses dem kurfürstlichen Interesse zu¬
widergehandelt habe; der Gnadenerweis sei lediglich geschehen in Erinnerung
der früheren von Öxl dem Kurfürsten und dem Kurhaus geleisteten guten
Dienste. Vor das Antlitz des Kurfürsten ist Öxl nicht mehr gekommeu; so
sehr war dieser nach wie vor von seiner Schuld überzeugt.
Das kurfürstliche Dekret wurde Öxl erst am 13. Mai eingehändigt.
Noch am nämlichen Tage brach er von Straubing auf, fuhr auf der Donau
zunächst nach Regensburg, wo er noch einen Teil seines Mobiliars stehen
hatte, setzte dann auf derselben Wasserstrasse seine Reise bis Don au wörth fort
und gelangte auf dem Landwege im Laufe des Monats Juni nach Augsburg.
Hier, in einer Umgebung, welche die besseren Tage des Exkanzlers
nicht gesehen, welche keinen feindlichen Stachel bei ihm hinterlassen hatte,
unter finanziellen Verhältnissen, welche bei einiger Bescheidung ein aus¬
reichendes Auskommen sicherten, konnte man erwarten, dass Öxl Zeit und
Stimmung finden werde, um sich mit Würde entweder endgiltig in die neue
Lage zu fügen oder wenigstens ein Interim zu gewinnen. Statt dessen be¬
ginnt schon nach wenigen Wochen das alte Lamento Öxls aufs neue. Er
könne keine entsprechende Wohnung ausfindig machen, müsse sich mit einem
engen und schlechten Quartier bei einer Witwe begnügen; der Stadtmagistrat
wolle ihn nur unter der Bedingung dulden, dass er sich unter seinen Schutz
begebe, mit dem Steueramte über ein jährliches Schutzgeld vergleiche und zur
Bezahlung des „im ganzen römischen Reich unerhört gesteigerten Wein- und
Biergeldes, welches oftmals den Wert des erkauften Trunkes selbst übersteige“,
bereit erkläre. Das klagte Öxl der kurfürstlichen Regierung in einem Schreiben
drei vom 24. April, sind erhalten im Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten, das
Schreiben an Schmid ergiebt sich aus Aktenstück Nr. 15.
70ä ) Der Jahresgehalt des Kanzlers hatte ohne die Nebenbezüge 1200 Gulden betragen
80 ) Aktenstücke Nr. 17.
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292
Michael Döberl
vom 22. Juli 1669 81 ) und fügte hinzu, er wisse nicht, „ob es des Kurfürsten
eigentlicher Wille und Meinung sei, dass er sich in einen anderen als den
kurfürstlichen Schutz begebe und der Stadtjurisdiktion soweit unterwerfe, dass
er derselben gleichsam als ein gemeiner Bürger und Unterthan verbunden
sein solle, ob es nicht etwa auch den zwischen Bayern und Augsburg auf¬
gerichteten Verträgen zuwider sein möchte“. Gerade diese Worte verraten,
dass sich Öxl in Augstiurg von Anfang an nicht wohl fühlte, dass er von
Anfang au über die Zuweisung dieses Aufenthaltsortes wenig erfreut war.
Derselbe Öxl, der früher mit aller Bestimmtheit erklärt hatte, er werde um
keinen Preis die Pension in Bayern verzehren, er wolle lieber alles opfern,
scheint jetzt Verlangen nach Bayern getragen zu haben. Regensburg, wo die
diplomatische Welt Deutschlands versammelt war, wo er sich hinter den
Kulissen ein neues Arbeitsfeld eröffnen konnte, hätte ihm wohl noch mehr
zugesagt; doch daran konnte er aus begreiflichen Gründen nicht denken.
Zur Ordnung seiner Aufenthaltsangelegenheit bat Öxl um die kurfürst¬
liche Erlaubnis, sich auf einige Tage nach München begeben zu dürfen. Er
fügte zur Unterstützung seines Gesuches hinzu, er könne so dem Kurfürsten
in der diesem übertragenen Exekutionskommission gegen den Propst von Wetten -
hausen mit der gewünschten Information leichter an die Hand gehen, er
könne dem Kurfürsten die Satisfaktion, zu der es ihn längst gedrängt habe,
leisten, er werde ihm im übrigen nicht im geringsten zur Last fallen. Am
bayerischen Hofe mochte man gerade der letzteren Versicherung keinen Glauben
schenken. Der Vizekanzler legte zwar das Gesuch dem Kurfürsten Ferdinand
Maria vor, dieser aber liess am 1. August von Braunau aus durch den stell¬
vertretenden Kabinettssekretär Prielmayr schreiben 82 ), der Kurfürst trage
aus gewissen Gründen augenblicklich noch Bedenken, Öxl die erbetene Er¬
laubnis zu erteilen, er habe sich bis auf weitere Resolution zu gedulden. Nach
Ablauf zweier Monate wiederholte Öxl sein Gesuch 83 ); er hoffe, die früheren
Bedenken seien inzwischen gefallen, ein längerer Aufenthalt in Augsburg unter
den gegenwärtigen Verhältnissen, da er nicht wisse, wem er eigentlich zugehöre
und wo er schliesslich zu bleiben habe, werde ihm über die Massen schwer.
Jetzt wurde seinem Gesuche stattgegeben und ihm am 29. September die Er¬
laubnis erteilt 84 ), sich „seiner Geschäfte halber“ auf einen Monat nach München
zu begeben. Es war zum erstenmal seit dem Frühjahr 1667, dass Öxl die
bayerische Hauptstadt betrat. Der sanguinische Mann mochte seine Brust
mit ausschweifenden Hoffnungen schwellen. Damals weilte ja derjenige, in
dem er seinen Todfeind erblickte, Hermann Egon von Fürstenberg,
fern von Münchens Mauern zu Zabern im Eisass, dem Sommersitze seines
Bruders, des Bischofs Franz von Strassburg. Seine Stimmung wäre freilich
sehr herabgedrückt worden, wenn er gewusst hätte, was sich damals in
dem fürstbischöflichen Lustschlosse abspielte, dass damals die drei fürsten-
81 ) Münchener Kreisarchiv, Öxl Personalakten.
8 *) Ebenda.
8S ) Ebenda. 1669 Sept. 25, Öxl an den Kurfürsten.
M ) Ebenda.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
293
bergischen Brüder im Verein mit dem französischen Vertreter am Regensburger
Reichstage, Gravel, zusammensassen und über das dritte bayerisch - fran¬
zösische Allianzprojekt Beratung pflogen, jenen Entwurf, der wirklich zu dem
seit Jahren angestrebten Ziele führen sollte 85 ).
Der dem abwesenden Fürstenberger rangnächste Hof beamte Freiherr
von Rechberg hatte in dem Signat vom 29. September den Zusatz für
nötig erachtet: Öxl habe sich mit den 1000 Gulden Gnadengeldern zufrieden
zu geben und den Kurfürteu während seiner Anwesenheit in München mit
weiteren vergeblichen Gesuchen nicht zu behelligen. Trotzdem stellte Ö x 1
in München die Bitte um volle Wiedereinsetzung in den Genuss dessen,
was er vor seinem Resignationsschreiben besessen hatte, und wurde seinem
Gesuche am 26. November soweit stattgegeben 86 ), dass ihm eine Zulage von
200 Gulden und der geheime Ratskanzlertitel bewilligt wurde. Zugleich
wurde ihm die bayerische Stadt Landsberg als Aufenthaltsort zugewiesen. Auf
erneute Vorstellung 87 ), man möge ihm an Stelle Landsbergs Ingolstadt an¬
weisen, „damit er sein noch übriges Leben zur Ehre Gottes, zu seinem Seelen-
heile und zur Erquickung seines Gemütes, auch zu des Kurfürsten rühmlichen
und nützlichen Diensten unter tapferen, gelehrten und reputierlichen Leuten,
unter welchen er fast die ganze Zeit seines Lebens zugebracht habe, be-
schliessen könne“, wurde auch diese Bitte erfüllt 88 ). Diese Gnadenerweise
erfolgten, wiewohl gerade im Herbst 1669 die bayerische Regierung durch
den Wiener Residenten Stoiberer von dem Bayern arg kompromittierenden
Inhalt der Historia Leopoldi des tJuaido Priorato Kenntnis erhielt. Sie er¬
folgten in Anwesenheit Hermanns von Fürstenberg, der inzwischen
aus dem Eisass nach München zurück gekehrt war.
Noch das Signat vom 26. November hatte Öxl ausdrücklich verboten,
sich ausser Landes zu begeben. In Wirklichkeit ist jedoch dieses Verbot
nicht strenge überwacht worden. Weilte ja der Kanzler schon zu Beginn des
Jahres 1670 Wochen lang, angeblich in Privatgeschäften, in Regensburg, ohne
dass er um Erlaubnis nachgesucht hätte. Die bayerische Regierung erhielt
nur zufällig davon Kenntnis, gelegentlich der Nachfrage nach Illschwanger
Pfarramtsakten 8i '). Nun Hess allerdings der Kurfürst dem Dr. Öxl durch den
Vizekanzler Schmid den Befehl zukommen, er habe sich nach Ingolstadt
zurückzubegeben. Aber ein Aufenthalt Öxls in Regensburg musste der
bayerischen Regierung an sich schon verdächtig erscheinen, und damals doppelt
bedenklich, weil Gravel eben von Regensburg zu den denkwürdigen Mün¬
chener Konferenzen u0 ) abgereist war, um hier den bayerisch - französischen
Allianzvertrag in aller Form abzuschliessen, und gleichzeitig in Regensburg
wichtige Verhandlungen in der Frage der Reichssekurität stattfanden, in welcher
85 ) D ö b e r 1 a. a. O. 438 ff.
M ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten.
87 ) Ebenda.
88 ) Ebenda.
8Ö ) Ebenda. 5. Febr. 1670.
®°) D ö b e r 1 a. a. O. 447 ff.
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Michael Döberl
294
die bayerischen und kaiserlichen Wege scharf einander kreuzten. Und selbst
jetzt ist der Befehl in die mildere Form gekleidet, Öxl habe sich vor den
Osterferien nach Ingolstadt zurückzubegeben.
Öxl entschuldigte 91 ) seine Reise unter anderem mit einem Dekret des
Herzogs von Württemberg, welcher ihm befohlen habe, innerhalb dreier Monate
die Erben seiner Stiefmutter und andere angebliche Gläubiger, von denen er
in Wirklichkeit keine Kenntnis habe, in ihren finanziellen Forderungen zu
befriedigen, widrigenfalls er sie in Öxls württembergische, insbesondere bei
Göppingen liegende Güter immittieren und einen ordentlichen Prozess gegen
ihn eröffnen werde. Die Drohung — so fügt der ewig Verfolgte hinzu —
geschehe wider Recht und Billigkeit, schreibe sich von dem Hasse her, welchen
er sich mit seiner vor 42 Jahren erfolgten Konversion zugezogen habe. Er
habe in Regensburg die Vermittelung des ihm verwandten und persönlich
befreundeten württembergisehen Gesandten anrufen wollen; da derselbe ab¬
wesend war, sei er von einem Tag zum andern in der Reichsstadt hingehalten
worden; der kurfürstliche Befehl aber habe ihn gezwungen, zuletzt unverrich¬
teter Sache abzuziehen. Er bat daher gleichzeitig um die Erlaubnis für eine
Reise nach Württemberg zur Regelung seiner finanziellen Verhältnisse wie zum
Besuche des Pollerbades bei Göppingen. Wiederum erteilte ihm die bayerische
Regierung den hierzu nötigen Urlaub 92 ).
Die Abwickelung der finanziellen Geschäfte in Württemberg scheint
keinen günstigen Verlauf genommen zu haben. Wiederholt gedenkt Öxl in
späteren Schriftstücken der Schäden, welche er- in Württemberg erlitten habe.
Derselbe bekennt aber auch, dass seine Besitzverhältnisse daselbst seit den
50 er Jahren in Verwirrung geraten waren. Er schiebt allerdings die Schuld
hierfür dem kurfürstlichen Dienste zu, der ihn gezwungen habe, seine Privat¬
interessen „an den Nagel zu hängen“. Aber ökonomische Schwäche haben wir
schon früher als einen dunklen Punkt im Leben Öxls erkannt. Im Mai 1671
begegnet uns Öxl wiederum in München und hier entwirft er in einer Ein¬
gabe 93 ) an den Kurfürsten ein Jammerbild von seiner Lage. Er habe vor
lauter Gram verschiedene schwere, darunter zwei tödliche Krankheiten aus¬
gestanden, er könne den Verlust seines Weibes, das sich über seine Ungnade
und sein Unglück zu Tode gegrämt habe, nicht verschmerzen, fast alle seine
Freunde und Gönner, ja seine eigenen Kinder und Schwiegersöhne hätten ihn
verlassen, einige ihn sogar verfolgt, er sei um alles Ansehen bei hohen wie
niederen Standespersonen gekommen, er habe 16000 Gulden, die er mit Ge¬
fahr des Leibes und des Lebens sich sauer erworben, eingebüsst, nicht zu
gedenken der sonstigen Verluste, namentlich im Herzogtum Württemberg,
er habe auf dieser Welt im Geistlichen wie im Weltlichen anfangen mögen,
was nur immer er gewollt, überall sei ihm die Ungnade des Kurfürsten im
Wege gestanden und habe ihn zu Boden geschlagen, dass er sich nicht habe
rühren können. Und dieses Unheil stamme einzig und allein von dem Re-
91 ) Münchener Kreisarchiv', Öxls Personalakten. 7. Mai 1670.
Ebenda. 10. Mai 1670.
us ) Aktenstücke Nr. 18.
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl.
295
signationsschreiben des Jahres 1668 her; denn sonst sei er sich trotz fleissigster
Erforschung seines Gewissens nichts bewusst, was er zum Schaden des Kur¬
fürsten verbrochen habe. Dieses Schreiben aber sei nur entstanden infolge
schlechter Information, infolge eingejagten Schreckens, infolge Übereilung, er
habe durch die geschilderten Leiden dasselbe reichlich abgebüsst. Wiederum
klingt das Schreiben in die Bitte aus, der Kurfürst möchte ihn in den vollen
Gnadenstand, wie er ihm am 13. April 1667 zudekretiert worden war, ein-
setzen. Und wiederum hatte das Gesuch die Wirkung, dass dem Kanzler
eine weitere Zulage von 300 Gulden gewährt wurde 94 ).
In der nächsten Zeit hören wir von einer Fahrt Öxls nach Regens¬
burg. Er reiste zur Primiz seines jüngsten Sohnes Dr. Joseph Aloysius,
canonicus domicellarius des Hochstifts Regensburg, um, wie er sich in der
Eingabe 95 ) an den Kurfürsten ausdrückte, „unter seinem ersten sacrificio unsern
Herrn und Heiland aus seinen priesterlichen Händen zu empfangen und
darauf das „nunc dimittis servutn tuum, domine“ in seinem hohen Alter mit
innerlichem Seelenfrieden zu Gott zu sprechen.“ Von Regensburg reiste er
nach Straubing zur Vermählung seines mittleren Sohnes Franz Ignaz mit
der Witwe des verstorbenen Stadtrichters in Straubing. Das sind aber auch
die letzten erfreulichen Nachrichten.
Der Kanzler bezog seit dem Mai 1671 eine Jahrespension von 1500 95 *)
Gulden, bei dem damaligen Geldwert eine beträchtliche Summe. Trotzdem ver¬
schlimmerte sich in der nächsten Zeit die finanzielle Lage Öxls immer mehr,
namentlich seitdem er mit kurfürstlicher Zustimmung seinen Wohnsitz von
Ingolstadt nach Landshut verlegt hatte. Es kam so weit, dass der Exkanzler
nicht einmal mehr sein Gesinde befriedigen konnte, dass sich dieses an die
kurfürstliche Hofkammer wandte, um zu seinem Gelde zu gelangen. „Unser
geheimer Kanzler Öxl ist mit seinem Hauswesen also umgegangen, dass
jetzt, statt dass er sich und den Seinen einen ehrlichen Vorrat erhalten hat
und jedermann befriedigen könnte, damit wir unangelaufen bleiben möchten,
nichts als Schulden und zwar solche vorhanden sind, deren Entrichtung mit
gutem Gewissen nicht auf geschoben werden kann. Weisen ja die beiden
Originaleinschlüsse aus, dass neben anderen Gläubigern auch die Dienstboten,
von denen der eine als Kutscher noch wirklich in seinen Diensten steht, um
ihren lang verdienten Lohn bitten und supplizieren müssen.“ So klagt ein
kurfürstliches Dekret vom 1. Dezember 1673 96 ) an die Regierung Landshut.
Der Kurfürst erblickt einen der Gründe für den finanziellen Ruin Öxls in
seiner Umgebung, die ihm nur das Seine anbringen helfe. Um ihn von
dieser Umgebung loszumachen und in die Lage zu bringen, seine Gläubiger,
insbesondere sein Gesinde zu befriedigen, lässt ihm der Kurfürst durch den
Viztum und den Kanzler der Regierung zu Laudshut seine Meinung dahin
04 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten, Bescheid vom 28. Mai 1671.
96 ) Ebenda. 15. Juni 1671.
ö5ft ) Der aktive Kanzlergehalt hatte einschliesslich der Nebenbezüge
1867 Gulden betragen.
*•) Aktenstücke Nr. 19.
Bayer. Forschungen, VII, 4. 20
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Michael Döberl
eröffnen, Öxl solle sich in das Dominikanerkloster zu Landshut zurückziehen
und mit Zuthun der Regierung mit den Patres über die Kosten des Ordinari-
tisches und -Trunkes für sich und einen Diener vergleichen; den Betrag hätte
das Kloster unmittelbar von dem Hofzahlamt zu erheben. Sollte sich der
Kanzler nicht dazu bequemen, so gedenke der Kurfürst den Lauf der un¬
parteiischen Justiz nicht zu hemmen, vielmehr Verfügung zu thun, dass den
Gläubigern zu ihrem Rechte verholfen werde.
Zu einem Eintritt in das Kloster scheint Öxl nicht gewonnen worden
zu sein 97 ), wohl aber musste er es geschehen lassen, dass er unter Kuratel
gestellt wurde. Am St. Jakobtag 1674, wenige Wochen vor dem Hinscheiden
Hermann Egons von Fürstenberg, wurde er vom Schlage gerührt und
blieb seitdem auf der rechten Seite gelähmt. Noch einmal giebt Öxl ein
Lebenszeichen, im März 1675"); es ist ein Bettelbrief, den der „alte, kranke
und notleidende Bettler“, wie er sich selbst nennt, „vor den kurfürstlichen
Gnadenthron demütigst niederlegt“. Im folgenden Monat ist er gestorben,
im Alter von 70 Jahren. „Gott der Allmächtige hat nach seinem unerforsch-
lichen Willen den geheimen Rat Herrn Johann Georg Öxl, dem Ver¬
merken nach vermittels eines unvorhergesehenen Schlags, heute früh von
diesem vergänglichen hoffentlich zu ewigem Leben gnädig abgefordert, dem
daun Gott die ewige Ruhe und eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle.“
So schrieben am 27. Mai 1675 die Öxl sehen Kuratoren 99 ). Dem ehemaligen
Parteigänger des Kaisers war es nicht mehr vergönnt gewesen, die Kunde
von dem glänzenden Siege zu vernehmen, den schon im nächsten Monat der
kaiserliche Bundesgenosse, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg,
bei Fehrbellin über die Schweden erfocht, wohl aber hatte er den vollen Triumph
seiner politischen Gegner, den ziemlich unverhüllten Anschluss Bayerns an
Frankreich im holländischen Kriege"*) erleben und noch sehen müssen, wie
derjenige, der einst unter ihm gedient, der dem neuen politischen Kurse Seele
und Leben gegeben, seit dem Herbst des Jahres 1674 der unbestritten erste
Mann des bayerischen Hofes war, Kaspar von Schmid.
Die Obsignation des Nachlasses nahm derjenige vor, welcher einst in
Regensburg als Protokollführer unter Öxl gedient, den er sich aber damals
schon entfremdet hatte, der geheime Rat und Kanzler der Regierung Landshut,
Dr. Johann German Barbier, derselbe, der bereits den demütigenden
® T ) Leider blieben meine Anfragen in Landshut wie in Ingolstadt über den
Aufenthalt Ö x 1 s daselbst ohne Ergebnis. Die Ratsprotokolle von Landshut reichen eben
mit Ausnahme eines Bandes, der das Jahr 1630 umfasst, nur bis 1676 zurück. Aber
auffallenderweise führen selbst die durchsuchten Stadtsteuerrechnungeu von 1672 bis 1675
keinen Öxl auf.
98 ) Aktenstücke Nr. 20.
90 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. Im Sterbebuch von St. Martin
findet sich unter dem nämlichen Datum folgender Eintrag: „Herr Johann Georg Öxl
der kf. Dt in Bayern gewester gehaimer ratskauzler procuratus sacramentis ecclesiae cur-
sum vitae suae confecit A. 30. sepultus in sacello b(eatae) M(ariae) v(irginis).“
ö0< *) Döberl a. a. O. Vgl. dazu Döberl, Das bayerische Hilfskorps in Kölner
Diensten zur Zeit des zweiten Raubkrieges, Forschungen z. b. G. VI, 18—55.
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/
Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 297
Inhalt des kurfürstlichen Dekretes vom 1. Dezember 1673 dem gefallenen Manne
eröffnet hatte. Der Bericht über die Nachlassbehandlung ergab, dass der
Kanzler, der ehedem ein glänzendes Haus geführt hatte, zuletzt nicht einen
Löffel, auch sonst wenig an Mobilien sein eigen nennen konnte. „Darüber
müsse man sich billig verwundern, da er doch früher eine schöne Barschaft,
Argenterei und Malerei hatte.“ 100 ) Von amtlichen Schriftstücken fand sich
nichts mehr bei ihm vor.
Die Kosten für das Begräbnis übernahm der kurfürstliche Hof, die
Beisetzung erfolgte in der Frauenkapelle zu Landshut. In tiefster Armut
und Verachtung, verlassen von der Welt, verlassen von den eigenen Kindern,
von denen keines an dem Sterbebette weilte, um ihm das Auge zuzudrücken,
hatte derjenige geendet, der einst auf den Tagen zu Nürnberg, zu Frankfurt,
zu Augsburg, zu Regensburg das Haupt so stolz getragen hatte. Nicht
kindliche Pietät, nicht sittliche Freude über die Thaten des Vaters, persönliche
Eitelkeit, die sich in dem Ruhme des Vaters spiegelt] wollte, hat jene Inschrift 101 )
diktiert, welche die Söhne und Töchter auf den Grabstein des Vaters setzten.
Die vom Kurfürsten Ferdinand Maria im Frühjahre 1667 gegen
den geheimen Ratskanzler Dr. Öxl verfügte Massregel war zweifellos recht¬
lich unanfechtbar. Wie die Anstellung im bayerischen Staatsdienste eine
Gnadensache des Kurfürsten war, so war es ein unbestreitbares Recht des¬
selben Kurfürsten, einen Beamten seiner Dienste zu entheben, wenn es ihm
beliebte. Was Öxl in den Tagen seiner Entlassung in allerhöchstem Auf¬
träge eröffnet wurde, es stehe einem Landesfürsten frei, seinen Diener nach
Belieben, ohne Eröffnung der Ursachen zu behalten oder zu verabschieden,
entsprach wirklich dem geltenden Beamten recht.
Selbstverständlich aber hat damals ebenso gut, wie heutzutage, die Re¬
gierung Anstand genommen, zu einer solchen Massregel zu greifen ohne be¬
stimmte Veranlassung, ohne Gründe der Staatsräson. Diese Gründe waren
thatsächlich vorhanden, auch vom Standpunkt unserer gegenwärtigen Anschau¬
ungen, die Massregel war politisch gerechtfertigt. Wenn irgend ein
Beamter, so ist der Gesandte der Träger der Regierungspolitik, ist berufen
und verpflichtet, die ihm bekannten Anschauungen seiner Regierung wirksam
zu vertreten, in keinem Falle ist er berechtigt, ihre Durchführung zu er¬
schweren, Politik auf eigene Faust zu machen. Die bayerische Regierung
hatte sich auf grund der gemachten Erfahrungen entschlossen, eine Politik
der Emanzipation von Österreich, der Anlehnung an Frankreich einzuschlagen.
Die französische Diplomatie hatte von Anfang an mit dem Misstrauen gegen
Öxl, mit der Erklärung, dass es diesen für die Pflege der Korrespondenz
zwischen den beiden Staaten ungeeignet finde, nicht zurückgehalten. Das
thatsächliche Verhalten Öxls hatte bewiesen, dass dieses Misstrauen vollauf
,0 °) Heigel, Allg. Deutsche Biographie s. v. Öxl.
,01 ) Aktenstücke Nr. 21 .
20 *
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Michael Döberl
298
gerechtfertigt war; man erinnere sich nur jenes Zwischenfalles im Hause der
französischen Gesandtschaft in Regensburg. Öxl selbst hat ja nach einer
sehr glaubhaften Zeugenaussage den Wiener Hofkreisen gegenüber seinen
Sturz dem Umstande zugeschrieben, dass er in dem Widerstreit zwischen
Österreich und Frankreich sich nicht der herrschenden Richtung am Münchener
Hofe anbequemt habe. Der Kurfürst hatte sich also nach Jahre langer Be¬
obachtung überzeugen müssen, dass die Politik, zu welcher er sich entschlossen,
mit einem Öxl nicht durch geführt werden konnte. Öxl hatte aber auch
sonst trotz wiederholter Verwarnungen dem Argwohn Nahrung gegeben, dass
von ihm eine grundsätzliche Durchführung, geschweige Förderung der Inten¬
tionen der Regierung nicht zu erwarten sei, die gegen sein Verhalten laut¬
gewordenen Bedenken aber hatte er trotz aller grosssprecherischen Ver-
heissungen niemals widerlegt; man erinnere sich an die Regensburger Wahl -
angelegenheit. Nachdem so die unerlässliche Voraussetzung für eine er-
spriessliche Wahrnehmung* des Amtes hinfällig geworden war, hatte die Re¬
gierung nicht bloss das Recht, sondern im Interesse der Selbsterhaltung oder
wenigstens der Autorität der Staatsregierung und der Einheitlichkeit des
Dienstes die Pflicht, den Beamten aus dem Amte zu entfernen.
Die Massregelung Öxls konnte vom Standpunkt der bayerischen Re¬
gierung ein Akt der Notwendigkeit, und doch konnte gleichzeitig der Gemass-
regelte ein Märtyrer seiner Überzeugung sein. Öxl konnte in vollster Über¬
zeugung, aus höheren Gesichtspunkten, im Interesse Bayerns seinen Kurfürsten
in der Verbindung mit Österreich erhalten haben wollen. Aber freilich eine
eindringendere Prüfung muss auch diesen Glauben zerstören. Dem wider¬
strebt in der Zeit der Kaiserwahlfrage die intime Freundschaft Öxls mit
Volmar, einem der abgefeimtesten Diplomaten Österreichs, eine Freundschaft,
die er dann später auf dem Deputationstage in Regensburg fortsetzte, dem
widerstreben seine ungeordneten finanziellen Verhältnisse, die ihn nur zu
leicht verführen mochten, seine Politik der Rücksicht auf fremde Gnaden¬
gelder dienstbar zu machen — in dieser Beleuchtung könnte die un¬
gewöhnlich hohe Remuneration von 10000 Thalern, die ihm von seiten des
Kaisers für seine Dienste in Frankfurt zu teil wurden, bedenklich machen —,
dem widerstreben die zweifelhaften Mittel, deren er sich bediente, um Bayern
in der Kaiserwahlfrage im Anschluss an Österreich zu erhalten; hat er ja
seinen eigenen Kurfürsten durch Vorspiegelung falscher Thatsachen von
einem persönlichen Erscheinen auf dem Frankfurter Wahltag abzuhalten
gesucht. Dem widerstrebt die verhetzende, widerspruchsvolle, um nicht zu
sagen verlogene Art, mit der er in der Zeit des Deputationsstreites für
die österreichische Politik eintrat. Sie war allerdings im Sinne der öster¬
reichischen Ultras, aber derart, dass selbst gemässigte Österreicher sie ver¬
urteilten. Fürst Lobkowitz, der zu Frankfurt ehrlich die Sache seines
kaiserlichen Herrn vertrat, hat ihn nach amtlichem Berichte nicht bloss
Fürstenbergs, sondern auch Barbiers einen Erzschelm genannt und
zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine „actiones“ in Frankfurt
wie auf dem Deputationstage zu Regensburg. Jenem Glauben widerstrebt
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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 299
aber ganz besonders die verbrecherische Art, mit der Öxl im Herbst 1666
das Interesse seines Herrn verriet. Es steht untrüglich fest, dass er einer
wichtigen bayerischen Mission den Boden abzugraben gesucht, dass er sich
zu diesem Zwecke auf unerlaubte Weise Abschriften von bayerischen Geheim -
akten verschafft, dass er den Inhalt derselben mündlich wie schriftlich dem
Minister eines fremden Staates ausgeantwortet hat. Die mala fides Ö x 1 s ist
erwiesen, Öxl ist gerichtet. Und diese Enthüllung giebt zugleich dem sach¬
lichen Wert der übrigen Zeugenaussagen, die sich ohnehin als organische
Glieder vollkommen richtig in das Ganze einreihen, sein Relief. Vergebens
auch sucht man bei Öxl nach Äusserungen einer höheren Idee, eines
politischen Systems, ähnlich denen, wie sein politischer Gegner S c h m i d
sein Programm vertrat. Eine ideale, selbstlose Persönlichkeit, die lediglich
aus höheren Gesichtspunkten den Anschluss Bayerns an Österreich empfohlen
hätte, war also Ö xl sicherlich nicht. Ebensowenig, als er wirklich im Innern
der tiefreligiöse Mann gewesen zu sein scheint, für den sich der Konvertit
gegenüber seinem kurfürstlichen Herrn so gerne ausgab. Die profanierende
Art, wie Öxl in der Zeit des Deputationsstreites das religiöse Moment bald
in diesem, bald in jenem Lager ausbeutete, um zu seinem Ziele zu kommen,
lässt darauf schliessen, dass auch sein KonfessionsWechsel nur aus äusseren
Motiven herfloss. Öxl war eine zu subjektive, zu reizbare, intrigante und
begehrliche Persönlichkeit, um seinen Standpunkt rein zu halten von persön¬
lichen Interessen. So galt er auch seinen Zeitgenossen. Diese Erkenntnis
und die Erinnerung an die Unbedenklichkeit Öxls in der Wahl der Mittel,
um seine politischen Gegner zu Fall zu bringen, mussten nicht bloss den
Fürstenberger, den geschworenen Feind vom Jahre 1658 her, sondern
auch einen Kaspar Schmid in den Bemühungen, Öxl unschädlich zu machen,
anspornen. Ein Märtyrer seiner Überzeugung war Öxl nicht, seine Mass-
regelung kein tragisches Geschick.
Im Gegenteil, das Verfahren, das gegen Öxl eingeschlagen wurde,
kann als ein mildes, schonendes bezeichnet werden. Öxl wurde mit Titel,
Rang und vollem Gehalte in den Ruhestand versetzt, das kurfürstliche Dekret
vom 13. April 1667 war sogar in huldvoller Form abgefasst. Und doch ge¬
nügte der Verrat, den Öxl in Wien begangen, allein schon, um ihn dem
Strafrichter auszuliefern. Was Öxl im Aufträge des Kurfürsten in den Tagen
seiner Entlassung bedeutet wurde, er könne sich nicht beschweren, war nur
zu wohl begründet. Das Verhalten der Regierungskreise vermied selbst
dann den Anschein kleinlicher Rache, als Öxl nach seiner Entlassung den
Kurfürsten und seine Räte durch neue Provokationen und neue Umtriebe in
Wien herausforderte.
Man könnte gegen die Regierung sogar den Vorwurf erheben, dass
die Entlassung Öxls zu spät erfolgte. Nur darf man den Grund hierzu
nicht in dem Mangel an Schuldbeweisen finden. Neben der Erinnerung des
Kurfürsten an Öxls frühere Dienste war gewiss die Rücksicht auf den Kaiser¬
hof mitbestimmend.
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300
Michael Döberl
Uns geht das Schicksal des Mannes, der nach einer glänzenden Karriere
fast als Bettler gestorben ist, menschlich nahe, doch wir müssen sagen, es war
verschuldet. Wir müssen Öxl selbst die Anerkennung versagen, dass er das
selbstverschuldete Los mit Würde getragen. Derjenige, der mit vollem Be¬
wusstsein Verrat geübt, beteuert bei allen Heiligen seine Unschuld, derjenige,
der in brüskester Form auf sein Gehalt verzichtet hat, schiebt die Schuld auf
einen toten Mann, derjenige, der sich ehedem in der Rolle des schneidigen
Diplomaten so sehr gefallen, kann heute in der derbsten Sprache reden, die
schärfsten Pfeile abschiessen, morgen, wenn die Pfeile nicht getroffen, viel¬
mehr auf den Schützen zurückgeprallt sind, in der de- und wehmütigsten
Sprache reden. Er hat damit seinem Andenken den letzten versöhnenden
Zug genommen.
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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums
Sulzbach im Jahre 1765.
Von
Karl Brunnen
Nachstehend teile ich ein für die Wirtschaftsgeschichte der Oberpfalz
merkwürdiges Schriftstück mit, das als Ergebnis sorgfältiger Nachforschungen
anscheinend im Auftrag der kurfürstlichen Regierung an ein hochgestelltes
Mitglied derselben gerichtet war. Den Adressaten konnte ich nicht ermitteln.
Der Verfasser ist der damalige Regierungskanzlist Leonhard Magnus
Köhler, ein interessanter Mann, der eine achtbare wissenschaftliche Thätig-
keit, besonders auf dem Gebiete der Chronologie und Altertumskunde, ent¬
faltete und späterhin als wirklicher Regierungs- und Hofkammerrat in Sulzbacli
massgebenden Einfluss auf die Regierung des Herzogtums ausübte. Wie es
scheint, ist das Leben Köhlers vollständiger Vergessenheit anheimgefallen:
weder die Allgemeine Deutsche Biographie noch die landläufigen Gelehrten¬
lexika bringen seinen Namen. Und doch verdiente meines Erachtens wenigstens
seine gelehrte Thätigkeit ans Licht gezogen zu werden. Das Karlsruher
Generallandesarchiv verwahrt einen starken Band von Briefen Köhlers an
Lamey aus derZeit von 1765—1801, die den Mann ohne Zweifel beachtens¬
wert erscheinen lassen. Und wie mit Lamey hat er in seinem regen wissen¬
schaftlichen Streben gewiss mit manchem anderen Gelehrten seiner Zeit in
lebhaftem Gedankenaustausch gestanden. Der vorliegende Bericht lässt ihn als
guten Beobachter mit gesundem, klarem Urteil erscheinen, der an den Dingen
mehr als einen bloss äusseren Anteil nimmt Ich lasse das Schreiben ohne
Kürzung folgen, da es als Ganzes in mancher Hinsicht wertvoll und charakte¬
ristisch erscheint. Es ist einer eigenhändigen Abschrift Köhlers entnommen,
die (als Hsr. Nr. 184) im Karlsruher Generallandesarchiv liegt
Hochedelgebohrner und Hochgelehrter Herr,
Besonders Verehrungswürdigster Herr Secretär!
Euer Hochedelgebohrnen habe schon längstens, als eine so verehrungs -
würdige Person, besonders der gelehrten Welt, in der Stille bewundert, dass
es mir dermalen zum ganz ausnehmenden Vergnügen gereichen musste, Selbsten
mit einer Zuschrift gewürdiget zu werden.
Und wie gerne vollführe ich nicht ein Geschäft, das ohnehin mir zur
Ehre und Pflicht ist! Es sind aber diejenige Fragen, die ich zu beantworten
habe, diese:
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302 Karl Brunner
I. Welches ist die natürliche Lage und die Beschaffenheit der Pfalz-Sulz-
bachischen Lande? Sind sie mehr bergicht als eben, und wie heisset
das darinnen herschende Gebürg? Ist es nicht ein Theil der Böhmischen
oder des alten Hercyniae?
II. Welches sind die vornehmsten Producta, Wein, Früchten, Waldungen,
Weid etc.?
III. Hat man auch Bergwerke und mineralische Wasser? Wo und von welcher
Art sind sie?
IV. Giebt es einige Fabricken? und welche?
Auf welche demnach mit möglichster Zuverlässigkeit, und zwar ad
Quaestionem l.mam schuldigst diene, dass weilen das Herzogthum Sulzbach
(das vorzeiten ganz sicher mit unter den Sylvam Hercyniam, wenigstens das
dermalige Amt Vohenstrauss, Pflegamt Floss und die Herrschaft Pleystein,
und zwar bis an Naabfluss, gerechnet wurde) mit der Obern Pfalz und dem
Bambergischen Pflegamt Vielseck ein wenig vermenget ist, man solches am
füglichsten, wenn man seine ordentliche und natürliche Lage beschreiben will,
nach denen darinnen befindlichen Oberämtern ansehen muss.
Solchemnach gräuzet das Landgericht Sulzbach gegen Morgen und
Mitternacht an die Obere Pfalz; gegen Mittag auch an die Obere
Pfalz und an das Bissthum-Bambergische Pflegamt Vielseck; gegen Abend
aber au Franken, und in specie an das Nürnbergische Gebieth.
Das Landgericht Parkstein und Weyden hat gegen Morgen unten die
Landgrafschaft Leuchtenberg, in der Mitte das Fürstl. - Lobkowitzische und
oben die Obere Pfalz; gegen Abend stösset selbiges, theils an das vor-
gemelte Bambergische Oberamt Vielseck, theils auch an die Obere Pfalz; gegen
Mittag und Mitternacht aber alleine an die Obere Pfalz.
Das Pflegamt Floss gräntzet gegen Morgen an das Königreich
Böhmen; gegen Abend, unten an das Leuchtenbergische, in der Mitte an
das Landgericht Parkstein und Weyden selbst, dann an das Fürstl. Lobko¬
witzische und oben an die Obere Pfalz; gegen Mittag auch an das
Leuchtenbergische und an das Lobkowitzische Amt Waldthurn; und gegen
Mitternacht an das Oberpfalz, alleine.
Das Amt Vohenstrauss verbindet sich gegen Morgen mit der Chur-
pfälz. Herrschaft Pleystein; gegen Abend und Mittag mit der Obern
Pfalz; und gegen Mitternacht mit dem Lobkowitzischen Amte Waldthum.
Die Herrschafft Pleystein, so dieses Jahr und also erst vor kurzem,
nach der beschehenen Uebergabe, dem Herzogthum Sulzbach mit einverleibet
worden, und vorhero bey Neuburg wäre, hat gegen Morgen und Mitter¬
nacht Böhmen, gegen Abend Vohenstrauss und gegen Mittag die Obere
Pfalz zur Seite.
Man kann derohalben nach dieser Lage, wenn man etliche Stunden
durch das Bambergische Amt Vielseck gehet, dieses ganze Herzogthum Sulz¬
bach durchreisen, ohne die obere Pfalz im mindesten zu berühren.
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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765.
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Die Grösse dieses Landes betreffend, wird das Landgericht Sulzbach
von Mitternacht gegen Mittag wenigstens 6 Stunden, von Abend gegen
Morgen aber 4 Stunden ausmachen.
Das Landgericht Parkstein mit Wey den erstrecket sich von Mittag
gegen Mitternacht bei 7 Stunden, von Abend gegen Morgen, unten wo es am
breitesten ist, wenigstens 4 Stunden : Hinaufwärts aber bey Parkstein und
Erbendorf ist es viel schmäler.
Das Amt Floss wird von Mittag gegen Mitternacht 3 Stunden breit,
von Abend gegen Morgen über 4 Stunden lang seyn.
Das Amt Vohenstrauss ist klein, indeme es von Abend gegen Morgen
nicht wohl eine Stunde, von Mitternacht gegen Mittag aber bey zwey Stunden
lang ist
Vom Pflegamte oder der Herrschafft Pleystein ist mir die eigentliche
Grösse noch nicht bekannt.
Uebrigens liegt dieses Herzogthum überhaubts ziemlich hoch, weil
sonderlich im Landgerichte Sulzbach eine Wasserscheide ist, indeme einiges
Gewässer gegen Abend auf den Rhein zu, das ander aber gegen Mittag auf
die Donau zufliesset
Was nun die Beschaffenheit des Landes Selbsten betritt, ist solches
durchaus ziemlich gebürgigt, mit theils sehr fruchtbaren Thälern; wiewohl
auch die Berge nicht eben kahle Felsen sind, sondern insgemein mit Wald,
Weide oder Feldern bedecket.
Die vornehmsten Gebürge darinnen sind, in dem Landgericht Sulzbach:
dasjenige Gebürg, welches eben dieses Landgericht von Franken scheidet,
auch dahero insgemein schlechtweg das Gebürg und die Unterthanen darinnen
die Bürgbauern (ohne dass es sonst noch einen besondern Namen hat) ge-
nennet werden.
In dem Landgericht Parkstein ist ein hoher Berg, der hohe Parkstein
genannt, von welchem man fast über alle andern Gebürge hinaus- und in ver¬
schiedene angränzende Lande weit hineinsehen kann; und weilen eben dieser
Berg steil und rings herum frey ist: so ist zu alten Zeiten eine nach dama¬
liger Art sehr gute Bergvestung hinauf gebauet worden, ausser Zweiffel, um
in kriegerischen Zeiten die Haabseligkeiten des Landes dahin in Sicherheit
bringen zu können, massen selbe sonsten von darumen zu nichts gedienet
haben mag, weilen sie an keinem Pass lieget; vor etlichen wenigen Jahren aber
ist sie rasiret worden.
In dem Amt Floss, wie auch in der Herrschaft Pleystein fängt schon
ein Theil des hohen Böhmischen Gebürges an.
Ueberdieses aber sind in dem Herzogthum Sulzbach noch einzelne
grosse und ansehnliche Berge hin und wieder, und auf selbigen noch uralte,
dermalen aber meistens in Ruin liegende Schlösser anzutreffen: Zum Beyspiel,
im Landgericht Sulzbach, die Zant bei Holenstein, worauf aber keine rudera,
Breitenstein, Neydstein, Ruprechtstein, worunter das mittlere wenig¬
stens noch bewohnt, auf dem leztern aber das Schloss noch stehet und auch
bewohnet ist.
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Karl Brunner
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Rosenberg und Popperg zwey zerstörte Schlösser.
Im Landgericht Parkstein, die Diemenreuther Spitze, ein ganz
fruchtbarer Berg ohne Schloss.
Im Flossischen der Flossenbürg, ein zerstörtes grosses Schloss.
Im Vohenstraussischen der Fahrenberg, auf welchem eine Kirche und
nicht weit davon ein Gränzstein, wo die Gräntzen von Vohenstrauss, Pley¬
stein und dem Lobkowitzischen Amte Waldthurn zusammen stossen.
Die Güte des Erdbodens ist gar verschiedentlich, nämlich theils recht
gut, theils aber rauhe, steinigt und wenig fruchtbar; anbey giebt es hin und
wieder, bevorab in dem Landgericht Weyden, grosse Flecke an sogenannten
Brüchen oder Lohen und Moräste.
Ad Quaest. 2.dam sind die vornehmsten producta des Fürstenthums
Sulzbach
a) An Getraid: Waitzen, Dünckel, Korn, Gerste, Haber.
An Hülsenfrüchten: Erbsen, Linsen, Hirse, Heidekorn etc.
Der Flachsbau in denen Oberämtern Parkstein und Floss ist gut und
beträchtlich und könnte noch beträchtlicher werden, wenn die Unterthanen,
zum Behuf etwa anzulegender Manufackturen, zu dessen noch mehrerer Culti-
virung angefrischet würden.
Seit wenig Jahren ist der Hopfenbau, und zwar meines Wissens auf
Anrathen und an Handgebung des hiesigen Herrn Regierungs-Raths, tit
Molitors, in dem Lande fast durchgehends angeleget und wegen seiner be¬
fundenen ungemeinen Güte dergestalten empor gebracht worden, dass nunmehr
die Landesnothdurft davon bestritten werden kann, wo vormals, aus Mangel
desselben, grosse Summen, nacher Böhmen und andere auswärtige Lande
hinausgegangen sind; indeme das Brauwesen durchgehends in hiesigen Landen
eine derer beträchtlichsten Gewerben und Nahrungen ist.
An allerley Gattungen Gemüsen, als verschiedne Rüben, ver¬
schiedenen Kraut, Erdäpfel, Darschen etc. ist im ganzen Lande kein Mangel;
und eben so wenig an allerley Baumfrüchten, deren in verschiedenen
Gegenden sehr gute Gattungen: als Borstorffer, Renetten, Rubiner etc., item
Pergamotten, Bisam, boires grises et blanches etc. gebauet werden und wohl
anschlagen.
Der adle Wein aber gehet leider ab; wiewohl vor ein Paar 100 Jahren
hier bei Sulzbach, auf der Mittagseite des damahls sogenannten Kastenbühls,
welches ietzt der St. Anna Berg ist, Wein gebauet worden, der aber vermuth-
lich schlecht mag gewesen seyn.
b) An Waldungen ist das Land voll; sind aber meistens durch die
besonders vormahlige Glashütten, Hoheöfens, Eisenhämmer und andere der¬
gleichen Schmelzwerke sehr mitgenohmen worden. Doch ist man auf die
Nachzüglung junger Wälder fleissig bedacht. Es bestehen aber ersagte Wal¬
dungen fast durchgehends aus sogenannten weichen oder toden Hölzern, als
Föhren, Fichten und Tannen, Linden und Buchen sind auch nicht selten,
seltener aber Eichen anzutreffen, doch giebt es auch in dem Amt Floss viele
zu sauberer Arbeit dienende Ahorn-Bäume.
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Die wirtschaftliche Lage de« Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765.
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c) All Weide und Wisswachs hat man in dem Landgericht Sulzbach
nicht allerdings die Notfadurft dahero auch die Viehzucht nicht reich. Jedoch
in den Ämtern Parkstein und Floss ist die Weide ansehnlich, folglich auch
die Viehezucht trefflich und beträchtlich, so dass alljährlich daselbsten ver¬
schiedene Hundert Mastochsen ausser Landes gegeben werden können.
Auch kömmt die Schaafzucht und die davon abfallende Wolle aller¬
dings mit in Betrachtung.
An Schweinen fehlet es auch nicht, besonders wegen den starken
Erdäpfel, Rüben, Darschen und dergleichen Fütterungsbau.
Die Bienenzucht ist mittelmässig.
Ferner ist an allerhand gross- und kleinen Wildpreth kein
Mangel, und des ersteren zu grosser Klage und Beschwerde derer Unterthanen
dermalen nur zu viel. Besonders aber ist der Schade, welchen das Roth-
Wildpreth an denen herbeyziglenden jungen Höltzem in Winterszeiten durch
Abschälung der zarten Stämmlein thut, sehr gross, inmassen es wegen des
gewöhnlich fallenden häuffigen Schnees nicht zum Erdboden und zu einiger
Nahrung gelangen kann.
An Feder-Wildpreth giebt es, ausser denen gemeinen Gattungen,
auch ädle Sorten, als: Auerhannen, Pürk- und Haselhünner.
d) An grossen Fischweyhern und guten Krebsbächen fehlet
es, sonderlich in dem Landgericht Weyden, gar nicht; auch giebt es hin und
wieder, zumalen hier in Sulzbach, schöne Lachs- und Steinforellen, Aschen
und Grundeln.
Ad Qll&est. 3tiam werden dermalen keine andern Bergwerke, als nur zu
Eisen, und zwar um Sulzbach, und dermalen bey Sieben ei chen, ge¬
trieben. Ehemals aber hat man auch, und ohngefehr um 1728 in dem Amte
Vohenstrauss, zwar Silber, iedoch nicht so ergiebig gefunden, dass es die
Kosten ausgeworffen.
Ingleichen hat man im Landgericht Parkstein bey Erbendorf
Silber und Bley gefunden, ist aber auch nicht ergiebig genug gewesen; doch
wird dermalen aufs neue wieder angefangen, und muss es die Zeit lehren,
was sich daselbst zeigen wird.
Bley hingegen hat sich in dem nämlichen Landgericht bey dem Mark
Freyhung ziemlich und feines hervorgethann, ist aber haubtsächlich wegen
sich gezeigten starken Wassers, dessen Abführung man entweder nicht ver¬
standen, oder zu starke Unkosten verursachet haben mag, nach und nach und
erst ganz kurz liegen geblieben.
Von diesem berühmten und herrlichen Bleybergwerke bemerke ich eine
Stelle aus Joh. Jac. Baieri Oryctographia Norica, cap. X. „Quando galenam
(Glanz) utpote plumbi nigri mineram nominavi, aequum censeo, eiusdem
metalli amplissimarum quondam in superiori Palatinatu fodinarum iniicere
mentionera. Has per integrum quasi seculum viguisse, fidem facit Chur-und
Fürstlicher Pfalz Bleybergwerks-Ordnung, gedruckt zuAmbergiöiq. fol.
Ast ille vigor dudum remisit, ut hodie nihil ferme aliud agant perpauci ope-
rarii in oppido metallico (zur Freyhung) inter Vielseck et Weyden, quam ut
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306 Karl Brunner
e vetustis ruinis et cumulis (aus den alten Hallen) colligant lavando nietalli
reliquias inque propinquis officinis elaborent Minera vero dives admodum et
neutiquam vulgaris, cuius tres praecipuas notavi differentias: Primam can-
didam semique diaphanam, fluoris instar, unde et Flüss appellant, ac
centenarium ipsius ad LXXX pondo plumbi nigri fundere affirmant.
Secunda est opaca, scabra, colo re et forma crustosa tartaro vini
rubro similis, quapropter rothe Schalen audit; ex dimidia vero parte
in plumbum liquari asseritur. Forsan haec est plumbum nativum Sulz-
bachium, quod Georg Fabricius de rebus metallicis, cap. VII rubeum
pronunciavit. Tertia ex flavo viridescens (grün Bleyertz) ponderosa quidem,
sed non tarn, ut priores, metallo abundans. Caeterum ex hisce mineris coctum
sine dubio quondam fuit, ut copiosum, sic praestans plumbum, illudque ipsum,
quod Joh. Reutmannus nomendat. rerum fossil, p. 84. 2 nominat e Pala¬
tinatu mollissimum, ganz weich Bley.“
An Alaun ist auch ein Reichthum vorhanden, welcher aber wegen des
zu dessen Südung erforderlichen Holzes nicht gegraben werden wollen.
Vitriol hat sich ingleichen hier und da entdecket.
Steinkohlen haben sich an einem Gebürg, und zwar bey Döltsch im
Weydauischen nicht nur hervorgethann, sondern sind auch bey gemachter
Probe ungemein gut und fein befunden worden. Die Grabung derselben aber
ist ebenfalls wegen sich eräugneten Wassers und Mangel des Geldes unter¬
blieben. Es ist aber allen vernünfftigen Vermuthen nach sothannes Gebürge
von Steinkohlen nicht leer, und dahero zu wünschen, dass selbiges von der
Sachen Verständigen wohl untersuchet würde, weil bey sich etwan findender
Ergiebigkeit es für einen grossen Schatz zu achten wäre, indeme solcher-
gestalten eine Menge Holzes erspahret, folglich die Waldungen geschonet und
ihnen Zeit zur Erholung und Herbeywachsung gelassen werden könnte. Wie
mir denn bekannt ist, dass oben schon erwehnter tit. H. Regierungsrath
Molitor allhier hierüber an den ehemaligen Conferenz-Minister, Freyh. von
Wreden, Exc., als dieselbe mit Sr. Churfürstl. Durchl. dahier in Sulzbach
anwesend waren, eine umständliche, schriftliche Vorstellung übergeben, jedoch
aber diese Sache wegen Abkunft hochged. Ministers wiederum in Stocken
gerathen seye.
Steinbrüche hat es hin und wieder im Lande, besonders aber findet
sich einer dergleichen in dem Amt Floss, welcher reich und fürtrefflich zu
Quadern und allerley anderer Arbeit dienlich ist.
An ädlern Steinen, z. B. Achat, giebt es im Landgerichte Parkstein
ziemlich viel; auch findet man bey Erbendorf, jedoch dermalen nur einzeln
und im kleinen, einen grünen Jaspis, auf deren und anderen dergleichen
weiterer Nachsuchung es nun dermalen bey der mir gnädigst übertragenen
Commission noch beruhet.
Mineralische Wasser sind meines Wissens keine im Lande, ausser
dass sich in dem Landgerichte Sulzbach, und zwar zum Grosalbershof, schon
zu Zeiten Herrn Herzogs Theodori p. m. eine Quelle von der Art eines
sogenannten Faul-Wassers hervorgethan, welches für ein Gesundheitswasser
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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765.
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geachtet, und dahero von Höchstgedacht Herrn Herzogen die Absicht ge¬
nommen worden, sothanne Quelle sauber einfassen und womöglich es dahin
bringen zn lassen, dass es ordentlich zur Cur könnte gebrauchet werden:
Welches alles aber durch sein Absterben zurücke geblieben.
Quoad Quaest. 4.t*m hat man bishero allhier, auf Anlegung nützlicher
Manufackturen und Fabricken, wenig oder keine Absicht gehabt, obschon
meines Wissens mehrgedachter H. Regierungsrath Molitor, bereits vor
verschiedenen Jahren, eben auch hierüber und besonders wegen Anlegung
einer Leinen- und Wollenfabrike in der Stadt Weyden, welche wegen
daselbstigen Wassers und anderer guter Gelegenheit am bequemsten darzu wäre,
wie ingleichen wegen Aufrichtung eines in der That höchstbenöthigten Arbeits¬
oder Zuchthausses, umständliche und eifrige Vorstellung gethann. Nunmehro
aber hat auf dergleichen Veranlassung eine Privatperson, nämlich der Kauf¬
mann Stöckel zu Weyden, um die Errichtung einer solchen Leinen- und
Wollen Fabricke und Ertheilung derer darzu benöthigten Privilegien den
untertänigsten Antrag gemachet. Welche iedoch nunmehro von Sr. Churfürstl.
Durchl. unserm gnädigsten Landesfürsten ohne Zweiffel gndst. genehmiget,
auch so viel mir wissend, noch zu Anlegung mehrerer nutzbarer Manufakturen
und Fabricken der mildeste Bedacht genommen werden wird.
Man hat auch vor etlichen Jahren einen Versuch gemachet, ohnweit
hiesiger Stadt, auf dem Hammer Philippsburg, Porcellain zu machen, und die
darzu nöthige Erde hat sich dort herum in einer solchen Güte gefunden, dass
sie hierinnen die benachbarte Bayreuthische und Anspachische Porcellainerde
bey weitem übertrift; alleine weil dieses Werk blos arme privati und nicht
hinlänglich verständige Personen unternohmen, welchen durch höhere Hand
nicht hinlänglich unter die Arme gegriefen worden: so ist es auch dato nicht
sonderlich zu Stande gekommen, und dörfte allem Ansehen nach gar ins Ab¬
nehmen gerathen, weil man den Mangel des darzu erforderlichen Holzes vor¬
schützet. Und diesemnach wäre die von mir gehorsamst und ganz zuverlässige
Beantwortung derer gestellten Fragen beendiget, und habe mich nur noch
damit zu entschuldigen, dass mir unter der Hand diese Sache ein wenig
weitläufiger worden, als ich im Anfänge Sinnes wäre.
Von dem Herzogthum Neuburg bedaure, keine hinlängliche Nachricht
geben zu können; doch dörffen sich Euer Hochedelgebohrn nur an den
Churpfälz. und Pfalz-Neuburgischen Herrn Hof-Cammer-Rath Schüler wenden,
der Ihnen entweder Selbsten, oder durch jemanden andern zu Neuburg diese
Fragen zu beantworten im Stande ist.
Was den Verlag sämtlich akademischer Kalender anbetrift: so hat sich
ein hiesiger angesessener Buchbinder, Namens Johann George Filchner,
entschlossen, solche zu verkauften; nur wünschte selbiger dabey, dass, wenn
es an die allhiesige Churfürstl. Regierung wegen Einführung sothaner Kalender
gelangen würde, dass seiner Person darinnen gnädigst mit gedacht werden
möchte, damit es das gesammte Land erfahren könnte, wo sie anzutreffen sind.
Und da man in hiesigem Land noch ausser denen gewöhnlichen auch kleine
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Karl Brunner
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Sack- und Schreib - Kalender zu führen pfleget: so ist die Frage: ob solche
in Zukunft auch ohne Stempfel beybehalten werden dörffen ?
Ich lege hier nach Dero Verlangen eine Gattung von denen der Zeit
allhier eingeführten Kalendern gehorsamst bey und bemerke zugleich schuldigst
dass die in nebenliegender Specification i^y Nümbergische und 4.1 e y Bayrische
Kalender hier ieder Zeit verkauftet worden, ohne dass jemalen, ausser in
denen Jahren 1670. 71. 72. et 73. Selbsten zu Sulzbach Kalender seyen ge-
drucket worden.
Uebrigens wmnschet iedermann allhier, dass auch in Zukunft neben
den Neuen auch der Verbesserte Kalender mit daran gedrucket werden möge,
indeme sich beide Religionsverwannte Theile in manchen Fällen darnach zu
richten haben ....
Euer Hochedelgebohrnen etc.
Deroselben ganz gehorsamst-ergebenster Diener
Leonhart Magnus Köhler.
Sulzbach, den 14. des Weinmonats, im Jahr 1765.
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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf
in der Oberpfalz.*)
Von
Karl Brunner.
Unter den Orten der nördlichen Oberpfalz, von denen aus früherer Zeit
über Bergbau berichtet wird, tritt Erbendorf ganz besonders hervor. Die
dortigen Bergwerke geniessen eine Zeit lang einen nicht geringen Ruf; selbst
bis heute, nachdem sie längst eingegangen, hat sich das Andenken an sie
lebendig erhalten, sodass in neuerer Zeit mehrfach die Frage ihrer Wieder¬
aufnahme erörtert und diese zum Teil praktisch durch geführt worden ist,
freilich ohne den mit vieler Zuversicht erwarteten Erfolg.
Der Gründung einer wirklichen Bergwerksanlage geht anscheinend —
die Nachrichten fliessen nur spärlich und unsicher — eine Zeit des Ex¬
perimentieren s und planlosen Suchens voraus, das wohl auch nur vereinzelte
und geringe Erfolge aufzuweisen hatte. Die früheste Mitteilung, die mir
darüber zu Gesicht gekommen ist, findet sich in einem Salbuch der Herrschaft
Parkstein und Weiden vom Jahre 1416, wo es (nach Bavaria II, 1, S. 483)
heisst: „Item es ist ein gut Bergkwerck zunächst bey Erndorf in den
zawnen, daselben hat man vor jarn viel silber ärczt gefunden vnd noch tät,
wer das arbaitten wolt, das ist bisher nyder gelegen daruinb, das die herr-
schaft von Waldeck darein spricht, aber es haben die alten gesagt, das es ander
nympt zw gehör dan der herrschaft zw Parkstein.“ Hundert Jahre später mag der
Bergbau wieder in Aufnahme gekommen sein. Aus dem Jahre 1517 (Jan. 30) er¬
wähnt von Reitzenstein eine Urkunde des Jordan von Rewiz zu Grueb,
Bergrichters zu Armdorff (Verhdlgn. des hist. Ver. v. Oberpfalz, Bd. 33, S. 59);
unterm 18. Apr. 1521 teilt er ferner mit: „Jordan von Rewitz zu Grub mit
Hans von Egloffstein zu Altenstadt Zeugen des Verkaufs der obern Mühle
zu Erbendorff (darin die Schmelzhütte gemacht)“ (ib. S. 60). Wie unsicher
übrigens der ganze Betrieb damals war, wie sehr aber die Regierung auf
Förderung desselben Bedacht nahm, lässt eine von Brenner-Schäffer ohne
Quellenangabe mitgeteilte Stelle aus den Bergfreiheiten des Kurfürsten
Ludwig V. von der Pfalz (1521) ersehen: „So sich Jemand zu Erbendorff
zu gut zu schürften unterstehen und Einer einen Gang treffen, der sich so
*) Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit stelle ich die mir bekannt gewordenen
Nachrichten über den Erbendorfer Bergbau vor dem Erlass der Bergwerksordnung von 1548
liier zusammen.
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3io
Karl Brunner
man schmelze davon in grossem Feuer auf ein Schicht ein Mark Silbers be¬
funden würde, den soll man von unserm Churfürsten und Fürsten wiegen
50 fl. zu einem Schenk geben ; so aber ein Gang erschürfet wurd, der zwo
Mark in einer Schicht hielt, dem wollen wir hundert Gulden reichen lassen.“
(ib. Bd. 17, S. 105). Den ersten energischen Schritt zur Hebung und materiellen
Kräftigung des Unternehmens, wie zur technischen Ausgestaltung des Berg¬
werks seitens des Staates bedeutet die Bergwerksordnung des Kurfürsten
Friedrich II. (1544—1556) von der Pfalz, die ich im folgenden nach einer
wohl gleichzeitigen, kollationierten Abschrift im Kopialbuch 495 (fol. 245 r
—252V) des Karlsruher Generallandesarchivs mitteile.
Bergwerckordnung In der obern Pfalntz zu Erbendorff Im ampt Bargetein. Vnd
desselbigen Freyheit [1548 Febr. 22.].
Wir Friderich etc. Bekennen für vns, vnser erben vnnd nachkhomen, vnnd
thun kunth, jeder meniglich mit diesem unserm offen brieff: Nachdem auss gotlicher
gnade vnnd gute jnn vnserer Furstennthumb der Obernn Pfalutzs jnn Beyern dess Ampts
Pargkstein zu vnnd bey Erbendorff sich ein Berckwerck erzeigt, dass aber bissher auss
mangell der gewercken vnd ander notturfft etc. zu keim statlicli fürgengig baw gelangt
hat, damit nun aber dasselbige Berckwerck mit gotlicher verleyhung zu furderung gemeines
uutzs durch zufallende gewercken, soviel statlicher auffnemen mit Arbeit belegt, geweltigt
vnnd gebawt werden möge. So habenn wir mit gutter vorbedrachtung, auch zeittigem
rathe vnnd damit jederman, so lust vnnd willen zubawen, sich desto geliebter jnlassen
niuge, vnns entschlossen solchem Berckwerck vnnd allenn dessen gewercken ein erschiess*
lieh furwegliche freyheit vnd begnadung mit zutheylen auch dieselbig öffentlichen auss
zuschreiben, Also das sie mit jreni jnhalt puncten vnnd Artickeln jetzt vnnd hinfuran
bleiben vest vnd stet gehalten werden soll jn massen hernachvolgt.
[1.] Erstlichenn geben wir allenn vnnd jeglichen gewercken jnlendern vnnd auss-
lendern, so auff diesem Berckwerck auch ann allenn andernn orttenn vnnd fleckenn jnn
vnserm lande vnnd furstenthumb jnn der Obernn Pfalutzs Bergwerck bawenn, das sie
jre erben vnnd nachkhomen dess Zehendts vonu allem Silber, Pley vnnd Kupffer, die
Aida gemacht werden, vonn dato diss brieffs vier jar lang, nacheinander volgende gantz
gefreyt vnnd vnns noch vnsern erben vnd nachkhomen nichts dauon zugeben schuldig
sein. Aber nach aussgang der vier jare sollen sie vns vnsern erben vnnd nachkhomen
den Zehendenn auss gemachtem Silber vnnd Kupffer vberraichen vnnd geben, dargegen
wollen wir jnen den Zehendenn pfenning jnn der hutten kost bezalen.
[2.] Zum Andern gebenn wir jnen diese begnadung vnnd freyheit, das sie alle
jre Silber, Pley vnnd Kupffer obgemelte vier jare verkauffen, verfuren vnnd damit handlen
mögen nach jrem gefallen vnnd fromen, wie jnen gelegen sein wurdt, one menniglichs
Verhinderung. Aber nach aussgang der vier jare sollen sie vnns vnsernn erben vnnd
nachkhomen alle gemachte Silber jnn vnser Camer schuldig sein zuantwurtten, vnnd wie
die geprandt werdenn, die Marek fein Silber nach aussweysung der geschworn prob
Nurmbergisch gewicht vmb Neun floren Reinisch Muntzs mit gutter landtswerung den
floren zu funffzehen batzen zubezalen. Vnnd wan sie in vnser Camer silber antwortten
vnnd dasselbig geprobirt vnnd gerechnet ist, Soll jnen vonn vnserm verordnetenn Ampt-
man oder einnemer von stunden jnn zwen oder dreyen Dagen, dagegen die Bezalung on
Verzüge geschehen, doch das vnser geburender Zehendt dauon abezogen werde.
Unnd dieweyl sie vnns nach aussgang der gemelten vier jare alle gemelte Silber
als jrem hern vnnd Landtsfursten jnn vnser Camer antwortten, wie sie zuthun schuldig
sein sollen, So w*ollen wir sie doch mit jrem pley, so sie nach aussgang der vier jare
machen werden, wiederumb begnaden, vnd den Pleykauff hiemit begeben vnnd ganz frey
nachgelassenn haben, Also das sie dasselbig mugen verfuren vnnd verkauffen nach jrer
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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz.
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gelegenheit one meniglichs Verhinderung, wurden sie aber Rohe oder vngeschmeltzt Pley
ärtzt oder Schlich 1 ) verkauffen, das doch nit beschehen soll, es sey dan durch vnsern
Bergvogt oder probierer zuuor probirt vnnd mit vnserm willen zugelassenn, dauon sollenn
sie vnns vnsemn erben vnd nachkhomen vnsernn gebührenden Zehenden schuldig sein
zugeben, vnnd wie dewer sie den Centner Ärtzt oder Schlich verkauffen denselbigen
werdte sollenn sie zu allenn Zeyttenn one Verzüge vnserm verordnetenn Amptman oder
einnemer Reichenn vnnd Zustellenn. Wo wir aber zu vnser notturfft Pley wurden be¬
durften, So wollen wir vnns hierin beuorbehalten haben, das sie vnns das Pley für
menniglich jnn dem Kauft vnnd werdt, wie andern gegen barer bezalung volgen
vnnd zusteen lassen sollen. Wurde man aber auss gotlicher verleyhung kupffer Ertzt
erbawen vnnd daraus kupffer machen, So sollen sie vnns vnsemn erben vnd nach¬
khomen denn Zehenden dauon zugeben schuldig sein, wie hieuor gemeldet, Aber so
ein ansehenliche anzale oder Summa des kupffers gemacht wurde, da wollen wir vnns
denn kupffer kauff auch Vorbehalten habenn vnnd nach gelegenheit vnns mit jnenn denn
Gewercken des kauffs vergleichen n, Wo aber kein Namhaffte summa kupffer gemacht
wurde, So wollen wir jnen diesen kupffer kauff auch nachlassen vnnd freyen vnnd allein
vnsers geburenden Zehendts gewertig sein.
[3.] Zum drittenn, wo auch durch gotliche verleyhung goldt geng entplost oder
Seuffenberg*) gearbeit vnnd golt gemacht wurde, Wollen wir die gewercken dess Zehendts
auch vier jare lang befreyen, Aber alles golt, so sie machen werden, sollenn sie jnn vnser
Camer schuldig sein zu antwortten, vmb welchen goltkauff wir vnns mit jnen den Ge¬
wercken vff die fein nach gelegenheit gnediglich vergleichen wollen.
[4.] Zum viertten das wir vnsern erben vnd nachkhomen allen jetzigen vnnd zue-
kunfftigen Gewercken zu Emdorff alles holtzs wass sie des zu jren gebewen der Zechen,
Kauften*), Stollen, Pochwerchen 4 ), Schmeltzhütten, Kolheuseran vnnd andern notturfftigenn
gebewen des Berckwercks vnnd zum Brenholtzs bedurften auff vnsernn weiden vnnd
holtzemn beuants Ampts Parckstein vnnd andern ortten vnns zustendig zunemen ver-
gunnen wollen, vnnd an gelegenen ortten, ein stuck waldes ausszaichen vnnd verzaichen
lassenn. Das soll vnser Berckmeister zuverwalten in beuelch haben, vnnd einem jeden
Berckman zu seinen gepewen nach gelegenheit der gebure holtz der notturfft geben auch
Brenholtz volgenn lassenn. Was sie aber holtz zu kolenn, Rösten, vnnd zum abtreyben
bedurften wollenn wir jnen auss vnsemn weiden die gemelte Zeit vmb einen Zimlichenn
waldt Zinss auch volgenn lassen, Also das sie vnns vonn einer lachter kolholtzs die drey
Erbendörffer eien lang vnnd prait ist, so zum Berckwerck zum schmeltzen, Rösten vnnd
abtreyben gebraucht wurdet Zinss raichen vnnd geben einen schwerdt groschen oder sechs
alt pfenning vnnd nicht mehr.
Wo aber ann andern orttenn vnsers Furstenthumbs der obemn Pfalntzs bergwerck
endtstundenn Aida wir jnn der nehe keine weldt noch beholtzung hattenn vnnd also die
gewercken, damit nicht versehenn kundten, so soln sie sich dann derselben ort selbs mit
notturfftigem holtze bestellenn.
[5.J Zum funfften geben wir allen denn jhennigen, Es sein jnwoner oder auss-
lender so notturfft zu vuderhaltung vnnd befurderung vnsers Berckwercks ab vnnd zu-
furen auff wasser vnnd landt treybenn oder tragen, es sey speyss oder drauck Wein, prott,
Pier, fleysch, Vieh vnnd Fisch, Saltz, vnschlicht, Eysen, wullen vnnd leynnen tucher vnd
alle ander dergleichen notturfft nichts aussgenomen diese begnadigung vnnd das recht
das sie solch jr gewerbe one alle Schätzung, Maut vnd Zoll mit furen treyben vnnd dragen
jnn vnsern landen vnuerhindert haben sollen vnnd mugen, Doch das sie des was sie
vnserm Berckwerck also Zufuren treyben vnd dragen, vonn vnserm verordneten Berck-
amptman oder Berckmeister ein offen urkhundt vnder jrem Bitschafft haben das solche
notturfft vnnd wäre, zu vnserm Berckwerck derselben verwandten vnnd sunst nirgent
anderswo bey schwerer straff vnnd verlierung gemelter wäre verhandtirt werden solle an
den Meutten vnnd Zollen für Zu Zeigen, Damit vns vnser Camergut nit vergebenlich
entzogen, Vnnd kein furkauff noch andere handtierung damit getrieben werde.
Bayer. Forschungen, VII, 4. 21
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312
Karl Brunner
[6.] Zum sechstenn Geben wir allen gewercken, es sein jnwoner oder ausslender
so auff vnsercn Berckwerck Erbendorff wonen, vnnd Namhaffte theyl Als Nemblichen
Sechs Zehen Gukuss 6 ) oder theyll jnn einer oder mehr Zechen bawen, diese begnadigung
vnnd das recht, das dieselbigen gewerck aller Zinss, stewer, frönen oder Robat vnd ander
Schatzungen on geuerde Auch alles vngelts vonn wein vnnd pier oder anderes gedrancks,
Dessgleichenn des hör Zugs ausserlandts, frey sein vnnd damit nit belegt werden. Darzu
sollen auch alle Bergamptleuth hewer 6 ), Hespler 7 ), Schmeltzer, wescher, Pergkschmit, koler,
Holtzknecht vnnd alle ander Berckarbeitter so z,\im Berckwerck gebraucht vnnd das
Berckwerck helffen furdern gleicherweiss gefreyt, doch wo wir jnen jn anliegenden landts-
nötten gegen vnsem feinden oder landts beschedigung zu wiederstandt vnnd vmb rettung
willen derselbigenn vnserer landt vnnd leuthe auffgebutten sollenn sie vnns biss vff vnser
landtgreintzen muglichen beystandt vnnd hielff thun wie andere getrewe vnderthanen vn-
wiedersprechlich gehorsam leysten.
[7.] Zum Siebenden sollenn alle bergleuth vnnd Berckarbeyter auch wer zum
Berckwerck gehörig oder ein Berckwercks verwandter ist, wie hieoben gern eit die freiheit
haben, das vnsere pfleger zum Parckstein Richter Bürgermeister vnnd Rahte zu Erben¬
dorff mit jnen allenn in Berckwercks Sachen kein verbott noch gebott zuthun noch jnen
gebieten oder zuschaffen haben, allein wir oder vnsere verordnete Berckamptleuthe die
dessen vonn vns beuelch haben denn sollen sie vonn vnsern wegenn geburliche ge¬
horsam laisten.
[8.J Zum Achtenn mag ein jgliche Redliche persoue die nicht mit vbel that be¬
rüchtigt noch bezuchtigt wurdet, ein frey sicher glaidte auff diesen Bergwerck vier wochen
nach einander haben, Doch ein jgliche mans oder weybs personen sein vrsach warumb
sie das glaite beger vnserm Berckmeister oder Beuelchhaber gruntlichen anzeigen vnnd sich
glaitlich bey dem Berckwerck vund jedermau vnschedlichenn haltenn, Vnnd nach denn
vier wochenn mag einem jglichenn auff ferner ansuchen seiner notwendigen Sachen vnnd
der gelegenheit ferner glaidte mitgetheilt werden, Aber vnsere landsfeinde bescliediger
vnnd die so vnsere landts hulde nit haben denen wollen wir keines glaits noch Sicher¬
heit gestatten.
[9.] Zum Neundten gebenn wir jnen diese freyheit das alle vnnd jgliche Gewercken
diss Berckwercks mit jren heusem vnnd allen andern jren hab vnd guttern die sie mit jn
bringenn oder alda vberkhomenn wo jr einer oder mehr da nicht lenger bleiben vnd sich
an andere ort wenden wolte, das er oder dieselbigenn nach bezalung aller seiner schulden
die er mit wissen vnsers Berckmeisters vergnügen soll als dan mit verkauften, % versetzen,
vbergebenn oder jnn ander erbar wege mit seinem hab vnnd gut seinen fromen schaffen
das jeder seins gefallens frey vngezwungen vnd vnuerhindert abkhomen vnd seiner
Besserung wartten muge.
Diese vnsere oben begriffene Berckwercks freyheit wie die mit jren artickeln
vnnd punctenn vonn wort zuwortten lautet, die wollen wir auch auff vnser pley Berck¬
werck zum Schwader weyer 8 ) vnnd Tantzfleckh genant so weit sich dasselbige jnn vnser
Herschafft vnnd gebiette erstreckt denselbigen gewercken vnnd allenn bergleuthen so
Aida Berckwerck bawen, vnnd arbeitten jnn krafft diss brieffs bewilligt vnd gegeben
haben Aussgenomen den Zehendt von dem gemachten Schlich oder wan sie Pley darauss
machen, vnns vnsern erben vnd nachkhomen vorbehaltenn haben, Dieweyl wir das Puch-
werck, wesch vnnd Schmeltzoffenn sarnpt dem geplöss mit allem gezeuge vnnd anderer
notturfft bawen vnnd machen habenn lassen, Auch mit dem holtz entgegen begnadenn
wie hieuor gemelt vnnd begriffenn ist, Ferner diew-eil wir das Pochwerck für vnnd für
mit gezeug vnnd ieglicher notturfft versehen lassen wde es dann die arbeit erheischen
wurdet, So sollenn vnns all vnnd jgliche Gewercken so dar jnnen puchen, weschen vnnd
schmeltzen vonn einem jeden Centner Schlich wen sie den verkauften, dergleich vonn dem
Centner geschmelzt pley zu Hutten Zinss dagegen schuldig sein zugebenn zwolff alt pfenning.
Wo aber einer oder mehr der jnn der puchhutten arbeit auss mutwillen oder nachlessig-
keit an der puchhutten oder an dem gezeug schaden thett der oder dieselbigen sollen den
schaden bussen vnnd darzu gestrafft werdenn.
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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz.
313
Weytter dess schurffgelts®) halb wollen wir das ein jeder welcher auff vnsernn
geburgenn vmb Erbendorff auch an anderen orttenn vnsers landts jnn der Obernn Pfalntzs
einen Newen vnuerschrottenen 10 ) ärtztgang zum ersten emplossen, das der Centner ärtzt
ein lott Silber haltenn wurde. Also das es ein streichender fündiger gang 11 ) sey vnnd
Zwen oder drey kubell ertzt nach zu schlahen ist, auss vnser Camer zu Schurffgelt, drey
guldenn. Vonn Zweyen lotten sechs gülden von dreyen lotten neun gülden haben. Vnd
also für vnnd für nach vermugen des gehalts einem jedem gleichmessige anzalle des
Schurffgelts one Verzüge ervolgeun soll, biss vff ein marckh sielber dauon wir acht vnnd
viertzig guldenn gebenn wöllen, Wass aber an dem gehalt vber ein marck läufft dauon
wollenn wir nit mehr schurffgelt zugeben schuldig sein, doch denn gemelten Gewercken
an zwen erschurfften klufftenn vnnd gengen, Auch Myetungen vnnd verleyhungen nach
alten Berckwercks gebreuchenn one entgelt.
Vnnd wo jemandt wie vorlauth einen newenn Pley gang emplöst dauon zu einem
Rost ärtzt gehawen dasselbige schmeltzen wurdet. So ferr desselbenn ertzt vngeuerlich
einer spann breit ganghafft am stein bliebe, dem verhaissen wir hiemit zu schurffgelt vnnd
geschenck funff vnd zwanzig guldenn vngewaigert vss vnser Camer zu geben.
Wir habenn auch ein Berckwercks Ordnung nachgelegenheit der Berckwerck fur-
genommen vnd zuhaltenn entschlossen, Welche neben dieser vnser freyheitjnn allenn jreu
artickeln trewlich volzogeu werdenn solle.
Dass aber solche Berckwercks freyheit begnadung vnd bewilligung wie die jres
jnhalts durch vnns vnnd vnser erbenn vnnd nachkhomen begrieffen vest vnd vnuerbruchen-
lich one alles geuerde gehalten, Auch alle jtzige vnnd zukunfftige gewercken dabey gne*
diglich handtgehapt beschützt vnnd beschirmbt werden, So gebieten wir heruff vnserm
Vitzthumb vnnd verordneten Rethen auch allenn Amptleuthen, pflegern, landtrichtern,
Bergmeistern vnnd andern so von vns beuelch haben darzu vnsern vnderthanen vnd ver¬
wandten bei jren pflichten, damit sie vns verwandt sein ob dieser vnser begnadigung vnnd
Bergwercks freyheit vestiglich zuhalten vnnd niemandts gestatten noch sie selbst dawieder
zuthun heimlich oder öffentlich jnn keinen wege, noch weise bey vermeydung vnser
schweren vngnade, Wo aber einer oder mehr darüber befunden die dawieder thettenn odea
handletten der oder dieselbigen sollen schwerlich vnnd ernstlichen von vns gestrafft werden,
Alles vngeuerlich. Dess zu vrkhundt haben wir vnser Secret heran zutrucken verschafft
Datum zu Augspurg vff Cathedra Petrij, den zwen vnd zwanzigsten Februarij Anno Dominij
Dausend funffhundert vierzig acht
Anmerkungen.
*) Schlich, das zu Pulver zerstampfte Erz.
*) Seuffenberg, Seifengebirge, Sand-, Geschiebe- oder Lehmablagerungen, aus
denen Metalle (bes. Zinnerz und Goldkörner) oder Edelsteine durch Ausseifen (Aus¬
waschen) gewonnen werden können.
8 ) Kautte, Kaue, Hütte über dem Schacht, auch nur Schirmdach gegen die
Witterung.
4 ) Pochwerk, Puchwerk, Vorrichtung zum Pochen (Zerstampfen) des Erzes.
h ) Guck es (böhm. = Kukus) Anteil am Bergwerk.
°) He wer, Häuer, Hauer = Erzhauer im Bergwerk.
7 ) Hespler, Haspler, der das Erz mit der Haspel aus dem Schacht heraufzieht.
8 ) Schwaderweyer. Der Name dürfte von Schwaden, den aus den Gruben
aufsteigenden, gefährlichen Dünsten, abzuleiten sein.
®) Schürften, schürfen, den Minerallagem nachgehen und sie aufdecken.
10 ) Unverschrotten, noch nicht ausgebaut.
*') Streichender, fündiger Gang, ein sich in die Länge ziehender, erzhal¬
tiger Gang.
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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg
pro 1805|6.
Von
Ludwig Fahrmbacher.
Durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 § 2 0 wurde dem
Kurfürsten von Pfalzbayern — zur Entschädigung für die durch den Luneviller Frieden vom
9. Februar 1801 *) Art. VI und den Pariser Vertrag vom 24. August 1801 Ziff. 2*) verlorene
Rheinpfalz und seine auf dem linken Rheinufer gelegenen Herzogtümer und Herrschaften —
unter anderem auch das Fürstbistum Bamberg zugewiesen. Mittels Patents vom 26. No¬
vember 1802 liess der Kurfürst Maximilian Joseph durch die Person des Freiherrr
von Hompesch als seinen Generalkommissär von diesem und den anderen erhaltenen
Territorien im fränkischen Reichskreise für sich und sein Gesamthaus Besitz nehmen 4 ).
Mit der damals unter dem Staatsminister Grafen von Montgelas herrschenden
schöpferischen Thatkraft ging es sofort an die staatliche Ordnung dieser fränkischen Be¬
sitzungen, unter denen das Bistum Würzburg und das Bistum Bamberg die bedeutendsten
waren und daher die Krystallisationspunkte für die Organisationen wurden. Schon unterm
23. April 1803 erschien ein kurfürstliches Reskript über die Organisation der fränkischen
Fürstentümer, worin Graf Thürheim als Landesdirektionspräsident und als ausserordent¬
licher Generalkommissär für beide Fürstentümer aufgestellt und die Aufhebung aller bis¬
herigen geistlichen und weltlichen Landes-Justiz- und Administrativstellen nebst den unter¬
geordneten besonderen Kommissionen verfügt wurde 6 ). Unterm 9. Mai 1803 wurde dann
eine Bekanntmachung des kurfürstlichen Landeskommissariats in Franken zu Würzburg
veröffentlicht, wodurch die neue Behördenorganisation getroffen wurde *). Darnach wurden
zur Besorgung der Regierungs- und Administrativgegenstände zwei Kollegien unter dein
Namen „Landesdirektionen“ errichtet, wovon die eine in Würzburg, die andere in Bam¬
berg ihren Sitz hatte. Das Personal der neuen Kollegien wurde durch die Geuerallandes-
direktion unterm 14. Mai 1803 bekannt gegeben 7 ). Die äusseren Behörden wurden, wie
in den altbayerischen Provinzen, durch die Verordnung vom 24. März 1802 (Churpfalz¬
bairisches Regg.-Bl. 1802 S. 236) auch im Fürstentum Würzburg und ebenso auch im
Fürstentum Bamberg in Landgerichte und Rentämter eingeteilt 8 ). Die Rentämter lieferten
ihre Einnahmen, soweit sie dieselben nicht zu eigenen Ausgaben zu verwenden hatten, an
*) Döllinger, Vdg.-Slg. I, S. 133.
*) Ebenda S. 118.
8 ) Ebenda S. 121.
4 ) Churpfalzbarisches Regg.-Bl. 1802, LI. Stück, S. 882. Regg.-Bl. für die Chur-
bairischen Fürstenthümer in Franken, I. Stück v. 1803, S. 3.
a ) Reskript des Kurfürsten Max Joseph IV. vom 23. April 1803 an das General¬
kommissariat in Franken, die Organisation der fränkischen Fürstentümer betr., Regg.-Bl. f.
d. churbairischen Fürstenthümer in Franken 1803, XVIII. Stück, S. 85.
8 ) Ebenda S. 89.
7 ) Ebenda S. 93.
•) Regg.-Bl. f. d. churpfalzbairischen Fürstenthümer in Franken 1804, S. 243 u. 273.
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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. 315
die Hauptprovinzialkasse ab (S. 246 a. a. O.). Für das Fürstentum Bamberg bestand diese
Kasse in Bamberg ®). Als Rentämter (welche sich sämtlich an den Sitzen der Landgerichte
befanden) wurden errichtet: Bamberg rechts der Regnitz, Bamberg links der Regnitz,
Hallstadt, Schesslitz, Burgebrach, Höchstadt, Lichtenfels, Weissmain, Banz, Gleusdorf,
Ebern, Forchheim (Vorchheim), Neunkirchen, Ebermannstadt, Waischenfeld, Pottenstein,
Kronach, Stadtsteinach, Teuschnitz, Lauenstein (S. 274) 10 ).
Von dieser Provinzialkasse in Bamberg fand sich jüngst durch einen Zufall die
„Hauptkassa-Rechnung des Fürstenthums Bamberg“ pro 1805/6 vor, welche in mehrfacher
Beziehung von Interesse ist.
Sie zerfällt in zwei Teile: in Einnahmen^ und Ausgaben, und zwar je in ordent¬
liche und ausserordentliche.
Einnahmen.
Ordentliche Einnahmen:
I. Überschüsse von den Rentämtern
1. Von den allgemeinen Rentämtern .
2. Von den besonderen Rentämtern
(Kollegial-, Tax- u. Expeditionsämter,
bei Landes - Direktion, Oberappell¬
gericht, Hofgericht, Provinzialetats-
Kuratel, Geistlichem Vikariat) . . .
II. Gefälle aus der unmittelbaren Perzeption
1. Aus Staatsauflagen
a) Nachsteuer, Judeuleibzoll, Schutz-
u. Gänsegeld nebst andern Auflagen
b) Beiträge der Gemeinden und milden
Stiftungen zur Erhaltung der
obersten Administrationsbehörden
2. Staatsregalien.
3. Aus Staatsgütern.
4. An Ritterlichendienst-Surrogatgeldern
adeliger Vasallen für den letzten
Reichskrieg.
1*259.446 fl. rhein. 32 kr.
44.030 „ „ 29V.„__
1 '3°3-477 1 7» kr-
2.361 .. 37
16.193 „ „ 3
94« - .. — ..
14-957 .. .. 29V* „___
34-453 A- 9 8 /«kr.
Ordentliche Einnal? meti «'337.930 fl. io 7 /#kr.
Ausserordentliche Einnahmen:
I. Gefälle aus inneren Provinzialverhältnissen
1. Aus verkauften Staatsgütern
a) des vollen Eigenthums.448.307 fl. rhein. 41 l jt kr.
b) des Obereigenthums . . .
2. Von dem Aktivkapitalienstande
166 „
» x 5 ..
a) Abzinsen von Aktivkapitalien . .
16.630 ,,
54 '/« -
b) eingezogene Aktivkapitalien . . .
350.822 „
- 6 1 /» „
3. Aufgenommene Kapitalien ....
50 °
,« -
816.426 fl. 56 7 /b kr.
II. Gefälle aus äusseren Provinzial Verhältnissen
1. Vertragsmässige Beiträge von benach¬
barten Reichsständen.
«•569..
0 4
1.569 fl.
4 kr.
Ausserordentliche
Einnahmen
817.996 fl.
7 /h kr.
Sa. der Einnahmen
2*155.926 fl.
11 s /4 kr-
•) Argum. aus der Einrichtung f. Würzburg, Fränk. Regg.-Bl. 1803, S. 151. — Alle
Provinzialkassen gingen in die jetzigen Kreiskassen über, Regg.-Bl. 1808, S. 1740 § 5.
lü ) Es wird ausser obengenannten noch Tambach und Zeil aufgeführt.
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Ludwig Fahrrabacher
316
Ausgaben.
Ordentliche Ausgaben:
I. Auf Besoldungen
1. Bei den Kollegien (Landesdirektion,
Oberappellationsgericht, Hofgericht) . 143,025 fl. rliein.
2. Bei den centralisirten Behörden und Be¬
amten gen (Landeskommissariat, Forst¬
inspektionen , Provinzial - Hauptkasse,
Provinzial-Land- und Wasserbauamt,
Strassenbaudirektion, Oberstudienkom-
missariat) .
21.085 >.
„ 97 s kr.
*
3. Gehaltszulage zur Entschädigung . .
13-547 „
23 „
II. Auf Pensionen
1. Pensionen der Quiescenten ....
12.376 „
v 6 ,,
177.6570. 33 kr.
2. Pensionen der Wittwen und Waisen
»•693
„ 30 „
14.069 fl. 36 kr.
III. Auf Regie
1. Aus innern Provinzialverhältnissen (Re¬
gie der Kollegien, der centralisirten
Behörden, besonderen Rentämter; Er¬
haltung allgemeiner Staatsanstalten (wie
Erziehungsanstalten), Wohlthätigkeits-
anstalten, Sicherheit, Gesundheit) . .
160.269 „
.. 43•/•..
2. Aus äusseren Provinzialverhältnissen
(Reichs- und Kreisanlagen) ....
18.102 „
»* 57 »»
178.372 fl. 40*/« kr.
Ordentliche Ausgaben 370.099 fl. 49*/« kr.
Ausserordentliche Ausgaben:
I. Für ausserordentliche Besoldung . . .
9.000 „
»» ^ >»
II. Ausserordentliche Pensionen
Aus der Säcularisation (dem Fürst¬
bischöfe 22.500 fl., den Prälaten, Äbten
u. Abtissinen, den Klosterkonventualen
und Klosterfrauen, den weltlichen Be¬
amten der säcularisirten Stifter und
Klöster).
451835
41 */« ..
III. Ausserordentliche Staatsregie (Erwerbung
von Besitztungen, Einquartierung, Ein¬
richtung für S. Durchlaucht Herzog
Wilhelm von Bayern, Münzverlust)
11.297 „
.. i*/t
IV. Auf den Provinzialschuldenstand (Zinsen
von Passivkapitalien, Zurückzahlung der
Passivkapitalien.
189.866 „
„ 58 v» „ _
Ausserordentliche Ausgaben 661.999 fl. 4 * 7 « kr.
Sa. der Ausgaben 1 *032.099 fl. 30®/« kr.
Abgleiohung.
Einnahmen .... 2*155.926 fl. n 8 /* kr.
Ausgaben.1*032.099 fl. 30 6 /« kr.
bleibt Bestand 1*123.826 fl. 41 7 » kr.,
welche an die Zentralstaatskasse in München abgeliefert wurden*
Aus vorstehendem Bilde ergeben sich folgende historisch interessante Thatsachen:
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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. 317
a) Damals war das Schuldenwesen noch nicht von der Finanzverwaltung für den
laufenden Staatshaushalt getrennt 11 ).
b) Die Erwerbungen und Veräusserungen an Staatsrealitäten wurden nicht geson¬
dert verrechnet, wie jetzt
c) Die Säkularisation hatte grosse Lasten zur Folge.
d) Der Aufbau der Rechnung ist im Prinzipe schon derselbe wie bei der jetzigen
Kreiskassa-Rechnung, dass sie nämlich nur die Aktivreste der Rentämter auf-
nimmt und auch nur diejenigen Ausgaben bestreitet, welche nicht bei den
äusseren Behörden anfallen.
e) Die Provinzialbehörden kosteten den grössten Teil der Staatseinkünfte, sodass
für die eigentlichen Staatsbedürfnisse (Förderung der Wohlfahrt) sehr wenig
übrig blieb; dies ist jetzt anders.
f) Das Wort „Regie“ bildete den Gegensatz zu Besoldungen und bedeutete nicht
bloss die sachlichen Bedürfnisse der Behörden, sondern den Gesamtbedarf für
die Einrichtungen und Massregeln der Zivilverwaltung, welche dann als Staats¬
anstalten bezeichnet wurden. So ging der Ausdruck auch in die ersten Budgets
der konstitutionellen Zeit über 1 *).
n ) Eigene Fonds zur Dotierung der Schuld wurden erst gemäss der kgl. Vdg.
v. 8. Juni 1807 Z. 4 (Regg.-Bl. S. 977) gebildet, aber noch als Provinzial-Schuldfonds, bis
1811 die Zentralisierung kam (Regg.-Bl. 1811 S. 1065).
'*) Ges.-Bl. 1819 S. 239.
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Kleinere Mitteilungen.
Des Regensburger Rektors Zippelius Bemühungen für die
deutsche Sprache.
Vom Jahre 1712 bis 1747 war Magister Christoph Zippel Rektor des evangeli¬
schen reichstädtischen Gymnasium poeticum zu Regensburg. 1 ) Zedier*) widmet dem ver¬
dienten Schulmanne einen Artikel, aus dem hervorgeht, dass er, zu Langenau bei Görlitz
am 17. Dezember 1678 geboren, 1705 in Leipzig habilitierte und 1711 nach Regensburg
kam, wo er am 3. März 1747 starb. Seine Werke, teils philosophische, teils (wie seine
Periodologia, i. e. doctriua de periodorum structura et omatu, Ratisponae 1714. 150 S.)
pädagogischen Inhalts sind allenthalben verbreitet. Sehr selten dagegen finden sich selbst
in grossen Bibliotheken, wie in München, seine zahlreichen Schulprogramme und Schul¬
festschriften (an 60), in denen allen er sich als bewährten Pädagogen erweist. Kraftvoll
tritt er (1730) für das Studium des Griechischen ein, ebenso (1728) für die geistliche Be¬
redsamkeit, und vor allem verteidigt er (1725) die deutsche Sprache 8 ) und
ihr Studium in warmen Worten.
Doppelt hoch dürfen wir diese Bestrebungen des einsichtsvollen Schulmannes
schätzen, wenn wir sie mit zahlreichen gegenteiligen seiner Zeitgenossen Zusammenhalten. *)
Unter anderm hat Zippel einige seiner Programme der steinernen Brücke zu
Regensburg gewidmet. Kleinstäuber in seiner Geschichte dieses Bauwerkes 8 ) nennt
unter seinen Quellen seine Programme von 1733, 1734 und 1735, sowie jenes von 1737
als liieher bezüglich.
Da ich durch die Gefälligkeit meines verehrten Kollegen Herrn Dr. Hermann
Stadler eine grosse Reihe der überaus seltenen, fast überall fehlenden Programme
dieses Regensburger Humanisten zur Verfügung gestellt erhielt, mag dasjenige von 1725,
welches so nachhaltig für die deutsche Sprache eintritt, hier zum Abdrucke kommen.
Es ist die übliche Einladung zur „lustratio verna“, welcher die erwähnte Abhandlung „D e
1 i 11 g v a p a t r i a“ (Typis Hofinaunianis) angefügt ist Sie lautet:
Vim mentium opacam, quam Germanis audacter Bnrclaitis Icon. Animorum Cap. V.
exprobrat, tarn ftrenue hi a l’e auioliti funt, ut nulla fuperiit eruditarum artiurn, in qua
feliciter excolenda perfpicax et acuta uis mentium eosdem hactenus deftituerit. Linguarum
a inprimis ftudio decus immortale conlecuti funt: cui uis opaca mentium adeo non fufficit,
ut fi linguas saltim orientales et eruditas fpectes, maior non raro in iis, qui prae Ger¬
manis fibi fapere uidentur, opacitas appareat. Multum tarnen hoc Gernianorum gloriae
derogat quod peregrinarum linguarum ftudioli fuam plerumque negligunt Pipire uix,
ut ita dicam, infantes utriusque fexus incipiunt: cum Gallorum et Italorum linguis adiuefcere
coguntur. Tantum abeft, ut inftitutum hoc per omnia inprobem; ut potius, fi commer¬
cium cum his populis refpiciam, maxime proficuum et neceflärium illud cenfeam. Non
enim ominis aliquid huic rei fubeffe credo: quemadmodum Chaldaei quondam, imperium
Perfarum ad Graecos tranfiturum effe, interpretati funt, cum Darius in principio iinperii
uaginam acinacis Perficam inutari iuffit in eam formam, qua Graeci utebantur. Pro ratione,
ut in reliquis, ita in hac quoque cauffa eft necefßtas. Oftentationis autem et cominen-
dationis apud imperitos et delicatulos quod tantummodo rationem habet, pro nihilo eft:
*) Kleinstäuber Christ Heinr., Ausführliche Geschichte der Studienanstalten
in Regensburg in „Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg.“
35. Band (1880) S. 1—152 und 36 Bd. (1882) S. 2—141. Über Zippelius s. XXXVI,
34 Nr. 19.
*) Universal-Lexikon, Band 62 (1749) S. 1530.
3 ) De lingva patria in scholis pvblicis excolenda. (Ratisponae Typis
Hofmannianis.)
4 ) Vgl. Forschungen, Band IS. 11.
5 ) Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg, Band
33 (1878) S. 195—249 (Geschichte und Beschreibung der altberühmten steinernen Brücke).
— Abgedruckt finden sich die Gedichte im zehnten Bande (1846) der „Verhandlungen des
historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg“ S. 393—408 von Heinrich Schuhgraf.
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II
Kleinere Mitteilungen.
maxime ii patrii fermonis cura prorfus abiicitur. Ita quidein, ut Plinius Lib. IIX. Ep. XX.
ait, natura comparatuui eft, ut proximorum incuriofi longinqua fectemur: recte tarnen
Pindarus genus hominum uaniffimum effe iudicat. quod, patriis neglectis, remota circum-
fpicit, Pythion. Od. III. Peruulgatus inprimis Germanorum fcholas hic error occupauit, ut
linguarum, quas eruditas appellamus, ftudio detentae patriam excolere religioni fere fibi
ducant. Quanta uero cum neceffitate atque utilitate Germanicae linguae ftudium, in fcholis
potiffimum publicis, coniunctum fit, tarn manifeftum eft, ut hoc destitutae et fibi et rei-
publicae non fatis confulere uideantur. Pulcrum certe, imtno maxime neceffarium eft,
genuinam uocum fignificationem perfpectam habere atque cognitam. Quot uero illorum
funt, qui rationell! huius poffunl reddere? Exemplo eft prae caeteris Germanica Sacri
Codicis uerfio, quam tanto ftudio D. Lutherus adornauit, ut iudicium, quod Parnaffi Boici
Autoren P. IX p. 204 . feq. de ea tulerunt, nihil eidem inter rei peritos et fine partium
ftudio res quaslibet diiudicantes uiros adimat. Multae in hac occurrunt uoces, quaruin
fenfum perueftigare omnium intereft, quos unicam illam et iudubitatam ueritatis diuinae
regulain fequi aeternae falutis cura iubet. Vtilifliniam hac in re operam Vir eruditiffimus,
indagator antiquitatum folertiflimus, Didericus von Stade , Archiui Ducatuum Bremae et
Verdae Curator oliin dexterrimus, praeftitit, cuius Explanatio uocum Germanicarum, in B.
Lutheri Verjione Bibliornm quae occurrunt , Bremae A. 1724 in 8 . prodiit, digna profecto, quae
in fcholis potiffimum publicis in confilium adhibeatur, ut rnature iuuentuti uerus uocum
fenfus innotefcat. Hic ipfe Diedericus von Stade eft, qui Specimen Lectionum antiquarum
Francicarum ex Otfridi Monachi Wizanburgenfis Libris Euangeliorum etc. cum interpretatione
Latina f Stadae A. MDCCVIIL in. 4 . edidit, fpemque Gloffarii Francici plenioris Orbi litterato
fecit, quod una cum Etvmologico MSto morte praeuentus praelo fubiicere non potuit.
Habet igitur, cur impenle fibi gratuletur Germania de Viri Confultiffimi, Jo. ChriCliani
Simonis f Argentorat. ICti, Liberaeque Ciuitatis Imperiaiis Campodunenfis Syndici, eruditionis
limatioris gloria praeftantiffimi, opera, quam edendo tribus Tomis Celeberrimi Jo. Schitteri
Thefauro Antiquitatum Teutonicarum, diu ab eruditis defiderato, fe allaturum effe publice
lignificauit, Vlmae MDCCXXV. f. quod inftitutum egregium Viri eruditi praenumerando
neceffariam eidem pecuniae fummam ut pronioueant, e re procul dubio erit omnium.
Multis nimirum per hoc illuftre opus uocibus ac loquendi formulis in foro et uita communi
obuiis lumen accendetur, quae in obfcuro quafi delitefcunt, et ufu non fecus apud imperitos,
ac nunnni, ualent. Robur inde nouum accipient eximii conatus, quibus indefeffo ftudio
in linguae noftrae incunabula penetrare hactenus ftuduerunt Viri fagaciffimi et ingenio-
fiflimi, quibusque non poteft non Phoebus Germanicus applaudere. Non minorern ex
Linguae Germanicae Originum perueftigatione Scholae publicae utilitatem percipiunt,
quibus Latinae Linguae ftudium ex Imperii Romano-Germanici conditione maxime coinmen-
datum effe debet. Vid. Progr. noftrum Orationi de Romano Im per io a Germanis continuato
praemiffum A. C. MLCCXX 1 I Ex Viri confummatifluni, Io. Ludou. Prafchii , altera potiffi-
mum Differtatione de Origine. Germanica Lat. Linguae, qua Differtatio prior } una cum Ono-
maftico Gennanico-Latino , aliquatenus fuppletur et explicatur , adeoque uia aperitur noua Ety-
mologicoj cui accedit Gloffarium Bauaricum Ratisp. M DC LXXXIIX. in 4 . fatis apparet,
quantum latinae linguae ftudiofis folidior Germanicae linguae cognitio inferuiat. Multo
majorem curam et induftriam integri fermonis contextus poftulat: fiue aptam uocum
compofitionem, fiue concinnam periodorum connexionem, fiue neruofam rerum elocutionem •
lpectemus. Pofteaquam enim Lingua Germanica praeftantiflimorum uiorum ftudio ad
tantum gloriae faftigium euecta eft, ut in omni litteraruni ac fcientiarum genere, fiue
foluta fiue ligata oratione opus fit, aeque nitide et proprie illius, ac Graecae et Latinae
uel alius cuiuscunque linguae idiomate Mufae loquantur: injurii profecto in patriae gentis
gloriam funt, neque propellere a fe ignominiam et opprobrium polfunt, qui uel cum uulgo
loqui, et lcribere fatagunt, uel ad Latinae et aliaruin linguaruin, quas in deliciis habent,
geniurn animi fenfa pueriliter exprimunt. Abfurdani igitur illorum effe fenteutiam re ipfa
demonftrant, qui fuam cuique uernaculam ufu quotidiano innotefcere poffe garriunt, ita ut
praeceptis et exemplis eloquentiae minus indigeat. Ager fibi relictus, nec uomere probe
lubactus, pro amoenis fructibus fpinas profert et carduos. Ita non poteft non afper et
inconditus effe fermo patrius; liili creber ufus eundeni limet et expoliat. Ex quibus
omnibus liquet, tyronum fidei fuae commifforum commodis optinie confulere fcholas publicas,
quae una cum eruditis liuguis lolidiorem patriae notitiam et ufum, quoad eius fieri poteft,
iis inculcant. Cum enim illa, quibus a teneris adfuefcimus. tenaciter haereant: fieri non
poteft, quin per ommes uitae humanae ordines bene, nitide, diftincte, ac cum gratia et
pondere loquendi fcribendique facultas diffeminetur, et reliquis palmam praeripiat, qui
tarn uile fermoni patrio pretium ftatuunt, ut illius ignari ne familiäres quidem litteras
exarare fine aliorum adminiculis fuftineant, limaque per omnem uitain indigeant. Habent
tarnen, quod cauffae fuae praetexant. Illorum nituntur praeiudiciis, qui eloquentiam
fcliolafticain ftilo potiffimum aulico ita putant aduerfari, ut eadem innutritis feniper aliquid
adhaereat, quod fcliolam fapiat, neque uiris politicis probetur. Intempeftiua certe haec
cura eft. Nempe non tanta munimentoruui mole feptus eft ftilus aulicus, ut nullus ipli
prorfus ad fcholas aditus pateat. Neque dubium eft, quin fuperfluam eloquentiae fcholafticae
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Kleinere Mitteilungen.
III
luxuriem facile praecidere poffint ingenia, quae naturali quadam ui pollent, et accedente
huic iudicii maturitate, rerumque publicarum ufu, pro argumentorum diuerfitate, ä fuperua-
cuis ueceffaria norunt difcernere. Quae uero natura ineptiunt ingenia: haec, oninibus
omnino res prudenter inueniendi, apte difponendi, accurate connectendi et eleganter elo-
quendi fubfidiis deftituta, nulluui uel optimi ftili aulici exempluni ita emendare poterit,
quin loquendo et fcribendo luani prodant imperitiam. Facile quilibet, cui haec perlegere
uilum fuerit, intelliget, illius potiffimum linguae, quae inter uiros eruditos regnat, ex
uariis dialectis optimas uoces et loquendi formulas eruit, communisque adeo, heroica et
dialectorum mater ac dotnina non incongrue appellatur, ufum me refpicere. Cumque
Misnenfis et Saxoniae, quam fuperiorem uocant, dialectus puritate, perfpicuitate, maieftate,
fuauitate et elegantia, ut Io. Boedikerus , P. Ggmrt. Sueuo-Colon. olim Rector, in Thef. fundatn.
Germ. Linguae, Col. ad Spr. 1690 . in 8 . p. 182 . ex uero iudicat, ad huius Eruditorum linguae
uirtutem et naturam proxime accedat, eandetnque inter Germanos, quam olim inter Graecos
Attica, dignitatem ex plurium confenfu iamdudum obtinuerit: non impetrare facile quis-
quam 4 fe poterit, ut stilo quem Pamaffi Boici Autores fequuutur, primas partes deferat,
uentofasque et uanas eile uoces credat, quibus nonnulli 4 lacris noftris alieni praeter
culpam noftram delectantur et lnperbiunt. R.
Bayern und seine Hauptstadt im Lichte von Reiseschilderungen
und fremden Kundgebungen. VI.
Des Münchener Kunstgewerbes gedenkt im sechzehnten Jahrhundert rühmlich der
bekannte Samuel von Quiche(l)berg aus Antwerpen, (Kobolt I, 532. 533. Jahrbuch
für M. G. IV, 84.) Er urteilt (1565) in seinen „Inscriptiones *)“: „Multa etiarn de Monachi-
ensibus sculptoribus, horologiarijs, ensifabris, bombardarum & aliarum rerum exquisitis
artificibus dicendum, quorutn opera longissim£ ad exteros summa cum gloria perferuutur.“
Ein dickes Buch hat im Jahre 1863 Edward Wilberforce dem gesellschaft¬
lichen Leben Münchens*) gewidmet. Schon das Äufsere Münchens dünkt ihm vorteilhaft.
(S. 2.) I think Munich is much favoured in the matter of first impressions. The majority
of travellers corne to it in summer, when it is certainly looking its best, and the judgments
generally passed on it are very much iufluenced by its bright cheerful look from the outside.
My first impression of Munich was decidedly favourable, and to tliat I probably owe my
residence. Besides beiug bright and cheerful, Munich has an advantage which cannot be
over-estimated.
Es kommt nämlich der Stadt zu gute, dals niemand übertriebene Hoffnungen von
ihrer Grofsartigkeit hegt. (S. 3.) Now in this respect Munich is doubly fortunate. Few
people have an exalted idea of it before their first visit, and they are agreeably surprised
to light on so pleasant a place. Everything around looks so clean and fresh, all the houses
are neat and gay from without, and the many public buildings, with their diversity of
form and colour, produce an agreeable sense of variety. Most show-towns are apt to be
tiriug from their sameness. After you have seen one church or one palace, all the otliers
are mere copies or reproductions, and unless you are a Student of architecture you do
not value the gradations through which each style ascends to perfection. You would like
to have everything together so as to compare different schools at the same moment;
darum (S. 4): Munich gives you just what you want. Instead of a puzzling national style,
the considerate builder has collected copies of all the best known buildings of other coun¬
tries. After seeing the Pitti palace copied in the front of the Royal Palace of Munich,
you may go to the back, and find the inside of the court chapel built on the plan of
St Mark’s. From the Loggia of Orcagna you can get in ten minutes to St. Paul’s without
the walls. ,,A poet himself of no mean pretensions,King Ludwig has followed the precepts
of Horace, and succeeds in answering the requirements of the Art of Poetry ,,Modo me
Thebis, modo ponit Athenis“. Man geniefst hier den Anblick des Neuen. (S. 6.): Few
German cities have the same advantage in point of newness. Visitors to Munich generally
come from some places remarkable as monuments of antiquitv, from Nuremberg, Cologne,
or the Belgian tow-ns. And I fancy tliat much as people are impressed with old things,
as a rule they generally prefer what is new. The old is curious and instructive, but there
is a gap between it and your habits which you do not care to leap, and you like to live
in the present. I asked a travelling American what he tlionglit of Venice, and his answer
was, ,,Well, I can’t say that I care very much for them old towns.“ The feeling is per-
*) INSCRIPTIONES | VEL TITVLI | THEATRI AMPLISSIMI, COMPLEC-
TENTIS | rerum vniuersitatis singulas materias .... MONACHII . . . Anno M. D. LXV.
(31 ungezählte Folio.)
*) Social life in Munich. London. Win. H. Allen & Co.
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IV
Kleinere Mitteilungen.
fectly natural, and it is perhaps more often expressed in Munich than elsewhere. Besides
the nineteeuth Century is rather selfsufficient, and is proud of what has been produced
during its own life. When we see Nuremberg, we say: „What splendid things these old
fellows did!“ But in Munich it is, „one might really live here!“ The effect is pleasant
throughout; in the new part froru the cheerfuluess, in the old part from the contrast.
„Munich,“ says a recent traveller (Vacuus Viator „Spectator“, September 6. 1862), „sur-
prised me more pleasantly than almost any city I ever remember to have entered.“
Mit Recht werden die kleinen Anlagen gerühmt (S. 9.): And yet these very trees
and alleys which are obnoxious to King Ludwig are the pleasantest feature in Munich.
Wohl stimmen wir auch bei, wenn es (S. 10) lieifst: And one very great addition to Munich
is the English garden, which no visitor can fail to appreciate, and which is certainly un-
rivalled in Europe. The flatness of the plain round Munich, and the want of pleasant
walks, ouly make tliis promenade more necessary.
Der prächtigen Fronleichnamsprozession widmet Wilberforee eine eingehende
Schilderung (S. 13). Das Kapitel „Manners and Customs“ liefert allerlei Eigenartiges. Die
hohen und höchsten Personen werden hier besprochen, die zahlreichen Uniformen (S. 21),
Titelsucht und Orden (25), sowie die geringe Lüftung der Häuser (30) getadelt. Die Königs¬
treue des Volkes giebt Stoff zu einem grofsen Kapitel (32), die inneren Verhältnisse der
Dynastie gaben stets ein Thema für Gesellschaftsklatsch, so auch unserm Verfasser. (52).
Die öffentlichen Bauten liefern natürlich dem Besucher überreiches Material. (S. 71.) It
is hard to know which building should be placed first in an examination of Munich.
Murray puts the churclies at the beginning; but I am inclined to think churches are not
the first objects of a stranger’s visit. I would rather begin witli the Glyptothek, partly
because is was the first of King Ludwig’s buildings, partly because it has real merits, and
is the best work of Klenze. At present the Glyptothek is seen to great disadvantage.
The building opposite is in Corinthian style, and Stands so much higher that it attracts
the eye. The Propyläen, which Stands (!) betweeu the two, is of a sort of Doric, and though
somewhat massive and imposiug as you come close under the portal, is heavy and shapeless
as a whole. The Glyptothek, on the other hand, is a really admirable work, one of the
few modern buildings in the Greek style that give any pleasure t;o the eye.
Kirchen, Galerien und Paläste besieht er sich genau, oft um zu seltsamen Resultaten
zu gelangen; an der Pinakothek findet er viel zu tadeln. Den Künstlerfesten gilt (113) ein
eigenes Kapitel; ebenso Cornelius (128) und Kaulbach. (148.) Oft trifft es freilich
zu, wenn er sagt: „that the materials were beyond my reach“ (169). Nicht unrichtig
ist eine Bemerkung (S. 185) über Münchens Preisverhältnisse. In Munich, the prices of
all things seein absolutely moderate when they are relatively dear. When you are told
that you can live for so many hundreds a-vear, you forget to ask on what scale, and
with how much enjoyment. You do not consider that there are two kinds of value to
every thing, its price and its worth. The fact is forced upon you by daily experience in
many of the cheap towns on the Continent. I have met with people who thought England
was cheaper than Munich, and who could certainly live more cheaply in England than
in Munich. For unless you conforin to the manners of a people, you gain little advantage
by living among them. You have to pay dearly if you import English customs, as you
pay a high duty on English goods. By grafting an English shoot 011 a German tree,
you only get a hybrid kind of fruit, which neither repays the cost, nor the trouble of rearing.
Sein Urteil über unsere Restaurants (188) würde heute wohl anders lauten. Auch
meint er „Milk and butter are in a state of barbarism.“ Die Eisenbahnen scheinen ihm
„still in the elementary stage“ (199), und er schliefst das Kapitel über dieselben (S. 213):
„The railway Station is the place where the character of the town is first displayed“ and
so on. If this be true, the character of Munich is certainly well shown in its railway
Station. When the passenger who arrives has to get out in the rain and walk in it a
hundred yards before reaching the covered hall, which is filled up with the goods-
waggons, he may cast a hasty glimpse up to the frescoes, and ask why they are not
turned iuto a covering against the rain. And the parting guest who has learned the
character of Munich, will hardly need the.further instruction afforded by a Station in
which the frescoes are placed in the hall, but the passengers for whose grätification they
were paiuted are kept out of their sight in the waiting-room.
Einige Bemerkungen über die K. Hob und Staatsbibliothek (214) gehören wieder
in das Gebiet des Klatsches; auch vom Theater erfahren wir wenig Sachliches. Dals
natürlich das Kapitel „Bier“ nicht fehlen durfte, ist wohl zu erwarten. (S. 257): Listen
to the conversation of Bavarians, it turns on beer. See to what the thoughts of the exile
recur, to the beer of his country. Sit down in a coffee-house or eating-house and the
waiter brings you beer uuordered, and when you have emptied your glass, replenishes
it without a suinmons. Teil a doctor the climate of Munich does not agree with you,
and he will ask if you drink enougli beer. Arrive at a place before the Steamer or train is
^ue, and you are told you have so long to drink beer. Go to balls, and you find that it
replaces Champagne with tlie rieh and dancing with the poor. (I once went to a servants,
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Kleinere Mitteilungen.
V
hall and stayed there some tiiue; but wlien I came away dancing liad not begun, and
all the society was sitting as still as ever drinking beer.) Moreover Bavarian beer goes to
all otlier towns in Germany, and is drunk in each with more rapture than its native
beverage. Yout get it in Stockholm, and it is even imitated in Norway though the strong
flavour of turpentine that hovers through the Norwegian „Bayerskt Ol“ is an addition, and
not an improvement. Aye, Paris with all its most exquisite wines is not too proud to put
placards of Btere de Baviere in its Windows, to vie with the porter-bier (stout) on the
cartes of the most fashionable restaurants.
Ob die Kapitel über Ehegesetzgebung (323) und Polizei (338) in allem auf Wahrheit
beruhen, mag dahin gestellt sein; dai's München gegen Murrays Vorwurf „of being
a very dissolute Capital“ (S. 345) verteidigt wird, mag es dem Manne, der sonst nicht
immer das Beste von ihm weifs, vielleicht danken.
Ein neues dickleibiges Buch eines französischen Schriftstellers Dr. A. Taponier 1 )
vom Jahre 1892 widmet einen Teil seines Inhaltes Bayern und seinen Hauptstädten,
München, Augsburg, Nürnberg, Bayreuth, Regensburg mit Walhalla,
das Übrige schildert Tirol, „ces deux pavs si catholiques et si inter£ssants ä divers points
de vue“. Das Gesamtbild Münchens schildert Taponier (S. 2.): II y a, comme chacun
sait, deux villes dans Munich, l’ancienne qui s’est lentement et graduellement formee avec
le cours des si^cles, et la nouveile que la fantaisie d’un prince a fait eclore en quelques
annees. On ne saurait inanquer d’&tre un peu surpris par le contraste qui r£sulte de cet
assemblage artificiel. Au centre de la cit£, des rues tortueuses et souvent 6troites avec
des maisons gigantesques, aux murs noircis, aux toits creneles, aux pignous moyen-äge,
et ä deux pas, au delä de l’ancienne ligne des remparts, d’immenses quartiers tout battant
neufs, alignes et decoupes k angle droit, avec des palais, des musees, des jardins, des
boulevards, et toute une floraison de petits hötels ä demi cach£s et comme blottis dans
la verdure. Cette ville nou veile, on le con<;oit, 11’off re aucun caract£re particulier; c’est
l’entassement moderne et cosmopolite, avec son arcliitecture banale et sa inagnificence
d’emprunt.
La Neuliauserstrasse et son prolongement servent toujours d’art£re principale, oü
la foule, ä certaiues heures, se diverse, s’agglom^re et s’agite. C’est lä du Karlsthor ä la
Marienplatz, qu’il faut observer le peuple municliois. Les rubicondes et placides figures!
Je remarque pourtant que certains types du bon vieux temps sont devenus rares, et en
particulier le petit vieillard joufflu, bedonnant, aux lunettes d’or, qui paraissait vou6 depuis
sa naissance au culte nourrissant de Gambrinus. Tout d6notait en lui l’humeur ultra-
pacifique. Aujourd’hui les gens se redressent, ont une allure plus martiale. L’odeur de
la poudre, depuis 1870, est toujours restee un peu dans l’air.
Auch unser Schriftsteller beschäftigt sich natürlich mit den Prinzen und Prin¬
zessinnen (5), mit König Ludwig II. und anderem, was er hier und dort erlauscht hat.
Im Gegensätze zu dem englischen Gaste (s. o.) hat i h m der englische Garten nicht gefallen;
doch stimmen wdr mit ihm überein, wenn er seinen Besuch im Paradiesgarten schildert (10):
Voir le paradis ä Munich, quelle cliance! J’entre: c’etait une brasserie. Je n’ai £te
surpris que de m a näivete’. Mehr als die Lage und einige Bauten erfreut den Besucher
die streng katholische Gesinnung von Fürst und Volk. (S. 15.) Le sentiment religieux est
toujours vivace ä Munich. Ni les recentes persecutions, ni la propagande liberale n’ont pu
enlever ä la capitale de la Baviere son ancien caract£re de ville tres catholique. On voit
toujours, au milieu de la Marienplatz, les gens se decouvrir devant la statue de la Vierge;
des femmes agenouillees y reciteilt d£votement leur chapelet, et le soir, par suite d’un
vceu de la cit£, des cierges s’y allument comme en un sanctuaire. Un de mes amis me
raconte avec quelle joie et quelle emotion le peuple a vu cette ann£e les princes et la
cour preudre part ä la procession de la Fete Dieu. „II semblait qu’on assistät, me dit-il,
k une r£surrection de la Baviere. Le roi Louis II. etait sans doute tr£s bon patriote, mais
il fuyait Munich et s’exilait de 110s ceremonies. Pour la premi£re fois, depuis quinze ans,
nous nous sommes retrouves, prince et peuple, dans l’affirmation de notre foi commune.
Et tant que nous resterons catholiques, il est bien certain que la Baviere ne sera pas
encore tout k fait prussienne.“
Nicht ohne Grimm sieht der Fremde die stramme Haltung der Armee. C’est le
triomphe du caporalisme, (25) meint er, und ihren Exerzitien entnimmt er das Bewusstsein :
Ils savent qu’ils sont inaintenant „la grande nation“. (26) Sein Freund B. „munichois de la
vieille röche, d’un temp6rament flegmatique“ ist natürlich ein Preufsenfresser; ihm ist Preufsen
„la nation de proie par excellence.“ (28) Auch in Kunstsachen bekundet Taponier eine
eigenartige Anschauung. (S. 29). O11 s’est longtemps moqu6 des pr£tentions de Munich
k jouer le röle d’une capitale artistique. Il a fallu pourtant s’incliner devant sa volonte
pers£verante ä cet egard, et les touristes, quoiqu’aient pu dire les envieux et les mauvais
l ) Baviere et Tyrol. Notes sur rAUetnagne du Sud. Fribourg (Suisse) Librairie
de l’Universite 1892. (364 S.)
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VI
Kleinere Mitteilungen.
plaisants, ont pris de plus en plus l’liabitude de la visiter ä ce titre, et en grand nombre.
Les resultats si remarquables auxquels l’ecole munichoise est parvenue en moins (Tun
demi-siöcle sont dus, tout le moude le sait, 4 la protection d£vouee d’une succession de
souverains, aniis des beaux-arts. On peut meme dire qu’ils ont 6te l’äme et le principe
de tout ce mouvement, et en particulier Louis I. et Louis II. y ont consacre leur vie, leur
activit£, leurs ressources personuelles. II semble que, prevoyant ou subissant le contre-
coup des ev&nements contemporaius, ils aient entendu du moins se r£server la gloire
d’avoir 6te les grands M6cenes de leur epoque. A d’autres les palmes conquises sur les
champs de bataille, ä eux le noble souci de favoriser les arts de la paix! Et cette tache,
ils l’ont remplie avec une teile äprete d’obstination que le defaut Capital de leur ceuvre
est venu de 14 . Tout v seut l’eclosion hätive et artificielle; rien n’y est 4 sa place, dans
son cadre naturel, veritable. Au sortir du vieux Munich, qui s’attendrait aux Propyl^es,
4 la Glyptotheque, aux deux Pinacotheques, 4 Saint-Boniface, et 4 tout le reste ? On de-
meure surpris 4 l’aspect de cette flore exotique, devant tous ces monuments sortis de terre
on ne sait quand, on ne sait pourquoi. Les styles les plus divers y sont confondus; c’est
un pele-mele inoui de pastiches, oü l’antique, le byzantin, le roman, le gothique, le moderne
se succedent et se heurtent sous l’effort d’une volonte capricieuse. On se croirait tan tot
en Gröce, tantot 4 Florence, tantot dans une boune ville allemande du moyen-äge. Et
que dire de cet immense 6talage de peintures, de ces fresques 4 propos de tout et 4 propos
de rien, de cette rage du piuceau barbouillant les murs avec fren£sie, comme s’il se reveillait
d’une longue torpeur et s’effor^ait de regagner le teuips perdu ? Partout on a l’iinpression
d’un peuple qui, las de son lourd et grossier mat 4 rialisme, a pris la resolution de s’Clever
4 son tour, comme les autres, aux ideales jouissances de l’art, de l’elegance, de la (listinc-
tion. C’est le parvenu qui, dans rempressement inquiet de son arnour propre, 4 tort et
4 travers, sans goüt forme, sans dessein fortement con<;u, remplit sa demeure de tout ce
qu’il croit näiveinent une merveille.
Er spricht von den grolsen Künstlern und ihren Werken in längeren Abschnitten;
besonders rühmt er die alte Pinakothek. (S. 36.) La vieille Pinacothöque peut assurement
rivaliser avec les plus riches mus£es de l’Europe. Elle se distingue, en tout cas, et off re
un attrait particulier par ses precieuses collections de vieux maltres allemands et flamands.
Ici les Albrecht-Dürer et les Holbein, les Rubens, les Rembrandt, les Van-Dyck foisonuent.
L’ecole italienne y est aussi repr£sentee par quelques chefs-d’oeuvre, et il y a aussi plu-
sieurs ecliantillons de l’art fran^ais et de l’art espagnol, deux Poussin, deux Lesueur, une
charmante serie de Murillo, des Ribeira, des Velasquez, etc. En somme, ce mus6e fait
grande figure, et il merite bien 4 lui seul qu’on s’arrete quelques jours 4 Munich. Sehr
zutreffend aber ist, was er über das Französisch der Kataloge der Pinakothek sagt, die er
als abgefafst „dans une langue inconnue m£me au fond de l’Auvergne“ (43) bezeichnet.
Auch in diesem Buche durfte natürlich das Kapitel vom Bier nicht fehlen. (S. 44.) C’est
donc une ville artistique, et meme du premier ordre, si l’on veut, mais personne n’ignore
que son veritable et principal caractere est d’etre avant tout la capitale du royaume de
Gambrinus. Ce bon roi, s’il quittait jamais le domaine de la legende, hesiterait-il un seul
instant 4 venir habiter Munich? Quel doux spectacle y rejouirait sa vue! Partout la biere
coulaut 4 longs flots, et tout le monde la savourant avec delices, meme les femmes, les
vieillards et les enfants! Le petit moinillon qui semble brandir une chope d^bordante est
bien Tarmoirie qui convenait et conviendra longtemps encore aux Munichois. Les successeurs
de Louis I. et de Louis II. auront beau faire, ils pourront comme eux favoriser la poesie
et les beaux-arts, ils n’empecheront jamais que Munich ne soit la ville du monde oü
relativement l’on fabrique et l’on consornme le plus de biere. La statistique sur ce point
fournit des d£tails effrayants. Combien de tonneaux mis en perce chaque jour! combien
de litres absorbes par cette soif pantagru£lique! Le grand evönement pour tout bon
Munichois, c’est l’apparition de la biere nouvelle, biere de mars, biere d’6te, biere d’octobre,
biere de Noel. Il n’y a pas pour lui de meilleur calendrier. „Pourvu qu’un Munichois,
me disait mon ami D . . ., puisse vider en paix son pot de biöre, il est content, et se
moque du reste.“
Ebenso mangelt der Wagnerianer nicht; leider spricht auch er in einer langue
inconnue: „dass ist nicht bloss musikal!“ (49). Von Presse und Litteratur hat der Ver¬
fasser seltsame Anschauungen; er glaubt, wir pflegen die französische Litteratur, malgr£
les efforts du chauvinisme! (55)
Augsburg veranlasst unseren Reisenden (68) zu einer heftigen Polemik gegen
die Reformation; die Nürnberger begeistern ihn nicht. „La vraie, la seule capitale
pour ces Bavarois de seconde cuvee, c’est Berlin (83)“. In Bayreuth hört er den Parsifal mit
antideutschen Gefühlen. In R e g e n s b u r g gelangt er zur Kritik der deutschen Studenten (119).
On fait un dernier reproche 4 l’etudiant allemand: il boit trop. Il boit le soir, il boit le
matin, il boit toute la journee. Les seances officielles de sa Corporation ne sont le plus
souvent que des orgies scandaleuses, oü il s’enivre jusqu’aux premiöres lueurs de l’aurore.
Et quand on lui pardounerait ce genre de delassements nocturnes, il y a la »chope du
matin", perp6tuel cauchemar de tous les professeurs. Il est certain, et je le reconnais
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Kleiuere Mitteilungen.
VII
sans peine, que ce reproche ne laisse pas d’avoir 1111 fondement serieux, car il est si facile,
en Allemagne, d’outrepasser sur ce chapitre les liniites permises. La biere est si bonne,
eile coüte si peu! Prenons garde, neaumoins, ä l’exagäration. II y a des paresseux et
des ivrognes en Allemagne comme dans le reste de l’univers, et ou • y a recours, pour
la production des fruits secs, aux niemes proc£des de culture que partout ailleurs. »Tout
le monde est fait comme notre famille* dit le proverbe italien, et il faut ajouter ici qu’ä
l’ägard des exc£s dont nous parlons, l’£tudiant allemand possede plus d’un avantage
sur tous ses coufr£res. Il a les vieilles habitudes de sa race, un certain sang-froid qui le
preserve des entrainements exag£res, et enfin sa sante, une santä robuste, vigoureuse,
encore intacte en sa fleur. Ce dernier point est tr&s important.
Das 7. Kapitel gilt dem Kloster Metten, das aber nicht genannt wird; es läuft
wieder in eine wilde Verfluchung des Protestantismus aus. (155) Der Besuch der Königs¬
schlösser beschliesst die Kapitel über Bayern. Interessant ist des Reisenden Meinung über
den deutschen Süden (S. 87.) überhaupt: Il faut convenir que 1 ’Allemand du Sud n’a rien
de foncierement hostile ä la France. Son chauvinisme, quand il existe, est de trop fraiche
date pour ne pas c£der devant la tnoindre parole aimable et courtoise. Il est grand partisan,
sans doute, d’une Allemagne forte et unie, mais il apprecie beaucoup la paix, la vie facile, les
bons rapports entre voisins et pour peu que la France lui parüt renoncer aux idäes de con-
quete, il lui rendrait bien vite, et de grand cceur, toutes ses anciennes sympathies. Je
ne remarque pas non plus qu’il soit tres enchante de l’anuexion de l’Alsace-Lorraine; il
n’y voit qu’une ruse prussienne pour mainteuir 1’Allemagne sur le qui-vive et l’empecher
de se däsunir, de se desagreger sous l’effort du particularisme. Comme il serait heureux
d’avoir recolte moins de succ&s en 1870, et d’etre en possession d’une paix verkable, d’une
bonne paix definitive etassur6e! Aujourd’hui, il a peur de tout, peur de la France, peur
de la Russie, peur de leur ombre et de la sienne. Il passe sa vie en des transes continuelles;
ses nuits sont troubläes par le caucliemar des coalitions possibles; il trouve decidäment
qu’ä ce prix la gloire des armes est trop ch£re. —
Ein Augenzeuge der Bewegung des bayerischen Volkes beim Tode Maximilian III.
Joseph schildert in vier überaus interessanten Briefen 1 ) die politischen Zustände Bayerns bei
der Thronbesteigung Karl Theodors. Er rühmt die Treue des bayerischen Volkes zu seiner
Dynastie (2) und wünscht dem Laude von Herzen Ruhe. ,Denn“, sagt er (S. 65), „so
eine schlechte Schilderung man auch in Ihren Gegenden von dieser in der That liebens¬
würdigen Nation machen mag, so kann ich Sie doch versichern, dass ich mich recht ver¬
gnügt unter ihnen befinde. Das Polirte — wie man sagt — oder besser, das franzö-
sirte Air, haben sie wohl nicht, aber überall sieht man die Spuren der alten deutschen
Lebensart. Freilich ist vieles davon durch den Umgang mit den Verderbern der deut¬
schen Sitten, verloren gegangen, aber doch herrschet durchgehends noch Redlichkeit und
alte deutsche Treue. Komplimente wissen Burger und Bauern nicht zu machen, wollen
Sie dieses nach Ihrer B— feinen, gesitteten Lebensart, Einfalt nennen, so habe ich nichts
dagegen. Aber eine solche Einfalt der Sitten ist mir lieber, als alles gezierte Wesen der
heutigen Welt. Ich dachte in das Deutschland des Tacitus versetzt zu sein, als ich das
erstemal in Baiern übernachtete.“
Eine Art verbesserten Bianconis (1762 s. Forschungen II, 214; Jahrbuch f.
Münch. Gesch. I, 159) nennt sich der Lehrer der italienischen Sprache am Lyzeum zu
München, Francesco Alberti, der 1792 Italienische und Deutsche Briefe *) über Bayerns
Hauptstadt schrieb, die der Fürstin Walburga Josepha von Prezenheim, seiner
Schülerin, gewidmet sind. Er erwähnt Gustav Adolfs Urteil über die Stadt und meint
(S. 2): Quest’ £ certo che Monaco ha piü merito di quello, che i forestieri per lo piü
s’imaginano, e vi troverete parechie di quelle cose che per altre Cittä della Germania
cerchereste in vano, e che tanto piacciono ai viaggiatori curiosi; quäle voi siete.
Vorerst schildert Alberti natürlich die Residenz und alle ihre Einzelheiten bis
ins kleinste, die schöne Kapelle (22), die Gemälde, das Antiquarium (34), das Hoftheater
(38), das er weit über das Pariser stellt, und manches Andere.
*) Briefe eines Reisenden während seines Aufenthalts in München an seinen Freund
in B — in welchen merkwürdige Nachrichten von dem Leben und der Regierung des
letztverstorbenen Churfürsten von Baiern, wieauch den Ansprüchen auf desselben Ver¬
lassenschaft enthalten sind. (Berlin 1778. 76 S.).
*) LETTERE ITALIANE E TEDESCHE sopra le notabili particolaritä della
cittä elettorale di Monaco Residenza della Baviera come pure delle di lei piacevoli vi-
cinanze e molt’ altre aiietodi (sic!) di diversi paesi. In Monaco MDCCLXXXXII. --
Italienische und deutsche Briefe über die vornehmsten Merkwürdigkeiten der
churfürstlich-baierischen Residenzstadt München, wie auch von den umliegenden Lust¬
gegenden und verschiedenen Anectoden (sic!) von andern Ländern.
Mit Erlaubniss des churfürstl. Censurkollegiums.
München 1792. gedruckt bey Joseph ZangX bürgerl. Stadtbuchdrucker. (193 S.).
(Der italienische und deutsche Text wimmelt von Druckfehlern).
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VIII
Kleinere Mitteilungen.
Der englische Garten erhält sein volles Lob (S. 56). Di qui poi potrete andare
al Giardino Inglese, il quäle vi piacerä moltissimo, verso alla fine dei Portici del Giardino
di Corte, uscendo da un grazioso Portale si discende da una bella collineta ornata d’arbori
e passando un leggiadro Ponte si entra in un lungo viale spalegiato da Arbuscelli che
conduce al detto Giardino, avanti perö si vede il vastissimo Orto militare benissimo disposto
ed ottimamente diviso da Canalli, strade e viali. Giunto che vi sarete, per la vaghezza
del loco, le ammene collinete, bei boscheti, quantitä de’ diferenti ombrosi viali, cascate
d’acque, canali, ponti legiadramente construiti com’anche per i cespugli, arbosceli e quan¬
titä de fiori legiadramente disposti, che vi vedrete non dubito che ne resterete intiera-
mente incantato. Da natura vi a contribuito molto, senza l’arte perö e l’eccellente gusto
del Generale Thompson, che ne fu l’inventore, non sarebbe certamente si amineno, osser-
vate, vi prego, quella bella Torre alla cinese in mezzo a quella pianura, la quäle ö d’una
grand’ altezza ed ha una comodissima scala a lumaca, alla somitä della quäle non sola-
rnente si scopre la quantitä del popolo che vi concorre.
Der vierte Brief (S. 60) gilt der kurfürstlichen Bibliothek, die damals im „Ex¬
jesuitenkloster neben der Kirche über zwey Stiegen“ uutergebracht war; er erwähnt alle
ihre Schätze eingehend. Den Bauwerken der Stadt gelten die weiteren Briefe, der Residenz
Ludwig des Bayern, der Frauenkirche, der kostbaren Jesuitenkirche, von deren Bau er
berichtet (S. 118): Narrasi in Monaco, che dopo finita, et abbandonata al proprio peso
gettö essa una mattina uno scoppio si strepitoso, che non dubitossi, di vederla beu presto
aprirsi, e cadere in ruina: lo che inspirö tale spavento a tutta la Cittä, che per gran
tempo la gente non ardiva approssimarvisi. Ma sono passati cento e settant’ anni senza
che abbia dato ulterior segno di debolezza; anzi la vedrete solida, come un bronzo, soste-
nersi perfettamente col contrasto della propria gravitä.
Auch von der damals üblichen Bemalung der Münchener Bürgershäuser erfahren
wir einiges (S. 130): Nel girare per la Cittä, osservate, che qualche facciate delle case
civili sono dipinte a fresco, anzi, fra le autiche ve ne sono alcune di bravissimi maestri,
spezialmente di Cristoforo Schwartz. Costui era un valentuomo, e tale lo troverete mag-
giormente ne’ suoi freschi, che sono delicati a segno di parere ad olio. Ne’ suoi omati
poi regna un gusto modesto, e savio d’antichitä ammirabile. Le sue opere in gran parte
furono intagliate da Sadler, e fanno ottima figura nella reccolta di starape.
Von Nymphenburg handelt der sechste Brief (S. 134). Nimfenburgo non ö distante
che tre sole miglia italiane, e vi si va per un viale fiancheggiato d’alberi sulla sponda
d’un largo canale fatto a mano. Osservate quä e lä, che tutto il terreno, per cui passe-
rete, e una congerie di ghiara, e d’arena fluviatile. Per costä certamente correva una
volta l’Iser, e ben guardando, riconoscerete ancora l’elevazioue delle antiche sponde ed
il letto abbandonato. Eppure l’Iser adesso ö dall’ opposta parte della Cittä, e lonta-
nissimo. Ciö non ostante, per congetture geografiche, e per l’istoria siamo certi, che
quäle ö oggi, tale e da lunga serie di secoli.
Der siebente gilt Schleissheim (144). Er hätte wohl auch der schönen Damen
Münchens zu gedenken (150): „aggiugnere qualche parola ancora delle graziöse, e belle
Dame, che in Monaco ammirerete, e che all’ etä vostra importano almeno al pari delle
belle pitture, e delle statue“ — und ihrer Sprachkenntnis; doch will er dem jungen Marchese,
dem die Briefe gelten, nicht vorgreifeu. Über Bayern und seine Verhältnisse urteilt Fr.
Mberti im allgemeinen (S. 152): Se poi mi domandaste notizie dell’ interno della Baviera,
delle sue ricchezze, io non potrei dirvi, se non che questa Provincia ö assai pingue, e
quasi in ogni cosa agiatissima. Le carui vi sono squisitissime, il pane non e men bello
di quello di Vienna, che passa per il migliore d'Europa. Non posso dire lo stesso dei
vini che vi nascono, 111a in iscambio potete averae del forestiere a prezzo ragionevole.
Il commercio che fassi in Baviera, ö pocliissimo ne v’entra altro danaro straniero, che
produce la vendita dei legnami, del sale, dei cuoj crudi e conci, e dei grani, che quasi
spontaneamente sorgono da uno de’ migliori suoli della Germania. Da qualche anno in
quä s’e comiuciato a scavare alcune miniere di metalli, e si pretende con vantaggio. I
fiumi portano alcuni grani d’oro purissimo fra le loro arene, indizio, che nelle montague
vicine vi sono miniere preziose. Avrete veduto talvolta alcuni Ungheri di Baviera col-
l’inscrizione Aurum exlsara, ovvero Aurum ex Lyco. Una bella fabbrica di porcellane
v’e pure in Nimfenburgo, i lavori, della quäle, sono certamente squisitissimi. Questi due
savj stabilimenti sono frutto dello zelo, e della destrezza del Sig. Conte di Haymhauseu,
che ne 6 il supremo direttore, gentile ed erudito Cavaliere, e che voi con sommo piacere,
iinparerete a conoscere.
Le foreste bavare mandano i loro legui legati in zattare a Vienna, e con questi
fabbricano poi navi, e case gli Austriaci. In somma il paese si arrichisce coi soli nazio-
nali prodotti terrestri, e da questo conoscerete sempre piü la massima d’eterna veritä,
cioe che la prima sorgente delle ricchezze d’una nazione dee essere la coltura diligen-
tissima del proprio terreno.
Dem englischen Garten zu München, der herrlichen Schöpfung Karl Theodors
(vgl. Jahrbuch für M. G. III, 1 — 53), hat der ältere Crux (Forschungen V, 199?) ein
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Kleinere Mitteilungen.
IX
Gedicht von 326 Versen mit einleitenden Strophen an Rumford 1 ) gewidmet. Er schil¬
dert ihn:
5. Dans ce jardin cröe par la philantropie,
admirant k mongre RUMFORT, et son gönie,
je trouve ä chaque pas cette «implicite,
ces agrestes effets de la varietö,
ces heureux rösultats, ces lointains, ces percees,
10 ces retraites sans nombre au hazard dispersees,
dont la douce fraicheur, et les ranieaux touffus,
savent me garantir des ardeurs de Phebus!
Die folgenden Verse gelten einer eingehenden Beschreibung der Anlage.
Rumfort, dont les talens, brillant avec eclat,
servent le citoyen, et le prince, et l’ötat,
45. de Rumfort, en un 1110t, l’intelligence innöe,
dans le sein de Munich cröant son Prytanöe,
a senti le besoin qu’auraient les jeunes gens
d’1111 rustique terrain pour leur jeux innocens,
(car toujours ä l’etude il faut d’utiles treves).
50. Le voici devant moi ce jardin des elöves;
J’en aborde l’entröe, et bientöt la franchis;
J’avance, je parcours, j’observe, je jouis!
J’y vois de tous cötes l’esprit de prevoyance;
Dans ce charmant enclos, la vive adolescence
55. trouve pour ses plaisir des moyens variös;
Le sage fondateur les a multiplies;
Elle y peut, a songrö, dans sa folätre yvresse,
exercer tour- k- tour, sa force, son adresse,
et ce nouveau gymnase, ouvert k ses desirs,
60. l’occupe meme encor au sein de ses loisirs.
L’esprit, le coeur ömu, je quitte, non sans peine,
des ölöves des arts 1’interessant domaine,
et d’un pas retrograde, en reprenant le pont,
sur un sol ombrage, dont le bout correspond
65. k deux moulins charmans, je chemine avec joie;
Quel spectacle enchanteur k nies yeux se döploie!
Ces deux bras de l’Iser icy se confondant;
D’un, et d’autre cötö ce lointain captivant,
Ces vers taillis bordant, embellissant ces rives,
70. Cette eau faisant tourner ces machines actives
qui servent k broyer les presens de Cör&s,
ainsi qu’a fa^onner le produit des forets,
composent un tableau, qui s’il n’est pas unique,
a du moins les^ beautös du genre Romautique;
75. Je voudrois tout un jour pouvoir les admirer,
mais pour d’autres objets il faut m’en söparer.
A vingt pas des moulins la sc&ne change, et-s’ouvre;
Au delä des guörets, alors, mon ceil döcouvre
un rideau prolongö de nombreux pavillons
80. que l’on vient habiter quand les fiers aquilons,
eux-memes fatigues d’exercer leur empire,
laissent briller celui de Flore, et du Zephire,
Au bout de ce rideau, j’arrete mes regards
sur cette enceinte, oü l’un des plus utiles arts,
85. par son expörience, et ses divers rem&des,
sait rendre k nos besoins nombre de quadrupedes;
Ces aspects, sont, enfin, de uature ä cliarmer
tout hoinme observateur, aimant ä resumer
les details combinös d’un seduisant ensemble,
90. et pour le satisfaire, icy, tout se rassemble.
Me trouvant tant soit peu jette hors du jardin,
Par mon excursion, je rentre dans son sein.
Sans avoir k mouter sur le sacre vallou,
je decouvre ä Cent pas le temple d’Apollon;
') VERS, SUR LE JARDIN ANGLAIS I)E MUNICH. A Munich, 1803. De
rimprimerie de Francois Hübsclimann. (15 S.).
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X
Kleinere Mitteilungen.
145. Je marche, j’en approclie, et je vois sa statue;
Avec humilit£, certes, je la salue,
moi, chetif riniailleur, moi, dont le dieu des vers
doit blämer la manie et plaindre le travers,
et qui malgre cela, rimportune sans cesse,
150. inais dans l’aveuglement d’une constante yvresse,
je ne suis pas le seul que l’on voye enchant£
d’un objet plein d’appas, sans en etre £coute!
165. Je sors du temple, et vais, cherchant de nouveaux sites,
en uourrir ä mongre mes regards parasites!
Des ponts multiplies, les utiles secours,
me laissent aborder aux lieux que je parcours,
et d’un endroit charmant je passe dans un autre.
170. Non, jamais les talens du cel£bre Le Nötre,
aide des grands moyens d’un monarque puissant,
n’ont rieu cr££ pour lui qui soit plus ravissant!
II consacra son art k la magnificence;
par tout, dans ses travaux, on voyait l’£legauce,
175. mais la simple nature, et ses heureux effets,
furent trop oublies du jardinier fran^ais;
Et d’ailleurs, il voulait, aux regards de son maitre
plaire par la magie, et n’y faire paroitre.
Que des objets pompeux, grands comrne son pouvoir,
180. car, aupr&s de ce Roi, c’etait comme un devoir
que de rapporter tout k l’eclat de son tröne,
de nieme qu’aux vertus dont brillait sa personne;
Le nötre le savait, et courtisan nouveau,
II adulait Louis aussi bien que Boileau.
185. Le sage Americain 11’en agit pas de meine;
En faisant son jardin, il n’eüt d’autre sisteme
Que le bien general; avec un tel dessein,
Rumfort etait bien sur de plaire au souverain.
Der chinesische Turm, 1791 vollendet, erregte des Franzosen besondere Teilnahme.
Von ihm sagt er:
Par un essor nouveau, j’arrive en peu d’instans
205. au pavillon cliinois; c’est le joyeux domaine
du gros dieu des festins; et l’on croira sans peine
que ce lieu, plus qu’un autre, est souvent frequente;
Chacun, ä sa fa^on, cherche la volupte;
Si l’un, sait la trouver dans la philosophie,
210. l’autre, croit la saisir, dans une douce orgie,
et peut-etre, qu’ici par des attraits puissans,
Comus a quelques droits d’y captiver les sens.
A lui faire sa cour tout iuvite, et prepare.
Du pavillon, d’abord, la structure bizarre,
215. comtnande un effet prompt, la curiosite.
D’un escalier tournant, l’originalit£
double rimpression; On approche, On peu£tre;
Bien tot on moute; On veut tout voir, ne rien ommettre
de cet interieur avec art fa<;onn6;
220. Chaque etage a son dorne, il en est couronn£;
A chaque etage aussi r&gne une galerie;
De degres en degres la vue est agrandie;
O11 arrive au soinmet, et l’on se trouve, enfin;
dans le cas de planer sur ce vaste jardin;
225. L’oeil actif en saisit jusqu’au inoindre accessoire,
comme ce qui le frappe est loin d’etre illusoire,
et qu’un si beau spectacle est denue d’appret,
il communique au cceur son charmant int£ret!
On redescend, on voit la guinguette chinoise
230. abriter, recueillir, noble, comme bourgeoise,
toutes classes d’humains se livrant au plaisir;
Quand d’en prendre sa part on con^oit le desir;
On s’assied, on appelle, on demande, on apporte;
moi, qui n’y cede pas, ailleurs je me transporte,
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Kleinere Mitteilungen.
XI
235. et suivant au hazard des chernins sinueux,
Au de lä de Schwabing je suis conduit par eux;
Lä d’un bras de l’Iser cotoyant le rivage,
je fais quelques Cents pas sous un £pais feuillage;
il me quitte; et toujours poursuivant mon chemin,
240. pres de 1’Heselohe, limites du jardin,
j’arrive, je m’arrete, et d’un si&ge champetre
que se. presente ä moi sous l’ombrage d’un lietre,
je m’empresse ä fouler le verdoyant tapis
- pour jouir ä mongre de l’endroit oü je suis.
245. Cest lä, que le mortel de la plus humble spliere,
se d£lectant avec son fromage, et sa biüre,
riaut, jouant, dansant, jettant quilles k bas,
d’aprüs ses facultes, prend ses joyeux ebats. .
Du plaisir, en ce lieu, les differentes troupes,
250. de ce fatneux Teniers me retracent les grouppes,
je le vois se inouvoir, j’en jouis k mongfe,
et d’apres ces tableaux, mon esprit pen£tre
d’une reffexion que 1’instant lui fait faire,
se dit, il est donc vrai qui c’est chez le vulgaire,
255. chez lui seul que l’on trouve, en son obscurite;
cet heureux abandon de la franche gaiefe!
Nochmal endlich fasst er seine Bewunderung in wenig Verse zusammen:
Avec ravissement mes regards se prominent
sur ces ingenieux et bieufaisans travaux
qui saveut mettre un frein k la fureur des eaux,
sur ces nombreux terrains ravis ä la culture,
310. et que l’Iser volait k la bonne nature,
bref, sur l’utilife de mille objets divers,
qu’un autre aurait d6crit en de bien meilleurs vers.
So sehr er indessen von Ruinfords Schöpfung begeistert ist (vgl. über dessen
Anteil, Jahrbuch f. M. G. a. a. O. S. 41. Note 8), über alles stellt er doch seine „soupe
economique“.
Eine eingehende und hervorragende Beurteilung erhalten Münchens gesamte Bau¬
werke (38) in dem liebevollen Buche eines der ersten Pariser Architekten A. L. Lusson *)
aus dem Jahre 1843. Alle die grossen Schöpfungen König Ludwig des Ersten sind hier
bis ins kleinste von fachmännischer Hand beschrieben. Hören wir indessen nur einige
allgemeine Urteile über die Stadt und ihre Eindrücke. Mit Recht gedenkt er ihres raschen
Emporkommens (S. 1). Il y a peu d’ann£es Munich nfetait qu’une ville de troisfeme ordre,
aujourd’hui eile est du premier. Cet accroissement subit, cette prosperite, cette splendeur,
qui tiennent du prodige, eile les doit au roi Louis I er de Bavfere, ce prince, artiste et
poete, autant que penseur profond, qui a compris que les Sciences et les arts anoblissent
les peuples et aclievent de les polir.
Er zeichnet ihr Äusseres (S. 7). Munich est bätie au milieu d’une plaine de
sept lieues carrees, peu fertile, et sur la rive gauche d’une petite rivfere non navigable
nonmfee l’Isar. Elle est situee k 48 degfes 8’de latitude nord, et k 29 degfes 13’de
longitude est, et s’eleve k 538 metres au-dessus du niveau de la liier, distante de 12 ä 14
lieues des Alpes de la Baviere, ce qui rend son climat assez froid. Cependaut il ne parait
pas malsain, car ses habitants sont generalement robustes et bien portants. Cette ville
n’est pas ä beaucoup pres aussi importante qu’on pourrait le penser, si l’^n s’en fiait k
l’Uuivers Pittoresque, oü il est dit que Munich egale presque Vienne en £tendue; k peine
en serait-elle le tiers, en supposant nieme bätis les quartiers actuellement en construction.
C’est aussi k tort que, dans le ineme ouvrage, on la dit fortifiee: depuis longtemps il ne
reste de ses murs d’enceinte que quelques auciennes tours. Pour cela, Munich n’en est
pas moins une ville extremement interessante; sa population (90,000' habitants), sa richesse,
le nombre et la beaute de ses monuments, et les merveilles des arts qui s’y cfeent chaque
jour en font un sejour delicieux.
Von ihrem Eindrücke schreibt er (S. 9): L’aspect g£npral de la ville u’est pas fort
sMuisant; bätie au inilieu d’une plaine non accidentee, ses monuments ne se dominent
pas feciproquement et ne forment pas comme k Vienne et k Prague, de belles masses
pittoresques. Dans la partie la plus ancienne, ses rues, assez larges, sont tortueuses et
assez mal pavfees en cailloux de la grosseur d’un oeuf; $k et lä on voit quelques trottoirs,
dont les encadrements sont en dalies de pierre; mais, dans sa partie neuve, les rues sont
*) Souvenirs d’un voyage ä Munich ou description des principaux monuments
de la ville nouvelle, par A. L. Lusson, Architecte des Travaux publics, ancien Coin-
missaire voyer de la ville de Paris. Paris (A. T. Breton, Impriineur). 1843. (113 S.).
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XII
Kleinere Mitteilungen.
toutes larges, bien alignees, les maisons bien bäties, d’un assez bon goüt d’ornementation
et rieh es d’aspect. Elles n’ont presque gen£ralement que deux etages connne celles de
la ville ancienne; beaueoup sont construites en arriere de ralignement, avec un petit
jardin en avant, ferme par une grille (comine en Angleterre); cela jette une vari£te pi-
quante dans les lignes et empeche la mouotonie que presentent nos longues rues ä bäti-
ments d’egale hauteur ou ä decoration uniforme; und im Weiteren (S. io): A Munich,
comine dans les autres parties de l’Allemagne, les paratonnerres sont de mode; cette mode
est ici plus nuisible qu’utile, si l’on en juge par les frequents accidents qu’occasione la
multiplicite de ces conducteurs electriques, de mauvaise construction pour la plupart,
places sur des maisons ayant peu de hauteur. Privee d’une rivi&re navi gable et d’un sol
producteur, la ville de Munich est peu commer<;ante; aussi ses habitants se levent-ils tard
et se couchent-ils de bonne lieure; en cela ils sont l’oppose des Viennois, qui fort occupes
de leurs affaires, donneut bien peu d’heures au sommeil. Ce qui differencie la capitale-
de la Baviere des autres capitales, c’est cette ardeur, cette fi£vre des arts qui anime ses
habitants; ailleurs les arts ne sont qu’un accessoire plus ou inoins important du grand
tableau de la vie, lä ils sont la vie tout entiere; depuis le inanceuvre, l’homme du peuple,
le bourgeois, jusqu’au souverain, on ne pense, on ne reve qu’art: les uns passent leur
temps k creer, les autres ä voir cr£er. Deux amis se rencontrent-ils, le sujet de leur con-
versation est le plus souvent l’ouvrage que tel architecte, sculpteur, ou peintre ex£cute
ou vient de livrer au public. A Munich, le temps se passe k visiter les artistes, k les
voir operer, ä analyser leurs productions.
Nous renconträmes chez le statuaire Schwanthaler le roi de Saxe qui examinait
avec la plus grande attention les ouvrages de l’artiste; ses remarques judicieuses nous
prouverent qu’il etait Connaisseur. A la cour comine k la ville les arts sont en honneur.
Un artiste est l’egal d’un magistrat, d’un savant, d'un poete; chacun lui rend honneur.
D’oü vient cette impulsion, ce ton donne k la haute societe, cet amour si actif pour les
arts et les artistes? Du prince £claire qui fait des efforts inouis pour rendre sa capitale
la rivale des plus opulentes citAs antiques et modernes. En cela les particuliers lui vien-
nent en aide en elevant autour de ses creations royales des maisons magnifiques, qui
rivalisent entre elles d’importance, de goüt et de somptuosite. Si l’elan donn£ par le
prince ne se ralentit pas, si le genie des arts continue a exercer son empire encore vingt
ans k Munich, cette ville sera la ville des f6eries.
Der Kunstsinn des Fürsten scheint sich auf alle Einwohner übertragen zu haben.
(S. 13). Cependant l’etranger qui visite ces etonnantes creations ne sait ce qu’il doit le
plus admirer ou des artistes qui ont eufante cette multitude d’ouvrages remarquables, ou
du souverain qui, avec des ressources en apparence insuffisantes, six rnillions de revenu, a
trouve les moyens de subvenir ä tant de depenses. Mais l’admiration n’a plus de bornes
quand on pense que, non content d’encourager les arts qui ennoblissent l’honime, le roi
Eouis I er de Baviere sait aussi prot£ger dignerneut les arts qui augmentent son bienetre.
München. R.
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Anzeigen und Besprechungen.
F. J. Bronner, Bayerisch Land und Volk (diesseits des Rheins)
in Wort und Bild. I. Teil: Südbayern. II. Teil: Nordbayern. Verlag
von Max Kellerers herz, bayer. Hofbuchhandlung. München 1898. (499 S.)
Der Herausgeber dieses anmutigen Führers durch die bayerischen Lande hat sich
die Aufgabe gestellt, „das Interesse der Jugend und des Volkes für unser schönes
Bayern und seine biederen Bewohner zu wecken und zu beleben.“ Diese Aufgabe scheint
in dem Buche gelöst; es ist, was es anstrebt, „ein wahres Hausbuch zur Belehrung und
Unterhaltung für jedermann und ein vorzügliches Geschenkwerk für die Jugend.“ —
Kein Teil der Belehrung ist übersehen worden. Der Leser wird nicht nur in die Örtlich¬
keit durch gute Schilderungen von Land und Leuten und zahlreiche sehr hübsche Bilder
eingeführt; er erfährt auch das Nötige über die Geschichte und Erlebnisse der einzelnen
Landstriche, ihre Industrie und Erzeugnisse, ja sogar ihre Sagen und Märchen. Zum
Teile sind es hervorragende Kenner der betreffenden Gegenden, welchen der Verfasser das
Wort überlässt, sodass wir gewöhnlich ganz kompetente Beurteiler aller Einzelheiten sprechen
hören, deren Angaben der Leser unbedingt Glauben schenken darf. Das angesichts seiner
Ausstattung billige Buch (6 M.) verdient weiteste Verbreitung in den bayerischen Familien.
Jeder wird darin etwas Erfreuliches von seiner Heimat oder seinen Lieblingsorten finden.
München. R.
Beiträge zurbayerischen Kirchengeschichte, herausgegeben
von D. Theodor Kolde. Vierter Band, 1—6. Heft; Oktober 1897 bis
August 1898. Erlangen (Verlag von Fr. Junge. 290 S.)
Der vierte Band dieses verdienstvollen Unternehmens bereichert die bayerische
Geschichtsforschung neuerdings mit einer Anzahl überaus willkommener Beiträge und giebt
einen erwünschten Überblick über alle Erscheinungen auf diesem Gebiete der bayerischen
Kirchengeschichte. Gustav Bossert schildert (1 —15) weitere Opfer der Kelchbewegung in
Bayern, Karl Brunner behandelt den angeblichen Übertritt des Markgrafen Friedrich von
Bayreuth zum Katholizismus (97 ff.), W. Dietlen bringt (243) neue Beiträge zur Geschichte
der Reformation in Schwaben. Eine besonders willkommene Gabe ist der Aufsatz von
Fr. Braun (143 ff.) über den vielgenannten Verfasser der Amoenitates litterariae — Johann
Georg Schelborn (1694 — 1773), eine anziehende Persönlichkeit, an der, wie der Verfasser
mit vollem Rechte sagt, der Pfarrer ebenso wie der Bibliograph und der Historiker mit
seinem Interesse beteiligt ist. Für die Literaturgeschichte, in Sonderheit das Kirchenlied,
ist der Artikel von Christian Geyer über die Hofer Gesangbücher des 16. und. 17. Jahr¬
hunderts (zugleich Vorgeschichte des Markgräflich-Bavreuther Gesangbuchs von 1630) von
besonderer Bedeutung. Ein stattliche Reihe von Abhandlungen, welche für die bayerische
Kirchengeschichte und die Ortsgeschichte von Wichtigkeit sind, wie z. B. Weigels Rothen¬
burgische Kircheuvisitationen (30), Rusams Bauernkrieg im Stift Waldsassen (49), Kadners
Mitteilung über des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn zu Würzburg „anfäng¬
liche religiöse Stellung“ (128), Lipperts Kirchenvisitation in Vohenstrauss i. J. 1586 (164),
Zuckers Zur Dürerforschung (185) und vieles Andere, zu desseu Anführung es hier an
Raum gebricht, bietet der letzte Band. Der Herausgeber selbst ist mit einem warm
empfundenen Nekrolog auf den Präsidenten von Stählin (15) und einem Artikel „Zur
Geschichte der Konfirmation“ (189) vertreten.
Muss man nun jedes Heft dieser gediegenen und überaus billigen Zeitschrift
(jährlich vier Mark) mit aufrichtiger Befriedigung aus der Hand legen, so berührt es
doppelt unangenehm, dass Herausgeber und Verleger in einem beiliegenden Zirkulare zu
klagen haben, dass leider dem wissenschaftlichen Interesse, das man der Zeitschrift eut-
gegenbringe, die Zahl der Abonnenten nicht entspreche, und dass trotz der verhältnismässig
grossen Beachtung, welche die „Beiträge“ ausserhalb Bayerns finden, die Unkosten durch¬
aus nicht gedeckt werden. Dies ist von Herzen zn bedauern, um so mehr als andere
Länder, wie z. B. Württemberg, ihre einheimischen Unternehmungen ungleich thatkräftiger
unterstützen. Möchte es nicht soweit kommen, dass diese gediegene Zeitschrift über kurz
oder lange zu erscheinen aufhört. Es würde nicht nur „als eine Lücke in der kirchen¬
historischen Litteratur empfunden“, es wäre ein schwerer Vorwurf der Teilnahmslosigkeit
gegen bayerische P'orschuug überhaupt.
München. R.
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Anzeigen und Besprechungen.
2*
Die alte Würzburger Burschenschaft 1817—1833. Ein Beitrag
zur Universitätsgeschichte in der Reaktionszeit von Hermann Haupt Mit
4 Vollbildern. Würzburg 1898. Stahels Verlagsanstalt. (38 S.)
In der fein ausgestatteten Schrift über die alte Würzburger Burschenschaft ver¬
öffentlicht der Giessener Professor Dr. Haupt den ersten Teil seiner als Manuskript ge¬
druckten „Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Würzburger Burschenschaft Arminia“.
Die Geschichte der Würzburger Burschenschaft ist auf das engste mit dem Namen des
Dr. med. Gottfried Eisenmann (1795—1867) verknüpft, der mit seinen Freunden den Ver¬
such machte, nach dem Vorbilde Jenas und Erlangens auch die gesamte Würzburger
Burschenschaft zu einem einzigen Burschen verbände zu vereinigen. Die ganze Entwickelung
der alten Würzburger Burschenschaft, ihre Kämpfe, ihre Anschauungen führt uns der
Verfasser nach grossenteils ungedruckten Quellen und Mitteilungen von Zeitgenossen in
einem lebhaften Bilde vor, das unendlich viel Kulturhistorisches in sich trägt Wir be¬
gegnen gefeierten Namen der Politik und Litteratur und gewinnen einen interessanten
Einblick in die Teilnahme der akademischen Jugend an den offentlichen Ereignissen der
Reaktionszeit ,
München. R.
Erklärung.
Der Herr Rezensent meiner „Jesui tennullen“ in Forschungen zur Gesch.
Bayerns (VI. Heft 4, Kleinere Mitteilungen S. 16 ff.) vermisst in meiner Arbeit eine gemässigte
und sachliche Polemik. Ich kann mich nicht davon überzeugen, diesen Vorwurf verdient
zu haben. Denn:
1. Prantl hat den bezeichneten Jesuiten jede litterarische Thätigkeit abgesprochen.
Man müsste den von ihm gebrauchten Ausdrücken Gewalt anthun, wenn man mit dem
Herrn Rezensenten annehmen wollte, Prantl habe nur das verneinen wollen, dass diese
Jesuiten etwas Dauerndes geschaffen haben. Dass meine Meinung die richtige ist, geht
ausser anderem auch schon daraus hervor, dass Prantl in Bd. II, S. 502 N. 133a u. S. 505
N. 160a Ergänzungen und Berichtigungen bringt und hiebei Professoren aufführt, die
im allgemeinen nicht mehr und nicht weniger geleistet haben als die anderen Jesuiten,
denen er ihre Qualifikation gelassen hat.
2. Die Behauptung, dass Prantl mehr von offenkundigem Hasse gegen die Jesuiten,
als von der Liebe zur Wahrheit sich leiten Hess, muss ich unbedingt aufrecht erhalten.
Prantls Hass gegen die Jesuiten ist hinlänglich nachgewiesen in den Historisch-politischen
Blättern 1891 I. S. 520 u. 521 und zwar in dem Artikel „auf deutschen Hochschulen“, der
gegen Professor Dr. Haushofer eine Polemik enthält, die sich schwer widerlegen lassen
dürfte. Hätte Prantl diesen Hass nicht gehabt, der ihm ein objektives Urteil sehr er¬
schwerte, so würde er sich mehr Mühe gegeben haben, den Schleier zu lüften, unter
welchem der Nachweis litterarischer Erzeugnisse verborgen zu sein pflegt, nämlich in dem
von ihm nicht zureichend benützten biobibliographischen Material. Dann würde er auch
von den genannten Jesuiten nichts Unwahres behauptet haben. Dass er wissentlich und
vorsätzlich die Unwahrheit gesagt habe, konnte ich nicht behaupten und habe es nicht
behauptet.
3. Ich soll sodann eine Anzahl Promotionsschriften anderer aufgeführt haben,
bei denen ein Jesuitenprofessor ganz zufällig Präses oder Promotor war. Das habe ich
jedoch nicht gethan. Denn regelmässig wird dem Präses die Autorschaft dieser Promotions¬
schriften wirklich zugeschrieben, wenn nicht der Respondent direkt als Autor bezeichnet
ist. Dass trotzdem noch Ausnahmen Vorkommen können, habe ich selbst auf Seite 12
meiner Arbeit in einer Anmerkung, die meinem Herrn Rezensenten entgangen zu sein
scheint, konstatiert und mich dabei berufen auf die Ausführungen Hellmanns in seinem
Repertorium der deutschen Meteorologie, Seite XVI, der seinerseits sich beruft auf die
Einleitung zu Heffters „Museum disputatorium physico-medicum tripartitum. I.“
4. Wenn ich im Interesse der Vollständigkeit auch Arbeiten der Jesuiten aufge¬
zeichnet habe, die man auch ganz wohl hätte weglassen können, so habe ich doch nicht
damit sagen wollen, dass jede dieser Arbeiten auch eine litterarische Bedeutung habe.
Man kann eine nicht kleine Anzahl der Druckwerke und Manuskripte, wenn man will,
unbeachtet lassen, so bleibt immer noch genug übrig und zwar im Sinne Prantls, um die
Unrichtigkeit seiner Behauptungen zu konstatieren. Dagegen sehe ich von Tag zu Tag
mehr ein, dass gerade der von meinem Herrn Kritiker nicht beanstandete Teil meiner
Arbeit Lücken genug aufweist Habe ich doch beispielshalber von dem Irländer — nicht
Spanier, wie es irrtümlich heisst, — Vitus Stephan nur 3 Druckwerke und 3 hinterlassene
Manuskripte notiert, während ich 15 Druckwerke und 17 hinterlassene Manuskripte des¬
selben hätte notieren sollen.
5. Was den Abschnitt „Nähere Würdigung der Prantlsclien Qualifikationen“ betrifft,
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Anzeigen und Besprechungen.
3*
so ist ein Teil des dort Aufgeführten direkt gegen Prantls Behauptungen und zutreffend,
ein anderer Teil jedoch ist mindestens nicht unberechtigt; denn Prantl hat von einer
grösseren Anzahl der bezeichneten Jesuiten (Cf. I. S. 443, 444) gesagt, dass sie kaum ver¬
dienen, in einer Universitätsgeschichte genannt zu werden. Da nun nach meiner Über¬
zeugung nicht die litterarische Thätigkeit allein, sondern auch der Unterricht bei einer
Universitätsgeschichte gewürdigt werden muss, dieser aber gerade von der Befähigung des
jeweiligen Professors abhängig ist, so war es doch ganz am Platze auf die Thätigkeit der
genannten Jesuiten auch ausserhalb der Universität hinzuweisen, weil man schwer an¬
nehmen kann, dass ein Mann, der in irgend einer Stellung Ausgezeichnetes geleistet hat,
in seiner früheren Stellung als Professor nichts geleistet habe.
6. Den Versuch, einer Örtlichkeit, einem Stande etc., diesen speziell, nicht der All¬
gemeinheit des menschlichen Wissens angehörige Koryphäen zu schaffen, habe ich nicht
gemacht. Auch Prantl hat (II. S. 483—571) biobibliographisches Material in weiterem
Umfange auf geführt, ohne deswegen die betreffenden Professoren und deren Werke allein
für Ingolstadt-Landshut-München in Beschlag nehmen zu wollen.
Eichstätt, 9. November 1898. Professor Romstoeck.
Erwiderung.
Auf die einzelnen Punkte der vorstehenden Erklärung des Herrn Professors
Romstöck am bischöflichen Lyzeum zu Eichstätt hätte ich im allgemeinen zu erwidern:
1. Nach wie vor muss ich behaupten, dass die litterarische Thätigkeit eines
Universitätslehrers oder gar einer ganzen Gruppe von solchen, wie hier die Jesuiten in
Ingolstadt, sich einzig und allein nach dem wissenschaftlichen Werte derselben be¬
messen lässt. Darum haben auch von den vielen Namen, die Herr Professor Romstöck
in seiner verdienstvollen Arbeit nennt und nennen musste, nur überaus wenige') in
der Allgemeinen Deutschen Biographie 2 ) und in Hurters Nomenclator litterarius eine Stelle
gefunden. Ich muss darauf stehen bleiben, dass in einem einzigen Bande, der zweite ent¬
hält ja nur Belege und Urkunden, wenn er die gesamte Geschichte einer Hochschule er¬
zählen soll, nur solche Namen mit Auszeichnung genannt werden könneu, deren Schriften
für die Zeitgenossen epochemachend waren, oder welche für die Nachwelt historischen
Wert besitzen. Nur so kannte Prantl die ihm gewordene Aufgabe ansehen, für Gelehrte
die Geschichte einer gelehrten Schule zu schreiben.
2. Die Behauptung, dass der Geschichtschreiber der Logik und der Hochschule
„mehr von offenkundigem Hasse gegen die Jesuiten als von der Liebe zur Wahrheit
sich leiten liess“, würde, wenn sie erwiesen wäre, Prantls hohe Bedeutung einfach ver¬
nichten. Zum Glücke aber genoss und geniesst noch heute Prantl auch bei seinen wissen¬
schaftlichen Gegnern ein grosses und wohlberechtigtes Ansehen, sodass es nicht unwider¬
sprochen bleiben darf, wenn er sechsundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen seines Werkes
und zehn Jalire’nach seinem Tode in so heftiger Weise angegriffen wird. Wenn
er sich auch mehr Mühe gegeben hätte, „den Schleier zu lüften, unter welchem der Nach¬
weis litterarischer P,rzeugnisse verborgen zu sein pflegt“, ja sagen wir, selbst wenn er Rom-
stöcks fleissige Arbeit so vieler Jahre zur Hand gehabt hätte, sein Urteil über die Wissen¬
schaft li ch e Wirksamkeit der Jesuiten in Ingolstadt hätte um kein Haar anders aus-
fallen können. Ich habe dieselbe ja nach ihrem Inhalte zusammen gestellt.
3. Das Verhältnis des Präses zum Respondenten wird zu allen Zeiten das gleiche
gewesen sein. Auch heutzutage hat der Professor wesentlichen Anteil an .der Wahl des
Stoffes, den Vorarbeiten und der Gestaltung der Dissertation — ad minimum elaboratam
quodam modo emendare solet. (S. 12 A.), ohne dieselbe unter seine Arbeiten aufzu¬
nehmen. Er wollte dies wohl selten auch thun, denn es sind ja meist Erstlingsarbeiten ;
es müsste sich erst in unserem Falle zeigen, wie weit diese zahlreichen Doktorarbeiten
die wissenschaftliche Thätigkeit der mit ihnen geschmückten Jesuiten überhaupt
erhöhen könnten.
4. u. 5. Je mehr Herr Professor Romstöck sein mühsames Werk vervollständigen
kann, je mehr er uns an Personalien und privaten Mitteilungen aus dem Leben der von
ihm genannten Männer zu liefern vermag, desto dankbarer sind wir ihm; das ist ja Zweck
und Aufgabe solcher „biobibliographischer“ Studien. Aber wie sollten sie denn in der
Geschichte der Universität irgendwelche sachliche Verwertung finden ?
6. „Die Jesuitennullen Prantls an der Universität Ingolstadt und ihre Leidens-
') Es sind — salvo errore calculi — von den zweihunderteinundsiebzig Namen,
die Romstöck bearbeitet hat, ganze sieben in die Allgemeine Deutsche Bio¬
graphie übergegangen und nur dreiundzwanzig in Hurters Nomenclator!! Spricht
das nicht beredter als alles für Prantls Beurteilung als wissenschaft¬
liche „Nullen“?
*) Hier sei es gestattet, einen Druckfehler auf S. 17 Z. 25 v. o. zu verbessern.
Es muss natürlich heissen: nicht in A. D. B. statt s. über ihn A. D. B.
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4 * Anzeigen und Besprechungen.
genossen“ ist doch schon dem Titel nach eine Verteidigung der Professoren eines Ordens,
und nur weil sie diesem Orden angehören; das ist ja zu wiederholten Malen im
Vorwort klar und deutlich ausgesprochen. Ich aber bin der Meinung gewesen, dass in
einer Geschichte der Wissenschaft die konfessionelle Stellung ihrer Vertreter bei Lob
und Tadel kaum zur Erwähnung kommen kann, woferne nicht der leider nur zu oft
wiederkehrende Versuch allerseits gemacht wird, einem gewissen Lande, einer ge¬
wissen Konfession, einem Orden, einer Geheimgesellschaft möglichst viele grosse Männer
zuzuschreiben.
Und diese Erwägung gerade würde, wenn ich die Erklärung des Herrn Prof.
Romstöck gründlich widerlegen müsste, den Gegenstand unserer Polemik alsbald wesent¬
lich ändern. Die Frage würde nämlich rasch nicht mehr lauten: ,,Hat Prantl den Jesuiten
Gerechtigkeit widerfahren lassen ?“, sondern : ,,Durfte Prantl, von dem jeder, der das Glück
hatte, bei ihm zu hören, und der seine Erlebnisse von 1852 und seine Schriften kennt,
zur genüge weiss, dass das Credo quia absurdum — ich verstehe es natürlich in seiner
ursprünglichen ehrlichen christlichen Auffassung — und die Dogmatik bei ihm
keine Schranke seiner Forschung bildete, durfte Prantl bei solcher scheinbar antikirch¬
licher Anschauung die streitbarsten Diener der Kirche überhaupt beurteilen, ja konnte
er das? Nach Herrn Prof. Romstöcks Worten konnte er es nicht. ,,Seine vielfach un¬
berechtigte Parteinahme gegen die Gesellschaft Jesu und deren Mitglieder“ (IV) und
der Umstand, „dass Prantl ... sich mehr von offenkundigem Hasse gegen den
Jesuitenorden und die Mitglieder desselben als von der Liebe zur Wahrheit leiten
liess“ (472), ermöglichen ihm ein richtiges Urteil über Jesuiten nicht.
Und das ist der Punkt, in dem ich mit Herrn Prof. Romstöck nicht überein-
stitnmen kann; denn mir erscheinen z. B. trotz ihrer kirchenfeindlichen Gesinnung David
Huine und Edward Gibbon als hochbedeutende Historiker, deren Wahrheitsliebe unan¬
gefochten bleibt. Darum kommen wir auch nicht zum Abschlüsse. Herr Prof. Romstöck
bringt die Historisch-politischen Blätter als Kampfgenossen; nun auch ich stehe nicht
allein mit meiner Verehrung des unersetzlichen Prantl, des „verkörperten kritischen Ver¬
standes“, dessen Hörsaal man „vom Hauche der Wissenschaft berührt, gekräftigt und ge¬
stärkt, wie durch ein Stahlbad“ verliess. (K. Meiser, biogr. Jahrb. f. Altert. 1889.) Die
Achtung jeder Partei verdient nach meiner Meinung Prantl durch „das mutige Eintreten
für das unverbrüchliche Recht der freien Forschung“ (Philos. Monatshefte, Bd. XXVI.
S. 104). Er war, wie ihn Wilhelm Christ') in seiner wahrhaft klassischen Gedächtnisrede
in der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München am 28. März 1889 zeichnet. Christ
hatte nämlich „das im Auge, was doch allem Thun und Wissen erst den Adel verleiht,
den sittlichen Charakter seines Forsche 11s“. (S. 40) „Prantl war von heissein
Wissensdurst erfüllt und scheute in dem rastlosen Streben nach Erweiterung und Ver¬
tiefung seines Wissens keine Mühe, kein Opfer; er nannte die Lüge die erste und
grösste der Sünden und wies nicht bloss jede Heuchelei und jedes Sicliselbstuntreu-
werden weit von sich, sondern war auch jeder Zeit bereit, begangenen Irrtum ein-
z u gestehen und zu verbessern... Er hatte vor allem den Mut der Überzeugung ...
er kannte in wissenschaftlichen Fragen kein Leisetreten, keine Kompromisse.
Das sind die sittlichen Eigenschaften. . . die ihn als Menschen zierten, die aber
auch ihren Abglanz auf seine wissenschaftlichen Werke warfen.“
So schilderte ein grosser Gelehrter Prantl vor einer Versammlung der
allerersten Geister des Landes. Von der Universitätsgeschichte aber sagt (S. 25)
derselbe Redner — selbst seit Jahrzehnten ein Mitglied der Ludovico-Maximiliana —,
ohne sie unbedingt zu loben, es werde „jeder, der sich, sei es über die Geschichte
unserer Universität im allgemeinen, sei es über die Lebensverhältnisse einzelner unter ihren
Dozenten orientieren will, mit Dank das inhaltreiche uud exakte Werk zur Hand nehmen“.“)
Und Herr Prof. Romstöck? „Ruhm und Ehre der Universität hat er
(Prantl) d am i t ni ch t ge f ö r der t . . . Prantl hat als hervorragendes Familienglied einer
der adeligsten Anstalten Deutschlands einen Teil seiner Vorfahren nicht nur vor den Augen
der ganzen Welt verdächtiget (!!) und beschämt, sondern dieses auch in unbe¬
rechtigter Weise getlian.“ (S. 472.)
Bei solch unvereinbaren Gegensätzen bleibt nur noch als letzter Entscheidungs¬
grund das alte: „Unus Cato est pro centu m m i 1 i b u s. “
München, 12. November 1898. Prof. Dr. v. Reinliardstöttner.
') Wie sehr gerade Christ zur Würdigung Prantls berufen w r ar, heben die Blätter
für das Bayerische Gymnasialwesen (1890 S. 289 ff.) richtig hervor.
*) Unter anderem rühmt auch Meiser (a. a. O. S. 12.), Prantl sei, „dieser schwierigen
Aufgabe (Abfassung der Universitätsgeschichte) trotz des massenhaften Materiales und
der Kürze der Zeit in glänzendster und rühmlichster Weise Herr“ geworden. — Dagegen
meint Romstöck: Gewandtheit uud Eleganz seiner Darstellung können nicht in Ab¬
rede gestellt werden“ (IV), während Christ wohl mit Recht „einen gefälligeren Ton der
Darstellung“ wünscht.
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Anzeigen und Besprechungen,
5
Forschungen zur Bayrischen Geschichte von Dr. G. Ra-
tzinger. Kempten. Verlag der Jos. Köselsehen Buchhandlung 1898.
(VIII und 653.)
Der stattliche Band mit seinen gediegenen fünfzehn Abhandlungen liefert reiches
Material zur Kenntnis der Geschichte Bayerns. Mehr als die Hälfte des Raumes bean¬
sprucht die erste Studie über Albertus Bohemus, „das Bild einer charakteristischen Er¬
scheinung des dreizehnten Jahrhunderts“, mit dessen Biographie und Würdigung der
Verfasser sich bereits früher beschäftigte. Eben jene ersteren Veröffentlichungen aber
ermöglichten Ratzinger, „Detailforschungen und streitige Punkte aus dem vorliegenden
Buche auszuscheiden und nur die Resultate zu bieten.“ Alberts Heimat und Abstammung
wird aufs gründlichste erörtert, sein Aufenthalt an der Kurie zu Rom füllt den zweiten
Abschnitt aus. Von besonderem Interesse ist Albert Böheims Verhältnis zu dem baye¬
rischen Herzog Otto und seine Thätigkeit als päpstlicher Schiedsrichter und Legat am
Hofe zu Landshut. Alsbald erblicken wir Albert an der Kurie zu Lyon ; dort „gewann
er die Höhe seiner Lebensstellung“. Von Frankreich zurückgekehrt wirkte er wieder als
Domdekan in Passau, wo er im Anfänge des Jahres 1260 starb. Ratzinger entwirft von
dem vielbefehdeten Kleriker ein auf eingehenden Studien beruhendes Bild; er nennt ihn
(265) „in Theorie und Praxis Anwalt der damaligen kurialistischen Auffassung des Ver¬
hältnisses von Kirche und Staat“, die ebenso einseitig war, als die entgegengesetzte im¬
perialistische. Mitten im Kampfe der beiden in die schroffsten Gegensätze sich stürzenden
Theorien stand Albert Böheim, und unentwegt stritt er für die streng päpstliche An¬
schauung. „Im ganzen ragte Albert weder in seinen Talenten und Tugenden noch in seinen
Mängeln und Fehlern über das Mittelmass der grossen Masse hinaus. Nur in einem Punkte
zeichnete er sich vor zahlreichen ähnlichen Erscheinungen der Gegenwart aus: durch
seinen Mut, seine Offenheit, seine Opferfähigkeit.“ (272) Mit der Hingabe an seinen
Helden, welche stets die Folge eingehender Beschäftigung mit einem Gegenstände ist,
verteidigt Ratzinger jeden Schritt seines thatenreichen Lebens. Das „Aventinisclie Zerr¬
bild vom Wirken Alberts“ soll beseitigt werden (273), und nachdem sich die Geschicht¬
schreibung „in der Auffassung fast ausschliesslich der gehässigen und leidenschaftlichen
Darstellung Aventins angeschlossen“, (25) bleiben dem Verfasser auch neuere Geschicht¬
schreiber (Schirrmacher, Rockinger) zu bekämpfen. Von besonderem Interesse ist der
siebente Abschnitt über Alberts litterarische Reliquien, zunächst die Konzeptbücher. Dass
die unter den Ciinelien der K. Hof- und Staatsbibliothek zu München verwahrte lateinische
Handschrift (Clin 2574 b) ein Autogramm des Albert Böheim sei, nimmt Ratzinger nicht
an (274); wohl aber besitzen wir in dem aus dem Kloster Aldersbach stammenden Manu¬
skripte die älteste bis jetzt bekannte Papierhandschrift in Deutschland.
Vierzehn kleinere Abhandlungen teilen sich in den Raum der zweiten Hälfte des
Buches: Lorch als Bischofssitz, „eine der schwierigsten und dunkelsten Partien“ der Ge¬
schichte (326); „das Projekt eines Wienerbistums im 12. und 13. Jahrhundert“; „Älteste
Reliquienverehrung in Bayern“; „Zur älteren Kirchengeschichte Bayerns“, eine neue
Untersuchung der Rupertusfrage, der hier nicht mehr der erste Apostel Bayerns bleibt;
„Zur Geschichte der Marienfeste in Bayern“; „Quirinus und Arsacius. Tegernsee und
Ilmünster“; „Der bayerische Kirchenstreit unter dem letzten Agilulfinger“; „Die soziale
Bedeutung des hl. Franziskus“: „Anfänge der Bettelorden in der Diözese Passau“; „Bäuer¬
liches Leben im 13. Jahrhundert“; „Bayrisch-Mailändischer Briefwechsel im 12. Jahrhundert“;
„Lombardische Bauinnungen in Bayern“, eine überaus interessante Darstellung des Ein¬
wirkens oberitalienischer Baumeister auf altbayerische Städte; „Diakonat und städtische
Gemeindearmenpflege im Mittelalter“; „Projekt der Errichtung eines Münchener Bistums
1579“, eine vergeblich von den Wittelsbachern angestrebte Sache. Ein Nachtrag greift
nochmal auf „Albert Bohemus und das bayrische Regentenhaus“ zurück.
So mächtig sich auch die erste Abhandlung durch ihren Umfang über die übrigen
erhebt, verbindet doch auch einige der kleineren mit ihr ein gemeinsames Band, dessen
besonderes Studien gebiet das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert ausmacht, worauf schon
das Vorwort hin weist. Was der Verfasser selbst von den Studien sagt, welche er in dem
reichhaltigen Bande bietet, mag als völlig richtig anerkannt w r erden. „Die kritischen
Streifzüge bewegen sich nicht in den ausgetretenen Geleisen, sondern suchen neuen Auf¬
fassungen Bahn zu brechen und den Boden zu ebnen. Sie werden deshalb Widerspruch
hervorrufen.“ (VI) Dies ist geschehen und wird geschehen; denn der Verfasser hat sich
eine ihm ganz eigene, unabhängige Geschichtsanschauung gebildet, die in vielen Stücken
rücksichtslos ihre Bahn geht Aber wir sagen mit ihm, „das Ziel ist erreicht, w r enn diese
Streifzüge den Anstoss zu neuen Forschungen und wiederholten Untersuchungen des
Quellenmaterials auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte geben.“
Was, abgesehen von mancher vom Herkömmlichen weit abweichenden Beurteilung
geschichtlicher Personen und Thatsachen, das Buch besonders w r ertvoll macht, ist die auf¬
richtige Liebe zur bayerischen Heimat, die zu gründlichem Studium von Land und Leuten
führte, woferne nicht etwa umgekehrt die Erkenntnis der schönen Heimat ihre Verehrung
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6 *
Anzeigen und Besprechungen.
hervorbrachte. Alle’. Bemerkungen Ratzingers zeugen von scharfer Beobachtung der baye¬
rischen Eigenart, wie z. B. das (S. 43) von der Kleidung der Bevölkerung an den Donau¬
ufern Angeführte. Wo aber der Verfasser gar an die Schilderung der heimatlichen Strecken
geht, wie in der Darstellung der Gegend, die von Deggendorf nach dem bayerischen
Walde hin sich ausbreitet (27), oder wenn er den Leser auf die Höhe des Haidsteins ge¬
leitet (628), wo Herr Wolfram von Eschenbach die ,marcgrävin diu dicke vomne Heitstein
über : all die marke schein 4 verehrte, da zeichnet er ein Bild des herrlichen Landes so
empfindungsreich und wahrheitsgetreu, und eben darum so hinreissend, dass es über die
ernste Geschichte hinweg den Leser gleichsam in eine anmutige Erzählung hinein versetzt.
München. R.
Die Urgeschichte der Franken und die Gründung des
Frankenreichs durch Chlodwig. Von Dr. Friedrich Stein, Justizrat
und Bibliothekar zu Schweinfurt. Mit einer Karte. (Separatabdruck aus
„Archiv des Histor. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg“. Band
XXXIX.) Würzburg (Kommissionsverlag der Stahelscheu k. Hof- und
Universitätsbuchhandlung.) 1897. ( 22 ° S.)
Die vorliegende Arbeit des verdienten Geschichtschreibers der Franciae Orientalis
begreift nach dem Vorworte „nicht nur die Urgeschichte der Franken seit deren Auf¬
treten unter diesem Namen, sondern es ist derselben auch die ihre Vorgeschichte bildende
Geschichte des rheinländischen Germanenstammes, aus welchem die Franken entstanden
sind, vorausgeschickt“. Der Verfasser behandelt in eingehender Forschung die Germanen
des Niederrheins, die Entstehung der Franken und ihre Geschichte bis zum Schlüsse des
vierten Jahrhunderts, die Franken im fünften Jahrhunderte bis zur Gründung des Franken¬
reichs durch Gilodwig. Die mehrfach gerühmte Gründlichkeit des Forschers zeigt sich
auch in diesem Buche in ganz hervorragender Weise. Besonderes Interesse bietet die
Kritik der in dem ersten Jahrhundert überaus spärlichen Quellen. Stein zählt auch zu
jenen Historikern, welche in der Germania des Tacitus ein Bruchstück aus seinen historischen
Arbeiten, keine eigene Schrift erblicken (67). Das verdienstvolle Werk verbreitet reiches
Licht über die Urgeschichte der Franken und wird allenthalben willkommen erscheinen.
München. —ft
Unter General von der Tann. Feldzugseri nneruugen von
1870-71 von Hauptmann a. D. Hugo Arnold. München. C. H. Beck-
sche Verlagsbuchhandlung.
. Was mag es rechtfertigen „Feldzugserinnerungen“ in den „Forschungen zur Ge¬
schichte Bayerns“ zu besprechen? Liegt doch der Gedanke so nahe, dass, wie in den
meisten solcher „Erinnerungen“, die jedes Jahr auf den Markt geworfen werden, auch
hier die angenehme Plauderei den Schwerpunkt bedeute. Jedoch mit Unrecht Gegen
eine solche Annahme sprächen vor allem schon Arnolds frühere schriftstellerische Lei¬
stungen über das römische und prähistorische Bayern. Arnold giebt uns mehr als eine
tagebuchartige Aufzählung seiner persönlichen Erlebnisse aus jener grossen Zeit. Er ist sich
als Offizier bewusst, dass diese Erlebnisse im geschichtlichen Rahmen der grossen Zeit zu
betrachten und wiederzugeben sind, und dass über den Details nie das Ganze, dass über den
Schilderungen der Thaten einzelner und der kleineren Heereskörper nie die grossen Heere
vergessen w r erden dürfen. Schon an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, wie Arnold
durch eingestreute Vergleiche mit älteren kriegsgeschichtlichen Ereignissen z. B. in bezug
auf die Einrichtung und Verpflegung des Heeres — vom dreissigjährigen Kriege an —
einerseits das Thema noch reizvoller gestaltet, anderseits den Genuss des Werkes erhöht.
Unter dieser Behandlung des Stoffes leidet aber nicht im geringsten die Klarheit der
Darstellung. Hiezu trägt die meisterhafte Erzählungskunst des Verfassers bei. Er erweist
sich als ein feiner Beobachter der momentanen Situationen und ihrer Wirkung auf die
Massen wie auf die Seele des einzelnen. Und alles, was uns Arnold erzählt, macht trotz
des poetischen Stiles den Eindruck unantastbarer Wahrheit und Treue. Für die richtige
Erkenntnis der Kriegsjahre 1870—71 in bezug auf die Anteilnahme Bayerns an dem grossen
Kampfe und namentlich in bezug auf den Geist im bayerischen Heere ist das Buch von
ganz besonderem W T erte. Es bietet viel mehr als der bescheidene Beititel „Feldzugs¬
erinnerungen“ verspricht und sei hiemit aufs wärmste empfohlen.
München. W\
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Anzeigen und Besprechungen.
7*
Ignaz von Döllinger. Sein Leben auf Grund seines schrift¬
lichen Nachlasses dargestellt von J. Friedrich. Erster Teil:
Von der Geburt bis zum Ministerium Abel 1799 — 1837. München
1899. C. H. Beck sehe Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck.) (X und 506 S.).
In seiner am 28. März 1890 vor der Akademie der Wissenschaften gehaltenen Ge¬
dächtnisrede nennt C. A. Cornelius Döllinger einen „Mann von welthistorischer Bedeutung“
(3), ihn und Bossuet „die beiden hervorragendsten Männer der lateinischen Kirche in
den letzten Jahrhunderten“ (13), dessen Name „ein Schmuck für München“ (17) war. Wer
einem so bedeutenden Mitbürger ein Denkmal errichtet, ehrt damit auch seine Heimat,
und so hat Bayern und seine Hauptstadt allen Grund, dem Forscher dankbar zu sein, der
die Arbeit, ein solches Denkmal zu schaffen, auf sich nahm. Doppelter Dank gebührt
ihm freilich, wenn er hierzu in so ausgezeichnetem Masse befähigt und berufen war,
wie Friedrich, vor dessen lichtvoller, völlig objektiver, historisch begründeter Darstellung
alle die kleinen und kleinlichen Versuche für immer verschwinden werden, wie sie
mangelnde Fähigkeit und unzulängliches Material bei bestem Willen nicht minder als
boshafte und bewusste Entstellung der Thatsachen anderseits hervorgebracht haben. Von
dem stattlichen Werktf liegt nun der erste Band vor, der 38 Jahre umfasst und von der
Geburt des grossen Gelehrten bis zum Ministerium Abel reicht. Friedrich selbst bezeichnet
in dem Vorworte (VI) als ein Ergebnis dieses Teiles die eine Thatsache, „dass Döllinger
nie Kurialist oder Papalist war, nie die jesuitische Doktrin und Gläubigkeit zu der seinigen
machte“, sowie die andere: „Döllinger galt als echtester, ja als „hyperorthodoxer“
Katholik, bis die jesuitische Doktrin und Gläubigkeit oder der Ultramontanismus zur
Herrschaft kam.“
Bekanntlich ist schon DöUingers Vater ein hervorragender Gelehrter gewesen,
dessen „erstes Auftreten (1803/4) eine Neuerung bedeutet“ (37). Unter solch gediegener
Anleitung wuchs der Knabe in einem Hause heran, das den Sammelpunkt der ersten
Männer jener Zeit bildete. Wir verfolgen die geistige Entfaltung des Knaben und
Jünglings, sein Verhältnis zu dem deutschen Dichter Platen, dessen (1893) in unserer
Zeitschrift (Bd. I. S. 69—103) bereits eingehende Erwähnung geschah, Döllingers Priester¬
weihe und erste Verwendung als Seelsorger in Marktscheinfeld. Rasch bricht das Talent
des jungen Mannes sich eine neue Bahn zum Lehrfache, und bald erblicken wir ihn „in
der frischesten Spann- und Schaffenskraft“ (183) als Professor an der theologischen
Fakultät der Universität München. Die litterarische Thätigkeit Döllingers blieb nicht
ohne Angriffe; aber nicht bloss hin und wieder dem in Jahresfrist entstandenen Werke
anhaftenden „unbedeutenden historischen“ Irrttimern galt die berechtigte Kritik, „sondern
gegen die Orthodoxie des Verfassers“ (263) richtete sich die Anklage der Gegner, weil
er schon damals der Ansicht war, die Kirche bedürfe zu ihrem Blühen und Gedeihen der
Jesuiten nicht (282) — Auf den einmal gewonnenen Anschauungen von der Aufgabe
der wahren Religion und der christlichen Kirche, ihrer eigenen sittlichen Kraft und Be¬
deutung sehen wir Döllinger in den ereignisreichen folgenden Jahren, die an Kampf und
Erfolg dem Forscher so vieles brachten, entschieden stehen bleiben. In dem Jahre 1837,
mit dem der erste Band abschliesst, bewundern wir den acht und dreissigjährigen Professor
bereits als eine der allerhervorragendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Theologie,
gefeiert und befragt vom Auslande, eine gewichtige Stimme im eigenen Vaterlande, den
eben für sich zu gewinnen England ernste Schritte that.
Der Inhalt der vorliegenden Biographie Friedrichs geht, wie schon der flüch¬
tigste Blick auf dieselbe lehrt, weit über das hinaus, was der Titel verspricht. Es
ist dies Buch nicht etwa eine Darstellung eines nach allen Seiten hin grossen Mannes,
es ist eine Geschichte seiner ganzen Zeit. Nirgend begnügt sich der tiefe Kenner unserer
Kirchen- und politischen Geschichte mit der Erzählung eines Ereignisses aus dem Leben
seines Helden, überall setzt er es in das richtige Licht, und die Thaten, Schriften, Äusse¬
rungen Döllingers entspringen, wie eine Naturnotwendigkeit, aus dem Geiste seiner Um¬
gebung und der Anschauung des Zeitalters. Nirgend begegnen wir dürren Daten und
unvermittelten Vorkommnissen, die nur zu oft das Lesen s. g. Biographien wenig an¬
ziehend machen, hier ist alles begründet, alles Ursache und Wirkung.
Friedrichs Buch enthält ein Stück Kulturgeschichte. Wir entnehmen aus ihm
ein Bild der innersten Vorgänge in Bayern und Deutschland; es ist eine Geschichte der
Wissenschaft und Litteratur, der wir die damalige Gestaltung der Universitäten und
Lyzeen und das Getriebe ihrer Vertreter quellenmässig entnehmen; es ist eine Geschichte
der Kunst und ihrer Entwickelung. Wir sehen Döllinger im Kampf oder friedlich zu¬
sammenwirkend mit den ersten Namen auf allen Gebieten jener Periode, mit Heinrich
Heine, Joh. Ad. Möhler, Lammenais, W r isenian und anderen zahlreichen Geistern, ein be¬
redter Beweis für die Bedeutung, die man schon damals dem Theologen und Forscher im
Inlande und auswärts beimass.
Dem Erscheinen der beiden Schlussbände, das Friedrich noch im Laufe des
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8 *
Anzeigen und Besprechungen.
Jahres 1899 in Aussicht stellt, kann man mit dem höchsten wissenschaftlichen Interesse
entgegenselien. Wird dem letzten Teile, wie voraussichtlich, ein umfangreiches Personen-
und Sachregister beigegeben, so .wird sich aus diesem allein schon beurteilen lassen, welche
Summe von Material in dieser Biographie steckt, wie fast kein Ereignis politischer,
wissenschaftlicher, litterarisclier Art in demselben unberührt und unerklärt blieb, wie kein
Name von irgendwelcher Bedeutung aus jenen Tagen in demselben fehlt — kurz dass,
abgesehen von dem rein theologischen Werte der Arbeit, die anderswo gewürdigt werden
muss, Friedrich ein Werk begonnen hat und hoffentlich bald glücklich zu Ende führt,
das dem Forscher auf kulturgeschichtlichem Boden und dem Vertreter der bayerischen
Geschichte als wertvollstes Handbuch zur Seite stehen muss.
München. R.
Geschichte der Georgskirche (Malteser kirche) in Amberg.
Mit Grundriss und mehreren Abbildungen. Grösstenteils nach
archivalischen Quellen bearbeitet von Georg Blössner, k. Semi-
nardirektor in Amberg. (Sonderabzug aus dem L. Bande der Verhandlungen des
histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg). Druck Von J. & K. Mayr
in Stadtamhof. 1898 (62 S.)
Die anspruchslose Arbeit behandelt in anziehender Form die Geschichte des ältesten
Gotteshauses der Stadt Amberg, nach Sighart eines Baues von „grossartiger Anlage und
originellen Motiven, ausgezeichnet durch überaus schlanke Verhältnisse.“ Die w'echselvollen
Geschicke der Stadt spiegeln sich in der Geschichte der Kirche wider, die beiden Kon¬
fessionen einst als Kultusstätte diente. Die lebendige Schilderung der Ereignisse der
Geschichte und ihrer Einflüsse auf die Malteserkirche wird durch ein paar sehr hübsche
Bilder unterstützt, sodass das Schriftchen auf willkommene Aufnahme rechnen darf und
besonders der stattlichen Zahl deijenigen ein dauerndes Andenken bieten kann, welche
seit Jahrzehnten im Studienseminar zu Amberg die Grundlage ihrer Bildung erworben haben.
München. R.
Marterln, Grab- und Hausinscliriften etc. etc. Gesammelt und
geordnet von A. Dreselly. Salzburg (Druck und Verlag von Anton
Pustet). 1898.
Immer aufs neue wird den Kulturhistoriker und speziell den Folkloristen eine
derartige Sammlung, wie die vorliegende, interessieren. Der Umstand, dass ein grosser
Teil des zusammengetragenen Materials aus bayerischem Gebiete stammt, veranlasst uns,
dem Werkchen auch in unserer Zeitschrift ein empfehlendes Wort zu widmen. Es bildet
eine vorzügliche Ergänzung der Sammlungen von Dr. I* von Hörrmaim und von anderen,
denn die grösstenteils zum ersten Male veröffentlichten Inschriften betragen an Zahl bei¬
nahe neunhundert und rühren nicht nur von Marterln, Bildstöcken und Häusern her,
sondern auch von Innenräumen und Geräten; gerade letztere Gattung ist in älteren der¬
artigen Volksanthologien gänzlich vernachlässigt. Wünschenswert wäre es nur gewesen,
wenn der Verfasser etwas genauere Quellenangabe bezw. den Fundort und, soweit an¬
gängig, auch Jahreszahlen beigefügt hätte. Das sind für die wissenschaftliche Verwertung
dieser Volkspoesien hochwichtige Punkte. Es ist zu bedauern, dass Dreselly, der selbst
diese Mängel erkannte, als er schon eine grosse Zahl gesammelt hatte, nicht wenigstens
seinen späteren Funden entsprechend genauere Notizen beifügte. Die voraussichtlich bald
erfolgende zweite Auflage wird wohl diesen Aussetzungen Rechnung tragen und so den
wissenschaftlichen Wert des Werkchens erhöhen. Etwas mehr ausmerzende Kritik bei
zweifelhaften Nummern trüge ebenfalls hierzu bei. Im übrigen kann die Sammlung den
Forschern der Volkskunde bestens empfohlen werden.
München. W.
Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft in Mön¬
chen für 1896 und 1897. (Der ganzen Reihe siebzehntes Heft.) Heraus¬
gegeben vom derzeitigen 1. Schriftführer Dr. Heinrich Zimmerer. Mün¬
chen 1898. Im Buchhandel zu beziehen durch Theodor Ackermann.
(119 S.).
Dass eine zu München tagende wissenschaftliche Gesellschaft — abgesehen da¬
von, dass durch ihre Berichte klar dargelegt wird, welchen Anteil bayerische Forscher au
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Anzeigen und Besprechungen.
9*
den gelehrten Bestrebungen der übrigen Völker nehmen — auch reiches Material zur
heimatlichen Geschichte liefert, ist selbstverständlich. In wie hohem Grade beides bei
der Münchener Geographischen Gesellschaft der Fall ist, beweist zur genüge ihr neuester
Jahresbericht Doppelt rühmlich erscheint solche Thätigkeit, als geringe Mittel zur Ver¬
fügung stehen, womit auch das Schlusswort (S. 117) den „bescheidenen Umfang“ dieses
Jahresberichtes rechtfertigt Gerade bei solch beschränkten Mitteln jedoch erscheint es
gewiss unnötig, dass Hümmerichs gediegener Vortrag über Vasco da Gama mit
dem ausdrücklichen Hinweise auf die jedem Gebildeten zugängliche Allgemeine Zeitung
(Beil. 76. 1898), sowie das unterdessen gleichzeitig erschienene treffliche Buch des gleichen
Verfassers, trotz seines historischen Wertes, nochmal (S. 40 — 76) vollständig abge¬
druckt wurde.
Wie reichlich Bavarica in den Versammlungen zur Verhandlung kommen, geht
aus den Berichten hervor. So sprach Dr. Stadler (S. 50) über die Perlfischerei in Bayern
(vgl. Forschungen V, 163 ff.), Dr. Schrötter über die neuen historischen Schulwand¬
karten des Königreichs Bayern und des Hauses Wittelsbach (von Wolf und Baldamus und
Schrötter) (S 59) u. a. Ein überaus interessanter Artikel von Prof. Dr. S. Günther be¬
handelt (S. 76—89) das bayerisch-böhmische Erdbeben vom Jahre 1329. — Bei dem Vor¬
trage des Berichterstatters über den Photocolsammelatlas freilich tritt die pädagogische
Absicht unwillkürlich fast ganz zurück; denn die eigenartige Beilage einer Kunst- und Verlags-
anstalt in diesem lediglich wissenschaftlichen Zwecken dienenden und zunächst zum
Austausche mit bedeutenden auswärtigen gelehrten Gesellschaften berechneten Jahresberichte
gemahnt so sehr an eine Reklame, wenn auch an einem gänzlich unrichtig gewählten
Orte, dass sogar die beigegebene hübsche Karte von Bayern über dies Gefühl nicht hin¬
wegzuhelfen vermag. — Wie mannigfaches Material zur bayerischen Geschichts- und
Landeskunde die Geographische Gesellschaft übrigens seit Jahrzehnten zutage gefördert
hat, erhellt am deutlichsten aus dem beigegebenen Verzeichnisse der von 1871 —1896 er¬
schienenen Jahresberichte, Vorträge und Abhandlungen. (Heft 3. 6. 8. 9. 10, 11. 12. 13.
15. 16.) Dem Wunsche des Herausgebers, dass „dieselbe mit dem 30. Jahre ihres Wirkens
einen ebenso gedeihlichen Aufschwung, wie nach dem 25.“, nehmen möge, wird sich
darum mit dem Referenten jeder Freund der Wissenschaft und ihrer Förderung von
Herzen anschliessen.
München. M—t.
Ignaz von Döllinger. Sein Leben auf Grund seines
schriftlichen Nachlasses dargestellt von J. Friedrich. Zweiter
Teil: Vom Ministerium Abel bis zum Ablauf der Frankfurter
Zeit 1837—1849. München 1899. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung
(Oskar Beck). (IV und 538 S.)
Rascher als bei der Anzeige des ersten Teiles (vgl. S. 7*) vermutet w r erden durfte,
folgte der zweite stattliche Band der trefflichen Arbeit, welcher zwölf inhaltsreiche Jahre
umfasst, Jahre, die nicht bloss für das Leben des einzelnen, sondern auch für Bayerns
und Deutschlands Entwickelung bedeutsam waren. Wir begegnen vorerst einer überaus
richtigen Beurteilung der Gesamtleistungen des Ministeriums Abel, sowie der Erörterung
der Frage, „ob der Görreskreis mit Recht ultramontan genannt wurde und noch immer
heisst“. Den „Kölner Wirren“ und der Aufregung, welche sie allenthalben w r achriefen,
gehört das zweite Kapitel. Im Ferneren verfolgen wir Döllingers bewegtes Leben inner¬
halb und ausserhalb seines bayerischen Vaterlandes, seine Reisen in Holland, Belgien und
Frankreich, seine litterarische Thätigkeit, seine Vorlesungen, seine Erlebnisse in der Gesell¬
schaft und im häuslichen Kreise. Vor allem ist natürlich Döllingers Stellung zu den
brennenden Fragen der bayerischen Hauptstadt von hervorragendem Interesse, so zu der
gehässigen Verketzerung der Protestanten (1840/41), zur Kniebeugungsfrage (1842) u. a.
Mitten in allen Kämpfen erblicken wdr Döllinger mit hohen Ehren überhäuft, als Aka¬
demiker (1843), als Rector magnificus (1844/45), a ^ s Abgeordneten der Universität München
zur Ständeversammlung (1845/46), als Propst des Hofstiftes St. Kajetan (1847) und endlich
(1848) als Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung.
Diese und eine Reihe ew r ig denkwürdiger geschichtlicher Vorgänge, an denen allen
Döllinger lebhaften Anteil nahm, und die ihn sogar, w T ie das Auftreten der Lola Montez
in München, wenn auch nur vorübergehend, in eine persönlich unangenehme Lage ver¬
setzten, finden in dem vorliegenden zweiten Bande Friedrichs ihre sachkundige Dar¬
stellung auf grund zahlreicher neuer Dokumente. Das objektive Urteil des reifen Ge¬
schichtschreibers und gelehrten Kirchenhistorikers versetzt den Leser stets in die Stimmung
der Zeit, die er schildert, und so sehen sich die Ereignisse in diesem Buche meist durch¬
weg etw’as anders, sagen w T ir richtiger und der Wahrheit entsprechender, an, als sie an
anderen Orten gewöhnlich gezeichnet w'erden. Das lebhafte Interesse, das der erste Band
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IO*
Anzeigen und Besprechungen.
erregt, steigert sich im zweiten noch wesentlich; er liefert eine stattliche Anzahl neuer
Beiträge zur inneren Geschichte Bayerns in jenen Tagen, die, so nahe sie uns liegen, oder
vielleicht eben darum, am unsichersten und widersprechendsten beurteilt werden. Dem
Schlussbande wird man darum allenthalben mit Spannung entgegensehen.
München. R.
Christophorus Hoffmann, genannt Ostrofrankus. Von
Dr. Otto Kronseder. (Programm des kgl. Maximiliansgymnasiums für
das Schuljahr 189899.) München 1899. (66 S.)
Der Verfasser hat sich der von vomeherein nicht einladenden Arbeit unterzogen,
einem „völlig unbedeutenden“ Geschichtschreiber, wie Potthast den Regensburger
Benediktinerpater Hoffmann (cc. 1465—1534) nennt, eine eingehende Studie zu widmen.
Er that dies, weil Potthast nicht alle Schriften des Ostrofrankus aufführt, und weil
es ihm anregend genug schien, nachzuweisen, wie weit der Hauch des „neuen Geistes“
in jener Epoche sich bei unserm Schriftsteller bemerkbar macht. Die überaus fleissige
Arbeit Kronseders verdient alle Anerkennung; sie erledigt alles, was sich auf unsera
Chronisten bezieht, mit gründlicher Genauigkeit und wirft auch Lichtstrahlen genug auf
seine Zeit, seine Umgebung, sein Kloster und seine Heimat. Ein echter Humanist dichtet
Hoffmann gewandt lateinische Verse in reicher Zahl, er pflegt die klassische Litteratur,
schreibt Chronik und Geschichte. In seinen „sermones“ ist ihm Sebastian Brant zu¬
nächst Vorbild. Obwohl ein Gegner der reformatorischen Bewegung hat Hoffmann
doch ein offenes Auge für die groben Auswüchse des Klerus und der klösterlichen Zucht,
deren Zeuge er allenthalben sein muss. Auch die Übergabe Regensburgs an den bayerischeil
Herzog Albert V. erregt des Chronisten heftigen Unmut Bei aller Vorliebe für seinen
Helden hat ihn der Verfasser nicht überschätzt. Dass er von seiner engen Klosterzelle,
seinem solitum latibulum aus, sich den weiten Blick des Geschichtschreibers nicht anzu¬
eignen vermochte, darf man wohl von vomeherein annehmeu. Treffend endet die nach
allen Seiten hin empfehlenswerte Studie mit K. v. Heigels Worten: „Auch Menschen
mit engen Schicksalen . . . können für den Historiker ebenso würdige, wie schwierige
Vorwürfe sein.“ — Das letztere sogar in den meisten Fällen!
München. R.
Die Kaisergräber im Dome zu Speyer. Von Dr. Johannes
Praun. (S. 381—428 der Zeitschrift für die Geschichte des Ober¬
rheins, herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission. Neue
Folge. Band XIV. Heft 3.) Karlsruhe. J. Bielefelds Verlag. 1899.
Nachdem „seit einem vollen Menschenalter die wegen der spärlichen und einander
widersprechenden Nachrichten so schwierige Frage der Kaisergräber im Dome zu Speyer
keine zusammenhängende Darstellung mehr erfahren“ hat, hat sich soeben Johannes
Praun in einer vortrefflichen Abhandlung mit derselben beschäftigt und damit der Geschichte
unserer deutschen Kaiser, sowie jener der Stadt Speyer, einen hervorragenden Dienst er¬
wiesen, obwohl auch diese neue, überaus fleissige Arbeit nach des Verfassers Worten (3S3)
sich „in so manchem Punkte mit einem ehrlichen non liquet begnügen müssen“ wird.
Vorerst mangelt nämlich in dieser Lieblingsstadt Konrads II. jedes „wenigstens einiger-
massen befriedigende Geschichtswerk“ aus der ersten Hälfte des Mittelalters, eine Lücke,
die nicht mehr wieder gut gemacht wurde. Praun stellte sich die Aufgabe, „zunächst
die ehrwürdigen Gestalten der liier bestatteten deutschen Herrscher in kurzer Betrachtung
an uns vorüberziehen zu lassen, um sodann von der Beschaffenheit und von den Schick¬
salen der Grabstätten zu sprechen.“ Mit gründlicher Sachkenntnis und nach eingehenden,
an Ort und Stelle gepflogenen Untersuchungen erörtert der Verfasser eine Reihe von
Sagen, die mit seinem Thema irgendwie in Zusammenhang stehen, bespricht jedes einzelne
Grab und die greuelvolle Zerstörung Speyers, sowie die Schändung der Leichen durch
die Franzosen. Der patriotische Wunsch, es möge durch „Augensch ein und Befund“
recht bald „zur endlichen Sühne des Frevels von 1689, zur Ehrung der gewaltigen Herrscher
der deutschen Vorzeit“ geschritten werden, schliesst die an Ergebnissen reiche, ebenso
anregende als gewissenhafte Studie.
München. R.
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Anzeigen und Besprechungen.
Der Füssener Totentanz und sein Fortleben. Von Dr. Anton
Dürrwächter. (Jahrbuch des historischen Vereins für Schwaben und
Neuburg 1899.)
Der Verfasser obiger Abhandlung, der schon längere Zeit mit anerkanntem Er¬
folge auf diesem Gebiete arbeitet (vgl. auch Forschungen, V, 89—115), beschäftigt sich mit
dem Füssener Totentanz, der zwar der Forschung bisher natürlich nicht entging, dem
„aber eine genauere Prüfung kunstgeschichtlicher Art“ „nicht zu teil geworden“ ist. Man
hielt ihn entweder für „eine Nachahmung des Holbeinschen Totentanzes“ oder „nach einer
der Frohlichsehen Ausgaben des Baseler Gemäldes gefertigt“. „Beides ist aber unrichtig.
Denn er hat zwar Holbein, aber doch nicht bloss diesen, sondern im Text und auch im
Bild den Basler Totentanz, jedoch ohne die Vermittelung Fröhlichs, zum Muster gehabt.“
Diesen Nachweis zu liefern, ist die Aufgabe, welche sich Dürr Wächter stellt, und deren
er sich auch überzeugend entledigt. Die zwanzig Toteutanzbilder, welche sich in der
St. Anna- oder Freibergerkapelle zu Küssen finden, sind der Abhandlung beigegeben und
erleichtern dem Leser die Aufgabe, derselben zu folgen und sich selbst ein Urteil zu bilden,
ganz wesentlich. Die Studie sollte „eine detailgeschichtliche Forschung auf dem Gebiete
des Totentanzes sein. Denn während die allgemeine Geschichte desselben ihre Würdigung
und Bearbeitung längst erfahren hat, ist der ins Einzelne gehenden Vertiefung noch
manche Aufgabe gestellt“ Möge der Verfasser noch zu recht vielen ähnlichen greifen
und sie, gestützt auf die ihm eigene philologisch-historische Gründlichkeit, mit gleichem
Geschicke lösen!
München. R.
Altfränkische Bilder mit erläuterndem Text von Dr. Theodor
Heil ner. Druck und Verlag von H. Stürtz, k. Uuiversitätsdruckerei in
Würzburg.
Alljährlich erscheinen, von einem einfachen Kalendarium begleitet, diese alt¬
fränkischen Bilder, die sich schon mit dem ersten Hefte viele Freunde und Verehrer er¬
worben haben. Nunmehr liegen fünf inhaltsreiche Jahrgänge vor. Wie schon der Titel
besagt, werden uns Bilder aus Franken geboten und zwar meist solche, die uns einen
Einblick in die künstlerische Thätigkeit des Landes gewähren. Neben der Architektur
erscheint vor allem die Bildhauerei in hervorragendster Weise berücksichtigt, namentlich,
was jene des Mittelalters anlangt, der ja Franken im besonderen seine bedeutende Stellung
in der Kunstgeschichte verdankt. Gute Autotypien vergegenwärtigen im Bilde die ein¬
zelnen Kunstwerke, der treffliche Text von Universitätsprofessor Dr. Heim er giebt uns
eine kurze sachliche Erläuterung mit den notwendigsten Daten und einer geschichtlichen,
beziehungsweise kunstgeschichtlichen Würdigung. Es .lässt sich nicht verkennen, dass mit
diesen Altfränkischen Bildern unzweifelhaft das Interesse für die noch allenthalben in dem
Laude an abgelegenen Orten anzutreffenden Kunstwerke geweckt und gehoben wird.
Der Fachmann wird es dem Herausgeber danken, dass er vielfach seine Wahl auf weniger
Bekanntes oder schwer Zugängliches fallen liess. Jedes der Hefte enthält ungefähr 15 Ab¬
handlungen mit 20—25 Abbildungen. Einzelheiten herauszugreifen, würde zu weit führen
und hiesse das nicht besonders Erwähnte schädigen. Wir begriissen mit jedem Jahre
freudigst diese Bilder, die den Erfolg, den sie sich bis jetzt erworben haben, mit vollem
Recht verdienen. Zum Schlüsse sei noch in anerkennender Weise der typographischen
Ausstattung gedacht. Als Dekoration des Umschlages dienen meist trefflich ausgeführte
Reproduktionen mittelalterlicher Einbände der Universitätsbibliothek Würzburg.
München. W.
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Berichtigungen.
Band II S. 126 Anm. 100. Den Artikel Schatzger enthält ein Nachtrag
(von Druffel) im XXXI. Bande S. 783, 784 der „Allgemeinen Deutschen Bio¬
graphie“.
Band IV S. 86 Anm. 56. Eingehende Studien von Professor Nikolaus Scheid
über den Jesuitenpater Nikolaus Avancini aus Brez (8. Jahresbericht des öffentlichen
Privatgymnasiums zu Feldkirch 1899 S. 5) ergaben als dessen Geburtsjahr 1811 (1. Dezember),
statt des bisher allgemein angenommenen 1612.
Band VII S. 74 Z. 12 v. u. lies D rech sei statt Dreschei.
Band VII S. 104 Z. 15 v. u. lies 1777 statt 1877.
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Register.
Abel 7*, 9*.
Abraham a Santa Clara ioo.
Ackermann Th. 8*.
Adelheid, Kfstin. 58, 170,
180, 230, 231, 247, 254.
Adlzreiter 173, 198, 232,
241, 253.
Adolf, Rheingraf 230.
Aegidius Petrus 59.
Alberti Franc. VII, VIII.
Albert Sigismund, Bisch.
260, 262.
Albrecht IV., Herz. 8,10,11-
Albrecht V., Herz. 9, 167,
258, 260, 10*.
Albuquerque A. 144.
Aldenhofen 170, 173, 174,
183, 186, 194, 195, 232,
233» 234, 236, 237.
Alexander VII., Papst 190.
Allen H. III.
Altmutter F. 128.
Anacharsis 74.
Andree A. 245.
Andriniont v. 135, 136, 137,
269, 270, 271, 272, 273,
274, 275, 276, 277.
Anetanus 254.
Angermiller 173, 179, 232.
Aretin v. 95, 235, 244.
Ariosto 92.
Arndt 95.
Arnold H. 6*.
Arsacius 5*.
Aspasia 87.
Auerbach m.
Auersperg Graf v. 187, 207,
234, 284.
August, Kurf. v.Sachsen 10.
Avancini N. 12*.
Aventin 5*.
Baierus J. J. 305.
Baldamus 9*.
Balde 79, 98.
Barbier J. G. 25, 32, 135,
i 3 6 » 1 37 * 138, 251, 267,
268, 271, 272, 273, 275, |
281, 296, 298. ,
Barclaius I.
Bärenklau 209. j
Barth 52, 55.
Bartoli 235. |
Baumgarten Graf v. 122. j
Bauthauser 125.
Bayard 72, 95.
Becher J. J. 267, 268, 270, |
276. |
Beck 6*, 7*, 9*. |
Beltin 38.
Benedikt heil. 92.
Ben venu ti J. B. 105. i
Berchem Graf v. 116, 173,
174 , 199 . 201 . 228, 231, !
237 - j
Berlo 37.
I
Bernhard Chr., Bischof v.
Münster 228, 243.
Beminger 194, 236, 237. ,
Bever 73. 1
Bianconi VII. 1
Bidermann J. 65.
Bielcke H. 234.
Bielefeld 10*.
Bilfinger 82, 99.
Bischof 46.
Blössner G. 8*.
Bluhm s. Blum.
Blum 144, 191, 198, 221,
222, 235, 242.
Böck P. h. 65. 1
Bodenmann ioi.
Boediker Joh. III.
Böheim (Bohemus) Alb. 5 *.
Bohembt A. L. 225.
Boineburg 171, 186, 198,
231, 234, 235.
Bonn 224.
Boss 188.
Bossert G. 1 *.
Bötticher (Böttiger) 75, 96.
Brant Seb. 62, 10*.
Braun Fr. 1 *.
Brennus 77.
Breton A. T. XI.
Brockhaus 94, 96.
Brokhaussen 74.
Bronner F. J. 1 *.
Bruglach 127.
Brunner 79, 234, 244, 1*.
Bücher 91, 93.
Buchholtz (Buechholtz,
Buchholz, Puechholz) v.
30, 143, 156, 286, 289.
Büchner 31, 240, 244.
Burgero v. 128.
Burgoldensis 240, 243.
Bürheu 38, 45.
Buschmann 210.
Camerlohr 148.
Canstein 189, 207.
Canzler 52.
Carner 52.
Cato 4*.
Charlotte G. Ludwig Karls
208.
Chaverin 126.
Chlodwig 6*.
Christ W. v. 4*.
Christian August v. Sulz¬
bach 168.
Christiauus Jo. II.
Claretta 231, 244.
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Columbus Chr. 73.
Comminaeus 144.
Corning H. 225, 226, 243.
Cornelius C. A. 7*.
Cornelius P. v. IV.
Cotta 77, 78, 81, 89, 93, 99.
Craven 93, 94.
Crux VIII.
Culer 38.
Dacksberg (Daxperg) J. N.
v. 108, 112, 127.
Dallenbergv. 172, 189, 234.
Darius I.
Degenfeld 47.
Denich 147.
Denkel 173, 178.
Dietlen W. 1 *.
Diez F. 58.
Dilling 52.
Diogenes 89.
Dirnitz v. 108.
Dirr (Dörr)J. 112, 117, 130.
Dobeneck L. Ch. v. 54, 56.
Döberl M. 249, 250, 251,
252, 254, 256, 257, 262,
267, 270, 290, 293, 296.
Dobrowsky 85, 100.
Döllinger 314.
Döllinger J. v. 7*, 9*.
Dörnberg v. 52, 55, 73.
Dorner 112, 133.
Dörring A. L. v. 151.
Douane 84.
Dozen 79.
Drechsel v. 73, 74, 81, 84,
90, 98, 12*.
Dreselly A. 8*.
Drexl s. Drechsel.
Drittler 56.
Druckmüller 177.
Druffel 12*.
Dürer A. VI.
Dürrwächter A. 11*.
Van-Dyck VI.
Kberhard, Herz.v.Wttmbg.
183.
Echter J., Bisch. 1 *.
Eder 43, 46, 47.
Egloffstein H. v. 309.
Einzinger v. Einzing 27, 34.
Eisenbeiss 52, 56.
Eisenmann G. 2*.
Elisabeth Charlotte von
Orleans 88, 101, 233.
Elsässer 46.
Elvers 97.
Emmerich 194, 197, 201,
202, 203, 227, 235, 236,
237, 238.
Ernmert 52, 56.
Erasmus 65.
Erdmannsdörffer 234, 240,
244.
Erhard A. 98.
Ernst 149, 228, 255, 260,
261. 264, 265.
Erouvray de 119.
JPabre 52.
Fabricius G. 306.
Falkenhausen W. v. 54, 56.
Federl 38.
Fenneberger 40, 46.
Ferdinand I., Kaiser 9.
Ferdinand II., Kaiser 25.
Ferdinand III., Kaiser 166,
168, 169, 170, 230.
Ferdinand, Erzherz. v. Tirol
174 .
Ferdinand Karl 34.
Ferdinand Maria, Kurf.v. B.
1,16,17,21,22,27,35—40,
139, 142, 144, 159 » l6 °,
162, 163, 164, 166, 168
bis 172, 176—189, 191
bis 194, 197, 199—209,
213—227, 230, 231, 232,
233,234,235,238,239,240,
241,242,247,249,250,253,
257, 258, 259, 269, 278,
279, 281, 283, 292, 297.
Feser J. 130.
Feuerbach 73.
Filchner J. G. 307.
Fink v. 89, 101.
Fischart 70.
Fleischmann 52, 56.
Flemming 37.
Flurl 27, 28, 29, 33.
Forkel 96.
Förster 67, 93.
Franciscus heil. 5*.
Franck 52, 56.
Franken J. v. 116.
Franzos K. E. 93.
Fraunhofer 88, 101.
Frays 220.
Freiberg (Freyberg) 1, 27,
3 E 32, 33 , 34 , 35 , 227.
Friedberg Graf v. 241.
Friedrich II., Erzbisch. 5.
Friedrich Wilhelm d. grosse
Kurf. 168, 188, 189, 206,
207, 222, 234, 242, 296.
Friedrich Wilhelm I. v. Pr.
46, 48.
Friedrich II. der Grosse
88, 102.
Friedrich IV.(III.),Kaiser 9.
Friedrich, Rheingraf 230.
Friedrich II., Kurf. 310.
Friedrich J. 7*, 8*, 9*.
Friesen v. 182, 213, 217.
Fröhlich 11*.
Fugger Graf v. 204, 227.
Fürsen 29, 30, 31.
Fürstenberg F.,H.,W. Egon
von 135. 136, 137, 138,
139 , 144 , 153 , 154 , 159 ,
163, 205, 209, 210, 211,
218,251, 252, 253,267,
268,270, 271,272,273,
275,281, 286, 288,290,
292,293, 296, 298,299.
Fux 126.
Galland 97.
Galli 106, 109.
Gandershofer 245.
Ganghofer H. 107.
Ganss 233.
Gaudy F. v. 59.
Gay 227.
Gehauf 56.
Gemeiner 27, 29.
Geinmigen Weyprecht v.
225.
Gentz 100.
Georg Albrechtv. Nürnberg
216.
Georg der Reiche, Herz.
7, 8, 10, 11.
Georg, Kurf. v. Branden¬
burg 10.
Georg, Ldgrf. v. Hess.-D.
184, 186, 192.
Gerneth 47.
Gewold 167, 230.
Geyer Chr. 1*.
Gibbon E. 4*.
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Giech Carl Graf v. 54, 56.
Gillis P. 65.
Gisberti Dom. 58.
Goedeke 91, 96, 98, 99, 100.
Goldhagen v. 106, 107, 110,
125, 129, 130, 133.
Gonzaga 170.
Goppenberger 127.
Görres 97.
Görs 76.
Gratnont Herz. v. 225, 244.
Gran Joh. 11.
Grappai B. 112, 113, 117,
122.
Grass 180, 233.
Gravel 194, 254, 255, 256,
293 -
(»reifenklau K. Ph. H. v.
• 102.
Greyerz v. 93, 95.
Griesenbeck 127.
Grosch 110, 112, 117, 118,
119, 120, 123, 125, 126,
127, 128, 129, 130, 131.
Groseck v. 184.
Gruithuyssen 89, 101.
Grupen 55.
Gualdo Priorato L. C. v.
252, 258, 293.
Guggenberger 126.
Guidobald, Erzbisch. 181,
256, 260, 261, 269, 280,
286, 289.
Günther S. 9*.
Günthner S. 79, 98.
Gustav Adolf VII.
Hühnlein 69.
Hain 74.
Hallberg 131.
Hammer- Purgstall v. 85,
100.
Han L. 205.
Händl J. 155.
Händler H. 284.
Hänlein 95.
Hann Erhard 7.
Hanselmann 56.
Hardenberg 69, 70, 96.
Haslang v. 247, 251, 290.
Häsnlein 68.
Haupt H. 2*.
Haushofer 2*.
Häusser 231, 240, 244.
Haussier A. 103.
Haymhausen v. VIII.
Heeren 75, 96.
Heffter 2*.
Hefner 46.
Heide 231, 234, 239, 240,
244.
Heigel F. X. 128.
Heigel K. Th. v. 71, 95.
240, 244, 250, 297, 10*.
Heigl 16, 32.
Heiland 180, 184, 194, 233,
234, 235, 236.
Heilmann 45.
Heine H. 7*.
Heinrich II., Kaiser 28.
Heinrich der Reiche, Herz.
4 » 7 -
Heintz(e) 89, 101.
Heis(s)e 75, 97.
H elf rieh H. U. 164.
Hellmann 2 *.
Henner Th. 11*.
Hepp J. 121.
Herberstein Graf J. G. v.
260.
Herder E. v. 68.
Herder L. v. s. Huber L.
Herder J. G. 98.
Herodes 87.
Herrmann 28.
Herrtlin J. N. 126.
Hertzberg 29.
Hesser 117.
Hettinger 194,195, 232, 236.
Heyne 67, 96.
Hilz 156, 289.
Hobliouse (Broughton) 82,
99 -
Hocher 143, 157, 270, 287,
288, 290.
Hoffmann v. 48.
Hoffmann Chr. 10*.
Hofmann I.
Hofstetten A. v. 130.
Hohen-Aichner 126, 127.
Hohenfeld v. 226.
Hohenlohe - Schillingsfürst
Prinz 87, 100.
Holbein VI, 11*.
Holland 101.
Holz(n)er 104, 105, 106,
107, 108.
Homer 74.
Hompesch v. 314.
Honig 91.
Hönigsstein 85.
Horaz 79.
Hörmann 95.
Hormayr J. v. 85, 92, 100.
Horn F. 8r, 98.
Hörrmann L,. v. 8*.
Hoyer 47.
Hübener 194, 236.
Huber 32, 68, 285.
— L. 68, 69, 76, 81, 83,
84, 86, 87, 93, 94, 95.
— Th. 67—90, 93, 94, 95,
96, 98, 99, IOO.
— V. A. 97.
Hübner 45.
Hübschmann Fr. IX.
Hueber C. 142, 252, 253.
Hugo 75, 96.
Hugo Eberhard, Erzbisch.
181, 230, 233.
Hume D. 4*.
Hummel 52, 56.
Hümmerich 9*.
Hun 185, 186, 192, 209, 240.
Hünningen 72.
Hunoldtstein 231.
Hurter 3*.
Ignati Fr. 143.
Ignaz heil. 92.
Inama-Stemegg v. 27, 28.
Inninger 228.
Isenburg 183, 233.
Jaecklino Giov. 64.
Jäger V. 179, 233.
Jahns 46, 48.
Janssen 35.
Jena 155, 206, 289.
Joachim 241.
Jöcher 225.
Johann Georg, Kurf. v. S.
186, 197, 201, 209, 215,
217, 218, 227, 238.
Johann Kasimir v. Pol. 204.
Johannes heil. 85.
Joseph I., Kaiser 25.
Joseph II., Kaiser 88.
Judith, Witwe Heinrichs,
des Bruders Otto I. 28.
Junge Fr. 1*.
JungingerG. 155, 156, 284.
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Kadner i*.
Karl d. Grosse 170.
Karl Emanuel 231.
Karl Gustav v. Schw. 204,
206, 221, 222, 229, 238.
Karl Kaspar v. Trier 186,
221, 224, 234.
Karl Ludwig v. d. Pfalz
165, 166, 168, 169, 172,
174—183, 186—189, 191,
192, 193, 197—206, 208
bis 212, 219, 220, 225,
226, 230, 233, 234, 238,
239, 240, 243, 244.
Karl Theodor, Kurf. 104,
105, 245, 306, VII,
VIII.
Kästner A. G. 68, 95.
Kaulbach IV.
Keck 9.
Kehrein 98.
Keller 72, 95.
Kellerer M. 1*.
Kerner J. 100.
Kiefhaber 78, 97.
Kleinstäuber 66, I.
Kiessing J. v. 91.
Kluckhohn 66, 245.
Knoch 52.
Knorr 245.
Knötschke 235.
Kobolt III.
Kobustull J. 104, 108, 112,
118, 123.
Koch-Sternfeld 27, 28, 29,
3 b 33 .
Köhler L. M. 301, 308.
Koethe 96.
Kolb J. B. 105.
Kolde Th. 1 *.
König J. 237.
Königsegg v. 252.
Konrad II. 10*.
Kösel 5*.
Kotzebue 86, 99.
Kramer 35.
Kreittmayr 15, 27, 32, 79,
97 -
Krenner v. 128.
Kretz v. 110, 129, 130.
Kroiss J. G. in.
Kronseder O. 10*.
Künsberg 232.
Künzel 91.
Kurz Graf v. 150, 183, 187,
207, 211, 227, 238, 249,
25b 252.
Iiabhart 65.
Ladislaus, Erzbisch. 5.
Lamey 301.
Lammenais 7*.
j Lang 112, 126.
- Ig. 123, 128.
| — K. H. v. 67—101.
Lauterburg A. v. 170, 198,
j 202, 237, 238.
I Leibifing K. A. v. 174, * 97 »
i 199, 200, 201, 202, 205,
218, 227, 231, 232, 233,
234, 236, 237, 238, 239.
Leibnitz 44, 48.
Leidl (Leydele) 25, 32, 135,
267, 268.
I Leist 82, 99.
I Leopold I., Kaiser 134, 135,
! 169, 187, 207, 214, 215,
I 216, 217, 218, 231, 234,
239, 242, 244, 249, 252,
! 278, 285.
Leopold Wilhelm, Erzherz.
169, 188, 207.
\ Lerchenfeld v. 28, 114.
| Lembacher 126, 130.
Lesueur VI.
Liebeskind v. 73, 74, 9 °> 9 6 -
Ligsalz 9.
Limprun (Linbrunn)v. 106,
| 107, 133.
! Lingelsheim 168, 187, 188,
230- 231.234.238.
! Lionne de 254.
Lipowsky 45, 46.
Lipp von der s. Hun.
Lippert 1 b
Lipsius J. 144, 286.
i List 84, 99.
Lobkowitz v. 135, 136, 137,
138, 139 . * 54 , 157 , 267,
j 268, 269, 270, 271, 272,
| 273, 274, 275, 278, 280,
| 281, 282, 283, 288, 290,
298, 302, 304.
j Lori 2, 27, 28, 29, 31, 33, 34.
Lothar Friedrich v. Speier
1 230.
Ludwig der Deutsche 28.
; Ludwig das Kind 28.
1 Ludwig der Bayer 4, 98,
VIII.
Ludwig der Reiche, Herz.
7, 8.
Ludwig, Herz., Bruder Wil¬
helms IV. 11.
Ludwig V., Kurf. 309.
Ludwig, Rheingraf 230.
Ludwig I., Kg. v. B. III,
IV, VI, XI, XII.
Ludwig II., Kg. v. B. V, VI.
Ludwig XIV. 58, 101, 144,
218, 247, 254, 255.
Ludwig Dauphin de Vien-
nois 58.
Lundorp 240, 241, 243.
Lünig 240, 242, 243.
Lusson A. L. XI.
Luther II.
Mackay 37.
| Maffei 47.
I Manzin 149, 247, 290.
Marellus J. 95.
! Maria Anna v. B. 114, 245.
I Marianna, bayer. Prinzessin
! 58.
f Marnholz (Mahrenholz) v.
1 1 55.289.
| Marquarden 146.
| Mässenhausen v. 107.
I Mathison F. v. 87, 100.
| Matthäus, Erzbisch. 11.
Maximilian I., Kurf. 9, 15,
• 16, 17, 20, 21, 25, 27, 30,
! 33» 34, 57, 164, 167, 258.
| Max Emanuel, Kurf v. B.
| 36, 37 , 39 » 40, 45 , 284.
1 Maximilian III. Joseph,
1 Kurf. 102, VII.
! Max IV. Joseph, Kurf. 314.
Maximilian Heinrich von
1 Köln 186, 213, 232, 234,
^ 241, 266.
Maximilian Philipp, Herz.
f 39 -
I May 175, 268.
| Mayer Mf. 27, 28, 29, 30,
} 32 , 33 *
1 May(e)r 47, 65, 133, 139,
I 15b 230, 255, 256, 284,
| 289, 8*.
I Mayr-Deisinger 31, 34.
Mazariu 169, 187.
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Meel 194,195, 196, 236, 254.
Heiser K. 4*.
Meminger 140, 141.
Memnon 74.
Merkel 230, 231, 232, 233,
234, 235, 244.
Metternich v. 147, 233.
Mensel 95.
Meyer 52, 56.
Michels V. 65.
Mieg 197, 2oi f 226, 243.
Milford 93.
Miller 156, 157, 288, 289.
Milling 56.
Möhler J. A. 7*.
Molitor 304, 306, 307.
Montez Lola 9*.
Mon(t)gelas 69, 97, 314.
Monzambano Sever. de
230, 234, 238, 243.
Moratel 123.
Morawitzky 45, 46.
Morus Th. 65.
Moser J. J. 165, 230, 231,
234, 239, 241, 242, 244.
Mössmer 66.
Muffat 167.
Müller 107.
Mulzer v. 73.
Münch Chr. v. 102.
Muncker F. 91, 95.
Murillo VI.
Murray V.
Mus(s)inaii J. B. 121, 122,
127, 128.
Machtmann 131.
Nagel A. im.
Napoleon I. 49, 51, 52, 71,
72, 76, 83, 95, 99.
Nebucadnezar 83.
Neuburger Christ. 9, 14,
3°> 3 1 *
Neuhäuser 260, 263.
Nordenius 225.
Nothafft Graf v. 187.
Oberndorff v. 119, 121.
Oefele 230.
Oppenheimer 202, 238.
Ossian 74.
Ostrofrankus s. Hoff mann
Chr.
Otfried II.
Öttingen v. 187, 227.
Otto I., Kaiser 28.
Otto, Herz. v. B. 5*.
Otto Graf 213.
Öxl C. B. 140, 141, 173, 174,
194, 232, 236, 248, 256.
— p. j. 295.
— J. A. 295.
— J. G. 134—164, 168, 169,
171, 172, 173, 180, 182,
184, 186, 188, 189, 191
bis 196, 202, 206, 208
bis 219, 221, 227, 231
bis 236, 23S, 239, 240,
241, 247—300.
— Frau 290.
Pachmayr 131.
Paciecus 144.
Paul Jean 93.
Peil 169, 175, 183, 186, 194,
199, 230, 234, 236.
Pfeffinger 244.
Philipp Valentin v. Bambg.
216.
Philipp Wilhelm, Kurf. d.
Pfalz 176.
Pichler 40, 41, 85, 99.
Pindar II.
Planck 75, 97.
Platen 7*.
Pleymann 226.
Plinius 80, 98, II.
Plittersdorf v. 198, 237.
Plotho O. L. v. 54, 56.
Pöhlmann (Pöllmann) 52,
56.
Poggendorf 96, 98.
Pontius Pilatus 87.
Portia Graf v. 207, 269.
Portmann 188, 194.
Potthast 10*.
Poussin VI.
Prantl 98, 101, 2*, 3*, 4*.
Praschius J. L. II.
Praun J. 10*.
Prechtl J. 85, 100.
Preysing Graf v. 137.
Prezenheim W. J. v. VII.
Pribram 231, 244.
Prielmayr v. 127, 292.
Prillsauer A. E. 111, 112,
115, 117, 119. I 33*
Prim J. F. 100.
Primisser 85.
Puech 38, 45.
Puecher G. 155, 207, 239,
284.
Pufendorf 204, 234, 244.
Pühler J. 252.
Pustet A. 8*.
Pythion II.
tyriche(l)berg S. v. III.
Quirinus 5*.
Rabelais 70.
Räder 26, 32.
Raittenau Wolf Dietrich v..
Erzbisch. 12, 13, 25, 31.
Ranke 101.
Ratzinger G. 5*, 6*.
Ravenstein H. E. v. 177,
232.
Reber (Röber) 112, 115,
117, 125, 127, 128,
130, 131.
Rechberg v. 126, 127, 146,
293.
Reichenbach G. v. 88, ioi.
Reiffenstuhl 18.
Reindl v. 107.
Reinhardstoettner J. B. 114.
Reithmayr W. 112, 118,130.
Reitzenstein v. 309.
Retnbrandt VI.
Resteau 226.
Reuss 75, 96, 97.
Reutmannus 306.
Rewiz zu Grueb J. v. 309.
Ribeira VI.
Riedel 56.
Riezler Sig. 28, 29, 167.
Rockinger 5*.
Romstöck 3*, 4*.
Roth 56.
Rottkäpl J. 154—157» 272,
273, 284, 289.
Roxas Chr. de 267, 268.
Rubens VI.
Rupert heil. 5*.
Rusam 1 *.
Russ 50, 52, 54, 56.
Sadler J. P. 164.
Sanchuniathon 74.
Sayler 200, 201, 237, 238.
Schallnkammer 65.
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Schatzger 12*.
Schä(t)zler L. J. 88, 100.
Scheffer |Schäf(f)erJ 38, 40,
109.
Scheid N. 12*.
Schelhorn J. G. 1 *.
Schenk 52, 56.
Scherer 143, 144. *58, 273,
284, 286, 287.
Scherren 158.
Schiessler 86, 100.
Schiller 199.
Schilter Jo. II.
Schirrmacher 5*.
Schlichtegroll 68, 74, 96,
101.
Schmeller 33, 46, 64, 65, 66.
Schmid K. v. 16, 25, 32,
135. 137, *39» 141» I 4 2 ,
146, 158, 159» l6o > l 7 &,
218, 222, 223, 224, 228,
242, 243, 247, 253, 259,
260, 267, 271, 272, 273,
274, 275, 276, 283, 284,
289, 290, 291, 296, 299.
Schmidt 52, 56.
Schmoller 28, 30.
Schnapauf 180, 232.
Schneider F. K. 112, 117,
125, 130, 132.
Schönborn J. Ph. v. 168,
169, 170, 171, 172, 177,
191, 192, 193, 195, 198,
201, 205, 212, 2l6, 2l8
bis 222, 224, 227, 235,
237» 238.
Schönfelder 37.
Schönhäusl 284.
Schöpf 69.
Schreiber G. 179, 186, 233,
234 .
Schrenk 177.
Schroeder 28, 29, 230.
Schrötter 9*.
Schuchmann 52.
Schuhgraf H. I.
Schüler 307.
Schüz 182, 233.
Schwanthaler XII.
Schwartz Chr. VIII.
Schwarzenberg 207.
Schwarzkopf 55.
Seinsheim v. 126.
Seydel 31.
i Seyfried L. 107, 109, 110,
112, 117, 120, 124.
Sighart 8*.
Sinzendorf 267, 270, 273,
274.
I Sittich Marx, Erzbisch. 21.
Snoilsky 189, 194, 195.
Söldner 121.
Sommerer 205, 239.
i Sömmering 69.
Sommervogel C. 65.
Spanheim Ez. 225.
| Spanuagel 253.
Spät 79, 98.
Spittler 96.
| Spix J. B. 88, 100.
Spizeler 107.
Stade Dietrich von II.
Stadion 255.
Stadler H., I, 9*.
Stahel 2*, 6*.
Stählin 1*.
Stainer 26, 32, 35.
Staltmayr (Stallmayr) 126.
Starck 104.
Staudinger 45, 46, 47, 48.
Stein F. 6*.
Stengel 194, 195.
Stephan V. 2*.
Stern 77, 97, 99.
| Sterne 245.
Sterz 228.
Stetten P. von 30, 34.
! Stier 228.
Stieve 30, 31, 32.
Stöckel 307.
Stöhr G. 65.
Stoiberer 38, 142, 144, 145,
148, 152, 156, 158, 285,
286, 289, 293.
Strauch 210, 237.
Streber 79.
Stubenrauch N. v. 1 ro, 115.
Stumpf 28, 133, 230, 235,
239» 244-
I Stürtz H. 11*.
Sumscher 56.
1
Xacitus 98, VII, 6*.
Tann v. d. 6*.
Tauner 228.
Taponier A. V.
Tattenbach 44.
Tavemiere 127.
Taxis Graf v. 172.
Terraill s. Bayard.
Thaller A. 124, 125, 127.
129.
Theissinger 207.
Thena 212.
Thompson - Rumford 122,
133, VIII, IX, X, XI.
Thucvdides 83, 92.
Thuille F. J. 64, 65.
Thun v. 143, 158.
Thürheim Graf v. 314
Törring Graf v. 79, 97, 110,
120, 125, 131, 260, 261,
262, 263, 266.
Tournon de 49, 50.
Trentini H. 104.
Tücking 243.
Turenne 48.
Uhland L. 98.
Usteri P. 68.
Utz 126.
Utzschneider 245.
Valley 210, 239, 240, 241.
Vasco da Gama 9*.
Velasquez VI.
Velinagel 99.
Verdizetti 235.
Violetin A. 112, 117, 124.
126.
Volmar 194, 195, 236, 250,
254, 280, 298.
Vorburg v. 171, 194, 195,
196, 198.
Vötter J. J. 64, 65.
Wächter 26, 32, 34.
Wäger I. J. 113.
Waitz 28, 96.
Walderdorf Wilderich von
213.
Wallenreiber M. K. 103.
Wallerstein Fürst v. 68, 69,
90.
Wallner v. 107.
Wampl (Wämpl) 163, 164,
228, 259.
Wangenheim 77.
Wedekind 96,
Weigel 1*.
Weigl G. 112.
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Yelin J. K. 88 , ioo.
Weiller K. 88, ioi.
Weisslingen A. v. 94.
Wenzel, Herz, zu Sagan
279, 280.
Werkmeister 80, 98.
Werner Z. 85, 100.
Westenrieder 57, 64, 66, 79,
98, 245, 246.
Widder G. v. 73.
Widl 154, 252, 253, 272,
273, 282.
Widmann Frz. 26, 34.
— 56 .
Widtman 135.
Wiebeking v. 72, 96, 101.
Wiesend(t) 52, 56.
Wilberforce Ed. III.
Wilderer 252, 253.
Wilhelm IV.,Herz.8,11,167.
Wilhelm V. Herz. 9, 12, 25,
27, 3i, 57-
Wilhelm, Ldgrf. v. Hess.-K.
183, 184.
Wilhelm, Mgrf. v. Baden
238.
Wilhelm, Herzog in Bayern
(Birkenfeld - Gelnhausen
1752—1837) 316.
Wimmer 126, 127.
Winkler L. 47.
— 56.
Wipprecht 52, 55. 1
Wisemann 7*.
Wolf 128, 9*.
Wolff Ch. v. 66.
Wolfram v. Eschenbach 6*.
Wolfsegg Graf v. 177.
Woltmann v. 70, 85, 96, 99. |
Wrede v. 71, 306. j
Wunder 56.
Wundt 231, 240, 244.
Wutke 30.
Zachow H. 107, 108, 112,
114, 117, 118, 125, 128,
130.
Zangl J. VII.
Zauner 28, 29, 31, 33.
Zedier, I.
Zeitler 52.
Zenker 78, 97.
Ziegler Th. 65.
Zimmer 114.
Zimmerer H. 8*.
Zippel(ius) Chr. I—III.
Zimgibl 27, 79, 98, 133.
Zschokke H. 67, 91—93, 96.
Zucker 1 *.
Zwiedineck - Südenhorst
240, 241, 244.
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