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Full text of "Forschungen Zur Geschichte Bayerns Vol 6yr 1898vol 7yr 1899"

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IStiM 


llARVAjß^ 


IN COMMEMORATION OF THE VISIT OF 
_ HIS ROYAL HIGHNESS 

PRINCE HENRY OF PRUSSIA 

MARCH SIXTH.I902 

ON HE HALF OF HIS MAJESTY 

THE GERMAN EMPEROR 


NTEDBYARCHIBÄÜÖ CAR5T COOMDGF PH. 
ASSISTANT PROFESSOR OF HISTORY i 




























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F orschungen 

zur 

Geschichte Bayerns. 


Herausgegeben 


Karl von f^einhardstöttner. 


VI. Band. 




f^egensburg. 

Verlag von W. Wunderling. 

1898. 

Abonnementspreis: Jährlich = 12 M. [4 Hefte bilden einen Band.] 
Einzelne Hefte für Nichtabonnenten kosten 4 M. 


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Harvard College Library 
MAR 5 1309 
HohenzolJern Collection 
Gift of A. C. CooJidge 


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Inhaltsangabe. 


Seite 


1. Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit. Von Geheim. Justizrat Dr. Karl 

Gareis, o. ö. Professor an der Universität Königsberg i. Pr. i 

2. Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten zur Zeit des zweiten Raub¬ 

krieges. Von Dr. Michael Döberl, k. Gymnasiallehrer und Privat¬ 
dozenten der Geschichte an der k. Universität München . . . 18 

3. Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen (7. September 1796). Von Dr. Richard 

Graf Du Moulin Eckart, a. ö. Professor an der g. Universität Heidelberg 55 

4. Johann Franz von Kohlbrenner. Von Professor Dr. Karl von Reinhard- 

stöttner in München.77 

5. Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage 

aus dem Jahre 1665 und die sich daran schliessenden wirtschaftspolitischen 


Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich. Von Dr. Michael 
Döberl, k. Gymnasiallehrer und Privatdozenten der Geschichte an der 


k. Universität München.163 

6. Der Vertrag von Gatschina. Von Dr. Arthur Kleinschmidt, o. ö. Professor 

an der g. Universität Heidelberg.205 

7. Die Annäherung des pfalz-neuburgischeu Herzogshauses an das bayerische. 

Von Dr. Friedrich Schmidt, k. Gymnasialrektor in Eudwigshafen a/R. 255 

8. Kleinere Mitteilungen. 


Die deutschen Handschriften zur bayerischen Geschichte in der französischen 
Nationalbibliothek. Von Dr. Karl Brunner in Karlsruhe. — Ein Beitrag zur 
Kenntnis der Mündigkeit im alatnaunischeu Rechte. Von Dr. Karl Brunner in 
Karlsruhe. — Der Minnesänger Reimar von Brennberg (ca. 1210 —1271). Von 
Hugo Obermaier in Regensburg. — Bayern und seine Hauptstadt im Eichte 
von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen V. Von Dr. Karl von Rein- 
hardstöttner. — Ein Münchener Vakanzlied des 18. Jahrhunderts. Von Dr. 
Johannes Bölte in Berlin. 

9 - Anzeigen und Besprechung e n. 

C H. Baer, Die Hirsauer Bauschule. — Heinr. Boos, Geschichte det rheini¬ 
schen Städtekultur (I. II.) — F. Breitenbach, Aktenstücke zur Geschichte des 
Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg. — Karl Brunner, Der pfälzische 
Wildfaugstreit unter Kurfürst Karl Ludwig. — Felix Dahn, Vom Chiemgau. — 
Berthold Daun, Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit. — Gust Duck¬ 
stein, Photographische Aufnahmen von Skulpturen Bambergs. — Karl Theodor 
Heigel, Geschichtliche Bilder und Skizzen. — K. Th. Hei ge 1 , Die Verlegung 


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der Ludwigs-Maximiliansuniversität nach München. — Sig. Hellmann, Die sog. 
Memoiren de Grandchamps’. — Joh. Jäger, Kloster Ebrach. — Theod. Kolde, 
Beiträge zur bayerischen Kirchengeschichte (III. Band). — K. v. Laudmann, Die 
Kriegführung des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern in den Jahren 1703 u. 1704. 
— Friedr. Lippert, Die Reformation in Kirche, Sitte und Schule der Oberpfalz. 
— Walter von Loefen, Die Feste Marienberg und ihre Baudenkmale. — Franc. 
Melzi d’Eril, Ricordo di Monaco. — Sig. Riezler, Geschichte der Hexen¬ 
prozesse in Bayern. — Adalb. Schulz, Die St. Michaelshofkirche in München. 
— Frz. S. Romstoeck, Die Jesuitennullen Prantls an der Universität Ingolstadt. 
— Georg Seeger, Peter Vischer der Jüngere. — Henry Simonsfeld, Bei¬ 
träge zur bayerischen und Münchener Geschichte. — J. Spöttle, Kurze Dar¬ 
stellung der Kulturentwickelung im Donaumoos. — H. von Treitschke, Histo¬ 
rische und politische Aufsätze. Bd. IV. — Friedr. Vogt und Max Koch, Ge¬ 
schichte der deutschen Litteratur. — J. E. Wacker 11 eil, Altdeutsche Passions¬ 
spiele aus Tirol. 

10. Register zu Band VI. 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit. 


Von 

Karl Gareis. 

es richtig ist, dass die Narisker, das Volk zwischen Nürn¬ 
berg 1 ) und dem Böhmerwald, ein Zweig der Markomannen sind, welcher bei 
deren Übertritt nach Böhmen in den alten Sitzen zurückgeblieben war 2 ), dann 
darf die Oberpfalz den Ruhm in Anspruch nehmen, der älteste Teil des 
Bayernlandes zu sein, nämlich derjenige Teil Bayerns, welcher zuerst von der 
jetzt Bayern genannten Markomannenbevölkerung 3 ) eingenommen und seitdem 
von ihr besetzt ist. Aber die Geschichte des Nariskervolkes ist fast ganz in 
Dunkel gehüllt, und selbst für die Zeit der Karolinger leuchten nur wenige 
Nachrichten über die politische Entwickelung und staatsrechtliche Stellung der 
Oberpfalz; um so sorgfältiger müssen diese wenigen Mitteilungen untersucht 
und benützt werden. 

Der Name „Nordgau“ und ebenso die Benennung Nordwald für den 
Böhmerwald setzen natürlich voraus, dass ein von demselben (markomanni- 
schen) Volke besiedeltes Land südlich davon liegt; noch vor dem Ende des 
fünften Jahrhunderts begann die Einwanderung der Markomannen in das 
heutige Nieder- und Oberbayern. In der ersten Hälfte des sechsten Jahr¬ 
hunderts aber dehnt sich die fränkische Herrschaft, wie über die Alamannen 
so auch über die Baiuwaren und unter diesen die Narisker, die Bewohner der 
Oberpfalz, aus. Es war diese Unterwerfung vermutlich schon zur Zeit Chlo- 
thachars I. (gest 561) vollzogen; der erste geschichtliche Herzog der Baiu¬ 
waren, Garibald I., von Paulus Diaconus König der Baiuwaren genannt, 
steht wenigstens um das Jahr 555 in einer gewissen Abhängigkeit vom 
Frankenkönige, und es ist möglich, dass diese Abhängigkeit schon unter 
Theuderich I. (511—533) eingeleitet wurde, und sicher ist, dass sich des 
Frankenkönigs Theudibert (533—548) Herrschaft, wie er selbst an den 
Kaiser Justinian schreibt, längs der Donau bis Pannonien erstreckte 4 ). Nach 
einem Jahrhundert Wechsel voller Schicksale der Baiuwaren, die bald mehr bald 
weniger zentralistisch von der fränkischen Oberhoheit betroffen wurden, kam 
es zu einer Auseinandersetzung des kriegerisch bezwungenen Bayernherzogs 
Oatilo mit den Hausmaiem Pippin und Karlmann; letztere scheinen da¬ 
mals (744) einen Teil des Nordgaus aus dem Verbände des bayerischen Herzog¬ 
tums, in welchem bis dahin vermutlich das ganze nördlich der Donau liegende 
Markomannen- (oder Narisker-) Land die fränkische Oberhoheit mitertragen 
hatte, losgelöst und zu dem Frankenreiche in einen engeren Verband gebracht 

Bayer. Forschungen VI, 1. 1 


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Karl Gareis 


zu haben, sei es dass dieser staatsrechtlich ein Provinzial-, Herzogtums- oder 
Grafschaftsverband war 6 ). Diese Massregel konnte dem Zwecke dienen, die 
ostfränkische Gaugrenze bis dicht au das Gebiet der bayerischen Hauptstadt 
Regensburg, des grossen Handelsplatzes au der Donau, vorzuschieben, um im 
Falle einer frankenfeindlichen Politik des Bayernherzogs sofort den Haupt¬ 
lebensnerv des Bayerulandes zu treffen; sie wurde noch dadurch unterstützt, 
dass das Bistum Eichstätt gegründet und diesem die westlichen politisch 
vom Bayernlande getrennten Landesteile des Bistums Regensburg zugewiesen 
wurden 6 ). Wenige Jahre darnach wird ein Graf S ui dg er vom Nordgau ge¬ 
nannt, der eine frankenfeindliche Politik treibt, ohne damit einen Erfolg von 
entscheidender Wirkung herbeizuführen 7 ). Nach den Unruhen, welche hiemit 
Zusammenhängen, ward der zentralistische Zug gegen Bayern stärker, zumal 
der jugendliche Bayernherzog Tassilo unter die Vormundschaft seines Oheims 
Pippin kam und dieser von 752 an nicht bloss herrschender Hausmaier, 
sondern auch förmlich Beherrscher, König der Franken war. 

Wie verhielt es sich nun während dieser Zeit und während der ihr 
folgenden Periode der gänzlichen Beseitigung der agilolfingisclien Bayern¬ 
herzoge mit dem Nordgau? Dahn sagt: Der Nordgau wurde behufs Ver¬ 
bindung mit Ostfranken vom Herzogtum Bayern abgetrennt 8 ), — der ganze 
Nordgau? Dahn fügt hinzu: nördlich der Donau, westlich von Regensburg; 
so spricht auch Riezler nur von Teilen des Nordgaus, den westlichen Strichen 
desselben als von Bayern losgelöst 9 ). Und wie verhält es sich nun mit den 
zwei Hofgütern Ingolstadt an der Donau und Lauterhofen im Nordgau, zwei 
Besitzungen, von denen berichtet wird, dass sie Karl der Grosse dem Herzog 
Tassilo zu Lehen gegeben habe, und dass sie nach dem Beschlüsse der 
Reichsteilung von 806, weil sie zum Nordgau gehören, nicht dem Bayern 
übernehmenden Sohne Karls d. Gr., Pippin, sondern dem mit dem Nordgau 
bedachten Sohne des grossen Frankenkönigs, Karl, zufielen ? 1 °). Und wie 
kommt es, dass diese zwei Hofgüter bei der Reichsteilung von 8i7 n ) als 
Ludwig dem Deutschen zufallend besonders erwähnt werden? 

Durch Verwertung der Resultate neuerer Forschungen über das Wesen 
der Marken und der Markgrafschaft, sowie durch die aus einer bisher noch 
nicht genug beachteten Verordnung Karls des Grossen über den Grenz¬ 
verkehr zu schöpfende Belehrung scheint Licht in das Dunkel jener Fragen 
gebracht werden zu können. 

Marca bedeutet zwar wie liines ganz allgemein Grenze, ja es ist das 
deutsche Wort für Grenze (slavisch) 12 ), aber es bedeutet auch Grenzlaud, Grenz¬ 
gebiet, und zwar sowohl das innerhalb der Grenzlinie des Reiches an diese 
anstossende Reichsgebiet, als auch ein ausserhalb der Reichsgrenzen gele¬ 
genes, zwar erobertes aber noch nicht vollständig in den Reichsverband ein¬ 
gegliedertes Gebiet, einen, wie wir in unserer modernen Kolonialpolitik es be¬ 
zeichnen, in unserer Interessensphäre gelegenen, aber noch nicht sicher organi¬ 
sierten Landstrich 13 ). Dieser letztere Landstrich bildet die eigentliche Mark, 
das echte Markgebiet; die innerhalb der Reichsgrenze gelegene eingegliederte 
Mark wollen wir nach dem Vorgänge anderer 14 ) Grenzgrafschaft nennen, wo- 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit. 


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bei sowohl die Möglichkeit der Umwandelung einer eigentlichen Mark in eine 
Grenzgrafschaft als auch die des Vorkommens einer Grenzgrafschaft ohne eine 
jenseits der Reichsgrenze gelegene Mark im Auge behalten werden muss. 

1. Die Grenzgrafschaft ist ein keineswegs notwendig durch Eroberung 
gewonnener, aber an und zwar innerhalb der Staatsgrenze gelegener Ver¬ 
waltungsbezirk des Staates, dessen Organisation sich nur durch die militärische 
Rücksicht auf die stete Bewachung der Grenze von der der Binnengrafschaften 
unterscheidet; zu dieser Eigentümlichkeit der Grenzgrafschaft als solcher kann 
(aber nicht muss) noch die Einrichtung kommen, dass dem Grafen derselben 
auch eine jenseits der Staatsgrenze liegende Mark unterstellt ist 1 ß ), von welcher 
sich die Grenzgrafschaft selbst aber dadurch unterscheidet, dass sie echter und 
fest organisierter Bestandteil des Staatsgebiets ist 

2. Die Mark (marca, limes) gehört als Vorland zum Staatsgebiet, liegt 
aber jenseits der Grenze der fest eingegliederten Verwaltungsbezirke des 
Staats, sie gehört als Vorland zum Staatsgebiet, wie das Glacis und sonstige 
Vorterrain (z. B. das Gebiet der drei Rayons im Sinne des deutschen Reichs¬ 
gesetzes betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung 
von Festungen vom 21. Dezember 1871) zur Festung gehört; vorausgesetzt 
wird, dass die (echte) Mark ein dem Feinde abgenommenes erobertes Land 
ist 16 ), darum muss auch noch immer für den militärischen Schutz des Mark¬ 
gebiets gesorgt werden, weshalb dies von Burgen und andern bewaffneten 
Posten besetzt und unter steter militärischer Aufsicht gehalten wird. Der 
Grund und Boden einer Mark muss schon aus militärischen Gründen zur 
Disposition des Königs stehen, ja er steht geradezu im Eigentum des Königs, 
der darüber zu Kolonisations- und anderen Zwecken verfügen kann, aber an 
die zugunsten beschenkten oder beliehenen Personen oder durch Stiftungen 
getroffene Verfügungen gebunden ist 17 ). 

Das von Baiuwaren, diese einschliesslich der Narisker gemeint, besie¬ 
delte Land nördlich der Donau (zwischen dieser, dem Böhmerwald, dem Fichtel¬ 
gebirge und der Fränkischen Höhe gelegen) tritt geschichtlich zunächst als 
Mark erobert auf ; wie vermutlich schon die Narisker das Land den keltischen 
Vorbesitzeni, deren Sprache noch durch viele Flussnamen der Oberpfalz ge¬ 
kennzeichnet wird, im grimmen Kampfe abgenommen haben, wie etwa gleich¬ 
zeitig durch Markomannen, was Tacitus ja als Erweis ihrer hervorragenden 
Tapferkeit berichtet, die (keltischen) Boier aus dem Land gejagt worden sind, 
so erzwang wohl auch jener Frankenkönig, welcher zuerst Markomannen und 
Narisker unter die fränkische 18 ) Oberhoheit brachte, mit der Gewalt der Waffen 
die Anerkennung der Herrschaft des an Bildung und Macht weit überlegenen 
Frankenreiches bis zum Böhmerwalde. Dass Procop und Jordanis und 
Gregor von Tours nicht von diesen Kämpfen berichten, schliesst die That- 
sache selbst nicht aus, nur dass diese Kämpfe sehr heftig waren und lange 
währten, scheint durch das Schweigen der zeitgenössischen Berichterstatter aus¬ 
geschlossen 19 ). Ihnen waren die böhmischen Wälder viel zu fern gelegen, 
als dass die diese etwa durchtobenden Schlachten ihrer Berichterstattung in¬ 
teressant genug gewesen wären. Eine besondere Sicherung der Grenze gegen 


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Karl Gareis 


das (Ende des 5. Jahrhunderts) von den Markomannen verlassene Böhmen hin 
schien im 6. und wohl auch im 7. Jahrhundert gänzlich überflüssig, denn 
ein bedrohliches Überschreiten des Böhmerwaldes hätte an Terrain Schwierig¬ 
keiten und an dem gleichzeitigen numerischen Übergewicht der westlich vom 
Böhmerwald sitzenden thüringischen und nariskischen Völkerschaften den vor 
der Ankunft der Czicho-Windonen 20 ) an Zahl schwachen Slaven Böhmens 
scheitern müssen. Die Oberpfalz scheint weder von den Bewegungen und 
Kämpfen, die das merkwürdige Auftreten des zum slavischen König geworde¬ 
nen Franken Samo 21 ) hervorrief, berührt worden zu sein, noch an der von 
König Dagobert angeordneten Ausrottung bulgarischer Einwanderer in 
Bayern 22 ) Anteil gehabt zu haben. Über den Böhmerwald hin scheint damals 
wenig oder nur friedlich 23 ) verkehrt worden und für die Ausbildung der Mark 
und ihre Organisation auch in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts so wenig 
geschehen zu sein, wie im siebenten. Nehmen wir an, dass das Land zwischen 
dem Böhmerwald und den östlichsten austrasischen und alamannischen Gauen, 
nämlich dem austrasischen Ratenzgau (Ratanzgau), dessen Hauptorte wohl 
Halastadt (Hallstadt bei Bamberg) und Forchheim waren, und dem die sorbische 
Mark affiliert und teilweise inkorporiert war, ferner dem ebenfalls austrasischen 
Rangau und dem südlich davon gelegenen Sualafeld in der ersten Hälfte des 
8. Jahrhunderts in der That als Mark, und zwar ein vom fränkischen Könige 
beherrschtes echtes Markland im oben ausgedehnten Sinne angesehen und be¬ 
handelt worden ist, so würden hiezu die Massregeln sehr wohl passen, welche 
die fränkischen Hausmaier Karl Martell und dessen Söhne Pippin und 
Karlmann kraft des in der Mark dem Staate zustehenden Okkupations¬ 
rechts (oder Bodenregals) dort ergriffen: jene zwei im Nordgau gelegenen 
offenbar sehr bedeutenden Hofgüter werden als fränkische Krondomänen er¬ 
klärt (725 oder 728), Lauterhofen und Ingolstadt, und aus den in der Mark 
vor allem massgebenden militärischen und politischen Gründen wird der an 
den Gau Sualafeld anstossende westliche Teil mit Austrasien vereinigt und 
mit einem besonderen Bistume Eichstätt (741—744) versehen; dadurch ge¬ 
wannen die Franken jene Position, von deren vorgeschobensten Punkten Lauter¬ 
hofen, Eichstätt und Ingolstadt aus der Angriff auf die bayerische Haupt¬ 
stadt Regensburg und der Zutritt zum bayerischen Lande von Nordwest her 
ihnen ungemein erleichtert war 24 ). Diese noch vor der Karolinger Königs¬ 
herrschaft begründete Mark umfasste den Kelgau (Chelesgowe), so weit er nörd¬ 
lich der Donau liegt, zwischen Altmühl und Donau, den Sulzgau (Solesgowe) 
nördlich vom Kelgau, den Rudmannsberg westlich vom Sulzgau und den 
Vilsgau östlich vom letzteren, bis an die Naab hin, der Umfang dieser Mark 
wird mit dem des Bistums Eichstätt in der zweiten Hälfte des achten Jahr¬ 
hunderts zusammengefallen sein, der Eichstätter Bischof residierte auch in 
Ingolstadt („Aureatum“), weshalb das Eichstätter Bistum auch episcopatus 
Aureatensis heisst, der bei Eichstätt begüterte Graf Suidger wird als Graf des 
Nordgaus bezeichnet. 

So war die Stellung der Franken noch in der ersten Periode der Herr¬ 
schaft des letzten Agilolfingers Tassilo. 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 


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Das freundliche Verhältnis, welches zeitweilig zwischen diesem und 
dem mächtigen Frankenkönige, dem seit 768 herrschenden Karl dem Grossen, 
bestand, führte zu dem schwer zu erklärenden Ereignis 25 ), dass Karl dem 
Bayernherzoge die Krongüter Ingolstadt und Lauterhofen als eine Art Lehen 
übertrug 2 ®); vielleicht geschah die Verleihung dieser Krongüter an Tassilo 
aus keinem anderen Grunde, als um ihn von Karl abhängig erscheinen zu 
lassen, indem er ein beneficium von ihm annimmt, vielleicht geschah es um 
ausdrücklich zu erkennen zu geben, dass die Güter nicht zum bayerischen 
Nordgau, nicht zum Herzogtum Baiuwarien gehören, obwohl zugleich gesagt 
wird: pertinent ad pagum, qui dicitur Northgowe, vielleicht auch geschah es, 
um auf Tassilo die Last der Erhaltung der Hofgüter in gutem Zustande, wie 
es die Kapitularien den Inhabern von Beneficien einschärfen 27 ), überzuwälzen 
und ihn zum nachhaltigen Schutze desselben zu verpflichten, während die 
Stellung der Franken in keinem Falle gefährdet erscheinen mochte, so lange 
sie in Eichstätt und Forchheim und an weiter östlichen Punkten, zu denen 
vielleicht Premberg (siehe unten Seite 9) gehörte, festen Fuss hatten; jeden¬ 
falls hinderte der Beneficialbesitz Tassilos in Ingolstadt wenige Jahre nach¬ 
her die Franken nicht, den austrasischen Heerbann bis Pföring zwischen 
Regensburg und Ingolstadt vorrücken zu lassen. Und wieder einige Jahre 
nachher ward Tassilo der Herzogswürde entkleidet und abgesetzt, und Bayern 
unter die Verwaltung fränkischer Grafen gestellt (788). 

Von dem nämlichen Jahre, da letzteres geschah, berichten die Annalen 88 ), 
dass der grosse Frankenkönig nach Bayern kam und die Provinz mit ihren 
Grenzgebieten in Ordnung brachte (eandem provinciam cum suis terminis ordi- 
navit atque disposuit). Diese Grenzordnung war in der Oberpfalz nicht so 
notwendig und schwierig wie an der bayerischen Ostgrenze südlich von der 
Donau; auf letztere wird sich die Markorganisation Karls d. Gr. nach dem 
Sturze Tassilos notwendig zu allererst bezogen haben. Nördlich der Donau 
mag die vorhandene Organisation genügt haben, nur dass nun die in dem 
Bistum Eichstätt vereinigten Gaue nicht mehr als ein gegen die Bayernhaupt¬ 
stadt Regensburg hin Front machendes fränkisches Markland erscheinen, son¬ 
dern als Grenzgrafschaft eines in Regensburg selbst residierenden fränkischen 
Grafen (confinii comes?) 29 ) von Regensburg aus verwaltet wurde. 

In den nächstfolgenden Jahren hielt sich König Karl wiederholt und 
lange in Regensburg auf, von hier aus ordnete er insbesondere die östlich 
von Bayern südlich der Donau gelegene Mark und die avarischen Angelegen¬ 
heiten, von hier aus betrieb er den Bau des von ihm geplanten Kanals zwischen 
Donau und Main, d. h. Rednitz (Radantia) und Altmühl (Aloinana). Im Nord¬ 
gau und in Böhmen herrschten durchaus friedliche Verhältnisse, dies geht 
nicht bloss aus dem langen Aufenthalt des Königs in Regeusburg und seinen 
dortigen Staatsakten hervor, sondern auch aus dem Berichte, dass er im Jahre 
803 friedlich in der Oberpfalz jagte 30 ). So konnte er die nordgauische Mark 
wesentlich sich selbst überlassen und wohlgesichert zu Durchmärschen be¬ 
nützen. Letzteres geschah namentlich bei dem grossen kombinierten Angriff, 
durch welchen Karl im Jahre 791 die Avaren für viele Raubzüge strafen und 


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Karl Gareis 


von neuen abhalten zu müssen glaubte; drei Armeen leitete Karl gegen das 
östlich der Ens an sein Reich angrenzende Avarengebiet: in der Mitte zogen 
die Bayern, wahrscheinlich geführt von ihrem tapferen Praefekten Gerold, sie 
hatten auf zahlreichen Schiffen die zum Unterhalte der Heere nötigen Vor¬ 
räte donauabwärts zu geleiten, bei ihnen befinden sich die Bischöfe Sindbert 
von Regensburg und Otto von Freising, während zu Regensburg der Erz¬ 
bischof Rikulf mit der Königin Fastrada zurückgeblieben war 31 ); auf dem 
rechten Flügel nördlich der Donau führte Karl selbst, den altrömischen Donau¬ 
strassen folgend, den alamanischen und südfränkischen Heerbann, und auf dem 
linken Flügel nordwärts der Donau zogen die Nordfranken mit den Friesen, 
Sachsen und Thüringern unter dem Befehl des Kämmerers Meginfried und 
des Grafen Theoderich; dieser linke Flügel zog durch die Oberpfalz, und es 
ist nicht zu gewagt, wenn man annimmt, dass er aus dem Mainthal durch das 
Regnitz- und Pegnitzthal in den Nordgau gelangte. Vom Thale der Pagenza 
(Pegnitz) aus ist auf uralten Strassen 82 ) leicht und rasch das Lautrachthal zu 
gewinnen, und am Anfang desselben liegt jenes vorhin (Seite 2—3) erwähnte 
Krongut Lauterhofen, welches Karl Marteil schon in den Besitz des Franken¬ 
königs brachte, und dessen Bedeutung sich aus der geographischen Lage klar 
ergibt: denn ist das Lautrachthal erreicht, steht dem Reisenden oder dem 
reisigen Heere kein bedeutendes Fahrthindernis bis zur Donau oder bis nach 
Böhmen 88 ) im Wege. Der Lautrach folgt der Strasse an Kastl und Hoehen- 
burg vorüber nach Schmidmühlen, wo jener Fluss sich in die Vils ergiesst, 
von da ist auf zwei Wegen ins Naabgebiet bei Burg Lengenfeld zu gelangen, 
und von da öffnet sich die wohl zunächst in betracht kommende Strasse nach 
Böhmen, der uralte Völkerweg aufwärts dem Regenflusse über Nittenau, Ro- 
ding, Cham und Furth nach Taus, das vom Naabthale aus auch über Neun¬ 
burg, Rötz und Waldmünchen erreicht werden kann. 34 ) 

Auf demselben Wege kehrte die von Meginfried und Theoderich 
befehligte Säule des Frankenheeres zurück, — abermals durch Böhmen, als der 
Avarenfeldzug glücklich beendet war. 

Aus jener Zeit friedlichen Zustandes in der Oberpfalz und friedlichen 
Verkehrs am Böhmerwalde und mit Böhmen stammen zwei interessante 
sprachliche Denkmäler, ein Wort ist in jener Zeit aus der böhmischen 
Sprache in die deutsche und eines aus der deutschen in die böhmische Sprache, 
zwischen den Jahren 748 und 805, gekommen: das erstere ist das Wort car¬ 
mul um, welches aus dem Böhmischen, wo es krainola, (kramula) lautet und 
„Aufstand“ bedeutet, in das um die Mitte des achten Jahrhunderts abgeschlossene 
Volksrecht der Baiuwaren und in bayerische Annalen derselben Zeit überging 
(lex. baiuv. II ß) 3 *). Das andere Denkmal ist kein geringeres Wort als der 
Name unseres grossen Karl, dieses ist um jene Zeit als appellativum in die 
slavischen Sprachen übergegangen und bedeutet wie das römische Wort 
„Caesar“ in der deutschen Sprache „Kaiser“, wurde dort von der böhmischen 
Sprache aus in allen slavischen Sprachen: „König“ — gewiss ein schöner 
Beweis des Ansehens und der Macht des Frankenkönigs in jenen Ländern 86 ). 

Das Verhältnis der Oberpfalz zu Böhmen änderte sich aber, als am An- 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 


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fang des neunten Jahrhunderts eine Völkerverschiebung in Böhmen eintrat Um 
diese Zeit wurden die Czicho-Windonen von den übrigen Böhmen bewohnenden 
Slaven unterschieden, sie drängen offenbar nach Süden, über die Donau sogar, 
und beunruhigen die dort wohnenden pacificierten Avaren, sodass diese sich 
Schutz suchend an Karl wenden (im Jahre 805), — hierin mag der äussere 
und nächste Anlass zu dem grossen kombinierten Angriff auf Böhmen gelegen 
sein, der innere Grund 37 ) war zweifellos die Notwendigkeit, nunmehr die Mark 
im Nordgau gegen die Czechen zu sichern. 

Nach Karls genialem und umfassendem Plane rückten drei fränkische 
Armeen in Böhmen ein und erreichten bald das strategische Ziel des Feld¬ 
zuges; auch damals zogen die austrasischen Franken, vermutlich auf demselben 
Wege wie im Jahre 791, durch den Nordgau, während die Bayern geführt von 
den Grafen Audulf und Verinhar 88 ) von Süden und die fränkischen Sachsen 
vom Norden her die Czechen zu Paaren trieben 89 ). Mit diesem Erfolg der 
fränkischen Waffen im Czechenlande ging ein siegreicher Vorstoss gegen die 
Wilzen, der von Magdeburg aus geführt wurde, Hand in Hand 40 ). Aber de¬ 
finitiv war der Erfolg gegen die Slaven doch nicht, denn schon im nächsten 
Jahre (806) musste abermals eine fränkische Strafexpedition gegen Böhmen 
unternommen werden, bayerische, alamanische und burgundische Krieger führten 
sie aus. Zwischen diese Expedition und den böhmischen Feldzug des vor¬ 
ausgegangenen Jahres fällt aller Wahrscheinlichkeit nach der Erlass der wichtigen 
Grenzverordnung von Diedenhofen (Theodonis villa), Ende des Jahres 805 41 ). 

Die Sicherung der Grenze gegen die slavischen Nachbarn des Franken- 
reichs setzt vor allem voraus, dass die Grenze selbst scharf gezogen, die 
Grenzgrafschaft von dem Vorland, der Mark, geschieden werde; sie ver¬ 
langt aber ferner, dass die Punkte, an denen die grossen Verkehrsstrassen jene 
Grenzlinien durchschneiden, genau bezeichnet unter scharfe Kontrolle gestellt 
werden. Beides erstrebt jenes Capitulare, und zwar ist der Zweck dieser Ver¬ 
ordnung, wie Felix Dahn mit Recht annimmt 42 ), nicht bloss die äussersten 
Punkte festzustellen, bis zu welchen die Inländer im Handel mit den Avaren 
und Slaven diesen ihre Waren entgegenbringen dürfen, sondern auch und 
wohl in erster Linie die Grenze zu bezeichnen, bis zu welcher jenen Barbaren 
ohne besondere Erlaubnis zu reisen gestattet sein solle, und es wird dieser 
Verkehr unter die Überwachung von ordentlichen (Markgrafen und Grafen) 
und ausserordentlichen Beamten (Sendboten) gestellt: offenbar — fährt Dahn 
fort — aus ganz ähnlichen Gründen, wie jene waren, aus welchen weiland 
die Römer den Germanen und anderen Barbaren nur auf bestimmten Strassen 
und Eingängen des limes den Marktverkehr verstattet hatten: um das freie 
Eindringen von Spähern, Dieben, Räubern, feindlich Gesinnten überhaupt zu 
verhüten. Im Zusammenhang damit steht das Verbot, Brünnen und Trutz¬ 
waffen aus dem Reiche hinaus zu verkaufen 48 ) und ebenso auch das ebenfalls 
eine sichere Grenzenziehung und Grenzüberwachung voraussetzende Verbot, 
Leibeigene ins Ausland zu verkaufen 44 ). 

Der Hinweis auf eine ähnliche Grenzhut, die wir im römischen limes 
noch heute erkennen, ist zweifellos gerechtfertigt, zeitlich näher lag der Re- 


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Karl Gareis 


gierungszeit Karls aber die nämliche Art der Grenzüberwachung an einer 
anderen Barbarengrenze des Römerreichs, nämlich an der fernen Ostgrenze des¬ 
selben: die Kaiser Honorius und Theodosius konzentrierten den römisch¬ 
persischen Handel durch eine Verordnung vom Jahre 408 (oder 409) auf 
die an den drei Hauptstrassen zwischen Persien und den übrigen römischen 
Grenzländem gelegenen Handelsplätze Nisibis, Artaxata und Kalinikum 45 ), 
und in dem Friedeusvertrage von Dara, welchen der Kaiser Justinian im 
Jahre 562 mit dem Perserkönig Chosroes I. abschloss, wurde unter anderem 
bestimmt, dass die von den Sarazenen oder von anderen Barbaren kommenden 
Kaufleute in die beiden Staaten nur über Nisibis und Dara (— und nicht auf 
unbekannten oder wenig benutzten Strassen —) eintreten dürfen, dass sie nur 
dort ihre Handelsabgaben bezahlen und ihre Pässe nehmen sollen, und dass sie, 
wenn sie hiegegen verstossen, ausser der Konfiskation der Waren, seien 
diese Waren assyrischen (persischen) oder römischen Ursprungs, den in dem 
betreffenden Lande verhängten Strafen verfallen 46 ). 

In der Grenzverordnung Karl des Grossen wird die Grenze durch die 
Ortschaften bestimmt, an denen der Grosshandel konzentriert ist und über¬ 
wacht wird, es beginnt die Linie an der untern Elbe im alten Bardengau, der 
Heimat der Longobarden zwischen Aller und Elbe 47 ) bei der Ortschaft Bar- 
daenowik (Bardovvik jetzt genannt), wo die Grenze unter der Aufsicht eines 
sonst nicht erwähnten Hredi steht; dann folgt die Grenzstätte Schezla 
(Schessel bei Cassel) unter Madalgand, — die Grenze buchtet weit gegen 
Westen ein, vielleicht der Sachsen wegen, während das darauffolgende Mage- 
doburg (Magdeburg), unter Aito, östlich vorgeschoben erscheint —vielleicht 
der Wilzen wegen, die von Magdeburg aus wie Seite 7 erwähnt, im Jahre 
805 noch bekriegt werden mussten, — dann folgt Erpesfurt (Erfurt) und 
Hallazstadt (Hallstadt bei Bamberg) 48 ), in beiden steht demselben Madalgand 
die Grenzhut zu; von Hallstadt läuft die Grenze zum nahen Forachheim 
(Forchheim), obwohl hier der wenigstens teilweise vollendete Donau-Mainkanal 49 ) 
ganz nahe zog, wird seiner nicht erwähnt 50 ), also war er wohl nicht zu Handels¬ 
zwecken bestimmt, eine Vermutung Dahns, der man beistimmen muss: der 
ganze Zusammenhang des Berichts über den Versuch des Kanalbaues ergibt, 
dass er in erster Linie zu Kriegszwecken bestimmt sein sollte, um in Kriegen 
gegen die östlichen Nachbarn den Franken Truppen und Vorräte sicher und 
bequem zu befördern, eben darum musste aber auch die Reichsgrenze weiter 
östlich geschoben und gesichert werden, wenn der hinter ihrer Linie laufende 
Altinühl-Rednitz-Kanal ungestört benützbar bleiben soll; dies ist denn auch 
durch den weiteren Lauf der Grenze ab Forchheim der Fall, denn von da 
biegt die Grenze ostwärts aus, die Handelsstrasse an der Pegnitz schirmend, 
erreicht — darf ich, wohl ohne mir den Vorwurf allzuüppiger Phantasie zu¬ 
zuziehen, annehmen — das Wassergebiet der Donau eben bei dem mehrfach 
erwähnten königlichen Hofgut Lauterhofen (von wo auch eine Strasse nach 
dem uralten Ammerthal bei Arnberg abzweigt) und folgt dem Laufe der Laut¬ 
rach bis zu ihrer Mündung in die Vils bei Schmidmühlen, von wo aus das 
Naabthal, sei es im Thale der Vils bei Kalmünz, sei es über den östlich von 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit. 


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Schmidmühlen sich erhebenden Höhenzug, bald erreicht wird. Das Capitulare 
nennt nach Forchheim als nächste Grenzstation Breemberga, dann Regens¬ 
burg, die bayerische Hauptstadt, und überträgt die Grenzhut an diesen drei 
Stationen dem Audulf, wohl demselben Grafen, der im Feldzuge von 805 einer 
der Führer des Bayemheeres war, während dem andern dieser Führer Warnar 
(Werinhar) die Beaufsichtigung der Grenze auf der letzten Strecke derselben, 
von Regensburg bis Lorch (Lauriacum) an der Donau bei der Mündung der 
Ens (Anesus) 61 ) in diese, anvertraut ist. 

Der einzige unklare Punkt in der ganzen Grenzenziehung wenigstens, 
von Magdeburg südwärts, ist die soeben genannte Station Breemberga, 
in den Handschriften wird der Name dieser Station auch Breberg, Breemberg, 
Berebemberg, Brianperg, prembert geschrieben, der kundige Benediktinermönch 
Ansegis, der von 807 an in engster Verbindung mit Kart und dessen Hof 
stand und unsere ganze Grenzverordnung in seine Capitularieusammlung 
( 1 . III c. 6) aufgenommen hat 62 ), was für ihre grosse Bedeutung und dauernde 
Geltung unleugbar spricht, schreibt den Namen: Breemberg. 

Welche Ortschaft meint König Karl, wo liegt und wie heisst heutzu¬ 
tage dieses Breemberg? 

Die meisten denken an Pfreimdt, insbesondere hält dies Boretius 68 ), wie 
es scheint, für zweifellos. Dahn 54 ) schreibt zu Breemberga: „Pfreimdt oder 
Priemberg bei Burglengenfeld?“ Wenn Dahn mit letzterem das kleine Dorf 
Premberg (im Ortslexikon ist der Name jetzt mit P. angegeben) meint, welcher 
etwa eine halbe Stunde nördlich von Burglengenfeld am rechten (westlichen) 
Ufer der Naab, hart an diesem Fusse gelegen ist, so hat er — wie Riezier — 
meiner Überzeugung nach recht: das jetzt unansehnliche Dorf mit seiner 
altersgrauen Kirche war vor 1100 Jahren ein wichtiger Grenzposten in der 
Mark des Nordgaus. Setzt man den von mir oben (Seite 8) bezeichneten Weg 
von Schmidmühlen im Vilsthale über die östlich daran ansteigende Höhe fort, 
welche die plateauartige Wasserscheide zwischen der letzten Strecke der Vils 
und dem entsprechenden Stücke des Naabthals bildet, so gelangt man in. etwa 
zwei und einer halben Gehstunde über Pottenstetten oder über Egelsee, Mühl¬ 
berg und Unterdorf an den ziemlich steilen Abfall dieses Höhenzugs dicht 
hinter dem Dorfe Premberg und befindet sich in nächster Nähe eines Punktes, 
von welchem aus man sowohl die Türme des Regensburger Domes als auch 
die Kirche des Mariahilfberges bei Amberg sehen kann und zugleich einen 
weiten Ausblick nach Osten gegen das Regenthal 56 ) zu und bis in die Gegend 
von Rötz und Wiuklani geniesst, nämlich vom Mönchhöferberge aus. Dieser 
weite Ausblick, die geschützte Lage an Berg und Fluss, die nahe Verbindung 
mit der Wasserstrasse der Vils und der Lautrach zum Krongut Lauterhofen 
und zu den Hauptorten des Radanzgaues Forchheim und Hallstadt empfehlen 
den Ort hervorragend als Beobachtungspunkt. Es ist das Verdienst eines vor einem 
halben Jahrhundert verstorbenen fleissigen Lokalgeschichtsforschers, des kundigen 
Pfarrers Franz Xaver Mayer, auf Urkunden aufmerksam gemacht zu haben, 
welche in ihrem Zusammenhang den Bestand einer Ortschaft Bremberg oder 
Premberg an der Naab im Nordgau verhältnismässig kurze Zeit nach den 


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Karl Gareis 


Karolingern und den Betrieb der Schiffahrt auf der Vils bei Schmidmühlen 
zur nämlichen Zeit dokumentieren 56 ). Laut einer dieser von Franz Xaver 
Mayer angeführten Urkunden überweist König Otto im Jahre 961 ein Besitz¬ 
tum, welches in der Ortschaft Prieperg (auch Priemberg in derselben 
Urkunde geschrieben) im Nordgau in der Grafschaft des Grafen Berthold ge¬ 
legen ist und zum Nachlass eines gewissen Diotmar gehört, dem Könige aber 
durch Schöffenspruch zugesprochen ist, samt Häusern, Hörigen und Feldern 
dem Kloster Sankt Emmeram zu Regensburg. Inhaltlich der zweiten von 
Mayer mitgeteilten Urkunde gibt ein gewisser Wikihalm dem Kloster Sankt 
Emmeram ein Besitztum in Harting und erhält dafür von genanntem Kloster 
ein ebenso grosses Besitztum, welches gelegen ist „in pago Nordgo in loco, 
qui vulgo Priemberch vocitatur juxta ainnem vocabulo Napa.“ Das Kloster 
w T ird bei diesem‘Tausch vertreten durch den Bischof Wolf gang, den Abt 
Ramuold und die beiden Vögte Werinhard und Waohard; Wolfgang war 
Bischof von Regensburg v. J. 9 7 2 bis 994 5 7 ). Höchst bemerkenswert ist die dritte von 
Franz Xaver Mayer erwähnte Urkunde aus dem Ende des achten Jahrhunderts, 
inhaltlich'welcher einer Frau Pilinrada ihre Besitzungen in Oriliheim und 
Pietenprunne und Ironishoba (vielleicht mit Irenlohe zusammenhängend?) dem 
Kloster St. Emmeram zu Händen des Abtes Rihboldus oder Richpaltus (er¬ 
wählt im Jahre 796) übergibt und dieser Schenkung noch die einer Mühle 
an der Lautrach und die einer Ländestätte an der Vils mit den Worten bei¬ 
fügt: Post hoc tradidit unum molendinum, quod est situm juxta fluviolum 
Lutteraha nominatum in loco Alaraspah dicto. Huic siquidem traditioni ad- 
junxit unam, qua nobis tradidit locum ad onerandas naves abtum, teutonice 
Ladas tat dictum, flumini sc. conti guum, quod dicitur Vilisi, in vico 
Smidimulni (Schmiedmühlen) nuncupato. 

Hier sehen wir also auch den Weg und die Schiffahrt angedeutet, die 
wir voraussetzten 58 ) und die der Graf Audulf zu überwachen hat. 

Die militärische oder politische Bedeutung der Position Premberg wird 
ferner durch zwei praehistorische Momente ins Licht gestellt. Gerade 
auf Premberg hin wendet sich die Hauptrichtung des Regenthaies, dieses Thal 
ist aber zweifellos ein uralter Völkerverbindungsweg, der rings mit Fundstätten 
aus der Brouzeperiode 59 ) umgeben ist und dadurch bedeutend absticht von 
den fast ganz der gleichzeitigen Funde entbehrenden benachbarten oberpfälzischen 
und niederbayerischen Gefilden. Bei Premberg aber stösst, wer von Osten 
her über den hircanischen Wald (Ferguna) — dessen Höhe er im Tauser 60 ) 
Pass (449 Meter) übersteigt — nach dem austrasischen Hauptlande, nach den 
Kulturstätten des Mains und des Rheins zu kommen trachtet, auf den Berg¬ 
rücken, der ihn vom Vils- und Lautrachthaie trennt, und den er nehmen muss, 
wenn er die dann bequem bis ins Pegnitzthal führende Strasse gewinnen will; 
hier scheint die slavische Einwanderung, so weit sie vom Regenthaie ausging, 
definitiv Halt gemacht zu haben, aber dicht an Premberg liegen die vermutlich 
slavischen Niederlassungen Köblitz und Teublitz; und dicht hinter Premberg 
liegt — und darauf möchte ich noch besonders aufmerksam machen — das 
weitaus grösste praehistorische Gräberfeld der ganzen Oberpfalz: nördlich vom 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 


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Friedhof von Burglengenfeld gegen Premberg zu etwa hundert Hügelgräber aus 
Stein mit Thongefässen, aber auch ein Einzelfund mit menschlichen Gebeinen, 
eisernen Waffen, Bronzeschmuck und Thongefässen 60 ). 

So kommt also unser Premberg nicht unerwartet und nicht unvermittelt 
in unserem Capitulare vor, die Jahrhunderte vorher haben wie die nachher 
Spuren der Bedeutung dieses Platzes hinterlassen. 

Die Weglinie Forchheim — Lauterhofen—Premberg—Regensburg ist die 
Grenze der Grenzgrafschaft, östlich von dieser liegt Vorland, Mark, der 
Nordgau bildet sonach eine Grenzgrafschaft und eine Mark, die böhmische 
Mark. Audulf aber und Wern har, der Graf der Ostmark, dem die Hut 
der Donaulinie Regensburg—Lorch obliegt, sind wohl nicht so unbekannte 
Männer, dass von ihnen die Bemerkung Boretius’ gelten könnte: Wer die in 
der Verordnung genannten Sendgrafen waren, kann heutzutage kaum noch 
festgestellt werden. 

Audulf war einer der vertrauten Paladine Karls d. Gr., Seneschall 
an dessen Hof 61 ), als solcher befehligte er 786 ein Heer im Kriege gegen die 
Bretonen, dann wurde er Graf vom ostfränkischen Taubergau und wahrschein¬ 
lich gleich nach dem Tode des ersten karolingischen Statthalters (praefectus) 
von Bayern, des durch seine Tapferkeit unsterblich gewordenen 62 ) Gerold, 
gefallen am 1. September 799, Grenzgraf zu Regensburg und Präfekt von 
Bayern, als solcher ist er in unserem Capitulare erwähnt, und als solcher führt 
er auch im Kriege 805 ein bayerisches Heer; es wird angenommen, dass er 
die Grenzgrafschaft bis zu seinem Tode (818) behielt 68 ). 

Eine ähnliche Stellung scheint Wern har gehabt zu haben, von dem 
wir wissen, dass auch er im Kriege von 805 ein bayerisches Heer in Böhmen 
befehligte; als Graf der bayerischen Ostmark (bis etwa 811 64 ) hatte er seinen 
Amtssitz vermutlich in Lorch. 

Von sonstigen Beamten in der Grenz graf schaft der Karolinger zeit ist 
uns nichts Näheres bekannt, als was aus der karolingischen Krougüterver- 
waltung zu schliessen ist. War Lauterhofen noch im Jahre 805 eine könig¬ 
liche Domäne, was wohl nicht zu bezweifeln ist, dann befand sich dort der 
sie verwaltende Amtmann 65 ) mit den erforderlichen Unterbeamten 66 ), es kann 
sein, dass Lauterhofen längere Zeit hindurch als wichtiger Posten hervorragend 
besetzt war: dafür spricht nicht bloss, dass dort später eine Zollstätte war 67 ), 
sondern auch wohl die Nachricht Aventins: König Karl .... „lieh Ingolstadt 
und Lauterhofen auf den Norkau (da damals der vitztumb, wie itzo 
zu Amberg, sass) Herzogen Thessei“ 68 ), darnach hätte also sogar ein 
königlicher Statthalter seinen Amtssitz zu Lauterhofen gehabt. 

Im Jahre nach jener Einrichtung der Grenzhut in der Oberpfalz wurden 
die Domänen Ingolstadt und Lauterhofen in der damals beschlossenen Reichs¬ 
teilung (vom 6. Februar 806) erwähnt 69 ): diese ausdrückliche Erwähnung, 
welche für die grosse Bedeutung dieser beiden Güter spricht, die wichtig ge- 
nug gewesen sein‘müssen, um sozusagen in einem Weltteilungsvertrage ge¬ 
nannt zu werden, kann nur den Sinn haben, ein etwa aus dem Benefizial- 
verhältuis abzuleitendes Missverständnis auszuschliessen: Tassilo hatte jene 


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Karl Gareis 


I 2 


zwei wichtigen Krongüter nicht als Herzog von Bayern, sondern nur als 
Lehnsmann des Königs, aus dem Benefizialbesitz darf also nicht etwa die 
Zugehörigkeit dieser Güter zu Bayern gefolgert werden 70 ), sie gehörten zum 
Nordgau und bleiben dabei. Und bei der Reichsteilung von 8i7 71 ) werden 
diese beiden Domänen abermals erwähnt, abermals ausdrücklich als zum Nord¬ 
gau gehörig bezeichnet, aber als demjenigen zufallend, der Bayern mit Kämthen, 
Böhmen und den avarischen und slavischen Gebieten, sicherlich also auch den 
östlich der Linie Lauterhofen—Premberg—Regensburg gelegenen Teil, die 
— böhmische — Mark im Nordgau erhalten sollte; diese Erwähnung ge¬ 
schah in der Absicht, eine Auslegung auszuschliessen, welche den Territorial¬ 
herrn des Nordgaus etwa aus dem Grunde im Besitze der genannten Hofgüter 
zu beeinträchtigen unternähme, weil diese Güter immune und der kaiserlichen 
Gewalt direkt unterstehende, vom Territorialverbande der Mark des Nordgaus 
zu Tassilos wie zu andern Zeiten getrennte vorbehaltene Besitzungen waren 72 ). 

Inzwischen, nämlich im Jahre 806, fand die bereits (Seite 7) erwähnte 
letzte Strafexpedition gegen Böhmen statt, die ohne bedeutendes Resultat ver¬ 
lief 73 ). In der böhmischen Mark im Nordgau aber entwickeln sich die Ver¬ 
hältnisse normal weiter; immer mehr wird die Einrichtung der Mark bis an 
den Böhmerwald vorgeschoben, Otto II. erneuert noch die Markgrafschaft, 
aber bald entstehen neue, kleinere Marken zwischen jenen Grenzlinien der 
alten Grenzgrafschaften und Böhmen, so die Mark Cham und die Mark Naab¬ 
burg 74 ), neue vorgeschobene Grafschaften im Nordgau nehmen den Grenzgraf¬ 
schaften der karolingischen Zeit die Grenzhut ab, und wenn auch im elften 
Jahrhundert noch die Markgrafschaft Nordgau vorkommt, so war dies nur 
dem Namen nach eine Markgrafschaft und umfasste auch nur einen Teil der 
alten karolingischen Mark, und die mächtigen Grafen der Oberpfalz, die Sulz¬ 
bacher, die Kreglinger u. a. waren dem Markgrafen nicht unterworfen. Auch 
in den alten karolingischen Grenzorten blieb es nicht beim alten, nur Regens¬ 
burg und Ingolstadt wuchsen und hoben sich immer mehr, aber wie sich 
neben dem altkarolingischen Grenzposten Hallstadt im Mainthale bald diese 
Station weit überragend das Babenberger Schloss (Bamberg) erhob, so 
entstand dicht beim Lutarahof Karls des Grossen die geschichtlich wichtige 
Burg von Kastl und dicht bei Premberg, dies ganz in den Schatten 
stellend, die Burg Lengenfeld (Burglengenfeld), nach der sich Pfalzgraf 
Friedrich im Jahre 1165 sogar palatinus de Lengveit 75 ) nennt, Jahrhunderte 
lang daun der Sitz des Vicedomamts der Oberpfalz. 


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Quellen- und Litteratur-Nachweise. 


1) Siegm. Riezler, Geschichte Bayerns Bd. I S. 27: „Mit diesem Volksnamen 
könnte wohl der anderweitig nicht zu erklärende Ortsname Nuorinberg Zusammenhängen.“ 
Felix Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker Bd. IV S. 121 
verneint aber diesen Zusammenhang, vermutlich aus sprachlichen Gründen. 

2) Riezler am angegebenen Orte S. 26, 27. 

3) Riezler a. a. O. I Seite 13 ff. und die ganze von ihm zu dieser Frage an¬ 
gegebene Litteratur (ebenda S. 14) insbesondere die Schriften von Zeuss, Wittmann 
und Büdinger. Hiezu nun Felix Dahn, Urgeschichte der germanischen und romani¬ 
schen Völker Bd. I S. 22, 23, wo von den Nariskern mit Recht hervorgehoben worden 
ist, dass sie, so lange die (übrigen) Markomannen am Main sassen, ihre Ost-, nach deren 
Niederlassung in Böhmen ihre Westnachbarn waren; ferner ebenda Bd. I S. 56 f., Bd. II 
S. 118, Bd. IV S. 120 ff. 

4) Dahn, Urgeschichte der germanischen und rom. Völker Bd. IV S. 122, 123, 
Riezler a. a. O. I S. 71. 

5) Vgl. R i e z 1 e r a. a. O. S. 83, und Forschungen Bd. XVI S. 404, Dahn 
a. a. O. S. 128. 

6) Riezler a. a. O. I S. 104 und Forschungen Bd. XVI S. 400 ff. 

7) Über Graf Suidger siehe Dahn a. a. O. S. 128, Riezler, Geschichte I S. 84. 

8) Dahn, Urgeschichte S. 121, 128. 

9) Riezler, Geschichte I S. 83, 104. 

10) Divisio regnorum 806 Febr. 6. Boretius Capitul. I pag. 126, 127. Riezler, 
Geschichte I S. 189. Dahn, Urgesch. Bd. III S. m f., Bd. IV S. 128, 131. 

11) Ordinatio imperii mense Julio 817. Pertz, Mon. Germ. Hist. III p. 141, 198. 
Boretius, Capitularien I, p. 270, 271. 

12) Das slavische Wort Grenze, böhmisch hranice, stammt von dem altslavischen 
graniza, siehe Kluge, Etymol. Wörterbuch d. dtsch. Sprache 5. Aufl. 1894 S. 145. 

13) Diese wuchtige Unterscheidung deutet schon Gg. Waitz, Deutsche Verfassungs- 
gesch. Bd. III 2. Aufl. S. 370 an; ferner Felix Dahn in seiner Deutschen Geschichte 
Bd. 1,2. Hälfte Gotha 1888 S. 379 und H. Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 1892 
Bd. II S. 171 und 172, ebenda S. 140 spricht Brunner von einer einigen fränkischen 
Grenzgrafschaften vorgelagerten Militärgrenze; ausführlich verbreitet sich über diesen 
Unterschieddie Königsberger Doktordissertation von Max Li pp, Die Marken des Franken¬ 
reiches unter Karl dem Grossen 1892. S. 6 u. ff. 

14) Nämlich Waitz, Felix Dahn, (der die eigentliche Mark als „vorläufig besetztes 
Feindesland,“ „eine Art debattable oder borderland“ bezeichnet), M. Li pp unc\ H. Brunner. 

15) Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. II S. 172. 

16) So namentlich von Waitz, L i p p und Brunner a. a. O. 

17) Waitz, Dtsch. Verf. Gesell. Bd. VII S. 88, Brunner, Dtsch. Rechts-Gesch. 
S. 71—72, Anm. 71 ebenda Graf Hundt in den Abhandlg. der bayerisch. Akad. d. Wissen¬ 
schaften. XIII S. 6. Nahe liegt hier besonders die Annahme eines Bodenregals zu gunsten 
des Frankenkönigs, wie Schröder Deutsche Reclits-Gesch. §§ 26, 28 es konstruiert 

18) Von einer gotischen Zw'ischenlierrschaft findet sich in der Oberpfalz keine Spur. 

19) Dahn, Urgesch. der germ. u. rom. Völker Bd. IV S. 132. 

20) Über die Czielio-Windones, siehe Chronicon Moissiacense, ad annum 805 Pertz 
S. S. Tom. I pag. 307, vergl. auch P e r t z S. S. Tom. I pag. 323 Anm. * * zu Annales 
Tiliani ad vocern Cinu. Vergl. Riezler, Gesch. I S. 186. 


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Karl Gareis 


21) Chronicarum quae die. Fredegarii Mon. Germ. Hist Script rer. Meroving. 
II pag. 154, 155 Hb. IV cap. 68. Über Samo siehe Dahn Urgeschichte Bd. III S. 608 ff. 
über die Schlacht (im Jahre 630) bei Wogastisburg siehe Dahn ebenda S. 632; über Taus 
siehe Vivien de Saint Martin Tom. VI p. 415 siehe unten Seite 16. Anm. 59. 

22) Über diese Blutthat siehe Fredegarii a. a. O. lib. IV cap. 72, Script, rer. 
Meroving. II pag. 157; Riezler, a. a. O. S. 77. 

23) Vergl. Riezler, a. a. O. S. 186. 

24) Dies hebt schon Aventin hervor: Lutheraviam vicum et regiam, Angilstadium 
oppidum Nariscorum regibus Francorum addicit Martellus, quo pateat in Boiariam libere 
et nemine prohibente transitus. Johannes Turmaiers genannt Aventiuus Annales 
Ducum Boiariae (hrsg. von Riezler I. Bd. München 1882 S. 383, lib. I. cap. 8). Und 
in seiner Bayerischen Chronik (hrsg. von Matth, von Lexer, Bd. II München 1886, 
Seite 83, 84) schildert derselbe Aventin (Buch III cap. 62) jene Annexion mit den Worten: 

„Herzog Karl (Karl Martell) der kam auch mit herscraft in Baiern, machet 
„überall Frid. Er lieh das ganz Baierland seinem Schwager, obg’nanntem Herzog 
„Hauenprecht (Hugibert). Der cron Frankreich und im, als Verwalter und 
„Herzogen derselben, behielt er vor (als mau s ietzo nent) für ain Interesse 
„Ingolstadt und Lautershofen, den markt und schloss bei Castel und Amerthal 
„zwischen Arnberg und Neuenmarkt (war damals ain fürstlich gesäs und haus, 
„die Nürnberger habens vor siebenundzwainzig jarn im baierisclien Krieg ver- 
„prent, ist noch ein ofener markt; entspringt alda der Wasserfluss Lautliracli, 
„hat guet visch, äsch und vörchen, feit zu Schmidmüln dem markt in die Vils.“ 
Hiezu siehe Riezler, Gesell. Bayerns Bd. I S. 82, 83 (mit der in Anmerkg. 1 ebenda an¬ 
gegebenen Litteratur), Seite 104 (mit der Anmerkg. 1. daselbst angegebenen, auf Eichstätt 
bezüglichen Litteratur). 

25) Riezler, Gesell. Bayerns, sagt (Seite 164): „Vielleicht geschah es damals (781), 
dass Tassilo, der dem Könige reiche Geschenke gebracht haben soll, von Karl als 
Gegengabe die Höfe Ingolstadt und Lauterhofen zu Lehen erhielt.“ 

26) „Quos nos quoudam Tassiloni beneficiavinius“ sagt Karl in der divisio 
regnorum 806 cap. 2 (Boretius I pag. 127). 

27) Vergl. die von Ga reis Bemerkungen zum Capitulare de villis (Abhandlungen 
zum siebenzigsten Geburtstage Konrad von Maurers 1893) Seite 215 ff. angeführten 
fränkischen Verordnungen. 

28) Einhardi annales annus 788. Pertz S. S. I pag. 175. 

29) Conversio Bagoariorum etc. Pertz S. S. VIII pag. 11, cap. 10: Tune (796) 
primus ab imperatore constitutus est confinii comes Goterammus etc. Ausser diesem 
Grenzgrafen und missatisch diesem übergeordnet residierte wohl auch in Regensburg der 
ausgezeichnete Paladin Graf Gerold, der praefectus Bavariae. Siehe oben Seite 11. 

30) Venationem bubalorum ceterarumque ferarum per saltum Hircanum exereuit. 
Annal. Mett, ad annum 803 Pertz Mon. S. S. I pag. 335, 191. Der hircanische Wald 
auch fergunna (von gotisch fairguni ?) genannt, umfasst die Böhmen im Westen (hier 
Böhmerwald) und Norden (dort Erzgebirge, siehe Dahn a. a. O. III S. im) einschliessen- 
den Gebirgszüge. 

31) Riezler, Geschichte Bayerns I, Seite 179. 

32) Vgl. J. B. Prechtl, Verhandlungen des historischen Vereins der Oberpfalz und 
von Regensburg Bd. VII (1843) Seite 14, 15 nebst dem Strasseukärtchen im Anhang; 
manches von diesem fleissigen Verfasser Behauptete, z. B. ein Vermesszug über Ingolstadt 
(ebenda S. 12, 13) ist unhaltbar, aber das über die Strassenverbindung zwischen Lauf und 
der Pegnitz und dem Lautrachthaie Gesagte dürfte kaum anzuzweifeln sein. — Auf die 
Arbeiten von Prechtl und Frz. Xav. Mayer in den Verhandlungen des historischen 
Vereins der Oberpfalz und für Regensburg Bd. VII, s. oben S. 9, 10, bin ich durch meinen 
Freund und Vetter, Herrn Oberlandesgerichtsrat Albert Vierling in München aufmerk¬ 
sam gemacht worden, wofür ich ihm auch hier meinen Dank ausspreche. 

33) Über diese Strasse siehe auch Seite 10. 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 15 


34 ) Hierüber siehe die in Anmerkung 32 angefügten Abhandlungen. 

35) Pertz. Mon. Germ. Hist. L. E- Tom. XV pag. 282. Über dieses Wort siehe 
Miklosich, Denkschriften der Wiener Akademie Bd. XV Seite 101, Bd. XXVIII S. 23. 
— Pertz, Mon. Germ. Hist S. S. Tom. I pag. 92, 93 Anmerkung 7. 

36) Hierüber siehe Miklosich, Denkschriften der Wiener Akademie der Wissen¬ 
schaften. Philolog. Hist. Klasse Bd. XXVIII (Wien 1878) Seite 23 und Miklosich, Ety¬ 
mologisches Wörterbuch der slavischen Sprachen (Wien 1886) Seite 131. Aus dem alt¬ 
hochdeutschen Namen des gewaltigen Frankenherrschers Charal (Karl) wurde czechisch 
kral; altslavisch kralt; neuslavisch, bulgarisch, kroatisch und serbisch = kralj; klein¬ 
russisch korol'; russisch korol. Bemerkenswert ist ferner, dass die Slaven die Franken 
korljazi nennen, d. i. althochdeutsch karlinc, Untertlianen des Karl. Miklosich, a. a. O. 
Bd. XXVIII Seite 23 auch schon 1867 Bd. XV Seite 101. 

37) Riezier sagt zwar, wir seien über die Veranlassung dieses Feldzuges nicht 
unterrichtet (Geschichte Seite 186), Dahn vermutet als Ursache böhmische Diebereien 
und Räubereien; siehe aber Einhardi Annal. ad annum 805. 

38) Von diesen beiden wird später noch gesprochen, nämlich Seite 9 und 11. 

39) Annales Mett, an 805. Einh. Annales eod. ao. 

40) Über das Charakteristische dieser Unternehmungen Karls siehe Dahn, Urge¬ 
schichte der germ. und rom. Völker III Seite 1112. 

41) Mon. Germ. Hist. E. E. Sectio II Capitularien reg. Franc (edd. Alfredus Boretius) 
Tom. I pag. 123. 

Der Text dieser Verordnung lautet: 

De negotiatoribus qui partibus Sclavorum et Avaronim pergunt, quousque 
procedere cum suis negotiis debeant: id est partibus Saxoniae usque ad Bardae- 
nowic, ubi praevideat Hredi; et ad Schezla, ubi Madalgaudus praevideat; et ad 
Magadoburg praevideat Aito; et ad Krpesfurt praevideat Madalgaudus; et ad Ha- 
lazstat praevideat item Madalgaudus; ad Foracheitn et ad Breemberga et ad Rage- 
nisburg praevideat Audulfus, et ad Eauriacum Warnarius. Et ut arma et brunias 
non ducant ad venundandum; quod si inventi fuerint portantes, ut omnis substantia 
eorum auferatur ab eis, dimidia quidem pars partibus palatii, alia vero medietas 
inter iamdictos missos et inventorem dividatur. 

42) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite 1113, 1114. 

43) Dahn, Urgescli. d. germ. u. rom. Völker, Bd. II, Seite 422 ff., 446. Bd. III 

Seite 1114. Siehe auch Cap. Harist. 779 c. 20, Boretius pag. 51. 

44) Dieses Verbot, welches schon Papst Gregor III. in seinem Schreiben an Bonifaz 

erheischte, siehe Bonität epist. 28. edd. Jaffe, wird gerade in der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. 
wiederholt eingeschärft, siehe: Cap. Liptinense 743 (Bor. p. 26—28). (Eestinnes im Hennegau), 
c. 3 — et ut maucipia cliristiana paganis non tradantur. Cap. Harist. 779. c. 19. De 
mancipia quae vendunt, ut in praesentia episcopi vel comitis sit, aut in praesentia archi- 
diaconi aut centenarii aut in praesentia vicedomni aut judicis comitis aut ante bene nota 
testimonia; et foris marca nemo mancipiuin vendat. Et qui hoc fecerit, tantas vices 

bannos solvat quauta mancipia vendidit; et si non habet pretium, in wadio pro servo 

semetipsum comiti douet usque dum ipsum bannum solvat (Boretius pag. 51. c. 19). 
Cf. Capitulare (90) Mantuanum, 781?, c. 7. (Boretius pag. 190 c. 7). 7. Ut nullus man¬ 

cipia christiana vel pagana nec qualibet arma vel amissario foris regno nostro vendat; 
et qui hoc fecerit, bannum nostrum componere cogatur; et si ea mancipia revocare potuerit, 
widnigild suurn componat. 

45) E. 4. Cod. de conim. et mercat 4, 63. 

46) Menander protektor in C. Müllers Fragmenta Historie. Graecor. IV 212. Vergiß 
Lebeau, Histoire du Bas-Empire IX pag. 430 s. Die Erinnerung an diese byzantinischen 
Vorläufer der Grenzverordnung Karl d. Gr. ist um so mehr angebracht, als ja bekanntlich 
die gelehrten Zeitgenossen des grosseu Frankenkönigs — sogar in wirtschaftlichen Dingen 
— sich gerne durch die Erfahrungen vorausgegangener Jahrhunderte belehren liessen. 


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i6 


Karl Gareis 


47) Vergl. von Hammerstein-Loxten, Der Bardengau 1869. Brunner, 
Deutsche Rechts - Geschichte I Seite 54, 55. Schröder, D. R. G. (2. Aufl.) Seite 91. 
Dahn, Urgeschichte etc. Bd. I Seite 21, auch Bd. III Seite 1061. 

48) Unbegreiflicherweise bezeichnet Boretius Hallstadt als jetzt nicht mehr exi¬ 
stierend; der Fehler ist nun von Krause in den addenda et corrigenda des Neudrucks 
pag. 538 verbessert: Cap. No. 44: Halazstadt = Hallstadt prope Bambergam a sept. extat 
etiamnunc. 

49) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite im. 

50) Dahn, a. a. O. Bd. III Seite 1114. 

51) Nach Einh. Annal. ad ann. 791 erstes fränkisches Feldlager im Avareukriege. 

52) Mit Ausnahme der Namen der Grafen, die wie Boretius pag. 123 Anm. 5 
wohl mit Recht annimmt, zurZeit, da Ansegis seine Capitulariensammlung veranstaltete — 
im Jahre 827 — kaum mehr alle am Leben waren. Vergl. Boretius Capit. I pag. 382 ff. 
Brunner R. G. I Seite 383. Über Anse gis siehe Gar eis Bemerkungen zum Capitulare 
de villis Seite 235—238. 

53) Boretius Capit. I pag. 123 Anm. 5. Auch in den Addenda et corrigenda 
von Krause ist dies nicht geändert. Ebenso wird Pfreimdt angenommen von Bernhard 
Simson in den Jahrbüchern des Fränk. Reichs unter Karl d. Gr. (von Siegmund Abel) 
Bd. II (1883) Seite 327. Ekart Additiones ad leges Salicas hält Premberg für Nürnberg 
(vergl. Verhandlungen des histor. Vereins der Oberpfalz und von Regensburg Bd. VII 
Seite 206). Richtig Riezler, Geschichte Bayerns I Seite 273: Premberg bei Burglengen¬ 
feld an der Naab. 

54) Urgeschichte der germ. und rom. Völker Bd. III Seite 1114. 

55) Über die geschichtliche Bedeutung dieses Thaies siehe unten Seite 10 ff., An¬ 
merkung 58. 59. 60. 

56) S. oben Anm. 32. 

57) Gams, Series episcoporurn pag. 304. 

58) Siehe oben Seite 9. Prechtl (siehe Anmerkung 32) sagt a. a. O. Seite 16: 
„V011 Hohenburg aus verfolgte die Hauptstrasse ihren Weg über Schmiedmühlen, wo eine 
Legstätt und Überfahrt über die Vils w r ar, nach Bremberg an der Naab, und endlich von 
da diesen Fluss aufw'ärts (soll heissen abwärts) nach Regensburg“. 

59) Vergl. die von Ohlenschlager in seiner Praehistorischen Karte Bayerns ge¬ 
gebenen Zusammenstellungen: Feuersteinfunde in der Tausergegend (Karte der Verbreitung 
der Feuersteinfunde), Bronzefunde das ganze Regenthal entlang bis zur Grenze (Karte der 
Verbreitung der Bronzefunde); die Hallstattfunde reichen von Westen her (aus der Gegend 
von Altdorf) genau bis in die Gegend von Premberg, nicht über die Naab hinüber, siehe 
Karte der Verbreitung der Hallstattfunde); die La Tene-Funde erstrecken sich im Naab¬ 
thal aufw'ärts genau bis in die Höhe von Premberg im Vilsthal aufwärts bis in die Höhe 
von Schmidtmühlen, siehe Ohlenschlagers Karte der Verbreitung der La T£ne-Funde. 

59a) Taus heisst auch Domazlice, Tusta (Domasum) siehe Josefa Jungmann, Slowmjk 
cesko-nemecky (PwTaze 1835) I 429, Vivien de Saint Martin a. a. O. Tom. VI pag. 415. 
Uralte Kämpfe au diesem Passe siehe Vivien de Saint Martin ebenda. Domazlice aber 
erinnert an Daleminzii und Demelchion und Dalmati, Namen einer slavischen Völkerschaft, 
die im 9. Jahrhundert wiederholt auftaucht. Pertz S. S. I pag. 307. 

60) Ohlenschlager, Praehist. Karte, Blatt 8 Schicht LII Reihe 15 Beschreibung S. 10. 

61) In der Akademie Karls d. Gr. Menalkas geheissen; vergl. Riezler D. R. G. I 
Seite 297; Dahn, Urgesch. III Seite im und Dahn, Deutsche Geschichte I. 2. S. 384; 
Simson Jahrbuch II S. 326, w r o Anm. 1 die anmutende Vermutung einer scherzhaften 
Anspielung auf Regensburg in 111011s imbrifer« als möglich an gedeutet ist. 

62) Einhardi vita Karoli c. 13. Vergl. Schwabenspiegel 31; Riezler D. R. G. I 
Seite 177, 178; Dahn, Urgesch. III 1066 u. Dahn, Deutsche Geschichte I 2 S. 340. 

63) Riezler, D. R. G. I Seite 189. Unter den Zeugen des letzten Willens Karls 
des Gr. wird neben den Grafen Walacho, Meginherus und anderen auch ein Graf 
Otulfus genannt, Einhardi vita Karoli M. cap. 33 Pertz S. S. II Seite 463. 

64) Riezler, a. a. O. Seite 186. 


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Oberpfälzisches aus der Karolingerzeit 


17 


65) Sein Amtstitel ist in den lateinisch sprechenden Quellen: judex, bei den Baiu- 
waren aber gastaldio (von ga-stallen, Gestellen, Du Cange IV 40 davon bayerisch später 
und missverständlich Gasthalter?) oder auch schon Amptmann (ampactmann), hierüber 
siehe Ga reis, Landgüterordnung Karl d. Gr. S. 25—26. Anm. 3 (iudices) namentlich die 
von Brunner, R. G. § 75 Anm. 45 angeführten Quellen. 

66) Capitulare de villis cap. 3, 5, 10. Gar eis Landgüterordnung, Karl d. Gr. 
Seite 25) (judices) S. 31, 32 zu cap. 10. 

67) Siehe Prechtl, a. a. O. 

68) Aventin, Chronik III 1 79 edd. Lex er II Seite 108. 

69) Siehe oben Seite 4. 5. 

70) Das Missverständnis könnte durch die Worte: „sicut Tassilo tenuit“ nahegelegt 
erscheinen, nicht als ob Tassilo diese Höfe hätte behalten sollen, der sie ja, wie Dahn 
Urgeschichte III Seite 1117 Anm. 1. gegen Mühlbacher richtig geltend macht, weder 794 
erhalten hat, noch nach seiner Mönchwerdung innehaben konnte; das Missverständnis 
musste vielmehr ausgeschlossen werden, damit sich nicht Pippin, dem Bayern bestimmt ist, 
gegen Karl, der den Nordgau erhalten sollte, auf jenes »sicut Tassilo tenuit« berufen 
können soll. 

71) Siehe oben Seite 13 Anm. n. 

72) Deshalb heissen sie auch in der Ordinatio imperii (Boretius, I pag. 271) 
villas dominicales ad suum (i e. Hludovici) servitium. 

73) Manche meinen sogar, sie sei nicht glücklich verlaufen, siehe Siinson, Jahrb. 
II Seite 357. 

74) Riezler, Geschichte Bayerns Bd. I Seite 746, 756, 847. Derselbe, Forschungen 
zur Dtsch. Geschichte Ad. XVIII (1878) Seite 537—539. 

75) Mom. Boic. Bd. XXIX, a 376. Riezler, Gesch. Bayerns, Bd. I S. 851. 


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Bayer. Forschungen VI, 1. 


2 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten 
zur Zeit des zweiten Raubkrieges. 


Von 

Michael Doeberl. 


ekanntlich scheidet sich die Regierung des Kurfürsten Ferdinand 
Maria in zwei einander äusserlich wenigstens schroff gegenüber stehende 
Hälften; die erstere ist gekennzeichnet durch die Ablehnung des französischen 
Anerbietens der Kaiserkrone 1657, die zweite durch den Abschluss des bayerisch- 
französischen Allianz Vertrages von 1670. 

Der Umschwung, die Entfremdung mit Österreich, die Anlehnung an 
Frankreich, vollzog sich in den Jahren 1663—69. Die entfernteren Wirkungen 
des Allianz Vertrages von 1670, der nicht bloss mit der Möglichkeit eines 
schon damals in der Luft liegenden französisch-holländischen Krieges, son¬ 
dern auch mit den zwei Hauptfragen der beiden nächsten Generationen 
rechnet, mit der Eventualität eines Erlöschens des spanisch-habsburgischen 
und des deutsch-habsburgischen Hauses, reicht bis zum Frieden von Füssen 
1745. Die nähere Wirkung aber war die Haltung Bayerns im holländischen 
Kriege, die Entsendung eines bayerischen Hilfskorps zur Unterstützung 
Kölns und damit indirekt Frankreichs trotz der kaiserlichen Sendungen 
Troyer und Wittenbach, die Aufstellung einer gegen den Kaiser ge¬ 
richteten Observationsarmee auf grund netier mit dem Herzoge von Vitry 
und dem Kardinal D’Estree geschlossener Verträge, die Aufrechterhaltung 
einer Frankreich wohlwollenden Neutralität trotz der kaiserlichen Missionen 
Königseck, Rassler und Öttiugen, trotz des Reichskriegsbeschlusses und 
einer kurfürstlichen Abordnung nach München, die diplomatische Ebnung des 
deutschen Terrains für den Nijmweger Frieden. Die Entstehungsgeschichte 
des bayerisch-französischen Bündnisses von 1670 gedenke ich demnächst zu 
veröffentlichen, die Geschichte der bayerischen Politik im holländischen Kriege 
wird später folgen. Dieser Aufsatz bezweckt Licht zu bringen in eine bisher 
ziemlich dunkle Episode der bayerischen Politik im holländischen Kriege, in 
die Geschichte des bayerischen Hilfskorps in Kölner Diensten. In erster 
Linie gilt es, die diplomatische Entstehungsgeschichte der bayerischen Truppen- 
entsendung aufzuhellen, was nur im Zusammenhang der bayerisch-kölnischen 
Verhandlungen überhaupt geschehen kann; sodann sollen Beiträge über die 



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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


19 


weiteren Schicksale des Hilfskorps geboten werden. Als Quellen dienten vor¬ 
nehmlich die im K. K. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien befindlichen kaiser¬ 
lichen Gesandtschaftsberichte, ferner die Vertragsverhandlungen zwischen Bayern 
und Frankreich, die bayerische Korrespondenz mit Köln, die kaiserlichen 
Negoziationen am Münchener Hofe in den Kölner Händeln, alle diese im 
Münchener Staatsarchiv. 

I. Seit dem Pyrenäischen Frieden vom Jahre 1659 hatte die Diplomatie 
Ludwigs XIV. die Erwerbung eines möglichst grossen Teils der spanischen 
Monarchie als unverrückbares Ziel ins Auge gefasst, im sogenannten Devo¬ 
lutionskriege hatte es bereits den ersten Vorstoss nach dieser Richtung ge¬ 
wagt, in der von Holland gestifteten Tripelallianz aber den gefährlichsten 
Widersacher gefunden. Hat auch die Haltung des Reiches, ganz besonders die 
widerspruchsvolle Politik des Kaiserhofes der Tripelallianz den Charakter der 
Halbheit aufgedrückt, *) der gewiegten französischen Diplomatie war die Be¬ 
deutung der Tripelallianz keineswegs entgangen, die darin lag, „dass die 
Republik der Generalstaaten in einer durch sie hervorgerufenen Koalition 
dem König das Mittel gezeigt hatte, dessen man sich bedienen wolle, um des 
Königs zu weit gehende Vergrösserungspläne zu durchkreuzen.“ 2 ) Der Krieg 
gegen Holland war für den König bereits beschlossene Sache zur Zeit des 
Aachener Friedens. Alle Arbeitskraft, aller Verstand, alles Talent der 
französischen wie der in Frankreichs Solde stehenden auswärtigen Diplomatie 
war in den Dienst einer Aufgabe gestellt, durch ein Netz von Verträgen, 
das über einen guten Teil Europas hin ausgespannt werden sollte, Holland 
zu isolieren, um, nach der Auffassung eines Verteidigers Frankreichs, des 
bayerischen Vizekanzlers Kaspar von Schmid, „die republique dergestalten 
in die Enge zu bringen, dass sie sich den desseins gegen Spanien hiemegst 
nicht mehr also opponim könne, wie sie seiter anno 1667 gethan.“ 3 ) Nach der 
Auffassung eines der entschiedensten Gegner Frankreichs aber, des kaiser¬ 
lichen Residenten im Haag Lisola, hatte Frankreich kein geringeres Ziel, 
als auf dem Wege über Holland die Herrschaft über den Rhein zu erringen. 4 ) 

Der wichtigste Erfolg dieses diplomatischen Feldzugs war neben der 
Sprengung der Tripelallianz das Waffenbündnis mit Köln und Münster, welches 
Frankreich ermöglichte, ohne Verletzung der spanischen Neutralität auf der Rhein¬ 
strasse durch Holland vorzudringen. Die wichtigsten Werkzeuge in franzö¬ 
sischen Diensten waren die allmächtigen Minister des willensschwachen Kölner 
Kurfürsten Maximilian Heinrich aus dem Hause Wittelsbach, Wilhelm 
und Franz Egon von Fürstenberg, die Brüder Hermanns Egon 
von Fürstenberg, des ersten Beraters des bayerischen Kurfürsten Ferdi¬ 
nand Maria. Von Wilhelm Egon von Fürstenberg ging, wie der 
letzte Anstoss zum bayerisch-französischen Allianz vertrag von 1670, so die erste 
Anregung einer indirekten Unterstützung Frankreichs im holländischen Kriege 
durch Stellung eines bayerischen Hilfskorps für Köln aus; sie reicht bis in 
das Jahr 1669 zurück. 

In einem denkwürdigen Schreiben vom 15. Juli 1669, B ) in welchem der 
Minister des Kölner Hofes Wilhelm Egon von Fürstenberg von Paris aus 


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20 


Michael Doeberl 


seinem Bruder, dem damaligen bayerischen Obersthofmarschall Hermann Egon 
von Fürstenberg, die Generalidee zum bayerisch-französischen Vertrag vom 
17. Februar 1670 entwarf, rechnet er neben der Eventualität eines Erlöschens des 
spanisch-habsburgischen und des deutsch-habsburgischen Hauses auch mit der 
Möglichkeit eines französisch-holländischen Krieges: „Es ist auch noch eine 
dritte gelegenheit, über welche man zue reden hette, nemlich wan Frankreich 
mit den staaden von Holland in krieg geraten thete, ohne Spanien darein zu 
mischen oder im geringsten zue attaquiren, wie sich Churbayern hierin guber- 
niren wolte. Nit wenig würde abzureden sain, wie in dergleichen alianzen 
zue geschehen pflegt, was einer von dem andern, im faal er attaquirt würde, 
für eine hilf zue gewerten“. Hermann Egon von Fürstenberg schickte das 
Schreiben an den damals auf der Jagd in Mauerkirchen weilenden Kurfürsten. 
In dem Begleitbriefe 6 ) sowohl wie in seiner Antwort an den Bruder sprach 
er den Gedanken aus, im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Holland 
sei es wohl thunlich, dass der Kurfürst von Bayern „etlich 1000 man, gleich 
die herzogen von Brauuschweigen gethan, gegen gewisser summa gelt, dabei 
sie kein schaden hetten, sonderbar Churköln, als welches auf solchen faal 
wegen ohne das habenden starken preteutensiones sich gewiss mit darein 
mischen thete, under pretext der nahenden Verwandschaft zue hilf schicken 
könden“. Sowohl die Generalidee Wilhelms als der Kölner Vorschlag 
Hermanns fanden beim Kurfürsten und bei'dem in seinem Gefolge befind¬ 
lichen Vizekanzler Kaspar von Schmid volle Zustimmung. In einem wohl 
von Schmid verfassten, aus Mauerkirchen unterm 12. August 1670 datierten 
Schreiben 7 ) findet der Kurfürst die bayerisch-französische Allianz von Wilhelm 
„auf die drei fälle vernünftig ausgeteilt“. Den dritten Fall, den französisch¬ 
holländischen Krieg, glaubt er zwar angesichts der noch fortbestehenden 
Tripelallianz nicht so unmittelbar in Sicht, hat aber beim Eintritt dieser 
Eventualität gegen die von Hermann von Fürstenberg vorgeschlagene Sen¬ 
dung eines Hilfskorps nach Köln kein ernstliches Bedenken: „Der drite fall 
einer ruptur mit Holland oder den Staaden Generalen bestehet meines Er¬ 
achtens auf deine, ob die Tripelalianz zu einer bestendigen perfection gelangen 
werde oder nit. Si prius, will ich darfür halten, man werde auf seiten Frank¬ 
reich nit leicht zur ruptur körnen und ihme sovil feinde auf einmal auf den 
hals laden. Si posterius, hette ich eben so grosses bedenken nit, meines 
vettern des herm kf. zu Cöllen L d da sye sich irer anligenheiten 
halber mit einmischen sollten, auf des königs in Frankreich ander¬ 
weite satisfaction mit einer nambhaften mannschaft zu assistieren. Doch 
möchte ich wol wissen, was Churcöln dabei für eine intention führe, ob sye 
sich solchen kriegs und mit was weis tailhaftig machen, auch ob sye mein 
assistenz gedulden möchte. Zu dessen erkundigung euch euers bruedern 
des bischpfen von Strassburg gegen wart occasion geben würd“. 

Die Fürstenbergische Anregung einer Unterstützung Kölns und damit 
Frankreichs im künftigen holländischen Kriege hat zwar in das Haupt¬ 
instrument des Vertrags von 1670 8 ) keine unmittelbare Aufnahme gefunden, sollte 
aber trotzdem nicht umsonst in die Welt gesetzt worden sein. Entsprechend dem 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


21 


Gedanken des Kurfürsten, bez. S c h m i d s, dass, solange die Tripelallianz be¬ 
stehe, an einen Krieg Frankreichs gegen Holland nicht zu denken sei, 
schreibt der Artikel 7 des ersten «membrum» des Hauptvertrages nur vor, 
dass der Kurfürst sich verpflichte, in die Tripelallianz nicht einzutreten. 
Doch ein anderer Artikel, Artikel 4, bestimmt: Wenn in einem Falle, der in 
dem Vertrage nicht ausdrücklich vorgesehen ist, ein Paktant des andern be¬ 
darf, hat der angegangene Teil — vorausgesetzt, dass es seinem Interesse 
nicht geradezu widerspricht — Hilfe zu leisten auf grund noch zu treffender 
besonderer Vereinbarungen. Wie schon aus der äusseren Übereinstimmung 
mit der bezüglichen Stelle im Memorandum Wilhelms zu ersehen ist, bezieht 
sich dieser Artikel auf die Eventualität eines holländischen Krieges. Und 
auf grund desselben sind sowohl die neuen bayerisch-französischen Verträge 
vom 14. Januar 1673 und 5. Juli 1674 9 ) als auch die bis jetzt unbekannte 
Militärkonvention mit Köln vom 25. April 1672 und der damit in Verbindung 
stehende französisch-bayerische Garantievertrag vom 27. Mai i 672 10 ) zustande 
gekommen. 

II. Mit Beginn des Frühjahrs 1672 sollten die grossen Projekte 
Frankreichs zur Verwirklichung kommen. Im Januar 1672, als eben Köln 
zu dem sogenannten Neutralitätsvertrag des vorausgehenden Jahres eine 
Offensivallianz mit Ludwig XIV. gegen Holland gefügt hatte, als es bereits 
mit der Aufstellung einer Armee von 18000 Mann beschäftigt war und 
gerade französische Hilfsvölker in die festen Plätze des Stiftslandes aufnahm, 
ordnete Maximilian Heinrich seinen Rat Friedrich Wilhelm von Bock¬ 
horst nach Wien ab. 1 *) Er sollte nicht bloss die Bestätigung des mit der Stadt Köln 
geschlossenen Interimsvergleiches erwirken, sondern auch dem Kaiser in be¬ 
weglichen Worten die gefährdete Lage des Erzstifts angesichts der holländischen 
Drohungen vorstellen und ihn um seine Vermittelung bei den Generalstaaten 
ersuchen, dass sowohl die Neutralität der kölnischen Lande von den Holländern 
aufrecht erhalten als auch die Festung Rheinberg restituiert werde. 

Köln bezwecke, so heisst es in der bis jetzt unbekannten, im 
Münchener Staatsarchive abschriftlich erhaltenen Instruktion, mit seinen 
Rüstungen und den französischen HilfsVölkern, die es auf grund einer 
Defeusivallianz vom Jahre 1669 aufgenommen hätte, keinen Krieg, sondern 
lediglich Schutz seiner Lande vor einem feindlichen Anschläge Hollands. 
Es sei sogar bereit, in die vom Kaiser mit dem Bischöfe von Münster 
und andern Reichsfürsten geschlossene Provisionalallianz, das Marien¬ 
burger Bündnis, einzutreten. Der Erzbischof habe allerdings (in dem 
Neutralitätsvertrage von 1671) den Franzosen im Falle eines französisch¬ 
holländischen Krieges Durchzug und Verproviantierung zugesagt, er sei 
aber bereit, dieselbe Vergünstigung den Holländern zu gewähren; darin 
liege also keine Verletzung der Neutralität. „Die neutralität besteht nicht 
darin, das derienige, so neutral sein will, die im krieg stehende parteien ihres 
interesses halber nicht erzürne, sonder dass er dasienige, so er ihme anzu¬ 
stehen und dienlich zu sein vermeinet, gegen einen teil sowol als gegen den 
andern observire.“ Wenn man aber gegnerischerseits die Anklage erhebe, 


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22 


Michael Doeberl 


durch eine solche Vergünstigung werde Frankreich Meister nicht bloss von 
Köln, sondern von ganz Deutschland werden, so könne man darauf erwidern: 
„es sei weit ein andere sach, seine land und leut für sich selbsten oder einem 
andern churfürsten und fürsten zu bestem, deme man vermög einer particulier 
alliance oder von reichs wegen zu assistiren schuldig, aufzuopfern oder zu 
hazardireu dann für einen ausländischen, gegen welchen man in keiner 
Obligation stehet und von deme man niemalen die geringste freundschaft 
empfangen hette.“ Es war dasselbe heuchlerische Streben, die frivole Politik 
mit Reichstreue zu decken, welches unmittelbar vorher die Fürstenberger be¬ 
stimmt hatte, den kaiserlichen Vertreter im Haag um Vermittelung eines 
freundschaftlichen Verhältnisses zu den Generalstaaten zu ersuchen. Auf diese 
Weise wollte man die Holländer als Friedensstörer hinstellen und verhindern, 
dass der Kaiser, sei es durch eine Expedition ins Reich, sei es durch ein 
Reichskonklusum, die Kölner zur Abrüstung nötige. Selbst die Erklärung, 
sich der Provisionalallianz anscliliessen zu wollen, erfolgte in keiner anderen 
Absicht als Zeit zu gewinnen oder gar durch einen Beitritt Kölns das 
Marienburger Bündnis zu sprengen. 

Der Kölner Abgeordnete sollte aber auch beim Kaiser und der Wiener 
Friedenspartei eine Intrigue anspinnen gegen Lisola und diejenigen kaiser¬ 
lichen Räte, welche wieder und wieder betonten, in dem künftigen holländischen 
Kriege sei die Hauptfrage nicht Hollands, sondern Deutschlands Schicksal, 
welche ein energisches Vorgehen gegen Frankreich und gegen dessen deutsche 
Bundesgenossen forderten. Er sollte die Aktionslust der Minister ihrer per¬ 
sönlichen Feindschaft gegen den Kölner Kurfürsten schuld geben; „Lisola 
sueche nichts anders dann aus einer ohne ursach gegen s. kf. D 1 führenden 
passion sie und ihre minister zu verschreien.“ 

Der Kölner Gesandte nahm seinen Weg über Würzburg, die damalige 
Residenz des Kurfürsten von Mainz, und über München. Der Besuch des 
Kölner Ministers ging über den Rahmen zeremonieller Höflichkeit hinaus. 
Das bewiese, selbst wenn kein anderes Quelleninaterial vorläge, allein schon 
der Abstecher nach Ingolstadt, wo damals der Kurfürst mit dem 1670 
zum ersten Hof- und Staatsbeamten, zum Obersthofmeister ernannten Her¬ 
mann Egon von Fürstenberg und seinem Vizekanzler Kaspar von 
Schmid weilte, das bewiese auch die gleichzeitige Anwesenheit des mit 
Köln in engem Einvernehmen stehenden Pfalzgrafen Philipp Wilhelm von 
Neuburg. Nun aber enthält die bereits erwähnte umfangreiche Instruktion 
Bockhorsts die ausdrückliche Weisung, der Abgeordnete solle sowohl in 
Würzburg den Kurfürsten von Mainz als in München den Kurfürsten von 
Bayern von dem Zwecke seiner Wiener Mission in Kenntnis setzen und 
den Rat und die gleichzeitige diplomatische Unterstützung beider Höfe er¬ 
bitten. In diesem Sinne war denn auch die von Bockhorst der kurbayerischen 
Regierung überreichte Note 12 ) abgefasst. „Es haben leider i. kf. D 1 zu Köln 
das Unglück,“ — mit dieser captatio benevolentiae führte sich der Kölner 
Minister ein —- „dass alles, was sie nur immer zur erhaltung beständiger 
ruhe und friedens in dem römischen reiche, auch Sicherheit deren ihro von 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


23 


Gott anvertrauten land und leuten anstellen und vornehmen, ihro ganz un¬ 
gleich ausgedeutet und bei i. ks. Mt sinistre angebracht werde.“ 

Der Kurfürst dankt in seiner schriftlichen Erklärung vom 6. Februar 18 ) 
für die vertrauliche Mitteilung, findet die Kölner Sendung an den Wiener 
Hof vollauf gerechtfertigt und auch die Instruktion des Gesandten derart 
eingerichtet, dass keine Erinnerung bestehe, erwartet vom Kaiser einen 
günstigen Bescheid und — wünscht einen guten Erfolg. Der Kurfürst stellt 
wohl seinen Rat in Aussicht, wenn er von Bockhorst über das Ergebnis der 
Wiener Reise Aufschluss erhalten, schweigt sich aber über den Antrag einer 
gleichzeitigen diplomatischen Unterstützung der Kölner Mission aus. Man 
sieht, Bayern legt sich noch eine gewisse Reserve auf. Aber eine wertvolle 
Stelle enthielt immerhin die kurfürstliche Erklärung; Bayern, das damals von 
dem Abschluss der französisch-kölnischen Offensivallianz noch keine offizielle 
Kenntnis hatte, kann es Köln nicht verdenken, wenn es bei einer holländischen 
Ablehnung seiner gerechten Forderung diejenige Partei ergreift, welche ihm 
und seinen Landen Schutz gewähren kann. 

Unmittelbar darauf that Bayern einen andern Schritt, welcher verriet, 
dass es auf dem Standpunkte des Vertrags von 1670 verharre, dass es im 
künftigen holländischen Kriege die Interessen Frankreichs im Reiche ebenso 
fördern werde, als im vorausgehenden Devolutionskriege. Zu derselben Zeit, 
als der Kurfürst von Bayern mit Bockhorst und dem Pfalzgrafen von Neu¬ 
burg zu Ingolstadt Verhandlungen pflog, waren zwei kaiserliche ausser¬ 
ordentliche Gesandte am Münchener Hofe eingetroffen, der oberösterreichische 
Regimentskanzler Troyer und der Öberösterreichische Hofkammerpräsident 
Wittenbach. 14 ) Die kaiserliche Gesandtschaft hatte zunächst den Auftrag, den 
bayerischen Kurfürsten für die vom Erzbischof Johann Philipp von Mainz ange¬ 
regte Provisionalallianz, „eines der vielen föderativen Experimente des Zeitalters“ 16 ), 
zu gewinnen. Eine Verbesserung der Reichskriegsverfassung, so sollten sie 
dem Kurfürsten vorstellen, sei seitens des Reichstags nicht zu erhoffen. Daher 
ergebe sich bei den drohenden Verwickelungen die Notwendigkeit eines engeren 
Bündnisses zwischen dem Kaiser, den Kurfürsten und den mächtigeren Reichs¬ 
ständen. Dazu sei die von Mainz, Trier, Kursachsen und Münster Unter¬ 
zeichnete Provisionalallianz das geeignete Mittel. Bereits sei man auch mit 
Brandenburg in Unterhandlung, auch der Kölner habe um Aufnahme gebeten. 
Die kaiserlichen Gesandten sollten ferner den Kurfürsten von Bayern zu einer 
Vorstellung bei seinem Vetter Maximilian Heinrich vermögen, damit dieser 
den Bruch mit den Generalstaaten vermeide. . Der Kaiser freue sich über den 
Interimsvergleich zwischen dem Erzbischof und der Stadt Köln, hege aber 
grosse Besorgnis, der Kurfürst von Köln möchte in den drohenden „Hauptkrieg“ 
zwischen Frankreich und Holland sich einmischen und dadurch Kriegsunruhen 
auf dem ohnehin von den Türken bedrohten Reichsboden erwecken. Trotz 
jenes Interimsvergleiches setze nämlich der Kölner seine Rüstungen fort, trotz 
der von Lisola und Kamprecht gemeldeten Nachgiebigkeit der Holländer 
in der Rheinberger Angelegenheit mache er sich anheischig, den französischen 
Völkern nicht bloss den Durchzug durch seine Lande zu verstatten, sondern 


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Michael Doeberl 


dieselben auch mit Proviant und anderem Kriegsbedarf zu versehen. In einem 
solchen Vorgehen müsse Holland eine Verletzung der Neutralität erblicken. 
Der Kurfürst von Bayern möchte daher auf seinen nahen Verwandten dahin 
einwirkeu, „seine aktionen also zu temperieren, damit die Generalstaaten keine 
Ursache haben, den kurfürsten von Köln für einen feind zu halten.“ 

Die kaiserlichen Gesandten mussten in München bis zur Rückkehr des 
Kurfürsten aus Ingolstadt zuwarten, erhielten erst am io. Februar Audienz. 
Der Kurfürst rühmte in seiner Antwort 16 ) die Fürsorge des Kaisers für den 
Reichsfrieden und versprach, über die beiden angeregten Fragen mit seinen 
Räten zu konferieren und alsdann seine Erklärung schriftlich abzugeben. 
Dieser schriftliche Bescheid vom u. und 13. Februar 17 ) lautete trotz der besten 
Vertröstungen seitens Fürstenbergs, Schmids und des Obersthofmarschalls 
Rechberg, ebenso ausweichend, wie die mündliche Antwort des Kurfürsten. 
Bayern findet die Allianz, weil sie lediglich einen Defensivcharakter habe und 
sich der Einmischung in fremde Händel enthalte, „hohen lobes würdig;“ man 
werde den mitgeteilten Allianzentwurf prüfen, mit dem Kölner Kurfürsten und 
anderen Verwandten des Hauses in Korrespondenz treten und „sich alsdann 
dergestalten erklären, dass ihre kaiserliche M* hoffentlich allergnedigste satis- 
faction erhalten.“ In der Kölner Angelegenheit erklärte die bayerische Regierung, 
auch sie halte im Interesse des Reichsfriedens Neutralität für das beste. Der 
Kölner Vetter sei in der That dazu geneigt, bei einem ausbrechenden fran¬ 
zösisch-holländischen Kriege beiden Parteien gleiche Vergünstigung zu ge¬ 
währen, und habe zur Offenbarung seiner friedfertigen Absichten einen 
besonderen Abgeordneten nach Wien entsandt. Da nun die Kölner Erklärung 
mit den kaiserlichen Intentionen übereinstimme, werde der Kaiser damit zu¬ 
frieden sein. Der bayerische Bescheid schliesst mit der Bitte um kaiserliche 
Bestätigung des Kölner Interimsvergleichs. 

Bayern hat wirklich am 17. Februar 18 ) die verwandten Höfe in Köln 
und Pfalz-Neuburg von der Einladung zum Marienburger Bündnis in Kenntnis 
gesetzt, aber, wie man es bei der französischen Gesinnung der beiden Höfe 
von Anfang au nicht anders erwarten konnte, eine abratende Antwort erhalten. 
Die von Bayern am 4. April nach Wien abgeschickte Note 19 ) besagte denn 
auch dasselbe, wie die Erklärung vom 11. Februar, nur mit anderen Worten. 
Von einer Einwirkung Bayerns aber auf Köln im Sinne einer Neutralität 
findet sich in der erhaltenen schriftlichen Korrespondenz keine Spur. So hatte 
die kaiserliche Sendung an den Münchener Hof völlig ergebnislos geendet; 
nach den Erfahrungen der letzten Jahre war ein Erfolg der kaiserlichen Be¬ 
mühungen auch nicht zu erwarten gewesen. 

Wenige Wochen später, in der zweiten Hälfte des März, fiel zu Wien 
die Entscheidung in der Kölner Mission. 20 ) Der Kaiser verkannte keines¬ 
wegs die von Frankreich her drohende Gefahr, er wollte aber die von Lisola 
so oft empfohlene Initiative gegen Frankreich und seinen Bundesgenossen 
Köln nicht ergreifen ohne sicheren Rückhalt am Reiche. Angesichts der 
finanziellen Schwierigkeiten, der geringen Kriegslust seiner Erblande, der 
drohenden Türkeninvasion glaubte er sich zu einer Politik äusserster Vor- 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


25 


sicht verpflichtet 21 ). Er bestätigte daher trotz seines Misstrauens nicht bloss 
den Interimsvergleich, sondern wies auch das Ansuchen Kölns in der 
holländischen Frage nicht direkt ab, erklärte vielmehr ein Reichsgutachten 
einzuholen und sich dann weiter zu entscheiden. Selbst der hinterlistigen 
Forderung Kölns um Aufnahme in das Marienburger Bündnis gab er nicht 
die verdiente Abfertigung, sondern äusserte seine Geneigtheit zur Aufnahme 
Kölns. Nur die Beschuldigungen Lisolas wurden entschieden zurückgewiesen. 

Nichtsdestoweniger war man in Köln mit dem Ergebnis der Wiener 
Reise Bockhorsts unzufrieden; „man könne genugsam abnehmen, wie sich 
der kaiser von seinen in Wien und im Haag befindlichen ministem habe 
verleiten lassen“ 23 ). Köln scheute eben eine Verhandlung der Angelegenheit 
auf dem Reichstage, fürchtete, von Reichswegen zur Abrüstung und Ent¬ 
lassung der französischen Hilfsvölker gezwungen zu werden. 

Der Kölner Gesandte nahm seinen Weg wieder über München und 
stellte hier im Auftrag seiner Regierung au den Kurfürsten das Ersuchen, 
die kurbayerischen Gesandten am Regensburger Reichstage dahin zu instruieren, 
dass in der holländischen Angelegenheit kein Beschluss gefasst werde, 
bevor Köln darüber vernommen sei. 23 ) Wie sich Köln seine Aktion am 
Regensburger Reichstage zurechtlegte, erkennt man aus einem ziemlich 
gleichzeitigen Schreiben 24 ) an den Kurfürsten von Bayern. ,Wenn das Werk 
auf dem Regensburger Reichstage zur Verhandlung kommen sollte, würde dem 
Kaiser anzuraten sein, die Staaten von Holland zu. erinnern, nicht allein die 
Stadt Rheinberg, sondern auch die anderen Ständen weggenommenen Plätze 
zu restituieren, ihre Völker vom reichsboden abzuführen, und, falls sie gegen 
den einen oder anderen stand etwas zu fordern hätten, solches auf ordentlichem 
wege gehörigen Orts zu suchen, widrigenfalls aber nicht übel zu vermerken, 
wenn die Beschwerten sich selbst recht schaffen und das ganze reich dazu 
helfende Hand bieten würde/ „Es wird auch der kaiser erinnert werden müssen, 
dass der Münsterisch und Osnabrückische friede gewissenhaft beobachtet, den 
Staaten von Holland bei einem französisch-holländischen kriege vermöge des 
§ et ut eo sincerior keine hilfe weder direkt noch indirekt geleistet und den 
paciscierenden krönen kein anlass gegeben werde, sich an das juramentum 
pacis nicht mehr binden zu lassen.“ Mit welchen Mitteln man auf den Kur¬ 
fürsten einzuwirken suchte, erkennt man aus einer anderen Stelle desselben 
Schreibens: „E. Ld würden ein gutes und zur konservation unserer allein 
selig machenden katholischen religion, so am meisten leiden wird, 
gereichendes werk verrichten, wenn Sie Kurmainz und Kurtrier, auch dem 
kaiser selbst in particulari ein und anderes zu gemüte führen wollten“ 24 *). 
Wirklich erklärte sich Bayern in dem schriftlichen Bescheide vom 29. März 25 ) 
bereit, seine Regensburger Gesandten anzuweisen, die Kölner Intentionen 
bestens zu sekundieren, namentlich aber dahin zu wirken, dass in der 
holländischen Angelegenheit kein Reichstagsbeschluss gemacht .werde, bevor 
Kölns Erinnerung und Information vernommen wäre. 

Bei diesem zweiten Aufenthalte Bockhorsts wurde noch eine andere 
Frage zum Gegenstand der Erörterungen zwischen dem Kölner Abgeordneten 


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Michael Doeberl 


und dem bayerischen Hofe gemacht. Die Ziele der Kölner Politik liefen von 
Anfang an auf eine aktive Beteiligung am holländischen Kriege hinaus, Köln 
wünschte daher nicht bloss die diplomatischen Dienste Bayerns auf dem 
Reichstage, sondern auch eine militärische Unterstützung im künftigen Kriege. 
Bockhorst hatte schon für seinen ersten Münchener Besuch die Weisung er¬ 
halten, 26 ) um eine zweite Audienz nachzusuchen, hier der Befürchtung Aus¬ 
druck zu geben, dass Köln angesichts der herausfordernden Haltung der 
Holländer schwerlich die Neutralität behaupten könne, und auf grund dieser 
Befürchtung den Kurfürsten zu ersuchen um Ueberlassung seines General¬ 
wachtmeisters, Statthalters von Ingolstadt, Grafen von Berlo, ferner eines 
feldmässig ausgerüsteten Regiments zu Fuss in der Stärke von 2000 Mann, 
mit wenigstens 1200 altgedienten Soldaten (sogenannten „versuchten Leuten“), 
zweier Dragonerkompagnien zu 160 Mann unter dem Befehle des Obersten 
de Martin, dem dann in Köln noch weitere drei Kompagnien unterstellt 
werden sollten, endlich um Überlassung von 400 Reitern zu 6 Kompagnien 
unter dem Befehle des Obersten Nicola. Graf Berlo war für das Kommando 
der gesamten auf 14000 Mann berechneten kölnischen Infanterie in Aussicht 
genommen; er sollte keinem anderen General als dem französischen Feld¬ 
marschall oder Generallieutenant unterstellt, ihm selbst aber zwei oder mehrere 
Generalwachtmeister untergeben werden. Man erbot sich, ihn in der Eigen¬ 
schaft eines Feldmarschalllieutenants oder eines Generals der Infanterie zu 
übernehmen und ihm zu seiner bisherigen Bestallung eine Zulage von 400 fl. 
zu bewilligen; er sollte seines Eides und seiner Pflicht gegen den Kurfürsten 
nicht entbunden werden und auf kurbayerischen Wunsch sofort wieder in 
bayerische Dienste zurücktreten. Auch die Offiziere und Soldaten der erbetenen 
Hilfsvölker sollten in kurba} r erischen Diensten verbleiben, aber nicht vor 
Friedensschluss zurückgefordert werden; für das Infanterieregiment sollten 
überdies alle 6 Monate 150 Mann Rekruten nachgeschickt werden. Hingegen 
verpflichte sich Köln, zur Erstattung der Werbe- und Ausrüstungskosten 
20—30000 Reichsthaler zu bezahlen und die bayerischen Truppen in Sold 
und Verpflegung seinen übrigen Völkern gleich zu halten. Zeigt der Kurfürst 
Neigung, „obige mannscliaft selbsten underhalten zu lassen und noch mehrere 
dazu zu stossen umb darmit under i. kf. Dt zu Cölln namen agini zu lassen,“ 
so soll Kurbayeru nicht bloss 24000 Reichsthaler von Köln ausbezahlt erhalten, 
sondern auch nach dem Verhältnis seines Truppenkontingentes an allen Er¬ 
oberungen und Kontributionen teilhaben, gleich den übrigen deutschen Fürsten, 
die sich dem Kriegsbündnis mit Frankreich anschliessen. 

Noch während seines ersten Münchener Aufenthaltes war dem Rate Bock¬ 
horst ein Schreiben 27 ) nachgesandt worden, datiert vom 31. Januar 1672. In die¬ 
sem ermässigt der Kölner Kurfürst die Stärke des Infanterieregiments auf 12 
bis 1500 Manu, lässt das Ansuchen um 400 Reiter unter dem Befehle Nikolas 
fort und betont, dass er bei seinem Unternehmen kein anderes Absehen habe 
als die Wohlfahrt und Sicherheit seiner Lande, die Hoheit des römischen 
Reiches und das Interesse der katholischen Religion. „Es würde meines 
erachteus fast unverantwortlich sein, wan eine so stattliche und vielleicht in 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


27 


etlichen saeculis nimmer erfindliche gelegenheit, die Holländer ohne gefahr 
und schaden über einen häufen zu werfen, anietzo verabsäumet werden sollte“. 
Es sei nunmehr fast soviel wie gewiss, dass nicht allein die Kronen England 
und Schweden mit Frankreich Zusammengehen, sondern dass auch der 
Spanische Hof trotz der Verhetzungen Manteroys und Lisolas sich in den 
Krieg nicht einmischen werde. 

Bei seiner ersten Anwesenheit in München hatte Bockhorst entgegen 
seiner Instruktion in dieser Angelegenheit keinen Schritt gethan; vermutlich 
hatte deijenige, an den er zu einer vertraulichen Konferenz gewiesen war, 
der Obersthofmeister Hermann Egon von Fürstenberg, den Zeitpunkt nicht 
für opportun gehalten. Nunmehr beim zweiten Aufenthalte Bockhorsts in 
München war der Boden so weit vorbereitet, dass der Kölner Rat auch diesen 
zweiten Vorstoss wagen konnte. Der Kurfürst sah sich vor eine neue, noch 
wichtigere Entscheidung gestellt und erklärte sich auch jetzt in einem 
Schreiben vom 29. März 28 ) im Sinne des Vertrags von 1670. Zwar das 
Kölner Gesuch um Überlassung Berlos beschied er abschlägig; sein Vetter 
wisse selbst, wie wertvoll ihm die Dienste des Generals seien, bei dem hohen 
Alter seines Generalfeldzeugmeisters Grafen von Arco könne er derselben 
gegenwärtig nicht entbehren. Dagegen erklärte er sich bereit, ein Regiment 
von 1200 Mann zu Fuss nebst 160 Dragonern nach Köln zu entsenden. Nur 
verlangte er vorerst zu wissen, welche Garantie gegenüber dem kaiserlichen 
Hofe und anderen in- und ausländischen Fürsten, die sich über kurz oder 
lang zur holländischen Partei schlagen könnten, Köln und Frankreich für 
diesen Fall übernehme; eine solche „Realversicherung“ sei um so notwendiger, 
da seine Lande fast von allen Seiten von den österreichischen Provinzen 
umschlossen seien. 

So hatte Bockhorst bei seinem zweimaligen Besuche des Münchener 
Hofes mit Unterstützung der französisch gesinnten bayerischen Räte, des 
Obersthofmeisters Hermann Egon von Fürsteuberg, des geheimen Ratsvize¬ 
kanzlers Kaspar von Schmid und des Obersthofmarschalls Baron von Rechberg, 
erreicht, dass der Kurfürst versprach, die Sache Kölns auf dem Regensburger 
Reichstage zu vertreten, dass er sich selbst bereit erklärte, seinen Kölner 
Vetter im holländischen Kriege militärisch zu unterstützen. Doch das Er¬ 
gebnis der Münchener Mission Bockhorsts war nicht vollauf befriedigend. Das 
Versprechen der diplomatischen Unterstützung auf dem Reichstage war ein 
generelles; es galt noch den Wortlaut des gemeinsamen Votums zwischen 
Bayern, Köln und Pfalz-Neuburg zu vereinbaren. In der Frage der militäri¬ 
schen Unterstützung ferner hatte man lediglich eine Erklärung der Bereit¬ 
willigkeit vernommen, die an Bedingungen geknüpft war, überdies war das 
Gesuch um die Dienste Geueral Berlos direkt abschlägig bescliieden worden; 
es galt die letzten Schwierigkeiten zu beseitigen, einen bindenden Vertrag be¬ 
züglich der Truppenentsendung zu Papier zu bringen und einen nochmaligen 
Versuch um Überlassung des Generals zu unternehmen. Endlich hatte Bock¬ 
horst dem Kurfürsten wohl Mitteilung gemacht von dem kölnisch-französischen 
Neutralitätsvertrage vom 11. Juni 1671 und von der Aufnahme französischer 


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Michael Doeberl 


Hilfsvölker in die kölnischen Festungen, aber die heikle Bekanntgabe der 
Offensivallianz, welche Köln im Januar 1672 mit Frankreich geschlossen, hatte 
Bockhorst noch nicht gewagt Das von Bockhorst in Angriff genommene 
Werk zu einem vollen Abschluss zu bringen, entschloss sich der Leiter der 
Kölner Politik, Prinz Wilhelm Egon von Fürstenberg, persönlich an den 
bayerischen Hof zu gehen. Schon am 22. März, während Bockhorst noch in 
München weilte, kündigte ein Kölner Schreiben 20 ) die nahe bevorstehende 
Ankunft Wilhelms in der bayerischen Hauptstadt an, „um mit dem kurfürsten 
wegen der jetzigen gefährlichen konjunkturen vertrauliche kommunikation zu 
pflegen“. Ein Besuch des Fürstenbergers bei seiner Schwester, der Gräfin von 
Löwenstein, diente als äusserer Vorwand für die diplomatische Reise. 

Auf dem Wege über Mainz, Trier und Wertheim kam Wilhelm von 
Fürstenberg anfangs April in München an, bereits am 8. desselben Monats 
überreichte er sein „schriftliches Anbringen“ 30 ). Der Mitteilung der kölnisch¬ 
französischen Offensivallianz ist ein längeres Expose über die europäische 
Lage vorausgeschickt, wertvoll, weil aus der Feder des Mannes stammend, der 
einen guten Teil der Fäden der europäischen Politik in seiner Hand hielt. 
Nicht bloss England, Köln, Münster und der Malteser Orden stünden in einer 
Offensivallianz mit Frankreich, auch Pfalz-Neuburg, Hannover, Paderborn und 
Osnabrück seien vertragsmässig verpflichtet, die Sache Frankreichs auf dem 
Reichstage zu vertreten und seinen Heeren den Durchzug durch ihre Lande 
zu gewähren. Das Gleiche hätten Kurmainz und Kurtrier durch ihre Vertreter 
mündlich versprechen lassen, Kursachsen und Kurpfalz würden sich allem 
Anscheine nach wenigstens neutral verhalten. Savoyen und die Schweiz stehen 
in einem engen Freundschaftsverhältnis zu Frankreich — über 2300 Schweizer 
dienen in der französischen Armee —, die italienischen Fürsten haben sämt¬ 
lich bis auf Mantua dem französischen König die Werbung in ihren Landen 
verstattet, Portugal ist gegen Subsidienbezahlung zu einer Offensivallianz be¬ 
reit. Von den Mitgliedern der „Quadrupelallianz“ haben sich weder Dänemark 
noch Schweden bisher zu einer bindenden Zusage zugunsten Hollands ver¬ 
standen; ersteres dringt vielmehr im Haag auf die Begleichung einer alten 
Schuldforderung, und vom schwedischen Hofe erwartet man stündlich die 
Ratifikation eines Allianzvertrags mit Frankreich. Der Papst hat das vom 
Kaiser und Spanien gestellte Ansinnen, Köln und Münster zu „dehortieren,“ 
abgelehnt. Offen ist für Holland nur Spanien, welches bereits den Haager 
Traktat ratifiziert hat; die spanischen Niederlande werden aber durch ein 
französisches Beobachtungskorps in Schach gehalten werden. Die Sympathien 
Brandenburgs sind zwar schon aus religiösen Gründen ebenfalls für Holland, 
Brandenburg wird aber von einer Kriegserklärung an Frankreich solange Ab¬ 
stand nehmen, als es nicht der Haltung Schwedens und des Kaisers ver¬ 
sichert ist. Es kommt also in erster Linie auf die Entscheidung des Wiener 
Hofes an. Zwar hat sich der Kaiser erklärt, Spanien zu unterstützen, falls 
Frankreich mit ihm brechen sollte; im übrigen aber wird er sich einer Ein¬ 
mischung in den französisch-holländischen Krieg enthalten, es wäre denn, dass 
das ganze Reich sich dazu verstünde. Dieses wird sich angesichts der 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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drohenden Türkeninvasion vor einer Verwickelung in einen so gefährlichen 
und langwierigen Krieg hüten; wohl aber ist ein Reichstagkonklusum zu be¬ 
fürchten, welches Köln zur Entlassung der fremden Völker und zur Neu¬ 
tralität zwingen könnte. 

Die Mitteilung von dem Inhalt der kölnisch-französischen Offensiv¬ 
allianz ist begleitet von einer ausführlichen Darlegung der Kölner Motive. 
Die Offensivallianz mit Frankreich sei notwendig durch die Erklärung der 
Holländer, in der Gewährung des Durchzugs und der Verproviantierung an 
die Franzosen einen „casus belli“ zu erblicken und die Kölner Lande anzu¬ 
greifen, sei notwendig durch die „böse gegen den kurfürsten und dero erzstift 
führende intention“ des Kaiserhofes und Brandenburgs. Im Reiche hätte Köln, 
abgesehen vom Kurfürsten von Bayern, von Münster und Pfalz-Neuburg, keine 
Unterstützung gegen einen holländischen Angriff zu erwarten. Köln habe 
anfangs die Offensivallianz nur „eventual“ geschlossen, müsse aber vor dem 
20. dieses Monats sich endgiltig entscheiden. Diese Entscheidung könne nur 
im Sinne der Aufrechthaltung der Offensivallianz ausfallen. Köln müsste im 
Falle einer Kündigung derselben überdies die französischen Subsidiengelder 
zurückbezahlen, ohne sich imstande zu sehen, aus den Mitteln der eigenen 
Lande das nötige Kriegsvolk zu unterhalten. In der kurfürstlichen Audienz 
sowohl wie in den Ministerkonfereuzen verwertete Wilhelm auch das, was er 
unterwegs an den rheinischen Höfen Mainz und Trier in Erfahrung gebracht 81 ); 
nicht bloss der Trierer, auch der Mainzer Erzbischof, der Urheber der Marien¬ 
burger Allianz, trieb damals unter dem Scheine der Neutralität eine franzosen¬ 
freundliche Politik. 

Nachdem so Wilhelm von Fürstenberg bei dem Kurfürsten die Über¬ 
zeugung von dem Siege und der gerechten Sache Kölns gefestigt zu haben 
glaubte, erneuerte er das Gesuch um 1500 Mann zu Fuss und 160 Dragoner 
und um Überlassung des Generals Berlo, wenn auch nur für einige Monate. 
Sollte Bayern deshalb vom Kaiser angegriffen werden, so versicherte Köln die 
Stellung eines Hilfskorps von 600 Mann zu Pferd und 2000 Mann zu Fuss. 
Im Laufe der späteren Konferenzen erklärte sich der Kölner Minister im 
Namen seines Herrn, der zugleich Administrator von Berchtesgaden war, auch 
bereit, die Werbe- und Ausrüstungskosten für das Hilfskorps von den Berchtes¬ 
gadener Salzintradeu, deren Verwaltung Kurbayern führte, abziehen zu lassen 82 ). 
Weil der Kaiser mit Hilfe des Reichstages Köln zur Abrüstung und zur Ent¬ 
lassung der fremden Hilfsvölker zwangen wolle, w r eil der Kaiser im Wider¬ 
spruche mit dem instrumentum pacis Westfalicae selbst das Vorhaben Branden¬ 
burgs, die General Staaten gegen Frankreich und deren deutsche Bundes¬ 
genossen zu unterstützen, zu begünstigen scheint: so wiederholte überdies 
Fürstenberg das frühere Ersuchen, der Kurfürst von Bayern möge dahin 
wirken, dass zu Regensburg nichts vorgenommen und beschlossen werde, was 
den so teuer erkauften Frieden des Reiches stören oder Köln statt einer 
Genugthuung Schädigung seiner Lande bringen könnte. 

Am frühesten einigten sich die bayerischen Räte mit dem Prinzen 
Wilhelm und dem gleichzeitig ein getroffenen Pfalz-Neuburger Abgeordneten 


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über den materiellen Inhalt des gemeinsamen Reichstagsvotums in der kölnisch- 
holländischen Angelegenheit; schon am 14. April konnte der Kölner Kurfürst 
seinen Dank hiefür aussprechen 88 ). Die Verhandlungen über die militärischen 
Forderungen dagegen zogen sich mehrere Wochen hin. Gleichzeitig fand in 
derselben Angelegenheit ein lebhafter Schriftenwechsel zwischen Köln und 
München statt; der Erzbischof erinnerte unter anderem an die vielen Tausende, 
mit denen in früheren „trüben Zeiten“ das Hochstift dem Kurhause Bayern 
assistiert habe. Die Hauptschwierigkeit machte die Garantiefrage; wiewohl 
Köln nicht bloss für die eigene, sondern auch für die französische Garantie 
Bürgschaften bot, verweigerte Kurbayern den Abschluss, bevor die französische 
Garantie zu seinen Händen gelangt. Wieder und wieder betonte Köln, dass 
„maximum in mora periculum“ sei 84 ). Schon hatten England und Frankreich 
den Krieg gegen Holland eröffnet, schon hatte Wilhelm Egon von Fürste n- 
berg einen eigenen Kurier von München nach Frankreich entsandt 36 ), um 
die Verhandlungen über den französischen Garantie vertrag zu beschleunigen, 
da endlich, ehe noch die Antwort vom französischen Hofe eingetroffen, kam 
es am 25. April 1672 zu einer vertragsmässigen Vereinbarung 36 ). Die letzte 
Redaktion des bis jetzt unbekannten Vertrages stammt von der Hand Kaspars 
von Schmid. Zwar das Gesuch um den General Berlo wird auch jetzt ab¬ 
schlägig beschieden, aber der Kurfürst von Bayern überlässt seinem Vetter, 
dem Kurfürsten Maximilian Heinrich von Köln, zu seiner und des Erz¬ 
stifts Verteidigung ein Regiment von 1200 Mann zu Fuss in feldzugsmässiger 
Ausrüstung mit den dazu gehörigen Ober- und Unteroffizieren und verspricht, 
dieselben auf seine Kosten bis nach Wertheim in Franken, den Herrschafts¬ 
sitz des Schwagers der Fürstenberger, zu liefern, wo es dann von einem 
Kölner Kommissär übernommen werden soll. Hingegen verpflichtet sich Köln, 
die Hilfsvölker, falls Bayern derselben zum eigenen Schutze benötige, sofort 
zurückzusendeu und den etwaigen Abgang zu ergänzen, beim Eintritt des 
Friedens aber das Regiment nicht ohne Vorwissen Bayerns abzudankeu. Ferner 
verschreibt es dem Kurfürsten 8000 Gulden von den Berchtesgadener Salz¬ 
geldern zur Erstattung der Werbe- und Ausrüstungskosten, jedoch mit der 
Klausel, dass solche zurückerstattet werden sollten, falls der Kurfürst vor Ab¬ 
dankung der Kölner Truppen das Regiment zum Schutze des eigenen Landes 
in seine Dienste zurückfordere. Im letzteren Falle übernimmt Köln auf seine 
Kosten den Truppentransport bis Wertheini. Der 160 Dragoner, die that- 
sächlich ebenfalls später nach Köln abgingen, geschieht in der Urkunde keine 
Erwähnung. 

Unmittelbar nach Abschluss dieses Vertrages verliess Fürstenberg 
München; anfangs Mai ist er bereits wieder in Köln 87 ). So hatte derselbe 
Mann, der die Generalidee zum bayerisch-französischen Bündnis von 1670 
entworfen, das bayerisch-kölnische Waffenbündnis zustande gebracht. Wenn 
auch Bayern in den holländischen Krieg nicht aktiv eingriff, wenn auch das 
bayerische Kontingent, das unter kölnischer Flagge für Frankreich fechten 
sollte, an Zahl unbedeutend war, der bayerisch-kölnische Vertrag war für 
Frankreich und für das in französischen Diensten stehende Haus Fürstenberg 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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doch eine wertvolle Errungenschaft. Der Vertrag war ein neues Glied in der 
Kette, welche Bayern an die Interessen Frankreichs knüpfte; fortan war Bayern 
im holländischen Kriege persönlich engagiert. 

III. Doch mit der Entsendung des bewilligten Hilfskorps nahm der 
Kurfürst von Bayern trotz des Vertrags vom 25. April so lange Anstand, als 
nicht die verlangte französische Garantie in völlige Richtigkeit gebracht war. 
Daran vermochte auch das Anerbieten des Kölner Kurfürsten nichts zu ändern, 
„er werde, bis solche garantie gänzlich adiustirt, berürte Völker nicht allein 
nicht im feld gegen die Holländer gebrauchen, sondern, dafern wider verhoffen 
und alle apparenz i. k. M* in Frankreich dieserthalb einige difficultet machen 
solten, dieselbe sogar auf seine kosten in Bayern zurückliefern oder, wan 
s. L/* es also lieber haben würden, noch einmal so viel an gelt, als bereits 
ausgezahlt worden, dafür erlegen“ 88 ). 

Schon in seiner am 8. April überreichten Note hatte Prinz Wilhelm 
von Fürstenberg ein Kölner Hilfskorps von 2000 Mann zu Fuss und 600 
zu Pferd zugesagt, falls Bayern wegen der Unterstützung Kölns angegriffen 
werden sollte. Und noch während seiner Anwesenheit in München war hier 
vom Vizekanzler Kaspar von Schmid ein Garantieentwurf 39 ) niedergeschrieben 
und Wilhelm von Fürstenberg eingehändigt worden. Darnach sollte unter 
der erwähnten Voraussetzung der König von Frankreich sich verpflichten zur 
einmaligen Bezahlung von 180,000 Thalern für Werbung und Ausrüstung 
einer Armee von 3000 Mann Kavallerie und 6000 Mann Infanterie und zur 
jährlichen Bezahlung von 400,000 fl. Unterhaltungskosten. Die ziffermässige 
Feststellung des Kontingentes, bezw. der dafür zu zahlenden Subsidiengelder 
erfolgte unter ausdrücklicher Berufung auf einen analogen Fall, 
welcher in einem Artikel des AllianzVertrages von 1670 vorge¬ 
sehen war. Gestattet die Nähe der Gefahr keine vollständige Durchführung 
der bayerischen Werbung, so soll der König von Frankreich für einen vom 
Kurfürsten zu bestimmenden Teil des Kontingents mit Mannschaft statt mit 
Geld aufkommen. Diesen Garantieentwurf scheint Fürstenberg seinem Kurier, 
den er von München an den französischen Hof entsandte, mit auf den Weg 
gegeben zu haben. Die französische Antwort traf längstens am 16. Mai in 
Köln und ziemlich gleichzeitig beim französischen Gesandten am Regensburger 
Reichstage, Gravel 40 ), ein, demselben, der von 1663 bis 1672 im Aufträge seines 
Königs die Verhandlungen mit Bayern führte. Frankreich erklärte sich darin 
bereit, dem Kurfürsten von Bayern, falls er wegen der Truppensendung nach 
Köln sich von dem Kaiser oder irgend einem Reichsfürsten angegriffen sehe, 
die Truppenzahl zu bewilligen, die er verlangen sollte, ihm nötigenfalls mit 
seiner gesamten Macht beizustehen und zwar auf den ersten Hilferuf ohne 
Zeitverlust; die Regelung der (weiteren) Subsidien, mag diese der Kurfürst in 
Truppen oder in Geld begehren, wird einem besonderen, auf den Zeitpunkt 
des Angriffs verschobenen Vertrag Vorbehalten 41 ). Unterm 12. und 15. Mai 
setzte Gravel den Obersthofmeister Hermann Egon von Fürstenberg von 
dem Eintreffen und dem materiellen Inhalt des königlichen Garantieerbietens in 
Kenntnis. Er sei bereit, dem Aufträge seines Königs gemäss mit den vom 


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Michael Doeberl 


Kurfürsten delegierten Räten an einem beliebigen Orte über den Garantie¬ 
vertrag in Unterhandlung zu treten, sei auch bereit, einen Vertragsentwurf, 
der bayerischerseits auf der Grundlage des königlichen Anerbietens abgefasst 
wäre, ohne weiteres im Namen seines Königs zu unterzeichnen 42 ). 

Wirklich überschickte Fürstenberg bereits am 17. Mai ein Vertrags¬ 
projekt zur Unterschrift an Gravel. Es war aber nicht ein Entwurf im Sinne 
der von Gravel mitgeteilten königlichen Ordre, sondern derselbe Entwurf, 
welcher während der Anwesenheit Wilhelms von Fürstenberg in München 
niedergesetzt worden war und eine spezifizierte Angabe der Truppenzahl und 
der Hilfsgelder enthielt Eine solche Spezifikation, fügte Fürstenberg hinzu, 
sei unerlässlich, um eintretenden Falls keine Zeit mit Verhandlungen zu ver¬ 
lieren; der König habe ja versprochen, den Kurfürsten mit seiner gesamten 
Macht zu unterstützen, umso leichter könne er eine so niedrig bemessene 
Hilfe gewähren 43 ). Gravel beantwortete am 19. Mai das Schreiben Fürsten¬ 
bergs mit der Übersendung eines Gegenprojekts 44 ), welches sich im allgemeinen 
an den Wortlaut des bayerischen Projektes anschloss, an der entscheidenden 
Stelle aber, bei der Feststellung des materiellen Inhalts der französischen 
Garantie, sich innerhalb der Grenzen der königlichen Instruktion bewegte; 
diese könne von ihm nicht überschritten werden, biete übrigens die grösst- 
mögliche Sicherheit. Finde der Entwurf die Zustimmung des Kurfürsten, so 
möge er in zwei Exemplaren vollzogen und ihm zugeschickt werden; er werde 
dann im Namen seines Königs das Gleiche thun 45 ). 

Der bayerische Kurfürst war von dem Vertragsentwürfe Gravels höchst 
unangenehm überrascht. „Ich hab den aufsatz des Gravells empfangen und 
gelesen“, schrieb er am 21. Mai eigenhändig aus Dachau an seinen Obersthofmeister, 
„unverhofft aber kombt mir vor, das man difficultirt, aniezo die resolution zu 
geben, ob und wie vil volks oder gelts an seiten Frankreich auf bewusten fall 
man zu liefern schuldig sein solle. Erst alsdann vil zu tractieren, wann die 
gefahr und der casus vorhanden, ist nit de tempore, sonder man wolle zuvor 
wissen, auf was man sich zu verlassen, und kann ich nit erdenken, was es 
haissen solle, dass darüber an seiten Frankreich man sich nit recht ausführlich 
erkleren will“ 46 ). Er bittet Fürstenberg um Übersendung seines Gutachtens. 
Wir kennen die weiteren Vorgänge am bayerischen Hofe in der Angelegenheit 
nicht, da die erhaltene Korrespondenz zwischen dem kurfürstlichen Kabinets- 
sekretariate und dem Kanzellariate uns an dieser Stelle im Stiche lässt Es fehlt 
auch in dem einschlägigen bayerisch - französischen Korrespondenzakte das 
Konzept des Briefes, welchen Fürstenberg in den nächsten Tagen nach Regens¬ 
burg entsandte; derselbe w r urde vermutlich wegen seines heiklen Inhalts bei den 
Akten nicht hinterlegt. Doch erfahren wir aus dem Antwortschreiben Gravels 
vom 26. Mai, dass Fürstenberg die eingetretene Verzögerung mit der Ab¬ 
wesenheit des Kurfürsten ausserhalb der Stadt und mit Geschäftsüberhäufung 
entschuldigen musste. In dem envähnten Antwortschreiben bietet Gravel 
noch einmal seine ganze Beredsamkeit auf, um den Widerstand am bayerischen 
Hofe zu brechen; er habe sein Möglichstes gethan, um den Abschluss des 
Garantievertrags und die Entsendung des von Köln so heiss begehrten Hilfs- 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


33 


korps zu beschleunigen; je mehr er dem Werke nachdenke, desto mehr müsse 
er sich von der Solidität des königlichen Garantieversprechens überzeugen; 
übrigens habe es gar nicht den Anschein, -dass der Kaiser oder irgend ein 
anderer Reichsfürst Anstoss nehme, wenn der Kurfürst von Bayern einem so 
nahe verwandten geistlichen Fürsten ein kleines Hilfskorps übersende zur 
Verteidigung der gerechtesten Sache, die jemals im Reiche verfochten werden 
wird 47 ). 

Am nämlichen Tage, an welchem dieser Brief in München eintraf, am 
27. Mai, wurde das von Gravel überschickte Vertragsprojekt vollzogen 4h ). In 
der aus dem bayerischen Entwurf herüber genommenen „narratio“ gedenkt die 
Urkunde der Gewaltthätigkeiten der Holländer, der dadurch veranlassten Be¬ 
willigung eines Hilfskorps und der Bedingung, welche Bayern daran geknüpft. 
In dem von Gravel redigierten Hauptkörper der Urkunde verpflichtet sich 
Frankreich, dem Kurfürsten von Bayern, falls er wegen der militärischen 
Unterstützung Kölns von einem Bundesgenossen Hollands angegriffen werden 
sollte, sofort auf den ersten Hilferuf das von Bayern erbetene Hilfskontingent 
an Reiterei und Fussvolk zu übersenden, ja ihm nötigenfalls mit seiner ge¬ 
samten Macht beizustehen. Überdies solle zu diesem Zeitpunkt, da ein 
solcher Angriff erfolgt, die weitere Unterstützung, sei es in Truppen, sei 
es an Hilfsgeldern, in einem besonderen Abkommen zwischen dem König von 
Frankreich und dem Kurfürsten von Köln einerseits, dem Kurfürsten von 
Bayern anderseits geregelt werden. Es ist eine fast wörtliche Wiedergabe 
der im Schreiben Gravels vom 15. Mai mitgeteilten königlichen Ordre, mit 
Hinzufügung zweier freilich nicht bedeutungsloser Wörter: insuper (überdies) 
und ulterior (weiter). 

Der Vertrag wurde von Bayern am nämlichen Tage vollzogen, an welchem 
Maximilian die Kriegserklärung an Holland erliess. Die Notrufe aus Köln, 
vom Kurfürsten sowohl wie von den Fürstenbergischen Brüdern, haben auch, 
wie es scheint, den letzten Widerstand des bayerischen Kurfürsten gebrochen. 
Noch jenem Schreiben Gravels, welches am 27. Mai in München eintraf, war 
ein Brief des Bischofs von Strassburg, Franz Egon von Fürstenberg, beigelegt, 
worin er bat, alles in Bewegung zu setzen, um den Abmarsch der Truppen 
zu ermöglichen. Und am nämlichen Tage langte in München ein Hand¬ 
schreiben Maximilian Heinrichs an seine Base, die Kurfürstin Adelheid, an, 
die sich selbst so gerne ihi;es Einflusses auf ihren Gemahl rühmte, mit der 
Bitte, die Absendung des bayerischen Hilfskorps zu befürworten; sie könne 
versichert sein, dass der König von Frankreich eher Krone und Szepter daran 
setzen als zulassen werde, dass deswegen „unser“ Kurhaus in die geringste 
Ungelegenheit gerate 49 ). Daher liess denn auch der Kurfürst am nämlichen 
Tage, an welchem der Garantievertrag unterzeichnet wurde, dem Kölner 
melden, er habe die Verfügung getroffen, es sollten sowohl das Regiment zu 
Fuss als die zwei Kompagnien Dragoner sich so zeitlich in seiner Stadt 
Wemding einfinden, dass sie den 4. Juni den Marsch nach Wertheim an treten 
und dort am 9. oder 10. desselben Monats eintreffen könnten 50 ). 

IV. Schon mit Beginn des Jahres 1672 hatte die Werbung begonnen, 

Bayer. Forschungen VI, 1. 3 


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Michael Doeberl 


am 14. Mai 1672 war die Formationsordre für das nach Köln bestimmte 
bayerische Hilfskorps erschienen, um freilich nachträglich einige Änderungen 
zu erfahren 51 ). Das Hilfskorps bestand vertragsmässig aus einem Infanterie¬ 
regiment, in 10 Kompagnien zu je 120 Mann formiert, und aus 2 Kompagnien 
Dragoner zu je 80 Mann. Den Befehl über das Regiment führte der Kom¬ 
mandant von Ingolstadt, Oberst und Kriegsrat Johann Wilhelm Culer, dem 
als Oberstlieuteuant Claude Chevalier de Bronne, der bereits als Oberst¬ 
wachtmeister 1669 die Expedition nach Candia mitgemacht hatte, und als 
Oberwachtmeister anfangs Ludwig Lünkh von Kirchheim, später Pfisterer 
beigegeben war. Der übrige Stab war wohl ähnlich formiert, wie er sich 
1673 unter dem Kommando Bibous ergeben wird. Die erste Kompagnie, 
die sogenannte Leibkompagnie, war nach damaligem Herkommen vom Obersten, 
bez. seinem Kapitänlieutenant, geführt, ebenso die beiden nächsten vom Oberst¬ 
lieutenant und Oberstwachtmeister; die folgenden von den Hauptleuten Jakob 
Vieuxfume, dem Grafen Johann Baptist Arco (Arch), dem Sohne des 
gleichnamigen Generalfeldzeugmeisters, vom Grafen Alfons von Berlo, dem 
Sohne des gleichnamigen Generalwachtmeisters, vom Grafen Christian August 
von Öttingen, von Cosmo Compagni. Für die beiden letzten Kom¬ 
pagnien waren ursprüglich als Hauptleute bestimmt Johann Öpfler und 
Matthias Renner; noch vor dem Ausmarsch aber traten an ihre Stelle 
Ernst von Helmstätt und wahrscheinlich Baron von Mercy 52 ). Mit 
dem Kommando der beiden Dragonerkompagnien war Oberst Philipp de 
Martin betraut; ihm war für die zweite Kompagnie als Hauptmann Niko¬ 
laus Dubelier beigegeben, in Köln sollten ihm drei weitere Kompagnien 
mit drei Hauptleuten unterstellt werden 53 ). 

Entsprechend dem bayerischen Schreiben an Kurköln vom 27. Mai rückte 
das bayerische Hilfskorps am 4. Juni vom Sammelplatz Wemding ab und traf 
am 9. in Wertheim ein. Hier nahm die bayerischen Truppen ein Kölner Kom¬ 
missär, der Oberkellner zu Bonn, in Empfang, der bereits am 15. Mai nach 
Wertheim entsandt war 51 ). Das Infanterieregiment setzte auf den in Bereit¬ 
schaft gehaltenen Schiffen die Reise fort, die beiden Dragonerkompagnien 
aber auf dem Landwege 55 ). Zwar wird die Führung des bayerischen Hilfs¬ 
korps von zeitgenössischen Stimmen gerühmt, trotzdem wurde es bei der Ge¬ 
reiztheit der öffentlichen Meinung gegen die Politik Kölns überall mit dem 
grössten Misstrauen empfangen. Schon vor Wertheim, in dem Gebiete des 
mit Frankreich doch in einem gewissen Einvernehmen stehenden Mainzer 
Kurfürsten, war verboten worden, ihm „etwas mehr als das blosse Dach zu 
gewähreu.“ Selbst die Thore Wertheims, der Residenz des Schwagers ^der 
Fürstenberger, des Grafen von Löwenstein, waren den bayerischen Truppen 
versperrt; sie mussten sich ausserhalb der Stadt lagern 56 ). Als das Regiment 
vollends vor Bacharach kurpfälzisches Gebiet passieren wollte, wurde ihm der 
„Durchpass“ verweigert, obwohl man sich erbot, zwei Hauptleute als Geiseln 
zu stellen. Das Regiment musste die Schiffe verlassen und eine Zeit lang 
zu Lande den Weg fortsetzen unter Umgehung des mit Bewaffneten ange¬ 
füllten kurpfälzischen Territoriums 57 . 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


35 


In einer späteren Note beschwerte sich der Pfälzer Kurfürst über eine 
Äusserung, welche Culer gegenüber dem Oberamtmann von Bacharach gemacht 
habe: „Wenn er gewusst hätte, dass uns die Dorfschaften Weisel und Dor- 
scheidt 58 ) zugehörten, hätte er mit allem seinem Volk das Nachtlager daselbst 
nehmen wollen.“ Im Feldlager vor Groningen musste sich der Oberst vor 
dem Bischöfe Franz Egon von Fürstenberg verantworten und schrieb dann 
in dieser Angelegenheit an den Kölner Kurfürsten, er könne von tapferen 
Leuten bezeugen lassen, dass er weder von dem Oberamtmann zu Bacharach 
noch von einem andern Beamten ein Quartier, sondern lediglich den Durch¬ 
pass gegen Stellung zweier Hauptleute als Geiseln verlangt habe. „Nachdem mir 
aber mein nicht unbilliges und, soviel mir bekannt, den zu Regensburg gefassten 
reichsresolutionen nicht zuwiderlaufendes anerbieten nicht gehört worden, habe 
ich ohne weiteres das regiment aussteigen lassen und den umweg dergestalt 
genommen, dass ich das kurpfälzische mit vielen hundert bereits bewaffnete 
territorium zur linken hand ohne die geringste berührung und dies alles zu 
schuldigem respekt seiner kf. Dt zu Pfalz, wohl überlegend, dass, weil der 
verwilligungsbefehl für das durchmarschieren nicht erfolgt, ich mich einiger 
eigenthätlichkeit zu meiner schweren Verantwortung unterstehen würde.“ „Des 
kominandanten zu Bacharach scharfe procedur ist dermassen strenge gewesen, 
dass er auch ein oder zwei buschen lullten und ein fässlein kugel, ja sogar 
eines oder anderen kranken gewehr bei der dreimaligen ernstlichen visitierung 
auf der schiffung nicht dulden wollen.“ Culer schliesst sein Schreiben mit 
der Berufung auf den Kölner Begleitkommissär. Diese Rechtfertigung 
wurde abschriftlich dem pfälzischen und dem bayerischen Hofe mitgeteilt 
Damit war der Zwischenfall erledigt. 

Am 16. Juni 1672 landete das Regiment in Kaiserswert, am folgenden 
Tage brach es mit dem Reste der Kölner Truppen nach Holland auf 59 ). 
Bereits hatten die Franzosen jenseits der Ijssel, ihre Kölnischen und Münsteri- 
schen Bundesgenossen diesseits der Ijssel den Feldzug eröffnet. Am 23. Juni, 
also vielleicht noch vor dem Eintreffen des bayerischen Hilfskorps, war fast 
ganz Oberijssel in der Gewalt der Kölner und Münsterer. Der Streit um die 
Eroberungen führte vorübergehend zu einer Trennung der beiden Bischöfe; 
Maximilian Heinrich blieb mit seinen Truppen in Deventer und Zwoll, 
Christoph Bernhard von Galen dagegen setzte seinen Raub- und Plünderungs¬ 
zug nach dem Norden fort! Als jedoch der Bischof von Münster nach der 
Einnahme Coevordens (11. Juli) zur Belagerung Groningens schritt, forderte 
der Kölner für seine Truppen Anteil an den militärischen Aktionen und den 
winkenden territorialen Erwerbungen 60 ). Am 22. Juli begannen die Münsterer 
und Kölner unter dem Oberbefehle des französischen Generals Marquis de 
Resnel die später so berühmt gewordene Belagerung Groningens, der Haupt¬ 
stadt der gleichnamigen Provinz. Im Belagerungsheere befand sich auch das 
bayerische Hilfskorps, das Infanterieregiment, wie die Dragoner. 

Vom Abend des 24. bis zum 25. Juli errichtete das bayerische 
Regiment eine „über die massen stattliche“ Batterie und schlug wieder¬ 
holte Ausfälle der Garnison und der Bürgerschaft ab. „Die Soldaten 

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Michael Doeberl 


und burger seiud von der stat zu underschidlichen malen ausgefallen, aber 
von dene Bayerischen inusquetieren iedesmal alsbald widerumb abgetriben 
worden.“ Am 27. Juli erprobten sich auch die bayerischen Dragoner unter 
ihrem Obersten de Martin mit 5 Kompagnien friesländischer Reiterei in einem 
tapferen Vorposten gef echte bei dem in der Umgegend Groningens liegenden 
Dorfe Drachten. Die Gegner wurden in die Flucht geschlagen und Hessen 
zwei Standarten, 50—60 Tote und 50 Gefangene zurück, darunter einen Haupt¬ 
mann und mehrere Lieutenants. Vom 28. bis 29. Juli, dann wiederum vom 
31. Juli bis 1. August arbeitete das bayerische Fussvolk an einer zweiten 
grösseren Batterie für 8 Kanonen und nahm überdies eine neue für 5 Kanonen 
in Angriff. Am 29. Juli zählte das Regiment einen Toten und drei Ver¬ 
wundete, am 31. Juli zwei Tote und 8—10 Verwundete. 

Bis jetzt dienten als Quelle für die Vorgänge bei Groningen tagebuch¬ 
artige Aufzeichnungen — „Journal“ oder „Relation“ —, welche Prinz Wilhelm 
von Fürstenberg aus dem Lager an den in Zwoll zurückgebliebenen Kurfürsten 
Maximilian Heinrich, dieser in Abschriften an den bayerischen Hof entsandte 61 ). 
Dieser aus der Feder Wilhelms von Fürstenberg stammende Bericht lässt uns 
seit dem 2. August im Stich; offenbar haben die damals beginnenden starken 
Verluste der Belagerer den Kölner Kurfürsten bestimmt, die Übersendung der 
weiteren Fortsetzungen der Relation einzustellen. Groningen wurde unter 
Leitung des deutschen Kommandanten Rabenhaupt heldenmütig verteidigt; 
Garnison und Bürgerschaft hatten sich eidlich verpflichtet, die Stadt bis aufs 
äusserste zu halten. Groningen konnte überdies „wegen inundation deren 
umliegender landen“ 62 ) nur von einer Seite angegriffen werden, war daher in der 
Lage, von Friesland und Holland Unterstützungen an Lebensmitteln, Waffen, 
Munition und Mannschaft an sich zu ziehen. Die Belagerer hatten erhofft, 
eine englisch-französische Flotte würde mit Truppen an Bord vor dem nahen 
Delfzijl erscheinen; statt dessen fuhr die holländisch-ostindische Kauffahrtei¬ 
flotte im Hafen ein. Schon am 14. August beginnen die Äusserungen des 
Kölner Kurfürsten gegenüber seinem bayerischen Vetter kleinlaut zu werden, 
schon rechnet er mit der Möglichkeit einer Aufhebung der Belagerung 68 ). Am 
28. August war die Aufhebung der Belagerung bereits beschlossene Sache. 
„Zwar waren alle Vorbereitungen getroffen den graben zu füllen und zum 
sturm zu schreiten“ — schreibt am 28. August Kurfürst Maximilian Heinrich 
von Zwoll nach München —, „allein durch das fortwährende regemvetter war 
unser volk sehr ermattet, alle umliegenden wege derart unter wasser gesetzt, 
dass es unmöglich, an der anderen seite der stadt sich zu nähern, diese also 
einen succurs von etlich 1000 mann und viel geschützen und munition er¬ 
langt, auch viele Münsterische Soldaten verlaufen oder erkrankt, auch der 
feind unsere batterien und approchen mit 60 schweren geschützen unaufhör¬ 
lich beschossen. Deshalb hat die generalität die aufhebung der belagerung 
für nötig gehalten und die aus dem reich dem verlaut nach anmarschierende 
armee dieserorten abzuwarten. Gestern wurden bereits die stück von den 
batterien abgeführt und die tranchee verlassen, nachdem der feind beim ver¬ 
such eines ausfalls am vorigen abend mit ziemlichem verlust zurückgetrieben. 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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Dabei ist aber Ihr Oberstlieutenant de Bronne i stund oder 2 
vorher durch einen musquetenschuss in der tranchee geblieben; 
wir sehen daher einer baldigen Wiederersetzung entgegen“ 64 ). 

Die deutschen Verbündeten hatten vor Groningen schwere Verluste er¬ 
litten, besonders hart war das bayerische Regiment mitgenommen worden. 
Nach einem zeitgenössischen Berichte im Theatrum Europaeum 66 ) zählte es 
nur noch 800 Mann; darf man ein im Münchener Staatsarchiv befindliches 
Verzeichnis 06 ) hieher beziehen, war der Stand des Regiments sogar auf 650 
Mann herabgesunken. Noch in letzter Stunde, am 26. August, hatte der 
Oberstlieutenant des Regiments, Claude Chevalier de Bronne, in den Lauf¬ 
gräben von Groningen seinen Tod gefunden; an seine Stelle wurde später 
vom bayerischen Kurfürsten der bisherige Oberstwachtmeister Pfisterer be¬ 
fördert, Oberstwachtmeister wurde V i e u x f ü m e ei ). Es klingt fast wie eine 
Ironie, wenn man das Schreiben liest, in welchem Rabenhaupt dem ihm 
von früherer Zeit her befreundeten bayerischen Kurprinzen Max Emanuel 
die ruhmreiche Verteidigung Groningens schildert 68 ), Groningens, das dem 
bayerischen Hilfskorps die Hälfte seiner Mannschaft gekostet 

Die missglückte Belagerung Groningens bedeutete einen Wendepunkt 
im holländischen Kriege. Dem Siegeslauf der deutschen Verbündeten 
Frankreichs war ein Ziel gesetzt, ihr militärisches Prestige erschüttert. Die 
beiden geistlichen Reichsfürsten behaupteten in Holland nur noch wenige 
Plätze und mussten überdies einen grösseren Teil ihrer Truppen in ihre 
eigenen Lande zurückführen, da diese von einer kaiserlich-brandenburgi sehen 
Invasion bedroht wurden. Schon in dem Schreiben vom 14. August hatte 
Kurfürst Maximilian Heinrich die Notwendigkeit einer Aufgabe der Be¬ 
lagerung Groningens mit der Befürchtung begründet, dass „in den Kölni¬ 
schen und Münsterischen landeu icht was widriges zu befahren sein würde“. 

V. Über die Schicksale des bayerischen Hilfskorps nach der Schlacht 
von Groningen wie über die Veränderung im Kommando, mit anderen Worten 
über die Abberufung Culers und seine Ersetzung durch Siegfried von Bibou, 
fehlen bis jetzt alle Nachrichten. Ich hoffe auch hierin das Dunkel etwas 
zu lichten. Das Regiment hatte, wie bereits erwähnt, starke Einbussen er¬ 
litten, man war in Köln deshalb in einiger Verlegenheit und hüllte sich 
längere Zeit in Stillschweigen. Vom Regimentskommandeur scheinen zwar 
Briefe in München eingetroffen, wegen ihres bedenklichen Inhalts aber auf 
Veranlassung Fürs teil bergs dem Kurfürsten geheim gehalten wordeu zu 
sein. Da, am 5. Oktober 1672, wendet sich Ferdinand Maria direkt an seinen 
Kölner Vetter mit der Bitte, ihm von dem Zustande seines Hilfskorps, dem 
Befinden des Obersten Culer und der ihm untergebenen Offiziere Nachricht 
zu geben. Seit geraumer Zeit sei ihm weder von dem Obersten noch von 
anderen Offizieren irgendwelche Mitteilung zugegangen. Er gibt seiner Be¬ 
fürchtung Ausdruck, es möchte mit der Bestellung der Briefe „nicht richtig 
hergegangen“ oder dieselben von anderen „interzipiert“ worden sein 69 ). Darauf 
sucht Kurfürst Maximilian Heinrich den Kurfürsten zu beschwichtigen 
mit der Erwiderung, er lasse sich das Wohl des ihm untergebenen Regimentes 


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Michael Doeberl 


möglichst angelegen sein; er habe demselben bereits die Löhnung bis auf den 
13. November auszahlen lassen und sei gegenwärtig damit beschäftigt, die 
Soldaten auch mit Kleidung und sonstiger Notdurft zu versehen. Weil aber 
das Regiment „durch die kampagne in etwas geschwächt sei,“ so stelle er an 
seinen Vetter das Ersuchen, zur Werbung neuer Rekruten einem der Offiziere 
die Erlaubnis zum Hinaufreisen zu erteilen. Der Graf von Öttingen eigne 
sich dazu am besten; er könne bei der Werbung auf die Unterstützung 
des Herzogs von Württemberg wde seines Bruders rechnen 7< ). Aus diesem 
Kurkölner Schreiben erfahren wir aber auch — und das ist für uns das 
Wertvollste—, dass Maximilian Heinrich dem Obersten Culerdas 
Kommando in seiner Stadt Neuss übertragen hatte, dass dieser 
hier mit sieben Kompagnien einquartiert war; wir erfahren 
ferner, dass die bayerischen Dragoner bei den noch in Fries¬ 
land stehenden kölnischen Völkern sich befanden. Nach der 
Schlacht von Groningen w^ar nämlich der eine Teil des Kölner Kontingentes 
in die früher eroberten festen Plätze Hollands eingezogen, ein anderer war 
in die Kölner Stiftslande zurückgekehrt, um sie gegen einen eventuellen An¬ 
griff der Kaiserlichen und Brandenburger zu verteidigen; beim letzteren befand 
sich das bayerische Infanterieregiment, beim ersteren die bayerischen Dragoner. 

Der Kurfürst gab sich mit der Mitteilung zunächst zufrieden und 
scheint durch seine französisch gesinnten Räte über das Schicksal seines 
Regimentes noch weiter beruhigt worden zu sein. Doch das Kölner Ersuchen 
um Werbung neuer Rekruten beantwortete er soviel wie ablehnend. Die 
Berichte ergäben täglich, dass mit den Werbungen dieser Orten und auch in 
Schwaben je länger, je schwerer fortzukommen sei. Nur wenn der Graf von 
Öttingen bestimmte schriftliche Zusicherungen vonseiten des Württemberger 
Herzogs habe, könne er ihm die Heraufreise bewilligen 71 ). 

Das war Ende Oktober. Um dieselbe Zeit traf am bayerischen Hofe 
als kaiserlicher ausserordentlicher Gesandter der Reichs Vizekanzler Graf Leopold 
Wilhelm von Königsegg ein. Bereits hatte der Kaiser gemeinsam mit Branden¬ 
burg die erste gegen Frankreich wie Köln und Münster gerichtete „Expedition 
ins Reich“ angetreten; die Bemühungen der kaiserlichen Diplomatie gingen 
in jenen Tagen dahin, die deutschen Reichsstände, insbesondere Bayern zur 
Teilnahme an den eventuell nötigen Zw T angsmassregeln gegen Frankreich 
und dessen deutsche Bundesgenossen zu bestimmen. Königs egg nun erhielt 
in der zweiten Hälfte des November durch einen „guten Freund“, welcher 
seine Informationen unmittelbar von dem Sekretär der Kurfürstin Lantoeri 
hatte, Kenntnis von einem Briefe Culers an den Generalfeldzeugmeister 
Grafen Prospero d’Arco. I11 diesem beklagte sich der Oberst in den bittersten 
Worten über den Zustand seines Regiments, während der Kurfürst „berichtet 
war, als wann es damit zum besten stunde“ 72 ). Arco, den Königsegg als den 
treuesten Diener des Kaisers bezeichnet, händigte den Brief der Kurfürstin 
ein und stellte ihr dabei vor, wie w r enig seitens des Kölner Vetters die 
bayerische Freundschaft geachtet, wie sehr durch die Entsendung des Hilfs¬ 
korps im Kölner Dienste die bayerische Werbung diskreditiert sei; es w T äre 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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besser, das Hilfskorps zurückzuforderti, und das umsomehr, als zu befürchten, 
dass Kurköln sich mit Frankreich auch gegen den Kaiser verbinden werde, 
„worbey Völker des Churbayerischen namens zu haben vor der weit scandalos 
sein würde.“ Adelheid war zwar aufgrund ihrer Abstammung sowohl wie 
ihrer inneren Neigungen französisch gesinnt und hatte Hermann von 
Fürstenberg wie dem Vizekanzler Kaspar von Schmid kräftig vorge¬ 
arbeitet, um Ferdinand Maria zum Anschluss an Frankreich zu vermögen. 
Aber diese allmächtige „Trinität“ war, um mit den Worten Königseggs zu 
sprechen, „gar keine Unität“ Adelheid war, wie sich nicht bloss aus den Be¬ 
richten der kaiserlichen, sondern auch der französischen Gesandten am 
bayerischen Hofe 78 ) ergiebt, eifersüchtig auf den immer wachsenden Einfluss 
Fürstenbergs und Schmids, konnte auch nach einer Äusserung ihres 
Beichtvaters Spin eili nicht verwunden, dass man in dem Allianzvertrag von 
1670 Frankreich die Unterstützung zur Erwerbung der Kaiserkrone zugesagt 
und ihrem Kurprinzen damit nur die Aussicht auf die römische Königskrone 
gelassen, und erörterte schon damals in dem Verkehre mit Königsegg als 
Lieblingsprojekt die einstige Vermählung ihres Sohnes Max Emanuel mit 
der Kaiserstochter Marie Antonie 74 ). Die Vorstellungen Prospero d’Ar cos 
fanden daher bei der Kurfürstin ein williges Ohr, sie versprach auch das 
„alsogleich mit nachtrucklicher representation dem churfürsten zu überschicken; 
solle auch gar harte wort gegen Fürstenberg und in specie dises ge¬ 
meldet haben, nach Cölln würde er alle hiesige Völker schicken, ob es schon 
wider kais. M* were, nach Savoyen kene er es wohl difficultiern“. 

Der Zwischenfall verfehlte nicht seine Wirkung. Mitte Dezember, zu 
derselben Zeit, da sich das kaiserlich-brandenburgische Heer in die Kölner 
Lande, nach Westfalen, in Bewegung setzte, erliess der Kurfürst eine scharfe 
Note nach Köln. Auf grund der Vertröstungen vom 15. Oktober habe er 
sich der sicheren Erwartung hingegeben, sein Regiment würde sich in An- • 
sehung der geleisteten tapferen Dienste einer solchen Behandlung erfreuen, 
dass Offiziere wie gemeine Knechte sich wieder erholen könnten. „Nachdem 
ich aber vernehme, dass ungeacht der grossen teuerung ihnen gar schlecht 
an hand gangen und mit der bezahlung nicht zugehalten wird, folglich in 
entstehung zeitlicher remedierung die ruin meines regiments nicht unbillig zu 
besorgen sei: also ersuche ich E. L d auf Conservation dieser leut, daran Ihro 
sowohl als mir gelegen, welche noch weiter gut dienste leisten können, 
mehrers bedacht zu sein und zu verfügen, damit ihnen über der gewöhnlichen 
servis ihre gage zu richtiger Zeit ordentlich geraicht und sie hiedurch zu 
erzaigung ihres valors und Schuldigkeit bei firfallenden occasionen zu fernerem 
eifer an gefrischt und aufgemuntert werden“ 7 B ). Kurfürst Maximilian 
Heinrich, dessen finanzielle Mittel damals völlig erschöpft waren, dessen 
eigene Regimenter wegen unregelmässiger Soldbezahlung täglich zu meutern 
drohten, 'erwiderte, er habe den Befehl gegeben, das bayerische Regiment in 
bezug auf Geldverpflegung und Bekleidung vor allen anderen zu befriedigen; 
ihm liege das bayerische Regiment mehr am Herzen als seine eigenen 
Regimenter. Er verhoffe, dasselbe werde keine gerechte Ursache mehr zu 


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Michael Doeberl 


einer Beschwerde haben 76 ). Damit verschwindet die Angelegenheit für längere 
Zeit aus dem Auge. 

Die österreichische Partei am Münchener Hofe in Verbindung mit dem 
kaiserlichen Gesandten hatte wohl eine vorübergehende Verstimmung des Kur¬ 
fürsten gegen Köln zustande gebracht, aber eine Abberufung des Regiments 
hatte sie nicht erreicht. Bald kamen andere Ereignisse hinzu, welche eine 
solche Hoffnung völlig aussichtslos machten. Immermehr zeigte sich der 
mangelnde Emst in der kaiserlichen Kriegsführung. Mitte Januar erschien 
Tu renne auf dem niederrheinischen Kriegsschauplätze und erwies sich sofort 
durch seine energischen und meisterhaft geführten Operationen den Kaiserlich - 
brandenburgischen überlegen. Um dieselbe Zeit hatte der gleichzeitig mit 
Königsegg in München eingetroffene französische Gesandte Herzog von 
Vitry seinen österreichischen Rivalen aus dem Felde geschlagen und auf 
Grundlage des Vertrags von 1670 eine neue Vereinbarung zustande gebracht, 
in welcher sich Bayern verpflichtete, mit einer auf Kosten Frankreichs anzu¬ 
werbenden und zu erhaltenden Observationsarmee von 9000 Mann den kaiser¬ 
lichen Truppen den Durchzug durch Bayern zu verwehren 7 7 ). Ende Februar 
löste sich das Waffenbündnis zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von 
Brandenburg, knüpfte letzterer Verhandlungen mit Frankreich an 78 ). In der 
ersten Hälfte des April aber schloss Köln zu Soest einen neuen Subsidien- 
vertrag mit Frankreich, der seine Spitze auch gegen den Kaiser richtete 79 ), 
und einigten sich Bayern und Frankreich zu einer gemeinsamen diplomatischen 
Aktion gegen den Kaiser auf dem Reichstage. 

Nunmehr glaubte die französische Partei am Kölner wie am Münchener 
Hofe den Zeitpunkt gekommen, um gegen den unbequem gewordenen Obersten 
des bayerischen Regimentes vorzugehen. Man hatte ihm die Ungelegenheit 
nicht vergessen, welche sein Schreiben an den Generalfeld zeugmeister bereitet, 
man hatte auch nicht mehr das Zutrauen, um ihn zu einem weiteren Kriege 
gegen Holland oder gar gegen den Kaiser selbst zu verwenden. 

Vor langer Zeit hatten sich einzelne bayerische Soldaten ohne Urlaub 
vom Regimente entfernt und waren nach ihrer Heimat zurückgekehrt; hier 
setzten die Gegner ein. In einer nach Bayern abgegangenen Note vom 
30. April 1673 erhob Köln beim bayerischen Kurfürsten Beschwerde darüber, 
dass vom bayerischen Regimente „verschiedene auch mit weib und kind ver¬ 
sehene und aus den kurbayerischen landen gebürtige alte knechte das regiment 
verlassen, sich nach Bayern hinaufbegeben und sogar in der bayerischen 
residenzstadt unterhalt gefunden“. Vor wenigen Wochen habe sich auch ein 
Korporal der Öttingischen Kompagnie mit mehreren gemeinen Knechten 
hinaufgemacht und sei laut schriftlicher Meldung bereits in München ange¬ 
kommen. Ein solches Vorgehen — „es sei durch veranlassen der 
Offiziere oder nicht“— müsse den Ruin des Regimentes nach sich ziehen. 
Köln fordert exemplarische Bestrafung der Deserteure und Absendung einer 
kurfürstlichen Signatur an den Obersten Culer des Inhalts, dass, wer fernerhin 
ohne Urlaub sich nach Bayern begebe, „in banden herunter zum regiment 
und zu behörlicher bestrafung geschickt werden solle“ 80 ). Der Hofkriegsrat, 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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welcher zum Bericht und Gutachten aufgefordert wurde, verantwortete sich 
dahin: allerdings seien vor längerer Zeit 5—6 Soldaten ohne Pass herauf¬ 
gekommen, mit der Entschuldigung, sie hätten keine Lebensmittel mehr ge¬ 
habt, „viel weniger sei ihnen etwas an leib geschafft worden“. Diese Soldaten 
seien allerdings unter die Münchener Kompagnien aufgenommen worden, aber 
nur aus dem Grunde, weil man einerseits die Kosten für einen Gefangenen¬ 
transport scheute, anderseits fürchtete, sie möchten, wenn man sie ohne 
Bedeckung hinunterschicke, einem fremden Herrn zulaufen. Die anderen 
herauf gekommenen Soldaten, wohl ebensoviel an Zahl, hätten vom Obersten 
oder ihren Hauptleuten Urlaubspässe gehabt, um sich wegen der im Kriege 
erhaltenen Wunden oder anderer Krankheiten in ärztliche Behandlung zu be¬ 
geben. Von einem Korporal und sonstigen gemeinen Knechten der Öttingischen 
Kompagnie sei hier nichts bekannt, weder der Korporal noch einige Knechte 
hätten sich angemeldet. Doch sei bereits an die Aussenbehörden ein Haft¬ 
befehl ergangen. Es unterliege der kurfürstlichen Entscheidung, ob die ohne 
Pass heraufgekommenen Soldaten unter Bedeckung zum Regiment zurück¬ 
geführt werden sollten. Im übrigen geht das Gutachten des Hofkriegsrates 
dahin, den Obersten Culer mit der Bekanntmachung folgenden Befehls zu 
beauftragen: „wenn ein oder andere Soldaten sich unterfangen würden, mein¬ 
eidig zu werden, solle er alsogleich in eisen und banden zum regiment ge¬ 
schickt und ihm der process formirt werden“. Auch empfehle es sich, „dass 
einige offizire ohne sonderbare erhebliche Ursache ferner nicht mehr herauf¬ 
gelassen würden; denn dies verursache, dass alsdann noch mehr Soldaten 
naehfolgen möchten“ 81 ). Der Kurfürst entschied sich später im Sinne des 
letzterwähnten Gutachtens des Hofkriegsrates. 

Bevor aber in der Angelegenheit der Deserteure der bayerische Be¬ 
scheid an Kurköln gelangte, war in der Frage Culer die Entscheidung ge¬ 
fallen, hatte sich der Kurfürst zur Abberufung des Obersten bestimmen lassen ; 
natürlich war es Culer schon vorher kölnischerseits nahe gelegt worden, 
um seine Rückversetzung nach Bayern einzugeben. Bereits am 28. Mai 1673 
schreibt Köln an Bayern: „Indem E. L^ befelchs geines deroselben kriegsrat 
und oberster Culer sich wieder hinauf begeben thuet, derselbe auch mir alle 
satisfaction gegeben: so habe ich billig ihm dies Zeugnis mitgeben und 
E. L d zugleich versichern wollen, dass Sie gewisslich an demselben einen 
guten offizir und treuen diener haben“ 89 ). Schon vierzehn Tage vorher, am 13. Mai, 
also zur selben Zeit, wo jener erste Vorstoss gegen Cul*er in der Desertions¬ 
angelegenheit gemacht worden war, hatte sich im Aufträge Kölns der Bischof 
von Strassburg nach Paris an den Herzog von Mecklenburg gewendet, mit 
der Bitte um Überlassung des französischen Obersten Bibou, damit dieser 
an Stelle Culers das Kommando über das kurbayerische Regiment übernehme. 
Noch am 17. Mai gewährte der Herzog zu Mecklenburg dem Obersten 
Bibou den erbetenen Urlaub, sich „mit eid und pflichten dem kurfürsten 
von Bayern verbindlich zu machen und die dem vorigen obersten erteilte in- 
struction zu observiren.“ Nur behielt er sich das Recht der Rückberufung 
Bibous in seine Dienste vor 88 ). 


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Michael Doeberl 


In demselben Schreiben vom 28. Mai teilt Köln dem Kurfürsten von 
Bayern mit, dass auch der Oberstlieutenant Pfisterer hinwegverlange, „in¬ 
dem er fast zu seinen jahren gekommen,“ und schlägt an seiner Stelle den 
bisherigen Oberstwachtmeister Vieuxfume zum Oberstlieutenant, zum Oberst¬ 
wachtmeister aber den bisherigen Hauptmann Grafen von Arco (Arch) vor. 
„Dieser ist zwar annoch jung, jedoch ein wackerer und verständiger kavalier, 
welcher sich befleissigen wird, das regiment in gutem stand zu erhalten.“ 
Darauf erwiderte der Kurfürst unterm 20. Juni 1673: dass der Oberstlieutenant 
seine Entlassung begehre, darüber habe er bis jetzt nichts vernommen; er 
wolle hierüber den Obersten C u 1 e r, der inzwischen bei ihm an gekommen 
sei, befragen, wegen der Beförderung der vorgesclilagenen Offiziere aber seinen 
Hofkriegsrat vernehmen und sich dann weiter erklären 84 ). Pfisterer kehrte 
erst zu Anfang des Jahres 1674 nach Bayern zurück. Nunmehr erfolgten 
Beförderungen im Sinne der Kölner Vorschläge, Vieuxfume wurde Oberst¬ 
lieutenant, Graf von Arco Oberstwachtmeister; des letzteren Dekret ist vom 
16. Januar 1674 datiert 85 ). 

VI. Die weiteren Schicksale des Hilfskorps bis zur Rückkehr nach 
Bayern sind wiederum in völliges Duukel gehallt. Eine von mir aufgefundene 
„Lista des Bibouischen regiments de dato 5. Juli 1673“ 86 ) in Verbindung mit 
der bayerisch-kölnischen Korrespondenz lichtet in etwas den Schleier. Aus 
der sonstigen Kriegsgeschichte ist bekannt, dass die Truppen des Kölner 
Kurfürsten im Sommer 1673 teils beim Heere Turennes am Rhein standen, 
teils in den Kölner Festungen lagen 87 ). In Holland beschränkte sich der 
Erzbischof auf die Behauptung Zwolls und Deventers. Hier in Deventer be¬ 
gegnet man am 5. Juli dem bayerischen Regiment, hieher war es im Juni 
desselben Jahres von Neiss verlegt worden, vermutlich um nicht in die Lage 
zu kommen, gegen den Kaiser selbst kämpfen zu müssen. In einem Schreiben 
vom 8. Juni gab Kurköln an Kurbayern bekannt, „wohin es bei jetziger 
kampagne das bayerische regiment zu gebrauchen Vorhaben sei.“ Bayern er¬ 
hob gegen die Verlegung des Regiments von Neiss nach Deventer keinen 
Einspruch; „gleichwie dasselbe zu dero freiem gebrauch überlassen worden, 
also haben Sie damit nach ihrem willen zu disponieren.“ Dagegen erklärte 
der Kurfürst, dem Gesuche um 200 Rekruten könne er mit dem besten Willen 
nicht willfahren, „weil bei so vielen aller orten vorgehenden Verfassungen 
meine sowohl ausser als inner landes angestellte Werbungen eben langsam von 
statten gehen und ich meiner Völker umso vielmehr von nöten habe, weil 
scheint, dass bei jetzigem veränderten stand des krieges mehr in hierobigen 
als druntigen kreisen zur vigilanz angesagt seie“ 88 ). Trotzdem muss in der 
Zwischenzeit zwischen der Schlacht von Groningen und dem 5. Juli das 
Regiment um etwas über 100 Mann verstärkt worden sein. Am 5. Juli hatte 
es nämlich nach Ausweis der erwähnten „Lista“ einen Effektivbestand von 
769 Mann. Der Regimentsstab bestand aus 19 Personen, dem Obersten Bibou, 
dem Oberstlieutenant Pfisterer, dem Oberstwachtmeister Vieuxfume, 
einem Regimentsquartiermeister, einem Kapellan etc. Der Oberst, Oberst¬ 
lieutenant und Oberstwachtmeister waren die Inhaber und Führer der drei 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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ersten Kompagnien, die anderen Kompagnien waren befehligt von den Haupt¬ 
leuten Graf Arco, Graf Berlo, Graf Öttingen, Baron de Mercy, Wun- 
disch, Graf Stanga, Schmidt. An die Stelle Vieuxfumes, Kompag- 
nis und Helmstetts waren also Wundisch, Stanga und Schmidt ge¬ 
treten. Überdies scheint damals Graf Öttingen abwesend gewesen zu sein. 
Der Durchschnittsetat einer Kompagnie war: ein Hauptmann, ein Lieutenant, 
ein Fähnrich, ein Feldwebel, ein Sergeant, ein Führer, ein Furier, ein Muster¬ 
schreiber, ein Feldscherer, fünf Korporals, zwei bis drei Spielleute, zwei bis 
drei Schützen, zehn bis zwölf Gefreite, ca. 40 Gemeine, vier Offizierknechte. 
Die Durchschnittsgesamtstärke betrug 75 Mann. 

Im Juli und August 1673 bildete sich eine grössere Koalition gegen Frank¬ 
reich, zwischen dem Kaiser, Spanien, Dänemark und deutschen Reichsständen. 
Im August trat die kaiserliche Armee die zweite Expedition ins Reich an, 
anfangs November vereinigte sie sich am Niederrhein mit der holländisch - 
spanischen Armee unter dem Prinzen von Oranien. Am 12. November fiel das 
kölnische Bonn in ihre Gewalt, am 14. Februar 1674 wurde der bisherige 
Leiter der Kölner Politik, Prinz Wilhelm von Fürstenberg, „diese Pestbeule 
des Reiches,“ wie ihn Lisola bezeichnet hatte, von dem Kölner Kongress 
durch die Kaiserlichen verhaftet, wenige Wochen später, am 11. Mai, schloss 
Kurfürst Maximilian Heinrich unter Vermittelung Lisolas Frieden mit 
Holland 39 ). Köln wurde in dem Vertrage zwar Rheinberg zurückgegeben, dasselbe 
musste aber die eroberten holländischen Plätze, insbesondere Zwoll und Deventer 
räumen. Damals wohl wurde das bayerische Regiment aus Deventer nach 
Neuss zurückverlegt; die erste Nachricht, welche über das Regiment nach dem 
5. Juli 1673 auf uns gekommen, weist es nach Neiss in Garnison. 

Schon am 27. Mai 1674 (am Tage vor dem Reichskriegsbeschluss an 
Frankreich) erhielt der bayerische Kabinettssekretär Huber den Auftrag, im 
Archiv nachzusehen, was mit Köln über das bayerische Hilfskorps vereinbart 
worden sei 110 ), und am 3. Juni fragt der Kurfürst von Köln bei Bayern an, 
wie man es mit dem in Neiss liegenden Regimente gehalten wissen wolle. 
Da der Friede mit Holland geschlossen, auch der Vergleich mit dem Kaiser 
baldigst seine völlige Richtigkeit haben werde, sei er entschlossen, einen Teil 
seiner Völker abzudanken. Er w r olle jedoch das bayerische Regiment noch 
so lange in Neiss liegen lassen, bis die Fortifikation daselbst demoliert sei** 1 ). 
Bayern erklärt sich mit dem letzteren Wunsch einverstanden, erbittet aber 
näheren Aufschluss über den Zeitpunkt der Entlassung der Völker sowohl 
wie über den „sichersten und bequemsten Weg“, den das Regiment auf seiner 
Rückkehr einschlagen könnte 92 ). Köln erwidert, die Entlassung werde auf 
den Wunsch Bayerns ehestens geschehen, giebt aber seiner Befürchtung Aus¬ 
druck, es möchte das Regiment „bei jetzigen konjunkturell nicht mit Sicher¬ 
heit hinauf gebracht ^werden können,“ und verweist auf eine Mitteilung, welche 
der aus bayerischen in Kölner Dienste getretene Hofkammerdirektor Widmann 
dem bayerischen Vertreter auf dem Kölner Kongress, Franz von Mayr, 
geschrieben 93 ). 

Worin diese Mitteilung bestand, erfährt man aus einem Berichte 


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Michael Doeberl 


des kaiserlichen Residenten am Münchener Hofe Rassler vom 17. Juli 
1674 94 ). Darnach hatte Lisola geäussert, „das man ehender selbige Völker 
zu stucken zerhauen als wiederumb in diese land ziehen lassen wolte.“ Über 
diese Äusserung erhob der bayerische Obersthofmeister Hermann Egon von 
Fürstenberg im Namen seines Kurfürsten beim kaiserlichen Residenten Be¬ 
schwerde und fügte entschuldigend hinzu, das bayerische Hilfskorps sei ledig¬ 
lich gegen Holland geschickt worden: „wasmassen i. kf. Dt zue Cöllen, als 
die motus mit denen generalstaaten von Hollandt ihren anfang gewonnen, 
von s. gdsten herren auch ainige assistenz an Völker begehrt, wormit s. kf. 
Dt nun ihren h. vettern gratificiert und in die 1200 mann ungefähr zuege- 
schickt hetten.“ Der Kurfürst verhoffe, dass eine derartige Zurückhaltung seiner, 
wie er glaubt, auf etwa 600 Mann zusammengeschmolzenen Völker nicht vom 
Kaiser befohlen sei, sondern vielmehr aus einem „unzeitigen eifer“ Lisolas her- 
fliesse, „massen dieselbe den reichsconstitutionibus gemäss ohne betrangnus ain 
und anderen Stands herauf geführt werden sollen.“ Der Kurfürst erwarte 
nächstens eine willfährige kaiserliche Resolution. Noch am 18. August er¬ 
neuerte Fürstenberg das Gesuch um einen kaiserlichen Pass für die 
bayerischen Völker 9 6 ). 

Derselbe scheint zuletzt auch gewährt worden zu sein. Immerhin 
aber hatte die Befürchtung, es möchte das Regiment auf seiner Rückkehr 
von den Kaiserlichen angegriffen werden, zur Folge, dass es erst am 
14. September in Aschaffenburg eintraf, wo es dann von einem bayerischen 
Kommissär in Empfang genommen wurde 96 ). Der Effektivbestand des Regiments 
betrug noch 767 Mann. Die Löhnung war seit September 1673 sehr unregel¬ 
mässig bezahlt worden; Köln schuldete an das Regiment 12872 Gulden 
52 1 /2 Kreuzer. 


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Quellennachweise. 


1) Vgl. Scheielil, Leopold I. und die österreichische Politik während des Devo¬ 
lutionskrieges 1667'68. 

2) Zwiedineck-Südenhorst, Deutsche Geschichte im Zeitraum der Gründung 
des preussisclien Königtums (Bibliothek deutscher Geschichte) I, 294. 

3) Heigel, Quellen und Abhandlungen zur neueren Geschichte Bayerns. I, 40. 

4) Pribram, Lisola und die Politik seiner Zeit. S. 537. 

5) Münchener Staatsarchiv (M. St. A.) Kasten schwarz (K. schw.) Paris 1669 Juli 15, 
Wilhelm Egon von Fürstenberg an seinen Bruder Hermann Egon von Fürstenberg. 

6) Ebenda. München 1669 August 1, Hermann Egon von Fürstenberg an den 
Kurfürsten Ferdinand Maria. 

7) Ebenda. Mauerkirchen 1669 August 12, Ferdinand Maria an Hermann Egon 
von Fürstenberg. 

8) Das lateinische Original befindet sich im Archiv des Ministeriums des Aus¬ 
wärtigen in Paris. Ich werde dasselbe nebst den bis jetzt nur bruchstückweise bekannten 
beiden Geheimdeklarationen an anderem Orte publizieren. 

9) Zeitschrift für Bayern und die angrenzenden Länder. IV, 210 ff, 222 ff. 

10) Ebenda IV, 198 f. 

n) M. St. A. K. schw. 44/13. Hauptinstruktion für Bockhorst vom Januar 1672 
(eingereiht zwischen Schreiben vom 27. und 29. März). Die Mission Bockhorsts ist bis jetzt 
so viel wie unbekannt. En neu, Frankreich und der Niederrhein S. 257, kennt wohl aus 
den französischen Akten die Thatsache einer Sendung Bockhorsts, nicht aber deren Inhalt, 
nennt überdies den Gesandten Bokort. 

12) Ebenda. Anbringen Bockhorsts. 

13) Ebenda. Ingolstadt 1672 Februar 6, kurfürstlich bayerischer Bescheid. 

14) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei und Reichskanzlei. Wien 
1672 Januar 27, zwei kaiserliche Instruktionen. München 1672 Februar 29, zwei Berichte 
Troyers und Wittenbachs, der eine für die Staatskanzlei („geheime Hofkanzlei“), der andere 
für die Reichskanzlei („Reichshofkanzlei“). München 1672 Februar 11, Bescheid aus der 
kurfürstlich bayerischen geheimen Kanzlei für die kaiserlichen Gesandten Troyer und 
Wittenbach wegen der mit Bayern vorhabenden Defensivallianz. München 1672 Febr. 13, 
kurfürstL Bescheid für die kaiserlichen Gesandten Troyer und Wittenbach wegen der 
Kölner Händel und anderer Reichssachen. — Vgl. dazu M. St A. K. schw. 6 6. „Kaiserl. 
Negotiation Kölner Händel betr.“ 

15. Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis 
zum Regierungsantritt Friedrichs des Grossen. 1648—1740. Bd. 1, 546. — Vgl. über das 
Marienburger Bündnis auch die daselbst S. 545 zitierten Arbeiten von Gulirauer, Droysen, 
Auerbach, Gehrke. 

16) Siehe Anmerkung 14. 

17) Siehe Anmerkung 14. 

18) M. St. A. K. schw. 6/6 München 1672 Februar 10, Kurbayern an Pfalz-Neuburg 
und Kurköln. 

19) Ebenda. München 1672 April 4, Kurbayern an den Kaiser. 

20) M. St. A. K. schw. 44/13. Kaiserliche Resolution, eiugereiht vor den 29. März; 
am 27. März war sie bereits in Köln eingetroffen. (Vgl. das Sehr. Anmerkung 22). 

21) Vergleiche Pribram, Lisola und die Politik seiner Zeit S. 545 ff. 

22) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 März 27, Kurköln an Kurbayern. 


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Michael Doeberl 


23) Ebenda. „Anbringen“ Bockhorsts in München, eingereiht nach dem Bescheid 
vom 29. März, siehe Anmerkung 25. 

24) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 März 27, Kurköln an Kurbayern. 

24a) Über das religiöse Motiv des Bischofs von Münster zum Kriege gegen Hol¬ 
land s. Hüsing, Christoph Bernhard v. Galen S. 250. 

25) Ebenda. München 1672 März 29, kurfürstl. Bescheid für Bockhorst. Konzept 
mit Korrekturen von der Hand Schmids. 

26) Ebenda. Bonn 1672 Januar 16, „Nebeninstruktion für i. kf. D* zu Cölln 
herzogen Maximilian Heinrich in Bayern Hildesheimb. rat den v. Bockhorst, welche er zu 
München zu sollicitirn hat“. Vergleiche Beilage I. 

27) Ebenda. Bonn 1672 Jan. 31, Kurköln an Kurbayern. 

28) Ebenda. München 1672 März 29, Kurbayem an Kurköln. 

29) Ebenda. Bonn 1672 März 22, Kurköln an Kurbayem. 

30) Ebenda. München 1672 April 8, schriftliches „Anbringen“ Wilhelms v. Fürstenberg. 

31) Ebenda. München 1672 April 13, Kurbayem an Kurköln. 

32) Ebenda. Bonn 1672 April 25, Kurköln an Kurbayem. 

33) Ebenda. Bonn 1672 April 14, Kurköln an Kurbayem. 

34) Ebenda. Bonn 1672 April 23, Kurköln an Kurbayern. 

35) M. St. A. K. scliw\ 279/29. Regensburg Mai 12, Gravel an Hermann v. Fürstenberg. 

36) Siehe Beilage III. 

37) M. St A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 Mai 5, Kurköln an Kurbayem. 

38) Ebenda. 

39) Den Garantieentw r urf s. Beilage IV. 

40) M. St. A. K. schw. 279/29. Regensburg 1672 Mai 12, Gravel an Hermann v. 
Fürstenberg. 

41) Die kgl. Ordre s. Beilage IV. 

42) M. St. A. K. schw r . 279'29. Regensburg 1672 Mai 15, Gravel an Hermann 
v. Fürstenberg: Si vous trouvez bon de former le project du traite de lad te garantie, a 
peu pres sur la condition, que j’ay marquee cy dessus, je seray prest de le signer au 110m 
du roy». 

43) Ebenda. München 1672 Mai 17, Hermann v. Fürstenberg an Gravel: < Le projet 
ayant este forme en termes, comme vous voyez par l’enclose, en la presence du mon 
fr£re le prince Guillaume et estant de la mesme teneur de ce, que vous dites d’avoir ordre 
du roy d’y consentir ny ayant autre difference que le nombre et la quantit6 des subsides 
d’hommes et d’argent specific, vous le pourrez soubscrire saus aucun scrupule et tant 
plus que le roy asseurant s. A. E. soU genereusement l’assistance de toutes ses forces en 
cas mentionn£e, il est beaucoup plus aise d’accorder seulement une partie assez moderne.. . 
Tout consiste en cela, que le nombre et quantite des subsides d’hoinmes et d’argent soient 
specific^, pour n’estre point oblige le cas venant de perdre beaucoup du teinps ä traiter 
les particularit£es». 

44) Siehe Beilage IV. Interessant ist ein Vergleich dieses Vertrages mit der 1669 
mit Venedig geschlossenen Kapitulation. Vgl. Würdinger, Die Bayern in Candia. München 
vS. B. 1881, S. 339. 

45) M. St. A. K. schw. 279/29. Regensburg 1672 Mai 19, Gravel an Hermann Egon 
v. Fürstenberg: *il ne in’est pas permis de passer les bomes du pouvoir, que j’ai en cela. 
Si s. A. E. de Bavi£res juge a propos d’y vouloir aussy donner les mains de sa part, j’ay 
joint icy un autre project couceu dans les termes, qui so nt conformes ä mon 
instruction, qu’elle pourra faire signer, si eile la trouve aggreable, en double, et j’eu 
feray de mesme, dez aussitöt* qu’il lii’aura este envoye* etc. 

46) Ebenda. Dachau 1672 Mai 21, Ferdinand Maria an Hermann v. Fürstenberg. 

47) Ebenda. Regensburg 1672 Mai 26, Gravel an Hermann Egon v. Fürstenberg. 

48) Siehe Beilage IV. 

49) M. St. A. K. schw. 44/ r3. Bonn 1672 Mai 23, der Kf. von Köln an die Kur¬ 
fürstin Adelheid- 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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50) Ebenda. München 1672 Mai 27, Kurbayem an Kurköln. 

51) Vergl. Staudinger, Das K. bayer. 2. Infanterieregiment, I, 17—19. 

52) Ich schliesse letzteres aus Beilage VI; dort zählt Baron v. Mercy zu den vier 
dienstältesten Hauptleuten. 

53) Siehe Seite 48. 

54) M. St. A. K. schw. 44/13. Bonn 1672 Mai 15, Kurköln an Kurbayern. 

55) Ebenda. München 1672 Mai 27, Kurbayern an Kurköln. 

56) Staudinger, a. a. O. I, 21. 

57) Über dieses und das folgende M. St. A. K. schw. 44/14. Heidelberg 1672 
Juli 23, Kurpfalz an Kurköln. „Im feldlager vor Groningen“ 1672 Aug. 17, M. Culer an 
Kurköln. Zwoll 1672 Aug. 20, Kurköln an Kurpfalz, Kurköln an Kurbayern. 

58) Zwei Pfarrdörfer im Nassauischen, Amt S. Goarshausen. 

59) Staudinger, a. a. O. I, 21. 

60) Depping, Gesch. des Krieges der Münsterer und Kölner S. 40 ff.; E11 neu, 
Frankreich und der Niederrhein S. 260 ff. 

61) Siehe den Auszug daraus in Beilage V. Damit tritt zu dem von Depping be¬ 
nützten „Bericht Wilhelms v. Fürstenberg an Louvois über die Belagerung Groningens“, 
zu dem Bericht im Theatrum Europaeum XI 260 ff. und bei Valkenier, Verwirrtes 
Europa S. 760 ff. eine vierte Quelle. 

62) Siehe nächste Anmerkung. 

63) M. St. A. K. schw. 44/14. Zwoll 1672 Aug. 14, Kurköln an Kurbayem. 

64) Ebenda. Zwoll 1672 Aug. 28, Kurköln an Kurbayern. 

65) XI, 268. 

66) K. schw. 44/15. 

67) M. St. A. K. schw. 44/17. Bonn 1673 Mai 28, Kurköln an Kurbayem. 

68) M. St. A. K. schw. 346/45. Rabenhaupt und v. Tücher an den bayer. 
Kurprinzen, die Belagerung der Stadt Groningen betr. 

69) M. St. A. K. schw. 44/14. München 1672 Okt. 5, Kurbayern an Kurköhl. 

70) Ebenda. Bonn 1672 Okt. 15, Kurköln an Kurbayem. 

70a) Über die weiteren Schicksale der Dragoner konnte ich bis jetzt keine Nach¬ 
richt ermitteln. 

71) Ebenda (A. 69). München 1672 Okt. 26, Kurbayern an Kurköln. 

72) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei. München 1672 Nov. 18, 
Bericht Königseggs an Kaiser Leopold I., nebst Beilagen. 

73) Recueil des instructions donn6es aux ambassadeurs et ministres de France VII, 47. 

74) Über diese Verhältnisse am bayer. Hofe geben die zahlreichen und umfang¬ 
reichen Berichte Königseggs im Wiener Staatsarchiv aus derZeit von 1672 Nov. 1 bis 
1673 Febr. 28 interessante Aufschlüsse. Ich werde dieselben an anderem Orte publizieren. 

75) M. St A. K. schw. 44/14. München 1672 Dez. 13, Kurbayern an Kurköln. 

76) Ebenda. Bonn 1672 Dez. 25, Kurköln an Kurbayem. 

77) Zeitschrift für Bayern und die angrenzenden Länder IV, 210 ff. 

78) Peter, Der Krieg des grossen Kurfürsten gegen Frankreich 1672—75. S. 138 ff. 

79) Ennen, a. a. O. Seite 294. 

80) M. St. A. K. schw. 44/17. Bonn 1673 Apr. 30, Kurköln an Kurbayern. 

81) Ebenda. München 1672 Mai 15, Hofkriegsratspräsident und Räte an d. Kf. 

82) Ebenda. Bonn 1673 Mai 28, Kurköln an Kurbayem. 

83) Ebenda. Paris 1673 Mai 17, Der Herzog zu Mecklenburg an den Fürstbischof 

von Strassburg. 

84) M. St. A. K. schw.. Altötting 1673 Juni 20, Kurbayern an Kurköln. 

85) Staudinger, a. a. O. 32 und 33. 

86) Siehe Beilage VI. 

87) Depping, a. a. O. Seite 185. 

88) M. St. A. K. schw. 44/17. Altötting 1673 Juni 20, Kurbayern an Kurköln. 

89) Ennen, a. a. O. 337 f.; Pribram, a. a. O. 672. 


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Michael Doeberl 


90) M. St A. K. scliw. 44/13. 

91) M. St. A. K. schw. 44/21. Köln 1674 Juni 3, Kurköln an Kurbayern. 

92) Ebenda. München 1674 Juni 13, Kurbayern an Kurköln. 

93) Ebenda. Köln 1674 Juni 24, Kurköln an Kurbayem. 

94) Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Staatskanzlei. München 1674 Juli 17. 
Des kais. Residenten am bayer. Hofe Jak. Christ Rassler Bericht an Kaiser Leopold I. 

95) Ebenda, Reichskanzlei. Bericht Rasslers vom 18. August. 

96) Siehe Beilage VII. 


I. Kölner Antrag auf Entsendung eines bayerischen Hilfskorps zum 
holländischen Kriege. 

Aus der „Nebeninstruktion für i. kf. D l zu Cölln herzogen Maximilian Heinrich 
in Bayern Hildeslieimb. rat den von Bockhorst, welche er zu München zu sollicitim hat“, 
dat. 1672 Jan. 16. 

„Weil dieser enden mit den Werbungen gar schwerlich fortzukommen, so wurden 
s. kf. D* zu Bairn s. kf. Dt zu Cölln gar hochen faveur erweisen, da dieselbe über sich 
nemen wolten, gegen anfang des monats Aprilis auf ihreu kosten bis in hiesigem erz- 
stüft zu lifem ein regiment zu fues von 18 Compagnien under dem commaudo eines 
wackeren und erfarnen obristen wie auch gueter capiteine und anderen subalternen offi- 
cire stark zu 2000 mann wolgeklaidet und mit ober- und uudergewehr versehen, da¬ 
von auf das wenigst 1200 mann alte 1 eu t sein müsten, so bereits gedient, 
sintemalen i. kf. Dt solchen regiments in dem veld sich zu bedienen gedächten. Item 
zwei compagnien dragoner ad 160 mann underm com in an do des obristen 
De Martins, dem allhier noch drei andere compagnien, iede ad 86 köpf, mit einem obrist- 
leutenant zugegeben werden sollen. Und dann under dem cotum an do des obristen 
Nicola 400 reit er in 6 compagnien. Und zwar unter nachfolgenden conditionen: 

I. dass officir und Soldaten in churbayr. diensten zwar verbleiben, aber nit ehender 
zuruck sollen können gefordert werden, ehe und zuvor i. kf. Dt zu Cölln frid gemacht 
haben wurden; 2. dass i. kf. Dt zu Cölln für anwerbung und Überlassung gemelter Völker 
von 20 bis 30 m reichsthaler bezalen sollen; 3. dass von dem tag an dieselbe in 
dem erzstüft Cölln kommen, bis daran sie in Bayern widerumb angelangt sein werden, 
denen übrigen i. kf. D l trouppen der Zahlung halber und sonsten in allem 
übrigen gleich gehalten werden sollen; 4. dass i. kf. Dt zu Bayern alle 6 monat 
150 mann recrute für ged. regiment nachschicken sollen, worab iedermann 
mit 6 reichsthaler bezalt werden solle, sobald sie nur in dem erzstüft angelangt sein werden. 
Sölten aber i. kf. Dt zu Bayern lust haben obige inannschaft selbsten underhalten zu 
lassen und noch mehrere dazu zu stossen, um darmit under i. kf. Dt zu Cölln namen 
agim zu lassen, so wolten i. kf. Dt nicht allein ihro ein als den andern w r eeg 24 m reichs¬ 
thaler ein zweimonat malen, als zu end des monats Februarii 12 m reichsthaler und dann 
zu end des monats Martii die übrige I2 m reichsthaler, auszalen lassen, sondern sollen 
pro rata an allen conquesten und contributioneu ihre parte haben, gleich die übrige 
teutsche kff. und ff., so mit eintreten. M. St. A. K. schw. 44'13. 

II. Erklärung des Prinzen Wilhelm von Fürstenberg Uber die europäische Lage zu 
Beginn des zweiten Raubkriegs, abgegeben am kurbayerischen Hofe am 8. April 1672. 

So viel die parteien, wne selbige in und ausserhalb des reichs laufen, betrefen thut, 
da ist i. kf. Dt zu Bayern bereits bekant, dass gegen Holland Frankreich und Engel¬ 
land, auch eventualiter Churcöllen und Münster wie nit weniger der Malteser¬ 
orden dergestalt mit einander verbunden, dass keiner ohne den andern 3 iahr lang 
frieden mit ihnen Holländern einzugehen vermag. Über dies so ist Pf al zn eubu rg, 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


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lierzog Johann Fridrich von Hanover, bischof v. Osnabrug und biscliof von Pader¬ 
born durch schriftliche tractaten obligirt i. kgl. M* nit allein den pass in ihren landen, 
auch die erkaufung und niederlegung munition und vivres zu gestatten, sondern auch 
ihres orts nit zuzugeben, dass von wegen des reichs einig resolution genommen w’erde, 
so in favor von Holland gegen Frankreich sein könne. Churmaynz und Churtrier 
haben auch eines gleichmässigen i. kgL M l in Frankreich durch den h. Heiss versichern 
lassen. Der könig in Portugal ist auch bereit gegen erlegung gewisser subsidien mit 
Holland zu brechen. Frankreich hat sich bis hieher darzu nit verstehen wollen. Wie 
Savoya mit selbiger cron stehet, ist i. kf. D* zweifelsohne besser dann niemanden be¬ 
kannt. Und seind die Schweizer wieder von neuem mit Frankreich gar enge verbunden, 
wie dan i. kgl. M l von solcher nation allein 23000 mann zu fuss und 400 pferd in dienste 
haben. Alle Italianische fürsten ausser Mantua haben die Werbung in dero landen 
Frankreich zugeben; die republique von Venedig aber i. kgl. M fc versichern lassen, dass 
in diesem krieg dero dissegni merers befördern dan zuwieder sein wolte. Soviel aber 
Schweden und Dänemark betrifft, da haben die Holländer bis hieherzu nit allein 
keine cathegoricam resolutionem wegen der vermög der quadrupelalliance schuldiger hülf- 
leistung von der letztem erhalten können, sondern thut auch selbiger könig anietzo in 
dem Haag gar stark urgiren lassen, dass die h. Staaten ihme par arbitrage des königs in 
Frankreich zuerkante sumrnam gelts, so sich ad etliche millionen belauft, auszalen sollen; 
so ein schlechter anfang zur assistenz ist. welche Holland von daraus verhofen thut. Mit 
Schweden aber wäre bereits der tractat geschlossen, wan der mr. de Pomponne vor seiner 
abreis von Stockholm die Vollmacht gehabt hätte dieienige subsidien zu bewilligen, so 
anietzo dem mr. Coursin anbefohlen werden zu offeriren. Man ist also an dem Franzö¬ 
sischen hof alle stund eines couriers mit der ratification gewertig. Die ursach aber, 
warumben Schweden mit ged. ratification eingehalten, ist dieses, dass sie eines teils ver- 
hoffen, den kais. hof dadurch zu disponiren, dass ihnen Bremen abandonniren solle, 
andemteils aber damit Brandenburg oder Braunschweig in hoffnung, dass Schweden sich 
nit contrari von Holland erklären wurde, mit selbiger republique gegen Frankreich enga- 
giren mögten, uinb damit dardurch mittel bekämen mit ihnen krieg zu führen, weilen auf 
solchen fall Frankreich obligirt sein würde, ged. cron alle monat 50™ rthaler subsidien 
zu bezalen; da sie sonsten, so lang als niemands in Teutschland gegen Frankreich bricht, 
nur allein 25 m rthaler zu geben schuldig. Also dass aus allem diesem und wegen der so 
starker zwischen Engeljand und Schweden obhandener union und dass solche cron nichts 
zu gewinnen weiss, wan sich mit Holland einlassen solte, schwerlich den tractat mit 
Frankreich wird aus lianden gehen lassen. Den papst hat man von kais. und Span, hof 
gesucht zu vermögen, dass derselbe Churcöllen und bischofen von Münster imponiren oder 
auf das wenigste dehortiren wolle sich gegen Holland zu erklären. S. heiligkeit haben 
abgeschlagen. Wegen Chursachsen ist man au Churcolnischen hof durch gewisse 
hand benachrichtet, dass der kf. zu Brandenburg zwar sehr bei demselben insistirt eine 
dritte als protestirende partei zu machen, es wolte aber Chursachseu keineswegs darzu ver¬ 
stehen, mit vorgeben, dass schon zu oft von Churbrandenburg wäre angeführt worden. 
Churpfalz wird sich aller apparenz nach indifferent halten, nichts gar favorables für 
Holland noch auch ganz contrari gegen Frankreich thun. 

Für Holland seind ofentlich geportirt Spanien, indeme sie den Haagischen 
tractat de succurrendo mutue zu Madrid, wie wüssig, ratificirt haben. Dieselbe versichern 
aber, dass dieserthalb mit Frankreich zu brechen nit gedächten. Ob aber solcher soucours 
gross sein und viel würkung haben werde, muss mau derentlialben sehr anstehen, weilen 
i. M‘ i 1 Frankreich über alle gamisonen ihrer plätze ein corpo von 22 ™ mann zu fuss 
und 14 m pferd in Niederlanden stehen lassen werden, welches dem Spanischen guber- 
natori nit wohl zulassen will, die mehrentheils noch offene und nicht vollendete vöstung 
volklos stehen zu lassen. Churbrandenburg affection gehet propter religionem zwar 
mehrere für Holland als dargegen, thut auch alles mögliches, damit neben i. kais. M* oder 
auf das wenigste unter dero autoritet eine starke partei in Teutschland formirt werden 
mögte. Weilen aber der herzog von Zell mehrere inclinirt still zu sitzen als für Holland 
Bayer. Forschungen VI, 1. 4 


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50 


Michael Doeberl 


sich zu erklären, so kan keiner, deine die beschaffeuheit des Churbrandenburg, hofs, auch 
Situation seiner landen bekant ist, andersten urteilen, dass s. kf. Dt alleweilen negociren, 
aber sich nit ofentlich gegen Frankreich erklären werden, solang sie nit gewiss wissen, 
was der kaiser und Schweden eigentlich thun w r erden. Also dass principaliter alles darauf 
beruhen thut, was i. k a i s. M 1 für eine resolution fassen werden. Und weilen Churmaynz 
und Churtrier versichern thun gewisse nachricht zu haben, dass i. kais. M*, ob sie sich 
schon gegen Spanien erklärt haben sollen, dieselbe mit starkem soucours zu assistiren, 
falls die cron Frankreich mit Spanien brechen solte, so wurden sie sich doch ausser diesem 
des Holländischen wesens durch würkliche hülfleistung nicht annehmen, es wäre dann, 
dass das ganze Röm. reich darzu verstünde und i. kais. dieserthalb ersuchen wurde. 
Weilen aber solches nit geschehen kan, sondern dass das Röm. reich in ein gefährliche 
langwürigen und schweren krieg eingeflochten und die ganze reichsmacht in i. kais. Mt und 
des kf. zu Brandenburg — als die dermalen allein armirt stehen — händen gestehet werde 
oder, dae auch solches schon nit wäre, gleicliwolen zu befuhren stunde, dass wann der 
Türk in Ungarn einfallen solte, die reichsmacht gänzlich zerteilt und den Franzosen recht¬ 
mässiger fug und ursach gegeben werden mögte, ein oder andern reichslande und pläzen 
alsdann zu bemächtigen: so ist geringe apparenz, dass die meistere stände des reichs zu 
einer solcher schädlicher resolution ausländischer interesse halber werden verstehen wollen. 
Zu befürchten aber ist, dass die majora in den reichscollegiis aus teils Unverstand teils 
passion der volanten, allein umb den kaiserlichen das placebo zu spielen, dahin gehen 
dörften, man solte Churcöllen von i. kais. Mt und reichswegen ernstlich erinneren und 
ermahnen, die frembde Völker aus seinen landen zu schafen und mit Holland in keinen 
krieg einzulassen, sondern mit des reichs garantie, auch dass dasselbe sich interponiren 
wolle, umb damit Rheinberg durch gütliche tractaten wieder bekomme, begnügen zu 
lassen. M. St. A. K. schw. 44/13. 


1672 April 25. Kurkölnisch-bayerischer Vertrag. 

Von gottes gnaden wir Maximilian Henrich ertzbiscliof zu Cöllen etc. bekennen 
hiemit und in kraft dieses: Demnach uns unsere freundlich geliebten vettern des herren 
kf. in Bayeren L, d auf unser freundvetterliches ersuchen zu sonderbahrem hohen dank die 
bewilligung gethan, bei jetzigen anscheinenden gefährlichen coniuncturen zu unserer und 
unsere erzstifts defension und Versicherung ein re gi ment ad zwölfhundert man zu 
fuess mit den darzu gehörigen ober- und underofficieren, auch der knecht ober- und 
undergewehr zu uberlassen und in ihrem underhalt bis nacher Wertheimb in Franken zu 
liefern; dass wir uns gegen deroselben hinwider freundvetterlich obligirt haben, obligiren 
uns auch hiemit und in kraft dieses bei unseren kfl. wahren worten. 

1. Im fall s. L d zu ihrer und ihrer selbsteigenen land und leuten bewahrung 
und beschützung ermelter Völker über kurz oder lang, auf was gefahr es immer sein 
möge (derentwegen wir s. U d worten zuetrauen wollen) vonnöten haben solte 11, dass 
wir solche ohne einige ausred alsogleich wieder zuruck lassen; 

2. Auch da entzw’isclien etwas an manschaft, durch was zuefall es immer sein 
möge, davon abkommen solte, solches wiederum b ersetzen und also das 
völlige regiment ohne abgang zuruckgeben; 

3. Auch da es der orten bei und umb unsere erz- und Stifter wiederumb zu fried¬ 
lichem ruhestand kommen und wir Vorhabens sein würden, unsere Völker abzudanken, 
dass doch die abdankung dieses regiments ohnes. L d vorwissen nit geschehen; 

4. Ihro auch zu einiger weniger erstattung der werbungs- und be- 
welirungsunkösten von unseren Berchtesgadischen salzgelderen acht¬ 
tausend gülden in handen zu behalten bevoretehen und hiemit zuegelassen sein 
solle; jedoch dass s. Churbayerns L d gehalten seien, wan sie ermeltes regiment zu ihrer 
landen defension vor der zeit, als wdr zur abdankung schreiten wolten, wieder abforderen 
und zue sich nehmen wolten, dass uns hingegen die iubehaltenen achttausend gülden 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


51 


zuruck gegeben, dagegen s. L, d die Völker auf unsere Unkosten wieder bis nacher besagtem 
Wejtheimb geliefert werden sollen. 

Dessen zu wahrem urkund haben wdr dieses eigenhändig underschrieben, auch 
unser kfl. insiegel herunder auftrueken lassen. Geben in unserer residentzstatt Bonn den 
25. Aprilis 1672. 

Maximilian Heinrich 
Churfürst zu Cöln. 


J. B. Burman. 

M. St A. K. schw. 44/15 (Original). 

K. schw. 44/13 bef. sich das Konzept von der Hand des Vizekanzlers Kaspar v. Schmid. 


IV. 


1) Bayerischer Entwurf für das französisch- 
kölnische Garantie versprechen. 

Posteaquam serenissimus elector Bavariae 
ad requisitionem serenissimi patruelis sui archi- 
episcopi et electoris Coloniensis consensit, quod 
serenitati suae electorali adversus confoederatos 
Hollandiae Status, qui non solum restitutionem 
civitatis Rheinbergensis et refusionem damno- 
rum archiepiscopatui Coloniensi inique illato- 
rum contumaciter detrectant, sed etiam sereni¬ 
tati suae electorali quaevis hostilia minantur, 
consilio et opere assistere et pro defensione 
subditorum et iurium archiepiscopatus aliquas 
copias militares hac conditione subministrare 
velit, si Christianissimus rex cum electorali 
sua serenitate Coloniensi spondeat, quod sere- 
nissimo electori Bavariae in eum casum, quo 
subditis et provinciis suis occasione et intuitu 
huius assistentiae ab amicis aut confoederatis 
Hollandorum vel quibuscumque aliis aliquid 
hostilitatis obtingeret, forti manu assistere et 
indemnem praestare velit: 

idcirco pro exactiore huius garantiae de- 
claratione couventum est, ut articulus tertius 
membri secundi confoederationis anno mille- A. E. de Bavieres 
simo sexcentesimo septuagesimo decimo sep- auroit envoyees a s. 
timo Februarii inter Christianissimam suam A. de Cologne, eile 
regiam maiestatem et serenitatem electoralem se trouvoit attaqu£e 
Bavariae initae etiam ad praesentem casum ou par l’empereur 
extendatur, ita, ut vigore huius novae con- ou par quelque prin- 
ventionis Christianissima sua maiestas obligata ce de l’empire, sa 
sit serenissimo electori Bavariae, si a qui- M'e s’engage del’as- 
buscumque et iis maxime, qui partes Hollan- sister de toutes ses 
dorum suscipiunt aut eisdem auxilia et sub- forces, s’il en estoit 
sidia praestant, subditis aut provinciis suae besoing, ou de luy 
serenitatis quidquam adversi aut hostilitatis accorder tel nombre 
obveniat, pro conscriptione et armatura trium de trouppes, qu’elle 
millium equitum et sex millium peditum desire, mesme a la 
summa centum et octoginta millium imperi- premi£re requisition, 
alium sive thalerorum et pro illorum stipendiis qui luy en sera faite, 


2) Königliche Ordre 
nach dem Wortlaut 
in Gravels Schreiben 
von 1672 Mai 15. 


Si a l’occasion des 
trouppes, que sad te 


3) Französischer Gegen¬ 
entwurf für das franzö- 
sich-kölnische Garantie¬ 
versprechen, ratifiziert 
1672 Mai 27. 


Dieser Teil wörtlich 
nach dem bayerischen 
Entwurf. 


idcirco pro exactiore 
huius garantiae decla- 
ratione conventum est, 
ut Christianissima regia 
sua maiestas serenissi¬ 
mo electori Bauariae, si 
a quibuscumque et iis, 
qui maxime partes Hol¬ 
landorum suscipiunt 
aut eisdem auxilia et 
subsidia praestant, sub¬ 
ditis aut provinciis suae 
serenitatis quiequam 
aduersi aut hostilitatis 
obveniat, promptissi- 
mum auxilium et eam 
seu equitum seu pedi¬ 
tum copiam, quae a sua 
4 * 


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52 


Michael Doeberl 


et annua sustentatione in singulos annos, quatu- 
diu durat liostilitas, quadringenta millia flo- 
renorum Gernianicorum solvere aut si forte 
etiam maior necessitas conscriptionis moram 
non patiatur, ad requisitionem serenissimi elec- 
toris ex supradictis noveui millibus equituni 
et peditum aliquam parteni, cuius determina- 
tio in serenitatis suae electoralis arbitrio erit, 
mittere, ita tarnen, ut vicissim pro rato ex- 
pensae conscriptionis et arniaturae remittan- 
tur. Et hanc solutionem pecuniae sive sub- 
ministratiouem militum ad requisitionem sere¬ 
nissimi electoris Bavariae ita in promptu et 
parato praestare promittit Christianissimus 
regia M 1 ** cum electorali sua serenitate Colo- 
niensi, ut nulla omnino excusatio, cunctatio 
aut mora admitti debeat aut possit. In quo- 
rum fidem etc. M. St. A. K. schw. 279/29. 

Vermerk: „Ist lialbbriicliig geschrieben 
und dem prinzen Wilhelm v. Fürste 11- 
berg alhie zugestellt worden, April 1672. 
Hernach wideruni halbbrüchig geschrieben, 
so dem msr. de Gravel nacher Regensburg 
übersandt, von deine aber ein anderes proiect 
alliero überschickt worden, so alhie auch ver¬ 
fertiget und ihme zu ebenmessigem ende re¬ 
mittiert worden. So datiert den 27. Mai 1672» 
daher gilt dies nihil. 


et sans aucune perte serenitate desiderabitur, 
de temps, et pour ad primam ipsius requi- 
ce, qui est des sub- sitionem mittat, imo si 
sides, l’on en traitera opus sit, totis viribus 
et l’on en convien- eam absque mora de- 
dra au cas et au fendat. Insuper in 
temps, que s. A. E. eum casum si contin- 
vieudroit d estre at- gat, tune Christianissi- 
taquee, soit que les rnuin regem et serenissi- 
assistences, qu’elle mum electorem Colo- 
desirera, doivent niensem inter et sere- 
estre donnees en nissimum electorem Ba- 
troupesouenargent. variae de ulteriori 
M. St. A. K. schw\ assistentia aut in copiis 
279/29. aut in aliis pecuniae 

subsidiis convenietur. 
In quorum fidem etc. 

(Ztschrift f. Bayern 
und die angrenzenden 
Länder IV, 198 f.). 


V. Der belagerung zu Groningen relation. Auszug. 

24. Julii 1672: Diesen abend hat das Bayrische regiment den laufgraben aufge¬ 
worfen und die zwei batallionen von dem Fürstenbergischen regiment abgelest 

Den 25. Julii ist man mit der Cölnischen trancli£e weit kommen und haben die 
Bayrischen ein über die massen stattliches werk gemacht, darab die generales von denen 
officieren und Soldaten all vollkomene satisfaction bekomen. . . . Die Soldaten und burger 
seind von der stat zu underschidlichen malen ausgefallen, aber von denen Bayrischen 
musquetieren iedesmal alsobald widerumb abgetriben worden. . . . Die batterie ist disen 
tag ganz verfertigt worden; es hat aber der lierr bischof von Münster gleichwohl kein 
stuck wollen alda aufführen lassen, bis auch die andere batterie, welche er die nacht 
hernach bauen ze lassen Vorhabens gewest, zu ihrer perfection gelangt ist. Disen abent 
ist das Bayrische regiment von einer Fürstenbergischen rott und des obristen Weixs regi- 
ment tragoner abgelest worden. 

27. Julii: Diesen tag hat auch der obrist Borensem und der graf von Homburg, 
weliche auf die partei gegangen waren, in einem dorfe genannt Drachten (sic!) 5 kompagnien 
Friesländische reiter angetroffen, weliche reiter, nachdem sie ein prugen bei besagtem 
dorf, den unserigen den pass zu verwehren, eine zeit dapfer defendiert, von dem obrist 
St Martin und seinen untergebenen Bayrischen dragonem, die dermassen wol gefochten, 
dass sich daryber zu verwundern gewesen, also scharpf charchirt, dass sye die flucht zu 
nemen gezwungen w'orden, und seind deren 50 in 60 auf dem plaz gebliben, etlich 
leutenant und comet sambt einem haubtmann und 50 reitern gefangen und ihnen zwei 
Standarten abgenommen worden. 


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Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


53 


28. Julii: Diesen abend ist auch der obrist Zurlaube von dem Bayrischen regiment 
abgelest worden. 

Den 29. Julii ist der Cölnische und Miinsterische lauf graben gleich weit gebracht 
und diese nacht nit mehr als 1 mann erschossen, aber 3 von dem Bayrischen regiment 
verwundet worden. So hat man auch an ainer batterie von 8 canonen angefangen zu 
arbeiten, von darauf man die bateri des feinds, weliche der bastei gleich im gesicht stehet, 
so die Cölnische angreifen wollen, ruiniren kann. Man hat aber besagte bateri nicht 
weit gebracht wegen der dicke, so man ijir zu geben vermeint, um selbe canonfrei zu 
machen. Diesen abend ist das Bayrische regiment durch die Bellerosische Encheringisclie 
und 1 Fürstenbergisches bataillon abgelest worden. 

31. Julii: Der obrist Zurlauben ist diesen abend durch die Bayrische abgelest 
worden, und hat dieses regiment einen sergenten, einen corporal und 5 gemeine knecht 
verloren, seind auch 8 oder 10 verwundet worden. Diese Bayrische haben fleissig ge¬ 
arbeitet, die grosse bateri zu ihrer perfection zu bringen und eine neue von 5 stuck 
geschüz anzufangen, damit sye die seiten bestreichen künen, seind gegen der mina des 
abschuss ungefehr 5 schrutt avancirt. 

1. August. Das Bayrische regiment ist diesen abend von dem Bellerose, Enchering 
und der dritten bataillon vom Fürstenbergischen regiment abgelest worden. 

(Fortsetzung fehlt — s. dazu S. 36). 

M. St. A. K. schw. 44 17. 


VI. Summarischer verschlag 

wie stark i. kf. D l zu Bayern meines g st . herrn dieser ortes u. mir g 3 '. untergebenes 
regiment zue fuess sich alhier zu Deventer den 5 . Julii anno I673 effective befunden. 


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750 



(sic!) 19 personen b. dem staab*) 


tliut mit dem staab die summa 769 köpf 

S. Bibous. 


*) Der staab: 

1 obrist 

1 obristlieutenant 
1 obristwaclitmeister 
i regimentquartiermeister 


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54 


Das bayerische Hilfskorps in Kölner Diensten. 


i kapellan 
i adjutant 

i auditor und sekretär 
i feldscherer 
i tambur 

1 profoss mit seinem knecht 

4 knecht vor den obristen 

2 knecht vor den obristlieutenant 

i knecht vor den kapitänlieutenant 

19 mit dem Stallknecht 

M. St. A. K. schw. 44/15. 


VII. Conto oder bilanz. 


was i. kf. D l zu Cölln wegen des zurückgeforderten regiments zu fuess underm obristen 

B i b o u s noch bezalen zu lassen. 

I. kf. D sollen: 

Vermög attestirter abreclinung mit dem Churcöllnischen commissari 
Eckhel hat das regiment für den monat September a. 1673 (dann 


nischen Verpflegung. 

für den monat Januar a. 1674 laut obiger abrechnung 
,, „ ,, Februar ,, „ „ attestation von dies 

,, ,, „ Martz ,, „ ,, ,, , 


trifft also .dessen sold für das monat April 

M a i 


für den halben September 


Juni. . 
Juli . . 

August 


I. kf. D* sollen haben: 

Vom major Hagedorn in Deventer empfangen. 

Vom commissari Eckharte 11. 

Von dessen Schreiber aufm rathaus. 

herr obristwachtmaister empfangen. 

Noch gehen ab die officir, so nach er Bayern gangen . 

h. comissari Lankh dem veldscherer vom graf Zacco. 

In courant seind vom commissari Lankh in Neuss erhoben. 
Noch von demselben bei dem abzug an durat(en) und courant 


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12877 

52 '/. 


Restirt also von i. kf. D l zu Cölln dem regiment noch zu bezalen 

M. St. A. K. schw. 44/13. 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 

(7. September 1796). 


Von 

Richard Graf du Moulin Eckart 


hat es sich nicht nehmen lassen, gleichsam im Anschluss an die 
erhebende Jubelfeier für die Errungenschaften des deutsch-französischen 
Krieges, auch jener Tage zu gedenken, an denen nunmehr vor hundert Jahren 
Erzherzog Karl, der heldenmütige Führer kaiserlicher Heere, mitten im 
Taumel französischer Eroberungslust und revolutionärer Propaganda noch 
einmal den Sieg an die deutschen Fahnen heftete. Freilich lässt sich ein 
schärferer Kontrast nicht denken als zwischen jenem Feldzuge und dem letzten 
Kriege mit Frankreich. Hier ein mit allen strategischen und politischen Kon¬ 
sequenzen durchgeführter Feldzug, ein ungeahnter Erfolg, der die Erfüllung 
des Sehnens und Strebens des deutschen Volkes, die Gründung des neuen 

Reiches brachte, dort aber eine Reihe versäumter Gelegenheiten, von Miss¬ 

erfolgen, sodass selbst die Siege des jungen Erzherzogs lediglich strategische 
Vorteile zu bringen vermochten, während infolge der strategischen und politischen 
Fehler dieses Feldzugs das alte Reich einen tödlichen Stoss erhielt. Längst 
war der Zusammenbruch nur noch eine Frage der Zeit, aber Erzherzog Karls 
Rückzug vom Rhein hat ihn zweifellos beschleunigt; es war der Anfang 
vom Ende! 

Wenn man sich daher frägt, ob es sich der Mühe gelohnt hat, die 
Freude über den alten Sieg laut werden zu lassen, so dürfte man sich ruhig 

eingestehen, dass es besser gewesen wäre, nicht an alte Wunden zu rühren, 

wenn nicht gerade in diesem Augenblicke grenzenlosen Elends, das der 
kaiserliche Feldherr über Süddeutschland gebracht hat, die ersten Keime 
deutschen Nationalgefühls im Volke erwacht wären, sodass es schon damals 
bereit war, im alten „furor teutonicus“ die Waffen zu ergreifen, aber am eigenen 
Leibe die ganze Erbärmlichkeit des alten Reiches empfand, und in ungewissem 
Sehnen nach einem festen deutschen Staat verlangte, in dessen starkem Waffen¬ 
schutz Haus und Ehre des deutschen Bürgers sicher geborgen war. So 
erweckt denn diese Verknüpfung von Sieg und Uusieg, von Ruhm und 
Schmach das Interesse und die Teilnahme des Historikers immer aufs neue 1 ). 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


Den jungen Feldherrn selbst scheint ein eigenartiges Verhängnis zu 
verfolgen. Eine lautere Heldengestalt, voll Opfermut, voll Klugheit und 
Scharfsinn, ist er als Theoretiker einer der grössten Heermeister der neueren 
Geschichte. Doch lässt gerade sein berechnender Geist den Helden nicht völlig 
zum Durchbruch kommen, und es versagt ihm die Initiative in einem Augenblick, 
wo ihr der Sieg gewiss, der Sieg selbst aber eine politische Notwendigkeit 
gewesen wäre. Es sei ferne, an den verdienten Lorbeeren des später so ver¬ 
bitterten Helden zu rühren. Die Schlachten von Amberg und Würzburg 
zieren ihn nicht minder wie der Sieg von Aspern, wenn auch hier ein Grösserer, 
als er selbst war, das Feld räumen musste. Aber trotzdem steht fest, dass er 
durch diese Siege lediglich wieder gewonnen hatte, was verloren war. Es war eine 
glänzende Wiederherstellung der Waffenehre 2 ). Und es wird immer eine Leistung 
ersten Ranges bleiben, dass er nach all den Fehlern, die er selbst und in noch 
weit höherem Grade seine Unterfeldherren begangen, nach der Deroute, die in 
den kaiserlichen Heeren herrschte, noch an dem festen Plane, beide Heere zu 
vereinigen, festhielt, und durch die Ausführung desselben die Franzosen zum 
Rückzug über den Rhein zwang. Aber was zwischen seinem Abzug vom 
Rhein und dem Morgen des 24. August lag, wo von den Höhen bei Amberg 
Kanonendonner die Vereinigung der beiden Armeen verkündete 8 ), das schloss 
eine Reihe schlimmer Fehler in sich, die nicht wieder gutgemacht werden 
konnten. Es ist indes nicht Absicht dieser Zeilen, den Rückzug Erzherzog 
Karls durch alle einzelnen Phasen zu verfolgen. Es genügt zu zeigen, wie 
er mit dem Verzicht auf eine strategische Stellung für den Kaiser eine poli¬ 
tische verloren hat, die nicht zurückerobert werden konnte. 

Nach den Erfolgen der kaiserlichen Heere gegen Ende des Jahres 1795 
und bei der militärisch-politischen Lage Frankreichs wäre es für die deutschen 
Generäle ein Leichtes gewesen, jenseits des Rheins, wo sie bereits Stand ge¬ 
fasst hatten, einen entscheidenden Schlag zu führen. Erzherzog Karl be¬ 
fehligte 81000 Mann, während Feldmarschall Wurms er über 91000 Mann 
verfügte. Die Hauptarmee stand auf dem jenseitigen Rheinufer in einem 
weiten Bogen tief zwischen die beiden Heere hineingeschoben, sodass diese 
schon durch diese Stellung so gut wie getrennt waren. Aber die Konzen¬ 
trierung der beiden kaiserlichen Armeen wurde wie der Angriff auf die Gegner 
versäumt. Die Hofburg hatte, um dadurch auf die Bewegungen Bonapartes 
in Italien hin zu wirken, einen Einfall ins Eisass gewünscht, ein Gedanke der 
dem Erzherzog zu riesenmässig erschien und daher unausgeführt blieb. Es 
geschah vielmehr das Unglaubliche, dass Karl die ganze Rheinlinie aufgab 
und der französischen Invasion Thür und Thor öffnete 4 ). Der Abzug der 
Kaiserlichen aber war zugleich das Signal für den Abfall der süddeutschen 
Staaten von der undankbaren kaiserlichen Sache. Es war keine erfreuliche 
Erscheinung, dass man sich bei dem Herannahen der französischen Horden 
in Stuttgart und Karlsruhe entschloss, dem Unheil durch schleunige Friedens¬ 
unterhandlungen zu wehren; ebenso unerfreulich aber war es, dass jeder Verlass 
auf die kaiserliche Armee aufhörte. Hatte zum Beispiel Graf Latour, der 
Unterfeldherr Karls, dem wir alsbald am Lech wieder begegnen, am 4. Juli 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


57 


dem Markgafen von Baden melden lassen, dass die Residenz Karlsruhe nicht 
das Geringste zu befürchten habe, so sah er sich schon am folgenden Tage 
gezwungen, eine Alarmnachricht zu senden, die zu schleuniger Flucht auf¬ 
forderte 5 ). In der That rückten bereits am n. Juli die Franzosen in Karls¬ 
ruhe ein. Am 8. Juli war Freiherr von Reitzenstein mit der Führung 
der Waffenstillstands Verhandlungen betraut worden, die indessen erst am 
25. Juli zum Ziele führten, nachdem Wiirtemberg am 17. Juli seinen Vertrag 
mit der Republik geschlossen hatte 6 ). Der schwäbische Kreis schloss sich 
am 27. Juli dem Vorgehen der beiden Staaten an. Das waren die nächsten 
Folgen von Karls freiwilliger Retirade. Was bedeutete dagegen seine ehrliche 
Entrüstung, was mochten die Zwangsmassregeln fruchten, durch die er den Treu¬ 
bruch der deutschen Reichsfürsten zu bestrafen gedachte! Die Entwaffnung ihrer 
Kontingente konnte ihnen im gewissen Sinne nur erwünscht sein 7 ). Ward doch da¬ 
durch ihren Verträgen mit Frankreich nur vorgearbeitet, welche die Zurück¬ 
ziehung der Kontingente von der kaiserlichen Armee forderten. Und bald ge¬ 
nug vollzogen sich die Verhandlungen mit der Republik hinter der weit vor¬ 
geschobenen französischen Front. Denn am 4. Juli war die Rheinposition, 
am 9. Juli die Schwarzwald kette verloren, und zwar auf völlig unnötige Weise. 
Denn Karl war zwar geschwächt, aber nicht geschlagen 8 ). Sieht sich doch sein 
Verhalten an, wie die Lösung eines glänzenden strategischen Exempels. Dann 
aber, als der Führer der Niederrheinarmee, Graf Wartensleben, im fort¬ 
währenden Rückzug vor General Jourdan, sich von der geradezu krank¬ 
haften Idee leiten liess, Böhmen schützen zu müssen, und infolge dessen be¬ 
reits am 1. August in Bamberg angelangt war, da wurde das Spiel bitterer 
Ernst, und Karl musste zurück bis Regensburg, um einer augenscheinlichen 
Gefahr zu entgehen. Denn nun wäre es General Jourdan ein Leichtes ge¬ 
wesen, sich zugleich mit Moreau auf den isolierten Erzherzog zu werfen 
und sein Heer völlig aufzureiben. Die Verblendung der beiden französischen 
Feldherren machte indessen gut, was die kaiserlichen gefehlt hatten. Mit 
grossem Geschick wich Karl dem drohenden konzentrischen Angriff der 
beiden Gegner aus, um dadurch Zeit zur Vereinigung mit Wartensleben zu 
gewinnen und so gekräftigt den offensiven Vorstoss gegen den Feind zu 
wagen. Das war ein kühner, aber wohlberechneter Entschluss, der denn auch 
den Wendepunkt des Krieges bezeichnet und den kaiserlichen Waffen den 
Sieg zurückbrachte. Durch den berühmten Uferwechsel bei Donauwörth lockte 
er Moreau glücklich auf die rechte Seite des Flusses, um dann selbst un¬ 
weit Regensburg glücklich auf das linke Ufer zurückzukehren und bei Am¬ 
berg den Schlag gegen Jourdan zu führen 9 ). 

Freilich war dadurch die letzte Position gefährdet worden, die den 
bayerischen Kreis vor dem nahenden Feinde schützte, die Lechlinie. Es ist 
keine Frage, der Erzherzog hatte sie unter allen Umständen halten wollen 10 ). 
Er hatte zu diesem Zwecke den Feldzeugmeister Latour zurückgelassen. 
Doch dieser kam rascher, als es notwendig war, zu der Überzeugung, dass er 
den Lech nicht würde behaupten können. Die Schlacht bei Friedberg ent¬ 
schied denn auch am 24. August diese Frage zugunsten der Franzosen. 


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5« 


Richard Graf du Mouliu Eckart 


Moreau nahm noch am gleichen Tage Stellung an der Paar und Aisch, und 
Latour gab Bayern so gut wie verloren 11 ). Er wollte sich zwar noch an 
der Ammer behaupten, doch wurden schon alle Eventualitäten für den weiteren 
Rückzug bis an die Isar, ja selbst bis an den Inn erwogen. Auch die Sieges¬ 
nachrichten von Amberg vermochten ihn nicht zu neuer Thatkraft aufzumuntem. 
Gerade unter dem Eindrücke jener Botschaft schrieb er an den Erzherzog, er 
könne es unter den obwaltenden Umständen auf eine zweite Schlacht nicht 
ankommen lassen. Im Falle er die Isar verlassen müsse, bleibe ihm nichts 
übrig, als Schritt für Schritt auf Braunau zurückzugehen, wo er dann bei 
Altötting zuwarten werde, bis er durch Verstärkungen oder die glänzenden 
Fortschritte des Erzherzogs wieder in den Stand kommen würde, dem Feinde 
die Spitze zu bieten. So schrieb Latour am 27. August aus Riem an den 
Erzherzog. 12 ). Dieser hatte gesiegt, aber Bayern war und blieb preisgegeben. 
Und hier fiel, während Karl bei Würzburg das klare Fazit seiner klaren 
Rechnung zog, eine Entscheidung, die ebenso schmachvoll war wie der Sieg 
bei Würzburg glorreich: der Vertrag von Pfaffenhofen vom 7. September 1796. 
Beide waren zweifellos die unmittelbare Folge der Heerführung des kaiser¬ 
lichen Feldherra. 

Doch soll die Schuld an dem Ereignisse keineswegs dem Erzherzog 
allein aufgebürdet werden. Man muss selbst zugeben, dass sein Sieg bei Am¬ 
berg jede Notwendigkeit eines solchen Schrittes beseitigt hatte, ja ihn um so 
jämmerlicher erscheinen lässt. Der Vertrag ist vielmehr die Folge weitver¬ 
zweigter politischer Konstellationen, auf die der Erzherzog in der Verfolgung 
seines Feldzugsplanes keine Rücksicht nahm. Die Vereitelung wäre auch 
ohne Sieg in der Schlacht ein moralischer Erfolg gewesen, der für die kaiser¬ 
liche Politik schwerer in die Wagschale gefallen wäre, als weitere siegreiche 
Feldzüge, deren Früchte durch Bonapartes Fortschritte in Italien in schwerer 
Weise beeinträchtigt wurden. Er hätte, das steht fest, jedenfalls im Sinne 
des Leiters der kaiserlichen Politik gehandelt, wenn er diesen Vertrag 
Bayerns gehindert hätte. Und Bayern selbst hätte ihm Dank dafür wissen 
müssen, wenn auch seine leitenden Kreise an der Ausführung eines Lieblings¬ 
wunsches gehindert worden wären. Denn die Konsequenzen des Vertrages 
waren unheilvoll für lange Zeit, boten der französischen Politik eine Hand¬ 
habe, die noch im Jahre 1800 schwer auf Regierung und Volk lasten sollte. 
Es scheint daher nicht überflüssig, den Ursachen dieses seltsamen Waffen¬ 
stillstandes nachzugehen, der ja immer in der Form schmachvoll bleibt, aber bei 
näherer Beleuchtung trotz der Kopflosigkeit der bayerischen Unterhändler 
erklärlich ist. 

Man hat Moreaus Haltung nach der Schlacht bei Friedberg stets 
verurteilt, ihm unerklärliche Saumseligkeit vorgeworfen 13 ). Ich finde nichts, 
was sein Verfahren vom strategischen Standpunkte aus rechtfertigen könnte. 
Er unterschätzte und überschätzte eben zu gleicher Zeit seine Lage. Er 
glaubte nicht mehr an den Sieg der österreichischen Waffen. Er hatte politische 
Belege dafür, dass Österreich mehr und mehr isoliert stand. Darum hielt er 
auch die Niederlagen Jourdans für Schlappen ohne Bedeutung. Aber er 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


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hielt sich auch wohl zu schwach zur Offensive. Dagegen überschätzte er 
seine politischen Erfolge, die ihm jetzt und später mehr am Herzen lagen als 
der Sieg auf dem Schlachtfeld. Das Beispiel Bonapartes verlockte und 
reizte ihn. Dazu kamen seine bisherigen Erfolge in Süddeutschland. Eine 
Reihe von „Freunden“ hatte er seiner Republik gewonnen. Und er hoffte, 
so heisst es, auf unvorhergesehene Fälle 14 ). Es mag sein. Das lag in der 
Luft Er hatte selbst nichts gesehen als Deroute und Retirade. Er glaubte 
nicht mehr an den feindlichen Feldherrn noch ah sein Heer. So konnte er sich 
den Maximen seiner Regierung, dass Krieg den Krieg ernähre, um so leichter 
hingeben und zugleich billige politische Lorbeeren sammeln. Ein solcher war 
der Vertrag, den er am 7. September mit Bayern abschloss, in voller Kenntnis 
von Jourdans Niederlage, aber auch noch im Glauben an die Nichtigkeit 
seiner Gegner. Der Kurfürst hatte bei seinem Nahen seine Truppen völlig 
zurückgezogen, ein starkes Bollwerk war gefallen, der Vertrag machte ihn 
zum Herrn von Bayern, soweit es nicht von Österreich besetzt war. Man 
kann aus Posselts Annalen, die in ziemlich lächerlicherWeise für Moreau 
Reklame machten, die Ideen Moreaus über seine Lage erkennen, die er im 
Augenblicke hegte, da er jenen Vertrag abschloss: „Wie stolz war itzt nicht 
die Lage dieses Feldherni“ ,5 ). Diese Überschätzung der Bedeutung des 
Waffenstillstandes wie Bayerns ist charakteristisch. Sie entsprach aber der in 
Paris Mode gewordenen Auffassung der bayerischen Verhältnisse. Er sah in 
dem Vertrage ein politisches Resultat von grösster Tragweite, den Erfolg der 
französischen Politik, die gerade wegen Bayern ein höchst seltsames Spiel 
getrieben hatte. 

Die Republik hatte bald den Hass des bayerischen Volkes gegen die 
Annexionsgelüste Österreichs, sowie den Gegensatz des Prinzen von Zwei¬ 
brücken gegen diese Pläne als willkommenes Moment für ihre Politik aufzu¬ 
greifen und die Furcht vor diesen Plänen in Zweibrückeu stets zu steigern 
verstanden. Aber nicht bloss das. Während sie durch die geeignete Ver¬ 
wertung dieses Moments den Herzog von Zweibrückeu mehr und mehr in 
die Schlingen ihrer Politik zu locken versuchte, wusste sie das Land Bayern 
dem Kaiser stets als Lockmittel zu zeigen und die Spannung zwischen den 
Beteiligten nicht minder wie bei den Mächten fortwährend zu erhalten und 
zu steigern 16 ). Seit der Matmheimer Kapitulation und dem kaiserlichen Straf¬ 
gericht gegen die vermeintlichen Verräter au der kaiserlichen Sache war ihr 
dies noch leichter. Es war zweifellos Frankreich, welches das Tauschprojekt 
mit geschickter Hand stets aufs neue als Zankapfel zwischen die Mächte 
warf. Und das gelang ihm vortrefflich. Oesterreich, Preussen, England ge¬ 
rieten in die französische Falle. Und vor allem Herzog Maximilian von 
Zweibrücken. Das konnte nicht wundernehmen. Das Verfahren des Kaisers 
gegen ihn und seinen Minister Salabert, der Ton der gegen ihn auf dem 
Reichstag und von den Generälen angeschlagen wurde, musste ihn nicht nur 
empören, sondern auch mit erhöhtem Misstrauen erfüllen 17 ). Sollte doch schon 
General Clerfayt sich zu der Erklärung haben hinreissen lassen, er wolle 
durch Franken und die Oberpfalz, Wurmser durch Schwaben und Bayern 


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6o 


Richard Graf du Moulin Eckart 


marschieren, um bei der allgemeinen Verwirrung des Reiches die alten Pläne 
auszuführen 1 "). Unter solchen Umständen warf sich Max Joseph Preussen 
in die Arme, das ihm in seiner scharfen Stellungnahme gegen den Wiener 
Hof den Rücken decken sollte. Das wollte und konnte zwar Preussen in 
diesem Augenblicke nicht, aber es ebnete durch seine eigene Politik seinem 
Schützling die Wege nach Paris. Am 5. August hatte der König selbst seinen 
Vertrag mit der Republik geschlossen, der in den offenen Artikeln lediglich 
eine Beschränkung der Demarkationslinie festsetzte, während die Geheim¬ 
artikel provisorisch die Abtretung des linken Rheinufers zusicherten, für den 
Fall, dass der Reichsfriede diese ausspreche. Alsdann würden die Ent¬ 
schädigungen die Saekularisation der geistlichen Reichsstände bedingen und 
würde Frankreich die Vermittelung Preussens für die deutschen Fürsten an- 
nehmen 12 ). Unmittelbar an diesen Schritt des preussischen Hofes schloss 
sich die Absicht Max Josephs an, seinen früheren Unterhändler Cetto 
unter preussischer Ägide nach Paris zu senden, um die Verhandlungen mit 
Frankreich nachdrucksvoller zu betreiben. Die nächste Veranlassung hiezu 
gab neben den allgemeinen Gesichtspunkten der bevorstehenden Friedensver- 
handlungen der Rückzug der Kaiserlichen nach Bayern: Die österreichischen 
Armeen, die sich von den Ufern des Rheines bis an die Donau fechtend zu¬ 
rückgezogen haben, machen in Bayern Halt und schicken sich au, dies Land 
festzuhalteu, indem sie die Festung Ingolstadt und alle militärischen Stellungen 
auf dem rechten Donauufer besetzen. Ferner stimmen alle Nachrichten darin 
überein und finden durch alle diesbezüglichen Broschüren in Deutschland und 
Frankreich Bestätigung, dass der Wiener Hof die öffentliche Meinung für 
seinen bayerischen Acquisitionsplau zu gewinnen sucht, in dem Augenblicke, 
wo er daran geht, es durch Waffengewalt zu halten, um daraus ein Friedens¬ 
objekt zu schaffen 20 ). I11 diesem Sinne sollte Cetto die französische 
Regierung überzeugen, dass die Erhaltung des pfälzischen Hauses wie der 
Integrität Bayerns im eigenen Interesse der Republik liege, dass eine Zer¬ 
stückelung dieser Provinz die gleichen schweren Nachteile haben würde wie 
die gänzliche Abtretung. Aus den gleichen Erwägungen darf Österreich an 
seinen Grenzen keine Erwerbungen machen, die Bayern in Abhängigkeit 
brächten, dadurch, dass sie das Land der Mittel, sich gegen die offenen Feind¬ 
seligkeiten nicht miuder wie gegen die geheime Untergrabung seiner politischen 
Existenz zu schützen 21 ), beraubten. Mau sieht, der Republik war ihre Absicht 
vollkommen geglückt. Grösser wie je war die Furcht des künftigen Thronfolgers 
vor den österreichischen Machenschaften. In diesem Augenblicke wenigstens 
mit Unrecht. Der Wiener Hof hatte Gründe genug, seine Wünsche vorder¬ 
hand nicht laut werden zu lassen. Die englischen Vorschläge in Berlin, 
welche Preussen die belgischen Provinzen antrug, wenn Österreich sie gegen 
Bayern austauschen wolle, hatten für Thugut die leidliche Frage vorderhand 
undiskutierbar gemacht 22 ). 

Trotzdem erreichte gerade jetzt das Misstrauen gegen Thugut in 
München seinen Höhepunkt und machte sich besonders bei den Vertretern 
der Landschaft geltend. Der Einfluss der Agnaten trat hiebei stark hervor, 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


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freilich, ohne die Bewegung in die richtigen Wege leiten zu können. Diese 
hatten nach der Mannheimer Katastrophe und ihren demütigenden Folgen 
Grund genug gehabt, einesteils mit dem Kurfürsten mehr Fühlung zu 
suchen, andemteils mit den leitenden Kreisen der Hauptstadt sie nicht zu 
verlieren. Der Herzog wollte den Kurfürsten bei dieser günstigen Gelegenheit 
zum direkten Anschluss an Frankreich gewinnen. Dies war freilich vergeb¬ 
lich, ebenso wie der Versuch, ihn zu energischeren Schritten gegen die Ver¬ 
haftung seiner Mannheimer Beamten zu bewegen. Denn je klarer Karl 
Theodor sah, dass sich sein Verhältnis zu Österreich bessere, desto mehr 
gab er seiner Schwäche nach und suchte alle Schuld auf den Herzog abzu¬ 
wälzen. Und darin kam er den Wünschen des Wiener Hofes nur entgegen 28 ). 
Max Joseph wurde als Feind behandelt, weniger von der Hofburg selbst, 
als von den eigenmächtigen Generälen der österreichischen Armee, denen das 
politische Verständnis fast ebenso mangelte wie der diplomatische Takt. 
Daraus ergab sich denn ein Zustand, der an sich schon geeignet war, bei 
Fürst und Volk die Stimmung gegen Österreich zu wenden. T h u g u t 
selbst war damit ebenso wenig einverstanden wie mit der Haltung Seilerns 
in München, die ihn in der Folge noch zu mancher sarkastischen Bemerkung 
veranlasste. Aber sie war doch bezeichnend für Seilern selbst und die 
allgemeine Stimmung am Wiener Hofe, die ja Thugut selbst nicht zu be¬ 
herrschen vermochte* 4 ). Nach der Reklamation, die Max Joseph gegen die 
Vergewaltigung der Mannheimer Beamten beim Reichstag eingebracht hatte, 
erklärte der österreichische Gesandte den Ministern, er hoffe, dass der Kurfürst 
keinen Augenblick mit der offiziellen Erklärung zögern werde, dass er an der 
Forderung des Herzogs keinerlei Anteil habe. Sei doch diese Erklärung das 
einzige wirksame Mittel, jeden Verdacht eines geheimen Einverständnisses 
zwischen beiden oder selbst einer übertriebenen Nachsicht des Onkels gegen¬ 
über den Verirrungen des Neffen zu beseitigen, einen Verdacht, der um so 
gefährlicher sei, als er die heilsame Hilfe, die der Kurfürst allein von seinem 
Vertrauen in den Kaiser erwarten könne, beeinträchtigen müsste 2 '). Zu 
dieser Erklärung hatte nun freilich Seilern keinen offiziellen Auftrag, aber 
sie war geeignet, die Sympathie der Bevölkerung mit dem Vorgehen Max 
Josephs gegen den Wiener Hof noch zu erhöhen. Diese wäre zweifellos 
vollkommen gewesen, hätten sich die verhafteten Minister einer grösseren Be¬ 
liebtheit erfreut. Aber trotzdem wurde durch die weitere Entwickelung der 
Affäre der Argwohn gegen Österreich noch gesteigert. Als die kurfürstlichen 
Beamten ihrem Herrn ausgeliefert wurden, der Zweibrückische Minister S ala- 
bert aber unter verschärften Bedingungen in kaiserlicher Haft verblieb, da 
bedurfte es vonseiten der Agnaten keinerlei grosser Anstrengungen, um gegen 
die angekündigte Mission des alten Unterhändlers Lehrbach in München, 
die ganze Furcht vor dem Tauschprojekt aufs neue lebendig zu machen 26 ). 
Sie war indes verzeihlich. Sah man doch auch in Berlin in der doppelten 
Behandlung der Zweibrückisclien und kurfürstlichen Beamten einen Versuch, 
den Kurfürsten von den Interessen seines Neffen zu trennen und ihn mehr 
und mehr zu umgarnen, was, wie man meinte, bei der Stimmung jenes Fürsten 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


nicht schwer sei 27 ). So war es kein Wunder, wenn ein Schritt des Herzogs 
von Birkenfeld ausserordentliches Aufsehen erregte, zumal er mit besonderer 
Wichtigkeit vorbereitet wurde: eine persönliche Vorstellung beim Kurfürsten, 
um ihm über die österreichischen Machenschaften die Augen zu öffnen 28 ). Die 
Furcht wurde dadurch aufs äusserste gesteigert, obwohl sie, wie gesagt, ge¬ 
rade jetzt wenig berechtigt war. Da halfen auch die Versicherungen des 
russischen Gesandten, Baron Bühl er und des Grafen Tattenbach, dessen 
wenig glückliche Mission nach Wien eben zu Ende ging, nichts mehr. Der 
Prinz hatte im voraus erklärt, dass die eventuelle Ablehnung seines Besuchs 
als schlimmstes Zeichen aufzufassen wäre. Diese aber wurde glücklich ver¬ 
mieden. Mit einem weitschweifigen Memoire ausgerüstet, erschien er in 
München und fand beim Kurfürsten unerwartet gute Aufnahme. Er durfte 
sein Memoire überreichen und mit dem nötigen mündlichen Kommentar be¬ 
gleiten. Der Kurfürst las das Schriftstück, hörte ihn ruhig an und erwiderte: 
Er erkenne das Kritische und Schwierige seiner Lage recht wohl. Aber auf 
die vorgeschlagene Weise könne er nicht daraus befreit werden. Im Gegenteil. 
Er müsse bei seiner Stellung die Haltung aller Höfe nützen. Gerade die 
Gegensätze in ihren Anschauungen von Bayern biete grössere Sicherheit als 
jede andere Partie, die man ergreifen könnte 29 ). Er hatte darin nicht Un¬ 
recht. Von keiner Seite war unbedingter Schutz zu erwarten, keine Macht 
war imstande, für sich allein Bayerns Integrität zu decken. Preussen ge¬ 
stand es offen ein, Österreich und Frankreich nützten die Lage in ihrem 
Sinne, jederzeit bereit, einen guten Frieden auf Kosten des unglücklichen 
Landes zu schliessen. Von Russland war in dieser Zeit ebenso wenig Hilfe 
zu erwarten wie von England, das ebenfalls Bayerns Integrität nicht höher 
stellte als die übrigen Mächte 80 ). So schloss denn diese Sendung des Birken¬ 
fel der s mit einem vollständigen Fiasko. Gelang es doch sogar dem kur¬ 
fürstlichen Hofe, die Gemüter über das Tauschprojekt zu beruhigen 31 ). Freilich 
nur für einen Augenblick. Es war Max Joseph selbst, der neue Alarm¬ 
nachrichten nach München sandte und, wie es scheint, für deren Verbreitung 
Sorge tragen liess. Die Wirkung war bei den Hiobsposten vom Kriegsschau¬ 
platz eine doppelte. Dazu kamen weitere Schritte vonseiten des Wiener 
Hofes, die als eine wahre Landplage empfunden wurden. Lehrbach sollte 
eine neue Millionenanleihe in dem ausgesaugten Lande vermitteln und vor 
allem den Antrag stellen, alle im Privatbesitz befindlichen Feuergewehre zur 
Bewaffnung der Tyroler über die Grenze zu schaffen: eine Massregel, die 
dadurch, dass sie auf Befehl und im Namen des Kurfürsten durch geführt 
werden sollte, eine ungeheure Erregung hervorrief. Im ersten Augenblicke 
glaubte man darin die Absicht zu erkennen, das ganze Land zu entwaffnen. 
Bei dem drohenden Rückzuge der Österreicher, die, wie es hiess, sich in 
Bayern festsetzen würden, legte man der Sache eine Bedeutung bei, die sie 
nicht hatte und nicht haben konnte. Man sah die Tage Max Emanuels 
und der Sendlinger Schlacht wiederkehren 32 ). Dazu kamen die immer lauter 
werdenden Gerüchte von der Flucht Karl Theodors. Da verlor auch die 
Landschaftsdeputation die Ruhe und begann nun, unbekümmert um die ab- 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


63 


lehnende Haltung des Kurfürsten, diesen mit einer ganzen Reihe von Postulaten 
zu bestürmen. Nachdem sie auf ihre Anfrage wegen der bayerischen Integrität 
eine beruhigende Antwort des Ministers Grafen von Vieregg erhalten, 
forderten sie am 21. Juni Herstellung des Friedens, und als ihre Verhand¬ 
lungen sich zu Ende neigten, verlangten sie wegen der bedenklichen Lage 
beisammen bleiben zu dürfen. Auf all dies antwortete Karl Theodor ver¬ 
neinend 83 ). So wurde die Stimmung immer gereizter. Und immer mehr näherten 
sich die retirierenden kaiserlichen Armeen dem Lande. Vortrefflich schildert 
der preussische Ministerresident Harnier die damalige Stimmung in München: 
„Die allgemeine Besorgnis gilt im Augenblicke viel mehr dem Rückzug der 
kaiserlichen Truppen als dem Herannahen der Franzosen. Die nationale Ab¬ 
neigung scheint aufs neue erwacht. Man äussert laut den Wunsch, dass es 
den Franzosen glücken möge, die Österreicher von der Donau abzuschneiden“. 
Flugblätter forderten allgemeine Mobilmachung, nicht gegen Frankreich, 
sondern gegen die Kaiserlichen 84 ). Und dabei wurde die Situation in der 
That täglich bedenklicher. Der Kurfürst freilich liess sich dadurch nicht aus 
seiner guten Laune bringen. Seine heitere Miene gab allen Rätsel auf. Man 
wusste nicht, ob er geheime Abmachungen mit der Republik getroffen, oder 
ob er sich dem Wiener Hofe in die Arme werfen würde 86 ). Man war aufs 
höchste gespannt, wohin er seine Flucht wenden würde. Verschiedene Mut- 
massungen wurden laut. Man sprach von Sachsen und der Schweiz, wohl 
auch von Österreich und von Wien selbst 86 ). Die Stände aber Hessen in 
ihren Bitten und Forderungen nicht nach. Während in der Residenz mit 
aller Eile die Kostbarkeiten gepackt wurden, forderte die Deputation in richtiger 
Ahnung der künftigen Dinge das Hof- und Kircheusilber zur Einschmelzung 
für das allgemeine Beste. Der Kurfürst solle bei seinem Volke bleiben, die 
Emigranten aus dem Lande schicken und die Agnaten in diesem Augenblicke 
der Gefahr um sich versammeln. Für den bevorstehenden Einmarsch der 
Kaiserlichen, für die drohenden Exzesse derselben sollten bei der K. K. Ge¬ 
sandtschaft die nötigen Schritte geschehen, für die Lieferungen und Transporte 
die nötigen polizeilichen Bestimmungen erlassen werden. Vor allem aber sollte 
er die kurfürstlichen Truppen zurückziehen 37 ). Der Kurfürst ging nun doch 
in letzter Stunde auf die Vorstellungen seiner Landschaft ein. Er erklärte 
ganz in ihrem Sinne, dass es für militärische Massregeln zu spät sei, dass er 
den Weg gütlicher Verhandlungen für das Beste halte. Er selbst würde 
sich nur im Falle der äussersten Not entfernen. Indessen sei die Zu- 
rückrufung der Kontingents nicht zu erlangen. Jede Änderung im Militär¬ 
wesen und jede Heranziehung des kurfürstlichen Privatvermögens wurde 
energisch abgewiesen 38 ). Die Entscheidung rückte indessen immer näher. 
Schon hatte auch der fränkische Kreis mit Frankreich seinen Waffenstillstand 
geschlossen, und zwar unter verschärften Bedingungen. Und nun erschien 
zu allem Unglück noch Graf Lehrbach in München und forderte die Ver¬ 
einigung der kurfürstlichen Truppen mit der kaiserlichen Armee zur Ver¬ 
teidigung des Landes. Das schlug dem Fass den Boden aus. Das letzte 
Vertrauen in Karl Theodor schwand. Man misstraut, schreibt Harnier 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


am ii. August, dem Kurfürsten mehr denn je. Der Anhang des Herzogs, 
vor allem Käser, befürchtet das Schlimmste. Das wirkte unmittelbar auf die 
Landschaft zurück. Sie gab ihren Deputierten Spezialvollmacht, beim Kurfürsten 
darauf zu dringen, dass er entweder selber Schritte thue, um die Intervention des 
Königs von Preussen bei der Republik zu erlangen, oder doch die Genehmigung 
zu solchen Schritten erteile. Der Kurfürst lehnte dieses Begehren nicht völlig ab* 9 ). 
In der That wurden die bayerischen Truppen um die Hauptstadt zusammengezogen, 
eine Massregel, die freilich vom militärischen Standpunkte aus völlig verfehlt 
war. Die Unbestimmtheit in den Befehlen war vielmehr geeignet, den Un¬ 
willen der beiden Armeeleitungen in gleichem Masse zu erwecken. Der 
Herzog von Birkenfeld hatte sich nach Ingolstadt begeben, dessen Verteidigung 
dem General Kerpen übergeben worden war. Es lässt sich nich feststellen, 
ob nicht gerade die Anwesenheit des Prinzen verhängnisvoll für das Schicksal 
der Festung gewesen ist. Jedenfalls wurde Ingolstadt — ob nun infolge eines 
Missverständnisses oder eines geheimen Befehls, wie auch Montgelas ver¬ 
mutet, mag dahin gestellt bleiben — ohne Schwertstreich und selbst ohne 
jede Aufforderung geräumt. Und doch wäre es für das Schicksal Bayerns 
von grösstem Vorteile gewesen, wenn die Festung nicht bloss gehalten, sondern 
auch zum Sammelpunkt der Truppen gewählt worden wäre. Denn es musste 
sich bald zeigen, dass sie in ihrer Stellung bei München, der Hauptstadt nicht 
nur keinen Nutzen bringen konnten, sondern die Verwirrung noch erhöhen 
mussten. War doch für die Unterkunft und Verpflegung dieser 14,000 Mann 
gar nichts geschehen: keine Quartiere und kein Mundvorrat, in einer Stadt, 
die von den Isarhöhen vollständig beherrscht wurde! So war an Widerstand 
nicht zu denken, während Ingolstadt mit dieser Besatzung gegen Franzosen 
und Österreicher in gleicher Weise ein festes Bollwerk geboten hätte. So fiel 
die Festung den Österreichern in die Hände, die sie besetzten und bis nach dem 
Frieden von Luneville als ein Unterpfand von Bayerns Treue festgehalten 
haben. So war die Nachgiebigkeit des Kurfürsten in bezug auf seine Truppen 
unheilvoll in jeder Beziehung. Wäre nicht in letzter Stunde Graf Rumford 
nach München zurückgekehrt, es hätte die höchste Verwirrung um sich ge¬ 
griffen 40 ). Nicht minder bedenklich waren die übrigen Massregeln, die Karl 
Theodor vor seiner Flucht ergehen liess: die Sendung des Obersten Reibold 
ins französische Hauptquartier und die Vollmacht an die Landschaft, mit 
dem Feinde zu unterhandeln. 

Baron Reibold hatte am 22. August die Hauptstadt verlassen, um 
über Ansbach, wo er den Herzog Max Joseph sprechen wollte, nach 
Basel und gegebenen Falls nach Paris zu eilen. Seine Instruktion ging 
dahin, die Vorbereitungen für einen Waffenstillstand und einen Neutralitäts¬ 
vertrag zu treffen. Eine gleiche Vollmacht erhielten die Deputierten der Land¬ 
schaft, um „eine rücksichtlich auf gegenwärtige Zeitumstände für gesamte 
vordere kurfürstliche Lande anzugehende Negociation zu übernehmen und zu 
besorgen“ 41 ). So besagte der Wortlaut der von Hertling gezeichneten In¬ 
struktion. Der Kurfürst hatte somit das Schicksal des Landes oder doch 
wenigstens die Haltung Bayerns während der bevorstehenden Okkupation 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


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durch zwei Heere in die Hände jener Heissspome gegeben, aber auch die 
Verantwortung übernommen für alles, was sich daraus entwickeln mochte. 

Die Regierung selbst wurde einer Kommission übergeben, an deren 
Spitze der Kanzler, Minister Freiherr von Hertling, mit dem Hofkammer- 
präsidenteu Graf Toerring-Gronsfeld und dem Oberlandesregierungs¬ 
präsidenten Freiherr von Weichs stand 4 -). Betrachtet man nun die Lage in 
München in dem Augenblicke der Abreise Karl Theodors, so ergibt sich, 
freilich abgesehen von der beispiellosen Verwirrung, die allenthalben herrschte 
und die besonders an den Berichten Seiler 11s nach Wien erkennbar ist 48 ), 
ein Bild, wie es die Agnaten gewünscht, wie es vpr allem Max Joseph 
bis in die verhängnisvollen Augusttage hinein herbeizuführen gewillt gewesen 
war: Rückzug der Truppen, Anknüpfung mit dem Feinde, Vollmacht zu 
direkten Verhandlungen mit den Generalen, unter Umständen mit dem fran¬ 
zösischen Gouvernement selbst. Die ganze politische Thätigkeit, die offene 
und geheime, alle Vorstellungen und Umtriebe seiner Parteigänger hatten 
dies bezweckt, seine Schritte in Berlin und Gettos Sendung nach Paris 
waren damit trotz aller Verschleierung in nächster Beziehung gestanden. 

Aber gerade jetzt hatte der Herzog, der in den Schutz des Preussen- 
königs nach Ansbach geeilt war, sich eines Anderen besonnen. Ihm waren 
über die Absichten der französischen Armee die Augen aufgegangen. Er hatte 
erfahren, dass die Generäle Befehl hätten, möglichst weit nach Deutschland 
vorzudringen, und so sah er ein, dass es mit ihnen keine andere Unter¬ 
handlung gebe, als mit der Waffe in der Hand. Er benachrichtigte seinen 
Oheim von den Absichten der Feinde, hatte aber keinen Erfolg damit 44 ). 
Gerade jetzt schien der Kurfürst bereit, mit Frankreich zu paktieren. Auch 
die Bemühungen Käsers, bei der Regierungskommission entscheidende 
Schritte hintanzuhalten, waren vorerst umsonst 45 ). Der Stein, den der Herzog 
selbst mit ins Rollen gebracht hatte, liess sich nicht mehr aufhalten, so sehr 
er es jetzt bei der veränderten Situation gewünscht hätte. Wir werden sehen, 
wie er sich bemühte, weiteres Unheil von seinen künftigen Landeu ab¬ 
zuwenden. 

Am gleichen Tage, wo Oberst Reib old München verlassen, um mit den 
französischen Generälen zu unterhandeln, wurde die Abreise des Kurfürsten 
den Gesandten notifiziert, die alsbald nach der Flucht des fürstlichen Paares 
mit Ausnahme des preussischen Ministerpräsidenten Harnier die Stadt ver- 
liessen 48 ). Das geschah am 22. August. Karl Theodor wandte seine 
Flucht nun doch nach Sachsen, wo er einer Einladung seines Gesandten 
Schall nach dem Schlosse Lobkowitz Folge leistete. Dort wartete er den 
Abzug der Franzosen ab, die sich indessen trotz all der günstigen Umstände 
mit ihrem Vormarsche nicht allzusehr beeilt hatten. 

Seit dem Kriegsrat in Augsburg, den Moreau nach dem Siege von 
Friedberg gehalten, war er kaum um zwei volle Tagemärsche vorgerückt. In 
seiner vortrefflichen Lage zur Offensive geradezu genötigt, wollte er mit den 
retirierenden Österreichern Fühlung behalten, hatte er dennoch die kostbare 

Bayer. Forschungen VI, 1. 5 


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66 


Richard Graf du Moulin Eckart 


Zeit in unerklärlicher Weise versäumt. Und als er endlich am 31. August 
sich entschloss, gegen Ingolstadt vorzugehen, um den Brückenkopf der 
wichtigen Festung zu nehmen, überraschte ihn wiederum die Offensive des 
Feindes, zu der sich General Latour auf das Drängen des Erzherzogs hin 
entschlossen hatte. Die Bataille, zu der es nun bei Geisenfeid kam, endete 

freilich zugunsten More aus: doch da seine Kräfte zerstreut, sein Gang 

aber langsam und unbestimmt war, so brachte das Gefecht bei Geisenfeid den 
Österreichern keinen andern Nachteil, als einen bedeutenden Verlust an 
Menschen. Also Erzherzog Karl* 7 ). Indessen stand es doch schlimmer. 
Denn die Schlappe hatte für die österreichischen Operationen den schwer¬ 
wiegenden Nachteil, dass sie jede offensive Regung neuerdings zurück¬ 
drängte 48 ). Zum Glück benützte auch Moreau diesen Sieg nicht. Er that 
keinen entscheidenden Schlag, nicht einmal zur Konzentrierung seiner Truppen 
vermochte er sich zu entschliessen. Er gab infolge des Gefechtes den An¬ 
griff auf Ingolstadt auf — gleichfalls ein Fehler! Trotz alledem musste 

er in der bayerischen Hauptstadt als Sieger gelten, der jeden Augenblick vor 
den Mauern der Stadt erscheinen konnte. In der That verlegte er nunmehr 
das Schwergewicht der Operationen gegen die Isar und gegen München. 

Schon stand Saint Cyr an der Ammer und hatte seine Vorposten bis 
Kirchdorf, Thalhausen und Tuntenhausen vorgeschoben. Ferino lag, nach 
einem vergeblichen Versuch, sich der Isarbrücke bei München zu bemächtigen, 
zwischen Dachau, Schleissheim und München. Überdies Hess Moreau am 
3. September durch Saint Cyr einen Vorstoss gegen Freising machen, um 
dort den Übergang über die Isar zu gewinnen 49 ). Ein neuer Vorteil, der 
in München bei der Beurteilung der Lage schwer ins Gewicht fallen musste, 
wenn er dessen überhaupt noch bedurft hätte. Dort fehlte trotz Rumfords 
Anwesenheit jedes Verständnis für die militärische Situation. Indessen hätte 
diese wohl auch klügere Köpfe täuschen können, denn sie war zwischen den 
beiden Armeen eine äusserst schwere. Freilich, die österreichischen Generäle 
hätten in ihrer Stellung auf den steilen Isarhöhen München sicher halten 

können, wie es die militärische Pflicht und die politische Klugheit erfordert 
hätte.- Doch fanden sie in den bayerischen Beamten und Soldaten schon 

keine Verbündeten mehr. Selbst am äussersten Anstand Hess man bayerischer- 
seits es fehlen. Trefflich charakterisiert Montgelas dieses Verhältnis: „Die 
kaiserlichen Generale waren durch die barsche und unschickliche Weise, mit 
der man ihnen bei jeder Gelegenheit begegnete, erbittert: denn es fehlte 
damals durchaus an Gewandtheit im Verkehr unter derartigen Umständen, 

indem man Schroffheit der Formen für Fertigkeit und Unhöflichkeit für 

Würde hielt“. Freilich Hess die persönliche Gereiztheit des General Latour 
anderseits wieder das Schlimmste befürchten 50 ). 

Aber selbst wenn man die durch die Siege des Erzherzogs doch 
immerhin unsicher gewordene Situation Moreaus erkannt hätte, man würde 
kaum anders gethan haben. Mau wollte mit Moreau unterhandeln. Ein all¬ 
gemeiner Franzosentaumel hatte die Hauptstadt ergriffen. Hätte nicht die 
Regierungskommission damit sympathisiert, man hätte ihrer Autorität nicht 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


67 


weiter geachtet. So waren es denn in der That die Vertreter der Stadt, 
welche zuerst eine Deputation dem Feinde entgegengesendet haben. 

Nichts ist charackteristischer für die damalige Stimmung in München 
als der Bericht dieser Abordnung, welche bereits am 26. August mit „Vor¬ 
wissen und Genehmigung des hohen Landesdirektoriums“ zur französischen 
Armee aufgebrochen war. I11 einzelnen Partien, um allzugrosses Aufsehen zu 
vermeiden, hatten sie zu früher Morgenstunde München verlassen. Nach 
allerlei Irrfahrten seltsamer Art stiessen sie in Dachau auf die feindlichen 
Vorposten. Sie vernahmen die düstersten Berichte über das Betragen der 
Franzosen von Plünderung und Freibeuterei der schlimmsten Art und gerieten 
bei der Nähe der Österreicher in die doppelte Besorgnis, durch kaiserliche 
oder Condesche Truppen aufgehoben oder aber von französischen Freibeutern 
ausgeplündert zu werden: „nach genauer Überlegung fanden wir aber, dass 
es besser sei, von französischen Freibeutern überfallen zu werden, als zum 
grössten Schaden unserer Mitbürger uns samt unseren Depeschen von kaiser¬ 
lichen oder Condeschen Truppen aufheben und wohl gar als Geisel fort¬ 
führen zu lassen“. Ihre Furcht trieb sie zu fortwährender Flucht vor den 
Kaiserlichen und machte ihnen selbst die Rückkehr nach München unmöglich. 
Sie waren nach Fürstenfeldbruck gekommen, aber auch hier war ihnen der 
Weg verwehrt, und als sie nach Dachau zurückkehrten, fanden sie auch 
dieses von den Österreichern besetzt. „Ein glückliches Ungefähr verhütete, 
dass nicht die ganze Deputation von den kaiserlichen aufgehoben wurde“. 
„Gerade zur Zeit unserer Ankunft und zwar in unserem Absteigequartier be¬ 
fanden sich Kaiserliche. Sobald wir dieses vernahmen, trachteten wir gleich 
wieder fort, schickten unsere Kutschen voraus und schlichen ihnen, einer 
nach dem andern nach“. Doch wurde einer der Deputierten von einem kaiser¬ 
lichen arretiert, äber von einem französischen Offizier dadurch befreit, dass 
dieser ihn für einen französischen Marschkommissär ausgab. Sie wandten 
sich nuu ohne besondere Fährlichkeiten nach Augsburg, wo sie im Hotel zu 
den drei Mohren den General Moreau antrafen. „Die Art, wie er uns 
empfangen und unsere Bitten aufgenommen hat, entsprach um so mehr unseren 
Wünschen, als er auch den Generaleu die nachgesuchte Schonung der Stadt, 
sowie die Sicherheit des Eigentums und der Person, nicht minder feierlich 
zugesagt hatte“. Auch den französischen Kriegskommissären machten sie ihre 
Aufwartung. Die Schlacht bei Geisenfeid ermöglichte ihnen endlich am 
31. September die Rückkehr nach München 51 ). 

In dieser Zeit hatte aber auch die Laudschaftsverordnung nach langem 
Drängen die Regierung für ihren Wunsch gewonnen, eine Deputation zu 
Moreau behufs Anknüpfung von Waffenstillstandsunterhandlungen zu senden. 
Die Regierung willigte nicht ohne Zögern ein und beauftragte den Baron 
Leyden und den Grafen Karl Arco mit der verhängnisvollen Mission. 
Zu diesen gesellte sich der Marschkommissär Oberst von Reibold, der vom 
Kurfürsten persönlich Vollmacht zur Negoziation hatte. Die Regierungsver¬ 
treter wurden den Abgesandten der bayerischen und neuburgischen Stände nicht 
übergeordnet, sondern bei geordnet. Bei Leydens engeren Beziehungen zur 

5 * 


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68 


Richard Graf du Moulin Eckart 


Landschaft war dies von Anfang an bedenklich. Denn die Landschaft pochte 
nicht nur auf die Vollmacht des Kurfürsten, sondern auch auf die ihr zustehende 
Berechtigung zu solchen Schritten. Die Kommission begab sich dann auf 
den Weg — einige ihrer Vertreter stiessen unterwegs in Eurasburg auf die 
städtischen Abgesandten — und begannen in Pfaffenhofen die Unterhand¬ 
lungen. Der Empfang war kein freundlicher; der Ton More aus hart und 
schneidend, die Bedingungen, die er stellte, unerschwinglich. Die Kommission 
willigte auch nicht in die ersten Forderungen. Auch holte sie sich von 
München neue Informationen. 

Inzwischen begann dort der Regierung doch das Gewissen zu schlagen. 
Sie fühlte die Verantwortung, die Vollmacht des Kurfürsten in solcher Weise 
preisgegeben zu haben. Es ist auf die Bemühungen Max Josephs und 
seines Bevollmächtigten zurückzuführen, dass sie einen Weg einschlug, der 
in diesem Augenblicke der Not der richtigste war: sie rief die preussische 
Intervention an. Freilich kam sie sehr spät auf diesen Gedanken. Die 
Kommission war längst unterwegs, als die Stände daran gingen, Harnier um 
seine Vermittelung zu bitten. Trotz der unbestimmten Haltung, meinten sie, 
in welcher der Hof bis aufs äusserste beharrt, hofften sie doch von 
dem König von Preussen Erfüllung ihrer Wünsche, die der Herzog von Zwei¬ 
brücken in Berlin vertreten habe. In der That hatte Max Joseph die 
ersten Schritte getlian und besonders Hardenbergs Hülfe gewonnen, der 
denn auch Harnier in einem Schreiben vom 30. August über die Lage ver¬ 
ständigte und beruhigte. „Sie werden“, schrieb er, „wie ich fest glaube, nach 
der Intention des Königs und dem Interesse handeln, das er an allem 
nimmt, was den Herzog von Zweibrücken berührt, wenn sie sich bei dem 
General (Moreau) nach ihren Kräften verwenden, den Abschluss der frag¬ 
lichen Arrangements zu erleichtern und zu beschleunigen, und zwar unter 
billigen und am wenigsten lästigen Bedingungen“. Harnier war mit diesem 
Winke Hardenbergs keineswegs einverstanden. Hatte er doch bereits jede 
Vermittelung bestimmt abgelehnt und erklärt, er sei nicht in der Lage, den 
Weisungen seines Königs irgendwie vorzugreifen. Inzwischen aber hatte die 
Kommission in Pfaffenhofen das Missliche ihrer Lage doch erkannt und den 
Archivar der Landschaft, Panzer, nach München gesendet, um der Regierung 
nahe zu legen, wie wichtig es sei, Harnier für die Intervention zu ge¬ 
winnen. Er sollte sich bei dem Kommissär Haussmann verwenden, dem 
Moreau das Gegenprojekt des Vertrages gesandt, um es nötigenfalls dem 
Direktorium vorzulegen. An Stelle der ersten ungeheuren Forderung von 
30 Millionen hatte man alles in allem zehn Millionen geboten. In Begleitung 
des Grafen Preysing eilte er zu Harnier, um ihn um seine Hilfe zu 
bitten. Dieser erklärte denn auch, dass er in anbetracht der Unmöglichkeit, 
die Ordres seines Köuigs zu rechter Zeit zu erhalten, sich entschlossen habe, 
gemäss dem Beispiel des Freiherrn von Hardenberg den gewünschten 
Schritt zu wagen. Er werde aber dem französischen Agenten eröffnen, dass 
er ohne Vollmacht und einzig in Rücksicht auf die dringenden Umstände und 
in der Hoffnung auf nachträgliche Sanktion vonseiteu seines Hofes handle. 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


69 


Ferner verhehlte er ihnen nicht, dass er die Beiziehung des Zweibrückischen 
Bevollmächtigten für passend halte, zumal der Herzog die Wünsche der Stände 
bei Baron Hardenberg vertreten habe, uud Kaeser allein schon durch 
die Stellung seines Herrn gegenüber dem französischen Gouvernement bei 
den Verhandlungen den grössten Nutzen bringen konnte. Auch das hatte 
man bisher völlig ausser acht gelassen. Nun aber schwankte man keinen 
Augenblick, und auch Kaeser liess sich bereit finden, den Wünschen der 
Stände Folge zu leisten. Noch aber war das Ministerium nicht verständigt. 
Der preussische Gesandte selbst musste daran denken, sich hierin den Rücken 
zu decken. Er kam mit Kaeser dahin überein, dass letzterer von sich aus 
der Regierung von der mit den Ständen getroffenen Übereinkunft Mitteilung 
mache, und zwar wie er es stets im Namen des Herzogs zu thun gepflegt, 
wenn es sich um gemeinsame Interessen gehandelt. Die Regierung ging in¬ 
dessen mit Freuden auf den Gedanken von Harniers Vermittlung ein. Die 
Minister drückten ihm ihr Leidwesen aus, dass sie in diesem Falle nicht nach 
ihren Prinzipien handeln, nicht ihren Gefühlen folgen dürften. Auch war es 
ihnen lieb, dass Harnier ihnen nahe legen liess, wie er keineswegs dem 
Verlangen der Stände nachgegeben, sondern sich richtig auf die Autorität 
des Herzogs von Zweibrücken stütze. Man sieht, es war das seltsamste 
Verhältnis, das man sich denken kann. Die Regierung gibt die Zügel 
völlig aus den Händen aus Mangel an persönlicher Initiative, die Landschaft 
greift sie auf, bittet einen fremden Gesandten um Intervention, und dieser 
muss nun selbst, so gut es geht, dem Verlangen der Stände die fehlende 
Autorität verschaffen. 

Diese Verhandlungen spielten sich vom Morgen bis zum Nachmittag 
des 7. September ab: noch in der Nacht trafen Harnier und Kaeser in 
Augsburg ein, wo sie um 8 Uhr morgens von dem Armeekommissär Hauss- 
maun empfangen wurden. Die Auseinandersetzungen erfolgten in der ge¬ 
fälligsten Weise. Der Kommissär erklärte, dass er das Vertragsprojekt bereits 
in modifizierter Form, in welcher er aber als Ultimatum gelten müsse, nach 
Pfaffenhofen zurückgesendet habe. Er versicherte, die Bedingungen seien 
jetzt auf bescheidenen Fuss herabgesetzt, die ihn hoffen Hessen, dass man 
mit der Unterzeichnung nicht länger zögern werde. Habe er doch die 
weitgiebigste Nachgiebigkeit an den Tag gelegt, nur damit man zum Ab¬ 
schluss komme. Er brachte ihnen das Konzept des Vertrages, las es ihnen 
vor und erläuterte ihnen die einzelnen Artikel. Alles in der liebenswürdig¬ 
sten Weise! „Diese Unterredung“, schreibt Harnier, „zog sich durch mehrere 
Stundeu hin und bewegte sich in einem so anstandsvollen und deceuten Tone, 
dass Panzer, der in Pfaffenhofen von der unzugänglichen Launenhaftigkeit 
und dem satirischen Ton des Kommissärs vorbereitet worden war, Mühe hatte, 
seine Überraschung zu überwinden“. Es ist klar, warum Haussmann 
die Kommission mit seinen Liebenswürdigkeiten so lange hinhielt. Konnte 
es ihm kaum Geheimnis sein, was inzwischen in Pfaffenhofen geschehen. 
Denn als Panzer dort eintraf, um die Kommission von der liebens¬ 
würdigen Stimmung Haus sin an ns in Kenntnis zu setzen und sie zu er- 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


mahnen, daraus den bestmöglichsten Nutzen zu ziehen, fand er den Vertrag 
bereits seit dem 7. September unterzeichnet 82 ). Die Abgesandten hatten dem 
Drängen Moreaus nachgegeben, dessen überlegener Persönlichkeit sie nicht 
gewachsen waren: von Anfang an für die französische Sache begeistert, ohne 
jegliche Geschäftsgewandtheit waren sie den Franzosen gegenüber verloren, 
zumal Moreau auf das Zustandekommen des Vertrages so hohen Wert legte, 
dass er darüber seine strategischen Pflichten einen Augenblick vergass. Längst 
hätte er sich nach Norden wenden sollen, und schon hatte er Befehl gegeben, 
die Donau zu überschreiten. Aber noch blieb er. Saint Cyr sagt darüber 
sehr charakteristisch: „Er war seit kurzer Zeit in Friedensunterhandlungen 
mit der bayerischen Regierung, es lag ihm viel daran, sie zum Abschluss zu 
führen: das war, wie ich glaube, eines der Motive seines Widerstrebens, diese 
Provinz zu verlassen“ 88 ). Dass er sich nicht mehr sicher fühlte und seinen 
Rückzug für wahrscheinlich hielt, trat in dem Vertrage selbst deutlich her¬ 
vor. Denn er bedang sich ausdrücklich aus, dass die Lieferungen an Naturalien 
für den Fall einer etwaigen Entfernung der Franzosen aus Bayern durch vier 
Millionen Francs ersetzt w T erden sollten 54 ). Die Kommissäre selbst merkten 
freilich nichts von dieser inneren Unsicherheit des französischen Generals, so 
sehr er auch drängte. Entschuldigte doch Baron Leyden sich später für 
sein Verhalten mit der Unmöglichkeit, die Konklusion aufzuhalten, damit dass 
Moreau, der eigens wiegen des Vertrages nach Pfaffenhofen gekommen sei, sich 
nicht länger habe aufhalten können und deshalb in gleicher Weise wie Kom¬ 
missär Haussmann, der das Ultimatum gesendet, gedrängt habe 55 ). So nahmen 
die Herren auf nichts Rücksicht, nicht einmal das Ratifikationsrecht des 
Kurfürsten behielten sie sich vor, und Unterzeichneten einen Vertrag, der 
trotz der eiugetretenen Modifikationen für das arme, von zwei Armeen besetzte 
Land von unerträglicher Härte w r ar. Der Vertrag ist ja bekannt: ich kann 
mich darauf beschränken, die Hauptpunkte zu rekapitulieren: zehn Millionen 
Francs in bar, zahlreiche Lieferungen an Pferden, Naturalien u. s. w., wert¬ 
vollen Bildern, Zurückziehung aller bayerischen Truppen, die in Bayern zu¬ 
sammengezogen werden und unter der Waffe bleiben sollten, freier Durchzug 
für die französischen Truppen, Friedensuuterhandlungen in Paris! 55 ). 

Die Minister standen ratlos vor diesem fait accompli. Sie waren aller¬ 
dings empört. Die bedingungslose Unterzeichnung erschien ihnen als ein un¬ 
erhörter Missbrauch der kurfürstlichen Vollmacht. Anders dachten freilich 
die Stände. Sie hielten die Signatur für gerechtfertigt nicht nur durch jenes 
Pleinpouvoir, sondern vor allem durch ihr gutes altes Recht: der Vertrag 
berühre lediglich Geldsachen und ähnliche Leistungen, und diese Dinge lägen 
in ihrer Kompetenz. Nach allem schienen sie durchaus nicht unzufrieden 
mit dem Machwerk. Denn es entsprach ihren Anschauungen, dass nicht ein¬ 
mal das Recht der Ratifikation ihrem Souverän gewahrt worden war. Aber 
die Regierung konnte ihnen darin doch nicht folgen. Sie schickte vielmehr 
den jungen Grafen Arco mit einem neuen Exemplar an Moreau, um es gegen 
das in Pfaffenhofen vollzogene auszutauschen. Man hoffte von Moreaus Güte 
das Beste und fürchtete nur, dass die erste Urkunde bereits nach Paris ge- 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 71 


sendet sei. Dann war allerdings die Publikation des Vertrages in der höchst 
bedenklichen Form zu befürchten. Arco hatte noch einen weiteren Auftrag: 
die Kommission hatte neben fünfzig Munitionswagen die Lieferung eines 
reichlichen Kartenmaterials, handschriftlichen und gedruckten, in zwei ge¬ 
heimen Artikeln zugesichert. Arco sollte die Streichung dieser Bestimmungen 
durchsetzen, beziehungsweise für die Munitionswagen eine Geldleistung an¬ 
bieten. Durch den Rückzug Moreaus verloren sie indes ihre Bedeutung 67 ). 

Aber aus diesem schweren Fehlgriff entsprangen sofort andere Nach¬ 
teile und Gefahren, die man bei einiger Klugheit hätte leicht vermeiden können 
oder doch hätte im Auge behalten müssen. Furcht und Hass gegen Wien 
hatten zu dieser ebenso traurigen wie lächerlichen Katastrophe viel mit bei¬ 
getragen, die doch für sich allein recht wohl geeignet war, den Unmut der 
Hofburg auf den ungetreuen Staat zu lenken. Und in der That schien der 
Wiener Hof aus dem Verhalten des Nachbarlandes recht ernste Konsequenzen 
ziehen zu wollen. Schon am 2. September hatte der bayerische Gesandte in 
Wien, Baron Reichlin, in voller Aufregung geschrieben : er habe vernommen, 
dass man in München den Kaiserlichen die Thore verschlossen und die Gar¬ 
nison gegen sie allarmiert habe. Doch nicht bloss das. Man habe eine Depu¬ 
tation ins französische Lager gesendet, um die feindlichen Generäle zu be- 
grüssen. „Ich weiss nicht, ob dies auf Wahrheit beruht; aber das weiss ich, 
dass der Kaiser mir in der letzten Audienz gesagt, dies zwinge ihn, dort 
einen zweiten Fall Mannheim durchzuführen, die Garnison zu entwaffnen und 
seine Armee auf Kosten des Landes zu ernähren 68 ). Der Herzog suchte ihn 
zu beruhigen in einem Schreiben, das zeigt, wie er noch am 8. September 
die Münchener Lage auffasste: Die Nachricht von der Sendung einer Depu¬ 
tation an den französischen General ist durchaus fehlerhaft und beruht auf 
völlig fehlerhaften Berichten, wenn diese nicht der Absicht entspringen, einen 
neuen Vorwand zu schaffen, die pfälzischen Prinzen zu massregeln und Bayern 
von Grund aus zu ruinieren. Was an der Sache Wahres ist, beschränkt sich 
darauf, dass man bis zum 5. (September) weder den Österreichern noch den 
Franzosen den Eintritt in die Stadt erlaubt hat, und dass — nach den Nach¬ 
richten von diesem Tage — die Neutralität Münchens von den Chefs der 
beiden Armeen respektiert worden ist. Ich weiss auch, dass die Deputation, 
von welcher Ihnen gegenüber die Rede war, sich nach der Retraite von Fried¬ 
berg in das französische Hauptquartier begeben hat, um über eine bestimmte 
Kontribution übereinzukommen und somit willkürlichen und endlosen Requi¬ 
sitionen vorzubeugen. Dieser Schritt ist vonseiten der kurfürstlichen Kom¬ 
mission in Übereinstimmung mit der Deputation der Stände geschehen. 
Man hat dabei das Beispiel derjenigen Lande befolgt, die sich der Gnade des 
siegreichen Feindes preisgegeben sahen. Ich verhehle Ihnen nicht, dass ich, 
um die französischen Generäle für billige und annehmbare Bedingungen zu 
gewinnen, das Wohlwollen geltend gemacht habe, mit welchem mich der 
König von Preussen beehrt, in Anbetracht des Interesses, das ich in der 
Lage bin, an dem Schicksale Bayerns zu nehmen; ich werde mich ferner 
ebenso an den Kaiser wie an meine Mitstäude wenden, wenn jene verhäng- 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


nisvollen Entschlüsse zu despotischen Massregeln gegen die Erblande meines 
Hauses veranlassen sollten. Ich habe dann wenigstens meine Pflicht gethan, 
und vielleicht lassen sich die Mitstände durch die Gefahr, die auch für sie 
darin liegt, unsere Unterdrückung zuzulassen, bestimmen, für unsere Sache 
einzutreten. Schliesslich vermute ich, dass der Kurfürst seinen Ministern 
Vollmacht und Instruktionen hinterlassen und er selbst, indem er eine Partie 
ergriffen, die Mittel erwogen haben oder erwägen wird, um ihr Geltung zu 
verschaffen, wie ich wenigstens an seiner Stelle gethan haben würde. Das 
ist. was Sie in die Lage setzt, die Thatsachen richtig zustellen, von denen man 
Ihnen in Wien gesprochen hat, und durch energische Vorstellungen zu ver¬ 
hindern, dass man in der That auf solche Redensarten hören wollte zu noch 
grösserem Unglück von Bayern als das ist, welches es bereits für die Sache 
des Hauses Österreich trägt 59 ). 

Das war ein tapferes Wort in dieser Zeit des Schwankens und der 
Verzagtheit! Freilich konnte der wannherzige Prinz nicht ahnen, für welche 
Schwäche er eintrat, welche schmachvollen Schritte er verteidigte. In München 
war jetzt niemand mehr, der so zuversichtliche Sprache geführt hätte, und 
der Gang der Ereignisse gab jedem Worte des Kaisers erhöhten Nachdruck. 
Denn Moreau hatte in dem Augenblicke, da er seinen Namen unter den Vertrag 
setzte, gleichsam sein Pferd bereits zum Rückzug satteln lassen. B)r musste nun 
auch an die^Nachhaltigkeit der Siege des Erzherzogs glauben. Doch zeigte sich 
die Wirkung früher bei ihm selbst als bei seinem Gegner Latour, der gleichfalls 
lange genug brauchte, die Konsequenzen aus den Fortschritten des Prinzen zu 
ziehen. Die Haltung seiner Armee in Bayern, welche ihre Aufgabe völlig 
verkannt, hatte zu dem Abschlüsse des Vertrages mit Frankreich unbedingt 
berechtigt. Auch noch nach dem 7. September war Moreau ihm gegenüber 
durchaus im Vorteil, Latour stets im Rückzug begriffen. Es war lediglich 
das Verdienst des Generals Nauendorf, wenn die österreichische Armee im 
Augenblicke des Würzburger Sieges nicht über den Iun in die Erblande 
retirierte. Er hatte sich ritterlich dem zaghaften Befehle widersetzt. Aber 
auch Moreau sah sich zur Einstellung seiner Offensive genötigt. Er hatte 
immer noch eine Wendung in Jourdans Schlachtenglück gehofft. Doch 
als er von dem schnellen Vormarsch nach dem Rhein vernahm, da erkannte 
er klar die Absicht des Erzherzogs, ihn in Bayern so weit wie möglich Vor¬ 
dringen zu lassen, um ihn dann von allen Seiten zu fassen: eine Falle, die 
ihm hätte verhängnisvoll werden müssen. Er entging ihr glücklich, und trotz 
seiner gefährlichen Lage kam er ohne übermässige Verluste vom Lech an 
den Rhein 60 ). 

In Bayern aber hatte der Wiener Hof nun freie Hand. Das Nächste, 
was er that, war, dass er die Vereinigung der bayerischen Truppen mit seiner 
eigenen Armee aufs neue forderte 01 ). Latour Hess den Befehl ergehen, der 
Kaiser gab ihm dem Gesandten gegenüber den nötigen Nachdruck: er könne 
nicht länger dulden, dass die pfalzbayerischen Truppen unthätig blieben, 
während sich die seinigeu für die Verteidigung Bayerns schlügen. Er ver¬ 
sprach sich auch in Anbetracht ihrer Zahl und ihrer Vortrefflichkeit von 


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Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


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dieser Vereinigung hervorragenden Nutzen. Bliebe man aber auf der Weigerung 
bestehen, dann müsste man mit Bayern wie mit den übrigen Ländern und 
Kreisen verfahren, die sich des Abfalls schuldig gemacht: er werde die Truppen 
entwaffnen, das Land wie ein erobertes behandeln 62 ). Das war ein neuer 
Schlag. Man beeilte sich, ihn, so rasch wie möglich abzuwenden. Die Vereinigung 
schien in Anbetracht des Vertrages mit Frankreich unmöglich. So wurde 
denn Graf Arco zu Latour und nach Wien gesendet, um dort die Kon¬ 
vention vorzulegen, während Baron Leyden nach Lobkowitz geeilt war, um 
deu Kurfürsten von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen. 

Mit begreiflicher Ungeduld sah das Ministerium der Abwickelung der 
Sache entgegen. Es hoffte, dass der Kurfürst durch den Dresdener Hof zur 
Annäherung an Preussen gewonnen werden könnte. Freilich waren hiefiir 
die Aussichten sehr gering. Zwar hatte auch Leyden Auftrag, jeden gün¬ 
stigen Augenblick wahrzunehmen, um den Kurfürsten auf die gesteigerte Be¬ 
deutung hinzuweisen, welche das Zusammengehen mit Preussen in diesem 
Augenblicke hätte. Doch Leyden war nicht der Mann, den Kurfürsten in 
die richtigen Bahnen zu lenken. Diejenigen, meint Harnier, welche den 
Kurfürsten kennen, erwarten nichts mehr von ihm. Und sie behielten Recht 6Ü ). 

Sofort nach seiner Rückkehr verwarf er, wie zu erwarten war, den Ver¬ 
trag und sprach gegen seine Regierung den schärfsten Tadel aus, dass sie 
ihm nicht die Ratifikation Vorbehalten. Nur die Rücksicht auf seine pfälzi¬ 
schen Lande, die noch immer der Rache der Franzosen ausgesetzt waren, 
hielt ihn von offenem Proteste zurück 64 ). Nachdem indes von der Ausführung 
des Vertrags vorderhand nicht die Rede sein konnte, schien er geneigt, 
sich mit der stillschweigenden Abweisung zu begnügen und den weiteren 
Verlauf der Dinge abwarten zu wollen 65 ). Österreich gegenüber war er weniger 
zurückhaltend als vor der Flucht. Er nahm nichts übel: Die Verhaftung des 
Obersten Reibold schien ihm sogar --- nachdem dessen Papiere, die ihn 
hätten kompromittieren können, in Sicherheit waren — mehr Vergnügen als 
Verdruss zu bereiten. Des Herzogs Bemühungen, ihn durch die Minister zu 
energischem Protest zü veranlassen, waren vergeblich 66 ). Kurzum, es kamen 
die Beziehungen wieder ins alte Geleise. Graf Seilern eröffnete freilich seine 
Thätigkeit mit Beschwerden gegen die Regierung wegen ihres Benehmens 
gegenüber den kaiserlichen Generälen — Klagen, die auch nach Montgelas’ 
Auffassung nicht unberechtigt waren. Der Wiener Hof hatte indessen keinen 
Grund, dem Kurfürsten das Vorgefallene uachzutragen, denn dieser erklärte 
sich alsbald bereit, im Frühjahr wiederum sein Kontingent zu stellen 67 ). 

Mit Paris hatte Max Joseph nicht so leichtes Spiel. Der leidige 
Vertrag bereitete ihm manche Unannehmlichkeiten. Man wollte ihn sogar 
verbindlich für ihn machen. In der That wirkten die Folgen bis in seine 
Regierung hinein nach und traten bei allen Angelegenheiten hindernd in den 
Weg 68 ). 

Die französische Ansicht, ihn für den Waffenstillstand verantwortlich zu 
machen, war indesserl nicht ganz unberechtigt. Denn kein anderer als Max 
Joseph war es gewesen, der die Idee, mit Frankreich zu paktieren, sich ihm zu 


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Richard Graf du Moulin Eckart 


nähern, in München geweckt und genährt hatte. Schon die Sendung Cettos 
in der Zeit des französischen Vormarsches nach Bayern musste für die Stim¬ 
mung in München von Einfluss sein. Freilich hatte er nicht an bedingungs¬ 
lose Unterwerfung gedacht. Er zählt somit in erster Reihe zu den intellek¬ 
tuellen Urhebern des Vertrages. Für das Wie freilich bleiben natürlich die 
Unterzeichner verantwortlich, die sich in die Falle locken Hessen. Dann aber 
auch das Ministerium, welches die Vertreter der Landschaft frei schalten Hess, 
aus Mangel an eigener Initiative, aus Furcht vor Verantwortung. Der Kur¬ 
fürst selbst aber war es, der durch das erteilte Pleinpouvoir die seltsame 
Komödie überhaupt möglich gemacht hat. Dass es jedoch zum Vertrage 
kam, dafür sind die österreichischen Heerführer verantwortlich, die Bayern 
unnötigerweise dem Feinde preisgegeben haben. So ist die Schuld sehr ge¬ 
teilt: der Vertrag aber ist gerade durch die Fehler, denen er entsprungen — 
eine Etappe Bayerns auf dem Wege zum Rheinbund. 


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Quellennachweise. 


1) Vergl. Sy bei, Geschichte der Revolutionszeit. IV, 232 ff. 

2) Sy bei, a. a. O. 278 ff. Vergl. Angeli. Erzherzog Carl. Weimar. Leipzig 
1896. I, 230 ff. Massenbach, Amberg und Würzburg. 1796. Ein Säkularbeitrag zur 
Kriegsgeschichte. 23 ff. 

3) Angeli, a. a. O. 360. 

4) Sy bei, a. a. O. 236. 

5) Erdmann sdörffer, Politische Korrespondenz Carl Friedrichs von Baden 
Heidelberg 1892. II, XXXIV f. 

6) Pol. Corr., a. a. O. XXXVII. Martens, Recueil des principaux traites etc. 
VI, 676. Koch, Abrege etc. VI, 197 ff. 200 ff. Posselt, Europ. Annalen 1796. 
III. 232 ff. La Souabe apr£s la paix de Bäle. Utrecht 1879. Klüppel, Die Friedens- 
verh. Würtembergs mit der französischen Republik. Sy bei, Hist. Zeitsclir. 46, S. 385 ff. 

7) Sy bei, a. a. O. 236. 

8) A. a. O. 

9) Angeli, a. a. O. 330 ff. 

10) Angeli, a. a. O. 416 ff. 

11) A. a. O. 

12) A. a. O. 

13) Sy bei, a. a. O. 235 ff. 

14) Erzherzog Carl, Schriften, Wien 1894. IV, 332.. 

15) Posselts Annalen 1796. IV. 249 f. Vgl. Häusser, Deutsche Geschichte, 
(4. Aufl.) II, 87 f. 

16) Hüffer, PUiropa im Zeitalter der fr. Revolution. I, 207 ff. 

17) Montgelas, Denkwürdigkeiten, 10 f. Du Moulin Eckart, Bayern etc. 

T, 36 ff. 

18) Vergl. Vivenot, Th u gut, Clerfayt und Wurmser. Wien 1869. S. 388 ff. 
Du Moulin Eckart, a. a. O. 38. 

19) Bailleu, Preussen und Frankreich. I, XXII. ff. Hüffer, a. a. O. 

20) Begleitschreiben zu Gettos Instr. Ansbach 20. Aug. 1796. (Berl. G. Lt. A). 

21) Instruktion für Getto. (Kopie). 

22) Vivenot, Vertrauliche Briefe, I., 404. Hüffer, S. 225. Correspondance of 
Eord Auckland III. 360, 368. 

23) Du Moulin Eckart, a. a. O. 

24) Vivenot, Vertrauliche Briefe I, S. 332, 334, 335. 

25) Bericht von Harnier. München, den 6. Mai 1796. 

26) Bericht von Harnier. München, den 3. April 1796. 

27) Erlass an Harnier. Berlin, den 4. April 1796. 

28) Herzog von Birkenfeld an Kaeser. Landshut, den 29. März 1796. 

29) Bericht von Harnier. München, den 13., 14. April, 7. Mai 1796. 

30) Hüffer, a. a. O. 

31) Bericht von Harnier. München, den 26. Mai 1796. 

32) Bericht von Harnier. München, den 5. Juni 1796. 

33) Bericht von Harnier. München, den 10. Juli 1796. Nebst den anliegenden 

Postulaten der Landschaft d. d. 13. Juni, 21. Juni u. s. w. 1796. 

34) Bericht von Harnier. München, den 17. Juli 1796. 


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7 6 


Der Waffenstillstand von Pfaffenhofen. 


35) Bericht von Harnier. München, den 31. Juli 1796. 

36) A. a. O. 

37) Vergl. die obigen Depeschen. 

38) Bericht von Harnier. München, den 24. Juli 1796. 

39) Bericht von Harnier. München, den n. August 1796. 

40) Montgelas, a. a. O. 17 f. 

41) Instruktion für die Landschaftsverordnung. Beilage zu Harniers Bericht 
vom 2. Okt. 1796. 

42) Montgelas, 18. 

43) Vivenot, Vertrauliche Briefe, a. a. O. 

44) Montgelas, 16. 

45) A. a. O. 

46) Vgl. Bericht von Harnier. München, den 17. August. 

47) Erzherzog Carl Schriften IV, 332. 

48) Angeli, a. a. O. 422. 

49) Angeli, a. a. O. 422 ff. 

50) Montgelas, 17. 

51) Bericht u. s. w. Abgedruckt bei Mussinan, Geschichte der französ. Kriege. 

1, 209 ff. Beil. IX. 

52) Bericht von Harnier. München, den 9. September 1796. 

53) Gouvion Saint Cyr. Memoires. III. 250. 

54) Sy bei, IV, 297. 

55) Bericht von Harnier. München, am n. Sept. 1796. 

56) S y b e 1 , IV, 297. Martens, a. a. O. 294 ff. Montgelas, 18. 

57) Bericht von Harnier. München, den 11. September 1796. 

58) Baron Reich lin an Herzog Max Joseph von Zweibrücken. Wien, den 

2. September 1796. 

59) Max Joseph an Reichlin. Ansbach, den 8. September 1796. 

60) Sy bei, IV, 293 ff. Angeli, 429 f. 

61) Seilern hatte schon am 30. August die gleiche Forderung gestellt. 

62) Bericht von Harnier. München, den 14. September 1796. 

63) Bericht von Harnier. München, den 25. September 1796. 

64) Bericht von Harnier. München, den 9. Oktober 1796. 

65) A. a. O. 

66) Bericht von Harnier. München, den 9. Okt. 1796. 

67) Bericht von Harnier. München, den 3. Xov. 1796. Montgelas, 19. 

68) Montgelas, 19. Du M o u 1 i 11 Eckart, a. a. O. 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


Von 

Karl von Reinhardstöttner. 

*^^enige Wochen nachdem Johann Franz von Kohlbrenner 
den Schauplatz seiner verhältnismässig kurzen, aber rastlosen Thätigkeit ver¬ 
lassen hatte, setzte ihm der berufenste Geschichtschreiber Bayerns in jenen 
Tagen, Lorenz von Westenrieder, ein biographisches Denkmal 1 ). Das 
Wohlwollen des Freundes, der die „Drangsal* alle“ des verschiedenen Patrioten 
„gesehn und meistens selbst erfahren“, sowie auch dessen Aufzeichnungen 
besass 2 ), blieb nicht ohne Widerspruch. Unmittelbar auf Westenrieders 
Lebensbeschreibung folgte eine anonyme überaus gehässige Entgegnung 3 ), in 
der Absicht geschrieben, Kohlbrenners Charakter nach allen Seiten hin 
herabzusetzen und seinem gesamten Wirken unlautere Beweggründe zu unter¬ 
schieben. Wohl vermöchten schon diese beiden sich widerlegenden Kund¬ 
gebungen allein, die am Ende doch nur den Gedanken des alten Horaz 
bestätigen, dass ohne Fehler niemand geboren wird, der beste vielmehr der¬ 
jenige sei, der unter den wenigsten leide 4 ), zu einer wiederholten Beschäftigung 
mit dem so verschieden beurteilten Manne zu reizen, wenn auch die günstigere 
Darstellung seines Charakterbildes in den späteren Biographien 5 ) im allge¬ 
meinen die Oberhand behielt 

Allein dieser Reiz wird dadurch noch wesentlich erhöht, dass ein 
ziemlich reiches archivalisches Material 6 ) und die weit verzweigte lite¬ 
rarische Thätigkeit des Mannes, von der die grosse Zahl seiner gedruckten 
Schriften zeugt, den Forscher in den Stand setzt, seine gesamte Entwickelung 
aktengemäss zu verfolgen und sich auf diese Weise ein vorurteilsfreies 
Bild, das von Freundes Lob und gegnerischem Hasse unbeeinflusst bleibt, 
zu schaffen. Was ferner nicht minder anregt, dem Wirken des eifrigen Be¬ 
amten und staunenswert beharrlichen Patrioten nachzuspüren, ist die ganz 
hervorstechende Eigenart seiner Entfaltung. Angesichts seiner mangelnden 
Vorstudien tritt uns der noch dazu mit einem abstossenden Äusseren und 
krüppelhafter Gestalt 7 ) behaftete Mann, der zu einer angesehenen staatlichen 
Stellung emporklomm, als das Muster eines ,self-made man* im besten Siune 
des Wortes entgegen, als ein Manu, der soziale Stellung und Adel, Beamten¬ 
würde und literarische Erfolge lediglich sich selbst und seinem zielbewussten 
Ringen verdankt. Siebzehn Jahre führte er unter aufreibenden Kämpfen und 
jenen Nergeleien, welche die Schaffenslust am ehesten untergraben, in un- 

Bayer. Forschungen VI, 2. 6 


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78 


Karl von Reinhardstöttner 


unterbrochenem offenen oder stillen Streite mit feindseligen Klerikern und 
büreaukratischer Engherzigkeit das leitende Organ des damaligen Bayerns, 
die „Intelligenzblätter“, stets eigentlich nach seiuem Sinne, ob auch 
bald ausweichend, bald anstossend, bald gefügig, bald sich aufbäumend, ge¬ 
hasst und nicht selten in seinen Lebensinteressen gefährdet. 

Endlich gebührt Kohlbrenner keine unbedeutende Stelle im Kreise 
der bayerischen Aufklärer des vorigen Jahrhunderts, und hierin liegt der 
unvergängliche Wert seines unermüdlichen Wirkens. 

Eine abgeschlossene Geschichte der Aufklärung in Bayern wäre eine 
der willkommensten Gaben. Wohl besässen wir eine solche in scharfen Um¬ 
rissen, hätte der Tod August von Kluckhohns geplantes Werk „Zur 
Kulturgeschichte Bayerns“ reifen lassen. Solange nicht eine zusammenfassende 
Darstellung dieser Periode in Bayern vorliegt, können Bausteine zu einer 
solchen nicht unwillkommen sein. Es mag lohnend erscheinen, den einen 
und anderen der bewährten Vorkämpfer der Geistesfreiheit in unserm Lande 
etwas näher zu betrachten, wie dies ja mit manchem derselben bereits ver¬ 
sucht wurde. 

Dass die Bestrebungen aller dieser Männer sich vielfach gleichen 
ist schon in den Hindernissen, auf welche sie gleichmässig stiessen, und in 
der Ähnlichkeit ihrer oft recht bescheidenen Ideale begründet. Es ähneln 
sich darum auch die Schilderungen ihrer Kämpfe und Leiden, ja meist sogar 
die Aussprache ihrer Empfindung 8 ). Diese Gleichartigkeit in vielen Stücken 
vermag uns nicht zu hindern, jedem einzelnen die ihm gebührende Be¬ 
achtung zu widmen. Gewiss würdig aber, im Kreise dieser Männer mit 
Ehren genannt zu werden, ist Kohlbrenner. 

Johann Franz Kohlbrenner — so zeichnet er selbst und die 
Behörden stets, nicht Franz Seraph 9 ) — ist am 17. Oktober 1728 10 ) zu 
Traunstein (im Salinenbezirke Au) geboren, wo sein Vater Rupert beim 
Salzamte bedieustet war. Seine Mutter war Maria Jacoba Aufleger, ein 
Name, der sich noch in der Pfarrei Traunstein und den Nachbarpfarreien 
findet. Des Alters seines Hauses erwähnt Kohlbrenner gelegentlich in 
einem später zu besprechenden Bittgesuche aus dem Jahre 1771, wo er schreibt, 
dass „seine Voreltern schon anno 1429 unter Herzog H ei nri ch dem Reichen, 
unter Ludovico divite, Herzog Georg, Herzog Al brecht dem Weisen, 
Wilhelm dem IV., Alberto V., Wilhelm dem V., Max I., Ferdinand Maria 
bis hieher redliche Baiern, Beamte und Landsassen waren, und mit ihrer Tlireu, 
und patriotischen Geist gegen das durchlauchtigste Churhaus sich verdient 
gemacht haben, W’ie die Urbarung, Rechnungen und acta bewehren“ 11 ). Auch 
sein Adelsdiplom (1778) hebt hervor 12 ), „dass dessen Vorältern schon vor 
dreyhundert und fünfzig Jahren eigene Häuser und ansehnliche Güter in 
Baiern besessen, darauf gelebet und stetshin nützlich und getreue Unterthanen 
gewesen seyen, deren Treue und Fähigkeit die nach und nach regierenden 
Herren Herzogen und Kurfürsten in Baiern auch zu benutzen und zu be¬ 
lohnen gewusst haben, wie denn unter anderen Kurfürst Ferdinand Maria 
im Jahre 1679 bey entstandenen grossen Holzmangel zur Salzsiederey des 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


79 


Wolfgang Kohlbrenners als seines Grossvaters angegebene kurfürstliche 
Wasserleitung vor allen anderen Vorschlägen vorgezogen und gewählet, folg¬ 
lich diesem wichtigen Werke vorgesetzet, wobei er 40 Jahre als Holztriftmeister 
beim Salzsiedwerke Dienste geleistet, hernach dessen Söhne Philipp und 
Matthias Kohlbreuner 44 Jahre lang solcher Bedienung obgelegen, und 
sich meisterlich hervorgethan haben, und da das Haus zu Kohlbrenn schon 
1429 unter Herzog Heinrich in Niederbaiern geblühet; So hat einer der 
Kohlbrenner seinen Landesfürsten in den Gefahren des Todes errettet, 
auch Rupert Kohlbrenner des obbemeldteu Wolfgang Kohlbrenners 
ehelicher Sohn hat dem Kurhaus Baiern beim Salzsüdwesen in Trauenstein 
als Vermehrer der Salzvorräthe mit getreuer jährlicher Verrechnung und mit 
guten Anstalten von Anno 1719 bis 1752 seinem Lebensende Pflicht getreue 
Dienste geleistet“. 

Dies alles bestreitet nun der anonyme Biograph; er meint „Kohl¬ 
brenner war sehr erfinderisch“ (22), Wolf sei nur ein „Taglöhner“, Rupert 
„Hausknecht oder eigentlich Salzdörrer“ und Franz überaus ehrgeizig ge¬ 
wesen, so „dass er sich schämte, eines Hausknechts Sohn zu sein“. (24). Wir 
werden in der Annahme, dass die Behörden die Akten wohl kannten, ehe sie 
den letzten Kohlbrenner adelten, kaum irre gehen und ihnen darum auch 
Glauben schenken dürfen. Die Matrikel der Traunsteiner Pfarrei bezeichnet 
den Vater als ,operarius ad Salinam*. 

Kohlbrenner genoss keine gelehrte Erziehung, dagegen war er frühe 
schon praktisch thätig. Der Bräuamtspäcliter von Picheleck nahm ihn in 
seine Dienste, alsdann der Salzmaier von Traunstein, von Sedelinayer, 
auf seine Schreibstube. Dieser empfahl (1753) den fleissigen und pünktlichen 
Jüngling dem Hofkammerrat und Salzkommissär Joseph Hermann von 
Plank auf Haidenhofen in München, „bey dem er eine Zeit lang den In¬ 
formator bey seinen Kindern machte“ 13 ). Untenn 2. Januar 1754 berichtet 
die Hofkammer an den Kurfürsten, Kohlbrenner habe ein Gesuch einge¬ 
reicht, „vmb Er bey Euer Churftl. Drl. Geheimmen Canzley zu einem Canzley 
Verwandten gdst. angenommen werden möchte“. Sein Gesuch ist indes schon 
früheren Datums, denn bereits am 12. Dezember 1753 hatte sich der Rat über 
seine Aufnahme, wie folgt, geäussert 14 ): 

„Nachdem Wür nun mit woll Beträchtlicher einsieht wahrgenommen, 
wassmassen der Supplicant nach seinem Vorschreiben vnd mit herauss ge¬ 
schlossenen Salzmayrambts attestato nit nur ainige Jahr, solang Er conditio* 
nirt gewesen, iederzeit besonderu fleiss, threu, vnd verschwigenheit erwisen: 
vnd Vollkhommenes contento gegeben habe, sondern auch in oballegirt her¬ 
aufgeschlossenen hiebey zurückhkommeuten aigenhendig geschribeuen deco- 
rirten Anlangen vud attestation darlege, dass Er eine ausserordentlich zier¬ 
liche Schreibarth vnd eine solch Künstlich miniaturmässige excollirung mit 
der feder besitze, welche bey höchsten höfen vnd Canzleyen villmelir aufge- 
suecht, dass auf anmelden vnd Suppliciren dissimulirt zu werden würdtig seye. 

Also waren wir der Unterthänigsten Mainung, dass weillen bey der 
HofCammer Canzley schon ville Supernumerarij, welche keine besoldung haben, 

6 * 


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8o 


Karl von Reinhardstöttner 


sondern gar schlecht vnd Kuinerlich leben müssen, derentwillen Eure Churfrtl. 
Drchl. immer baldt vmb eine gelt ausshilff, baldt vmb ainige Naturalien an¬ 
gelassen werden, deren nachfolge vnd langwürige Zuewartt dan Ihm Suppli- 
cierenten Kohlbrenner vmb so schmerzlicher fahlen misste alss seine grosse 
Fähigkeit, vnd künstliche Schreibarth mehrers als der erst besoldtete Canzelist 
meritirte, widerholter Kohlbreuner bey höchst Dero geheimbeu Canzley, 
alwo desselben künstliche feder mit bessern Ruemb vnd nuzen gebraucht 
werden khau, dermahlen als Supernumerarius mit wo nit halber besoldung 
doch wenigest ioo fl warttgelt gndst. an- und aufgeuommen oder aber bey 
entäusserung aines vnd dess andern Ihm Supplicanten eine gesicherte Ver¬ 
tröstung gdst. erthailt werden möchte, dass bey nächst sich ergebenter vaca- 
tur derley Canzley Stehle vnd besoldtung dann würklich gdist. conferirt 
werden solle“. 

Am 15. Januar 1754 erfolgte bereits die Entscheidung 15 ): 

„Ihre Churfstl. Drchl. wollen gnädigst, dass der supplicant wegen seiner 
kunstreich vnd seltenen handschrifft bey der Hof Cammer Canzley als super- 
numerari Cancellist angestellet, vnd ihme einstweillen jährlich ainhundert 
Gulden alss ain Warthgelt verraicht werden solle“. 

Vier Tage später erhielt der „Schreiber bei dem Chf. Salzmeyerambt 
zu Traunstein“ Franz Kohlbreuner die Zustellung und den Auftrag, 
sich verpflichten zu lassen. Sein Gehalt wurde ihm „in quatemberlichen 
ratis und zwar vom 1. Martij 1754 an“ unterm 8. März angewiesen. 

Kohlbrenner fand sich nicht sofort ein. Am 14. Juni 1754 wurde er 
darum beauftragt, „dass derselbe seinen Jhm obliegenden Schuldigkeiten da¬ 
selbst gleich andern abwarten solle“, da er „diese durch seine allzulange Ent- 
fehrnung zu dato noch immer ausser acht gelassen hat“. Er habe demnach 
Traunstein zu verlassen, um „seinen CanzleiVerrichtungen, wie siclis schon 
längstens gebührt hätte, behörig abzuwartteu“ 16 ). 

In seiner neuen Stellung „erwarb er sich nun durch seine Brauchbar¬ 
keit, Geschicklichkeit und Fleiss die Aufmerksamkeit seinerObern“; so lauten 
die Worte seines Gegners, des anonymen Biographen (S. 26). Nebenbei war 
Kohlbrenner auch mehrfach auswärts beschäftigt, so (1757) bei dem Halleini¬ 
schen Salzwesen zu Salzburg als kurbayerischer Legationskanzellist. 

Sein spärlicher Kanzellistengehalt von hundert Gulden jährlich machte 
ihm zur Pflicht, sich hier und dort um Nebenverdienst umzusehen. Am 
21. Februar 1758 sendet er an den Grafen Emanuel von Törriug Jetteu¬ 
bach ein Gesuch „um hochgnädige Zuewendung der Praesidial-Protliocols 
Mundirungen, wouon der verstorbene Canzelist Empel 50 fl. beym Churfürstl. 
Hofzahlamt genossen“. Er bittet darum: „Weillen ich nun mein vast unterm 
Tach bewohnendes Cämmerl verlassen muss, und mich gerne in eine Wohnung, 
welche gleichwohl mit einem Ofen versehen wäre, von darumme sezen möchte, 
dass mich im Stand befündete, eine über Tag und Nacht pressirende Canzley - 
Arbeit ... zu versehen; jedoch zu einer solchen Wohnung nicht hinlängliches 
Einkommen habe“ 17 ). In diese Stelle wurde er denn auch am 19. März 1758 
ein gewiesen. 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


8l 


Zu dem Stübchen mit einem Ofen brauchte man nun freilich auch das 
nötige Brennholz, und so finden wir im Winter 1759 die Bitte des Hof¬ 
kammerkanzellisten „vnd beym hochlöbl. Trifftamt 18 ) seith 2 Jahren gebraucht 
wordenen Canzelisten“, „um demselben wegen ex propriis bestrittenen Costen 
und beweis der Acten so viel gelieferter Schreiberey ein wenigs Trifftholz 
gdst. angeschafft werden möchte“. 

Am 8. Februar 1759 erhält er „zwey Claffter feichtenen 19 ) Trifftholzes“ 
zugesprochen. Er war, wie das Gesuch sagt, „in die zwey Jahr schon in 
Trifftamts Sachen, besonders in dem beym Schluss stehenden Waldverwech- 
selungs-Geschäft der hindern Riss 20 ) gleichsam als Amtsschreiber gebraucht“ 
und hat „manchesmal schon in Zusammen Schreibung eines und dess anderen 
ganze Nächte zur beschläunigung der Sache, besonders der Recessen . . . 
aufgeopfert“, des gleichen „Rezess Pappier, Einbindung, Waldbuch etc. ex pro¬ 
priis besorgt 31 ). 

Überall auf solche Weise verwendet, erwarb sich Kohlbrenner eine 
grosse Erfahrung in allem, was in das Gebiet der Waldwirtschaft, sowie des 
Salz- und Mautweseus 22 ) einschlägig war. Seine Regierung war mit ihm 
nicht minder zufrieden, als die auswärtigen Behörden, was das Vertrauen 
beweist, mit dem der Fürstbischof von Chiemsee, Graf von Zeil 2?? ), den 
jungen Beamten auszeichnete. Man übertrug ihm 1762 die Errichtung des 
Holzgartens in Lechhausen bei Augsburg, die er musterhaft durch¬ 
führte, man sandte ihn in Zollangelegenheiten nach Regensburg und hatte 
ihn als den richtigen Mann ausersehen der unter Oberleitung des geheimen 
Rates Maximilian Nepomuk von Stuben rauch auf Lenting eine voll¬ 
ständig neue Mautordnung ausarbeiten sollte 24 ). 

Kohlbrenner selbst, scheint es, wollte draussen wirken. Mit dem 
Beginne des Jahres 1762 bittet der „Salz- und Bräudeputatiousunterregistrator“ 
„um Permutirung nacher Traun- oder Marquartstein für den allenfalls uacher 
Lauffen kommenden Waldmeister Hoff mann“. Er verspricht unter anderem, 
„alle Jahre des Winters Zeit alhier alle vorfallende Schreib-Arbeiten befördern 
zu helfen“. Das Gesuch ging am 26. Januar 1762 au die Salzdeputation. 

Ein weiteres Gesuch erliess Kohl brenn er um das Salzfertigeramt 
Laufen; er habe, schreibt er wohl um die gleiche Zeit, „schon oftmals um 
die Permutation uacher Traun- oder Marquartstein unterthänigst gebetten, 
weilen ich in Wald- dann hällenischen und Reichenhaller Salz-Wesen von 
jugend auf solche Information erlangt, mittls welcher daselbsten auch nüzliche 
Dienste leisten würde“. Unterm 13. Februar 1762 wird es nicht begutachtet, „ob- 
schonn dem Supplicantn seine gebettene Permutirung wohl zu göhnnen were, 

da Supplicant.in verschidenen Arbeithen nuetzlich zu gebrauchen: 

vnnd in Wahrheit fleissig vnnd mühesamb ist“. Man solle ihn hier belassen 
„und anstatt seiner dermahl geinisseudeu 450 fl. entweder 650 fl. geben oder 
sonst etwas für ihn thun“. So die Hofkammer. Abermals am 11. März 1762 
abgewiesen, erhält er doch am 31. August 1762 in anbetracht seiner bis¬ 
herigen Verwendbarkeit die ganze Registratorsbezahlung von 650 fl. „in quar- 


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82 


Karl von Reinliardstöttner 


talligen ratis vnd zwar von Anfang gegenwärtigen Monatks“. Dies die Ant¬ 
wort auf eine Befürwortung der Hofkammer vom 13. Juli 1762. 

Am 15. September 1762 wurde Kohlbrenner mit einer Bitte, „wegen 
gratis besorgung der Manufacturscassa vnd Verrechnung bey der Reichen- 
hallischen Manufactur (wobei der Kurfürst zwei Aktien hatte) in dem fabrica- 
haus das Unterkommen gnädigst gestehet“ zu erhalten, abgewiesen. Der 
Kurfürst verfügt darauf in wahrhaft klassischer Kürze: „Du bist zwar vmb 
dir dass Vuderkhommen in dem Fabrica Haus gdst. verwilligt werden möchte, 
unterthänigst eingelanget, Wür wollen dich aber mit dem Gesuech abgewiseu 
haben“ 5 * 5 ). 

Im Jahre 1764 veröffentlichte Kohl brenn er seine: „Geographische 
Mauth-Charte von Bayern. Vorstellend: alle zu Wasser und zu Land 
hergebrachte Mauth-Stationeu und Accis Ämter, samt denen dahin führenden 
Commercial- und Land-Strassen entworfen Anno 1764“. Sie enthält „59 Nämen 
deren Mauth-Stationen“ und ist von Tobias Conrad Lotter in Augs¬ 
burg gestochen. Die sehr genau ausgearbeitete Karte wurde 1768 „renoviert“. 
Im Jahre 1769 folgte noch eine Spezialkarte der Oberpfalz, die, nicht 
minder pünktlich gezeichnet, den Titel führt: „Geographische Mauth- 
Charte von dem Herzogthum der Obern Pfalz und der Land¬ 
grafschaft Leuchtenberg. Vorstellung deren althergebrachten Mauth¬ 
und Zoll Stationen, und Accis-Ämter, samt den dahin führenden Commercial 
und Landstrassen. Entworfen im Jahr M. D. CC. LXIX“. Sie umfasst vier¬ 
zehn Mautämter und ist gleichfalls von Lotter gestochen. 

Mit dem Jahre 1766, wo er (28. März) zum wirklichen Rat in geo¬ 
graphischen Dingen ernannt worden war, begann K 0I1 1 brenn er jene Thätig- 
keit, welche ihm Quelle unendlicher Kämpfe wurde, doch ihm aber auch eine 
zweifellose Macht in die Hand gab, die Herausgabe des wichtigsten Münche¬ 
ner Wochenblattes, das er bis zu seinem Tode leitete. Kohlbrenners 
ganze Thatkraft war nötig, um sich diese mächtige Waffe der Presse sein 
Leben lang zu erhalten. Hätte er nichts Anderes als die Herausgabe dieser 
Zeitschrift betrieben, so würde dieses Werk allein Westenrieders Wort 
vollauf bestätigen, der (S. 1) sagt, er sei ein „ausserordentlicher Mann, wie 
nur selten einer kommt, und hat sich durch einen ununterbrochenen, unge¬ 
wöhnlichen und ganz heroischen Fleis, durch die ausdauernde Kühnheit in 
seinen Unternehmungen, durch das Verharren auf denselben mitten unter 
Verfolgungen der oft ungerechtesten und immer bittern Laune seiner Zeit¬ 
genossen, und durch den unmittelbaren Einfluss seines Bestrebens, uns allen 
äusserst wichtig gemacht“. Nirgend bedurfte Kolilbrenner in der That 
mehr seines Fleisses, seiner Kühnheit und Beharrlichkeit, als bei Herausgabe 
dieser Zeitschrift; seines Fleisses, um die zerstreuten Materialien zu sammeln, 
die auswärtige Presse zu verfolgen, Redaktion, Druck, Versand der Blätter 
zu leiten, die verzweigte Korrespondenz zu führen; seiner Kühnheit, um Dinge 
zu berühren, die nun doch einmal berührt werden mussten, dem „erleuch¬ 
teten“ Zeitalter aber seltsam, ja frevelhaft, freigeistig, gottlos dünkteu; seiner 
Beharrlichkeit, um, verfolgt und verleumdet, nicht mürbe zu werden und die 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


83 


Flinte ins Korn zu werfen, womit er den Gegnern die grösste Freude, der 
Sache des Fortschritts aber schwere Enttäuschung bereitet hätte. 

Kohlbrenners Zeitschrift trägt zwar den stolzen Titel „Mit Chur¬ 
fürstlichem gnädigsten Privilegium“; empörend aber ist es, aus den Akten zu 
entnehmen, wie wenig sicher der Herausgeber dieses Privilegs werden konnte. 
Eiu unrichtiges Wort, eine noch so kindische Klage von irgendwelcher Seite 
her, eine unbedachte oder übel ausgelegte Äusserung — sofort suchte man 
Kohlbrenner an seinem Lebensnerve zu verwunden, indem man ihm 
drohte, ihm das Privileg zu entziehen oder es thatsächlich entzog. Wirklich 
heroisch, um Westenrieders Wort zu gebrauchen, ist Kohlbrenners 
Verhalten in so schweren Krisen. Alles opfert er; kalt und besonnen ver¬ 
liert er seinen Zweck nicht aus den Augen; er beugt sich knurrend, er folgt 
widerwillig, er bedauert, wo er wohl keinen Grund sah, irgend ein Wort 
zurückzunehmen — alles der Idee zuliebe, die er nicht fallen lassen will. 

So einfach der Anfang seines „zu Behuf und mehrern Beförderung des 
Commercii“ begonnenen Unternehmens ist, brachte es ihm doch schon in 
seiner ersten Gestalt zahlreiche Verdriesslichkeiten. Vor allem der Abdruck 
der Preise der Lebensmittel in einzelnen Städten des bayerischen Landes ver- 
anlasste massenhafte Beschwerden, deren die Akten des Kreisarchives München 
voll sind. Im Februar 1766 beklagen sich die Metzger von Rege 11sbürg 
über den auf gestellten Fleisch tarif, der zu hoch sei, Burghausen über 
Fleisch- und Holzpreisangaben, der Vizedom von Straubing verlangt unterm 
15. Februar 1766 mehr „offiziöse Führung der Intelligenzblätter“; auch 
den Münchener Magistrat beschäftigte die gleiche Angelegenheit. Erst in 
späteren Jahren bemerkte der Herausgeber, „dass die hierinn angesetzten Vena- 
lienpreise keineswegs als obrigkeitliche Sätze und Taxen der Feilschaften an¬ 
gesehen werden müssen“. 

Kohlbrenner hatte auch bald zu erfahren, dass die Einnahmen sich 
nicht so glänzend gestalteten, als er wohl dachte. Am 8. Februar 1766 wandte 
er sich an den Kurfürsten um einen Zuschuss, und bereits unterm 18. März 
1766 erhielten die „Entrepreneurs“ „in Rücksicht ihrer dabey habenden viel¬ 
fältigen Auslagen einen Beitrag von höchstihren Mauthgefällen ä 300 fl. in 
Halbjahrsraten“ 26 ). 

Auch die Portokosten wurden bald schwer empfunden. Der Kurfürst 
wünschte zwar, dass die Blätter „postfrei“ versendet werden könnten; Kohl¬ 
brenners Gesuch fand aber keinen Anklang, da, wie es in einem Schreiben 
vom 23. März 1767 heisst, „einzelne die Intelligeuzblätter als keine causa 
Dominj“ ansehen, sondern als eine Sache, „welche blos zum Verlage für die 
chf. Ämter versendet, also bezahlt werden müsse“. Der Hauptmautdirektor 
meint unterm 1. April 1767, man solle sich an Taxis in Regensburg 
wenden, auf „dass hochselbiger denen Postämtern zu Abhelfung dieses Un¬ 
fugs und der Behinderung durch die Postwagen das Behörige dahin aus¬ 
fertigen lassen möge“ 27 ). Erst spät erlangte man gewisse Postfreiheiten 28 ). 

Wichtig für Kohlbrenner war der 14. März 1768, an dem er ein 
erneutes kurfürstliches Privileg auf die Dauer von zehn Jahren erhielt. Am 


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Karl von Reinhardstöttner 


15. Oktober 1768 bat er auch „um Confirmation der jährlichen dreihundert 
Gulden“, welche ihm am 15. November gewährt wurden. In seinem Gesuche 
betont er nachdrücklichst, dass „der Verfasser dieser Blätter nicht blos aus 
Büchern etwas zusammenschmiren darf, sondern selbst denken, mit Überlegung 
denken und zur Ehre und Nutzen der baierischen Nation schreiben muss. 
Es erfordert aber ein besonderes Genie, und welches ermuntert werden muss“ 29 ). 

Wohl erzielte Kohlbrenner hier und dort Anerkennung. In einem 
Schreiben vom 10. Januar 1768 bestellt der Markt Pfaffenhausen eine 
verlorene Nummer der Intelligenzblätter, aus denen „nichts alss lautter patrioti¬ 
scher eifer zu lesen wäre“. Sie wollen die Nummer ersetzt haben, weil sie 
„diese nuzliche Blätter, Unsere Nachkommenschaft damit zu belehren“ „ein- 
zubüuden verleithet“ wurden. Die Regierung empfahl die Anschaffung wieder¬ 
holt, so z. B. unterm 28. Februar 1769 nach Amberg; es sei „den Städten 
und Märkten aber gemessenst aufzutragen, dass sie sich derley Intelligenz 
Blätter aus der in Amberg und zwar unter der Aufsicht unsers aldortigen 
Regierungs Secretarij Herzendorfer haltenden Vorlage gegen die geringe 
Gebühr das Stück künftig vor 4 kr. selbst anschaffeu, fleissig durchlesen, 
daraus für Handlung und Gewerbe einen nutzen schöpfen“ 80 ). Aber man 
nahm sich die Empfehlung der Behörden draussen nicht allzusehr zu herzen. 

Eine Abrechnung des Intelligenzblattes vom 14. Februar 1772 ergiebt 
einen Absatz von 477 Exemplaren. Aber nicht alle Abonnenten zahlen; trotz¬ 
dem schickt ihnen Kohlbrenner die Zeitung, denu „man muss sich um 
die Wohlfahrt des gemeinen Wesens, um die Ehre des Vaterlandes auch etwas 
kosten lassen. Mau justificire, män henke, köpfe und brauche das Rad: es 
wird doch das Laster nicht aufhören, so laug man schlechte Schulmeister, 
und kein Schulmeister Seminarium hat, so laug die Lesung guter Bücher 
Zeitungen, und anderen blättern, wo eine gesunde Moral, und die lehrart der 
öconomie vorgelegt wird, bey der Nation nicht mehrere, als bisher in Übung 
gebracht wird. Derowegen ist es auch gewiss, dass in jenen Staaten, wo gute 
Schulen sind und der Geist der Nation durch die Lectur gebessert wird, das 
ist, wo der Verstand des Volkes immer aufgeklärt wird, das malefiz nicht so 
häufig anwächst. Das herz muss zuerst gebildet werden. Und ist ein Regent 
nicht glücklicher, wenn Er gehorsame und sanfte herzen zu regiren als wenn 
mau es mit faulen und wilden zu thun hat“ 81 )? 

Auf diese Gedanken kommt Kohlbrenner, wie wir im weiteren 
sehen werden, in seiner Zeitschrift immer wieder zurück. Bald beginnen je¬ 
doch auch die Schwierigkeiten mit der Zensur. 

Untenn 14. März 1772 frägt Kohlbrenner an, ob die Intelligenz- 
Blätter überhaupt noch weiter geführt werden sollen, und wie hoh die Auflage 
werden müsse. Er könne nicht mehr so fortmachen; die Pfarrer sollen zur 
Abnahme „vermahnt werden“. Auch S. Exz. der Geheime Rat von Stuben¬ 
rauch wird am Ende die Zensur nicht mehr so wie bisher leiten wollen: 
„Denn wenn ein Manuscript einmal die Censur passirt und äclit abgedruckt 
ist, darf man den authorn nicht mehr darum hernehmen oder quasi strafen, 
wie dies ao. 1769 & 71 geschehen“. Noch weniger will der Herausgeber „ein 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


»5 


ungnädiges bezeigen verursachen“. „Ausser deme gethraute sich niemand mehr 
eine Zeile öffentlich zu schreiben, am wenigsten die Wahrheit“ 82 ). 

Mit diesem Hinweise auf das Jahr 1769 gedenkt Kohlbrenner eines 
unangenehmen Vorfalles. Er hatte durch einen Artikel in No. 16 (199—202) 
des Intelligenzblattes über „Projectisten . . Goldmacher, ehrsame Betrüger . . . 
adelige Bassgeiger“ Jemand, den er doch nicht einmal von Person ge¬ 
kannt hatte, angegriffen“ 88 ). Obwohl der Artikel unbeanstandet durch die 
Zensur gegangen war, erhielt Kohlbrenner vierundzwanzig Stunden Hof¬ 
arrest Auf diese zweifelhafte Art der Zensur kömmt er noch oft zurück. 

Am 17. März 1772 klagt er neuerdings über die jährlichen 2500 Gulden 
Kosten, welche Druck, Papier und Porto der Intelligeuzblätter beanspruchen. 

„Wer solle aber diesen Unkosten aufwenden, ohne eines sichern Ver- 
schleisses oder sonstig höchst landesherrlicher Unterstützung sich bewusst zu 
sein ? zumal in einem Lande, wo die Lectür noch eine so fremde beschäfftigung 
ist. Daher kommt es, dass sowohl die geistliche als die gelehrte Zeitung, 
wie die Wochenschrift des so betitelten Patrioten 84 ) wieder zu Grabe gegangen“. 
Das Intelligenzblatt habe es auf sechs Bände gebracht; Dresden, Witten¬ 
berg, Wien, Inspruck, Sulzbach haben es uachgeahmt. Der Heraus¬ 
geber hatte es „nicht auf einen niederträchtigen Gewinn oder Eigennutz ge¬ 
gründet“. „Durch so viele herbe Schicksale aber ist der Verfasser der Chur- 
baierischen Intelligenzblätter, gegenwärtig sehr niedergeschlagen. Und er muss 
es um so mehr seyn, als er (auch der Censur ungeachtet) über jeden kleinen, 
von ihm unbemerkten Ausdruck die bittersten Vorwürfe und Ungnaden zu 
gedulden hatte. (Nota: der Author muss vollkommene Sicherheit haben und 
zwar durch die Censur, sonst leidet der Respect der Censur selbst)“. Es folgt 
nun ein Vorschlag: „Der Kohlbrenner hat noch eine rechtmässige Forde¬ 
rung wegen glücklicher Etablirung des Holzgartens in Lechhausen von 
1630 fl. zu suchen. Werden nun S. Chf. Drlt. ilime die 2 actien von der 
Fabrick und Strickerey-Waaren jede ad 2000 fl. gdst. überlassen, so verbleiben 
noch 2370 fl. Die Iutelligenzblätter betragen nach Zeugniss obiger Speci- 
fication jährlich 950 fl. und pro 1772. 1773 et 1774 auf 3 Jahre zur Schuldig¬ 
keit 2850 fl. Diese 2850 fl. dürfen also nicht bezahlt werden und fallen da¬ 
her dem aerario heim zur Ersparung gegen obige 2 actien. Auch künftig 
von anno 1775 an solle an dem jährlichen betrage der 950 fl. nämlich ab 
19° Quartbände die Helfte mit 475 fl. dem aerario zu und heimfallen: wenn 
S. Chi. Drlt dem Kohlbrenner die ohnedem halb eingegangene academische 
Buchdruckerei jure reali cum requisitis überlassen: oder ihme ein neues Privi¬ 
legium zur Erhebung eines Landesnuzlichen Werks gdst. ertheilen. Abermal 
pur in der reinen Absicht, dass man nicht immer alle Staatsschriften, sogar 
Evangelieu müsse ausser Landes drucken lassen, zu jenen Zeiten, wo man 
davon redet, den Geldausfluss zu verhindern“. Im weitern werden noch Steuern 
an die Stadt versprochen und von den Lettern u. dgl. gehandelt 35 ). 

Ein anderes Memoria von 1772 (25. März) handelt über allerlei die 
Intelligenzblätter Betreffendes. Wieder spricht Kohlbrenner dafür, dass ein 
einmal approbiertes Blatt nicht mehr aufgehalten w r erden dürfe. 


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Karl von Reinhardstöttner 


„Denn es wurde von mir eine Thorheit seyn, wenn ich zum bessten 
des Landes, zum Vortheil der litteratur eine bemühung über mich nähme, die 
mich nur unglücklich machen, die mich etwa gar der höchsten Huld berauben 
könnte, und, wo ich nicht sicher wäre, in die Gefahr zu laufen, von einem 
unberuffenen Kunstrichter in arrest gesetzt zu werden. So rohe bin ich wahr¬ 
lich nicht bearbeitet, dass ich Satyren von Scoptischen Schriften nicht zu 
unterscheiden wüsste. Jene haben eine feine Moral zum Grunde, daher sind 
sie so nothwendig als nützlich; diese aber gränzen an die Pasquillen, die so 
niederträchtig als zu verbiethen sind.Der Author muss seine Sicher¬ 

heit gegen alle Anfälle haben, sonst liegt Wissenschaft, Studium, Kunst und 
Litteratur alles zu boden. Se. Churfürstl. Durchl. werden also unterthänigst 
gebethen: einen censorem gnädigst zu ernennen: ob der herr Bibliothecarius 
von Öfele 36 ) oder des wirkl. Herrn geheimen Raths von Stubenrauch 
Excell. künftig die censur übernehmen; oder des herrn geheimen Raths von 
Lory Excell. 81 ) diese, wie die Münchnerzeitung besorgen sollen: Denn der 
Author will seine vollkommene Sicherheit haben: widrigenfalls der dermalige 
Verfasser der Intelligenzblätter gebethen haben will, ihn von diesem Geschäffte 
zu entlassen“. 

Am i. April 1772 beklagt sich Kohl brenn er, der dem geheimen 
Rate von Stuben rauch „ein gethreuer Achilles, ein redlicher Mitarbeiter 
war“, und dessen Patriotismus nicht erkalten würde, „wenn er auch Schaden 
leiden sollte“, dass der „Verschleiss des Intelligenzblattes ebenso unsicher sei, 
als die Bezahlung“. Der Preis für die 477—499 Bände sei zwar mit 1633 fl. 
20 kr. angesetzt, aber der Kurfürst zahle nur 650 fl., und von diesen falle für 
die Zensur u. a. so viel weg, dass der Verfasser nur 390 fl. erhält. „Bey der 
P)inbuss von jährlich 1243 fl. 20 kr. dürfe der Patriotismus schon ziemlich 
warm seyn“. Er bittet um eine „actie der Strickerey fabrick“. Von sich rühmt 
er: „Der Churfürstl. Rath Kohlbrenner dienet in Traunstein und Mün¬ 
chen schon im 23 ten Jahr und, wenn er seine dem höchsten Dienste aufge¬ 
opferten Nachtstunden dazu rechnet, w ? ohl 46 Jahre“. Auch die „Pfärrer“, 
meint er, sollten angehalten werden, die Blätter zu halten. „Eine landesväter¬ 
liche Ermahnung ist noch kein Zwang; sie kann aber für das Land viel 
gutes schaffen“ 38 ). 

Aber auch mit den Hofbehörden ging die Abnahme der Iutelligenz- 
blätter nicht immer nach Kohlbrenners Wunsch. Unterm 21. Juli 1768 
war verfügt worden, dass dem Hofrat „von dem Intelligenz Blat alerwegen 
zwey Exemplaria cominuniciert werden sollen“. Am 20. Juli 1770 bittet 
Kohlbreun er, das kurfürstliche Hofkammerexpeditionsamt möge 24 bis 
30 Exemplare zu je fünf Kreuzer übernehmen; unterm 31. August 1770 
wurden jedoch nur neun Stück als zur Abnahme nötig befunden. 

Am 8. Oktober 1771 wird verfügt, da allen Ämtern die Intelligenzblätter 
zugestellt werden, „so fünden S. Churfstl. Drchl. ganz überflüssig, dass die In¬ 
telligenz-Blätter auf höchst dero Unkosten an die Räthe und andere bey Chur- 
frst. Ämtern Bedienstete noch ferners ausgetheilet werden“. Es ist darum den 
sämtlichen Expeditionsämtern aufzutragen, „dass diese bey dem Intelligenz 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


37 


Comtoir solche Blätter von ao. 1772 an alsogleich aufkünden sollen, gestalten 
von dieser Zeit an nichts mehr hieran bezahlt oder in Verrechnung passirt 
werden derffe“. 

Unterm 26. Februar 1772 beschwert sich Kohlbrenner wiederholt 
beim Kurfürsten, dass die dem Hofkriegsrat gelieferten 640 Stück der Intelli¬ 
genzblätter nicht bezahlt wurden, „gestalten höchstdero besitzende preiswürdige 
Gerechtigkeitsliebe nicht zu geben kann, dass ich die auf meine eigenen 
grossen Spesen und Kosten gedruckten Blätter umsonst, mithin zu meinem 
Schaden abgeben solle“. Gleichzeitig frägt er an, „ob und wieviel Intelligenz¬ 
blätter ich für das laufende Jahr zu höchstdero löbl. Hofkriegsrath von jeder 
Ausgabe liefern solle“. 

Unterm 29. Februar 1772 wird erwidert, dass die Exemplare wohl ge¬ 
liefert wurden, „hingegen diessorts aber niemalen der Antrag war, das der 
Betrag von dem Kriegs aerario bezalt werden solle, allwo keine Gelter vor¬ 
handen seynd, aus welchen dieser Betrag abgeführt w r erden könnte, zu malen 
da diese Bestellung diessseits nicht, sondern von höchsten Ort aus . . . ge¬ 
macht worden ist“. (Sigl. in Cons. aul. bell.). 

Am 29. Februar schreibt ihm der Kurfürst einen Erlass, der mit dem 
des Kriegsrats übereinstimmt: „Wornach du dich zu richten“. Er erreichte 
also nichts 39 ). 

Am 21. März 1772 wiederholt Kohl brenn er die Bitte um die 53 fl. 
20 kr. In der Rechnung vom 8. Februar 1772 steht zum ersten Male der 
Name Franz Seraph Kohlbrenner. (Vgl. S. 78). 

Indessen strebt Kohlbrenner den gesamten Gewinn durchaus nicht 
für sich an. In einem Vorschläge (ohne Datum) will das Intelligenz Comtoir, 
das „alle mittel zusammensuchet, einer Real-Schule den Anfang zu geben“, 
für sechs arme Knaben in der Realschule je 50 fl., also 300 fl. beisteuern; 
„weiters von jedem Blatt, so die HH. Pfärer in Baiem und der Pfalz ab¬ 
nehmen (denen die Lesung dieser Blätter, wie schon [S. 86] gebethen, gdist. 
aufzutragen wäre) weiters 1 kr., von welchem Geld abermals 6 Kinder zu er¬ 
halten, Hoffnung sein dürfte“. 

Wie schon aus einem Aktenstücke (S. 85) zu ersehen war, beschäf¬ 
tigte den unternehmungslustigen Geist K oh Ihren uers im Jahre 1772 die 
Idee, eine Druckerei zu erwerben. 

Im Gesuche um die akademische Druckerei (ohne Datum) wird der¬ 
selben ein bisheriger Verlust von 14068 fl. 56 kr. nachgerechnet; in einem 
anderen stellt er sie als „in gebrechlichen Umständen sich befindend“ dar. 

Es wird diese Druckerei auch in Zukunft nichts abwerfen, „indeme 
diese Druckerey (welche, weil sie keinen aufgeschworenen Principal hat, von 
Ausländem für eine Hudeley geachtet, und desswegen jeder Gesell von andern 
Druckereyen abgestrafft wird, eine völlig neue Einrichtung erfodert, auf dass 
man in den Stand gesetzt werde, alles und jedes, aus allerley Sprachen zu 
drucken. Ich habe diese Kunst gelernt, und darf nur frey gesagt werden. 
Die Erfahrung dieser Kunst war mir um so nothwendiger, als ich Zeit 7 Jahren 
her, in Buchdruckereyarbeiten und meuagirlichen Anstalten dem höchsten 


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Karl von ReinhardstÖttner 


aerario schon manchen Nuzen geschafft habe. Euere Churfürstl. Drlt. werden 
demnach nicht ungnädigst bemerken, wenn ich in dem Entschluss, diese 
Druckerey in den ansehnlichsten Stand zu erheben, unterthännigst bitte: die¬ 
selbe mir cum Requisitis et Privilegiis als ein wahres reales Eigenthum gdist. 
zu überlassen“. 

Kohlbreuner will dafür jährlich fünfzig Gulden der Akademie zahlen, 
die akademischen Arbeiten billigst liefern und für Lettern und Vignetten 
sorgen. Aber das Privileg muss dergestalt sein, „dass solches nach meinem 
Tode oder andern Veränderungsfall, nicht erloschen sondern meinem Erkäufer 
oder meinen Erben verbleiben, sodann diese Druckerey für allzeit als mein 
reales Eigenthum geachtet, noch jemals mit Bürden überlegt werden solle“ 40 ). 

Man sieht, K o hl brenn er s geschäftliche Fähigkeit blickt überall 
durch. Die Bedingungen, die er der Akademie stellte, „die Lettern nach dem 
Centner und diese als abgenutzt nebst den Pressen zu bezahlen“ 41 ), sind so 
selbstverständlich, dass es der ganzen Bosheit des Anonymus bedarf, darin 
das „so filzige kuickerische und verdächtige Betragen des Kohlbrenners“ 
zu erblicken. Weit mehr müssen wir mit Westeurieder bedauern, dass 
Ko hl brenn er, „der die Sache verstund“, nicht dazu kam, eine grosse Druckerei 
in München zu errichten, und dass also auch in der Folge, z. B. die Mess¬ 
bücher für mehr als 23000 Gotteshäuser und die Breviere für 6500 Priester 
„vom Auslande“ zugeschickt wurden. Niemand sah den Wert der Fabrikation 
ein; wollte aber jemand das Geschäftsleben zur Höhe bringen, wie Kohl¬ 
brenner, so erklärte man „seine Absicht für Eigennutz und machte sich so¬ 
gar ein Geschäfft, vielleicht in der Dummheit des Sinns, ein Verdienst daraus, 
das Werk zu hintertreiben“ 42 ). 

Übrigens zeigte sich schon in den ersten Jahren, da Kohlbrenner 
die Intelligenzblätter redigierte, welchen Kämpfen er entgegen ging. Sein 
stetes Verlangen, nach geschehener Zensur für den Inhalt nicht mehr haftbar 
zu sein, beweist wie schwierig sein Standpunkt war; denn uns möchte das¬ 
selbe sehr natürlich Vorkommen. Aber auf diese Weise allein gelang es den 
Gegnern, Kohlbrenner zu verdächtigen. Schon auf eine Sitzung vom 
8. Februar 1771 hatte Kohlbreuner (am 16. Hornung) ein kurfürstliches 
Dekret des bedenklichen Inhalts bekommen: 

„Von höchster Stelle ist die gnädigste Anbefehlung geschehen, dass 
Wir dir die in denen von Zeit zu Zeit in Druck legenden Intelligenz Blättern 
immerhin sehr unanständige Anführungen, Critiques und Politisirungen, 
dann ungeziemende Einmischungen und moralisirungen für das konftige mit 
geschärftem Ernst, und zwar bey Verlust des dir gnädigst ertheilten privilegii 
auf der Stelle verbietheu sollen“. (Betr. Die gnädigst abgeschafte moralisirungen 
und Critiquen in denen Intelligenzblättern) 43 ). 

Auch im nächsten Jahre, am 30. April 1772 erging ein Erlass an das 
Bücherzensurkolleg, dass die Iutelligenzblätter „aufmerckhsam censirt und dem 
Verfasser nichts anstössiges connivirt und passirt werde“ 44 ). 

Wieder galt es, Kohlbrenners Privileg zu erschüttern, doch gelang 
dies auch dieses Mal seinen Verdächtigen! nicht. Am selben Tage erhielt er 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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ex iutimo den Bescheid, er dürfe die Intelligenzblätter weiter führen, habe 
aber „aller Anzüglichkeiten und was immer auf einige Weise austössig sein 
dorfte, sich sorgfältig zu enthalten“. 

Der Kurfürst übernahm 475 Exemplare, wofür in monatlichen „ratis“ 
650 Gulden bezahlt werden sollten. Auch wird Kohlbrenner eine der ge¬ 
wünschten Aktien (S. 85. 86.) bewilligt, „dergestalteu das Er gehalten seyn solle, 
eine deren hiesigen bürgerlichen Buchdruckereyen an sich zu bringen und in 
den angerühmten Verbesserungs Stand zu setzen, gestalten dem Magistrat 
ihme darzu zu verhelffen sub hodierno allschon bedeutet worden ist“. 

Am 14. Juli 1772 erklärte sich Kohlbrenner damit einverstanden; 
die Aktie betrug zweitausend Gulden. Am 30. Dezember 1772 hatte er noch 
nichts davon, was aus einem Aktenstücke, in dem er wieder leise um Porto¬ 
freiheit auklopft, hervorgeht 45 ). 

Während dieser ganzen Zeit hatte Kohlbrenner die Besserung seiner 
Lage nicht ausser Acht gelassen. Untenn 26. September 1766 erhält er „an¬ 
statt das dem Supplicanteu gnädigst zu gemeinten Zohlhaus am Frauen 
Brünl zu Straubing“ „das daselbst annoch lehr stehende Zohl Hauss beim 
steinern Thor zur gnädigs vertrösteten Belohuung“. 

Schon am 15. Juli 1768 geruhte der Kurfürst, „dem Mauthdirectorial 
Secretarius Franz Kohlbrenner“ „in vorzüglicher betrachtnamme seiner 
Amtsfähigkeit, uud benüzender sonder Capacitet, dan seiner zu iedmahlig 
gnädigster Zufriedenheit bisshero sowohl beym Mauthwesen alss auch in viel 
andere wege geleisteter Treu, ohnermieth und erspriesslicher Diensten das 
Caractere unseres würcklichen Raths in höchsten Gnaden zu conferiren 45 ). 

Noch immer jedoch hatte Kohlbrenner eine Stelle ausserhalb der 
Hauptstadt im Auge. So bittet er im Jahre 1771 „in landeskindlichem Ver¬ 
trauen den huldreichsten Vater des Vaterlands“ um das erledigte Salz- und 
Mautamt Rosen hei 111. 

„Nun habe ich mich Zeit meiner 18jährigen Dienstleistung dahin be¬ 
strebet, durch ausserordentliche Mühe; durch pressante Schreibarbeiten; durch 
Aufopferung halb und ganzer Nächte, durch beschwerliche Reisen, Abschwä¬ 
chung der Augen, der Kräfte und Gesundheit solche Verdienste zu sammeln, 
die mir die sichere Hoffnung gewehren, auch in meinen älteren Tagen in 
einem Amte auf dem Lande meinem gnädigsten Landesfürsteu und Herrn 
nüzlich zu dienen“. „Aktengemäss“ verzeichnet Kohlbreuuer die „Beweise 
seines Diensteyfers uud der meriten“. Er hebt hervor: 1. „Die glücklich be¬ 
sorgte Eiuricht- und Verbesserung der Forst und Trifftanstalten auf der Isar, 
dann die neu accordirten Wasser Risen in der Hinder Riss, wodurch dem 
höchsten aerario gegen vorige Jahre eine jährlich beträchtliche Unkosten¬ 
ersparung von 2- bis 3000 fl. gemacht worden ist. (von ais. 1757 bis 1761)“. 
2. „Die Beförderung der Mundirung der 3 voluminösen Process - Schriften 
respectu des obmannschaftlichen Ausspruchs über die hälleinisclien Salztrac- 
taten; daran ich ganze Nächte geschrieben, um den Termin zu erreichen. 
Obgleich dieses Geschäfft nicht mir, sondern meinen Kanzelisten obgelegeu 
gewesen wäre, (de ais. 1758. 59. 60. 61 et 1766)“. 3. „Die in A. 1762 an- 


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Karl von Reinhardstöttner 


gefangene und ao. 1763 glücklich vollbrachte Anlegung eines Holzgartens zu 
Lechhausen, wobey ich schwere Verfolgungen erlitten, und unter Tausend 
Schwirrigkeiten, die ich standhaft überwunden, ein Werk gegründet habe, 
welches der höchstlandesherrlichen Casse einen jährlich beträchtlichen Ein¬ 
fluss bewirket“. 4. „Die getreue Mitarbeit bey Einrichtung des Mauthwesens 
in Baiem und in der obem Pfalz, die mit äusserster Möglichkeit beförderte 
Anstalten, und die in den Druckereyen in München gemachte actenmässige 
Ersparung von mehr als 19500 fl.“ 

„Ja“, fährt Kohlbrenner weiter, „ich erinnere mich keines Geschäffts, 
keiner Unternehmung, welche nicht unter dem Schutz Gottes von mir glück¬ 
lich vollendet oder ausgeführt worden ist Dieses alles lässt mich gründlich 
hoffen, dass ich mich dereinst auf eine unterscheidende Art, auf eine höchste 
Landesväterliche Special-Gnade (die mir mehrfältig in Zeit 19 Jahren ver¬ 
sichert worden) sicher verlassen kann“. 

Zugleich legt er einen „ohnmassgebigen Vorschlag“ bei, wie am Haupt¬ 
mautamte jährlich 3384 fl. erspart werden könnten, „wenn das überflüssige 
Personale seiner Zeit, und nach und nach anderswohin placirt werden würde“. 

Noch liegt eine weitere Darstellung seiner Verdienste vor. Ausser der 
bereits oben (S. 78) erwähnten Thätigkeit seiner Ahnen in bayerischen Diensten 
führt er seine schon auf gezählten Arbeiten neuerdings in ähnlicher Fassung 
wie oben auf und fügt ausserdem an: 

„Man hat ihm (Kohlbrenner) als er wegen eines ihme dato noch un¬ 
bekannten Passgeigers wegen seiner patriotischen Wahrheit etc. eingespert 
und seine Unschuld erfunden worden, eine höchste Special Gnade gnädigst 
versprochen, die er bis dise Stund noch nachzusuchen hat und davor er 
sich 2 actis bey der Baumwollfabrick unterthänigst erbath aber das gdigste 
Fiat noch nicht erhalten hat. 

Und Er hat die gdste. versprochene Vergütung der Reisekosten nach 
Schottland bey dem höchstpreisswürdigeu, gerechtigkeitliebenden landesväter¬ 
lichen Herzen annoch zu suchen und verhofft sie in der einsmaligen Ver¬ 
ehrung seiner unterthänigsten Bitte“. 

Bei seinen unbestreitbaren Verdiensten ist es nicht übertrieben, wenn 
Kohlbrenner schreibt, die Gewährung seines Gesuches verbreite des Kur¬ 
fürsten Ruhm, „wenn Höchstderselbe wahre Verdienste belohnen und andurch 
eine edle Nacheyferung bei anderen veranlassen wolle“ 47 ). 

Kohlbrenner erhielt zwar die gewünschte Stelle nicht; aber am 
27. Juli 1773 wurde er zum wirklichen Hofkammerrat ernannt. Die ihm 
unterm 8. Oktober 1773 zugegangene Mitteilung hierüber rühmt sein dienst¬ 
liches Verhalten mit den Worten: 

„L. G. In huldreichster Erwägung der von dir seit ao. 1753 bei ver¬ 
schiedenen Departements und Commissions mit erprobten Nutzen, Treue und 
Eyfer geleisteten Diensten haben Wir dich vermög Gdst Decrets de dato 
27. 7bris abhinn zu Unserm würkl. Hofkammer Rath cum Voto et sessione 
und mit Beybehaltung deines actu geuüssenden Gehalts gdst ernennet“ 48 ). 

Die Kämpfe, welche Kohlbrenner mit seinem Intelligenzblatte zu 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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führen hatte, beeinträchtigten, wie wir sehen, glücklicherweise seine Stellung 
als Beamter nicht; ja im Jahre 1771 sandte ihm der Kurfürst durch seinen 
Kabinettssekretär von Er dt sogar „eine goldene Medaille, und Hess ihn 
dabey in den gütigsten und ermunterndsten Ausdrücken der vollkommensten 
Zufriedenheit mit seinen Arbeiten, besonders dem Intelligenzblatt, versichern“ 49 ). 

Es erscheint nun wohl angezeigt, die ersten Bände dieser so viel um¬ 
strittenen Zeitschrift etwas näher an zu sehen. 

Im Juni 1765 erschien ein „Intelligenz- oder Commercien- 
Communicatious-Blat“ 50 ) zum ersten Male. Es enthält auf seinen vier 
Seiten Landesedikte, kurfürstliche Erlasse, bürgerliche und Handelsanzeigen. 
Etwas erweitert trat das unbedeutende und wohl unbeachtete Unternehmen 
unter Kohlbrenners Leitung mit seinem Wahlspruche: „Serit arbores, quae 
alteri saeculo prosint“ als „Churbaierische Intelligenzblätter“ mit 
dem Jahre 1766 auf, indem es neben den landesherrlichen Edikten, Kauf- und 
Verkaufsanzeigen, Preisangaben der Lebensmittel u. dgl. auch von „nützlichen 
Büchern und Erfindungen“ berichtet In Nummer 8 steht bereits eine gereimte 
Fabel (die gefährliche Sicherheit), was sich fernerhin öfter wiederholt. Zwei 
derselben (Getreuer Rath an einen armen Gelehrten Nr. 11) und die Schluss¬ 
rede (Nr. 15) atmen den Geist Kohlbrenners völlig. Im letzteren heisst es: 
„I)u kannst, wenn Dirs beliebt, die ärgsten Posen schreiben, 

Wie wirs, zum Überfluss, an Hofmannswaldau sehn 


Doch eines muss ich Dir, als treuer Freund berichten: 

Tliu alles, was Du wilst, schreib nur die Wahrheit nicht“. 

Schon die fünfzehn Nummern des ersten Jahrganges 1766 sind für denjenigen, 
der die Gesetzgebung, Statistik, Gestaltung von Handel und Gewerbe, das 
innere Leben Bayerns studieren will, eine unerschöpfliche Fundgrube. Die 
weiteren Bände werden dies natürlich um so mehr. Man begreift leicht, wenn 
man sie durchblättert, wie trotz der ewigen Reibereien zwischen Kohl brenn er 
und der Regierung es nie zu einem wirklichen Bruche kam. Kohlbrenner 
hatte in den Intelligenzblättern eine mächtige Waffe; ihre Redaktion befriedigte 
nicht nur seinen Ehrgeiz, sondern schaffte ihm auch ein anständiges Ein¬ 
kommen, das mit der Zeit wachsen musste. Die Regierung aber besass an 
den Intelligenzblättem ein praktisches Repertorium der neuesten Erlasse, ein 
überaus brauchbares Organ und war sich um so mehr bewusst, dass kaum 
einer der Leitung des Blattes so sehr gewachsen sei, als der fleissige Hof¬ 
kammer- und Mautdirektions-Sekretarius Kohl brenn er, als ja beim Beginne 
niemand dieselbe hatte übernehmen wollen 51 ). So kam es zwar oft zu Meinungs¬ 
verschiedenheiten, manchmal zu schweren Streitigkeiten, wobei der Staat rück¬ 
sichtslos das Faustrecht, das Recht des Stärkeren, übte, nie aber zum end- 
giltigen Bruche. 

Der Jahrgang 1767 brachte es bereits auf vierundzwanzig Nummern; 
er zählt, wesentlich erweitert, schon 260 Seiten und hat ein Register. 

„Patriotische Wünsche zu dem neuen Jahre 1767“, die nicht 
in allen Exemplaren stehen, verraten in den ersten Zeilen Kohlbrenners 
Hass gegen die Fremdwörter („wie excusiere, gratuliere“). 


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Karl von Reinhardstöttner 


„Jedoch, wie abgenutzt, ist diess lateinisch Wort, 

In lieber Muttersprach’ kommt mancher auch noch fort“. 

Auch seine Wünsche sind die an vielen Orten ausgesprochenen: 
„Ich wünsche redlich deutsch, denn baierisch muss es seyu: 

Dem Bürger gutes Bier, dem Dichter klaren Wein. 

Dem weisen Alter Kraft, mehr Witz der dummen Jugend 
Den Armen mehrer Geld, den Reichen aber Tugend 

Ein w'ohlfeil Brod und Fleisch, dem braven Handw’erksmann, 

Damit er Weib und Kind fein selbst ernähren kann. 


Ein gut Salarium dem Schulmann unsrer Zeit 
Und den Discipulis mehr Ehrerbietigkeit, 

Ein gute Handschrift soll, die Hand des Schülers führen, 
Die reine Muttersprach’ soll seine Mundart zieren. 


Und was bestimm ich dann, fürs ganze Publicum? 

Ein herrlich, Florisant, und gross Commercium.“ 

Doch gingen die Kämpfe mit stillen und offenen Gegnern frühzeitig 
an. Die Kritik einer Predigt gelegentlich eines Benediktinerfestes in Frei sing 
mit dem Titel „Benedictus eines bessern Parnassus besserer Apollo“, die 
1767. XVI. S. 154 stand, scheint böses Blut gemacht zu haben. Uns könnte 
ja schon der alberne Titel einen Vorgeschmack des Inhalts geben. Der 
Rezensent bedauert es zunächst, dass trotz der Bemühungen des Kanonikus 
Braun 52 ), „den üblen Geschmack in der deutschen Redekunst zu verdrängen“, 
es noch immer Leute giebt, „welche bei dem alten Schlendrian bleiben, und 
keiner vernünftigen Regel Gehör geben.“ „Der (Franziskanerpater Edmund 
Schmaus) geht her, und machet eine heydnische Fabel gar zum Hauptsatz 
einer katholischen Predigt.“ . . . „Ein Fleschier 58 ), ein Bourdalou 54 ), 
Segaud 55 ), Ciceri 56 ), ein Torne 57 ) und dergleichen Redner würden einen 
andern Stoff gefunden haben, den heiligen Benedictus zu loben. Aber, der¬ 
gleichen Redner lesen unsere Redner nicht vielleicht kennen sie dieselben 
nicht einmal dem Namen nach. Dennoch dünken sie sich Redner zu seyn; 
dennoch rücken sie mit ihrem elenden Zeuge in die Welt heraus und setzen 
sich bedaurerlich dem Gespötte aller vernünftigen Leute, sonderbar aber der 
Ausländer aus.“ 

Wie Nr. XIX (S. 196) zeigt, griff man Kohlbrenner mit dem Ein¬ 
wurfe an: „Man soll seine eigene Landsleute nicht so sehr prostituiren: was 
werden die Ausländer darzu sagen“. Ganz trefflich aber kehrt Kohlbrenner 
die Sache um und sagt: „Sollen unsere Landsleute durch elende Schriften 
unser liebes Vaterland so sehr prostituiren ? — An wem ist mehr gelegen, an 
der Ehre eines Privaten, oder an der Ehre des Vaterlands selbst? Wer einmal 
eine Schrift in Druck giebt, der legt sie dem Urtheile der ganzen Welt vor, 
und hat entweder Ehre oder Schande zu gewarthen“. Werden darum schlechte 
Schriften strenge kritisiert, so sieht aus diesen Abweisungen das Ausland, 
dass man in diesem Lande dem Besten nachstrebe und „den üblen Geschmack 
verdrängen“ wolle. 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


93 


Ein Artikel „Gedanken über die Landwirtschaft in Baiern“ (1767 Nr. 
XX, 205) beginnt mit dem unbestreitbaren Satze: „Eigensinn, Aberglaube, 
Müssiggang und Unverstand sind bisher die stärksten Hindernisse gewesen, 
warum vieles in der Landwürthschaft vernachlässiget“ worden ist. Schon in der 
übernächsten Nummer (S. 229) sieht sich der Herausgeber veranlasst, da „ein 
unseriger Leser (wir wollen nicht hoffen, dass seines gleichen mehr seyen) 
sich sehr darüber geärgert“, den Verfasser, „der ein rechtschaffener Bürger 
hiesiger Residenzstadt ist“, zu verteidigen. Auch diesmal meint der Leser, 
„ein rechtschaffener Patriot“ müsse „die Mängel unserer Landleuten“ „ent¬ 
schuldigen und rechtfertigen, ja wohl gar rund weglaugnen“. Das hiesse, 
sagt Kohlbrenner ganz richtig, „der anerkannten Wahrheit zum Ruhm 
des Vaterlands widerstreben“. „Wir bemitleiden solche Leser, welche nicht 
urtheilen können, ohne ihren Mangel der Beurtheilungskraft an den Tag 
zu legen!“ 

Zu besonderem Verdienste muss man es Kohlbrenner anrechnen, 
dass er auch in der „Hexenfrage“ offen den Gegner „unsers lieben“ Ster- 
zinger (1774 S. 248), den unsinnigen Benediktiner P. Angelus März 68 ), 
lächerlich macht (S. *155) „Wir wünschen“, schreibt er an einer andern Stelle 
(9), „auch der Hexerey die völlige Verbauung“. Vor allem die stilistischen 
Mängel jener „Schrift zur Vertheidigung der thätigen Hexerey“ werden (85) 
vernichtend bespöttelt. Ihm ist ja der „Irrwohn“ nichts Anderes, „als in der 
Finsternis seine Nahrung suchen, herumtauzen, alles beschmutzen, und dann 
wieder sich in die Mauslöcher verschliefen“ (226). Dieses Eintreten für 
Sterzinger bezeichnet Westenrieder in seinen „Baierischen Beyträgen“ 69 ) 
als Quelle der Verfolgungen Kohlbrenners. „Diess war Verbrechen genug“, 
sagt er, „um ihm den Hass aller dummen Köpfe, und die Verfolgung aller 
Schwärmer zuzuziehen.“ 

Mit warmer Anerkennung bespricht dagegen der Aufklärer (209) Frz. 
Steers 60 ) Rede von „der Nothwendigkeit der Wissenschaften dem Lehr¬ 
stande“, die für einen gediegenen und anständig bezahlten Lehrerstand eintritt; 
er kämpft (218) für pädagogisch richtige Behandlung der Jungen. 

Den Hauptanteil der Intelligenzblätter beanspruchen neben den Edikten 
und Geschäftsanzeigen noch landwirtschaftliche Artikel; zu jeglichem Ver¬ 
suche wird auf diesem Gebiete geraten, so soll auch Safran in Bayern gebaut 
werden, wozu sich die Gegend um Landshut und Abbach an der Donau 
am besten eignet (160). 

Des damals in Bayern aufkommenden „inländischen“ Kaffees — des 
„Kneippkaffees“ — gedenkt Kohlbrenner mehrfach (61) 6I ), nicht minder 
des Nationalgetränkes. Zwar haben sich Völker, welche sich des braunen 
Gerstenbiers bedienen „über den Überfluss von gelehrten Einfällen wenig zu 
beklagen“, „indeme das Bier, wenn es zu frequent genossen wird, zur Trägheit, 
und zu einer dummen Forcht auleithet“ (156) 62 ); doch bringt er einen ein¬ 
gehenden Artikel (161) zur Kenntnis des Bieres und gedenkt seiner oft (206). 
Für alle Krankheiten endlich von Mensch und Tier, selbst gegen das Zahn¬ 
weh (105), weiss das Intelligenzblatt Mittel. 

Bayer. Forschungen VI, 2 . 7 


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94 


Karl von Reinhardstöttner 


Wiederum erweitert (auf 294 Seiten uud Iudex) erscheint der Jahrgang 
1768, im ganzen seinen Vorgängern gleich. Das Bestreben des Herausgebers, 
Aufklärung in die weitesten Kreise zu tragen und so sein Volk zu heben, 
entscheidet über die Aufnahme der einzelnen Artikel. Dieselbe Absicht liegt 
auch allen litterarischen Beigaben, Gedichten und Fabeln, den Abhandlungen 
und Dialogen (wie z. B. die moderne Menschenliebe, und die alte Ehrlichkeit 
1768 S. 133) zu gründe. Die Landwirtschaft bleibt das Lieblingskind des 
Herausgebers nebst allem, was auf sie bezug hat. Darum der fortgesetzte 
Kampf gegen die Kirchenfeiertage 63 ) und „blauen Montage“ (49). „Man kann 
ja diese freywilligen Andachten entweder auf die Sonntage oder auf den späten 
Herbst versetzen, wo auf dem Feld dagegen die Sommerfrüchte in schönen 
Tagen gut eingebracht, und nichts mehr versäumt werden können“. Darum 
das Lob des Pfarrers, der seinen Leuten Sonntagsarbeit auf dem Felde ge¬ 
währte, wenn es an Werktagen regnete (201). 

Die Vermehrung der Besoldung der Lehrer 64 ), besonders auf dem 
Lande, verliert Kohlbrenner nie aus den Augen; hier (18) macht er sogar 
direkte Vorschläge. Zehn Prozent der Kirchenopfer wären auf die Schulkasse 
zu geben; dem Pfarrer würde gewiss ein reichlicheres Opfer fliessen, „denn 
das Volk rechnet und siehet auf die nützliche Verwendung für den besseren 
Unterricht der Jugend“. Es sollen ferner von jedem Ehepaar zwei Gulden der 
Schulkassa gezahlt werden, von jedem Sterbefalle je nach Vermögen. Die 
Früchte guter Schulbildung würden sich alsbald zeigen; doch „wir müssen 
einen thorrechten Irrwohn 65 ), die gelehrte Dummheit, und den armen Stolz auch 
noch fortkommen lassen.“ — Noch wärmer tritt Kohlbrenner für die Schule 
an einer andern Stelle des gleichen Bandes (212) ein. „Gute, examinirte, wohl 
besoldete Schulmeister sind das Erste, worauf wir denken müssen. Denn diese 
sind es, welche die Schulordnungen zur Execution bringen müssen. Daher 
ist eine Schulakademie, worinne die Schullehrer, Land- und Dorfschulmeister 
abgerichtet, exerciret, und so examiniret und geprüfet werden, dass man sich 
darauf verlassen könne, fast unentbehrlich.“ Wie sollte nun das Geld hiefür 
gewonnen werden? Man sollte „auf die Hunde eine Anlage“ machen 66 ). „Der 
Hund ist ein gar unnützes gefährliches Thier, weil es einerseits bloss zur 
Lust oder närrischer Liebe gewidmet: anderseits die Quelle einer grausamen 
Krankheit, der Wasserscheu oder Wuth ist . . . Die Hunde müssen alle mit 
einem Halsband versehen und ihnen ein messinges Zeichen in einer Grösse 
eines Groschens mit dem Steuerstempel das erstemal darauf genäht werden . . . 
Ein Hund, der in die Kirche kommt, wird nicht ausgepeitscht, aber gefangen, 
und mit 12 kr. ausgelöst ... Für jede Hauskatze wird nur die Helfte, 
nemlich 15 kr., bezahlt ohne Ausnahm aller Stände. Jeder Bauer . . . bringt 
zu Gericht jährlich 6 Spatzenköpfe bey Gelegenheit der Steur: widrigenfalls 
zalilete er für jeden Kopf 3 kr. zur Schulcassa“ u. s. w. 67 ) 

Ist Kohlbrenner, der „nicht gerne unter die Projectenmacher gezählet 
werden“ (19) möchte, etwa derjenige, der die gleichen Vorschläge der öko¬ 
nomischen Gesellschaft zu Burghausen machte? Die Gedanken sind dieselben. 

Ganz besonders beschäftigt sich Kohlbrenner mit den lateinischen 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


95 


Schulen. Vor allem bekämpft er stets die grosse Anzahl der Studierenden 
der Gymnasien 68 ), während ihm die Hebung der Realschulen am Herzen liegt. 
Ein Jüngliug von achtzehn Jahren hat „fast ein Drittel seiner Jahre wegen 
der lateinischen Sprache aufopfern“ müssen. Will er aber „bey dem anfangend 
lüstern und flüchtigen Alter zum geistlichen Stand“ nicht aspirieren und hat 
er die Mittel nicht, um „als ein Weltlicher die hohen Schulen zu besuchen“, 
„woaus alsdann mit einem solchen überstudierten Handwerker oder privi- 
legirten Müssiggänger ? Da ihn der Lehrbub mit den Schustemeibe 69 ) noch 
auslachen wird“. Darum wünscht Kohlbrenner Unterricht im Französischen 
und meint, „dass anstatt der griechischen Sprache (die zwar für die, sogar 
Hochgelehrte und Schriftsteller werden wollen, nothwendig ist) die gründliche 
Erlernung der Deutschen- als der Muttersprache, nebst der Französischen, 
etwa auch der Italienischen . . . hundertmal nothwendiger und nützlicher seye“ 
(17. 18). An einer andern Stelle (214 ff.) greift er dieselbe Frage noch ein¬ 
gehender auf. Es kommt nicht darauf an, dass die Kinder „6. 7. 10 Jahre 
mit dem Griechischen und Lateinischen verzehren sollen, und im übrigen 
unwissende Tölpel bleiben dörfen“. Nicht alle, meint er, könne man „blos 
zu Gelehrte und Priester abrichten“. Deutsche Sprache, Französisch, Italienisch 
sei nötig; „auch in der Poesie muss man deutsche Verse machen lernen“ 
(216). Die Überzahl der Studierenden ist die Vernichtung der andern Stände. 
Sie sind „müssige Zöhrer“ — (157) diese „ausgelernten Studenten, die B /s Juristen, 
die zu vielen oder faulen, und ungeistlichen Geistlichen“ . . . „alles will stu- 
diren, alles will geistlich, alles Richter, Räthe und Schreiber werden, ohne 
sich um ihren wahren Beruf, oder um eine dem Staate nützliche Arbeit zu 
bekümmern“. 

Kohlbrenner nimmt hierbei das Mass von sich, der ohne Studien 
durch Energie und Fleiss so weit gekommen. Er hatte den Vorwurf der 
mangelnden Studien erfahren müssen (S. 139), das macht ihn gegen die Stu¬ 
dierten und klassischen Studien bitter. Darum wird er oft so ungerecht, wie 
mancher Schreier unserer Tage, der aus ähnlichen Gründen sich gegen dieselben 
äussert. Wohl sagt er: „Aus zwölfhundert Studenten werden kaum ein Drittl 
zu brauchbaren Gelehrten werden; jetzt fragt sich, was sollen die überigen 
800 Knaben lehren? auch lateinisch und griechisch?“ (215) Also den 800, 
die „ohne Rücksicht auf das Temperament, auf das Genie, auf die Fähigkeit, 
auf die Gemüthsneigung“ in das Gymnasium geschickt werden, sollen die 
vierhundert Tüchtigen geopfert werden. Daran liegt nichts, wohl aber um¬ 
gekehrt!! Man glaubt die Forderung unserer Zeit zu hören, die Fakultäts¬ 
studien müssten den übrigen Beschäftigungen geopfert werden, indessen die 
Schuld doch nur am Staate liegt, der durch Forderung dieser Laufbahn für 
alle Fächer auch die Unbefähigten in die Gelehrten schulen zwängt und diese 
auffordert, sie mitkommen zu lassen. 

Darum wirkt es bei Kohlbrenner trotz seines nichts weniger als 
unbestochenen Urteils über die Gymnasien wohlthuend, dass er die Gründung 
von Realschulen für eine grosse Wohlthat hält. „Wir halten dafür, dass ein 
Reicher hiemit eine GOtt weit gefälligere Stiftung machen würde, als wenn 

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Karl von Reinhardstöttner 


er ioo geistliche Beneficien und io Kloster stiftete, die nur dem zöhrenden 
Stand ein müssigen Bolster bereithen“ (130). 

Wohl auch auf die eigenen Erlebnisse gründet sich Kohlbrenners 
stete Ermahnung zu einer schönen Handschrift (54). 

Auch aus diesem Jahrgange (1769) erfahren wir allerlei zur Kultur¬ 
geschichte. Treu seinem Wahlspruch (13) 

„Komm nimmer, böse Zeit, du Fassnacht blinder Lappen! 

Da Irrwohn, Dummheit, Stolz, uns lässt im Finstern tappen“, 
macht er die „Leichtgläubigkeit, die Schwester der Einfalt“ lächerlich (202). 
In scharfen Worten eifert er (172) gegen die Damen „und deren manchfaltige 
Frechheit und ärgerliche Entblösung“ 70 ) besonders in den Kirchen. Entschieden 
greift er den „in unserm Lande immer mehr einreissenden Modetrank vom 
Caffee und Thee“ (170) an und empfiehlt statt des schädlichen Getränkes den 
„gebrannten Roggen“ (175). Von erfolgreichen Impfungen in Stockholm wird 
(258) berichtet, und „die Einimpfung der Blattern als eine zu Conservation 
der Völkerschaft gedeyliche Nothwendigkeit“ erklärt, welche „eben daher unter 
die Policey-Anstalten gehörig ist“. Die Aufgabe der in den Händen des 
Fürsten befindlichen Fabriken wird nachdrücklich empfohlen (148) 7 0a ); die 
Anfänge einer Statistik werden (245) gefordert, freilich mit dem Hinweise auf 
China, damit „wir uns nicht gar zu sehr bey dem Pöbel recommendiren, wie 
bey dem letztem Hundsproject“; Listen über die Sterblichkeit grosser Städte 
werden angelegt (10. 19. u. s. w.) kurz, man sieht allenthalben, wie befähigt 
Kohlbrenner war, die Intelligenzblätter geschickt zu leiten. 

Indessen beschränkte sich Kohlbrenners Thätigkeit bei weitem nicht 
bloss auf das Iutelligenzblatt. Er gehörte der (Altöttinger) Burghausener Ge¬ 
sellschaft als überaus fleissiges Mitglied und Aktuar bis 1780 71 ) an und trat 
wiederholt für dieselbe ein (I. B. 1768. S. 182. 1779. S. 93) 78 ); er veröffent¬ 
lichte 1769 sein bürgerliches Handbuch zum nützlichen Gebrauch 
der Handlung und Gewerbschaften in und ausser Land Baiern, 
und im gleichen Jahre den „baierischen und pfälzischen Laudmann“, 
endlich (1773) schritt er zur Herausgabe der „Materialien“. 

Nicht mit Unrecht war man in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhun¬ 
derts in Bayern der Meinung, die Kultur des Landes, die Nutzbarmachung aller 
Ödungen, das Trockenlegen der Moose, also die Hebung der Landwirtschaft 
sei das Vorteilhafteste, was mau für die gedeihliche Entwickelung des Landes 
thun könne, dessen mangelhaften Anbau, ungenügende Bevölkerung und daraus 
erwachsende Übelstände mehr oder minder heftig alle Reisenden überein¬ 
stimmend beklagen 78 ). Die Landwirtschaft zur Höhe zu bringen galt als die 
vornehmste Aufgabe jedes bayerischen Patrioten, welche die im Jahre 1765 
gebildete sittlich - ökonomische Gesellschaft zu Burghause 11 am ausge¬ 
sprochensten zu der ihrigen machte. Wie bemerkt, zählte Kohlbrenner 
zu ihren hervorragendsten Mitgliedern und Förderern. So erschien i. J. 1769 
„Der baierische und pfälzische Landmann in der verbessern- 
deren Landwirthschaft. Enthält, Nützliche Vorschläge, angestellte Ver¬ 
suche, und Erfahrungen in dem Acker- und Wiesenbau, der Viehzucht, der 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 97 


Baumpflanzung, dem Forstwesen und der Dorfpolicey. Erste Sammlung. (112 S.)“ 
Das Büchlein trägt den Vermerk: „Herausgegeben von der patriotischen 
Gesellschaft der sittlichen und landwirthschaftlichen Wissenschaften zu Alten- 
ötting“ und ist von Kohlbreuner. I11 seinem „Vorbericht“ (vom 13. Juli) 
beginnt er. „Seinem Vaterlande nützlich seyn, und für das allgemeine Wohl 
desselben sich verwenden, dem arbeitsamen Landmann den Weg auszeichnen, 
wodurch derselbe reich und beglückt werden kann; aber nebenbey sich be¬ 
mühen, mit einem heissen Eifer bey allen Schwirigkeiten durchzubrechen; 
um den Endzweck des Guten die wirkliche Verbesserung des Zustandes 
der Einwohner zu erlangen: dieses möchte so beyläufig der Charakter eines 
redlichen Patrioten sein“. Immer handelt es sich darum, „die Vorurtheile zu 
zerstreuen“; die wirkliche „Glückseligkeit eines Staates“ hängt „allein von den 
guten Umständen des Nahrungsstandes“ ab. Zwar zählen neben der Land¬ 
wirtschaft auch Handwerker, Künste und Handel zum Nahrungsstande, aber 
die Landwirtschaft bleibt „deijenige erste Theil des Nahrungsstandes, von 
welchem wir das Nothwendigste und Unentbehrliche, uud, wenn sie in gute 
Umstände versetzet oder gebessert wird, den Grund der Wohlfeile zu erwarten 
haben“. Es bedarf der Beihilfe der Regierung; „der Unterthan muss sie willig 
annehmen, und schicklich befolgen, oder benutzen“. Da nun „das erste und 
allgemeine Mittel, die Unterthanen reich und beglückt zu machen, somit den 
Staat in einen blühenden Zustand zu setzen“, „ohne Widerrede die edle Land- 
wirthschaft in einer guten Verfassung“ ist, so sind zur Hebung derselben 
„aussetzende Prämien“ nötig. „Diese reitzende Mittel haben in England so 
gute Wirkung gemacht, dass der Feldbau, wie man weiss, in kurzer Zeit mehr, 
als um die Hälfte verstärket worden ist. Würden die Prämien in dieser 
Absicht auch in Baiem bekannt, und ausgesetzet werden: so würde man 
Wunder sehen wie viele arbeitsame Hände eine Menge Früchten aus dem 
Reiche der Natur, blos durch den Wetteifer, hervor zu bringen wüssten“. So 
steht Kohlbrenner also auch auf dem Gebiete der Hebung der Landwirt¬ 
schaft in Bayern unter den ersten Vorkämpfern. 

Obwohl die Schrift rein ökonomische Abhandlungen (über Dorfpolizei, 
Urbarmachung von Ödungen, gemeinschaftliche Viehweiden, Benutzung von 
Brachfeldern, Krappbau, Bienenzucht u. s. w\) enthält, begegnen wir doch 
allenthalben Kohlbreuners stets und überall gepredigten Grundanschauungen. 
„Nicht gar zu hoch“ darf man anfangen, „sonst verliert der gemeine Mann 
den Geschmack an der Verbesserung, oder man verdirbt seinen guten Willen. 
— Die Sternkunde ist eine der höchsten Wissenschaften; die Redekunst, und 
die Poesie haben ihr Erhabenes, und die Geschichte im Alterthum ihren be- 
sondem Rang im Reiche der Gelehrsamkeit. Aber alle diese hohen Schön¬ 
heiten tragen w r enig Brod ins Haus, und gehn bey dem Landmann fast un¬ 
bedeutend vorüber. Lasset uns vorher das Land verbessern, lasset unsere 
Einsicht auf sperre 74 ) Erdflächen herabsteigen, w r ie sie fruchtbarer zu machen; 
sonst handelt man, wie jener, der, um die Wunde im Kopf zu heilen, sich 
die gesunde Kniescheibe verband“ (14). 

An Unterstützung der Landwirtschaft darf es nicht fehlen, wobei „aus 


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Karl von Reinhardstöttn er 


den Gotteshausgeldern oder Bruderschaften“ manches beigesteuert werden 
könnte. Kohlbrenner ist kein Freund von Schankungen an die tote Hand. 
„Es würden sich (ich rede als ein aufrichtiger Baier zu meinen allerliebsten 
Landesbrüdern) gar viele Altern selbst entschliessen, ohne Ermahnung, die 
sonst in die Frauenklöster gemeinte Gelder in die Schule der Landwirt¬ 
schaft und der guten Sitten aus angebohmer Grossmuth hinüber zu geben. 
Wir sind nicht mehr so verblendt, dass wir aus übel verstandener Andacht 
das todte Erdreich dem blinden Schicksal überlassen: Nein! wir erkennen es 
nun nur allzuwohl, dass die Lehre JEsu Christi nicht allein im Bethen, son¬ 
dern auch im Leiden, in der Abtödtung, und in der Arbeit besteht“ (13). 

Um die Lehren der fortschreitenden Ökonomie zum Gemeingute aller 
zu machen, müssten dieselben in kleinen Schriften dem Landmanne geboten 
werden, ja man müsste sie „unter die Untertanen allenfalls gratis verteilen 
lassen“. „Der nachforschende Bauersmann wird so eine Abhandlung dieser 
Art nicht ungelesen auf die Seite legen, sondern gewiss seine Vernunft damit 
beschäftigen“. „Aber die Büchel von den Heumannskindern, das Leben des 
Kaisers Octavian, Glücksrad und Träumlegungen, und was den Aberglauben 
und die Dummheit bisher noch auf guten Füssen erhielt, diese werden freylich 

dagegen fallen.-“ (12.) Bei dieser Aufzählung der volkstümlichen Litteratur 

vermisst man den sonst nie fehlenden Pater Cochem, der nach den treffenden 
Worten einer Flugschrift von 1780 „allen Glauben bis zur Wissenschaft herab¬ 
gestimmt“ hatte 76 ). 

Alles Heil wird nun von einer tüchtigen Dorfpolizei erwartet. „Die 
Dorf-Inspectores müssen vor deren Aufnahm bey der Landwirtschafts-Gesell¬ 
schaft auf ein so anders Monath unterrichtet, und mit guten Grundsätzen 
versehen werden. Ohne das Examen ausgehalten, und hinlängliche Proben 
eines gesunden Begrifs und Erfahrenheit gezeigt zu haben, soll man keinen 
zu derley Verrichtung annehmen; sonst würde der ganze Endzweck verfehlt 
seyn“. (12) Aus „der Gemeins-Cassa, oder von alten Stiftungen, deren Vor¬ 
teile nur müssigen Leuten und faulen Bethlern bisher zugekommen sind“, 
sollen diese Dorf-Inspectores ihre Besoldung beziehen. Ihre Thätigkeit ist 
eine viel umfassende. Sie wachen über den Zustand des „Ackerbaus, der 
Vieh- und Baumzucht“ (15) bis ins kleinste, über die Anlage der wirtschaft¬ 
lichen Baulichkeiten (18) und den sittlichen Zustand (19). Hier obliegt ihnen 
mancherlei. Sie wachen über Kinderzucht und Jungendverderbnis, „ob ein 
Schulmeister vorhanden ? was er kann; wie seine Conduite, Einkommen, Hand¬ 
schrift etc. beschaffen? — Und ob die Altern die Kinder fleissig zur Schule 
schicken? Wie das Einkommen des Schullehrers zu verbessern, dass er auch 
arme Kinder von Kleinhäusern, und Tagwerkeni gratis in die Schule nehmen 
möge. Ob nicht Altern ihre Kinder aus Einfalt, oder Hochmut studiren 
lassen, und zu ihren eigenen Abbruch viel Kostgelder in die Städte bezahlen: 
und somit die stärkesteu, geschicktesten Leute der Landwirtschaft entziehen, 
um aus ihren Kindern in voller Andacht bequeme Müssiggänger, und faule 
Christen zu machen“. 

Jede Zeile Kohlbrenners beweist, wie sehr er sein „dermalig öco- 


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Johann Franz von KolilbreiMier. 


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nomisches Jahrhundert“ erfasste und sich im Geiste desselben redlich „beeifert, 
alles dasjenige so begierig als rühmlich, was sowohl dem Nahrungsstande 
eines Landes mehrers aufhelfen, als was die Ausgaben deren Geldmitteln, als 
die Kräften des Lands, und deren Abfluss in andere Länder einzuschränken 
und behindern kann.“ (69), zu suchen oder ferne zu halten. Alles ergreift er 
mit gleichem Eifer. So wird auch die Bienenzucht, die „in unserm Vaterlande 
so weit herabgekommen und so sehr vernachlässiget worden, dass man darüber 
bittere Thränen vergiessen sollte“ (91), als ein „so leicht zu erwerbender Vor¬ 
theil“ warm empfohlen. 

Mit dem 1. Mai 1773 begann Kohlbrenner die Herausgabe seiner 
„Materialien für die Sitteulehre, Litteratur, Landwirthschaft, 
zur Kenntniss der Producte, und für die Geschichte alt- und 
neuer Zeiten“, die bis zum 22. Dezember 1774 (in 16 und 13 Stücken) 
erschienen. Das Entstehen der neuen Zeitschrift rechtfertigt der Herausgeber 
mit den Worten: „Ich habe in dem alle vierzehn Tage erscheinenden Intelligenz- 
Blatte viel zu wenig Raum, nützliche Materialien für die Litteratur, Moral, 
Ökonomie, Mathematick und dergleichen Nachrichten einzuschalten: ich muss 
daher bey häufiger eingehenden besonders Landwirthschafts - Abhandlungen 
dasjenige in einem Suplemente oder in Beyträgen der gnädigsten Intention 
zu folge nachliefem, was sonst dem Intelligenz-Blatt, wie wohl mit der grössten 
Einschränkung einverleibt worden ist“. 

Der Standpunkt der Redaktion wird gleich im Vorworte dargestellt: 
„Abhandlungen von unnützer Weitläufigkeit, niederig oder schleppend, und 
was den guten Sitten, der Religion anstössig, oder der Ehre der Regenten zu 
nahe tretten würde, werden verbethen oder nicht ein verleibt“. Ferner heisst 
es: „Wir Baiern wollen, soviel wir können, ganz Original bleiben. Denn zu 
diesem Endzwecke wird gegenwärtig alles dasjenige Merkwürdige, Nutzbare 
und Schöne gesammelt, was ausser dessen der Nachwelt vielleicht auf ewig 
entrissen würde.“ Und von sich selbst sagt Kohlbrenner nicht ohne 
Richtigkeit: „Ich, der Verfasser oder Sammler nützlicher Materialien für die 
Sittenlehre, Oekonomie u. s. w. befinde mich mit dem Diogenes in ähnlichen 
Umständen; mit dem Unterschiede, dass dieser dem Staate aus cynischem 
Eigensinn nicht dienen, sondern sich nur reiben wollte; und ich einen rauhen, 
schlüpfrigen Weg zu einer Zeit vor mir sehe, da meine Laterne noch nicht 
ausgeflicket ist, die man mir so oft eingerennet hat.“ 

Kohlbrenners gesamte Anschauung sowie seine Absicht enthält 
seine „Einladung“ (I, 15), die er an alle Stände „geistliche und weltliche, 
Klosterherren und Pfärrer, alle Gönner der schönen Wissenschaften, alle 
Freunde der reinen Litteratur“, richtet. „Wir wollen uns entschliessen und 
denken lernen“. Die Wissenschaft erwartet auch von Bayern etwas, „weil 
auch in Baiern, sagt sie, so öde sonst der Boden beschrieben wird, gleichwohl 
glückliche Genies blühen, und wachsen: nur Schade, wenn sie verdorren. 
Gottlob! die alten Zeiten, wo Denken eine Sünde und gute Bücher lesen ein 
Verbrechen hiess; wo eine, mit einem auswärtigen evangelisch- oder refor- 
mirten Gelehrten gepflogene Correspondenz bey nahe ein Staatsverbrechen 


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Karl von Reinhardstöttner 


war 76 ), wo tugendhaft vernünftig seyn, und die fremden glaubensgenossenen 
Menschen freundlich ehren und lieben, schon erklecklich 77 ) war, den ehrlichsten 
Mann unglücklich, und seine Treu verdächtig zu machen. Diese würgenden 
Zeiten der Dummheit, und des gelehrten Despotismus sind nun in dem grössten 
Theile Europens, auch in unserm baierischen Vaterlande verschwunden. Die 
Wissenschaften haben sich von dem Monopolio losgerissen, und treiben jezo 
einen freyen Handel“. . . „Auch uns wird man die Ehre zu Recht erkennen, 
wenn wir zu einem heilem Lichte eilen, und der alten Barbarey der Unwissen¬ 
heit und des Aberglaubens muthig und trotz biethend absagen, um nicht 
immer die letzten zu seyn“. So hat Kohlbreuner bei Anlage seiner 
Zeitschrift die Absicht, „der Nachwelt zu zeigen, dass Baiern auch seine 
Authoren und seine Künstler gehabt habe.“ Solch ein Unternehmen, meint 
er, müsste die Asche des Göttinger Professors Hamberger 78 ) noch „er¬ 
freuen“. „Und da ich“, schliesst er, „nicht so kriechend denke, um Lohn zu 
schreiben, da meinen Patriotismus kein unreiner Vorwurf beflecken, nein alle 
Bemühung mit Freuden dem Vaterlande geopfert werden soll“, so ist auch 
die Mithilfe aller „Herren Baiern und Pfälzer und aller Gönner der schönen 
Wissenschaften“ zu erwarten. 

In jedem, wenn auch etwas volltönenden Worte tritt uns der Aufklärer 
der Periode Maximilian III. Joseph entgegen. Während er das „wahre 
innere Christenthum“ (I, i) überall verlangt und dem Modechristeutum mehr¬ 
fach entgegentritt (I, 2, 97), geisselt er in seinen wohl durch La Bruyere 
(1645—1696) veranlassten Charakterbildern (z. B. der Gleissner I, 114) scharf 
die Auswüchse der „heut zu Tage zu beliebten Gleissnerzunft“. „Und solte 
je ein Katholick mit einem Christen von einer andern Religion, einige Gemein¬ 
schaft haben, solte er so kühn seyn, so gar mit ihm zu correspondiren, ihn 
lieben und ehren: und den heiligen Hass gegen ihn, wie seine Voreltern 
löblicher Gedächtniss in Worten und Werken wirklich vergessen haben, so 
kann er nimmermehr anderst, als dass er ihn für einen Freygeist, für einen 
offnen Sünder, für einen Ketzer oder Samariteu achte, mit denen die Juden 
keine Gemeinschaft haben dörften“. Er rühmt (I, 9) „die ehrwürdige Gesell¬ 
schaft der Freymaurer“ wegen „der Wohlthätigkeit gegen die nothleidenden 
Hausarmen, abgebrandten verdienstvollen Künstler, und verwaysteu Kinder“ 
und ruft auch angesichts ihrer Mildthätigkeit in Dresden aus (I, 44): „Möchten 
doch alle begüterte Menschen in diesem Stücke Freymäurer sein!“ Mutig 
kämpft er gegen den Aberglauben der Landwirte, wenn ihr Vieh erkrankt 
(II, 28): „Das erste ist, dass man sich zu einem Heiligen verlobt, mit Opferung 
eines Ochsen von Wachs.“ Man glaubt, es seien „wegen aufgehobenen Feyer- 
tagen, ein Paar Heilige zornig geworden“ und hätten „das Dorf oder die 
Bürgerschaft mit der Viehseuche gestraft“. „Die liebe Dummheit sucht den 
Fehler allemahl dort wo er nicht ist“. 

Mit diesen abgeschafften Feiertagen berührt er allerdings eine der 
brennendsten Zeitfragen, deren schon gleich anfangs (I, 4), anknüpfend an eine 
eben erschienene Broschüre, gedacht wird. Die gebotenen, „theils von den 
Dorfsgemeinden ehedem verlobten, theils freiwilligen Feyertage“, die Feier- 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


IOI 


abende vor „allen Sonn- und Feyertagen Nachmittag um 3 oder 4 Uhr ange¬ 
fangen“, die „Kreuzgänge“ und „Kirchfährten“ die „Nachkirchweihtage“ u. s. w. 
(I, 11) erscheinen ihm als Haupthindernis der Hebung der Landwirtschaft; 
beifällig wird (I, 67) Zaupsers Übertragung des Breve Klemens XIV, das 
gegen die Feiertage gerichtet ist, und eine darauf bezügliche Predigt (I, 82) 
angezeigt Auch der „Rath: dass man es doch dahin bringen möchte, dass 
unzufriedene Klosterleute und geistliche Personen von dem ehelichen Stande 
nicht auf Zeitlebens ausgeschlossen werden möchten“, wird (wie bei Zaupser) 
gelegentlich (II, 204) gestreift; allein der kluge „Intelligenzer“ deckt'sich mit 
Matthäus XVIII, 12. 

Wiederholt tritt Kohlbrenner für die Verfeinerung des Predigtstiles 
ein 79 ). „Man ist“, heisst es in den Materialien (I, 3), „sehr irrig, wenn man 
glaubt, man müsse auf der deutschen Kanzel die gemeine Sprache des Pöbels 
beybehalten. Nein! auch das gemeine Volk höret eine schöne Mundart, die 
reine Muttersprache gern. Es liebet einen zierlichen wohlgebaueten Vortrag, 
und das Herz der Zuhörer wird dadurch sanft gerühret; sie nehmen die 
Wahrheiten williger auf und behalten sie länger. Die Erfahmiss macht den 
bessten Beweis. Und es ist überdas leicht zu glauben, dass ein ausgepleuetes 
Gewäsche nicht so in das Herz dringen kann, als körnigte Wahrheiten in 
einer Ordnung nach dem guten Geschmacke“. 

Es ist w r ohl selbstverständlich, dass auch in seinen „Materialien“ 
Kohlbrenner sein Lieblingsthema, deutschen Gottesdienst und deutschen 
Kirchengesang zu pflegen, kräftig und wiederholt erörtert „Könnten die 
Klosterfrauen nicht deutsch singen, deutsch bethen, deutschen Flachs spinnen, 
deutsche Hemder machen: oder ist eine wälsche Bulle darum da, dass sie 
ein lateinisches Brod auf deutschem Boden verdienen müssen“ (II, 144). Und 
an einer anderen Stelle (II, 204) wünscht er, dass „die Klosterfrauen ohne 
Ausnahme (wie es die Paulanerinnen, Salesianerinnen, Urselinen und englischen 
Fräulein dem Staat gewiss zu grossem Nutzen thun) anstatt des zeitfressenden 
lateinischen Brevirs deutsch bethen, deutsch singen und deutsch zu sagen, 
für deutsche Jugend den Unterricht in Sprachen und guter Hauswirthschaft 
über sich nähmen . . . , damit ein ehrlicher Bürgersmann oder Officiant doch 
eine Braut aus ihren Schülerinnen wählen könnte, welche weiss, wie die 
Hünlein auf die Welt kommen“. 

Über den deutschen Kirchengesang lässt sich ein warm empfundener 
Aufruf (I, 52) vernehmen, der wünscht, „dass sich christliche Dichter hervor- 
thuu und ein so andern Versuch thun möchten, geistliche Gedichte, Oden 
und Kirchenlieder zu verfertigen“. Kohlbrenner meint, „das Gemenge der 
lateinischen Stimmen, der schreyende Saitenton, das Geräusche von Trompeten 
und Pauken“ könne „unser schlafend Herz gegen Gott“ nicht „erwecken“. 
„Wenn wir gute Dichter für das Theater bekommen“, schliesst er, „warum 
nicht auch für den Tempel Gottes?“ Sorgfältig verfolgt er auch die betreffende 
Litteratur, indem er auf alle neuen Erscheinungen auf dem Gebiete des Kirchen¬ 
liedes (wie z. B. Riedels 80 ) Dichtungen, I, 137) hinweist. 

Alle Wünsche über einen Musterstaat fasst ein „Kleiner Entwurf zu 


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Karl von Reinhardstöttner 


dem grossen Bild eines glücklichen Staates“, eingesandt „von einem Freunde 
der gemeinsamen Wohlfahrt“ (I, 172) zusammen, der auch die Anschauungen 
des Zeitalters treulich widerspiegelt. Man müsste „einen Lehrstuhl für die 
Policey- Kameral- und ökonomischen Wissenschaften haben, und die jungen 
Herrchens prüfen, ehe sie Menschen regieren“. Man müsste wenig Feiertage 
haben, dieselben aber „desto christlicher zugebracht werden“. Man bräuchte 
„wenig lateinische, aber desto mehr Realschulen“, „worinn nicht allein fran¬ 
zösisch, italienisch, und die deutsche Sprache, schöne Wissenschaften gelehrt, 
sondern auch die Kinder zu Handwerksübungen vorbereitet werden“. Der 
Bettel müsste beschränkt, „prompte Justitz ohne Formalitäten auf dem Wege 
der Gerechtigkeit, gratis“ gepflogen werden, die Steuern wären nach Bonitäts¬ 
klassen des Bodens einzurichten, das Jagdwesen dürfte nicht so übertrieben 
werden, „dass es der Landeskultur, dem Feldbaue nachtheilig ist.“; „der ehe¬ 
liche Stand bey den Kleinhäuslern und Söldnern“ müsste „möglichst befördert 
werden“. Kein Kreuzgang, keine Wallfahrt dürfte selbst auf Gelöbnis hin 
gestattet werden, indem man „derley willkürliche Andachten auf die Sonntage 
verschiebet und den wahren Gottesdienst bessert“; kurz — der beste Staat ist 
da, „wo man die Rechte der Menschheit nicht verkürzet“. „Denn“, heisst es 
an einet andern Stelle (I, 5), „wenn es dem Unterthan wohl gehet, so gehet 
es dem Regenten und seiner Kammer auch wohl“. 

Ununterbrochen beschäftigen sich die „Materialien“ mit dem Glücke 
des Volkes. „Der wahre Adel gewinnt allein durch die Tugend; und ohne 
diese verlieret er“ (I, 49); „Tisch und Haus“ eines wahrhaft Edlen „stehen 
einem jeden verdienstvollen und würdigen Manne bereit“. Aber nicht mit 
Almosen geben wird den Armen geholfen. Ihnen Arbeit verschaffen, ist das 
eigentlichste Werk der Milde (I, 6). Bettler und Müssige 81 ) könnten Bäume 
pflanzen (I, 168), Moos abgraben (II, 47), Land- und Dorfstrassen herstellen 
(II, 71) und ähnliche Arbeiten vollbringen. 

Als Hauptmittel, dem Wohlstände aufzuhelfen, galt in jenen Tagen die 
Landwirtschaft, die auch die „Materialien“ stets und zunächst im Auge 
haben. Geradezu überschwenglich klingt (I, 177) die „Betrachtung über die 
Landwirtschaft“ ein Stück echt physiokratischer Anschauung 82 ). Das Lob 
des Bauers erschallt allenthalben. „Jene Nation hat gewiss den höchsten Grad 
der Tollsinnigkeit erreicht, welche den Bauer für ihren Sclaven hält, von 
dem sie doch als einem fleissigen Diener der Natur, zum Ge¬ 
nüsse der nährenden Früchte geführet wird“. „In den benebelten 
Augen stolzer Müssiggeher ist der alles belebende Land mann ein 
niederträchtiges Geschöpf.“ Er aber erblickt in ihm, übereinstimmend mit 
Francois Quesuay 83 ), die «classe productive», und noch im Neujahrs¬ 
wunsche von 1783 heisst es (in den Intelligenzblättern): 

„Wünscht, Landesbrüder, wünscht vor allen, 

Dem Bauersmann ein fruchtbar’s Jahr; 

Denn höret dieser auf zu zahlen, 

So ist es mit uns allen gar.“ 

Dies Interesse für den Bauern bekunden zahllose Artikel über alle erdenk¬ 
lichen Kulturen, über Bienenzucht (I, 52), Schafzucht (II, 174) u. a. Von dem 


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Johann Franz von Kolilbremier. 


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Streurechen wird (I, 13) behauptet, dass es „dem Gehölze bey weitem so 
schädlich nicht ist, als man dafür hält. Und dass hingegen die Einschränkung 
des Streurechens sowohl dem Ackerbau als der Viehzucht weit nachtheiliger 
ist, als man glaubt“. Die Teilnahme Kohlbrenners an der Entfaltung der 
Landwirtschaft bekundet sich auch in seiner steten Förderung der ökonomi¬ 
schen Gesellschaft zu Burghausen (S. 96). Ja selbst der Wetterbeobachtung zum 
Nutzen der Landwirtschaft hat er später in seinem Intelligenzblatte (1779. 
S. 326) sein Augenmerk zugewendet, indem er eine solche in verschiedenen 
Gemeinden aufzeichnen liess. (1780. S. 21. 75.) 

Der Kampf für die Entwickelung des Schulwesens und die Stellung 
der Lehrer bildet, so natürlich er ist, doch ein besonderes Verdienst der Auf¬ 
klärer. Auch Kohlbrenner darf sich „als ein alter Vertheidiger der Noth- 
wendigkeit über wohleingerichtete Schulen, als das erste Augenmerk eines 
wohl eingerichteten Staates“ bekennen (I, 146). „Die Jugend, die Landeskinder 
sind alles werth, und deren gute Erziehung, erlernende Künste und Wissen¬ 
schaften kommen dem Staat allemal zum wahren Nutzen“ (I, 218). Mit Be¬ 
geisterung verfolgt er Ickstatts 84 ) schulfördernde Thätigkeit (II, 115) als 
„ein Werk, welches nach dem Wunsche der Patrioten schon vor drey Gene¬ 
rationen in Bayern hätte eingeführt werden sollen“ . . . „Allein wir haben das 
Recht dazu, dass wir immer etwas später kommen dörfen: und dieses Recht 
beweiset uns eben diese schöne, gründliche und nachdrückliche Rede (Ick¬ 
statts von der stuffeumässigen Einrichtung der niedem und höhern Land¬ 
schulen, 28. März 1774), die wohl aus gerechtem Zorn zu Ehren der oft so 
sehr belobten Unwissenheit der Vorzeit geschrieben sein mag, die uns jetzt 
aber von rechtswegen aufwecken sollte, Systematiker zu werden, da ein ge¬ 
wisser Orden, dem man die Schuld giebt, und den man zu befehlen hatte, 
erloschen ist. Hätten wir doch nicht gar so lange geschlafen! 85 ) — Der 
Verfasser dieser Blätter schreyet schon seit Anno 1766 um bessere Einrichtung 
der hohen und niederen Schulen, um Realschulen, um gute Dorf- und Trivial¬ 
schulen. Nun, er hat sich heisser geschrieen und müde geschrieben.“ 

Will man nun allerdings gute Schulen, so bedarf man auch guter 
Lehrer, und für solche streitet, wie alle Aufklärer, Kohlbrenner. Die Vor¬ 
bildung der Lehrer muss eine entsprechende sein, dann wird auch ihre Lage 
sich bessern 86 ). „Möchten doch auch die Wünsche zu einem Schullehrer- 
Seminarium in Erfüllung gehen . . . Gutgewählte aus einem Schulmeister- 
Seminario entnommene praktische Schullehrer sind es, diese müssen es praktisch 
ausüben lehren; aber zuvor selbst lernen. Verlasse man sich ja nicht auf 
Schulbücher allein, ohne Männer, die sie verstehen oder lehren, oder nützlich 
anwenden können.“ (II, 135). Was man auch allenthalben von Schulver¬ 
besserung spricht, „wenn es au Schulmeister-Seminarien, woraus die Lehrer 
wie aus einem Vorrathskasten für Dörfer und Städte genommen werden sollen, 
mangelt; wenn die Schullehrer nicht zu essen, nicht ehrlich zu leben haben, 
wenn die Regierung auch bey dem für den Staat so wichtigen Erziehungs- 
geschäffte, bey der bessern Bildung des Landvolkes, noch Ersparungen machen 
will: und wenn der verheurathete Schulmeister mit seiner äussersten Spar- 


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Karl von Reinliardstöttner 


samkeit nicht leben, kaum sich selbst beherbergen, noch weniger ein Schul¬ 
haus im Dorfe finden kann, o! da ist freylich ein verdriesslicher Handel. 
Wir haben uns seit Anno 1766 in der Fortsetzung dieser Blätter über die 
Nothweudigkeit der Schullehrer-Seminarien, Real- und Trivial - Schulen oft 
heiser geschrieen. Und es muss jedem Manne, der Ehre liebt, im Herzen 
wehe thun, wenn er bey den angerühmten aufgeklärten Zeiten noch im Kirch¬ 
hofe auf einem hölzernen Brette lieset: hier liegt Hanns Huber, Tagwerker 
und Schullehrer zu R. Es giebt alte Leute in München, welche es noch 
denken, dass die Schulmeister in der Procession eine Fahne hatten, wie die 
Handwerker und Bierbräu. (Auf diese letzteren ist Kohlbrenner überhaupt 
nicht gut zu sprechen; vgl. S. 122. 139 87 ); I, 215 meint er, mau müsse verhüten, 
„dass ein jeder Bierbräu seinen starken Hiessl müsse studiren lassen, um 
, dereinst ein gelehrter, ein grosser Herr zu werden“ und auch ihr Bier, das 
früher „viel stärker und geistiger war“ (I, 119), lobt er selten, während ihm 
der „glücklichste“ Staat deijenige ist, „darinn . . . gesundes, recht wohlfeiles, 
lauters und starkes Bier zu haben“ ist (I, 176),) . . .Jetzt fcaben wir das Schul- 
einrichtungs-Säculum erlebt; jetzt reformirt man aller Orten.“ (II, 74). An 
einer anderen Stelle (II, 116) meint Kohlbrenner, es wäre nichts „er- 
wünschlicher“, als dass die Trivialschulen einmal geordnet, und mit tüchtigen, 
aber N. B. besoldeten Schullehrern besetzt würden, und dass unsere 
Felbiger 88 ) aufstehen und vorher ein Schullehrer-Seminarium in einem leer¬ 
gewordenen Jesuiter-Collegium errichten möchten. Wir haben bey 60 Bene- 
ficiaten, und über 100 unbedingte Messpriester allhier, deren Eifer, weil sie 
sonst nur müssig auf dem Markte stehen, gewiss so erhaben ist, dass sie 
auch ihren Groschen in dem Weingarten des Vaterlands in einem Priester- 
Prediger- oder Schullehrer-Seminarium gerne verdienen wollen und können.“ 

Kohlbrenner vertritt hiebei ganz vernünftige Gedanken. Einem 
Anonymus J. M. P. erwidert er (II, 13) ganz sachlich, dass es doch zu weit 
ginge, wenn er behaupte, „dass alle Geistliche, und besonders alle Cominuni- 
täten von Geistlichen, zum Unterricht, zur Erziehung unfähig sind“. Er meint 
nur ganz zutreffend, „in diesem Stücke versah man es in unsem Schulein¬ 
richtungen eine lange Zeit, man gab die Aufsicht zu weit aus den Händen. 
Allein der Fehler ist verbessert, da ein hohes Dicasterium es über sich ge¬ 
nommen, für den Unterricht der Jugend zu wachen“. Mit Freude verfolgt er 
(I, 149) die öffentliche Preiseverteilung an die Schuljugend, „wenn der Sohn 
des guten Bürgers mit einer Prämie im rothen Bande mit dem Ritterorden 
vom Verdienste pranget“. „Was uns im gemeinen Leben das Licht der Sonne 
ist, für alle eine gleiche Nothwendigkeit, . . . das sind die ersten Schulen für 
Kinder.“ 

Von der heilsamen Wirksamkeit der Schulen überzeugt, begrüsst er 
auch die Ferienordnung von 1774, der zufolge die Hochschulen von Mariä 
Geburt bis Allerheiligen, die Gymnasien von Mariä Geburt bis Lucas (18. 
Oktober) „Vacanzzeit“ haben sollten (II, 187). 

Alles, was die Schule betrifft, wie Orthographie (I, 133), findet seinen 
Widerhall in den „Materialien“. Den „scholastischen Dünkel“ (II, 58) der 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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höheren Schulen weist Kohlbrenner stets zurück. Damals wie heute ertönt 
die Klage (II, 136), „dass alles lateinisch lernen, alles studiren will. Welch 
tüchtige Subjecta bleiben dann dem Bauern-, dem Bürgerstande noch übrig? 

. . . Es ist daher ein göttlicher Gedanke, auch die Real- und Trivialschulen 
im Lande anzubauen. Dieses ist die edelste Beschäfftigung, die das Vater¬ 
land segnet“. 

Ganz im Sinne des Aufklärers und Freundes der Wissenschaft ist der 
Artikel „Von dem vielfachen Nutzen, den ein Land von errichteten öffentlichen 
Büchersälen zu hoffen hat“ (II, 92) gehalten. Um den bayerischen Buchhandel 
ist es schlecht bestellt. Da ist keine einzige Handlung, „die mit einer nur 
mittelmässigen Leipziger oder Frankfurther in Vergleichung zu setzen“ wäre. 
„Einige leben blos von Martin von Cochems Leben Christi, andere haben 
keine gute entfernte Correspondenz: wieder andere kein Geld. Sie sind 
sämmentlich zu erbarmen; viele hälfen gern, und können nicht; etwelche 
können, aber wollen nicht. Ihre Anzahl allein ist schon gar gering und steigt 
wohl nicht an die Menge derer in Leipzig; zu geschweigen, dass sie wohl 
alle zusammen nicht so viel zu bedeuten haben, als die breitkopfische 
und weidmännische und heinzinsische daselbst Was dabey die grösste 
Aufmerksamkeit verdienet, ist dieses, dass auswärtige Buchhändler, die zu 
Ulm, Nürnberg, Augsburg und Regensburg auf den Münchner¬ 
messen und Märkten, die sie besuchen, die meisten Klöster, öffentliche und 
Privatbibliothecken mit gebundenen und rohen Büchern hinlänglich und im 
Überflüsse versehen. Es ist daher kein Wunder, wenn es um die Bibliothecken 
in Baiern sowohl, als um einen vornehmen Zweig der Commercien, ich meyne 
um den Buchhandel, noch sehr schlecht aussieht“. Die Klöster, fährt Kohl¬ 
brenner fort, sind nun allerdings mit Büchern versehen; aber „glauben nicht 
viele, die in ihren Klöstern befindlichen Schätze gehören nur für ihr Convent?“ 89 ) 
Die Bibliothekare sind nicht immer die rechten Leute. Kurfürst Max I. hat 
„die Mauuscripte in allen Klöstern in ein Verzeichniss bringen lassen“, doch 
aber ist zu befürchten, „dass vielleicht viele deren wo nicht verbruunen, ge- 
trenkt, maculiret, oder gar verlohren gegangen sein dürften. Alles kann man 
ums Geld haben, nur das verlohrne Alterthum, die verbrunnenen Manuscripte 
nicht mehr“. In Rom, Florenz, Wien giebt es allen zugängliche Biblio¬ 
theken. „Wer sollte nicht wünschen, dass das Vorhaben in München, und in 
den vier Regierungsstädten eine öffentliche Bibliotheck zu errichten, bald zu 
Stande kommen möchte?“ Ja die Begeisterung, eine Bibliothek in München 
zu bekommen, führt Kohlbrenner zu der Idee der seltsamsten Konventional¬ 
strafen. Wer Hunde in die Kirche nimmt, wer mutwillig einen Prozess anfängt, 
wer unüberlegte Eheverlöbnisse ohne Wissen und Willen der Eltern eingeht, 
„die eigensinnige Verschwendung der Zeit und des Müssigganges in den 
abgeschafften Feyertagen, das abgeschmackte Gesundheittrinken, die über- # 
triebenen Gastereyen, die geldverschleudemden Hochzeiten und Leichbegäng¬ 
nisse“ 90 ) — alles das soll zu gunsten der Bibliothek bestraft werden. Da 
Hesse sich wohl bald eine herrliche Büchersammlung anlegen! 

Wiederholt kommt er auf die Idee der Bibliotheken zurück. Der König 


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106 Karl von Reinliardstöttner 


von Schweden 91 ) hat den Fonds hiefür vermehrt, überall sind öffentliche 
Bibliotheken, „ja ja, eine öffentliche, und wir in München, in Arnberg sollten 
keine haben“ (II, 159). 

Alle die Ideen, die wir bei den übrigen Aufklärern finden, begegnen 
uns auch in den „Materialien“. Wiederholt wird für das Säugen der Kinder 
durch die Mutter eingetreten 92 ) (I, 211) und Vorschriften für die Wahl einer 
Amme, „ein nothwendiges Übel“, erteilt (II, 29 ff.). Das Schnüren der Damen 
wird, damals wie heute freilich vergeblich, gebrandinarkt, „damit sie doch 
einmal sich von dem unsinnigen Gebrauch dieser für das menschliche Geschlecht 
so schädlichen Maschinen überzeugen und davon ablassen möchten“ (II, 9). 

Kohlbrenners Kampf für Anlage von Friedhöfen ausserhalb der 
Stadt wird auch in den „Materialien“ lebhaft geführt. „Todte in die Kirchen 
zu begraben, Freythöfe in Mitte der Stadt zu gedulden oder nahe bei den 
Kirchhöfen zu wohnen“, ist für ihn ein gefährliches Ding. Es „ist lächerlich 
für vernünftige Geschöpfe, wie wir Menschen sind, w r enn wir aus einem steifen 
Ceremoniel, aus einer althergebrachten Gewohnheit, mag sie unserer Erhaltung, 
unserm Leben noch so schädlich seyn, gleichwol etwas thuu, was der ganzen 
Natur entgegen stehet.“ (I, 61). Diesem Gedanken widmet er lange Seiten 
(I, 70 ff.). Die Abschaffung der Grüfte in den Kirchen macht dem bayerischen 
Adel alle Ehre (I, 214—220, II, 10). Ja er schreckte sogar vor Leichen¬ 
verbrennung (I, 77) nicht zurück, wenigstens findet er (I, 215) H. P. Leve- 
lings 98 ) Rat, „dass die Beerdigungen in Städten gänzlich abgeschafft, oder 
wenigsten auf die ansehnlichsten vom Adel und besonderen Verdiensten ein¬ 
geschränkt (!), die Leichen nach dem Befehl Kaisers Augusts vier Stund 
vor der Stadt verbrennet“ werden, aller Beachtung w r ert. 

Ein anderer von Kohlbrenner stets bekämpfter Punkt ist die üppige 
Kleidertracht. „Kleiderordnungen werden selten oder gar nicht befolget, weil 
ein jeder von der Regel eine Ausnahme haben will. Wenn aber der hohe 
Adel, und die im Range stehenden Patrioten sich unterredeten, hierinn ein 
Beyspiel zu geben: o! so würden sich die andern gerne gefallen lassen, in 
ihren Schranken zu bleiben.“ (II, 77). 

Ausser diesen allgemein „moralischen“ Abhandlungen berichtet der 
Herausgeber der „Materialien“ aber auch über alle Vorgänge der Welt, 
von Erfindungen und Entdeckungen. Er erzählt, dass in Rostock „Johann 
Franz Grote die Quadratur des Cirkels erfunden. Wir wollen es kurz sagen: 
der Diameter verhält sich zur Peripherie, wie 16 zu 50, 8 zu 25 oder 100 zu 
312^, Also 1 zu 3-J- oder 3 zu 9|tel“ (II, 76); er sammelt „Nachrichten von 
den Reisen der Mäuse“ (I, 91), er bringt medizinische Anweisungen und 
Geheimmittel gegen Entzündungen und Heiserkeit (I, 32), Thee „für Phleg¬ 
maticker, Lunglsiechen oder Engbrüstigen“ u.s.w. (I, 90), Anleitung, „Ertrunckene, 
Erstickte etc. (!) vom Tode zu retten (I, 213), ja er meint (I, 71): „Das 
Cranium humani in Apothecken die gebrannten präparirten Gebeine von 
Kindern ist denen, die die böse Krankheit, die hinfalleude Sucht, die Fraiss 
haben, sehr dienlich: doch mit Rath eines Arztes zu gebrauchen.“ — Die Sterb¬ 
lichkeit in München war damals hoch. „Im Durchschnitt kann man aus den 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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Verstorbenen der letztem Jahre sicher rechnen, dass in Mönchen von 27 
Lebenden eines stirbt“ (I, 74). 

Wer die Geschichte der schönen Litteratur in Bayern verfolgt, wird 
wie auf die „Intelligenzblätter“ so auch auf die „Materialien“ angewiesen sein. 
Zahlreiche Dichtungen, teils eigene des Herausgebers, teils eingesandte, sind 
hier zu finden; vor allem aber lässt sich die Geschichte des Theaters in Bayern 
hier verfolgen; hat ja Kohlbrenner „die Hoffnung noch nicht aufgegeben, 
in unserm Baierlande die Musen immer glänzender zu sehen“. (II, 36). Er 
empfiehlt J. J. A. von Hägens „Magazin zur Geschichte des deutschen Theaters“ 
(II, 91), er bespricht eine Reihe von Bühnenstücken (I, 120, II, 99, 153, u. ö.) 
und erörtert eingehend (II, 42 ff.) „die Orts-Einheitsregeln“. Von der Bühne 
der Hauptstadt rühmt er (I, 120): „Wir müssen dem Münchnerischen deutschen 
Theater den Ruhm zu gesteheu, dass selbes, nachdem die Lebensgöttin der 
deutschen Vernunft den französischen Liebestäudeleven ihren Faden abgeschnitten 
hat, unter der Direktion eines ansehnlichen Cavaliers im Jahr 1771 das Fest 
der Reinigung zum erstenmal gefeyert, und bisher mit deutschen, meistens 
Original-Werken den Beyfall gnädigster Landesherrschaft zu conserviren ge- 
wust hat: ja, was unsern Zeiten gleiche Ehre bringet, und dem guten Ge¬ 
schmack in den schönen Wissenschaften zu Hülfe kommt, so haben, um die 
vaterländischen Genies aufzuwecken, sogar Personen vom höchsten Range, 
grosse Prinzesinnen (gemeint ist „Der Nothleidende“ (I, 21) ein Schauspiel, 
„von Ihrer churfürstl. Durchl. unser gnädigsten Landesfrau (1773), ins reine 
Deutsch übersetzt“) und der baierische Adel sich gewürdiget, für das hiesige 
deutsche Theater zu arbeiten“. 

Fast alle hervorragenden deutschen Schriftsteller jener Zeit finden, wie 
das Register ausweist, in den „Materialien“ ihre Erwähnung. Kohlbrenner 
entwirft (I, 144) sogar die Idee eines Schriftstellerlexikons, indem er sich er¬ 
bietet, bayerische Schriftsteller gegen Einsendung ihrer Personalien in Ham- 
bergers und Meusels 94 ) „Bibliothek der jetzt lebenden Gelehrten“ „der 
klügem Nachwelt zum Andenken“ zu überliefern; ein Gedanke, auf welchen 
er im Intelligenzblatte (1775 S. 244) zurückkommt. 

Für Klopstocks deutsche „Gelehrten-Republik“ hat Kohlbrenner 
„die Collecte übernommen“, „um besonders denen Gelehrten in unserm baie- 
rischen Vaterlande Gelegenheit, und mit leichter Mühe, ohne vorher bezahlen¬ 
den Kosten, blos auf Subscription, ein schönes Werk von einem berühmten 
Authorn in die Hände zu spielen“ (I, 140), ebenso für Winckelmanns 9B ) 
Werke, „und wir erfreuen uns sehr, wenn viele Baiern nach solch rarren Werken 
ein Verlangen tragen, und dadurch ihren Eifer für die Wissenschaften, öffent¬ 
lich an den Tag legen“ (I, 140); mit Freuden begrüsst er den Gedanken, 
Geliert ein Denkmal zu setzen (II, 11); Moses Mendelssohn nennt er 
einen „der grössten Philosophen“, (I, 86); den Roman * Friedrich Nicolais 
(1773) „Sebaldus Nothauker“, der die Kämpfe eines freisinnigen Geistlichen 
darstellt, zählt er „den besten Schriften unsers Jahrhunderts“ bei (I, 136); 
Rabeners Satiren nennt er (I, 48) „eines der vortrefflichsten Werke, für die 
galante Welt, für das Reich des Witzes — für die guten Sitten“; er sucht 


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Karl von Reinhardstöttner 


zeitgenössische Dichter und Gelehrte, wie den „gebohmen Baier“ Denis® 6 ) 
(II, 4, 20, 56, 154 u. ö.), den Dulder L. Fronhofer (II, 88, 99 u. ö.), Adam 
Weishaupt (I, 22) und viele andere zu fördern, er verbreitet Karl Linnes 
(1707—1778) Kenntnis (I, 92); er wagt es H. F. Daniel Schubarts 97 ) 
„Deutsche Kronik“, die mehrfach bayerische Verhältnisse wenig rücksichtsvoll 
aufdeckt, zu empfehlen (I, 160). Ihm ist Schubart „ein Mann von Welt- 
und Bücherkenntniss. Er schreibt die Wahrheit nicht lau, nicht warm, nicht 
heiss, aber glühend. Man liest seine Blätter mit Vergnügen, gewiss niemand 
wird dabey einschlafen. Er besitzt eine vorzügliche Stärke der deutschen 
Sprache, die Nachahmung verdient: und er verdienet in Betrachtung des 
Reichthums seiner litterarischen Kenntniss wirklich einen bessern Beruf, als 
ein Blätterschreiber zu seyn. Wiewohl“, fährt Kohlbrenner in richtiger Wür¬ 
digung der Presse weiter, „auch diese dem gemeinen Wesen viel Nutzen schaffen, 
und wenn sie die Geisel der Satyre recht zu regieren wissen, den Schwarm 
der Dummheit, wie die Hummeln gar sicher vertreiben können“. 

Schubart, den drei Jahre später (1777) der Zorn seines tyrannischen 
Herzogs Karl Eugen ereilte, hatte (Chron., 1774, I, 410, im 52. Stücke) Kohl¬ 
brenner geraten, niemand mehr zu erlauben, ohne Ansehn der Person, seine 
Notdurft in seiner Materialienbude verrichten zu dürfen. Kohlbrenner aber 
meint dagegen, in der Gelehrtenrepublik sei das „Autorfieber“ das gefährlichste. 

Auch über historische Personen finden sich in den „Materialien“ 
mancherlei Sätze, die von des Herausgeber Anschauung zeugen. Von 
Machiavelli heisst es (I, 33): „Was er für das Theater gearbeitet: das war 
gewiss gut. Was er aber für die Staatsklugheit geschrieben: hatte freilich 
einen schlimmen Exequirer. So geht es wenn der Sittenlehrer ein Projectant 
und der Komödiant ein Staatsmann w r ird.“ Von Ludwig dem Vierzehnten 
sagt ein Artikel von „Steckenpferden“ (II, 16), auch er habe eines gehabt. 
„Wenn er sich darauf setzen wollte, so sattelten es die Mitglieder der Aka¬ 
demie, die Geschichtschreiber zäumten es auf, und die Poeten hielten die 
Steigbügel. Denn sich weidlich loben hören, das war sein Steckenpferd.“ 

In warmen Worten gedenkt der Aufklärer natürlich seines Kurfürsten 
Maximilian III. Joseph. „Er, gleich der Sonne, vertrieb die traurigen 
Nebel der Finstern Nacht; färbte die Morgenröte mit hellern Farben; und 
schenkte uns unter freyen Flügeln der Zeit, den wohlthätigen Einfluss auf 
eine dürre Erde. Er ist der Stifter einer ansehnlichen Akademie und einer 
ökonomischen Gesellschaft zu Belehrung des Landvolks, zu Verbesserung der 
Sitten und des Ackerbaues. Und er eiferte in weislichen Mandaten für die 
Excolirung der deutschen, der vaterländischen Sprache; als das erste Mittel 
zum guten Geschmack“ (I, 16). 

Wie reich der Inhalt der „Materialien“ ist, beweist ihr Personen - 
und Sachregister. Über die mannigfaltigsten Dinge findet der gewöhnliche 
Mann Belehrung, und wie durch einen breiten Kanal drangen die aufkläre¬ 
rischen Ideen langsam und sicher in die Schichten eines Volkes, das derselben 
so sehr bedürftig w r ar. Was Wunder, wenn Kohlbrenners journalistische 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


Iö$ 


Thätigkeit nicht allen willkommen schien, wenn viele die Einziehung dieser 
Blätter sehnsüchtig erwarteten! 

Dass Bayerns Schriftsteller auch ausserhalb des Landes bekannt wurden, 
und dass wir bei Hamberger und Meusel auch ihre Namen finden, ver¬ 
danken wir nicht nur Kohlbrenners Aufruf, den er (S. 107) in seinen Zeit¬ 
schriften erliess, sondern einem eigenen Rundschreiben, das er an alle baye¬ 
rischen Schriftsteller (im August 1773) gedruckt versandte, und in dem er sie 
aufforderte, durch Zusendung ihrer Personalien das Werk der Göttinger zu 
unterstützen "). 

Nicht minder bestrebt zeigte sich Kohlbrenner stets, die Kunstschätze 
seines Vaterlandes in weiten Kreisen bekannt zu machen. Durch ihn erhält der 
thätige Fritz Gottlieb Murr") im Jahre 1775 Kenntnis von alten Bildern 
in Amberg, die er ,,von des Herrn Medailleur Wisger 100 ) geschickten 
Töchtern accurat im Kleinen auf Pergamen mit Wasserfarben copieren“ Hess 101 ). 

Wie Kohl brenn er alles im Auge behielt, was er für erspriesslich er¬ 
achtete, zeigt selbst mancher missglückte Vorschlag, zu den ihn gewiss ein wirk¬ 
liches Vorkommnis veranlasste. Am 5. Oktober 1773 wurde in pleno ein Antrag 
Kohlbrenners abgelesen: „Preservativmitl wider die Amtshinterstände“, der 
nicht sehr geschickt gewesen zu sein scheint. Er will Beamten schon gleich bei 
ihrer Installierung den „Straffgradus der Hinterstelligkeit“ „in die Pflichtsformul 
setzen und diese von ihnen dergestalten unterschreiben lassen, dass sich an- 
durch ieder selbst bey sich ereignenden Verbrechen schon verurtheilt erkennen 
solle, das man ohne vieles Processieren wider selben verfahren durfte“. Die 
Motivierung der Ablehnung macht übrigens dem Rate alle Ehre. Schlechte 
Beamte, meint er, könnte man damit nicht fernehalten; „einem Ehrlich und 
ansehentlicheu Mann aber dörfte ein dergleichen Verschreibung zu Geld und 
Malefiz Straffen, zu einer Zeit wo er noch nichts verbrochen, und nicht anderst 
dann Ehrlich und redlich zu amtieren denkt, doch nicht gleichgültig und 
noch mehr bedenklich seyn, wenn caracterisirte, graduirte oder wohl gar 
adeliche Persohnen sich auf eine dergleichen Art engagiren solten“. Auch sei 
es für die Gesetze nicht eben schmeichelhaft, wenn sie „ihr Kraft und Be¬ 
stärkung erst durch die Unterschrift des Beamtens erlangen“. 

An zweiter Stelle verlangt Kohlbrenner, dass man „den Credit und 
Porgen oder Leihen an unvermögliche mit Immobilien nicht ausessige Beamte 
verbieten oder eine solche Schuld aller Prorogatio entsezen sollte.“ Der 
Rat meint: „Verbietet sich ohnedem bey gegenwärtigen creditlosen Zeiten von 
selbsten“; immerhin aber könnte einem ehrlichen Manne, der Unglück hat, 
„ein einsweiliger Credit gutherziger Leuten noch das einzige nahrungs- und 
Rettungsmittel“ sein. 

Auch das Lottospiel wünschte Kohlbrenner, als ein arger Gegner 
desselben (I. B. 1780, S. 492) den Beamten verwehrt. Aber der Rat meint: 
„Das Verboth in Lotterien zu legen, wäre zwar nicht nur bey Beamten sondern 
bey jeder männiglich wohl zu wünschen; allein, da es zu übersehen ohn- 
möglich ist, das nicht dergleichen Spillsichtige Leute entweder unter dem 
3ten fremden Nammen solang nur Lotterie existierte, hierlands einlegen, oder 

Bayer. Forschungen VI, 2 . 8 


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Karl von Reinhardstöttner 


ausser dem wohl gar das Geld ausser Lands verschickhen dörfteu, so würde 
ein derley Verboth ohne Frucht sein.“ 

Mit Kohlbrenner übereinstimmend erklärt dagegen das Plenum des 
Rates öftere Visitationen als das beste Mittel, den Unterschlagungen vorzubeugen. 
Nicht ohne bösen Seitenhieb auf den allzu geschäftigen Antragsteller schliesst 
der Bericht mit der Frage, „ob nicht Euer Clif. Drtl. dem Secretario Kohl¬ 
brenner auf sein Project bedeuten lassen wölten, das auch er bey seinen 
Beruef des Secretariat- und Buchhaltung bei der Mauth verbleiben, und seinen 
Patriotismum über seine Spheram nicht übertreiben möchte“ 102 ). 

Verhängnisvoll gestaltete sich für Kohlbrenner das Jahr 1775. Kaum 
hatte er nämlich die „Materialien“ abgeschlossen, als er mit einer neuen 
moralischen Zeitschrift begann. Das „Magazin für das Nützliche und 
Schöne“ erschien, sechzehn Seiten stark, am 21. Januar 1775. Doch nur noch 
ein einziges „Stück“, das zweite, sollte in gleicher Stärke am 28. Januar folgen. 
In seinem Intelligenzblatte vom 7. Januar 1775 hatte er (S. 16) das neue 
Unternehmen angezeigt: „Die Materialien cessiren künftiges Jahr: dagegen 
sich einige Gelehrte im Vaterlande zu Bey trägen in ein Magazin für das 
Nützliche und Angenehme giitigst entschlossen; um die Baierische Literär- 
Gescliichte so viel möglich nach und nach in das Licht zu bringen.“ Auch 
„Kupfer“ hatte er zu bringen vor. 

Der Inhalt des „Magazins“ teilt sich in: I. Poesie und Moral, II. Vater¬ 
ländische Litteratur, III. Ausländische Litteratur, IV. Landwirtschaft, Staat¬ 
wirtschaft, Politik, V. Vaterländische Geschichte, VI. Vermischte Sachen. 

Die Poesie ist in der ersten Nummer durch den „Neujahrswulisch des 
Nachtwächters zu Ternate“ von Johann Peter Uz 103 ) vertreten, in der zweiten 
durch „Die Stimme des Volkes“ von Denis. Was aber Kohlbrenner zum 
Verderben auschlug, war die „Beschreibung der Gemälde und anderer Kunst¬ 
sachen bey den (P. T.) Herren P. P. Theatinern in München (S. 11 ff.)“, eine 
ganz objektive Darstellung der Kunstschätze und ihres dermaligen Zustandes. 
Er findet, dass die Madonna von Carlo Zignani 104 ) vorteilhafter auf dem 
Chor stünde, wo sie „unstreitig eine weit bessere Wirkung thun“ würde (11). 
„Das einzige, was an diesem Blatt zu ahnden ist, ist der Kopf unser lieben 
Frau, welcher nicht edel und schön genug. Übrigens ist zu bedauren, dass 
dieses so grosse Kunststück eben nicht am besten erhalten worden, indem es 
ganz ausgewittert ist. Sollte man noch länger mit so vieler Gleichgiltigkeit 
den Staub darauf sehen können.“ Im heiligen Kajetan von J akob Sandrart ,0B ) 
„sehen wir auch schon überein halbes Jahr ein ziemlich grosses Loch. Möchte 
man doch diese Herren zum Mitleid bewegen, dass sie es zu machen Hessen“ 
(12). „Der Staub legte sich auch ziemlich an“ den heiligen Andreas Ave- 
linus von Carlo Loth; 106 ) dagegen wurde das Bild des heiligen Schutz¬ 
engels von Zan c hi 107 ) „zum Vergnügen aller Kunstliebenden das vorige Jahr 
gebutzt; wollte Gott, dieser gute Gedanke wäre nicht durch den Tod eines 
so kunstliebenden Mannes, wie P. Edlwök 108 ) war, unterbrochen worden“ (12). 
Die unbefleckte Empfängnis V a n n i s findet seinen vollen Beifall; „nur die 
Vorstellung Gott Vaters will dem Publico nicht gefallen, den man etwa aus 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


III 


übelverstandener Andacht hat einschmieren lassen, er ist so übel zugerichtet, 
dass er in dem ersten Ansehen dem ganzen Bilde seinen Werth benimmt“ (12). 
Auch ein weiteres Bild „Die vier Jungfrauen“ von Liberi ,09 ) „sind vollkommen 
überschmiert.“ „Möchten sich doch diese Herren überreden lassen, dass sie die 
angeschmierte Farbe (denn dieses lässt sich thun) an diesem Blatt wieder auf- 
heben, und an den vorigen den Gott Vatter mit einer nochmal so dicken Farbe 
überstreichen Hessen.“ 

Im weiteren werden einige Gemälde der Kirche kritisiert, gelobt oder 
getadelt, von mehreren meint der Berichterstatter, man müsse sich wundem, 
, wie man in diesem prächtigen und majestätischen Tempel dergleichen Tafel¬ 
werk leiden mag“ (27). Ein Bild der heiligen Ottilia ist der Sonne ausgesetzt; 
„möchte man doch auf den Gedanken kommen, es entweder wegzuhängen, 
oder doch vor das Fenster einen Fürhang machen zu lassen“ (28); der „Tod 
des Königs Agas“ von Hans Bocksberger ,10 ) ist „ziemlich verdorben, und 
stehet in Gefahr wegen der nahen Ofenhitze noch gänzlich verdorben zu 
werden“ (29). Eine heilige Adelheid von Faistenauer 111 ) „mag ehemals 
eines von seinen besten Stücken gewesen sein, doch die meisten Schönheiten 
sind verbutzt“ An dem toten Christus von Faistenauer bedauert Kohl- 
brenner mit vollstem Rechte, dass er eine „ungeheure silberne Krone trage 
und über die Brust hanget ein grosses silbernes Herz herab, womit ihn 
Zweifelsohne die Andacht einiger frommen Weiber beschenket. — Man kann 
sich leicht vorstellen, wie übel derley Dinge einer schönen Bildniss anstehen; 
— und dennoch wollen sich unsere Landsleute den Unform nicht abgewöhnen 
lassen, die Kunststücke auf diese Art zu verderben, und Christum und seine 
Heiligen lächerlich zu machen.“ Freilich haben kaum „vier lebende Seelen 
in der ganzen Stadt München dieses Kunststück einmal gesehen“; „es bleibt 
das ganze Jahr in einen dicken und schmutzigen Schleyer eingehüllet, und 
diesen darf man erst durch ein abgestandenes Glase sehen: nur der Sacristan 
hat die Erlaubniss es alle Jahre abzustauben. — Was doch ein altes Herkommen 
nicht vermag! — Ich glaube, manche Leute Hessen sich ehender die Nägel 
von den Fingern ziehen, als nur einen Nagelbreit von einem Unform weichen, 
den eine alte Gewohnheit eiugeführet“ (29). Ähnlich ist es um ein Kruzifix 
in der Kreuzkapelle bestellt; „es ist ebenfalls schön, aber in abstracto muss 
man es betrachten, denn die schlechte Fassung, wiederum eine grosse silberne 
Krone auf dem Haupt, ein silbernes Herz auf der Brust, und zwey gar elende 
kleine Bildnisse Mariä und Joannis, und so noch dazu über ihre geschnitzte 
Mantelkleidung mit andern Mänteln und Fleckarbeit versehen sind, geben der 
Bildnisse ein so erbärmliches Ansehen, dass es alte Weiber etwann zur An¬ 
dacht bewegen kann, allen Künstlern aber, und verständigen Leuten ein billiges 
Mitleiden verursachen muss“ (30). 

Die Kanzel (mit Abrahams Opfer), „Faistenauers Meisterwerk, und 
die Krone aller seiner Arbeiten“, ist nur in der Karwoche zu sehen. Ist diese 
vorüber, „so wird dieses so schöne Werk wieder zu Finsterniss verdammt, 
und man gehet so höflich damit um, dass ich, noch alle Jahre wenigstens 
etwelche Finger vermisste, zugeschweigen der Löcher, so den Figuren an Arm 

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I 12 


Karl von Reinhardstöttner 


und Beinen geschlagen werden; — wie sehr wurde man diesen Herren ver¬ 
bunden seyn, wenn dieses Stück aufgerichtet das ganze Jahr zu sehen wäre, 
man wurde eine Neugierde so vieler Reisenden, und die Wünsche aller Künstler 
begnügen.“ Der Aufsatz endet mit einer Aufforderung an alle „Besitzer herr¬ 
licher Kunststücke“, für deren Erhaltung etwas zu thun. „Das Publikum ver¬ 
spricht sich auch dieses von dem jetzigen Herrn Probst, der ein hoch ver¬ 
nünftiger, gelehrter, rücksichtsvoller und kunstliebender Mann ist. Schön 
lässt es, wenn man sagen kann: auch die Ordensleute, (auf die man sich oft 
viel zu schmähen herausnimmt) sind Patrioten, und Kunstliebende“ (31). 

Wenn man die ganze Besprechung Kohlbrenners liest, in der er 
seine — gleichviel ob richtigen, ob unrichtigen — ästhetischen und kunst¬ 
geschichtlichen Anschauungen über einzelne Kunstgegenstände ausspricht, so 
mag man zwar zugestehen, dass eine Verwaltung nicht Grund dazu hat, sich 
geschmeichelt zu fühlen, wenn ihr vorgehalten wird, dass Staub die Gemälde 
deckt und ihnen nicht die geforderte Pflege gewidmet wird; über dieses Ver¬ 
derben des Kirchenschmuckes klagte freilich Westenrieder in ganz gleicher 
Weise 11 *); ob aber ein Grund gegeben war, den Verfasser beim Kurfürsten 
anzuzeigen und ihn massregeln, ja sogar die Zeitschrift aufhebeu zu lassen, 
das möchte man stark in Zweifel ziehen. Das war auch für jene „erleuchteten“ 
Zeiten 113 ) wohl kaum genügend; es liegt vielmehr der Verdacht nahe, dass 
manches Andere, was die beiden Nummern des Magazins enthalten, unan¬ 
genehmer berührte, als die harmlose Plauderei über den Kunstwert einzelner 
Gemälde, Übermalungen, die irgend einmal an ihnen vorgenommen wurden, 
und den Staub, der sie deckte. 

Der feierliche Leichengottesdienst, der für den „so hochverdienten“ 
Papst Klemens XIV. in Ingolstadt gefeiert wurde, für ihn, „den Urheber 
des wiederhergestellten alten Glanzes und Ansehens“, steht hier (31) beschrieben: 
„Das finstere Wesen der ehemaligen Zeiten und den heutigen glänzenden 
Schimmer der Ingolstädtischen hohen Schule“ vergleicht der Berichterstatter 
und giebt die Schuld dieser günstigen Entwickelung Ganganelli, dem Feinde 
der Jesuiten. — Die „Theorie des Händeküssens“ (18 ff.) enthält verfängliche 
Stellen. Den „Feinden der menschlichen Gesellschaft“ wird (S. 3) gelegentlich 
der Besprechung von Sutors 114 ) „Allgemeiner practischer Weltweisheit, Ein 
Versuch für die Philosophie in Baiern“ (Jena 1774) zugerufen, wie unrecht 
derjenige habe, 

Der voll Trübsinnigkeit gleich alle Lust verflucht, 

Und nur mit Traurigkeit den Herrn zu ehren sucht, 

Der unschuldvolleu Scherz, und auch der Weisen lachen, 

Und unverderbte Lust gleich will zur Sünde machen. 

Die Rede des Kapitulars des Steingadener Prämonstratenserordens, 
Heinrich Arr ent, wird (3) „ein elendes Gewäsche auf ein paar Bogen“ ge¬ 
nannt und gefragt, „müssen denn alle Gelegenheitsreden gedruckt werden“ ? 
Au einer anderen Stelle (12) kommt der Herausgeber wieder (vgl. S. 108) auf 
DanielSchubart zu reden. Er „ist noch immer der alte, sich noch immer 
durchaus ähnlich: in einem körnigten Styl trägt er die neuesten Begeben¬ 
heiten vor, begleitet sie mit den auserlesensten Anmerkungen: man sielits dem 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


113 


Mann an, er glüht ganz von Patriotismus und Menschenliebe“. Dabei schreibt 
er eine Stelle aus dem 77. Stücke der deutschen Chronik Schubarts ,1B ) 
ab. Ein Engländer ergeht sich in Klagen über England. Nun, „wenn die 
Britten so klagen, wo doch Freyheit und Fülle herrscht; was sollten wir thun. 
Wir arme leidende Deutsche .... Unsere Heerstrassen wimmeln von Bettlern. 
Tagdieben, und Jaunern. Himmelschreyend ist es, wie bey dem augenschein¬ 
lichen Segen Gottes die Preise der Lebensmittel (worunter die wohlfeile Gerste 
und das theuere Bier, so jetzt in Adelstand erhoben worden ist, nicht ver¬ 
standen werden darf) erhöhet werden . . . . O Engelland, Engelland, sey nicht 
undankbar, und klage nicht! — Erstaunend ists, mit welcher Freyheit der 
Verfasser einer Abendzeitung jetzt in Engelland schreibt! er sagt Sachen laut, 
die man in Deutschland kaum denken darf.“ 

Besonders die Anmerkung findet Kohlbrenner „lesenswürdig“. Sie 
ist ihm aus der Seele geschrieben und klingt, als ob sie aus seiner Feder 
stammte. „Wir Deutschen haben keine so freymüthigen Schriftsteller wie die 
Engelländer! — Glaubs wohl, Hunger, Schmach, öffentliche Schande erwarten 
den, ders wagt, frey von der Brust zu schreiben. Wenn in den Stunden der 
Begeisterung uns die Freyheit einen kühnen Gedanken geschickt, und mit 
dem Flammenblicke auf das schöne Mägdchen der Wahrheit mit dem fliegen¬ 
den Haare ans Pult tritt, so schleicht gleich die kalte Behutsamkeit auf den 
Zehen herbey und führt ihn langsam wieder zum Zimmer hinaus. Wenn man 
die verschiedenen Zeitungen, Tagbücher, Zueignungsschriften, Lobreden, 
Progratnen u. d. g. aus allen Provinzen Deutschlands sammelte, so sollte man 
glauben, Deutschland wäre von lauter Göttern, Seraphins und Cherubins be¬ 
herrschet — Mein Fürst ist ein Gott! Meine Obrigkeit untrüglich! Welche 
gute Policey! Welche menschenfreundlichen Anstalten! Welche Sorgfalt für 
den Ackersmann! Für die im Bettel herum irrenden Kinder! Spricht der 
Lobredner auf der Kanzel, und im Rednerstuhle. — Und unten steht der 
Patriot, macht zwo Fäuste in der Tasche, beisst die Zähne zusammen, und 
Thränen rieseln in seinen Bart.“ 

Gewiss, Kohlbrenner hat auf den zwei und dreissig Seiten des 
„Magazins“ bereits zu viel gesagt, zu viel verraten. Um sich die Intelligenz¬ 
blätter zu erhalten, musste er dort zahmer auftreten; um seine Meinung aus¬ 
zusprechen, wollte er sich in den „Materialien“ und dann im „Magazin“ ein 
freies Organ schaffen. Ihn gleich bei den Anfängen zu fassen, gaben jene 
Artikel über die Theatinerkirche den erwünschten äusseren Vorwand; die 
wirklichen Gründe jedoch lagen sicher tiefer. 

Noch am selben 28. Januar, wo das zweite Stück des „Magazi ns“ er¬ 
schienen war, reichte der Propst D. Max Ginsheim eine Klageschrift bei 
dem Kurfürsten selbst ein, die beginnt l16 ): „Es ist eine offenbare sach, dass 
dero Hofkammerrath Kohlbrenner sich ohne scheu angemasset in seinen 
Intelligenz und Materialien Blättern verschiedentliche Handlungen sowol 
geistlich als weltlicher Personen recht ärgerlich abzuschildern und deren thatten 
und handlungen aller Welt auf das Spöttlichste darzustellen keine scheu traget 
und somit hauptsächlich geistliche Persohnen und deren Handlungen verächt 


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Karl von Reinhardstöttner 


114 


und lächerlich zu machen unaufhörlich bemüht ist. Das letzthin heraus¬ 
gegebene Magazins Blat giebet dessen genügsames Zeugnuss, allwo er der 
Lange nach die in Unser Kirch sich befundende Kostbare gemählde mit einer 
solchen critic beschreibet, dass ein leser leicht glauben solt, als wenn Wir 
diesen von Unsem durchlauchtigsten Baierischen Stiftern uns anverthrauten 
Kirchenschatz und dergleichen Kostbarkeiten wie Pappier Lumppenfetzen be¬ 
sorgten. Bey diesem uns zur grösten Verläumdung und Prostitution gereichen¬ 
den Verfahren will es besagter Kohlbrenner noch nicht bewenden lassen, 
dann das beyliegende exemplar zeiget mit mehreren, dass er in seinen Intelli¬ 
genz Blätem mit der ferneren Beschreibung und vor aller Welt schimpflichen 
critic fortzufahren sich unterstehet.“ Im weiteren verwahrt sich der Propst 
gegen den Vorwurf nicht genügender Schätzung des Kirchengutes, dass „uns 
verstandene Kohlbrennersche öffentliche und unwahrhafte Verläumdung, Ehren 
Verletzung und Beschuldigung sowohl in als ausser lauds äusserst schwer fallen“ 
muss und stellt die bedenkliche Bitte an den Kurfürsten, er „möchte gnädigst 
geruhen, gedachtem Kohlbrenner die Fortsetzung gedachter unwahrhafter 
und verläumderischer Beschreibung und unüberlegten Ehren verlezlichen critic 
gnädigst und ernstlich zu inhibirn“, ja er spricht sogar von einer „öfentlichen 
genuegthuung“ Kohlbrenners. 

Die gewünschte Massregelung erfolgte rasch. Schon am 31. Januar 1775 
erhielt Kohlbrenner nachstehendes kurfürstliches Dekret: „Wir wollen dir, 
als Verfasser des Intelligenzblats das beyliegende Impressum gemessenst ver¬ 
weisen, vnd solches Stuck hiemit supprimirt haben, in dessen conformität du 
also dieses ganze Stuck abzuändern, in den künftigen Intelligenz Blättern 
aber allschon anbefolchener massen dich aller Critique, vnd büssigen Zügen 
umso mehr zu enthalten hast, also wir in widrigen bey ersten übertrettungs- 
fall neben dem bereits abgeschafften Magazin auch das Intelligenz Blat dir 
gänzlich und ebenfalls abschaffen, fogl. in. hierzu einen bescheidenen Verfasser 
bestellen würden.“ Das Schriftstück w’urde auch dem „würdigen und hoch¬ 
gelehrten“ Probste „Clericorum regularium Theatinorum“ zur „Satisfaktion“ 
zugeschlossen. 

Kohlbrenner schien vorerst Schweigen für das Beste gehalten zu 
haben, bis ihn später ein anderer Vorfall veranlasste, am 1. April 1775 durch 
den Comes Palatinus et Notarius Joh ann M artin Maximilian Einzinger, 
einen biederen Mann, den die Armut sein Leben lang drückte 117 ), dem 
Propst Baron von Ginsheim einen Brief persönlich überreichen zu lassen. 
Die Notariatsurkunde bestätigt, dass der hoch würdige Herr das Schreiben in 
Einzingers Gegenwart gelesen habe. Kohlbrenner war nämlich im Kloster 
beleidigt w r orden, als er den Pater Rittershausen 118 ) besuchen wollte. 

Die Einleitung seines Briefes stellt fest, dass er es nicht pflege, „oft in 
Klöstern Besuch abzustatten; in denselben etwas anzunehmen, zu Speisen, zu 
Trinken.“ Er kenne von den Patres nur P. Edlweck, v. Reisach, v. Wass¬ 
mann, v. Sterzinger und Rittershausen; auch verehre er den Propst 
„in Ansehung grosser Gelehrtheit und Liebe zu den schönen Wissenschaften.“ 

„Ganz unerwarthet“, fährt er fort, „war mir daher die Ausrichtung, die 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


115 


mir ein unbekannter ihres Ordens unlängst bey der Porte, als ich R. P. Ritters¬ 
hausen Abends besuchte, in desselben und eines Weltmeuschen Gegenwart 
gemacht hatte: injuriosa formalia: „R. P. Brobst lasse mir sagen, brauche 
keinen Spion, solle sein Haus meiden“. Noch nicht genug, als ich Ihm die 
Versicherung meines schuldigen Respects an Eure Hochwürden Unsem lieben 
R: P: Brobst aufgeben wollte, und sagte: Herr frater Portner richten sie 
meinen gehorsamen Respect aus: so fiel mir Derselbe mit Ungestimm ins 
Wort: er seye kein frater, sondern ein Pater: und als ich ihn desswegen um 
Vergebung bath: so liess er mich vor Zorn kein Wort mehr reden, sondern 
drohete immerfort mich zu verklagen: und, statt die Geduld zu haben, meine 
Entschuldigung zu hören, packte Er mich beym Rock, und zoh mich auf eine 
Art, die dem verächtlichsten Menschen empfindlich fallen müsste, zur äussern 
Porten hinaus: wo eben einige Personen vorbeygiengen, die dieses Verfahren 
wohl sehen konnten: so, wie gedacht Sr. Hoch würden R. P. Rittershausen 
und die weltliche Person Zeugen dieser ganz unverdienten Grobheit sind. 
Belieben Eure Hochwürden, Hoch- und Wohlgebohrn nur, sich bey diesen 
zweeu Zeugen genau zu erkundigen. 

Ich schwieg: weil mir mein Christenthum nach dem Beyspiel des gött¬ 
lichen Lehrmeisters auch Schmach zu leiden befiehlt Nachdem aber neulich 
im gesessenen Rath mir über diese angethan-wordene Schmach von einem 
Meiner Raths-Coli egen Vorwurf gemacht worden: so bin ich in die Nothwendig- 
keit gesetzt, eure Hochwürden, Hoch- und Wohlgebohrn, darüber höflichst zu 
ersuchen, sich zu äussern, ob sowol die grobe Ausrichtung, als das noch 
gröbere und Ehrverlezliche Verfahren auf ihr Gebiethen und Geheiss: oder 
aber wider ihren Willen, guter Geburth, Modestie, und reglmässiger congruität 
geschehen seye? 

Geschah es wider Ihren Befehl, so bitte ich, Eure Hochwürden, Hoch- 
und Wohlgebohrn wollen den Pater der mir diese Schmach angethan, abzu- 
büssen, sohin mir die behörige Genugthuung zu verschaffen, und in wenig, 
Respec. 5. Tagen mir schriftliche Antwort zu ertheilen nicht entstehen, (sic!) 
Indem ich mich ausser dessen nach Verfluss dieser Zeit behörigen Orts be¬ 
schweren müsste.“ 

Wohl durch Freunde gedrängt, wendete sich indessen Kohlbrenner 
am 21. April 177-5 in derselben Sache an den Kurfürsten; er glaubt, er könne 
den Vorfall ».umsoweniger mit Stillschweigen umgehen, als es mir ungnädigst 
bemerket werden dürfte, wenn ich darüber keine Anzeige machte“. 

Er erzählt in ziemlich ähnlicherWeise, wie er „vor ein paar Monathen 
Abends um halbe 6 Uhr den R. P. Rittershausen Theatiner und Lectorn 
in seinem Zimmer“ besucht und „die von ihm verfertigten Gemählde besach“, 
wie er dort fast hinausgeworfen worden sei. „Ich schrieb“, fährt er weiter, 
„zuerst dem R. P. Probst der H. H. Theatiner, wie beilag weisset, und bath 
um genugthuung: und fragte mich an, ob dieses auf Personen von Adel so 
unschickliche, als den guten Sitten entgegenstehende Bezeigen mit- oder wider 
desselben Befehl und Willen geschehen sey ? Allein dieses mein höfliches An- 
suchungsschreiben, auf welches mich circa factum beziehe, blieb bis daher ohne 


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116 Karl von Reinliardstöttner 


Antwort; ob selbes gleich, wie beyliegendes Notariats-Instrument bezeiget, 
richtig eingeliefert und gelesen wurde. Eben dieser Notarius fragte sich vor 
einigen Tagen daselbst an, und R. P. Probst sagte ihm, er gebe keine Antwort: 
wormit also derselbe stillschweigend eingestehet. 

Gleichwie nun aber durch diese auf keine Weise verschuldete Unbild 
und öffentlich mir angethane Schmach vorzüglich der Charakter eines in Euerer 
Churfrstl. Drtl. Pflichten und Diensten stehenden Hofkammerraths beleidiget, 
und wider die guten und geistlichen Sitten und Polizey, worüber der Churfrtl. 
Hochlobl. Geistl. Rath Suprematum hier zu Eand und Orte hat, gröblich 
pecciert worden ist; als muss ich es Euerer Churfrtl. Drtl. unterthänigst vor¬ 
stellen, und erwarten, wie Höchstdieselbeu dieses factum (ohne Weitläufigkeiten 
und Prozessgestattung) ansehen; zugleich unterthänigst bitten, um dem fernem 
Vorwurf widerstehen zu können, den- oder die Beleidiger zur Verantwortung 
zu ziehen, sodan mir Communicieren, und mir in höchsten Gnaden eine gnädigst 
gefällige Genugthuung zu verschaffen, oder den Pater, der mir die Grobheit 
gethan, abbiissen oder glaubwürdig abbitten zu lassen. Denn ausser dem 
dürfte so etwann auch einem anderen Churfrtl. Rath begegnen, wenn die 
robusten Ordens Obern einmal wüssten, dass so eine That, die den moralischen¬ 
den Civil- und Eandsgesetzen zuwider, gegen eine Charakterisirte Persohn von 
einem Ordensmanne in ihren Ordensliäusem begangen worden ist, vom hochlobl. 
geistl. Rath (Höchstweichem die Jurisdiction über dergleichen Ordenshäuser 
zukommt) ungeahndet gelassen worden wäre. Und zulezt wäre man auch in 
deren Kirche nicht mehr sicher, ob man nicht durch den Messner oder Eayen- 
bruder (wenn man ein Kirchbild ansäche und venerirte) aus antrieb des un¬ 
günstigen Obern affrontiert werden würde.“ 

Unterm 29. April 1775 erhielt nun der Propst den kurfürstlichen Auf¬ 
trag, über Kohlbrenners Klage seine „Erläutterung abzugeben“, welchem 
er unterm 30. Mai in einem langen Schreiben nachkam. Dort heisst es unter 
anderm, es sei „Stadt und Landküudig, wie ehrenriehrerisch, unverständig, 
spöttisch und verächtlich gedachter Intelligenzbläter Verfasser Kohlbrenn er 
die in unser Hofkirche sich befindende Altär und andere Kostbare Gemählde 
vor einigen Monathen in einem seiner Bläter hingeschrieben.“ Diese „Straff¬ 
bare Beschreibung“ der Kajetanskirche ist also der eigentliche Grund des 
Zwistes. Der Probst gesteht Kohlbrenner das Recht nicht .zu, die Stiftungen 
der Regenten zu bekritteln, „sowie seiner eigenen Eandesleuthen vermeintliche 
gebrechen und endlich gar als Dum Köpf, wie es vielfältig aus seinen Intelli- 
genzblätern unlaugbar erhellet in die Welt, in welcher er gar nichts bewandert, 
auszuschreiben und verächtlich zu machen.“ Der Propst habe sich beim ersten 
Erscheinen dieser Kritiken mit dem P. And. Avel. Go bei zu Kohlbrenner 
begeben, und „ihme inständigst ersuchet, er mechte in Zukunft in Beschreibung 
unserer Hofkirche und Kirchenschäze so andern in sich halten, damit das 
hiesige Volk und die Welt keinen anlass zum schlechtdencken nehmen möge 
u. s. w.“ Kohlbrenner habe dies zugesagt, aber nach wenigen Tagen es 
„noch weit ärger gemacht, welches blat aber uns annoch vor der Ausgab, und 
ehe es völlig den Druck verlassen, in die Hände gefallen.“ Sie wendeten sich 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


117 


an den Kurfürsten, es erfolgte das bekannte Dekret Aber auch dies habe 
Kohlbrenners Verhalten nicht geändert. Ist nun Kohlbrenners Ver¬ 
fahren „den guten Sitten und der Pollicey gemäss“? Man wies ihm die Thüre 
aus diesem Grunde, indes lagen auch noch andere „gelegenheitlich“ zu er¬ 
öffnende vor, um ihn zu veranlassen, „unser geistliches Haus zu meiden.“ 

Kohlbrenner habe bei seiner Abweisung den P. Go bei „als den 
schlechtesten Layenbruder tractirt und verhönnet solchermassen, dass er 
P. Gobel um der sach doch ein ende zu machen, selben ganz glimpflich 
beym rock genohmen und in aller stille und ohne lärmen unlaugbar bis zur 
äussern Pforten begleithet.“ 

Dem Kurfürsten die Entscheidung über die Berechtigung dieser Ab¬ 
weisung überlassend, beschäftigt sich der „hochgelehrte“ Propst auch mit dem 
„Caracteur“ (!) seines Gegners; „er solle wissen, dass Schmähen und Lästern, 
besonders über geistliche und dergleichen Sachen kein Werk einer Caracteuri- 
sirten (!) Persohn“ sei. Ganz geschickt wird dann die Anschauung vertreten, 
der Beschimpfte habe in dieser Sache nicht den „Caracteur eines Hofkammer¬ 
raths“, sondern nur den des „Verfassers des Intelligenzblates“. Dennoch aber 
verlangen die Theatiner, der Kurfürst wolle Kohlbrenner, „da er die geistlich 
Vorgesetzte als robuste Obere vorschreibet, diese seine abermal grob und un¬ 
bescheidene Schreibart ernstlich gnädigst verweisen“ lassen. 

Am 20. Juni 1775 wallfahrte Maximilianill. Joseph ihrem Wunsche 
mit dem Dekret: „Wir haben euere zu unserem geistlichen Rathe wider unsem 
Hofkammerrath Kollbrenner puncto injuriarum gehorsamst abgegebene 
Eijnnerung sub hod. ersagten Kollbrenner mit dem gnädigsten Befehl 
abschriftlich zuschlüssen lassen, dass Wir diese Causam ex officio aufgehoben 
wissen wollen.“ 

Mit einem Akte von Kabinettsjustiz, als eine causa ex officio also, 
endete der ganze schwere Streit, in welchem es Kohlbrenner wieder hart 
an sein Privilegium gegangen war. Er war zu drei Tagen Arrest verurteilt 
worden, wovon ihm zwei erlassen wurden, und unterm 1. Februar 1775 war 
der weitere Verlag seiner Blätter „beständig verbothen und aufgehoben.“ Später 
teilte man im Intelligenzblatte (1775 S. 448) dem Dichter My riander 11 ®) mit, 
dass das „Magazin“ „eben zur selben Zeit, als es noch kaum das Tageslicht 
erblickt hatte, vor Hauptschmerzen, selig entschlafen sei“. Man suchte um 
einen neuen Verleger, und Stubenrauch schlug (am 7. Februar) als solchen 
den Drucker Johann Paul Vötter in München vor. Dieser wandte sich 
denn auch an den Kurfürsten zu einem „vor andern ganz sichern leydentlicheren 
Preissaccord“, da „dem sichern Vernehmen nach ... Kohlbrenners Privileg 
— aus seinen besondern Ursachen aufgehoben werden“ sollte. 

Drei Gesuche Ko hl brenn er s an den Kurfürsten liegen in dieser An¬ 
gelegenheit vor. Er macht geltend, das zehnjährige Privileg dauere noch drei 
Jahre, man scheine es ihm aber nehmen zu wollen. Er verspricht, dass er 
künftig die „äusserste Behutsamkeit gebrauchen und sogar dem Schatten aus- 
weichen werde, welcher mich zu einem anstössigen Ausdruck verleithen könnte.“ 
Er will sich „der strengsten Censur unterwerfen, ja das Manuskript zu höchster 


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Karl von Reinhardstöttner 


118 


Stelle senden.“ Dann fährt er fort : „Euere Churfürstl. Drtl. bitte ich demnach 
fussfällig, mir das gdist. ertheilte Privilegium (welches ich unter gdsten. Hand¬ 
zeichen in Händen habe) bis zu dessen Expirierung geniessen und ausdauem 
zu lassen. Ich habe, wie ich hoffe, mit dem erlittenen Arrest die Schuld aus¬ 
gelöscht, und die preiswürdige Gerechtigkeit, Milde und Grossmuth von Eure 
Churfürstl. Drlt. lässt mich gründlich hoffen, dass Höchstdieselbe . . . mich 
nicht weiter oder aufs neue werden bestrafen lassen.“ 

Unterm 22. März 1775 wird ihm die Fortsetzung des Blattes weiter 
gewährt, aber unter Beigabe eines Planes, was in demselben zu stehen habe. 
Er darf um nichts mehr bitten, als um die 650 fl.; alles Andere habe er ex 
propriis zu bestreiten; strenge Zensur werde geführt, das Privileg erlösche 
am 14. März 1778 und könne dann jedem andern verliehen werden. Überdies 
lautet § 5: „Weil endlich derselbe in Befolgung dessen, so ihm in dieser Sache 
von Zeit zu Zeit aufgetragen und verbothen worden, sich immerhin wiederum 
ungehorsam benommen und sogar die gegen ihn vorgenommenen Correctiones 
sich zu keiner Warnung hat seyn lassen, so ist ihm unverhollen zu lassen, 
dass gegenwärtige die allerletzte Verwilligung sey, und wenn er wiederum zu 
einiger Contravention schreiten wird, alsdann sein Privilegium ipso Facto 
verlohren seye und auch einiges Indemnisations Gesuch nicht mehr statt 
haben solle.“ 

Dazu kam ein strenger Revers vom 5. April 1775 und Kohlbrenners 
Entgegnung. Er will nach Zensur frei sein. „Denn wenn ich mein Blatt der 
Censur, dem höchstlandesherrlichen Gesetze unterwerfe, wenn ich mich, wie 
im Jahre 1769 und 1775 geschehen, gegen die Anklagen anstössig scheinender 
Ausdrücke mit der Zensur förmlich legitimiret und die Approbation des Censors 
eingeschickt habe: aber gleichwohl ungnädigste Ahndungen und sogar Civil 
Arrest leiden musste; so habe ich aus Gehorsam, und weil dieser eine Tugend 
ist, mit Verdienst gelitten; aber künftig wird es billig und gerecht seyn, dass 
nicht der Autor sondern der Censor demjenigen Rede und Antwort geben soll, 
der in dem censirten Blatt etwas irriges oder ihm anstössiges zu finden glaubt 
Denn ausserdem wäre ich nie gesichert, ob nicht mancher (vielleicht in der 
Absicht, mich um das gnädigste Privilegium zu bringen) in dem censirten 
Blatt einen anstössigen Ausdruck entdecket, welchen er als strafbar ansiehet, 
woran weder ich jemal gedacht habe, noch der Censor für bedenklich er¬ 
kennet hat.“ 

Er schildert nun seine Bemühungen um die Hebung des Blattes und 
führt auch ein ehrenvolles Gutachten der Universität Erfurt (aus dem 28. Stücke 
der Erfurtischen Gelehrten Zeitung, Donnerstag den 7. April 1774 Seite 228) 
über seine Intelligenzblätter an, dessen Abschrift er beilegt 

„Man hatte bisher“, fährt Kohlbrenner fort, „auch in den heurigen 
und fertigen Intelligenzblättem nichts anstössiges gefunden. Nur Nr. 1 des 
heurigen Magazins oder monathlichen Beytrags zum Intelligenzblatt hiebey 
hatte darum zur Suppression Anlass gegeben, weil die R. R. P. P. Theatiner 
die Beschreibung der Kunststücke von Mahlereven dasiger Hofkirche ungern 
sahen. Das gedruckte Blatt, das der Censor unterschrieben hat, habe ich zur 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


119 


höchsten Stelle eingesandt; ich bekam nicht nur jene ungnädigste Ahndung, 
sondern das Magazin ward auf Instanz der R. R. P. P. Theatiner, (die doch 
von offener Kanzel die Wahrheit ganz frey predigen dörfen) ohne mich zu 
hören oder zu warnen, plötzlich supprimiret“ 

Allmählich wurde es ruhig. Am 24. März 1775 erschien das Intelligenz¬ 
blatt wieder, und nur die Lücke, die es seit dem 4. Februar aufweist, verrät 
den schweren Kampf, der unterdessen tobte. Die ferneren Jahrgänge gleichen 
an Inhalt und Durchführung den ersteren; jede Nummer verrät des Heraus¬ 
gebers ehrliche Absicht, einerseits ein vollständiges Verordnungsblatt für die 
kurfürstlichen Lande zu liefern, anderseits über alles und jedes treulich aufzuklären. 

Zu den religiösen Fragen nimmt er stets Stellung; er bekennt seinen 
katholischen Glauben allenthalben; aber er weiss von demselben, sogar auf 
die Gefahr hin, verketzert zu werden, alles Unziemliche strenge zu scheiden. 
So tritt er (1778, S. 186) entschieden für die unparteiische Behandlung der 
Kirchengeschichte ein, auch wenn sie dahin führen würde, „Fehler und Miss¬ 
bräuche hier und da aufgedeckt zu finden“. Man muss festhalteu, „dass die 
Fehler und Missbräuche, welche sich von Zeit zu Zeit in die Kirche einge¬ 
schlichen haben, nicht auf das Dogma, welches allezeit unveränderlich ge¬ 
blieben, sondern auf das Zufällige, oder auf das äusserliche der Religion 
fallen, und dass sie nicht der Kirche, sondern den Menschen zuzuschreiben 
seyn. 120 ) Wer allen Verdacht der Partheylichkeit in einer Geschichte von sich 
ablehnen will, muss mit edler Einfalt, und Aufrichtigkeit das sagen, was wahr 
ist: man darf das Gute weder verschweigen, noch das Böse bemänteln.“ Den 
Aberglauben sucht er unermüdlich zu verbannen (1782. 432, 433). In allem 
kämpft er für Toleranz. So wie er (1777, S. 351) Zaupsers Ode an die 
Inquisition ins Publikum einführte und verteidigte 121 ), so begrüsst er jeden 
Akt der Toleranz in ganz Europa. Er erzählt von der Medaille der öster¬ 
reichischen Protestanten auf dieselbe (1782. S. 224). Warnend berichtet er 
den Vorgang unter Gordon 122 ) in London (1780. S. 307). Er feiert die 
Erbauung einer katholischen Kirche zu Mors (1779. S. 237) l28 ), sowie den 
Entschluss des schwedischen Königs, der sich an den Papst wegen seiner 
katholischen Unterthanen wandte (1783. S. 11). „So verbreiten sich auf den 
Ruinen der Intoleranz, durch den mächtigen Schutz weiser Regenten mit 
Engelsfreude die Menschen in der Erkenntniss Gottes weit zahlreicher, als mit 
Blut und Schwerdt und Inquisitionswuth“ 124 ). Nachdrücklich betont er, da er 
Basedows 126 ) pädagogisches Elementarwerk anzeigt (1771. S. 58 ff.), es sei 
ein „gemeinnützliches, für alle Menschen in allen Religions-Partheyen 
brauchbares und wichtiges Werk“. Eben diese Unparteilichkeit veranlasst 
Kohlbrenner aber auch, dem angegriffenen Prediger von St Michael, 
J. Gruber, sein Intelligenzblatt (1782. S. 507) zu einer Erklärung zur Ver¬ 
fügung zu stellen. 

Die Entwickelung des Schulwesens und des Lehrstandes bleibt durch 
alle Jahrgänge Kohlbrenners höchstes Ziel. Schon im Jahre 1774 ver¬ 
anlasst ihn der Fortschritt der Schulen (256) zu dem Ausrufe: „Wehe euch: 
Dummheit, Vourtheile, und Aberglauben! Euer Reich geht zu Trümmern! — 


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120 


Karl von ReinhardstÖttner 


Weisheit, Vernunft, und Tugend werden in ihre Rechte wieder eingesetzt, und 
besteigen den Thron, von dem sie das Verderben der Menschen schon so 
lange verdrungen hat!“ Ihm ist das Gedeihen der Trivial- und Realschulen 
die „Grundlage der ganzen National-Erziehung“ (282). Jede Schrift, die sich 
mit der Schule befasst, findet in seinem Blatte die eingehendste Erörterung 
(1775. S. 103; 1777. S. 6. 63. 74 u. ö.). Noch in seinem letzten Jahrgange 
(1783. S. 23) sagt er: „Wenn noch ein Rathsherr oderein Staatsmann aus den 
Zeiten des Faustrechts leben sollte, welcher behauptet: ein Volk sey leichter 
zu regieren, sey williger, sey frömmer und besser, wenn es keine Schulen hat, 
und stille in der Dummheit und Unwissenheit fortlebt, fleissig Korn eindient, 
und beym Jagen die Hunde weiset, so bethet christlich gute Eaudsbürger! 
für diese Frötter 1 * 6 ) in der alten Staatskunst einen Vater Unser, dass er und 
seine dumme Unterthanen aus Unwissenheit nicht den Weg auch in die 
andere Welt verfehlen, weil sie solchen für die gemeinsame Wohlfahrt hier 
nicht gefunden, auch ihren Beruf und Amt nie gekannt, nie verstanden haben.“ 
Auch Westenrieder behandelt ja die Frage, ob man aufklären dürfe 127 ). 

In demselben Artikel (23. 6) weist er den sittlichen Verfall der Bauern 
durch die mangelnde Erziehung nach; daher die Unzahl von Verbrechen, die 
130 Galgen in Baiern und der obern Pfalz, die noch nicht hinreichen 128 ), die 
„Malefitz- und Gefangnisskösten“, die man verringern könnte, wenn nur die 
Helfte dieser blutenden Kosten für die Dorfschulmeister verwendet würde“. 
So bestätigt der Patriot Kohlbrenner schmerzerfüllt, was zahlreiche Reisende 122 ) 
in Bayern oft bissig und boshaft berichten; er giebt zugleich auch die Ursache 
dieser Erscheinung an. „Wenn in Baiern aus 98000 Menschen $ sind, welche 
weder lesen noch schreiben können, wer kann glauben, dass diese grosse Zahl 
der Unwissenden gute Christen, verständige, fleissige Hauswirthe sind . . . 
Durch den Mangel der Dorfschulen kommt alles in Unordnung.“ Freilich 
singt der kleine Hanns (1782. S. 208): 

„Dorfschul’ hin, Dorfscliul’ her, 

Lieber dumm und lustig. 

Der Verstand war’ mir zu schwer, 

Und macht mich nur durstig.“ 

Was Kohlbrenuer am Beginne seiner publizistischen Thätigkeit ver¬ 
focht, zieht sich durch sein Blatt wie ein roter Faden hindurch. Es ist der 
nie aufgegebene Kampf für die Freiheit der Presse (1774. S. 23), das Ver¬ 
langen nach Abschaffung der zahlreichen Feiertage, deren finanzielle Verluste 
ziffermässig belegt werden (1777. S. 46); ,jeder versäumter Tag, oder abge¬ 
schaffter, oder Bauemfeyertag“ kostet Bayern 393002 Gulden, „welches nur 
auf 20 solch verfeyerter Tage in einem Jahr zum Verlurst für das Vaterland 
beträgt: 7 Mill. 860040 fl.“ (1779. S. 231). Aber „der Bauemfeyrtag sitzt 
noch immer fest wie das goldne Kalb in den Herzen der Israeliten“ (1779. 
S. 395). Nicht minder bekämpft er die Kreuzgänge und berichtet mit Ver¬ 
gnügen (1782. S. 273) das Verbot der sittenverderbendeu „übernächtenden“ 
Wallfahrten im Gebiete von Berg. 

Die Verbreitung des deutschen Volksliedes im katholischen Gottesdienste 
ist der stets wiederkehrende Wunsch, dessen Begründung und Fortschritt in 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 121 


jedem Bande besprochen wird (Vgl. z. B. Benedikt Stadlers Aufsatz über 
deutschen Gesang 1782. S. 460—464); und wie sehr muss man Kohlbrenners 
Bestrebung gutheissen, wenn in den Kirchen unterm Gottesdienste Lieder ge¬ 
sungen wurden, wie die beiden Weihnachtslieder in Neuuburg v. W. im 
Jahre 1782: 

„Matz (— Matthias), blausn Sock af, lausn wacka brumma, 

Da Hiesl und Veith sollu ä mit kumma 
Solln pfeiffa, solln geiga, solln all lusti seyn, 

Weil uns heut gebohren ganz rein ausserkohren 
Ein Kindelein fein“ u. s. w., 

welche er (1783. S. 90) zum Abdrucke bringt Noch in einem der letzten 
Bände (1780. S. 452—458) findet sich eine eingehende Abhandlung „Von dem 
Ursprünge, Aufnahme und Verfall des Kirchengesangs“. 

Mit gleicher Hartnäckigkeit verfolgt er die Absicht, die Begräbnisse 
innerhalb der Städte und Kirchen abzuschaffen (1775. S. 191 ff. 258. 371. 403), 
die Moräste trocken zu legen (1775. S. 5); er tritt für eine Reihe gemein¬ 
nütziger Dinge ein, die damals von den Einsichtsvollen gefordert wurden; 
er verlangt das Säugen der Kinder durch die Mutter (1775. S. 95), spricht 
für Impfung (1778. S. 99), das Aufstellen von Blitzableitern (1783. S. 21) 
statt des „unsinnigen“ Wetterl äutens, Feuer- und Vieh Versicherungen (ebenda), 
Besserung des Hebammenwesens — kurz nichts entgeht ihm. Dabei versteht 
er es trefflich, seinen Wunsch in ein bescheidenes Kleid zu hüllen. Meist 
verlangt er nicht geradezu dies und jenes; er berichtet nur, wie irgendwo in 
Paris oder Wien, ja selbst in China (wo es sich z. B. um Hebung des Bauern¬ 
standes handelt, 1782. S. 257, ein weiser Regent, ein kluger Statthalter, ein 
Beamter, eine gelehrte Gesellschaft irgend eine segensreiche Einführung ge¬ 
troffen habe. Die „Aufgaben und Anfragen“, die er stellt, und die dann meist 
eingehende Beantwortung erfahren, die genauen Berichte über technische Er¬ 
findungen, Heilmittel, Auskünfte aller Art müssen das Blatt allmählich un¬ 
entbehrlich gemacht haben; denn es diente thatsächlich den weitesten Schichten 
des Volkes, das mehr als Anzeigen in ihm suchte und fand. Aber auch die 
Anforderungen geistig höher stehender Leser befriedigte das Intelligenzblatt 
vollauf. Für eine Geschichte der deutschen Litteratur in Bayern wäre es eine 
der hervorragendsten Quellen; nichts erschien in Bayern von 1766 bis 1783, 
das sich nicht hier gewürdigt fände; die Entwickelung des Theaters verfolgt 
er mit scharfem Blicke, sowie er das Erscheinen des Münchener Wochen¬ 
blattes „Der Theaterfreund“ (vom neuen Jahre 1778 an) freudig begrüsst 
(1777. S. 426). (Vgl. S. 100. 106. 107). 

Wir staunen, welche Liebe zur dramatischen Kunst die Bürger der 
bayerischen Städte beseelt. Der Landrichter zu Schrobenhausen, Joseph 
Valentin von Speckner auf Pilhofen, lässt im Mai 1773 seinen „Butler“, 
im Herbstmonate 1774 Schlegels „Canut und Darius“ von Schroben- 
liausener Bürgerssöhnen aufführen (1774. S. 257); im Markte Pförring 
(B.-A. Ingolstadt) spielt die Bürgerschaft ein Lustspiel „Die Schule der Hand¬ 
werker“ (1779 S. 395); in Erding giebt man Schauspiele und Lustspiele 
(1783. S. 117) zum besten; in Kelheim produzieren die Stadtpfarrer Musici 


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Karl von Reinhardstottner 


die Königin Esther und den Daniel (1777. S. 280), was alles Kohlbrenner 
mit Genugthuung anführt. 

Aber nicht nur bayerische Dichter und ihre Werke verzeichnet das 
Intelligenzblatt; es verfolgt die Weltliteratur und vermittelt meist die Be¬ 
schaffung fremdländischer Dichtungen. Eschenburgs 181 ) Shakespeare 
wird empfohlen, und (1775. S. 12) „wir erfreuen uns, wenn wir viele Liebhaber 
eines solchen grossen Dichters, zur Ehre Baiems, zählen können. Wenigstens 
könnten unsere jungen Dramenschreiber aus diesem Theatralschriftsteller 
mehrer lernen, als aus 100 Aesthetikern; sie würden Kunst, Natur, und das 
menschliche Herz in seynen Handlungen, aus solchen Beyspielen gewiss besser 
studiren.“ 

Im selben Bande wird (S. 36) Cervantes (von Bertuch) 182 ) und 
Tassos befreites Jerusalem (von Heinse 188 ), S. 361) angezeigt; an anderer 
Stelle (1777. S. 261) finden wir Auszüge aus Chesterfields Briefen an seinen 
Sohn und ähnliches in der gesamten Zeitschrift allenthalben. Wie sehr liegen 
Kohlbrenner die öffentlichen Kunstdenkmale und ihre Erhaltung am 
Herzen! Der Artikel über „die Ökonomie, Reinigkeit und wahre Schönheit 
in den Kirchen-Gebäuden“ (1774. S. 198 ff.) enthält Grundsätze, welche heute 
noch beherzigenswert erscheinen dürften. „Es gehet oft“, meint er, „in einem 
Unkosten hin, ob wir lauter Kunststücke in die Tempel GOttes bringen oder 
ob wir Geld um eine nur vermeyntliche alberne Zier . . . verschleudern.“ 
Noch richtiger urteilt Kohlhrenner (S. 200) über die Restaurationen. „Der 
Kirchenprobst in einer Gäupfarre ist vielleicht ein Metzger, in einer Stadt 
vielleicht ein Bierbräu. Der Herr Pfarrer aber hat in lateinischen Schulen 
vom Geschmacke des Guten, des wahrhaft Schönen vielleicht ebensowenig 
gehört, als von der Kunst, nach der Natur zu urtheilen. Nun! eben nach dem 
elenden Geschmacke dieser Leute, die es zwar gut meynen, aber nicht wissen, 
was wahre Schönheit, was Harmonie und Ordnung ist“, werden Restaurie¬ 
rungen vorgenommen. 

Aber auch vorhandene Kunstschätze werden nicht geschont Ja 
die Augustinerkirche hat „durch vieles Lichterbrennen und Lampenruss 
durch das stätswährende, ungeschickte, und der wahren Andacht selbst an- 
stössige Kerzelbrennen die unschätzbarsten Gemälde“ verdorben. Auch des 
„zerschnittenen, dem völligen Ruin ausgesetzten Bildes“, der Kreuzigung 
Christi von Tintoreto, erwähnt er, dessen Vernichtung auch Heinrich 
Sanders 184 ) brandmarkt. Die Mönche, erzählt der bekannte Reisende, „schnitten 
das Meisterstück durch, um mit einer Leiter aus dem Chor hervor steigen zu 
können und die Lichter zu putzen!“ In diesem Artikel werden die Theatiner 
noch belobt, dass ihre kostbaren Gemälde besser verwahrt seien; ein Jahr 
später entbrennt gerade ihrethalben der schwere Kampf. Der Ruf Kohl¬ 
brenners: „Wie wäre es, wenn man durch einen höheren Befehl dazu ge¬ 
zwungen würde“, die Kunstschätze zu schonen und zu erhalten, erschallt wohl 
heute noch. 

Mit allen diesen Anregungen und naturgemässen Angriffen machte sich 
Kohlbrenner natürlich viele Feinde gerade in den höheren Kreisen, die in 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 123 

ihrer behaglichen Ruhe nicht gestört sein wollten. Dass er dadurch unendlich 
viel für sein Vaterland that, fiel wenig in die Wagschale, ebensowenig dass 
er bei keiner gemeinnützigen Sache fehlte, für abgebrannte Ortschaften (z. B. 
Murnau 1775. S. 4) ergiebig sammelte u. dgl. 

Die Intelligenzblätter sind, wie man sieht, allen alles. Sie gelten als 
offizielle Gesetzesanzeiger, als Handels- und Börsenblatt, als Gerichtszeitung, 
als politisches und schöngeistiges Journal, als litterarische Rundschau. So 
enthalten sie denn auch eine grosse Anzahl von gediegenen Abhandlungen 
nach der Art des Spectator, aus denen sich die ganze ästhetisch-moralische 
Anschauung jener Tage ergiebt, sowie eine Reihe von Gedichten, unter denen 
zahlreiche aus Kohlbrenners Feder geflossen sind. Auch inVersen werden 
dieselben Ideen verfochten oder bekämpft, welche den Inhalt des ganzen Unter¬ 
nehmens ausmachen. Charakteristisch ist ein satirisches Gedicht „Lehrreiche 
Bauernregeln, oder des Schulmeisters und Cantors Niclas väterliche Warnung 
und mündliche Grundsätze vor seinem Absterben an die Dorfgemeinde“ an 
das Tageslicht gebracht von Ant. Nagel B. T. z. M. (1778. S. 187), weil 
dieser alte Schulmann, „klug wie seine Trachtperrücke“ alles gegenteilig lehrt 
Die neueren Lehren, sagt er, taugen alle nichts: 

Suchet ihr die Fruchtbarkeit 
Müsset ihr, gut auszusäen 
Mit dem Mond zu Felde gehen 
Dieser bringt der Emdte Freud . . . 

Ehinals wuchs Getreid und Wein 
Besser, häufiger, und ehnder 
Hundertjährige Kalender 

Müssen also klüger seyn. 

Unheilwinselnd Hundgeschrey, 

Rothe Schwänze der Kometen 
Sind des Kriegs und Tods Propheten; 

Diese, diese höret treu! 

Lehrt euch einer Sumpf und Moos 
In die Wiesen umzuschaffen; 

Rücket auf den Modeaffen 
Mit Gehöhn’ und Flegel los. 

Kömmt wer, junger Bäume Zucht 
Um die Zäune einzusetzen; 

Fremde Reiser einzuätzen; 

Schreyet: das sey Modesucht. 

Aber nichts von alle dem, was auf dem Gebiete der Landwirtschaft an Neu¬ 
erungen auftrat, vermochte den Schulmeister, der für Viehkrankheiten und 
Hagelschlag seine Mittel besass, so zu vernichten, als die versuchte Ein¬ 
führung des deutschen Kirchengesanges. Er schliesst: 

„Schreibt auf meinen Leichenstein; 

Diess schlug mich zu Grabe nieder, 

Dass die neuen Kirchenlieder, 

Auch in unsern Hallen seyn!. 

Fünfzig, — fünfzig Jahre schon 
Hat mein Kyrie euch allen, 

Auch der Nachbarschaft gefallen: 

Und der Neuling spricht ihm Hohn! 


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Karl von Reinhardstöttner 


Und wär es auch Christenpflicht: 

Sollte mich sein Lied beglücken, 

Mich zum Engelchor entzücken: 

Trotzt’ ich ihm und sang’ es nicht. — 

Auch der Landmann findet allenthalben seine poetische Verklärung. Im „Lied 
des baierischen und pfälzischen Ackersmannes“ (1778. S. 227) fühlt sich der 
Bauer so ganz als den Herrn der Schöpfung: 

Ich bin beim Ackerbau zufrieden, 

Da gell’ ich allen andern vor. 

Den Bauern muss man niemal kränken, 

Im Schweiss des Angesichts, 

Wo geht kein Pflug, musst du dir denken, 

Hat selbst der König nichts. 

In ähnlicher Weise verherrlicht eine Schulaufführuug der heil. Geistspital¬ 
verwaltung (Die Ährenleserinnen) den Bauernstand, wovon Kohlbrenner 
(1779. S. 266) lange Auszüge giebt. Der Neujahrs wünsch für 1783 spricht 
wiederum den Gedanken aus (S. 8). 

Dich du bessre Zeit von Jahren braucht zuerst der Bauersmann, 

Sonst ist es mit uns geschehen; helfe, wer sich helfen kann. 

Einige der ziemlich zahlreichen Gedichte tragen Kohlbrenners Chiffre, 
andere, die sicher von ihm verfasst sind, entbehren dieses Kennzeichens; alle 
aber enthalten sie keinen anderen Gedanken, verfolgen sie kein anderes Ziel, 
als in Versen zu wiederholen, was in Prosa immer wieder gesagt wird. Es 
ist das ständige Lob des Bauernstandes; er „muss nähren; dann giebt er 
seinen Herren von dem, was GOtt ihm hat geschickt“ (1775. S. 292); es sind 
Kirchenlieder, die dann der Sammlung einverleibt werden, und deren viele 
sich noch in Gesangsbüchern vorfinden (z. B. 1779. S. 132. Gott! vor Deinem 
Angesichte liegt die arme Büsserschar, 1777. S. 108. Trauert, ihr englischen 
Chöre, und weinet); sie kämpfen gegen die Feiertage; denn (1778. S. 97): 
„Der Heilige, wenn Wetter dräun, 

Wird nicht der Heu- und Fuhrmann sein 
Statt sorgenloser Knechte.“ 

Aber auch Gedanken allgemeiner Art finden sich reichlich unter den Gedichten. 
Es ist eine hübsche Idee, wenn (1783. S. 204) der Bauer im Felde sitzt und, 
dem Sange der Lerche lauschend, sagt: 

„Wie arm sind doch die Könige, 

Die keine Lerche hören.“ 

Ein gelungenes Zeitbild ist der Sang des Fraters Gerundio (1779. S, 11), und 
eine für alle Jahrhunderte passende Lehre giebt die Schnecke (Ebenda. S. 186) 
dem Hahne: 

. . . Fliegen bringt kein Frommen. 

Kriecht, Kinder, kriecht mit Fleiss um hoh zu kommen. 

Der Umgestaltung, welche der Kaffee hervorrief, wird manchmal (z. B. 1775. 
S. 124b) gedacht, wobei Kohlbrenner in Wertschätzung des „süss be¬ 
zaubernden Kaffees“ wohl mit seinem Freunde Westenrieder 135 ) einig war, 
kurz, keine Tagesfrage blieb uuerörtert. 

Auch in stilistischer Beziehung sind die Aufsätze und Gedichte der 
Intelligenzblätter ein Fortschritt. Zwar ist der Stil der gesamten Zeitschrift 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


125 


der entschieden süddeutsche; der Münchener Dialekt kommt, wie bei den 
meisten und bedeutendsten Zeitgenossen Kohlbrenners, gehörig zur Geltung; 
doch aber kämpft man zielbewusst gegen das frühere Deutsch: 

„Als jener bündige alte Styl, 

Den man itzt ganz verwerfen will, 

Noch weit und breit regierte. 

Da schrieb man fliessend, stäts fieng man 
Mit diesen prächtigen Worten an: 

Wassmasseu, alldieweilen — 

Wie herrlich glänzten dazumal 
Latein’sehe Wörter ohne Zahl 
Aus allen deutschen Zeilen. 

(1778. S. 164). Es war ohne Zweifel verdienstvoll, als die Intelligenzblätter 
im Jahre 1778 (S. 122 ff.) die schauderhaften Dichtungen brandmarkten, die 
gelegentlich des Todes Maximilians III. Joseph erschienen, und mit dem 
Wunsche schlossen: „Möchten doch alle Herren Reimer, Groschen- und Halb¬ 
patzendichter sich nicht der Gefahr aussetzen, dass uns Ausländer mit Schriften 
dieser Art (wie wir neuerlich von Augsb. sind beehret worden) als eine Satyrc 
auf den Geschmack des Landes beehren. Möchte doch der Thron der Fürsten 
mit solchen Alltagsversen nicht entehret werden.“ 

Unter jedem Gesichtspunkte gebührt den Intelligenzblättem Kolil- 
brenners die wärmste Anerkennung. Sie nehmen in der bayerischen Li¬ 
teratur eine ganz hervorragende Stelle ein. Nur einem so gewandten Geiste 
wie Kohlbrenner war, gelingt es, alle Gleichgesinnten zu gemeinsamer 
Arbeit in so geschickter Form Jahrzehnte lang zu vereinigen. Treffend würdigt 
darum auch Westenrieder in seinen „Bayerischen Beyträgen“ 186 ) das Verdienst 
der Intelligenzblätter, die sich eine weite Aufgabe gesteckt haben; denn, meint 
er, die Zeitungen sollen endlich einmal aufhören, nur zu berichten, „wer heute 
an diesem oder jenem Hof gespeiset“. 

Als Kohlbrenners Mutter hochbetagt gestorben war, dachte er daran, 
sich zu verheiraten. Am 11. August 1776 erholt er sich die Lizenz zur Ehe¬ 
schliessung; er schreibt: „Da meine liebe Mutter, die mir die häuslichen Ge¬ 
schäfte besorgt hat, durch den Tod entrissen worden, so nöthigen mich die 
Umstände, wenn sich eine schickliche Parthie äusserte, meinen noch ledigen 
Stand zu verändern. Finden Eure Churfürstl. Drtl. dieses Vorhaben ohne 
Bedenken, so bitte ich unterthännigst, mir hierzu die gnädigste Licenz aus¬ 
fertigen zu lassen.“ Am 13. August erhielt er die Genehmigung, von welcher 
er jedoch nie Gebrauch machte. Kohlbrenuer starb unverehelicht. 

Unter seine ganz besonders wichtigen Ziele stellte sich Kolilbreuner, 
wie bereits mehrfach ersichtlich war, die Einführung des deutschen Kirchen- 
gesangs in Bayern und, wo möglich, in allen katholischen Teilen Deutsch¬ 
lands. Wenn sein feindlicher Biograph (S. 64) bemerkt, „die innere Rührung, 
die er in Augsburg bey der Beiwohuung der lutherischen Gottesdienste 
und ihrem Singen empfunden“, habe ihn hierzu veranlasst, so führt uns diese 
nicht ohne die Absicht der Verdächtigung ausgesprochene Bemerkung mitten 
in die Lage ein. Der deutsche Kirchengesang mit seiner erhebenden, durch 
Bayer. Forschungen VI, 2. 9 


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Karl von Reinhardstöttner 


nichts zu ersetzenden Wirkung, dem allein es gelingen kann, alle Stände der 
Andächtigen zu gleicher Teilnahme und gleichem Verständnisse der heiligen 
Handlungen zu erheben und in diesen Gefühlen zu erhalten, galt als pro¬ 
testantisch. 

Nun ist aber diese Anschauung unrichtig. „Es bedarf heute keines 
Beweises mehr“, sagt Karl Severin Meister in seinem Buche „Das katho¬ 
lische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ 188 ) (I. Bd. S. 13), „dass 
deutscher Gesang bereits lange vor der Reformation in kirchlichem Gebrauch 
war. Die positiven Zeugnisse dafür reichen bis ins neunte Jahrhundert zurück“. 
Wie gross die Zahl der in Altbayern erschienenen Gesangsbücher ist, habe 
ich bereits in diesen „Forschungen“ (II, 54—57) angedeutet; Westenrieder 
lässt sich in Kohlbrenuers Biographie (29*—32.*) darüber vernehmen, wie 
seit der Reformation „das deutsche Singen in den Kirchen eingestellt“ wurde, 
ja wie mau „in der hiesigen Augustinerkirche Gesangbücher den Leuten aus 
den Händen genommen habe“. Ihm erscheint die damalige Kirchenmusik 
„theatralisch. Man hört noch diese Stunde Symphonien und Tänze in unsern 
Kirchen. Dies erweckt profane, wollüstige Gefühle, welche man wohl auch 
für die Süssigkeit seiner Andacht halten mag, und daher ist das Volk ebenso 
damit zufrieden, wie über den geschmacklosen, schwelgerischen Putz mancher 
Altäre“. Allein trotz dieser Anschauung eines frommen Klerikers, der sich 
sogar auf eine Breve Benedikt XIV. berufen konnte, galt zu jener Zeit 
deutsch für lutherisch, für ketzerisch 139 ). Will man uns Bayern zu 
Sachsen machen? eiferten noch 1772 einige! 140 ) Kohlbrenuer begab sich 
also mit seinem Kampfe für den deutschen Kirchengesaug trotz seiner Be¬ 
rufung auf den heiligen Augustinus 141 ) auf ein Gebiet, das gerade ihm 
in seiner Kampfesstellung übel gedeutet werden konnte und wurde — von 
Leuten, denen die geschichtliche Entwickelung der Frage nicht bekannt war. 
Die ganze Bewegung hat auch, wie wir heute sehen, ihr Ziel nicht erreicht. 
In überaus warmen Worten verteidigte noch der Pfarrer Franz Xaver Terer 142 ) 
in einer Predigt vom 27. Dezember 1794 den „gemeinschäftlichen deutschen 
Kirchengesang“. „Feyert“, spricht er (6) zu seiner Gemeinde Wessobrunn, 
„eure heilige Gottesdienste mit gemeinschaftlichem Gesänge, und führet diesen 
ehrwürdigen, Andacht befördernden höchstvernünftigen Brauch mit vereinigten 
Kräften ein“. „Die Einführung des gottesdienstlichen Gesanges darf gewiss 
nicht neu, sondern nur erneuert genannt werden“. (11); „sie ist ein wahres 
Beförderungsmittel der christlichen Andacht“. (21). „Seyd nicht ängstlich, dass 
ihr etwa durch das Singen in euren gewöhnlichen Gebethen oder im Ab¬ 
bethen des Rosenkranzes gestöret werdet, und denkt.dass der Rosen¬ 

kranz nie aus der Absicht eingeführt wurde, dass er unter der heiligen Messe 
gebethet werde: Zudem bestund ja der gemeinschaftliche Kirchengesang schon 
bey den ersten Zeiten des Christenthums; den heiligen Rosenkranz aber bethet 
man nur erst seit etwa vierhundert Jahren. Und wenn euch etwa einige eurer 
Nachbarn den altklugen Vorwurf machen, dass ihr wie die Lutheraner 
in der Kirche singet, so saget ihnen: wenn man das alles abschaffen müsste, 
was die Lutheraner mit uns gemein haben, so müsste mau das Schulhalten, 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


I27 


das Predigen, das Bethen, das Taufen, und mehr anders aufhebeu, weil auch 
sie Schulen haben, predigen, bethen, und taufen. Man führt ja diesen Brauch 
nicht ein, weil ihn die Lutheraner haben, sondern, weil er gut ist, und hier 
trift die Ermahnung des Apostels ein: Prüft alles, und was gut ist, behaltet“. (25). 

Grosse und billige katholische Gesangsbücher erschienen in Altbayern 
allenthalben; so noch 1810! 11 das dreibändige Werk des Freiherrn Kaspar 
Anton von Mastiaux us ), des kampfbereiten, streng orthodoxen und musik¬ 
verständigen Domherrn, das auf 1932 Seiten 544 Lieder -enthält. Kohl¬ 
brenner nahm sich also einer beliebten und doch bei gewissen Leuten ver- 
fehmten Sache an, als er den deutschen Kirchengesang zu verfechten begann, 
was er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit unternahm. „Er hat“, berichtet 
Westenrieder (32) „von dem Jahre 66 bis 83 alle seine Bittschriften, seine 
Briefe und die darauf erfolgten Antworten, und die Nachrichten von allen 
Begebenheiten seiner Kirchengesänge, in ordentlichen Bänden gesammelt, und 
ein seltnes Denkmal unternehmender und erfindender Industrie hinterlassen, 
das ich .mit dem gerührtesten Herzen gelesen habe“. 

Wie in den „Materialien“ (S, 101), so kommt er auch in den Intelligenz¬ 
blättern (S. 120) öfter auf diese Frage zu sprechen. Das von Kohlbrenner selbst 
herausgegebene Buch „Der heilige Gesang zum Gottesdienste in der römisch- 
katholischen Kirche. Erster Theil (Landshut, Max Hagen 1777)“ wird im 
gleichen Jahrgange der Intelligenzblätter (S. 410) an gezeigt. Vorzüglich das 
Landvolk hat der Sammler dieser Lieder im Auge. „In Städten, wo eine 
figurirte Musik ist, da wünscht man, dass, wo nicht beym reumüthigen 
Kyrie: wenigst beim Offertorio, und nach der Consekration bis aufs Pater 
Noster, von der deutschen Kirchengemeinde der Akt des Glaubens, der Hoff¬ 
nung, der Liebe erwecket und die Sprache des Herzens im deutschen Ge¬ 
sänge mit Gott allein geführt werden möchte. Ohne betäubende Instrumente: 
den lärmende Musik schickt sich für die Kirche gar nicht“. Der Erzbischof 
von Salzburg befahl die Einführung dieser Lieder „in den baierischen Chur¬ 
landen, soweit sich höchstdero Kirchensprengel erstrecket, nach und nach auf 
eine schickliche Weise“ (377), der Kurfürst verordnet ihre Anwendung in 
allen Kapuziner- und Karmeliterklöstern (443), und ein Landpfarrer schreibt 
(442) von der tiefen Wirkung dieses Volksgesanges einen begeisterten Bericht. 
„Haben Sie Dank von mir und vielen meiner Mitbrüder für eine Sache, welche 
uns um so schätzbarer sein muss, je näher wir dadurch zu einem Gebrauche 
zurückkommen, welcher mit der Kirche selbst seinen Anfang genommen: 
denn niemal ward der Gottesdienst ohne Gesang entrichtet; der aber von 
demjenigen, dessen man sich dermahl an den meisten Orten, besonders in 
Städten bedienet, sehr verschieden war“. 

Der deutsche Kirchengesang kam thatsächlich durch Kohlbrenners 
Bemühungen und sein Gesangbuch einige Zeit in die Höhe. Wetzer und 
Weltes Kirchenlexikon ,44 ) spricht ihm unter allen Gesangsbüchern „die 
grösste Verbreitung im Norden und Süden unsers Vaterlandes“ zu und rühmt 
au ihm, dass es „mit ganz neuen Liedern und Melodien, darunter die soge¬ 
nannte deutsche Singmesse (hier liegt vor Deiner Majestät)“ ausgestattet sei. 

9 * 


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Karl von Reinhardstöttner 


Der innig religiöse Ton der Ko hlb renn ersehen Kirchenlieder verschaffte 
ihnen beim Volke Eingang, während es anderen Versuchen, denen diese Vor¬ 
bedingung fehlte, wie etwa demjenigen von Franz Berg 145 ) gegenüber, kühl 
blieb. Trotz seiner grossen Verbreitung ist das K oh 1 brenn ersehe Gesang¬ 
buch überaus selten geworden und in wenigen Bibliotheken erhalten. Im 
Jahrgange 1778 kann der Herausgeber bereits allerlei Erfreuliches berichten. 
Am 19. März begann man im Kloster Weyharu mit dem deutschen Gesänge. 
„Der gute Ackersmann hörte es! sein Herz voll der frommen Empfindung 
über den neuen und jetzt deutschen Gesang zum Lob Gottes! sagte: jetzt 
versteh ichs auch — jetzt bethet man auch für den Bauersmann . . . Das ge¬ 
meine Volk kommt häufiger, eilet fröhlicher in die Kirche“. (98). In Chiem¬ 
see hielt der Fürstbischof (am 28. Dezember 1777) das Amt, „wobey kein In¬ 
strument, als die Orgel und die Stimmen des Volkes im neuen deutschen 
Kirchengesang sich hören liessen“. (98). Maximilian III. Joseph hatte 
sich noch am 9. September 1777 au den Episkopat seines Landes in der 
gleichen Sache gewendet; der Kurfürst Karl Theodor befahl den neuen 
deutschen „Kirchengesang unterm Amt“, - das gleiche die Kurfürstin Witwe. 

Wieder äussert sich „ein Gottesgelehrter Oberlauds Baiern“: „Heute 
haben wir das erstemal die deutschen Messlieder gesungen. Ich habe schon 
etlich tausendmal das Brevier durchblättert, seitdem ich im Kloster bin; aber 
nie hab ich das empfunden, was ich bey diesem Gesang empfand“. (297). Die 
Kapuziner in Traunstein führten den deutschen Gesang ein: „Das Volk freuet 
sich in dem Herrn, und lobet diese Anstalt, wodurch es nun auch verstehen 
lernt, was Capuciner singen : und was gemeine Leute unter dem Gottesdienste 
nützliches und heilsames thun und erwägen sollen“. (340). 

Freilich kommt auch bald eine Klage, „dass diese Gesänge bis daher 
an den wenigsten Orten eingeführt seyn, wo mau jedoch Churfl. höchster 
Orten in München ein solches selbst gewunschen“ und der Befehl für die 
Einführung erneuert wird (394). 

Wie alles, was er einmal in die Hand nahm, verfolgte Kohlbreuner 
auch die Verbreitung der deutschen Lieder nachhaltig. Jeder neue Sieg wird 
in den Intelligenzblättern verzeichnet; doch fehlt es auch an passivem Wider¬ 
stand nicht. Im Jahrgange 1779 findet sich eine derartige Bemerkung (76): 
„Jetzt ist Fastenzeit, die Zeit sich zu überwinden. — Nun, wenn auch Mönche 
und Nonen, an die die Churfl. gnäd. Anbefehlung Ao. 1777 ergangen ist, 
den bischöfl. gnädigst approbirten Kircheugesang einzuführen, diesem gnädig¬ 
sten Befehl Gehorsam leisten, welch eine Ehre für ihren Orden ? welche Ehre 
für gesunddenkende Köpfe? welche Ehre fürs Vaterland? — Sich christlich 
überwinden ist allemal Tugend und der H. Religion zur Ehre“. 

Auch der Bürgermeister von München von Bergmann 146 ) nahm sich 
der Sache des deutschen Kirchenliedes an. Das Osterfest 1779 wurde mit 
demselben gefeiert, und der Gottesdienst der hl. Geistpfarrei sollte nun allsonn¬ 
täglich so begangen werden (141). Und immer weitere Kreise nehmen das 
deutsche Lied an (174. 422.); „bald dort bald da fliehet eine trübe Wolke des 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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Vomrtheiles“ (463), wovon eine Mitteilung der Pfarreien mit deutschem Kirchen¬ 
gesang (478) Kunde giebt. 

Blieb nun auch der durchschlagende Erfolg trotz aller Bemühungen 
Kohlbrenners aus, mit den zahlreichen Approbationen der Bischöfe Bayerns 
und Deutschlands und der persönlichen Anerkennung des 1782 in München 
weilenden Papstes Pius VI. ,47 ) hatte er doch etwas erreicht. Auch der Be¬ 
richt ad intimum vom 9. Mai 1780, den Westenrieder (S. 42) erwähnt, er¬ 
klärt, dass diese Kirchengesänge dem Zwecke, „gottselige Empfindungen zu 
erregen und das Andachtsgefühl zu erhöhen“, „ganz und gar angemessen 
sind“; das sagen auch „alle Ausländer, welche sie beurtheilt haben, wenn schon 
diess die Missgunst einiger Inländer in Zweifel zieht“. 

Zu diesen „Inländern“ gehört auch der anonyme Biograph. Auf wel¬ 
chem Boden der Kritik dieser Manu steht, geht aus dem hervor, was er 
(S. 64) von dem Ggsangbuche sagt; er tadelt, dass die Messgesänge aus alten 
Jesuitenliedern, den besten Gesängen von Denis und Riedel in Wien ge¬ 
sammelt sind und meint: „Vieles, ja man darf sagen, die meisten Gedanken 
und Verse hat er aus fremden, aus katholischen und lutherischen und kalvi- 
nischen Gesangbüchern, oder besser zu sagen, aus den besten Dichtern der 
Protestanten gestohlen“. Ohne Zweifel heisst es mit verketzernder Tendenz: 
der Protestanten. Man muss sich nur darüber wundern, dass der Mann, 
der „in seiner sehr zahlreichen Bibliothek nicht 3 oder 4 Bücher“ „ganz und 
durchaus gelesen hat“, der „selbst Gottscheds und Brauns Sprachkunst“ 
„nicht ganz gelesen“ hat (66), der „vom guten, schönen, und treffenden Styl 
gar nichts wusste“ (67), sein Anlehen doch gerade bei den besten Dichtern 
machte. Das war wohl auch „bloss ein Ohugefähr, oder die Wirkung seines 
gespannten und angefeuerten Genies“. 

Wie anders Westenrieder, der es selbstverständlich findet, dass 
Kohlbrenner „die Kirchengesänge nicht gar alle verfasst“ und sein Ver¬ 
dienst darin sucht, wo es eben liegt — in der Sammlung und richtigen Aus¬ 
wahl; dass er selber dichtete und „seine Freunde eifrig zur religiösen Lieder¬ 
dichtung aufforderte“ ,48 ). 

Kupfer von Sökler 149 ) zieren Kohlbrenners Gesangbuch, das öfter 
in verschiedener Form und Gestalt veröffentlicht wurde 1140 ). Wo darum von 
den Bestrebungen Deutschlands um eine nationale Kirche und um das Zu¬ 
standekommen einer deutschen Liturgie die Rede ist, muss Kohlbrenners 
Name mit besonderer Verehrung genannt werden. „Es gehört wirklich so¬ 
wohl zur vaterländischen als zur baierisclien Kirchengeschichte“, um in seinen 
eigenen Worten zu sprechen 15 ‘). 

Auch bei seinem Tode that sich diese Verehrung kund. In Rauhen¬ 
lechsberg (B.-A. Schongau) hielt ihm ein Kreis von Verehrern und „Beförderern 
der neuen Gottesdienstanstalten“ „um das Andenken des Herausgebers dieser 
Lieder zu ehren, und ihre für den verstorbenen Stifter des teutschen Kirchen- 
gesangs tragende Achtung“ zu beweisen, ein Seelen amt „im Beyseyn der dazu 
beruffenen Schulkinder“ 162 ). 

Auch mit dem Tode Kohlbrenners vergass man sein Gesangbuch 


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Karl von Reiuhardstöttner 


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nicht. Es erlebte mit den schönen Melodien, welche der Chorherr zu Chiem¬ 
see, Norbert Hau 11 er 168 ) dazu komponierte, manche Auflage, und noch 
i. J. 1790 veranstaltete der treffliche Kirchenkomponist Michael Haydn 154 ), 
der Bruder des unsterblichen Joseph, eine neue vermehrte Ausgabe des¬ 
selben. Aber welche Gegner der deutsche Kirchengesang besonders unter den 
Mönchen fand, zeigt ihr Kampf dagegen. Noch am 13. April 1783 erhielt 
Kohlbrenner „unter verkapptem Namen über Amberg“ Drohschreibeu 
(I. Bl. 1783 S. 196) wegen der „lutherischen“ Neuerung, die er kräftig 
erwidert. Und selbst der Wunsch des Verstorbenen, ein deutsches Traueramt 
zu erhalten, ward ihm nicht erfüllt. 

Nach einer Mitteilung in Nicolais „Allgemeiner Deutscher Biblio¬ 
thek“ 1BB ) hätte Kohlbrenner schon zu seinen Lebzeiten Bedenken geäussert, 
ob sein Testament in seinem Sinne vollzogen würde und erklärt, man möge 
in diesem Falle nur einen Seelengottesdienst halten statt der gewünschten 
drei. „Herr Pfarrer Scherer 166 ), ein Exjesuit nur leider! Hoftheolog, hatte 
die Stirn, das Leztere zu wählen. Er setzte hinzu: „Die Bedingniss von 
Absingung der deutschen Kirchenlieder sey eine Conditio turpis, und folglich 
pro non adjecta zu halten. Er handele freylicli noch grossmüthig, wenn er 
nicht auf die Haltung der drey Gottesdienste dringe“. 

Das Urteil des Berichterstatters, der bereits (von Seite 608 an) schlimme 
Dinge von Bayern erzählt, muss man leider voll und ganz bestätigen. In¬ 
dessen hat sich die Anschauung über das Unkatholische des deutschen Kirchen¬ 
gesanges nicht verloren. Das Drängen jener Zeit nach deutschen Messliedern 
gilt den einen heute noch 157 ) als eine Folge „der traurigen Herrschaft“, zu 
welcher „auch in der katholischen poetischen und ästhetischen Litteratur“ 
„die falsche Aufklärung und religiöse Verflachung, wie sie durch Wieland 
und die Nicolai sehe Rationalistenschule“ gelehrt wurde, kam, während 
andere 158 ) die damaligen Approbationen durch Bischöfe nur aus der Absicht 
erklären, „um denen, die zur katholischen Kirche zurückkehren wollten und 
die »zuvor des verführerischen Singens gewohnt gewesen 4 , den Rücktritt nicht 
zu erschweren“ (!). — 

Noch immer nahm Kohlbrenners Sorge um das Privileg für sein 
Intelligenzblatt kein Ende; Grund 11m dasselbe zu bangen, hatte er ja stets 
genug. Im August 1777 musste er in P'rfahrung bringen, dass der bekannte 
Schulkommissär Heinrich Braun nach den Intelligenzblättern strebe, und 
sofort wandte er sich darum an den Kurfürsten. Nachdem er Entstehung 
und Aufgabe, Zweck und Verbreitung seiner Zeitschrift kurz berührt, fährt 
er fort: „Uneracht dessen suppliciert um dieses Blatt gleichwohl der jezige 
Schulcommissarius Heinrich Braun, wo ich glauben solte, dass er mit 
seinen weitläufigen Schulvisitationen und damit verbundenen Reisen genug 
zu thun hat und daher sich in das vom Schulwesen ganz abgesonderte Fach 
des Laudesöconomie- Policev- und Comercialwesens nicht wurde einlassen 
können, so wenig als ich um eines andern Kalender Privilegium anhalten 
möchte.Da die auswärtigen Staaten, Academien und gelehrte Gesell¬ 

schaften, nähmlich Paris, London, Berlin, Frankfurt, Göttiugen, Prag, Leipzig, 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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Erlangen, Wien, Wittenberg, Hamburg etc. das Churbaier. Comercial Intelligenz¬ 
blatt bisher zum Ruhm meines Vaterlandes sogar in öffentlichen Zeitungen 
angerühmt, und daraus abgescliriebeu haben, So sehen Eure Churfürstlichen 
Durchleucht etc. erlauchtest ein, dass (wenn die Verfassung desselben einem 
andern gnädigst übertragen würde) bey allen diesen Academien und aus¬ 
wärtigen Gelehrten discretirt, und vieleicht in der stille eines Verbrechens 
oder sonst verdienten höchsten Ungnade beurtheilt werden wurde, und ich 
mayne nicht, dass ich durch meine 1 ijährige Besorgung dieses Blattes, zulezt 
eine solche Prostitution verdient habe. Qual genug für das Herz, wenn sich 
schon iezo meine Abholden erfreuen und sagen: nun wird ihme Kohl¬ 
brenner auch das Comercial Intelligenzblatt genommen. Eure churfürstlichen 
Durchläucht etc. erlauben demnach, unterthänigst zu bitten, mich von einer 
solch unverdienten Diskretitirung und Prostitution bey Inn- und Ausländern 
gnädigst zu bewahren. Es ist eine Sache, welche die Ehre höchst dero Räthe 
selbst angehet Denn, Sollte ich die höchste Gnade der Erneuerung des 
Privilegii, um welche ich wiederhollt unterthänuigst bitte, wider verhoffen nicht 
erlangen, so wird mir nicht ungnädig bemerket werden, wenn ich um die 
gnädigste Belassung der 650 fl. (die mir bisher zu meiner Besoldung mitan¬ 
geschlagen worden) gleich solche auch den vorigen Schulcommissarien be¬ 
lassen worden, dessgleichen auch um das zu Rettung meiner Ehre nöthig- 
habende Attestat unterthänuigst bitte, um mich bei den auswärtigen legitiinireu 
zu können, dass die Ausfertigung dieses Privilegii für einen andern, keine 
Folge einer höchsten Ungnade gegen mich, sondern mir zur Belohnung meiner 
11 jährigen litterar. Bemühungen eine ander weite gnädigste Special gnade liuld- 
reichest ertheilt worden sey“. 

Der am 12. September 1777 von der Hofkammer abgegebene „ausführ¬ 
liche Bericht“ darüber, „obe sein Vorschreiben der Wahrheit conform und wie 
weith seine petita eine gnädigste Obsicht verdienen“, zeigt klar, dass Kohl¬ 
brenner in diesem Kollegium keine Freunde besass. Über die Person 
Heinrich Brauns gehen sie hinweg, da sie in solchen Fragen nicht kom¬ 
petent seien. Die übrigen Forderungen Kohlbrenners jedoch wollen sie 
genau „zerklidern“. „Den Ursprung des dem Kollprenner verliehenen In¬ 
telligenz Blats zeigen unsre Acta nicht, noch minder ein Decret oder Reso¬ 
lution, woraus abzunehmen war, ob dieses Privilegium ab origine ihme per- 
petuierlich, oder nur auf gewisse Zeit verliehen worden“. Dagegen fänden 
sich wohl wiederholte Verweise vor, welche den Redakteur der Blätter mit 
Verlust des Privilegs bedrohen. Wir kennen sie ja bereits; sowie auch den 
Vorgang mit dem „Civil Arrest“. Dies alles wird ihm nun vorgehalten, da 
er ein Zeugnis, dass nicht allerhöchste Ungnade Ursache seines Abgangs sei, 
und die 650 fl. verlangt. Den Hinweis auf seine elfjährige litterarische Thätig- 
keit will die Hofkammer nicht berühren; sie will es in „seinem Werth und 
Unwerth belassen, obe seine 11 jährige litterarische Bemühungen Belohnung 
verdienen, ohne hierüber uns vernehmen zu lassen, da das litterarische Fach 
der Gegenstand der Hofkammer nicht ist“. Die 650 fl. aber werden ihm nicht 
zuerkannt. Sollte eine ähnliche Gnade je einem Schulcommissarius wider- 


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Karl von Reinhardstöttner 


fahren sein, so wird sich derselbe jedenfalls „vorher kein Delictum“ wie Kohl- 
brenner zu schulden haben kommen lassen und sich „niemahl ... so öffent¬ 
lich widerspenstig erzeugt haben“. Darum die also „pflichtmässig in Nega- 
tivam gehende“ Entscheidung 160 ). Gewiss eine ermunternde Würdigung Jahr¬ 
zehnte langer litterarischer Bestrebungen ! 

Am 25. Juli 1778 wurde Kohlbrenner in den erblichen Adelsstand 
erhoben l6 °). Hätte er, wie der Anonymus (90) sagt, das Diplom als Reichs¬ 
ritter gekauft, so wäre ihm sicher jenes Epigramm Myrianders, das er 
gelegentlich (I. Bl. 1775, 448) abdruckt, vorgeschwebt, in welchem einem Baron 
gegenüber in Abrede gestellt wird: 

„Doktor Firmann hab’ aus Stolz sich mit einem Von versehen: 

Denn er schwöret, ihn vergnüge, darum nur des Von Genuss, 

Weil er so nicht manchen Esel seine Gnaden heissen muss“. 

Das Diploma Nobilitatis rühmt „die Ehrbarkeit, adeliche Sitten, gutes 
Herkommen, Verstand und Geschicklichkeit, womit unser getreuer J oh an n 
Franz Seraph Kohlbrenner begabet ist“, das Alters seines Hauses 
(vgl. S. 78.), das Verdienst, „dass er ein zu Aufklärung des Volks und dem 
Commercio nothwendiges Intelligenzblatt bis hieher besorget hat“, und er der¬ 
jenige sei, „welcher mit rein Deutschen von Erz- und Bischöfen approbirten 
Kirchenliedern das Lamm Gottes und das Kreuz des Erlösers besungen und 
der heiligen Religion gewidmet hat“ l61 ). 

Auf diese seine Thätigkeit als Förderer des deutschen Kirchengesangs 
wird in seinem ritterlichen Wappen ausdrücklich bedacht genommen; es ent¬ 
hält ein Osterlamm mit goldenem Kreuze und eine holzfarbene Harfe neben 
andern auf seine dienstliche Stellung als Salzbeamter bezüglichen Abzeichen. 

Während so der Kurfürst „mit wohlbedachtem Gemüth, gutem Rath 
und rechtem Wissen“ den verdienten Mann ausdrücklich wegen seiner 
Intelligenzblätter unter die Edlen des Landes versetzt, tobt der Kampf 
eben um dieselntelligenzblätter rastlos weiter, ja er nimmt, je näher 
der Termin des Ablaufs des Privilegiums rückt, eine um so ernstere Gestalt 
an. Bald findet man heraus, dass nicht alle Ämter die Blätter zu halten 
brauchen, bald wirft man Kohlbrenner vor, er liefere sie nicht richtig ab. 

Am 11. Juli 1778 weist er nach, dass die Intelligenzblätter den Maut¬ 
ämtern unentbehrlich sind; sie stehen mit gelehrten Gesellschaften in Ver¬ 
bindung und helfen Werke verschleissen. Die Münchener Zeitung, „die man auf 
schwarzen Papier, mit grober schlechter Schrift lesen muss“, kostet 5 - fl., wie 
billig ist dagegen das Intelligenzblatt, das nur 5 k. kostet. Er will es aber 
von heuer an „um 2 k. wohlfeiler, also um 3 fl. 36 k., an die Dickasterien 
u. s. w. geben.“ 

Er schliesst: „Deijenige würde der Wahrheit eine Unbild zufügen, 
welcher behaupten wollte, die Bajern wären in dem moralisch-philosophisch¬ 
litterarischen Fach (die Geschichte ausgenommen) gegen die Ausländer um 
ein halbes Saeculum nicht zurückgeblieben. Unsere Buchläden, der Abscheu 
der Nation vom Lesen *•*), rohes Bezeigen und der stille Hass oder Neid gegen 
die Authoren beweisen es noch täglich. Vor 10 Jahren noch hätte ein Kanzley- 


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Officiant, vielleicht auch ein Hofkamnierrath sich geschämt oder Bedenken 
getragen, sich der Presse anzuvertrauen. Patrioten und Philosophen haben es 
mir zum Verdienst angerechnet, dass seith ao. 1766 als ich durch das Intelli¬ 
genzblatt der Nation etwas neues zum Denken geliefert, mehrer authores von 
Adel und geringerm Stande jezo im Lande sich hervorgethann, und gezeigt 
haben, dass sie auch schreiben können. Gewis ein unschuldiger Beweis für 
den Nutzen des Intelligenzblattes, dessen Verfasser die wahre Staatskunst in 
dieser Rücksicht vielmehr eine Prämie zuerkennet und den Märtyrer der 
Wahrheit beherziget, dem man die 1768 gdgst. bewilligte jährliche 300 fl. 
1772 wieder entzohen hat“ 

Unterm 31. Juli 1778 verfügt Karl Theodor (d. d. Mannheim), „dass 
Unserm Hofkammer und Mauthdirectorial Rath Kollbrenner die aus denen 
Mauthgeföhlen extra genossene Pension ad 235 fl. nicht mehr gereicht werden 
solle“, was ihm unterm 13. August zugestellt wurde. Schon am 10. Juli hatte 
Kohlbrenner erklärt, er könne die Lieferung an die Ämter nicht mehr 
selbst bewerkstelligen, wenn ihm alles entzogen werde. Auf eine Anfrage vom 
21. August 1778, welche Dikasterien und Ämter die Intelligenzblätter „ohn- 
umgänglich“ haben müssten, und was der äusserste Preis sei, führt am 
28. Oktober 1778 Ko hl brenn er alle namentlich auf; hinsichtlich des Preises 
fügt er an: 

„Ich bin zu schüchtern, der Grossmuth des bessten und höchsten Fürsten 
einen Preis anzusagen. Der liebreichste Landesvater, der selbst die besste 
Einsicht in litterarische Geschäfte, Arbeit, Mühe, weitläuftige Correspondenz, 
Briefporto, dann Correctur, Druck und Papierkosten hat O! dieser weis seine 
getreuen Landskinder, die sich zum bessten des Vaterlands auch durch Litteratur 
verwenden, grossmüthig zu belohnen, und sie noch ferner zu ermuntern, fort¬ 
zufahren in dem, was dem gemeinen Mann zu wissen nothweudig, iustructiv, 
und nützlich ist“ 

Er bittet zunächst um 300 fl. „Bevhilfe“, „umso mehr als man mir heuer 
an meinen vorigen Gehalt 235 fl. in Geld und 1 Salzscheibe abgebrochen hat. 
Ich muss auf dieses Intelligenzblatt 2 Schreiber halten: soviel Brief Porto be¬ 
zahlen, Plag und Gefahr und sichere Ausgab gegen unsichem Verschleiss 
und Bezahlung tragen, da mir der Debit der Blätter im Rentamt Straubing 
jetzt soviel als gescheret ist. Da mich Neid und Chicaue auch gehindert 
haben, zeither, die mir gdist. verwilligte Buchdruckerey zu errichten, folglich 
der mir zur Erleichterung des Preises zugemeynter Genuss entgangen ist“ 

Mit dem 4. Januar 1779 erhielt Kohl brenn er ein erneutes Privileg 
auf zehn Jahre, allein der Streit war darum lange nicht abgethan, im Gegen¬ 
teile erstanden ihm neue Feinde. Die Beratungen in intimo fallen selten zu 
Kohlbrenners gunsten aus. Am 3. Mai 1779 wird die Zahlung der 
650 Gulden an die Bedingung geknüpft, dass eine Reihe von Exemplaren 
nachgeliefert werde. Unterm 15. September ergeht an Kohlbrenner das 
Verbot, amtliche Nachrichten, „Standes Erhöhung der Civilpersonen“ nachzu¬ 
drucken, sowie „der schärfste Auftrag, dass ersagter Satz also gleich wieder 
abgelegt werde“. Die Folge war eine Klage der Druckerin Magdalena 


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Karl von Reinliardstöttner 


Mayrin gegen Kohlbrenner auf Zahlung eines Arbeitslohnes von zehn 
Gulden, zu deren Erlag Kohlbrenner am 29. September Befehl erhielt. 

Wohl wandte sich Kohlbrenner bereits am 16. September an das 
Präsidium der oberen Landesregierung, er habe ein Privileg vom 5. Jannuar 1779, 
das „Blatt nach bisheriger Art und Eintheilung fortzusetzen“, seit einigen Jahren 
seien die kurfürstlichen Gesetze und Verordnungen in demselben Hauptsache. 
„Nun aber vernehme ich von der Buchdrucker-Mayrin, dass der Churfürstl. 
geheimbe und Regierungs-Secretair v. Drowin in der Druckerey den schon 
gesezten ersten Bogen des Edicts und der Regierungs Instruction als eine 
Forthsezung des Intelligenzblattes verbothen und respective obsigniert habe, ohne 
dass mir ein schriftliches Verboth ausgefertigt worden.“ Er bittet, ihn „vor 
gehörter prostituirlicher Hemmung in der Druckerey und vor aller privilegii 
widrigen Zutringlichkeit in hochgdign. Schutz zu nehmen.“ Doch die Ant¬ 
wort lautet: „Es bleibt bey der bereits ergangenen resolution, und ist also 
diese Vorstellung ad Priora zu legen (17. Sept. 1779)“. 

Einer der schamlosesten Gegner Kohlbrenners wird in diesem Ge¬ 
suche zum erstenmal genannt, der Oberlandregierungssecretarius und imma¬ 
trikulierte Notarius l6S ) Joseph Ludwig Drouin. Er hatte die Stirne, 
gegen Kohlbrenner vorzugehen und sich an seiner Stelle anzubieten. 164 ) 

Was man sich trotz des Privilegs erlauben konnte, zeigt diese unver¬ 
schämte Eingabe des „wirklichen Rats, geheimen und Oberlandesregierungs- 
Sekretär“ Joseph Drouin vom Dezember 1779, in der er die direkte Bitte 
stellt, die Intelligenzblätter ihm zu übertragen. Das Gesuch ist charakteristisch. 

„Eur Chf. Drtl. Höchste Gnade, und Hulde gegen meiner bisher ge¬ 
leisteten geringen Verdienste“, heisst es im Extrakt, den die Landesregierung 
unterm 13. einsandte, „machet mir Mutli, höchst dieselben um Vollendung der 
mir Gdgst. erwisenen höchsten Gnaden Bezeugungen Vnterthenigst anzuflehen. 

Eur Chf. Drtl. wird es noch wohl erinnerlich sein, was massen mir 
höchstdieselben die Censur der hiesigen Zeitung sowohl als des Intelligenz 
Blattes zu ybertragen geruhet haben. Nun aber gebühret nach allem Rechte 
dem arbeither der Lohn. Ich habe die Zeitung zu uerfassen, zu Censireu, 
zu revidiren vnd yberhaupt den ganzen Druck desselben zu befördern: 
bin den Druckereien des Publicums, vnd der ofentlichen Kritik ausgesetzt, 
habe Correspondenzen, vnd schriftliche Nachrichten zu vnterhalten, vnd mehr 
dergleichen andere Bemühungen zu Vnternehmen, vnd für das alles keine ge¬ 
ringste Entgeltung; die Buchtruckerin Vötterin welche die Zeitungsabdrücke 
bisher besorget, vnd die gauze beträchtliche Einnahme dafür eingenohmen hat, 
weigert aber aus Eigennüzigkeit, oder aus Vnuermögenheit dem zeitlichen 
Verfasser vnd Censor ein Jährl. es wohl Verdientes Gehalt auszusprechen. 

Ihr Druck Privilegium die Zeitung betreffend, hat sich dises Jahr 
souill mir bewust ist, Verfahlen, und sie befindet sich nicht mehr im Stande 
der bereits sehr vernachlässigten Zeitung eine bessere Gestalt zu geben, oder 
sie zur Ehre des Vatterlaudes wieder empor zu bringen. Nun dachte ich Eur 
Chf. Drtl. wurden sowohl meinen geringen Verdienst belohnen, als auch dem 
zeitung Blat Von hier, woran dem Vaterlande souiel gelegen ist, wieder auf- 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


135 


helfen können, wenn höchstdieselben das Privilegium das Zeitungs Blatt zu 
verlegen künftighin mir allein zu ybertragen geruheten vnter dem Bedingnüsse, 
dass ich der Buchdruckerin V e 11 e r i n yber die Druck Kosten, welche bey ihr 
fort an verbleiben solten, noch 200 f. Ausstand Geld auf zeit Lebens geben, 
vnd vielleicht auch nach höchsten Gutbefinden etw r as an das höchste aerarium 
jährl. zu uerreichen haben solte, welches beides ich in disem Fahl zu leisten 
verspreche. Auf solche weise wurde ich mich im stände sehen, die Zeitung 
in einen solchen Flor zu bringen, woraus Unsern Vatterland Ehre erwachsen 
müste, vnd allseitiges Vergnügen befördert wurde. Wass die Censur des In¬ 
telligenz Blates anbelanget, so könten Eur Chf. Drtl. selbst Gdgst. vermuthen, 
was mir diser äusserst gefährliche Man, der wider mich schon Viele Ein¬ 
wendungen gemacht hatte, und schon so oft von höchsten Stellen abgewisen 
werden muste, für grosse Mühewaltung machen müsse, weil ich ihm gar nicht 
trauen darf; so hab ich original vnd abdruck mehrmal zu durchlesen, vnd 
mich bey iedem Stücke besonders zu uersichern, welches mir sehr vielle Zeit 
wegnimt, ohne die vielen Verdruss zu berechnen, welche mir diser so schikanen¬ 
volle Man jmmer zu machen fort fahrt Nun dafür habe ich mehr keinen 
Heller als Verdruss, vnd nicht selten wohl gar Verleumdung vnd Verkleinerung 
bey dem Publicum. Eur Chf. Drtl. dachte ich ohnmasgeblich könten einen 
theill sowohl, als den andern helfen, wen höchst dieselbe den Kolbrener, 
der ohnehin seines Eigennuzes wegen so grossen widerspruch leidet, vnd sich 
auf Kosten des Vatterlandes, wie bekant, bereichet hat, das Intelligenz Blatt 
abnehmen, selbes mir oder einen andern tichtigen Man auf Rechnung geben, 
vnd den überflus der Erungenschaft dem höchsten aerarium einuerleibten, 
welches keine geringe Summa ausmachen, vnd sich beylaufig gegen die 3000 f. 
belaufen wurde, hierdurch wurden taugsame Köpf Vnterhalt finden, die ich 
mir gewies aus zu suchen wüste, und die vielen Zwistigkeiten des Inteligenz 
Blates wegen wurden füglich gehoben seyn.“ A65 ) 

Auf dies Gesuch Drouins erfolgte bereits am 3. Dezember Recherche. 
Drouin hiess es, wolle „das Intelligenzblatt mit aufnehmen dürfenden ge¬ 
schickten Subjectis zu höchst dero Vortheil auf Rechnung geben“ und dafür 
nur von Büreauarbeiten entlastet sein. Man glaubt seinen Augen nicht, wenn 
man in Nummer 5 des Intelligenzblattes vom 13. Februar 1779 (S. 49) das 
kurfürstliche Privilegium impressorium liest, wo erklärt ist, man habe das 
Privileg „vom heutigen Dato an, auf weitere zehen Jahre in höchsten 
Gnaden respect. extendirt, sohin ihme diese gemeinnützliche Herausgabe 
seines so rubricirt Churpfälzisch-Baierischen Intelligenzblatts, nach bisheriger 
Art und Eintheilung, fortsetzen zu können, gnädigst gerne bewilligt“ und 
dagegen das kühne Ansinnen eines Beamten um die gleiche Vergünstigung 
unter gewalthätiger Entfernung des Privilegierten hält. 

Kohl brenn er erhielt am 13. Dezember wirklich die Weisung, sein 
Patent vorzulegen. Schon am 8. Dezember hatte er dargestellt, wie er, ge¬ 
stützt auf sein allerhöchstes Privileg, Papier an gekauft und Drucker bestellt 
habe, also ohne schwere Schädigung seines Vermögens plötzlich gar nicht 
aufhören könnte. 


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136 


Karl von Reinliardstöttner 


„Gleichwol getrauet sich mein Censor v.Drowin die hohen und höchsten 
Stellen mit Suppliquen und Vorschlägen anzulaufen, um das mir gdgist. er- 
theilte Privilegium an sich zu ziehen und wie ich vernehme, sollen seine 
Schriften anbey auch mit Verunglimpfungen angefüllt seyn, von Triebfedern 
des Neides getriben, um die Lust nach fremden Gut zu befriedigen. Da nun 
derselbe durch dieses ungesittete Bezeigen sich selbst wider mich zur Parthey 
macht, wie kann er dann ferner mein Censor, mein Richter im litterarischen 
Fach, in der Moral seyn ?“ 

Er bittet um Herausgabe der Drouinscheu Schriften. „Es fil mir zu 
schmerzlich, wenn solch verkleinernde Schriften von meinem Abholden, wie 
ich vernehme bey der hohen Landes - Regierung in actis liegen verblieben“. 
Er ahnt, dass einstens auch die Archive ausgegraben würden! 

In seiner Antwort vom 23. Dezember spricht sich Kohlbrenner 
unter Vorlage des Privilegs und Wiederholung der grossen Schädigung, welche 
ihm ein plötzlicher Entzug der Blätter bringen würde, schärfer über Drouins 
Bewerbung aus. 

„Desto auffallender war es mir“, schreibt er „dass einer daher kommet, 
der mich jetzt aus meinem Eigenthum, aus meinem eingerichteten Haus ver¬ 
treiben will, welches ich unter höchst landesherrlicher Begünstigung auf meine 
Kosten und Risico gebauet habe. Der sich nicht gescheuet hat, ohne Einsicht 
in dieses Geschäfft, ohne Berechnung der jährlichen schweren Ausgaben und 
hieraus erlauffenden Unkosten nur aus Habsucht, Neid oder Desperation um 
mein mit saueren Schweis errungenes Vermögen anzuhalten; der sich nicht 
schämet sogar die höchste Stelle mit einer Blend - Rechnung anzulaufen. 
Der weil ihm Christen - Pflicht und Recht entgegen sind, zur Verläum- 
dung seine Zuflucht nihmt, und mich als einen äusserst gefährlichen Mann 
angibet, den Beweis aber schuldig bleibt. Und wer ist dieser? -- Mein 
Censor selbst, der es übernohmen hat, im litterarischen Fach, über Relligion, 
und gute Sitten Richter zu sein. Ich habe ihn nicht darzu erbethen: vielmehr 
die gerechte unterthänigste Bitte gestehet, die Censur dem eigends ungeord¬ 
neten Churfrtl. Censur Collegio gdst. zu überlassen, wohin ich mit der Censur 
seith ao. 1769 an gewissen war: und diese Censur erst durch den Droin vom 
Censur Collegio abgerissen worden ist: einem Mann, welcher seine Censur zu 
vertheidigen einmal die Kräften nicht hat. Ich bitte dahero unterthänigst 
nochmal Euere Cliurftl. Drlt. wollen mich mit der Censur eines Mannes, der 
um mein Vermögen anhaltet gnädigst verschonnen. Daher die Censur höchst 
dero Censur Collegio gdigst. zu übertragen. Der Author muss seine Sicherheit 
haben, welche Euer Churfrt. Drtl. jedem gnädigst versprochen, der sich höchst 
dero Censur Collegio unterwirft.“ 

Nach einigen geschäftlichen Erörterungen gegen Drouins Projekte 
und Berechnungen schliesst er in der Hoffnung, „das gdst. abgegebene 
heiligste Wort des Privillegij“ werde seine „beste Schutzwehr wider alle Un¬ 
fälle solcher Rechenmeister und Adepten, welche aus den Wolcken Dünste 
fangen und daraus Gold machen wollen“, bleiben. Er erbittet sich einen 
andern Zensor, „damit die höchste Stelle von allen solch unruhigen Köpfen, 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


137 


Käufern, und hungerigen Projectanten wie Drowin sich signalisirt hat, hin¬ 
künftig unbehelliget bleiben möge“. 

Nach verschiedenen Unterhandlungen über Lieferung der Blätter erfolgte 
am 22. April 1780 ein kurfürstliches Dekret: „Anlangend das Intelligenzblatt 
sind höchst dieselbe nicht gemeinet, dass solches dem zeither allerdings es 
wohl besorgten und dazu absonnders gefreyten Titel Kohlbrenner entzohen 
werde, sondern wolle selbiges ihme fernerhin belassen . . . Die Übersehung des 
Intelligenzblatts aber wollen höchst dieselbe dem Bücher Censur Collegio 
gnädigst überlassen.“ So hatte also Kohlbrenner doch gesiegt. Das um¬ 
fangreiche Gutachten der Hofratskammer vom 29. März 1780 gereicht dem 
Gerechtigkeitsgefühle dieses Kollegiums zur Ehre. Sie äussern sich scharf 
über die „Spöttereyen“ Kohlbrenners und meinen, „dass die Intelligenz¬ 
blätter auf einen bessern Fuss eingerichtet werden sollen“. Sie machen zahl¬ 
reiche VerbesserungsVorschläge, aber sie sind „der unfürgreifliehen Meynung, 
dass dem dermaligen Inhaber das Privilegium impressorium dermal noch nicht 
abgenommen werden solle, weil ihm dasselbe neuerdings bestätigt worden“. 
Auch halten sie Drouiu nicht für den geeigneten Zensor 166 ). Die Abweisung 
liess Drouin nicht zur Ruhe kommen. Noch am 15. März 1783 (Int. Bl. 
Nr. 12. S. 118) verwahrt sich Kohl brenn er öffentlich gegen seine „neue 
sogenannte gelehrte Zeitung“ und dass „darinn offenbar falsche Sachen wider 
uns ausgestreuet werden“. Vor allem Drouins Vorschlag für das Intelligenz¬ 
blatt „ein Paar gelehrte Schreiberlinge zu halten“ (S. 135) empört Kohl¬ 
brenner aufs tiefste. 

Aber auch das Jahr 1780 verging unter ständigen aufreibenden Kämpfen. 
Die umfangreichen Akten enthalten stets dieselben Klagen über Kosten der 
Verpackung und Versendung der Blätter. Der Rat dagegen beschwert sich 
darüber, dass Kohl brenn er soviel zu schaffen mache; so in einem Schreiben 
vom 4. Mai 1780. 

„Bey der Persöhnlich-geschehenen Vorrufung hat der von Kohl- 
brenner ganz andere Saiten aufgezogen und durch allerhand gegebene Vor¬ 
schlag gesucht, von dem jährlichen aversionsquanto abzuweichen und die 
Bezahlung nach den abgesandten Stücken bey den Ämtern zu erhaschen, 
welche jme ganz unlaugbar einen grossem Nuzen als die aversionssumme 
verschaffen würde“. Der Rat verfährt sehr kalt. Er glaubt, dass „des von 
Kohlbrenners Absicht ohnehin nur dahin gerichtet ist, dass selber die 
proponentes und Kanzley mit vnaufhörlichen neuen Vorschlägen, welche mau 
immerhin zergliedern, widerlegen — und die vnthunlichkeit mit nicht geringer 
mühe aufklären solte, mithin hierdurch desto mehr seinen suchenden Profit 
erhaschen mochte ... Wür sind Endlich betnüssiget, all dieses nicht aus Miss- 
gunsst, sondern einzig und allein darum hinzuschreiben, damit dieses Mauus 
vorgeblicher Patriotismus und Vneigennüzigkeit höchsten Orts selbsten auf 
die ächte Waagschal geleget werden möge.“ 

Doch erhält er die 650 fl., aber alles wird peinlich festgesetzt; bald 
jedoch mangelt wieder die Lieferung nach Mannheim. Der Kurfürst lässt 
Kohlbrenuer am 10. Mai 1780 wissen: „Wormit also wollen wir den immer- 


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13« 


Karl von Reinhardstöttner 


wahrenden belästigungen wegen dem Intelligenzblat einmal um so mehr ein 
Ende wissen, als diese Sache so klar auseinander gesezet ist, dass ihr euch 
dereinst hiemit allerdings beruhigen könnet.“ 

Diese Antwort bedauert Kohlbrenner unterm 19. Juni 1780 sehr 
schmerzlich. „Nur will mir schwer fallen, dass Euere Churfirtl. Drtl. unterm 
10. May a. c. dero gnädigstes Gehör übers Intelligenzblatt zwar nicht bei 
höchst dero Person, sondern bey dero Löbl. Hofkammer versaget haben. Ich 
bin doch auch ein wirklich frequentirendes Mitglied dieses hohen Collegii 
und höchstdieselben haben mir schon ao. 1765 von Mannheim aus, das gnä¬ 
digste Decret eines Raths in geographischen Geschäften huldreichst herauf - 
geschickt; nur bey höchstdero lobl. Hofkammer, wo ich schon 22 Jahre diene, 
und mit wahrhaft patriotischen Eyfer merkwürdige treue Dienste geleistet habe 
nur da ist mein Namme so schwarz angeschriben. Ich kann nicht davor, dass 
meine Vorältern seith 1429 in Bajern sich Kohlbrenner benamset haben.“ 

Das Privileg bezeichnet Kohlbrenner als einen Teil seines Ver¬ 
mögens, er muss lange voraus arbeiten. „Da ist mir nicht geholfen, dass man 
heuer unterm Jahr mir nicht aufkindet, wie ao 1778 ex abrupto zu meinem 
grössten Schaden geschehen ist. Selbst der Proponent (welcher jene Sicher¬ 
heit, die Er selber gern hat, nach der Lehre des Evangeliums auch andren 
nicht hinterhalten darf) würde darüber für die Zukunft schüchtern seyn, wenn 
ihm jenes begegnet wäre, was mir begegnet ist: Da nämlich als ich das 
gnädigste Privilegium von jetzig gnädigster Landsherrschaft fortan erhalten 
habe, heuer dennoch einer auf den frommen Einfall gerathen ist, nicht aus 
Neid, sondern aus etwa guter Meynung, der hiesigen Academie anzutragen, 
ob es nicht gefällig wäre, das Intelligenz Comtoir zu übernehmen, folglich 
mich trocken zu setzen. (*Eben heut Abends bey dem Neuhauserthor sagte 
mir der Churfürstl. Hofkammersecretarius Spann, dass er nächstens einen 
befehl aufsetzen werde, wo das Intelligenzblatt gar aufhören muss. Bin ich 
darüber zu verdenken, wenn ich bey einer solchen Libe des Nächsten auf 
meine Sicherheit bedacht sein muss? um die Sicherheit bei meinem Vermögen 
hat man noch keinem Unterthan noch ihm das gnädigste gehör versagt.) Zum 
Glück für mich, dass die academie die Beschwernisse, Risico, und schwere 
Ausgab und Arbeit besser als der Rathgeber eingesehen und sich dafür 
bedankt hat“ 167 ) 

Am 8. Mai 1780 schrieb Kohlbrenner aufs tiefste beleidigt 
seine „Anmerkungen über das Inteligenz Blat und die trangsaalen, Schäden, 
Schmach und Unbilden, so man demselben erst neulich wieder angethan“ 
nieder. Vergeblich habe er laut Kontrakt die Intelligenzblätter hinausgegeben, 
da wurden 119 Bände „abgekündigt“; dadurch erwuchs ihm ein Schaden von 
428 fl. 24 Kr. Über diesen und anderen Schaden, um dessen Ersatz er bat, 
„ist der Herr Proponens so aufgebracht, dass er nicht nur drohet, mit einem 
bericht ad Intimum mir das Privilegium zu nehmen, sondern Er ist auch un¬ 
erwartet gehässig, dass er mir beynahe den gesunden Menschenverstand und 
alle Wissenschaft abbricht, indem er mir laut Befelch vom 2. May ai. curr. 
drohet und dieses der ganzen Kauzley zu meinen grössten Schmach lesen lässt, 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


139 


dass man das Intelig. Blat einem gelehrten wie in andern Ländern zu über¬ 
lassen einrathen würde.*) Und das hohe Kammeral Directorium hat diesen Be- 
felch auch wirklich unterzeichnet, folglich ist selbes hiemit einverstanden.“ 

Von den bewilligten 650 fl. verbleiben Kohlbrenner pro 1780 nur 
noch 185 fl. 36 Kr., „um welche der Neid ja nicht ursach haben wird, mir 
Grobheiten anzuthun, mich in den Kanzleyen zu prostituiren und mir alle 
Wissenschaft oder Litteratur abzusprechen.**) Ich mache verzieht auf dem 
titl eines gelehrten, aber der Baur ist ein gelehrter der seinen acker genau 
kennet, und ihn recht zu bearbeiten gelehrnt hat. Und Kaniz sagt: Ein 
Deutscher ist gelehrt, wenn er sein Deutsch versteht. Im übrigen wil ich 
obige beschädigungen iedem auf sein zartes gewissen überlassen, es zu be- 
dencken und das hohe Directorium gebethen haben, wenigst mit neuem Schmach 
und Unbilden mich verschonen zu lassen.“ 168 ) 

Den 3. Juni 1781 >macht Kohlbrenner den Vorschlag, die General - 
mandate drucken zu lassen. Bisher wurden die landesherrlichen Verordnungen 
von dem Schergen oder Gerichtsdiener „an die Würthshäuser“ angeschlagen, 
„wo weder der Durstige noch der Betrunkene sie liesst, wohl aber von der 
muthigen Bauernjugend in etwelchen Tagen verrissen oder von dem ungewitter, 
welchen selbe ausgesetzt sind, verderbt und unlesbar gemacht werden“. Er 
will „den ganzen Jahrsgang, welcher in 25 bis 30 Bogen samt einem Register 
bestehen soll, vor 54 kr“ liefern und „das ganze Jahr vor 12 kr“ an die 
Behörden spedieren. 

Schon am 13. Juni wurde Kohlbrenner zurückgeschlossen, dass sein 
„Vorschlag sowohl als auch die hiernach bemessene Vergütung auss guten 
und wohlüberlegten Ursachen nicht thunlich“ sei. 

Unterm 30. August 1781 bringt Kohlbrenner ein Verzeichnis aller 
jener Städte und Märkte, die „zugegen der unterm 17 Xbris a. 1766 ergangen 
gdsten Anbefehlung die Intelligenzblätter dermahlen nicht mehr abnehmen“. Es 
sind ihrer 53 aufgeführt. Es sei dies zu bedauern; denn auch der Bürger 
könnte manches aus ihnen lernen. „Eine aufgeklärte Bürgerschaft wird allzeit 
in bessern Vermögen stehen als eine trübe, in tiefer Unwissenheit steckende, 
deren Vorurtheile sie in der Armuth erhalten.“ Wohl kommt es vor, dass „der 
Marktskammerer, der etwa ein dicker Bierbräu ist, dieses Blatt für unnöthig 
hält . . . die Cf. landsväterliche besstgemeynte Absicht glischt ab bey einem 
solchen Bierbräu . . .“ Diese rückständigen Märkte sollen neuerdings auge¬ 
halten werden, das Blatt zu abonnieren. „Damit man aber besser erkennen 
möge, wie sehr übel ein Author heut zu tags noch in Baiern daran ist, eine 
periodische Schrift pro bono publico herauszugeben, so kann ich mit meinen 

*) Man wird hoffentlich nicht blos denjenigen allein für einen gelehrten halten, 
der die lateinische Sprache besitzt, ich habe etliche davon, der ich ein Deutscher bin, in 
meiner deutschen Schreib-stube nicht brauchen können, weil sie ihr eigne Mutter-spracli 
nicht gekonnt 

**) Entzwischen ist es eine Ehre fürs Vaterland Baiern, dass ein Landskind, und 
zwar ein Deutscher, ein Ungelehrter 16. Quartbände von Landsverordnungen, Preise der 
Venalien, Künsten und Erfindungen, Wissenschaften, Sitten und Gebräuche zum Nuzen 
des Vaterlandes mit Beyfall des Auslands, ediret hat. 


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140 


Karl von Reinhardstöttner 


Registern beweisen, dass mir seith 5 bis 6 Jahren 1143 fl. böse Schulden von 
schlechten Zahlern angewachsen sind, folglich der Profit vom Intelligenzblat 
um so kleiner ausfällt, als mir dermal Papierer und Drucker aufgeschlagen haben“. 

Nochmal kommt er am 21. Juni 1781 mit der Idee des Monatlichen 
Intelligenzblattes, das alle Verordnungen enthalte und legt No. 5 (Mai) als 
Probe vor. 

Am 4. Oktober 1781 erhält Kohlbrenner zugeschlossen, „dass sich 
jene allegierte Ausschreibung d. d. 17. Dez. 1766, welche an die sammentlichen 
Stätt und Märckte hinausgegangen seyn solle, bey denen Hofkammer actis 
nicht vorfündtet, mithin diese Ausschreibung vermuetlich von einer andern 
Stölle geschehen sein müsse, derohalben Ihr auch dahin umso mehr ange¬ 
wiesen werdet, als man diesorts aus aigenen Machten sich nicht getrauen 
könnte, die angezeigteu Stätte und Märckte zur abnahme erwähnten Intelligeuz- 
blats absolute anzuhalten.“ 

Dennoch geht man Kohlbrenners Idee der monatlichen Intelligenz¬ 
blätter für Obmänner weiter nach. Man recherchiert die Kosten des Druckes 
der Verordnungen (14. Nov. 81). Von 1772—81. 7332 fl. 14 kr., also 733 fl. 
13 1 kr. per Jahr; die Zahl der Obmänner kann die Obere Landesregierung 
(18. Nov. 1781) nicht feststellen; es sei „nur soviel bekannt, dass in einem 
jeden grossen Dorf ein Obmann aufgestellt worden seye. Da nun Kohl¬ 
brenner gesagt hat, 3000 fl. sei jährlich auf den Druck verwendet worden, 
werden ihm (12. Dez. 1781) die 733 fl. entgegen gehalten. 

Eine neue Klage Kohlbrenners vom 16. Dezember 1781 führt aus, 
er habe lauter Makulatur; er drängt auf fixe Bestellung; noch schärfer thut 
er dies am 31. Dezember 1781. „Mit einem Wort, ich bitte um die schleu¬ 
nigste Heraussendung der Specification pro 1782.“ 169 ) 

Alle diese schweren Kämpfe bestand Kohlbrenner unter überaus 
schlimmen Gesundheitsverhältnissen, sodass schon im August oder September 
1781 — das Gesuch trägt kein Datum — der bekannte Peter Paul Finauer 170 ) 
sich um das Intelligenzblatt bewerben zu müssen glaubte. Das Schriftstück lautet: 

„Dem sichern Vernehmen nach soll Euerer Churfürstl. Durchleucht 
wirklicher Hofkammer und Mauthrath von Kohlbrenner sich in solchen 
Gesundheitsumständen befinden, die ihme eine kurze Lebensfrist mehr ver¬ 
sprechen können; und im Falle derselbe mit Tod abgehen sollte, so erlöscht 
das ihme auf die Intelligenzblätter gnädigst ertheilte Privilegium. 

Die von mir in Drucke gelegten Schriften mögen die Gewähre leisten, 
dass ich mich auf verschiedene Wissenschaften geleget habe, und da zu Ver¬ 
fassung der Intelligenzblätter ein in der Litteratur und vaterländischen Ge¬ 
schichte ziemlich bewanderter Mann erfodert wird, so ergeht an Eur kurfürst 
Durchlaucht meine unterthänigste Bitte, Höchstdieselben wollen mir ein gnä¬ 
digstes Exspectanz Decret huldreichst ertheilen, dass ich nach Ableiben des 
von Kollbrenners die bajrischen Intelligenzblätter fortsetzen und auf 
meine eigene Kosten verlegen dürfte. 

In Anhoffung einer gnädigsten Bittserhör mich zu churfürstl. höchsten 
Hulden und Gnade unterthänigst empfehle. Peter Paul Finauer“. 


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Johann Kranz von Kohlbrenner. 141 

Am 15. September 1781 erhält Fi n au er Mitteilung, dass Kohl¬ 
brenner die „zugestossene Unpässlichkeit“ in Besorgung der bayerischen 
Intelligenzblätter „nicht gehemet hat, noch das ihme hierüber gnädigst er- 
theilte Privilegium impressorium erloschen ist“. (24. Sept. zugestellt) 171 ). 

Trotz dieses, wie Finauers Gesuch zeigt, allgemein bekannten schlechten 
Gesundheitszustandes arbeitete Kohlbrenner sowohl dienstlich als schrift¬ 
stellerisch ununterbrochen weiter, ohnedass sich seine Verhältnisse angenehmer 
gestaltet hätten. Der alte Gegner Drouin schweigt nicht; er beklagt sich 
im Juli 1782, dass man der Staatszeitung („wovon ich die höchste Gnade des 
Verlags geniesse“) die Veröffentlichung der Generalien erschwere, während das 
Intelligenzblatt die Erlasse eher bekomme; die Streitigkeiten wegen des Ver¬ 
sands der Blätter setzen sich auch im Jahre 1782 fort, obwohl unterm 22. März 
eine Preiserhöhung auf 2 fl. 30 kr. gewährt wird. Am 19. Dezember weist 
Kohlbrenuer noch zahlreiche Städte und Markte nach, die entgegen der 
höchsten Verordnung die Blätter nicht haben oder nicht bezahlten n "). 

In dienstlicher Beziehung hatte Kohlbrenner einen unangenehmen 
Prozess mit dem kurpfalzbayerischen Hofsiegellackfabrikanten Franz Joseph 
Kulnigg zu führen, dessen Verfolgung er unterm 1. Mai 1782 beantragte. 
Kulnigg hatte das Privileg, alle bayerischen Mautämter mit dem nötigen 
Wachs zu versehen, dessen Güte Kohlbrenner in ernste Zweifel zog. Der 
Prozess war bei Kohlbrenners Tod noch anhängig und letzterer zu einer 
monatlichen „Alimentation“ an Kulnigg verpflichtet worden. Wieviel Kohl¬ 
brenner an der Lösung dieses Ehrenhandels lag, geht daraus hervor, dass 
er selbst in seinem Testamente noch (S. 147) die Klarlegung dieses Rechts¬ 
streites verlangt. 

Von der ungeschwächten Schaffenslust Kohlbrenners zeugt ein 
neues Unternehmen aus dem Jahre 1782. die „Materialien zur Geschichte 
des Vaterlandes, dessen heutige Geographie, Natur-Producte, Landwirth- 
schaft, Manufacturen, Nahrungsstaud, alte Sitten und Gebräuche in verschie¬ 
denen Gegenden Baierns, dann der Herzogthümer obern Pfalz, Neuburg und 
Sulzbach“. (I. Stück, 96 SA — Die Intelligenzblätter werden ihm zu enge. 
Immer wieder macht er den Versuch, in einem Beiblatte, das einzig der Be¬ 
lehrung gewidmet sein soll, Licht zu verbreiten unter allen Kreisen der Be¬ 
völkerung. „Der Flor der Laudwirthschaft“, heisst es auf dem ersten Blatte, 
„ist die Grundquelle, welche in alle übrige Nahrungsarten einen gesegneten 
Einfluss hat: und nichts ist so nothwendig, als ihr die höchste Vollkommen¬ 
heit zu geben“. Darum soll nach dem Vorberichte eine Darstellung der in 
den vereinigten Herzogtümern vorhandenen „Natur- und Landesproducte, 
Ackerbau und Laudwirthschaft, wie sie vor Alters war, und wie sie heute ist“, 
gegeben werden, ein Beitrag, der gewiss jenen willkommen ist, „welche über 
vorangesetzte Gegenstände seiner Zeit eine vollständige Geschichte unsers ge- 
sammten Vaterlandes verfassen“ wollen. Die älteste Geschichte Bayerns, Bio¬ 
graphien berühmter Persönlichkeiten, historische Anekdoten sollen den Inhalt 
der Materialien bilden; es soll nicht „aus 9 Büchern das zehende gemacht“, 
sondern neue Forschungen zutage gefördert werden. ,,Ich wall meinem Vater- 

Baver. Forschungen VI, 2. 10 


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14 2 Karl von Reinhardstöttner 

lande dienen“, erklärt Kohlbrenner, „und ihm nutzen. Und wenn dieses 
meinen Abholden und Neidern nicht gefallen sollte: so bitte ich sie, mich 
darüber zu belehren und recht laut zu schmähen, damit die Exemplare der 
kleinen Auflage geschwinder vergriffen werden“. 

Man sieht, mit welch richtigem Blicke der Herausgeber an seine Arbeit 
schritt, indem er wünschte, was fast fünfzig Jahre später Bayerns grosser 
König, Ludwig der Erste, in einem Kabinettsbefehle vom 29. Mai 1827 
zur That machte 178 ) und in wiederholten späteren Erlassen anbefahl. Er hatte 
es auf Beschreibung und Erhaltung alter Denkmäler und geschichtlicher Über¬ 
reste abgesehen, indem er sich an den „Patriotismus aller (PI. T.) Kloster- 
Vorsteher, Archivarien, Bibliothekarien, Diplomatiker, Alterthumsforscher, 
Bürgermeister und Stadt-Obrigkeiten, Fabrikanten und geschickter Landwirthe“ 
wendete, mit der Bitte, ihm „ihre gute Bemerkungen einzusenden, und das 
Wissenswürdige zum Nutzen der Nachkommenschaft mitzutheilen, damit sie 
dereinst nicht sagen könne, wir hätten nichts beobachtet, nichts aufgeschrieben, 
und nichts gethan“. 

In stilistischer Beziehung hat er das Volk im Auge; denn „der Mittel¬ 
stand unserer lieben Mitbürger in Baiern, für den wir eigentlich zu seiner 
Belehrung schreiben, ist vielleicht der grösste Theil von unsern Lesern“. Auch 
schöne und zahlreiche Kupfer „von guten Meistern“ zieren das Buch; denn 
nur durch gute Zeichnungen bekommen junge Leute einen guten Geschmack; 
es „wird ihre Einbildungskraft sich an bessere Ideen gewöhnen“. So bringt 
er ein altes Titelblatt von Raphael Sadeler 174 ), achtzehn Medaillen baye¬ 
rischer Fürsten, die Maximilian III. Joseph von Schega 175 ) hatte 
schneiden lassen, von J. Mich. Söckler und ein Bild des heiligen Winthir 
in Neuhausen (bei München). 

Wie sehr Kohlbrenners Gesundheit bereits erschüttert war, als er 
an das neue Unternehmen schritt, beweist die Anmerkung (S. 96), dass diese 
„Materialien“ erscheinen werden, „wie es Zeit und Gesundheit des Ver¬ 
fassers gestatten“. 

Ein begeistertes „Lied an Bojoarien“ eröffnet die neuen „Materialien“: 
„Du schönes Baierland! 

Wie schon, wenn Frühlingsblumen blühen, 

Im göttlichen Gewand’: 

Noch schöner, w'enn die Herzen glühen, 

Aus Lieb zum Vaterland. 

Den Landmann reizen deine Felder, 

Der fetten Rinder Flur. 

Du mahlst ihm Berge, Thal und Wälder 
In schönerer Natur!“ 

Das Lied sollte heute noch in keiner Sammlung patriotischer bayeri¬ 
scher Dichtungen fehlen; denn es ist überaus warm empfunden und verrät 
aufrichtige Liebe zur engeren Heimat. 

Die nun folgende „Reihe der Churfürsteu von der Pfalz aus dem Durch- 
leuchtigst-regierenden Hause“ (8—16) erläutert und übersetzt teilweise die 
lateinischen Inschriften der Medaillen Scliegas. Einige Jahreszahlen (Ludwig 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


*43 


der Bayer 1282 st 1287, Albrecht der Fromme 1401 st 1396) sind 
schon bei Schega zu verbessern. 

Ein überaus interessanter Artikel „Etwas für Genealogisten. Von 
Lauingen“ (16—47) behandelt die Inschriften auf Särgen in der Herzoglich - 
Pfalzneuburgischen Kirchengruft zu Lauingen, wie sie auf allerhöchsten 
Befehl von dem Hofrat Ferdinand von Sezger (1781) abgenommen wurden. 
Noch Haeutle bezieht sich in seiner Genealogie (1870) auf diese Arbeit 
(153. 154. 155), die einige Zweifel löst 

Überaus lehrreich ist die Abhandlung „Zur Geschichte, wie Manufak¬ 
turen und Fabricken in Baiem nach und nach entstanden sind, vom Handel 
mit Salz, Eisen, Getreide und Vieh“ (48—92), eine auf archivalischer Forschung 
beruhende, mit vielen Dokumenten begründete Geschichte von Traunstein und 
seinem von Kurfürst Max dem Ersten erbauten Salzsudwerke, sowie des 
Chiemsees. 

Die „Legende eines frommen seligen Ackersmann eines Bauern in 
Baiem“ (92) (Winthir) schliesst das Werkchen. Auch hier entwickelt Kohl¬ 
brenner, wie allenthalben, seine physiokratische Anschauung in überschweng¬ 
lichster Weise. „Aus allen Ständen ist der Bauernstand der erste, fürnehmste, 
und der nothwendigste; eben darum weil alle übrige Stände von dem gut 
bestellten Ackerbau abhangen, und weil, wenn dieser nachlässig besorget wird, 
daraus für alle andre nichts als Mangel, Armuth, Theurung, Seuchen, und 
Elend entstehen. Der Ackersmann ist es, der Landwirth, der alle hohe und 
niedere Stände, den Geistlichen und Weltlichen, den Soldaten wie den Bürger, 
kurz alle übrige Stände, ja ganze Armeen ernähret“. (93). 

In einem umfangreicheren dienstlichen Gutachten vom 13. Juni 1782 
versucht Kohlbrenner den „Beweiss dass die Blombierung bei jetzig ver¬ 
änderten Umständen in den hirobern 4 Herzogthümmern unnüz und vergeb¬ 
lich, dem Commercio hinderlich, und dem aerario selbst lastbar und schädlich 
sey“. Die Stempelung der accisbaren Waren (nach der Mautordnungsbeilage 
Lit 8.) habe sich als unpraktisch erwiesen. Im Jahre 1768 habe man „wegen 
bevorgestandenen neuen Tabackpacht oder Appalto“ 19 B ) die Stempelung noch 
schärfer betrieben, habe aber infolge davon jährlich 5—6 Zentner mehr Wachs 
bedurft; aber das Ärar hatte nicht bloss diese Auslagen, es wurde auch viel 
Wachs veruntreut und die Stempelung überdies nachgemacht „Es ist un¬ 
schwer zu zeigen, dass die Stempelungsanstalt, so gut und vorsichtig sie auch 
eingerichtet werden mag, in Rücksicht des hierzu erforderlichen mehreren 
Personalis, des Stempelwachs, der Landesvisitations Reisen und Recompensen, 
Kerzen, Licht, Seiden, Zwirn, gemodelten Papieres und Bley jährlich dem 
aerario 3 bis 4000 fl. oder vielleicht eben so viel kostet, als selbst der Landes¬ 
herrliche Antheil an den Confiscat: Strafen beträgt“. Überdies lässt sich 
das Plombierzeichen nicht überall anbringen, z. B. an Galanterie, Uhren, 
Tabackdosen, Stahl, Kupfer, Gold etc.; andere Ware (Seide etc.) wird ver¬ 
dorben. Dabei ereignen sich allerlei Schikanen seitens des Zollpersonales und 
Unterschleif seitens der Krämer. „Wenn man heute hier in der Stad, und bey 
unsere beyläuftig 4600 Landkrämmem nachsehen wollte, würde man dennoch 

IO* 


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44 


Karl von Reinlianlstöttner 


vieleiclit den io. Theil unplombirte Waareu antrefen“, was meist auf Zufälle 
hinausläuft, „die nicht doloso animo geschehen“. Kohlbrenner vertritt 
darum den Grundsatz: „Eine geringe, billige Ein- und Ausfuhr-Zoll-Tarif 
hindert die Defraudationen von selbst“. Das Volk sei bös auf die ganze 
Mautverfassung zu sprechen, ja 1770 beschwerte sich die ganze hohe Reichs¬ 
versammlung in Regensburg über dieselbe. 

Für das sicherste Mittel, den Güterabstoss im Lande zu verhüten, gilt 
die Vornahme aller Visitationen gleich bei den Grenzmautämtern. Die eigenen 
Landesfabrikate sollen gestempelt werden, und wenn ein Meister seine Arbeit 
ausser Landes schickt, so soll er vom Zentner nur einen Kreuzer Zoll bezahlen. 
„Denn wie kann die Landesindustrie emporkommeu, wenn sie, da sie öfters 
vom rohen Materiali herein schwere Zölle und Frachten zu tragen hat, hinaus 
von der Arbeit wider bezahlen solle? — In Engelland gibt mau Prämien zu 
Vergrösserung der Industrie und der Ausfuhr innläudischer Fabrikaten und 
Producten, weil mau Geld ins Land bringt. Dises wäre in Baiern um so 
nöthiger, als sehr viele unserer Handwerker und Fabrikanten au der Wohl¬ 
feile in der Verfertigung der Waare und an der Güte, au Desseius, Schönheit, 
Farbe, Geschmack, Kunst und Qualität gegen die Ausländer noch sehr weit 
zurückstehen“ 176 ). 

Auch im letzten halben Jahre seines Lebens gab Kohlbrenner seine 
gewohnte Thätigkeit ebenso wenig auf, als die Schwierigkeiten, mit denen er 
zu ringen hatte, nachliessen. Noch am 3. März 1783 plant er den Druck eines 
Neuen Testamentes. Er hofft, dass er höchsten Ortes „wenigst mit der Sub¬ 
scription auf 500 Exemplaren für den Adel, für die Räthe und Beamten, für 
die, welche etwa kein Evangelium im Haus haben oder für die Landschulen 
gdst. Unterstützung“ finde. Dabei beruft er sich auf seine Vorsicht in Publi¬ 
kationen und meint, auch „unsre Prediger“ sollten „auf der Kanzel von diesem 
oder jenem schädlichen Buch schweigen, weil es vile von dem auditorio zum 
vorweg verleitliet dasselbige zu kaufen. Daher auch eine Ermahnung an die¬ 
selben gar nicht schaden konnte, ja um so nothwendiger, besonders an die 
Stegreifprediger ergehen sollte, als wir noch bis jetzt kein Prediger Seminarium 
haben, welches wenigst doch bey den Capucinern (die über 45 Kanzeln im 
Lande besetzen) ohne Landsherrliche oder neue Kosten so gut als von Welt¬ 
priestern in München errichtet werden könnte“ 177 ). 

Das Intelligenzblatt blieb indes bis zum letzten Augenblicke Kohl¬ 
brenners hauptsächlichste Sorge. Zwar dankt er unterm 7. März 1783 für 
mannigfache ihm gewordene Förderung, allein der wirkliche Erfolg desselben 
ist nicht bedeutend. Viele, wie z. B. der Markt Nandelstadt, zahlen die Blätter 
nicht, weil sie noch für die nichtperiodische Druckschrift des Hofkammerrats 
von Hilleshe im 178 ) „Der Hausvater“ 3 fl. 44 kr. zu erlegen haben 179 ). 

Die letzte Klage Koh 1 brenn ers stammt vom 7. Februar 1783. Er 
diktiert bereits einem Schreiber und unterzeichnet nur noch. Man wird dem 
letzten Wehruf des Unermüdlichen seine Berechtigung nicht abstreiten. 

„Nun ist Euer Churfrl. Durch!, gdist. bekannt, wie hart und schwer 
es ist, in Baiern eine nüzliche Lecture, ein öffentliches Commercial und oeco- 


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Johann Franz von Kolilbrenner. 


145 


nomisclies Blatt in die Hände der Leser zu spielen, wo wir bekannter Dingen 
auf dem flachen Land kein besonders Publicum antreffen, wobey manchem 
Bürgermeister auf dem Lande ein Cochem, und ein Kalender die ganze 
Bibliothek ausmachen, wo sovile geistl. und weltl. selbst heut zu Tage es 
für ein Problem halten, ob die Aufklärung der Vernunft dem Vaterlande 1111z- 
lich seve? Daher gehts auch mir mit dem Intelligenzblatt eben oft sehr hart. 
Viele Städt und Märkte nemen selbes gar nicht, ungeachtet der gdist. Spezial 
Anbefehlung de ao. 1766. Noch zur Stunde hab ich keine Postfreyheit an 
die Städt und Märkte. Sie müssten für jedes Blatt 6 und 8 kr. bezahlen, 
mithin mehr als ich das Blatt selbst verkaufe, wenn icli nicht deren Versendung 
au viele Städt und Märkte auf der Post veraccordirt hätte.“ Nun führt er 
all die Städte und Märkte au, die ihm (wie Aibling, Mainburg, Deggendorf, 
Moosburg, Landau, Simbach und viele Private) noch schulden. Mit Recht 
kann er sich rühmen: „Diess ist die einzige periodische Schrift, die sich in 
diesem Jahrhundert zur Ehre Baierns noch erhalten hat, und welche ein anderer 
Author vor Menge der Stürme, die dieses unschuldige Blatt schon ausgehalten 
hat, längstens würde von sich gegeben haben, wenn ich (nicht) mit patriotischer 
Standthaftigkeit die gute Sache unerschüttert in den Gang erhalten hätte, weil 
dieses Blatt kraft der Mauthordnung Lit. D. ein Mandatmässig vom Landes 
Regenten selbst dem inn- und auswärtigen Publico der Städt und Märkte 
versprochenes Blatt ist.“ 

So bittet Kohlbrenner denn, die Zahlung der Säumigen zu ver¬ 
anlassen, sowie das Abonnement der noch Ausstehenden zu fordern. 18ü ) 

Welch überaus thätiges an Plänen noch reiches Leben der Tod Kohl¬ 
brenners abschnitt, zeigt, dass dieser eben ein neues Unternehmen begann, 
die „Beiträge zur Landwirtschaft und Staatistik in Baiern“, deren erster Theil 
(92 S.) als „Ein hinterlassenes Werk“, gedruckt bei P\ J. Th ui Ile „und zu 
haben bey den von Kohl brennerischen Erben auf dem Schrannenplatze“ 
noch 1783 erschien. Die überaus frische Vorrede, die von dem Satze ausgeht, 
„dem alten Bojer ist nichts zu schwer“, wendet sich an das Volk und be¬ 
handelt in populärer Form das Dörren des Getreides, dessen Mehl besser und 
dessen Brot dann kräftiger sei; ferner giebt Kolilbrenner eine Übersicht 
der Getreidepreise von 1584 bis 1700 auf die neue Währung ausgerechnet; 
dann eine solche der Viktualien älterer Zeit aus der Kammermeisterrechnung 
Ludwigs in Bayern (Laiidshut 1539), endlich spricht er von Münzen und 
ihrem wechselnden Werte. Diese Studien, die auf archivalischem Boden 
wurzeln, sind trotz ihrer volkstümlichen Art wertvoll. 

Nach schwerem Krankenlager verschied Kolilbrenner am 4. Juni 1783 
geduldig und ergeben. „Er starb“, sagt Westenrieder (122), „wie er lebte, 
äusserst mühselig für sich, und eben darum merkwürdig, erbaulich und lehr¬ 
reich für uns.“ Das Versehen Wes teil r i eders, der ihn (142) am 6. Juni 
(entgegen den Intelligenzblättern) sterben lässt, ist auf alle Biographen Kohl¬ 
brenners übergegangen und findet sich auch auf dem Leichensteine. Auf 
meine Anfrage am Metropolitanpfarramte zu Unserer lieben Frau erwiderte 
mir der hochwürdige Herr Dompfarrer Dr. Lech 11 er, dass der in den Toten- 


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Karl von Reinhardstöttner 


büchem jener Zeit eingetragene Tag stets der Begräbnistag sei. Da sich 
nun Kohlbrenner im Totenbuche unterm 6. Juni eingetragen findet so 
wurde er an diesem Tage begraben. Für die gefällige Mitteilung spreche 
ich dem hochwürdigen Metropolitanpfarramte meinen besten Dank aus. 

Am 6. Juni 5 Uhr abends wurde er zu Grabe getragen. Sein Denk¬ 
mal verkündete über ihn die wahren Worte: „Er war ein bürgerlicher Schrift¬ 
steller, und ein thätiger Bürger. Eine seltene Kühnheit im Unternehmen und 
eine nie besiegte Standhaftigkeit im Ausführen zeichneten ihn bey seinen Zeit¬ 
genossen aus.“ 

Am 26. Mai 1783 hatte er sein Testament in 27 Punkten gemacht; 
einige derselben spiegeln die ganze Gesinnung des Mannes in ihrer vollen 
Eigenart so getreulich wider, dass eine Biographie desselben nicht erschöpfend 
wäre, wenn seine hauptsächlichsten letzten Bestimmungen fehlen würden. Er 
verordnet unter anderem 182 ): 

i mo . Meine Seele gehöret Gott, die ich, wie Jesus mein am Kreuz 
sterbender Heiland, in die Hände des himmlischen Vaters übergebe. Mein Leib 
gehört der Erde: und man soll mich 2 do . zu U. L. Frau Gottesacker, wo meine 
liebe Mutter liegt, hin zu ihr begraben, und uns beyden soll ein Grabstein 
von schwarzen, oder braunen Marmor gemacht, und deutsch unsere Namen 
hingeschrieben werden. 

3 tio . Meine Gottesdienst, alle drey müssen mit deutschen Text von den 
Choralisten gesungen werden: dafür sollen sie doppelten Lohn erhalten, als 
sie sonst von einem figurirten Seelamt anzusezen pflegen. — Für die Seel¬ 
messen hat er bereits gesorgt; sie müssen abgeschrieben werden. Der Chor¬ 
regent erhält hiefür und für die Direktion fünf Dukaten. Im ganzen sollen „bey 
allen 3. Gottesdiensten 108 heilige Messen, nebst drey Ämter, mit deutschen 
Seelenliedern“ gehalten werden. Nur drei Bruderschaften sollen mit der Leiche 
gehen, wofür sie je 5 fl. erhalten. „Die Studenten, welche mitgehen, singen 
deutsch das dies jrae, dies jllae (sic), wie es bereits im Drucke vorhanden.“ 
Als Testameutsexekutor wurde der Oberlandesregierungsrat Benno von Hof¬ 
stet t er ernannt. Sollte er es nicht allein übernehmen, so wäre Kohl- 
brennners Gevatter, Hofrat Ferdinand von Sezger, zuzuziehen. Es soll 
alles friedlich abgehen und vorausgesagt werden, „dass derjenige, der ohne 
Noth murret oder mit Unzufriedenheit sich wider diesen meinen letzten Willen 
auflehnet, sich des ihm legirten Betrags auch verlurstiget machen kann.“ 
Universalerben sind Kohlbrenners beide Schwestern, „Maria Eva Krö¬ 
nin ge rin von Neudenstein Wittwe und Rosina Oberinayrin Salz- und 
Wegbereiterin zu Traunstein.“ Für den Grabstein werden 300 Gulden ein¬ 
gesetzt. „Herr Professor Westenrieder und Herr geistl. Rath von Kohl- 
mann 188 ) besorgen die Aufschriften, welche ganz kurz seyn müssen, um dem 
Neid keinen Anlass zum gespött zu geben.“ 

Kohlbrenner verfügt über eine grosse Anzahl von Gemälden, Büchern, 
Uhren, Ringen und anderen Wertsachen, die er einzelnen Genannten (Westen¬ 
rieder, Kohlmann) vermacht. 

„Meine Bibliotheck erachte ich, wer die Seltenheit und räre Werke 


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Johann Franz von Kohlbreuner. 


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kennet: den wahren jnneren Werthund den kostbaren Band zu schätzen weis, 
dass sie mir sey auf 6- bis 7000 fl. zu stehen geckommen. Ich verstehe aber 
hier jene Bibliotheck, welche in meinem ord: Schreib- und Schlafzimmer be¬ 
findlich ist, sammt dem Naturalien Cabinet lS4 \ in dem grünen Kästl daselbst, 
welches meistens in Landesproduckten bestehet.“ Diese Bibliothek erhielten 
die drei Söhne des Hofkammerdirektors Joseph von Plank. 

Allein diese Bibliothek darf erst dann übergeben werden, „wenn dem 
Titl. Herrn Testamenti Executori und meinen beyden Frauen Schwestern, und 
universal Erbinnen das Absolutorium über die bekannte K u l.n i g g ische 
Asserta wird vorgezeigt werden, oder vielmehr, wenn eine neue Hofkammer 
Resolution oder eine in Pleno verfasste Erklärung, oder Gutachten des Inhalts 
gnädigst vorgelegt, und herausgegeben worden sein wird, dass die über meine 
abgelegte aufgenommen, und justificirte Rechnungen von Ao. 1770 bis 1782 
ausgestellte Hofkammerquittungen, jährliche Resten communication, und Ab- 
solutorien ihre Rechts Kraft, Giltigkeit und Ehren-Versicherung haben; denn 
es liegt die Ehre der hochlöbl. Hofkammer, sowie die Meinige daran * und es 
leidet in Sachen keinen Vergleich — weil der verläumderische Kullnig, so¬ 
wie er es schon lange hätte thun sollen, die Probe seines falschen Asserti 
machen, oder widerrufen oder abbitteu muss. So muss auch die aus Ver¬ 
schulden der vorigen Hofkammer Proponenten, welche die Acte so lang im 
Staube liegen Hessen, veranlasste Alimentation, so dem Kulnigg bisher hat 
verreicht werden müssen, meinen Erben vor der Extradition dieser Bibliotheck 
und des Naturaliencabinets baar ersetzet werden, oder sie muss vom Titel 
Herrn Expeditor Erhard, der sie dem Kulnigg an der Wachslieferuug 
wieder abziehen kann, meinen Erben bezahlt werden: oder sie muss in der 
1783 Hauptbuchhalterey - Rechnung in Ausgab passireu, weil das Stempel¬ 
wachs nicht die Person des von Kohlbrenners angehet, sondern das cameral- 
amt der Hauptbuchhalterey- und das cameral Schreib Material Magazin; denn 
ich versire in facto licito; ich musste meine erhaltene Hofkammer Instructionen 
befolgen, daher weder ich noch meine Erben deshalb etwas zu entgelten haben.“ 

Vielfach bedenkt Kohlbrenner arme Leute, Stiftungen u. s. w. mit 
Legaten und legt auch seinen Erben noch mancherlei in dieser Hinsicht auf; 
doch sorgt er auch für alles, das „Klaggewand“ der Schwestern und das 
„Klaggleid“ der „zwei Dienstbothen“. „Das vorhandene graue Stuck Tuch, 
so gegen 28 Ellen hält, soll unter 6 arme Singknaben nach Siegsdorf“ ver¬ 
teilt werden. „Von dem grünen Stuck Tuch von beyläufig 25 Ellen sollen 
dem Schulhalter zu Häching 5 Ellen zu einer Kleidung abgefolgt, der Über¬ 
rest aber unter die Schulkinder zu Siegsdorf nach der Beschaffenheit ihres 
Fleisses im Lehmen als Proemien zu 4 Ellen ausvertheilt werden.“ Auch für 
sein Seelenheil stiftet er einen „von Koh 1 brennerischen Jahrtag“ nach 
St. Oswald in Traunstein mit 1260 fl., deren Zins er auf 50 fl. 24 berechnet. 
Nach Abzug von 1 fl. für jede Messe und 2 fl. 24 k. für das Amt verbleiben 
jährlich 46 fl. Diese „gehören dem Organisten und Chorregenteu und cautorn 
für Absingung des deutschen Pange lingua in den monathlichen und doners- 
täglichen Processionen, dann des deutschen Predigtgesangs: Jch glaube Gott 


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Karl von Reinliardstöttner 


mit Zuversicht etc., dann des Seegengesanges bey jedem heil. Seegen: Wir 
bethen au etc., so sie das ganze Jahr hindurch beobachten und singen. Dess- 
gleichen für den producirenden deutschen Ölberg in den 6 Fasten-Donerstagen. 

Ein Nachtrag bedenkt auch noch seine „Taufgöthen“ und „Firmgöthen“. 

Nummer 23 des Intelligenzblattes vom 6. Juni 1783 enthält (S. 220) 
die schlichte Anzeige von Kohlbrenners Tod „nach einer langwierigen 
schmerzhaften Krankheit, an der Windwassersucht. Seine herausgegebenen 
Schriften und sich darum erworbenen Verdienste sind in der gelehrten Republik 
hinlänglich bekannt.“ Mit mehr Wärme berichtete die „Allgemeine Deutsche 
Bibliothek“ 185 ) das Ereignis mit den Worten: „Den 4 ten Juuius starb zu 
München der Herr Hofkammerrath von Kohlbrenner, ein überaus einsicht¬ 
voller, wohldenkender und thätiger Mann, der gewissermassen ein Märtyrer 
seiner redlichen Absichten zu Beförderung der Aufklärung und gesunden 
Vernunft geworden ist. Er hatte besonders einen grossen Eifer, deutsche und 
vernünftige Kirchenlieder in die katholische Kirche einzuführeu und dadurch 
bessere Gesinnungen unter dem Volke zu bewirken. Er konnte aber nicht 
durchdringen, und ward darüber sehr verfolgt.“ * 

Nun sah auch die Regierung ein, dass nicht jede Persönlichkeit ge¬ 
eignet sei, die Intelligenzblätter zu leiten. In der amtlichen Anzeige von 
Kohlbrenners Tod (6. Juni) heisst es u. a. „Das Intelligeuzblat aber, ob¬ 
schon auch ein Unstreutiger Theil des Mauth und Comercien wesen, wegen 
welchen es urspringlich aussgekommen, wäre ein besonderes Privilegium, 
welches nicht so glatterdings, wie ein Zeitungsschreiben zu beobachten, sondern 
von denen in der Mauth und Comercialwesen einschlägig articlen nur Ver¬ 
ordnungen selectain Personae industriam erfordert, Welches auch einen be¬ 
sonders importanten Verlag und einen berechtigten Zusammenhang des Jahr¬ 
laufs verlanget.“ 186 ) Die Wahl einer geeigneten Person fiel auf Peter Paul 
Fi 11 au er, wovon unterm 28. Juni 1783 die K ohlbreu 11 er sehen Erben 
verständigt wurden. 

„Da Seine Kurfürstliche Durchleucht bereits unterm dato Neapel des 
11 hujus eventualiter gnädigst resolviert haben, dass das Privilegium des 
Intelligenzblattes, im Falle der Hofkammerrath von Kohlbrenner mit 
Tod abgehen wird auf den Peter Paul Finauer in der Maas, wie es jener 
inne hatte, ausgefertigt werden solle, als bleibt der Oberlandes Regierung ein 
solches mit dem Auftrag unverhalten, dass den Kohlbrenuerischen Erben 
hiervon Nachricht ertheilt werde.“ 187 ) 

Als später Finauer am 22. November 1788 aus dem Leben schied, 
bewarb sich ein Mann um die Redaktion des Intelligenzblattes, der wie keiner 
berufen war, es zu führen, Dichter und Schriftsteller, Gelehrter und Patriot, 
ein Märtyrer für das bayerische Schulwesen — Ludwig Fron¬ 
hofer. Um der trefflichen Biographie Muggeuthalers ,8S ) ein neues Blatt 
ein zu verleiben, mag das Gesuch Fronhofers in den Anmerkungen folgen 189 ). 
Dass man für den edlen Patrioten nichts that, im Gegenteile ihn auch hier 
abwies, versteht sich von selbst. Der Ehrenmann und Patriot war nicht 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 149 


genehm. Burgholzer 190 ) übernahm nach Fi n au er bis zum Jahre 1795 
die Leitung des Blattes. 

Überblicken wir Kohlbrenuers gesamte Thätigkeit, so fällt es auf, 
dass man trotz der ununterbrochenen Reibereien und Verfolgungen, welche 
ihm seine litterarische Arbeit eintrug, ihn niemals fallen liess, dass strenge 
Massregelungen des Schriftstellers häufig mit Beförderung des Beamten gleich¬ 
zeitig erfolgen. Diese überraschende Erscheinung hat ihren zweifellosen Grund 
in der seltenen Verwendbarkeit, dem hochgradig entwickelten Verwaltungs¬ 
talente und dem unentwegten Fleisse, den Kohlbrenner in allen dienst¬ 
lichen Angelegenheiten entfaltete, Eigenschaften, von denen die beiden Kur¬ 
fürsten, welchen er diente, sicher überzeugt waren. „Was aus seiner Hand 
kam“, sagt Westenrieder, (S. 9), „war mit der äussersten Genauigkeit und 
Einsicht bearbeitet.“ „Er entdeckte Fehler und Mängel, oder Quellen er¬ 
giebiger Vortheile, die kaum jemand wahrnahm, und wo es darauf ankam, 
weitläuftige Pläne oder Tabellen herzustellen, und in einer langwierigen Mühe 
auszuhalten, da war man überzeugt, einen erfahrnen, richtigen und höchst 
sorgfältigen Mann vor sich zu haben.“ (S. 12). 

Er regelte das Triftwesen nach eigenen praktischen Gesichtspunkten, 
er gab der Mautverwaltung eine völlig neue Gestaltung; nichts, was dem 
Staate von Nutzen war, entging seinem Scharfblicke, keine günstige Gelegenheit 
übersah der gewandte und kluge Beamte zu einer Zeit, wo mau allen Ernstes 
lehrte, „die Quellen der Landesnahrung aufdecken sey gerade soviel als die 
Geheimnisse des Landes verrathen“ 19 J ). 

fcur der Beharrlichkeit Kohlbrenners gelang es, Amtsarbeiten durch¬ 
zuführen, unter deren Erledigung andere thatsächlich erlagen 192 ). Nur ein so 
klarer Geist, wie derjenige Kohlbrenners, konnte sich an derartig wichtige 
Aufgaben wagen, wie die Herstellung einer umfassenden Statistik Bayerns 
war, zu deren Bewältigung er eingehende, überaus geschickt abgefasste und 
sachlich gehaltene Fragebogen entwarf und drucken liess 193 ). 

Dass er gleich streng gegen seine Untergebenen, wie gegen sich selbst, 
war, dass er von seinen Hilfsbeamten dieselben Anstrengungen forderte, denen 
er selbst sich unterzog, erweckte ihm selbstverständlich zahlreiche Gegner; es 
fehlte nicht an Spottschriften und satirischen Zeichnungen über ihn, an 
Schmähartikeln, die besonders auch seine krüppelhafte Körpergestalt in un¬ 
flätigem Witze lächerlich machten; ja er hatte zeitweilig sogar für seine 
persönliche Sicherheit zu bangen 194 ). Er „stund eben“, wie Westenrieder 
(S. 87) sich äussert, „gar vielen im Weg; er sagte durch seine Handlungen 
gar vielen, dass er sie kenne und nicht fürchte, und er nahm es, wie bekannt 
ist, immer mit ganzen Partheyen auf“. 

Dabei war Kohl brenn er s amtlicher Wirkungskreis noch dazu von 
jener heiklen Art, die den damit Betrauten nur zu leicht dem Gerede böser 
Zungen preisgeben kann. Wenn ersieh (i. J. 1770 bis 1773) aufs entschiedenste 
für die Aufhebung des Tabaksappalto 195 ) und die Freigabe des Tabakshandels 
verwendete, so lag es den Feinden wohl nahe, ihn zu verdächtigen, als ob 
allerlei durch private Interessen an der Sache beteiligte Händler hinter ihm 


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Karl von Reinhardstöttner 


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stünden; allein trotz seiner höhnischen Bemerkungen (S. 51) bringt der 
anonyme Biograph hiefür auch nicht den allergeringsten Beweis; ebenso kann 
man die weitere Bemerkung desselben, man könne aus der Freigebigkeit des 
Linzer Lederfabrikanten Bernhard Ha yd 196 ) gegen die Kanzlisten „auf 
dessen Freygebigkeit an den Kohlbrenner schliessen“ (52), nur als eine 
unbewiesene, freche Verleumdung ansehen. Gerade als Beamter steht Kohl- 
breuner unantastbar da, und in dieser seiner Unbescholtenheit allein müssen 
wir die Ursache erblicken, warum der gehasste und beneidete Mann, dessen 
Sturz kurzsichtige Vorgesetzte, engherzige Amtsgenossen und streng über¬ 
wachte Unterbeamten, beschränkte Dunkelwichte und abgewiesene Bestecher 
als den höchsten Triumph begrüsst hätten, sich allezeit fest zu behaupten 
vermochte und dies in eben jenem Amte, dessen Handhabung durch die 
schwierige Stellung dem Publikum, den Industriellen, den Pächtern und 
Monopolinhabern gegenüber nicht nur der Unbestechlichkeit zahlreiche Ver¬ 
suchungen nahelegte, sondern auch der üblen Nachrede manchen scheinbaren 
Anhaltspunkt bot. 

Nur ganz nebenher lief die umfassende literarische Thätigkeit des 
rastlosen Mannes, die ihm bei seiner mangelhaften Vorbildung gewiss nicht 
so leicht wurde 197 ), wie manchem in den Schulen herangereiften. Bedenkt 
man dazu noch, wie zutreffend Westenrieders Urteil (S. 19) ist, dass 
Werke, wie das Iutelligenzblatt nur „mit der Keule in der einen und dem 
Schwert in der andern Hand auf geführt werden“ können, so muss sich unsere 
Bewunderung vor dem nie ruhenden Geiste noch wesentlich erhöhen. 

Auch das Ausland erkannte Kohlbrenners Verdienste au 198 ). Zahl¬ 
reiche gelehrte Gesellschaften (die fürstlich deutsche zu Anhalt Bernburg 
1772, die ökonomische zu Diespa in der Lausitz 1774, das Institut der 
Moral auf der Akademie zu Erlangen 1776, die naturforschende Gesellschaft 
zu Zürich 1778, die Accademia degli Aspiranti zu Conegliano 199 ) 1782) 
ernannten ihn zu ihrem Mitgliede. Et selber zeichnet sich sehr häufig als 
solches der k. k. Akademie zu Rovcreto 2Ü0 ), der er seit 1773 angehörte. 
Auch sein Adelsdiplom führt diese Ehrungen alle auf. 

Diejenigen, welche wiederholt sagten und sagen, Kohlbrenner habe 
bei allem sein eigenes Interesse im Auge gehabt und nur Dinge ernstlich 
vertreten, aus welchen ihm selber irgend ein Vorteil erwuchs, kennen das 
innere Wirken des Mannes nicht. Jahre verwendet er z. B. darauf, die seit 
undenklichen Zeiten gefeierte kirchliche Erinnerung au die Schlacht am Weissen 
Berge (8. November 1620), die durch Prozessionen und Umzüge nicht minder 
als durch Gottesdienste in der Kirche begangen wurde, abzuschaffen. Immer 
und immer wieder hielt er dem Kurfürsten und den Verteidigern dieses Festes 
vor: „Wir haben den nächsten Agnaten unsers des gemeinschaftlichen Stamm¬ 
hauses, dem unglücklichen Friedrich V., ein Königreich entrissen, und 
darüber sollen wir Baiern uns freuen, darüber sollen wir Jubelfeste halten 
können?“ 201 ) Eher wären doch jene Helden zu feiern, die gegen Türken 
und Ungläubige fielen, oder ein Erntefest dankbar zu begehen. Nach fünf 
Jahren (1777) stets erneuter Vorstellungen gelang es Kohlbrenuer, dass die 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


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Prozession auf den 14. September verlegt, als Erntefest behandelt und nur im 
allgemeinen für die pro religione et patria gewonnenen Siege abgehalten und 
das unselige Andenken der Prager Schlacht seitdem nicht mehr aufgewärmt 
wurde. Wie viele Gegner — offene und geheime — erwarb sich Kohlbrenner 
durch den Kampf um eine Sache, die er gewiss nicht aus persönlichen 
Rücksichten vertrat, und mit der er sich lediglich nur neue unversöhnliche 
Feinde zu den zahlreichen alten schuf. 

War nicht der (S. 125 ff.) besprochene Kampf für den deutschen Gesang 
beim katholischen Gottesdienste, die rastlose Bemühung für Aufhebung der 
Begräbnisse innerhalb der Stadt 802 ) und vieles Ähnliche dem gleichen un¬ 
eigennützigen Streben Kohlbrenners entsprungen — einem Streben, für 
das er, gleichviel ob er durchdrang oder unterlag, nur Widersacher und Feinde 
erwarb und Vorwürfe erntete, die er sicher nicht verdiente? 

Kohlbrenners Absicht, praktisch und für die weiteren Massen 
des Volkes zu wirken, beweist nichts so sehr, als seine kleineren Schriften, 
die nach seinem Tode seine Hinterbliebenen im Intelligenzblatte (1783. S. 311. 
376. 448. 472) zum Verkaufe ausbieten. Die Mehrzahl derselben 808 ) sind 
Kirchenmusikalien (Messen, Christenlehrlieder, Predigtgesänge, Litaneien). Da¬ 
bei aber findet sich auch eine „Schreibschule oder Unterricht für die 
Anfänger in der Schreibkunst“ (1775. zwei Teile), Ölbergandachten, Be¬ 
trachtungen der Schmerzen Mariä (1783) u. a. Bei all dieser überraschenden 
Thätigkeit leitete ihn irgend ein gemeinnütziger Gedanke. Er wollte 
stilistisch unschöne Gebete durch bessere ersetzen, ihm unkirchlich oder 
unbiblisch scheinende Bräuche, wie den dreimaligen Fall des Heilandes am 
Ölberge, wegbringen — kurz, stets war es ein praktischer Zweck, der 
ihn zu so kleinen Arbeiten veranlasste, bei denen er meist einen weitgehenden 
Hintergedanken hatte. 

Kohlbrenners Charakterbild entwickelt sich zurgenüge aus der 
Darstellung seiner umfangreichen dienstlichen und schriftstellerischen Thätig¬ 
keit Von dieser Seite betrachtet, steht er vor uns, wie Wes teil rieder ihn 
zeichnete, der, zugleich sein Freund und selbst ein edler Mann, sich gewiss 
nur mit einem solchen zu näherem Umgänge verband. Was dagegen der 
anonyme Pamphletist vorbringt, liest sich wie ein gehässiger Klatsch; er reiht 
eine Masse von Einzelheiten aneinander, die nirgend bewiesen werden und 
sicher, selbst wenn ihr Kern etwas Wahres enthielte, im Zusammenhang der 
Ereignisse sich wohl wesentlich anders ausnehmen würden. Die Andeutungen 
von dem Verfahren gegen die „arme insolvente Witwe“ (16. 80) oder den Land¬ 
hauspfleger Joseph Jesenwanger (74) 204 ), gegen Bettler und Bedürftige 
(82. 87 u. ö.) 205 ) entbehren in dieser Fassung der Wahrscheinlichkeit, be¬ 
sonders wenn das Zeugnis eines unbestochenen Geschichtschreibers, wie 
Westenrieder, die klaren Thatsachen vor Augen legt. Auch Friedrich 
Nicolai 206 ), der im sechsten Bande seiner „Beschreibung einer Reise durch 
Deutschland und die Schweiz“ (1785) dem verstorbenen Kohlbrenuer (S. 675 
bis 678) ein Blatt der Erinnerung widmet, weist die „unwürdigste Art“ ab, 
mit der dieser sein Gegner ihn verunglimpft. Mit allem Rechte bemerkt 


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152 


Karl von Reinhardstöttner 


Nicolai unter anderem, dass es einen „edelmüthigen Mann“ nicht schänden 
kann, „wenn er deswegen ins Gefängniss geworfen wird, weil er die Un¬ 
gerechtigkeiten der Mächtigen öffentlich rügte“. Er erklärt sich Kohlbrenner 
zu besonderem Danke verpflichtet, weil er ihm auf seine „Anfragen sehr 
richtige und vollständige Nachrichten ertheilte“, wovon er vieles, was er über 
München sagte, brauchte, und setzt mehrfach die Bosheit des Anonymus ins 
richtige Licht. 

Kohl brenn er war ohne jeden Zweifel ein tiefreligiöses Gemüt. Man 
kann gegen „Bruderschaften und andere Andächteleyen öffentlich schriftlich 
und mündlich“ eifern, wie ihm der Anonymus (87) vorwirft, man kann glauben, 
dass die Kapuziner und Franziskaner „doppeltes Allmosen“ erhielten, wenn 
sie „statt ihrem Chor, von dem wir nichts verstehen, auf den Dörfern Schule 
halten und Bäume setzen“ wollten (I. B. 1783. S. 30), dabei aber eine recht 
fromme und christliche Gesinnung besitzen und sie auch ungescheut bekennen. 
Deshalb ist einer noch kein „vollkommener Bigot, der immer Gott im Munde 
führt“ (86), und auch kein „Heuchler“ (17. 91). Man braucht kein Freund 
der Wallfahrten und Bittgänge zu sein, kein Vorkämpfer für Feiertage, kein 
Verfechter des damals allenthalben beklagten Bettels, der in Bayern zu jener 
Zeit die grösste Landplage geworden war- 0 '), um als ein gläubiger Christ 
zu gelten. Das richtige Urteil fällt wohl Wes ten ri eder, der Priester, der 
von ihm (142) sagt, er „erfüllte die Pflichten eines weisen Christen mit 
einem Eifer, der sich auf die f r e v w i 11 i g s t e 11 Handlungen der Andacht 
erstreckte“. 

Kohlbrenner war überaus nüchtern, einfach und sparsam. I111 Dienste 
des Staates hatte er diese weise Sparsamkeit gelernt, die er dann auf seinen 
eigenen Haushalt übertrug. Er hat. im Gegensätze zu vielen Anderen, mit 
fremdem Gute gespart und Tausende dem Ärar erhalten, warum sollte er 
diese hier geübte Tugend nicht an seinem eigenen Vermögen gleichfalls üben? 
Er hat es auch zu einem Besitz gebracht; allein schon W es ten ri eder weist 
nach, dass der ehelose, an mässige Einfachheit gewöhnte, schwächliche Mann 
sich leicht etwas zurücklegen konnte 209 ). Freilich meint Westenrieder (86): 
„Man ertanzt sich wohl, aber man erschreibt sich kein Herzogthum.“ Hart¬ 
mann klagt drei Jahre später, wie sich nicht der Patriot, sondern nur „der 
Hämmling Caffarelo“ „ein Herzogthum ergurgelt“ 208 ). So erwarb er schon im 
Jahre 1771 (am 16. November) das schöne Hiebersche Haus am Haupt¬ 
platze (Markt Mariae), in welchem (1632) Gustav Adolf gewohnt hatte, 
und das heute die Nummer 5 (Marienplatz) trägt, um 13000 Gulden 210 ). 

Geizig und eigennützig war er nach W e s t en r i e d e r s Zeugnis nicht; 
sollte er auch „in einzelnen Fällen seine Häuslichkeit übertrieben“ haben 
„oder zu unbesorgt gewesen seyn, um ihr einen bessern Schein und wohl gar 
den Schein der Tugend zu geben“ (89). Auch mag er in mancher Beziehung 
der Sonderling gewesen sein, als den ihn viele ansahen 211 ); dazu wird das 
Bewusstsein seiner mangelnden Körpergestalt und das Gefühl, auch dessent- 
halbeu verhöhnt zu werden, viel bei getragen haben. Charakteristisch ist ein 
Gedicht Kohlbrenners in dem Intelligenzblatte (1777. S. 420), „An die 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 153 


Verfasser meiner Grabschrift *. Die Freunde pflegen, „den guten Narren“ nicht 
zu vergessen; am Grabstein soll nichts stehen, um nicht Neid oder Tadel 
(S. 146) wach zu rufen; doch, schliesst „der Intelligenzer“: 

„Gesetzt ihr wollt aus Eigensinn 

Mein Daseyn nicht vergessen lassen, 

Schreibt über meine Bahre hin, 

Hier liegt ein Narr, 

Ders oft um Christi willen war. 

So wird gewiss mich Niemand hassen, 

Nein! mich im Grab’ mit Klir’, 

I11 Ruh und Frieden lassen.“ 

Noch auf dem Totenbette (am 28. Mai 1783) sagte er zu Westenrieder: 
„Sie müssen mir meine Grabschrift machen“. „In dieser Totenbahr liegt ein 
patriotischer Narr, Franz Kohlbrenner, ein Bayer.“ 212 ) 

Selbst an seinen Umgangsformen und Eigenheiten sucht der Anonymus 
(93) das Schlimmste heraus, indem er ihm seinen „Hang zu Anzüglichkeiten 
und seinen satyrischen Witz“ (94) verargt und meint, „er war furchtsam und 
höchst argwöhnisch und traute also keinem Menschen“. Dazu hätte der viel¬ 
geprüfte Mann wahrlich allen Grund gehabt; erzählt doch derselbe Tadler 
einige Seiten vorher (63), dass in dem schweren Jahre 1775 „Kohlbrenner 
just denjenigen für seinen besten Freund und Vorsprecher im Hofratli hielt, 
der eben in dieser Sache der eifrigste Proponent und sein Verfolger war, und 
ihm die Strafe so hart zuspitzte“. 

Es scheint nach all den persönlichen Zügen, die wir lesen, dass Kohl- 
brenner die Eigenart der alten Junggeselleu, pünktliche Genauigkeit, Spar¬ 
samkeit, ein schärferes Urteil über die Mängel der Mitmenschen, ein Teilchen 
Egoismus und ähnliches nicht verleugnete. Aber mit Westenrieder, der 
ja bekanntlichst ein besonderer Verehrer des ehelichen Lebens war 213 ), müssen 
wir dem Manne, „der die Freuden der ehelichen Liebe“, „die Liebe eines 
Vaters für Kinder nicht“ kannte, müssen wir Kohlbrenner „die bürger¬ 
lichen Vollkommenheiten und Bestrebungen“ (140) doppelt hoch anrechnen, 
doppelt hoch schätzen, dass er selbst in Dingen, die „seine Person im ge¬ 
ringsten nichts angiengen“ (46), nicht nachliess, sondern das angestrebte Ziel 
mit seltener Hartnäckigkeit verfolgte, ob auch persönliche Demütigung damit 
verbunden sein mochte (75). 

Westenrieder entwirft ein genaues Bild sowohl der äusseren Er¬ 
scheinung, als des inneren Wesens des Mannes, mit dem er in aufrichtiger 
Freundschaft lebte. „Kohlbrenner“, sagt er (134), „verdient in allem Be¬ 
tracht, dass ich das Geinählde seines Charakters so gut als möglich vollende“. 
Der Zeichnung des Augenzeugen 214 ) ist wohl nichts anzufügen. Auch des 
körperlichen Mangels gedenkt Westenrieder (132. 133) ohne Rückhalt; 
der niedrig gesinnte Anonymus hätte nicht zuerst festzustellen brauchen, „dass 
er ein bucklichtes, missgewachsenes Zwerglein war“ (19). Wes te 11 r i eder gab 
seiner Biographie ein von Weissenhahn 215 ) nach einem Ölbilde von Oefele 216 ) 
gestochenes Bildnis Kohl brenn er s bei. 

Westeurieder fasst am Schlüsse seiner Monographie (141) die Be- 


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154 


Karl von Reinhardstöttner 


deutung Kohlbrenners in die Worte zusammen, „dass er zur Aufklärung, 
zur Tilgung alberner Misbräuche, zur Belebung der litterarischen und bürger¬ 
lichen Thätigkeit, bey schweren Schicksalen so viel gethan habe, dass, wenn 
andere nur die Hälfte davon thun wollten, unser Baiern in Deutschland hoch 
empor gegen Himmel schauen, und ... in Dingen einer gegründeten Gelehr¬ 
samkeit, einer gegründeten, reinen, durch ein frommes Leben bestättigten 
Frömmigkeit, in Abstellung der Misbräuche, in Verbesserung bürgerlicher 
Gewerbe etc. die Richtschnur und Regel aller Provinzen rings um uns sein 
würde — das wir gegenwärtig wahrhaftig nicht sind“. 

Der k. geheime Rat B. von Münchshausen schrieb ihm (1783) in 
ähnlich anerkennender Weise 217 ): „Ich ... bewundere oft die standhafte Mühe, 
mit der Sie fortfahren, alles, was für Ihr Vaterland gemeinnützlich seyn kann, 
hervorzuziehen. Diess ist . . . so gewiss ein doppeltes Verdienst, als es Ihnen 
einst zur besondem Ehre gereichen wird, in einem Land, wo, nach meiner 
Vorstellung, der Geschmack an dem Einheimischen der Gelehrsamkeit, noch 
im Entstehen ist, denselben nach gründlichen Gegenständen geleitet zu 
haben . . . Manche bittere Laune Ihrer Landsleute werden Sie indess er¬ 
dulden müssen, bis der Weg, worauf das Nachdenken gedeihet, geebnet seyn 
wird ... Und Sie sind zuversichtlich ganz der gefasste und entschlossene 
Mann dazu, und vorübergehende Widerwärtigkeiten werden Sie vielmehr er¬ 
muntern und bestärken, als niederschlagen.“ 

Wiederholt 218 ) stellt Westenrieder Kohlbrenner und seine Lebens¬ 
schicksale als Ermunterung für „manchen jungen Landsmann“ hin, um ihn, 
„den die ersten herben Streiche auf immer abschrecken möchten, heilsam zu 
beschämen, und ihm, was unbeugsamer Muth heisse zu zeigen“ (20). Das 
schönste Lob und die für einen Vaterlandsfreund höchste Anerkennung aber 
spricht er in den wenigen trefflichen Worten (137) aus: „Er hat in seinen 
Umständen das Möglichste, das er thun konnte, gethan.“ 

Sollte man darin das Urteil des Freundes erblicken, so kommt uns ein 
anderes ausländisches zu Hilfe, das fast wörtlich das Gleiche von 
Kohlbrenner rühmt. „Durch seine patriotische Thätigkeit“, sagt die „All¬ 
gemeine Deutsche Bibliothek“ 219 ), „trug er zur Aufklärung seines Vaterlandes 
so viel bey, als gewisse bekannte Hindernisse zuliessen“. Ja noch mehr! 
Die gegnerische Zeitung selbst lässt sich in einer Besprechung der Westen¬ 
ried er sehen Biographie Kohlbrenners, wie folgt 220 ), vernehmen: „Es ist 
wahrlich genug — genug gesagt, wenn man beurkunden kann, dass es keine 
gute Neuerung unter uns gab, die er nicht unterstützte, beförderte, vollenden 
half; und kaum noch eine nüzliche Disziplinär Reform mehr möglich ist, die 
er nicht, villeicht gerade in Zeiten, wo sie wegen mächtigerem Widerstande 
nicht zur Reife gedeihen konnte, voraus geahndet, oder wohl gar mit edler 
Kühnheit gerüget hatte.“ 

Aus alle dem, w T as bei Kohlbrenners Tode für die Aufklärung noch 
zu thun war, mag sein Kampf für dieselbe am besten gewürdigt werden 221 ). 

Der Mann, dem Heimat und Ausland ein solches Lob zuteil werden 
Hessen, hätte wohl ein Recht, von sich mit dem Sänger von Venusia zu 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


15.5 


sagen: Non omnis moriar. Der Teil aber von ihm, der nicht mit ihm bestattet 
wurde, um das Wort Horazens weiter zu führen 322 ), sind die fortschrittlichen 
Ideen, die durch seine opfermutige Mithilfe in seinem Vaterlande Wurzeln 
schlugen, die Wurzeln jener mächtigen Bäume eines freiheitlichen bürgerlichen 
und politischen Lebens, die seine spätem Nachkommen erquickend beschatten. 


Quellennachweise. 


1) Leben des Johann Franz Seraph edlen von Kohlbrenner, kurfürstl. wirkl. 
Hofkammer- Mauth- und Commercienraths in Baiem. Von Prof. Westenrieder. Samt 
seinem Portrait München, 1783. Bey Johann Baptist Strobl. (148 S. 36 kr.) — 
Nach dem Intelligenzblatt 1783. No. 25 S. 235 im Juli erschienen. — Der Verleger Professor 
und Buchhändler Strobl kündigt es am 30. Juli 1783 zum ersten Male im „Münchner 
Wochenblat“ (No. 31) an. 

2) In No. 24 (1783) der „Münchner Stats- gelehrte, und vermischte Nachrichten 
(„Münchens Woclienblat“) wird angezeigt, Kohl brenn er habe „die umständliche Geschichte 
seines Lebens .... mit eigener Hand niedergeschrieben, dem Professor Westenrieder 
übergeben“. 

3) Kohlbrenner wie er war oder Anmerkungen und Anekdoten zu dem von 
Hm. Prof. Westenrieder verfassten Leben des Johann Franz Seraph Edlen von Kohl¬ 
brenner. 1783. (m S.). 

4) Satir. lib. I. 3, 68. 

5) Ausser dem (Anm. 1. u. 3.) Aufgeführten ist über Kohlbrenner nachzusehen: 
Des Herrn Abts Ladvocat historisches Hand-Wörterbuch worinnen von den Patriarchen, 
Kaysern, Königen, Fürsten, grossen Feldherren, heydnischen Gottheiten und andern Helden 
des Alterthums, Päbsten, Kirchenvätern, Bischöffen und Kardinalen, Gelehrten aller Wissen¬ 
schaften .... Nachricht ertheilet wird .... Fünfter Theil. Ulm 1785. S. 1030. — Das 
Gelehrte Baiern oder Lexikon aller Schriftsteller, welche Baiem im 18. Jahrhunderte 
erzeugte oder ernährte von D. Klement Alois Baader. Erster Band A—K. Nürnberg 
und Sulzbach 1804. S. 606—610. — Allgemeine Deutsche Biographie (1882) Artikel 
von G. Westermeier Bd. XVI, S. 431. 432. — M(ax) F(ürst), Johann Franz von Kohl¬ 
brenner, ein interessanter Traunsteiner. In „Der Erzähler“. Unterhaltungsbeilage der 
Traunsteiner Nachrichten. April u. Mai 1891. (No. 17. 18. 19. 20. S. 67. 68. 71. 72. 75. 76. 80). 

6) 1. Im Königl. Allg. Reichsarchive München: Aktenstücke von 1773—83. 
Kohlbrenners Ernennung zum Hofkammerrat, seine Nobilitierung und seine letzt¬ 
willigen Dispositionen betreffend. — 2. Im Königl. Kreisarchive München: 
a) Hofkammerpersonalakt, den kurf. Hofkammerrat Franz Kohlbreuner betreffend, von 
1754—1783. b) Generalakt, das Münchener Intelligenzblatt, dessen privilegierte Heraus¬ 
gabe durch Franz Kohlbrenner betreffend, von 1764—1783. — 3. Im Kgl. Kreis¬ 
archive Landshut ein kleiner Faszikel mit Produkten vom 15. Juli 1768 und 10. Februar 
1779, anlangend Ernennung zum wirklichen Rat und Erhebung in den Adelsstand. 

7) Er war, durch ein heisses Bad in seinem vierten Jahre gekrümmt, im Wachs¬ 
tum zurückgeblieben und am Rücken erhöht. Westenrieder, a. a. O. 132 ff. 

8) Vergleiche das gelegentlich der Biographie Zaupsers (Forschungen zur 
Geschichte Bayerns, I, 121 ff.) hierüber Gesagte. 


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156 Karl von Reinhardstöttner 


9) So z. B. vereinzelt und zum ersten Male in einer Rechnung vom 8. Febr. 1772. 

10) Dies allgemein angeführte Datum urkundlich zu belegen, gelang mir 

nicht. Nach Mitteilung des Hochwürdigen Herrn Kooperators A. Klier in Traun¬ 
stein, dem ich für seine Mühewaltung auch öffentlich besonderen Dank ausspreche, 
findet sich unter den zehn Kindern des Rupert Kohlbrenner in den Matrikeln 
keines mit dem Namen Johann Franz und keines, das im Jahre 1728 ge¬ 
boren wäre. Ruperts Kinder sind: 1. Maria Eva, 17. Dezember 1720. 2. Anna 

Rosiua, 18. Oktober 1722. 3. Maria Barbara, 1. Dezember 1724. 4. Josephus, 

fil. Ruperti Kollbrenner operarii ad Salinarn et Jacobe ux. lev. Georgius 
Koller(er). Min. Georg Udalricus Mayr, 14. Dezember 1725. 5. f Joannes 

Franciscus, f. 1 . Ruperti Kollbrenner operarii ad Salinam et Jacobe ux. lev. 
Georgius Koller operarius ibidem. Min. Fer din an d us Wider. 3. Oktober 1727, 
(scheint wegen des f als Kind gestorben zu sein). 6. Franc. Ant. f. 1 . Ruperti Kol- 
prenner in augia (Au) et Jakobe auflögerin uxoris. f. lev. Georg Koller ibid. 
Minister Ferdinandus Wider, 1. Mai 1730. 7. Maria Th e res i a, 29. September 1731. 

8. Dominicus (das übrige wie sub 6) Minister Udalricus Mayr, 1. November 1732. 

9. Mathias Rupertus (wie oben 6) lev. Joan. Georg Öggl; Minist. Petrus Stett. 

20. September 1734. 10. Catharina Waldpurga, 19. Februar 173S. 

n) Kgl. Kreisarchiv München. General Reg. Fase. 796 No. 49. 

12) Bei Westenrieder S. 143. 144. — Über einige seiner Vorfahren ebenda 
S. 6 und 7. 

13) Anonyme Biographie S. 25. 

14) Kgl. Kreisarchiv München. A. a. O. 

15) Ebenda. A. a. O. 

16) Ebenda. A. a. O. 

17) Ebenda. A. a. O. 

18) Trift von treiben. Holz im Wasser treiben. Kluge, Etymologisches 
Wörterbuch der deutschen Sprache S. 381. Schmeller-Frommann, Bayer. Wörter¬ 
buch I, 651. 652. 

19) Fichtenholz, S c h 111 e 11 e r - F r o m m a 1111 I, 688. 

20) Riess von Rhaetia s. Sch mell er- Fromm an n II, 149. 

21) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O. 

22) Von ahd. müta Zoll. Kluge a. a. O. S. 252. Schmeller-Frommann I, t6S6. 

23) Ferdinand Christoph Zeil und Trauchburg, von 1772—1786 Bischof. 
(Gams, Series Episcoporum S. 268). 

24) Churbaierische Mautli- und Accis-Ordnung zur allgemeinen Beobachtung vor¬ 
geschrieben im Jahre 1765. (Maillinger J., Bilderchronik der kgl. Haupt- und Residenz¬ 
stadt München vom XV.—XIX. Jahrhundert. München 1876. I S. 128 n. 1255). 

25) Sämtliches im K. Kreisarchive M ü 11 c li e 11, a. a. O. 

26) Ebenda. 

27) Ebenda. 

28) S. die Note I. Bl. 1783. S. 59. 

29) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O. 

30) Ebenda. 

31) Ebenda. 

32) Ebenda. 

33) Westenrieder, a. a. O. S. 22. 

34) Der Patriot in Baiern. Eine Wochenschrift mit Kupfern. München 1769. 
I. Teil 320 S. (Monatliliche Beyträge 124 S.). II. Teil 336 S. (Monathliclie Beyträge 96 S.). 
S. 96 nimmt der Herausgeber vom Publikum Abschied. „Die auswärtigen gelehrten Nach¬ 
richten“, sagt er, „haben gütiger von diesem Blatte geurtlieilet, als viele unsrer Landsleute 

es getlian. So kann Niemand von dem Verfasser fodern, dass er nebst Mühe und 

Arbeit auch Schaden haben soll“. 

35) K. Kreisarchiv München, a. a. O. 


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157 


Johann Franz von Kohlbrenner. 


36) Andreas Felix 1706—1780. Allg. D. Biogr. XXIV, 162—165. 

37 ) 1723—^1783. Allg. I). Biogr. XIX, 183-195. 

38) Sämtliches im K. Kreisarchiv München, a. a. O. 

39) Sämtliches ebenda, a. a. O. 

40) Ebenda. 

41) Anonyme Biographie S. 57. 

42) Westenrieder, a. a. O. S. 90. 

43) K. Kreisarchiv München, a. a. O. 

44) Ebenda. 

45) Ebenda. 

46) Kgl. Kreisarchiv Lands h 111. Rep. C. A. Fase. 456. No. 66. Lit. K. 

47) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O. 

48) Kgl. Kreisarchiv Landshut, a. a. O. — Kgl. B. Allgemeines Reichsarchiv 
München, S. XX lit. C. 183. 

49) Wes teil ri ed e r, a. a. (). S. 26. 

50) Intelligenz- oder Commercien- | Communications-Blatt | der | Churbaierischen 
Lande. | Mit Churfürstlichem gnädigsten Privilegio. | Für den Monat Junii 1765. | Mün¬ 
chen, | Gedruckt bei Joli. Friedr. Ott, Churfürstl. akademischer Buchdrucker, | und zu 
haben bev Franz Lorenz Richter, akademischen | Bücherverlagsinspector. 

51) Westenrieder, a. a. O. S. 17. 18. 

52) Heinrich B. 1732 — 1792. Forschungen III, 51, 139. Anin. 27. 

53) Espr. 1632 — 1710 (Nouvelle Biographie genörale. XVII, 878). 

54) Louis 1632—1704. (Ebenda VII, 51). 

55) Guill. 1675—1748. (Ebenda XLIII. 683, C. Sommervogel, Bibi. VII, 1047). 

56) Paolo Cesare, 1678 — 1759. (Dizionario biogr. univ., Firenze 1862. II, 23). 

57) Pietro Anastasio 1727 — 1797. Ebeuda V, 372. 

58) Vgl. Sig. Riezler, Geschichte der Hexenprozesse in Bayern (Stuttg. 1896), 

S. 306 ff. — Ferd. St. 1721 1786. A. I). Biogr. XXXVI, 124. Forschungen I, 61. 

An 111. 58. 59. 

59) Baierische Beyträge zur schönen und nützlichen Litteratur. Des ersten Jahr¬ 
ganges erster Band 1779. & 252. 

60) Siehe darüber Forschungen I, 55 ff. 

61) Vgl. hierüber Forschungen I, 22. 

62) Siehe den gleichen Gedanken Forschungen I, 23. 

63) Vgl. über diesen langwierigen Kampf Forschungen I, 119; III, 91, 92. 
— A. v. Kluckholin, Über Lorenz von W e s t e n r i e d e r s Leben und Schriften. Bam¬ 
berg 1890. S. 8. 

64) Vgl. Forschungen III, 55, 56, 101 ff. — Kluckholin, a. a. O. 44. 

65) Mhd. töreht, toerelit, torrecht = thöricht. (Grimm, D. W. XI, 401). — 
Irrwohn (wie oben S. 93. 96) = Irrwahn. (Scli m eil er-Fr om man 11 II. 918). 

66) Vgl. über diese damals allgemeine Idee Forschungen III, 61. — Münch¬ 
ner Stats-gelehrte und vermischte Nachrichten. 1781. S. 2. 

67) Forschungen III, 61. 

68) Ebenda III, 101. 

69) = Kneip (Messer). Ein Feminin ,kneipe* sowie eine Form mit b ,kneib* 
weist Grimm (Deutsches Wörterbuch V, 1403, 1404) nach. 

. 70) So wohl auch anderweitig. Vgl. die Schrift: Unpartheyische Gedanken über 
die unverschämt und leichtsinnig Entblöseten Brüste des I'rauenzimmers. Jena 1759. (2. Aufl.) 

70a) Ebenso Forschungen III, 87, 98. 

71) Westen rieder, a. a. O. S. 85. 

72) Forschungen III, 59. 

73) Vgl. z. B. Forschungen III, 249 u. allenthalben. 

74) — Fehlerhaft trocken, dürr. (S c h m e 11 e r- F r o in 111 a 1111 II, 683). 

Bayer. Forschungen VI, 3. 11 


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Karl von Reinhardstöttner 


158 


75) Die Reise in die Hölle, oder Martin Kochern, das edelste Genie aus dem 
goldenen Zeitalter Deutschlands. 1780. (Vgl. auch Annalen der baierischen Litteratur 
[1781] I, 232). — Zuschauer in Baiem. II, 547. — Freilich klagt eine satirische Schrift vom 
Jahre 1778 „Die Bürger im Bierhause“. (Thomas, Jakob und Hanns). S. 3. „Wo sieht 
man jetzt mehr einen, der an Sonn- und Feyertägen zu Hause blieb, und zu Hause 
tränke, und ein Kapitel aus P. Kochern läse“. (V. I. Bl. 1783. S. 30). 

76) Vgl. Forschungen I, 117. 

77) — Genügend, hinreichend. (Grimm, D. W. III, 877). 

78) G. Christ. H. 1726—1773. Allg. D. Biogr. X, 471. 

79) S. Forschungen I, 164. 

80) Franz Xav. 1738—1773. Allg. D. Biogr. XXVIII, 521. Nach C. Sommer¬ 
vogel, Bibi, de la Compagnie de Jesus (VI, 1839) ist er 1737 geboren. 

81) Die Plage der Bettler und alle Zeitfragen (Maut, Lotto u. dgl.) findet man 
humoristisch besprochen in einem Heftchen „Die münchnerisehe Assembl6e gehalten dem 
Doppelbier, oder sogenannten Bock“. 177S. 

82) S. Forschungen III, 96. 98. 

83) Vgl. CEuvres £conomiques et philosophiques de F. Quesnay, fondateur du 
Systeme physiocratique . . . Publikes . . par Auguste Oncken (Franckfort 1888. 814 S.) 
z. B. S. 306. < La classe productive est celle qui fait renaitre par la culture du territoire 
les ricliesses annuelles de la nation; qui fait les avances des depenses des travaux de 
l’agriculture et qui paye annuellement les revenues des propri£taires des terres . 

84) 1702—1776. A. D. Biogr. XIII, 741. Kluckhohn, a. a. O. 8. 

85) Forschungen I, 60 Anm. 32. 

86) Forschungen III, 56. 

87) lut. Blatt 1783. S. 91. 

88) Joh. Ig. v. 1724—1788. Allg. D. Biogr. VI, 610. (Vgl. über ihn I. Bl. 1775. S. 37 e). 

89) Trefflich lässt sich in älinlicherWeise Meie hell) eck (Histor. Frising. Tom. II 
1 1729 1 S. XVII) vernehmen: Quidam membranas suas autiquas tarn solerter in scriniis suis 
custodiunt, quasi, si eae in lucetn prodirent, omuem vigorem exhalaturae essent, aut 
timendum foret, ne jura domestica periculo exponerentur, ipsique ceu malae fidei possessores 
arguerentur. Cum hujusniodi possessoribus nihil agitur. 

90) Vgl. Forschungen I, 61. 

91) Gustav III. (1771 —1792). Vgl. Forschungen III, 110. Wegen des steten 
Lobes dieses Landes s. Forschungen III, 68. — Auch das Bild des Königs, von J. F. 
von Goetz gefertigt, wird in der Münchener Statszeitung 1783. No. 176 zum Ver¬ 
kaufe ausgeschrieben. 

92) Forschungen III, 112. 

93) 1742—1798. Forschungen III, 70. Allg. I). Biogr. XVIII, 502. 

94) Johann Georg M. 1743—1S20. Allg. D. Biogr. XXI, 541—544. 

95) Joh. Joach. 1717—1768. — Über die Verehrung Gellerts (1715—1769. Allg. 
D. B. VIII. 544—549) s. Forschungen I, 219, Anm. 216. — Nicht minder schätzte man 
Rabener (1717 —1771. A. D. B. XXVII, 78 — 85) und Mendelssohn (1729—1786. 
A. D. B. XXI, 316—324). Vgl. Forschungen I, 50. 62. 128. 

96) Michael D. 1729— 1800. Allg. D. Biogr. V, 51. — W e i s li a u p t Ada m. 1748— 

1830. (A. D. B. XLI, 539—550). — Fronhofers. Anm. 188. 

97 ) 1739 — 1 79 1 - Allg. D - Biogr. XXXII, 588—599. 

98) Einzelblatt (2° Bavar. 1400, VI (33 m ) der k. Hof- und Staatsbibliothek Mün¬ 
chen, dem Revisionsrate von Lippert zugesandt. 

PRO MEMORIA. 

Die Liebe für das Vaterland; ja der patriotische Eifer, dem bairischen Vaterlande 
Ehre und Ruhm zu vergrössern, wenn seine Gelehrten, die selbes zwar, in öffentlichen 
Bibliothecken bekannt gemacht, oder der klügern Nachwelt zum Andenken überliefert 
werden, diese beyden Gegenstände sind es, die dem (sic!) Endsgesetzten veranlasset haben, bey 
unsern jetztlebenden Gelehrten geziemend anzuhalten, und zu bitten, sich der Bibliotheck 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 159 


der jetztlebenden Gelehrten von der Römischen Kirche, welche Herr Professor Ham- 
berger zu Göttingen angefangen, und nach dessen Tode, jetzt (Titl.) Herr Hofratli und 
Professor Meusel zu Erfurt fortsetzet, zur Ehre Baiems einverleiben zu lassen. Hierzu 
wird erfodert, hierunter gefällig einzuschreiben: 

a) Namen und Charakter des Autliors 

b) Geburtsjahr, oder Alter 

c) der Presse anvertraut, und herausgegeben sub Titulo Wie folgt. 

Das Churfürstl. Intelligenzcomtoir wird diese anher zurückerbittende Auskunft mit 
Vergnügen übernehmen, und solche zweckmässig an obgedachten Herrn Professor förder¬ 
lich übersenden. München den 13. August 1773. 

Von Sr. Churfürstl. Durchleucht gnädigst privilegirten Intelligenz-Comtoir. 

J oli. Franz Kohlbrenner, Churfürstl. wirklicher Rath. 

99 ) 1 733 —1811. Allg. Deutsche Biogr. XXIII. (76—80). 

100) Joh. Georg 1722—1797. Nagler, Künst. Lex. XXI, 557. 

101) Nachrichten von sehenswürdigen Gemälde- und Kupferstich-Sammlungen . . . 
in Teutscliland . . . hsg. von Fried. Karl Gottlob Hirsch i 11g. Erlangen (1789). 
IV. Band. S. 256. 

102) K. Kreisarchiv München, a. a. O. 

103) Etwas abweichend von der Ausgabe von Chr. F. Weise. Wien 1804. 

II. Bd. S. 71. ■# Uz, 1720—1796. (Allg. D. Biog. XXXIX, 443- 449). 

104) Cignani. 1628—1719. Nagler, a. a. O. II, 537. 

105) Forschungen III, 33—48. 

106) 1632—1698. Nagler, Künstlerlexikon VIII, 77. 

107) Antonio 1639—1722; Nagler, Künstlerlexikou XXII, 210. 

108) Don Johann, 1705—1773; der letzte Freiherr dieses Namens. Kl. Baader, 
Das gel. Baiern. S. 281. 

109) Pietro, gest. 1687. Nagler, Künstlerlexikon VII, 503. 

110) Geb. 1530. Allg. D. Biogr. II, 788. 

1 r 1) Andreas; i. J. 1658 Kammermaler in München. Nagler, Kiinstlerl. IV, 266. 

112) Kluckholm, a. a. O. S. 31. 

113) So sprach man gerne (!). Vgl. Forschungen I, 10, 59. Anm. 27. 

114) Johann Paul, der jüngere. Gestorben 1782. (Kaysers Vollst. Bücher¬ 
verzeichnis V, 374). 

115) Deutsche Chronik auf das Jahr 1774. ITm. S. 612. 

116) Sämtliche hier angeführte Akte ebenda. Hofamts Reg. Fase. 369. No. 312. — 
Vermutlich hängt der von Burghausen aus am 13. Januar 1775 gegen Kohlbrenner 
geführte Schlag (vgl. Forschungen III, 142 Note 67) mit der allgemeinen Stimmung 
gegen ihn zusammen. 

117) 1725—1798. Kl. Baader, Das gelehrte Baiern. S. 289. 

118) Jos. Sebast. 1748—1820; nicht nur als Kunstkenner bekannt (Forschungen 

III, 246), sondern auch wegen der Massregelung und Verfolgung, die er sich als Gegner 
Napoleons I. zuzog. Kl. Baader, Baierisclies Gelehrtenlexikon II, 38. 

119) Der Jurist Johann Karl N i e d e r 111 a v e r 1703 — 1797. Kl. Baader, 
Lexikon I, 2. S. 87. 

120) Vgl. Forschungen I, 137. 

121) Vgl. Forschungen I, 165 ff. 

122) Ebenda I, 169, 170. 

123) Ebenda I, 171, 183. 

124) Vgl. Forschungen I, 176. 

125) 1723—1790. Allg. D. Biogr. II, 113—124. Vgl. dazu Forschungen I, 173, 180. 

126) — Wer auf seinem Gebiete sich kümmerlich fortbringt, vom ahd. fratöu = 
reiben. Schmeller-Frommanu, Bayr. Wörterbuch I, 830. 

127) Kluckhohn, a. a. O. S. 28. 

128) Forschungen I, 37. III, 95. Kluckhohn, a. a. (). S. 42, 43. 

11* 


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l6o Karl von Reinhardstöttner 


129) Vgl. Forschungen II, 232. 

130) Ebenda III, 245. 

13 1 ) Johann Joachim 1743—1820. Allg. D. Biogr. VI, 346. 

132) Frd. Just. 1747—1822. Allg. D. Biogr. II, 552. 

1 33 > Joh. Jak. Wilh. 1749—1803. Allg. D. Biogr. XI, 651, 652. 

134) Forschungen III, 251; V, 192. 

135) Kluckhohn, a. a. O. S. 15. 

136) A. a. O. (siehe Anmerkung 59) S. 252—256. 

• 137) Kgl. Kreisarchiv Mönchen. Gen. Reg. Fase. 796. Xo. 49. 

138) Freiburg i. B. 1862. 

139) Forschungen III, 58. 

140) Ebenda I, 11. 

141) I11 der 119. Epistel (S. Int. Bl. 1777, S. 443 und öfter). 

142) Vgl. Forschungen II, 57. Zur Geschichte des Kirchenliedes überhaupt 
von S. 54 an. 

143) 1766-1828. Allg. D. Biogr. XX, 574. 

144) Freiburg i. B. 1891. Bd. VII. S. 610. 

145) 1 753 —1821. Allg. D. Biogr. II. 361—363. Forschungen V, 19. Die 
Kirchenlieder stammen aus 1781. 

146) Michael Adam 1733—1783* Kl. Baader, Das gel. Baiern, S. 89—92. 

147) Am 30. April. So nach der Allg. D. Biogr. (Kohlbrenner). Vgl. auch 
Forschungen I, 218. Aiim. 193. 

148) M. Koch, Geschichte der deutschen Litteratur. Stuttg. 1893. S. 87. 

149) Joseph Michael, 1744—1781. Nagler, Künstlerlexikon XVI, 552. Erstach 
auch das Porträt Pius VI. (I. Bl. 1775, S. 148). 

150) Westenrieder, a. a. O. S. 34. 35. 

151) Intelligenzblatt 1778. S. 95. 

152) Intelligenzblatt 1783. S. 235. 

153) Bei Fetis nicht genannt. 

154 ) 1737— i8 o 6. Allg. I). Biogr. XI, 143—157. 

155) Berlin u. Stettin. Bd. 54. Zweites Stück. S. 614. 

156) Franz Xav. Nepom. Von 1781 —1800 Dompfarrer. F<. Geiss, Die Reihen¬ 
folge der Pfarr- und Ordensvorstände Münchens. Münch. 1858. S. 9. — Ant. Mayer, 
Die Domkirche zu U. L. Frau. Münch. 1868. S. 201. 202. 

* 57 ) J- Schafler, Handlexikon der kathol. Theologie. Regensb. 1883. II, 379. 

158) Wetzer u. Weltes, Kirchenlexikon VII, 613. 

159) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. (). 

160) Kgl. B. Allgem. Reichsarchiv, a. a. O. Die Anzeige der Adelung von Mann¬ 
heim, 25. Juli 1778. — Ad Cameram Electoralem vom 7. Sept. 1779. — An den Kriegs¬ 
rat vom 10. Februar 1779. 

161) Bei Westeurieder, a. a. O. S. 143—148. — Durch die Freundlichkeit des 
Magistratsregistraturvorstaudes in München, Herrn Joseph Sporer, hatte ich Gelegen¬ 
heit, das Adelsdiplom Kohlbrenners einzusehen, welches sich dermalen im Besitze der 
Kandidatin des hiesigen Kindergärtnerinnenseminars, Fräulein Marie Fanschuh aus 
Rosen heim, befindet. Es umfasst sieben Seiten, deren Text mit jenem bei Westen¬ 
rieder genau übereinstimmt, nur dass letzterer die ältere Schreibweise (wdrcklich, Hertzog, 
Ertz, ieder u. dgl.) abgeändert hat. Das Wappen ist auf Pergament von A. Ege 11 sehr 
hübsch gemalt. 

162) Vgl. oben S. 98. 105 und Zuschauer in Baiern IV, 73. 

163) Hof und Staatskalender 1783. S. 104. 195. 215. 

164) Sämtliche Akte aus dem K. Kreisarchiv München. 

165) Ebenda. 

166) Ebenda. 

167) Ebenda. 


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Johann Franz von Kohlbrenner. 


161 


168) Ebenda. 

169) Ebenda. 

170) Geb. 29. Juni 1733 in München; gest. 22. Nov. 1788. Baader, Das ge¬ 
lehrte Baiern. S. 317. 

171) Sämtlich Akten des Kgl. Kreisarchivs München. 

172) Ebenda. 

173) Vgl. Jahrbuch für Münchener Geschichte II, 170. 

174) 1561—1628. Allg. D. Biogr. XXX, 165. 

175) 1711 — 1787. Nagler, Künstlerlexikon XV, 168. Riggauer, Geschichte 
des Kgl. Münzkabinetts in München. 1890. S. 15. 16. 

176) Kgl. Kreisarchiv München. 

177) Ebenda. 

178) Siehe Forschungen I, 161; III, 77 ff. 

179) Akten des Kgl. Kreisarchivs München. 

180) Ebenda. 

181) Nach Kl. Baader, Das gel. Baiern S. 609. — A. Mayer, Die Domkirche 
zu U. L. Frau. S. 394. — Das Denkmal stand auf dem Frauenfreithof „gleich bei der 
Kirchenthüre linker Hand“. (W es t e n r i ed e rs Tagebuch s. Anm. 270a; heute in der 
Domkirche nahe dem Ecce Homo Altar). 

182) Kgl. B. Allgemeines Reichsarchiv, a. a. O. 

183) Jakob Anton 1728—1787; der freisinnige Theologe. Kl. Baader, Das 
gel. Bayern. S. 617. 

184) Dieses „artige und gewählte Naturalieukabinet“ erwälint auch Westen¬ 
rieder, a. a. O. S. 119. — Auch Zaupser hatte sich eine Naturaliensammlung angelegt. 
(Forschungen I, 206). 

185) Berlin und Stettin 1783. 54. Band. Zweites Stück. S. 613. 

186) Kgl. Kreisarchiv München, a. a. O. 

187) Ebenda. 

188) Jahrbuch für Münchener Geschichte II, 363—470. — Forschungen I, 169. 

189) Euer Churfürstlichen Drlt. ist von Selbst gnädigst bekannt, dass ich und 
meine unschuldige Ehegattin schon über 3 Jahre im äussersten Elende schmachten, und 
nur zu einiger Linderung desselben all unser weniges fast ganz beysetzen mussten. Es 
wurde mir zwar im Monat September und Dezember 1785, folglich zweimalen eine ander- 
wärtige Placirung gnädigst zugesichert; allein ich wurde ungeachtet ich mich dieser 
Zeit öfter um erledigte Bedienstungen meldete, doch nicht erhört. 

Gnädigster Herr Herr! nun wäre eine Gelegenheit vorhanden, wo die zweimalig 
gnädigst gemachte Zusicherung in Erfüllung gebracht und ich aus meinem so trübseligen 
Zustand ohne das höchste aerarium zu beschweren wieder herausgerissen werden könnte, 
wenn Eure Churfürst. Drlt. geruhen wollten, die Verfassung des Intelligenz Blattes, welches 
bisher Peter Paul Finauer, der nun plötzlich gestorben, zu besorgen hatte, mir unter- 
thänigst Bittenden in höchsten Gnaden zu übertragen. Ich wäre nicht nur unterthänigst 
erbietig, der hinterlassenen Wittwe und Kindern des Verstorbenen ein jährlich gnädigst 
zu bestimmendes Absent zu verreichen, sondern auch noch andere obwaltende Obligen- 
heiten und Bedingnisse in genaueste Erfüllung zu bringen, zu welch gnädigster Erhör 
dann ferneren höchsten Hulden und Gnaden ich mich unterthänigst gehorsamst empfehle. 
E. C D. Ludwig Fronhofer 

höchstdero ehemalig wrirkl. frequentirender Schulrath und Rector der deutschen Schulen. 

190) Joseph Burgholzer (geb. 21. Mai 1758). Kl. Baader, Das gelehrte 
Baiern. S. 173. Forschungen III, 253. Er ist auch den Mitgliedern der Burghausener 
Gesellschaft (Forschungen III, 129 ff.) beizuzählen. 

191) Westenrieder, a. a. O. S. 21. 

192) Ebenda, S. 76. 

193) Ebenda, S. 106—110. 

194) Ebenda, S. 78. 


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IÖ2 


Karl von Reinliardstöttuer, Johann Franz von Kohlbreuner. 


195) Appalto, ital. Pacht. Du Lange, Glossarium I, 309. = locatio. 

196) S. meine Abhandlung: Die Anfänge von Münchens Industrie und Gross¬ 
gewerbe im Bayer. Industrie- und Gewerbeblatt (1895. S. 6). — Intelligenzblatt 1778. S. 373. 

197) Wenn darum der Anonymus von Kohlbrenners vielen stilistischen Korrek¬ 
turen spricht (S. 92), so kann dies nur zu seinen Gunsten angeführt werden. 

198) Die „Literatur der Statistik“. Ausgearbeitet von Johann Georg Meusel. 
Leipzig (C. Fritsch) T790 führt (S. 320. 321) Kohlbrenners Intelligenzblatt, das 
bürgerliche Handbuch und die Materialien auf. 

199) Conegliano im Venezianischen. Die Akademie ist i. J. 1603 gegründet. 
Dizionario Coreografico dell’ Italia. Milano. III, 144. 

200) Die Akademie degli Agiati zu Rovereto wurde 1753 von Maria 
Theresia diplomiert. Siehe Diz. Coreogr. VI, 1316. 

201) Westenrieder, a. a. O. S. 50. 

202) Eingehend bei Westenrieder, a. a. O. 53—65. 

203) Bei Westenrieder S. 115 und Kl. Baader, Das gel. Bayern. S. 609. 610. 

204) Später Hofkammersekretär. S. Hof- u. Staatskalender 1783. S. 237. 

205) Man sehe z. B. das Gedicht I. B. 1774. S. 16. 

206) 1733—1811. A. D. Biogr. XXIII, 580—590. 

207) S. Jahrbuch für Münchener Geschichte I, 178. Kluckhohn, a. a. O. S. 8. 

208) Forschungen III, 67. 

209) W e s t e n r i e d e r, a. a. O. S. 86. 88. 134. 

210) Gefällige Mitteilung des Kgl. Archivrates Herrn Ernst von Destouches, 
Vorstandes des städtischen Archives. — Die Angabe des Anonymus (S. 53) ist also dem 
Datum und der Kaufsumme nach falsch. — Das Haus ging i. J. 1783 auf Kohl¬ 
brenners beide Schwestern über, welche es bis zum Jahre 1799 innehatten. — Lächer¬ 
lich ist die Berechnung des Anonymus (S. 89), wie hoch etwa bei äusserster Sparsamkeit 
Kohlbrenners Ersparnisse sich belaufen mochten. Dass er mit dem ersparten Kapital 
doch auch wirtschaftete, versteht sich wohl von selbst. Von seinen litterarischen Arbeiten 
stammte in erster Linie sein Wohlstand nicht. (Vgl. S. 152). 

211) So Allg. D. Biogr., a. a. O. 

212) S. Weste 11 rieders Tagebuch, Abliandl. der Kgl. b. Akademie d. Wissen¬ 
schaften. Hist. Klasse XVI, 2. S. 21. 

213) Kluckhohn, a. a. O. S. 41, 44, 45, 46 und Heigels Artikel in der 
Allg. D. Biogr. Bd. XLII. S. 176. 

214) Georg Michael 1744 1795. Nagler, Künst. Lex. XXI. S. 263. 

215) Westenrieder, a. a. O. S. 125—142. 

2r6) 1721—1797. Allg. I). Biogr. XXIV, I65. Ein von J. A. Friedrich (1769) 
gestochenes Bild s. bei Jos. Maillinger, Bilderchronik der K. Haupt- und Residenz¬ 
stadt München. 1876. I. Bd. S. 117. No. 1106. 

217) Westenrieder, a. a. O. S. 83. 

218) Siehe besonders S. 71. 

219) Berlin und Stettin 1783. 55. Band. I. Stück. S. 308. 

220) Münchner gelehrte Zeitung 1783. VII. Stück. S. 49. 

221) Man vergleiche z. B. eine Schrift aus dem Todesjahre Kohlbrenners, die 
unendlich viel Wahres enthält: „Der Patriot, oder gemeinnützige Vorschläge zum 
Bessten der Religion und des Vaterlandes samt wichtigen Vorstellungen an die hohen 
Ordinariaten. Wien 1783. LVI u. 288“. 

222) Hör. Carm. III, 30. 6. 

Anmerkung. Die rastlose Korrespondenz Kohlbrenners im Interesse seines 
Kirchengesanges hat zur Folge, dass sich wohl noch au vielen Orten Briefe desselben 
finden. Nach einer gefälligen* Mitteilung des Herrn Dr. Karl Brunner enthält der 
Nachlass Lameys im g. Archive zu Karlsruhe allein an vierzig Briefe von Kohl¬ 
brenners Hand. 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher 
Grundlage a. d. J. 1665 und die sich daran schliessenden wirt¬ 
schaftspolitischen Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich. 

Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Dr. Johann Joachim Becher 
und des Bischofs Christoval de Roxas. 

Von 

Michael Döberl. 

I. 

dreissigjährige Krieg hatte Deutschland eine Zerstörung seiner 
Kultur gebracht, wie sie kein modernes Volk jemals erfahren hat Das Ge¬ 
werbe lag darnieder, namentlich diejenigen Gewerbezweige, welche für den 
entfernten Absatz gearbeitet hatten. Das in Bayern dereinst so blühende 
Tuchmachergewerbe war so zurückgegangen, dass es nicht einmal die Be¬ 
dürfnisse des einheimischen Marktes mehr decken konnte, das Münchener 
Kunstgew r erbe, das noch vor dem Kriege in Italien, in Frankreich, in Spanien 
Absatzgebiete gehabt, also einen angesehenen Platz auf dem Weltmärkte sich 
erobert hatte, schien vernichtet. Der deutsche Handel hatte schon durch die 
Entdeckung des Seewegs nach Ostindien einen schweren Stoss erlitten und 
lag nun infolge der Verwüstungen des greuelvollen Krieges völlig zu Boden; 
der Ausschluss der Deutschen vom Weltverkehr schien eine unwiderrufliche 
Thatsache geworden zu sein. Ganz besonders waren die ehemaligen süd¬ 
deutschen Stapelplätze des deutsch-italienischen Handels und mit ihnen auch 
die bayerischen Städte zurückgegangen. Deutschland war ein geldarmes Land 
geworden. ,,Wenn die eine zeithero zu Regeusburg gehaltenen conventen (Reichs¬ 
tage) nicht gewesen wären“, klagt ein bayerisches Gutachten aus der Zeit Fer¬ 
dinand Marias, 1 ) „wäre gewiss, dass schon längst in dem Walde, in der 
Oberpfalz, ja auch diesseits der Donau um Straubing und Regensburg herum, 
da doch sonst die vermögendsten landleute wohnhaft gewesen, gar kein geld 
mehr bei Privatleuten zu finden sein würde.“ Wenn eben der Gewerbe- und 
Handelsstand leidet, dann fehlt es auch den Bauern an Geldmitteln. 

Und doch gingen aus demselben Deutschland jährlich viele Tausende 
für wirtschaftliche Bedürfnisse ins Ausland. „Hat mich vielmals sehr wunder 
genommen“, klagt dasselbe Gutachten, „dass eine geraume zeit hero viel schlechte 
personen geringer dienstcondition von der Scheitel des kopfes bis zum untersten 
tail ihrer solen in lauter frembden ausser landes erkauften oder doch gemachten 


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164 


M. Döberl 


mid hereingebrachten Sachen angethan und beklaidt seint, als die hüte müssen 
etwau Bredauer sein, die kragen von Niederländischer leinwand, .wohl auch 
spitzwerk, die klaider von Holländischem tuch oder frembden zeug mit sei¬ 
denen, wo nicht gar güldenen knöpfen, borten und nesteln ausgemacht, die 
strümpf wohl auch seiden, wenigst etwan Pariser, die schuch von Castebon, 
wie auch die Stiefel von Preussischem ausser landes gearbeiteten und herein¬ 
gebrachten leder. Sogar die hemder und andere leinwandsachen aus dem 
lande ob der Enns, wo nit weiter hergebracht werden.“ Ganz besonders klagte 
man über die ungeheueren Geldsummen, welche die holländisch-ostindische 
Kompagnie seit mehr denn 60 Jahren mit ihrem ausschliesslichen Kolonial¬ 
handel aus den deutschen Landen ziehe, ohne irgend ein Äquivalent zu 
bieten. 3 ) Deutschland war wie auf politischem, so auch auf wirtschaftlichem 
Gebiete ein Ausbeutungsfeld für fremde Völker geworden, für fremde Gewerbe, 
für fremde „wagende“ Kaufleute. Das war zu derselben Zeit, da von Frank¬ 
reich her der Merkantilismus seinen Weg durch Europa machte, jenes System, 
das als Endzweck aller Politik die Vermehrung der Geldmittel im Lande er¬ 
strebte und als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes den bestmöglichen Stand 
des Handels, des Gewerbes, der Bevölkerung empfahl. 

Ein Gefühl des Unbehagens ob dieser traurigen wirtschaftlichen Ver¬ 
hältnisse durchzieht die weitesten Kreise unserer Nation. Bei blossen Klagen 
ist es aber nicht verblieben. Den Fürsten und den leitenden Staatsmännern 
ist es keineswegs entgangen, dass es galt durch positive Arbeit die heimische 
Industrie und den heimischen Handel zu heben, sie von der Zwingherrschaft 
ausländischer Interessen zu erlösen. Das Beispiel Frankreichs wirkte auf- 
muntemd; französische Wirtschaftspolitik auf Deutschland zu übertragen wurde 
ein Losungswort der französisch wie der anti-französisch gesinnten Kreise, 
nach letzteren sollte Frankreich mit den eigenen Waffen bekämpft werden. 
Auch die Entwickelung der Wissenschaft in Deutschland kam diesem Streben 
der Fürsten und Staatsmänner entgegen; sie wandte sich gerade in dieser 
Zeit, ganz im Gegensatz zum 16. Jahrhundert, mit Vorliebe von der Ver¬ 
gangenheit zur Gegenwart, vom Jenseits zum Diesseits, von der Pflege 
philologischer und theologischer Studien zur Erforschung naturwissenschaftlicher 
und wirtschaftlicher Probleme, sie stellte den Fürsten befähigte Gehilfen in 
der Durchführung ihrer wirtschaftlichen Projekte. Es gab freilich Fürsten, 
die nur allzu grosse Anforderungen machten, es gab kühne Projektmacher, 
welche die Kunst, für ihre Absichten die glänzendsten Erfolge in Aussicht 
zu stellen und mit Umgehung der Wahrheit phantastische Zukunftsbilder zu 
entwerfen, in nur zu grossem Masse besassen, Männer, die an dem Übermass 
ihrer Versprechungen scheiterten. I11 Projekten ist eher zu viel als zu wenig 
geleistet worden. Wie den einzelnen, so verführt auch ein ganzes Volk ge¬ 
rade das Bewusstsein von versäumten Gelegenheiten nur zu häufig zu einem 
ungeduldigen Drang, der den zweiten Schritt vor dem ersten macht, zu einem 
nervösen Schaffenstrieb, der gerne von Plan zu Plan springt. Man beobachtet 
in dieser Zeit auf dem wirtschaftlichen Gebiete nur zu häufig dieselbe ruhe¬ 
lose Unternehmungslust, dieselbe ruhelose „PraktiZierlichkeit“, wie in der aus- 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 165 


wärtigen Politik. Ruhigere, besonnenere Köpfe konnten sogar darüber Klagen 
führen, dass man. namentlich an den geistlichen Höfen, vor den wirtschaft¬ 
lichen Fragen die politischen in den Hintergrund dränge: „Es ist bekannt, 
dass die geistlichen stände zu dieser zeit, da der Staat in gefahr ist, den 
consiliis oeconomicis gar zu sehr inherieren, fürnemblich diejenigen, welche 
wohl wissen, dass ihre dignität, land und leute nicht an ihrem geschlecht 
bleibt. Die anderen hohen stände müssten deshalb umso viliganter sein.“ 6 ) 
Diese warnenden Worte schrieb im August 1667 der ausserordentliche 
Gesandte am Württemberger Hofe, Ewald von Kleist, an seinen Herrn, 
den Kurfürsten von Bayern. Wenn man die Verhältnisse am Münchener 
Hofe kennt, möchte man fast glauben, dass diese Worte nicht bloss formell, 
sondern auch inhaltlich an die Adresse des bayerischen Hofes gerichtet waren. 
Die finanzielle Lage des Landes durch Erschliessung neuer Einnahmequellen 
zu heben, gehörte zu den Lieblingsideen Ferdinand Marias; der Kurfürst 
ging hierin sogar weiter, als seinem nüchtern abwägenden Kanzler Kaspar 
von Schmid lieb war. „Das gute vermögen ist nervus rerum agendarum 
et couservandarum“, hatte Kurfürst Maximilian I. am Schlüsse seines Lebens 
in der „Information für seine Gemahlin“ 1 ) geäussert, in welcher er ähnlich 
wie in seiner „Unterweisung an seinen Sohn“ 5 ) die Summe seiner Lebens¬ 
erfahrungen, seiner politischen Weisheit niedergelegt hat. Und Ferdinand 
Maria blieb hierin der väterlichen Mahnung getreu. Als er einmal auf der 
Jagd in Geisenfeid weilte, verschrieb er sich für die Rückfahrt von Geisen- 
feld nach München als Reiselektüre - ein Verzeichnis der österreichischen 
Einkünfte. „Serenissimus erinnert sich“, schrieb der Kabinetssekretär Priel¬ 
mayer an den Kanzler Kaspar von Schmid, 6 ) „eines ihm von Ew. Gnaden 
vor diesem fürgelegten geschriebenen puechs, darin des kaisers einkünften, so 
er aus den Oesterreichischen landen zieht, beschrieben sein. Das verlangt der 
kurfürst unter der reise zu seiner distraction zu lesen.“ Und wie Maximilian, 
so suchte auch Ferdinand Maria nicht bloss die unmittelbaren Einkünfte 
des Fiskus zu mehren, sondern auch den Volkswohlstand zu heben durch 
Förderung der Landwirtschaft sowohl wie des Gewerbes und des Handels, 
in der richtigen Erkenntnis, dass sein eigenes Einkommen von der Steuer¬ 
kraft des Landes bedingt sei. „Ein landesfürst ist reich genug, wenn in 
seinem lande viel geld ist; denn der herrschaften schätz und reich tum be¬ 
steht in der privaten reichtum.“ „Salus populi suprema lex“. In diesem ganz 
modernen Sinne äussert sich bereits eine Stimme aus der Umgebung des 
Kurfürsten. 7 ) In diesen seinen wirtschaftlichen Bestrebungen wurde Ferdinand 
Maria durch seine Gemahlin Adelheid von Savoyen bestärkt, die sich 
Zeit ihres Lebens mit dem ihrem Naturell entsprechenden Feuereifer für wirt¬ 
schaftliche Projekte erwärmte: kam sie ja aus einem Lande, das Bayern wirt¬ 
schaftlich weit überlegen war. Wie Vertreter der Kunst, zog sie auch Ver¬ 
treter des Handels und des Gewerbes aus Italien nach Bayern. Von der Sorge 
Ferdinand Marias für die materielle Wohlfahrt seiner Unterthanen legen 
noch heute Zeugnis ab die umfangreichen Gutachten, die auf seine Initiative 
ausgearbeitet wurden, legt ebenso Zeugnis ab die vertrauliche Korrespondenz 


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l66 M. Döberl 


zwischen dem kurfürstlichen Kabinetssekretariate und dem Kanzellariate, die 
mir aufzufiuden geglückt ist. 

Aus diesen Bestrebungen heraus erklärt sich die Berufung des be¬ 
deutendsten deutschen Theoretikers des Merkantilismus, der zugleich auch 
mannigfaltig als Praktiker auftrat, Johann Joachim Bechers. 8 ) Becher 
war nach eigener Angabe 1635 zu Speyer als der Sohn eines protestantischen 
Predigers geboren und hatte nach sehr bewegten Lehr- und Wanderjahren in 
den Fünfziger Jahren eine feste Stellung in Mainz als Professor der Medizin und 
kurfürstlicher Leibmedikus erlangt. I11 dieser Stellung verblieb er bis zum 
Jahre 1663. Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Würzburg — dieses 
Bistum war damals in der Person Johann Philipps von Schönborn 
mit dem Erzbistum Mainz vereinigt — und in dem kurpfälzischen Heidelberg 
erscheint er seit Mai 1664 an dem mit Mainz in engen Beziehungen stehenden 
bayerischen Hofe. Vermutlich lernte der Kurfürst und die Kurfürstin den 
Mann auf dem Reichstage in Regensburg kennen, wo sich damals Stellen¬ 
jäger aus den verschiedensten Gegenden eiufanden. Becher hatte sich in 
einer harten Leidensschule eine seltene Arbeitskraft, hatte sich, obwohl nur 
Autodidakt, bei seinem heissen Wissensdrange eine ungewöhnliche Vielseitig¬ 
keit erworben, er erfreute sich bereits eines nicht unbedeutenden Namens, 
nicht bloss als Mediziner, noch mehr als Chemiker, Mechaniker, ganz be¬ 
sonders aber als Kameralist. Er wurde als kurfürstlicher Rat und Leib¬ 
medikus in bayerische Dienste genommen, sollte aber vornehmlich „gute Ein¬ 
richtungen in Handels- und Kameralsachen“ treffen. Schon im folgenden 
Monat Juni trat er mit einem ganz im Sinne des Merkantilismus ausgearbeiteten 
Programm hervor, wie dem Nationalwohlstand Bayerns aufgeholfen werden 
könnte. Seine Vorschläge gipfelten in der Forderung der Verbesserung des 
Münzwesens, der Errichtung eines Kaufhauses zur Aufnahme der Rohprodukte, 
der Fhrichtung eines Werkhauses und einer Landesbank, des Verbotes der 
Ausfuhr von Rohprodukten, des Verbotes der Einführung fremder Manufak¬ 
turen mit Ausnahme derjenigen Artikel, die durchaus nicht im Lande herge¬ 
stellt werden könnten. 

Seine Pläne gingen aber noch weiter. Um Bayern Anteil an dem 
Welthandel zu verschaffen, sollte es eine Kolonie jenseits des Ozeans gründen; 
namentlich die Kurfürstin wurde für dieses Projekt erwärmt. Noch im Herbste 
desselben Jahres 1664 ging Becher im Aufträge des Kurfürsten und der 
Kurfürstin nach den Niederlanden, um für seine inländischen Pläne das Gut¬ 
achten Sachverständiger zu vernehmen und die Beteiligung holländischer 
Kaufleute zu gewinnen, um aber zugleich über sein überseeisches Kolonial¬ 
projekt in Unterhandlung einzutreten mit der westindischen Kompagnie der 
Niederlande. Wirklich bot die eine Kammer des Direktoriums ein Stück 
Landes in der Länge von 30, in der Breite von 20 Meilen in Nordamerika, 
in der Gegend des heutigen Newyork, des damaligen Neu-Amsterdam, an, die 
andere ein Territorium in dem südamerikanischen Guyana in der Länge und 
Breite von 60 Meilen. Das holländische Kolonisationsprojekt verschwand 
ebenso rasch, als es gekommen. Ganz abgesehen von der Utopie, das binnen - 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 167 


ländische Bayern, das nicht einmal ein Industriestaat war, zu einem Kolonial - 
Staat zu machen, mussten schon die Bedingungen, die von der ostindischen 
Kompagnie gestellt wurden, abschrecken. 9 ) 

So kurzlebig das holländische Kolonialprojekt war, es gab doch den 
beiden damals um den Einfluss in Deutschland ringenden 
Häusern Habsburg und Frankreich Veranlassung, um durch koloniale 
Anerbietungen den bayerischen wie andere deutsche Höfe an sich zu fesseln. 
„Es hat das ansehen“, konnte der Obersthofmarschall am bayerischen Hofe, 
Hermann Egon von Fürstenberg äussern, „als ob Spanien und Frank¬ 
reich mit der zeit certieren werden, welches au die kurfürsten und fürsten 

die besten conditionen geben werde.“ 10 ) Der Anfang scheint von Spanien 
gemacht worden zu sein; doch ist über den Inhalt des spanischen Anerbietens 
bis jetzt nichts bekannt geworden. Vermutlich Fürstenberg ist es ge¬ 
wesen, welcher sowohl das holländische wie das spanische Kolonialprojekt an 
Frankreich verriet und seinen Kurfürsten bestimmte, Verhandlungen mit Frank¬ 
reich anzuknüpfen wegen Abtretung einer französischen Kolonie. Simons¬ 
feld ist dieses französische Projekt bei seinen Studien entgangen . 11 ) Wir 
erfahren hievon aus einem späteren Schreiben des französischen Ministers 

Colbert vom 21. Oktober 1665. 1 *) Das Land, das Frankreich Bayern zur 

Kolonisation an bot, war ein Teil von Französisch-Guyana. „Das Land“, so 
rühmt der französische Minister, „ist mit solchen portes versehen, dass selbige 
darinnen ihre guet sichern stand haben und vor übler Witterung beschützt 
werden mögen, deren Situation auch ferners also bestellt, dass mau auf den 
notfall assistenz und hilf von den anderen Französischen kolouien haben kann. 
Zu dieser glückseligen landesart und bestellung kommt noch hiezu die frucht- 
barkeit der erden und die gesunde luft, welche stetig und jederzeit erfrischt 
wird durch die ostwind, so zumalen auch zu diesem handel sehr dienlich“. 
Selbstverständlich ist auch dieses Projekt über das Stadium der Vorverhand¬ 
lungen nicht hinausgekommen, aus denselben Gründen wie die früheren. 
Darauf kam es auch weniger au, die Kolonialprojekte waren, für die habs¬ 
burgische wie für die französische Diplomatie nur eines der vielen Mittelchen, 
um für die eine oder andere Partei Propaganda zu machen. „Es war genueg“, 
äusserte man habsburgischer Seits, „datnaln ein und andern Teutschen fürsten 
von Frankreich in diser materi divertirt zu haben.“ 18 ) 

Aber damit war das Bestreben, durch wirtschaftliche Projekte das In¬ 
teresse und die Sympathien des bayerischen Hofes zu gewinnen, einmal in¬ 
auguriert, es sollte unmittelbar darauf eine viel groteskere Blüte treiben. Noch 
im Herbst des Jahres 1665 geht von österreichisch-spanischer Seite die Idee 
aus, durch Errichtung einer „deutschen Gesellschaft zur Einführung der ost¬ 
indischen Kommerzien“ zunächst eine bessere Verständigung mit Bayern, im 
weiteren Fortgang aber nichts Geringeres als eine Einigung Deutschlands 
auf wirtschaftlicher Grundlage herbeizuführen. 

Die Idee war allerdings nicht völlig neu. Schon im Jahre 1660 hatten 
Konferenzen des grossen Kurfürsten Friedrich Wilhelm mit dem ehemals 
holländischen Admiral Gysels van Li er den Gedanken gezeitigt, eine ost- 


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M. Doeberl 


i68 


indische Handelskompagnie zu gründen zur Vernichtung der holländischen 
Handelsherrschaft, zur Herstellung eines unmittelbaren deutschen Handels¬ 
verkehrs mit den überseeischen Ländern, zur Anlegung eigener Kolonien, zur 
Ermöglichung einer direkten Einfuhr der Kolonialprodukte nach Deutschland, 
zur Begründung einer deutschen Marine. Die Direktion sollten Brandenburg 
und Österreich übernehmen, zur Teilnahme sollten Brandenburg, Österreich, 
Spanien, im weiteren Fortgang auch andere deutsche Fürsten und die Hansa¬ 
städte herangezogen werden. 14 ) Gysels fand für seine Pläne wirklich einen 
Boden am Wiener Hofe und in der Folgezeit eifrige Vertreter seiner Idee in dem 
aus den spanischen Niederlanden stammenden Franziskaner Don Christoval 
de Roxas, der durch den allmächtigen Fürsten von Portia als Beichtvater 
an den Wiener Hof gekommen und zum Titularbischof von Stephanien in 
Ungarn erhoben worden war, und in dem Markgrafen Hermann von 
Baden. Doch die Reise Roxas’ nach Spanien blieb ergebnislos, auch der 
Wiener Hof verlor immer mehr das Interesse für das Projekt. Zuletzt im 
Herbst zog sich auch der Kurfürst von Brandenburg zurück. 

Roxas wie Hermann von Baden setzten aber in der Folgezeit 
ihre Propaganda fort, zunächst an den Höfen von Mainz und Sachsen. 14 *) Jetzt 
erst scheint Roxas dem wirtschaftlichen Projekte einen höheren Gesichts¬ 
punkt zugrunde gelegt, einen deutsch-nationalen Charakter verliehen zu 
haben, so dass es die Vorstufe werden konnte zu einer politischen Einigung 
Deutschlands, eine Idee, die freilich erst im Zollverein des 19. Jahrhunderts 
ihre Verwirklichung finden sollte. „Die Vereinigung der gemüter hebt sich 
vom selben augeublick an, da einer dem andern reichtumb verschaffet, und 
wird befestigt, wann mau auf ein ewiges zunehmen und Vereinigung der 
reichtümber gedenket. Nichts ist stärker als dies band, weil es mit 
keiner listigkeit oder auch mit blutigem schwerd nit kau aufgelöst werden.“ 
Mit diesen Worten lässt Johann Joachim Becher den Bischof sein Pro¬ 
gramm rechtfertigen, 15 ) mit Worten, die merkwürdig ankliugen au den dich¬ 
terischen Erguss, mit dem Hof mann von Fallersleben die nationale 
Bedeutung des Zollvereins des XIX. Jahrhunderts gefeiert hat: 


„Schwefelhölzer, Fenchel, Briken, 

Kühe. Käse, Krapp, Papier, 

Schinken, Scheeren, Stiefel, Wicken, 
Wolle, Seife, Garn und Bier; 
Pfefferkuchen. Lumpen, Trichter, 

Nüsse, Tabak, Gläser, Flachs, 

Leder, Salz, Schmalz, Puppen, Lichter, 
Rettig, Rips, Raps, Schnaps, Lachs, Wachs! 


Und ihr andern deutschen Sachen, 
Tausend Dank sei euch gebracht! 

Was kein Geist je konnte machen, 

Ei, das habet ihr gemacht. 

Denn ihr habt ein Band gewunden 
Fm das deutsche Vaterland. 

V 11 d die Herzen hat verbunden 
Mehr, als unser Bund, dies Band.“ 


Im Herbst 1665 zeigte sich Roxas, der inzwischen Vertreter Spaniens 
am Regensburger Reichstage geworden war, am bayerischen Hofe. Er er¬ 
schien in Begleitung eines kaiserlichen Gesandten, des Reichshofvizekanzlers 
und Prinzipal gesandten am Regensburger Reichstage Dr. Johann Paul 
Hocher. Wir erfahren hierüber aus einem Aktenprodukt im Münchener 
Staatsarchiv, „Negotiation der kaiserlichen Abgeordneten am kurbayerischen 
Hofe, Christof Bischöfen zu Stefanien und Dr. Hocher österreichischen 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 169 


Hofkanzlem wegen obschwebender gefährlicher Konjunkturen im römischen 
Reich 1665.“ 16 ) 

Der kaiserliche Gesandte sollte au die gefährlichen Wirren im Reiche er¬ 
innern, in erster Linie au den Konflikt in der Reichskapitulationsfrage zwischen 
dem Kurfürstenkollegium, das seine alte privilegierte Stellung behaupten, und 
den im „Fürstenverein“ verbundenen Reichsfürsten, welche unter Ausnützung 
einer Bestimmung des westfälischen Friedens sich einen grösseren Einfluss 
auf ~ die Reichsregierung sichern wollten. Schon drohe ein Teil der pro¬ 
testierenden Fürsten, seinen Forderungen in der Reichskapitulationsfrage mit 
den Waffen Nachdruck zu geben. Nicht allein die Herzoge von Braun¬ 
schweig hätten mehrere Tausend Mann auf den Beinen, auch die Schweden 
hätten eine ansehnliche Truppenmacht nach dem Reiche geworfen; wenn die 
braunschweigischen und die schwedischen Truppen sich vereinigen und andere 
protestantische Kontingente an sich ziehen würden, dann stünde eine gefähr¬ 
liche protestantische Macht unter den Waffen. Die Gefahr für den Frieden 
sei umso grösser, als die protestantischen Stände den Krieg des Bischofs von 
Münster gegen Holland dahin deuten wollen, als ob er nur die Einleitung 
zu einem allgemeinen Vorstoss der Katholiken gegen die Protestanten, zu 
einer Unterdrückung des Protestantismus sein würde. Der Kaiser habe zwar 
durch seinen Residenten im Haag den Generalstaaten seine Vermittelung 
gegen Münster augeboten, habe durch seinen Prinzipalgesandten in Regens¬ 
burg den protestantischen Ständen den Wahn zu nehmen gesucht, als ob der 
Münsterische Einfall mit Wissen des Kaisers oder gar sämtlicher katholischer 
Fürsten im Reiche geschehen, und er werde durch seinen Residenten in 
Berlin, Baron von Goes, dem Kurfürsten von Brandenburg, durch einen 
ausserordentlichen Gesandten den Herzogen von Braunschweig dieselben Ver¬ 
sicherungen wiederholen lassen. Doch wenn das Reich, insbesondere die be¬ 
nachbarten Kreise nicht in den Krieg eingeflochten, wenn der so teuer er¬ 
kaufte Friede erhalten werden solle, dann bedürfe der Kaiser vor allem des 
Rates und der Mitwirkung des Kurfürsten von Bayern. 

So der Inhalt des offiziellen schriftlichen „Anbringens." Man darf 
sich aber durch solche Aktenstücke nicht irre führen lassen. Die schriftlichen 
Propositionen sind ebenso, wie die schriftlichen Bescheide, meist für die Öffent¬ 
lichkeit, für die Kommunikation an andere Regierungen bestimmt und gehen 
nur zu häufig dem Kernpunkt der Mission, wenn dieser heiklen Inhalts ist, 
aus dem Wege. In Wirklichkeit strebte der Kaiser eine Allianz zwischen 
Bayern einerseits, dem Kaiser und Spanien anderseits an, eine Allianz, die 
ihre Spitze gegen Frankreich richten sollte. In diesem Sinne wurden auch 
die Anträge der österreichischen Gesandtschaft von dem bayerischen Hofe 
aufgefasst: „Der Kaiser“, so schrieb gleichzeitig mit den Münchener Kon¬ 
ferenzen die Kurfürstin Adelheid an ihren Bruder, den Herzog Karl 
Emanuel von Savoyen, „hat einen ungarischen Bischof, welcher die Ge¬ 
schäfte Spaniens am Regensburger Reichstage besorgt, hieher geschickt, um 
eine Union Bayerns mit dem Kaiser und mit Spanien zu stände zu bringen". 

Der Weg, auf dem der Kaiser das Ziel erreichen wollte, war eine 


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17 ° M. Doeberl 

nähere wirtschaftliche Verbindung. „Durch kommerziell sollte zwischen Bayern 
und Oesterreich eine bessere versteudnus gestiftet werden“, hat später der 
geheime Ratsvizekanzler Kaspar von Schmid geäussert. Nachdem sich 
Bischof Roxas mit kaiserlicher und spanischer Vollmacht legitimiert hatte, 
legte er den zu einer Konferenz deputierten bayerischen Räten ein Programm 17 ) 
vor, das in seinen wesentlichen Artikeln also lautete: 

Der Anfang zu einer wirtschaftlichen Vereinigung soll zwischen 
Bayern und Österreich gemacht, im weiteren Fortgang sollen aber auch 
die anderen deutschen Fürsten oder wenigstens die Mehrzahl derselben auf 
dem Wege von Separatverträgen zugezogen werden. Am Rhein sollen die 
Verhandlungen einsetzen bei Mainz und Köln, an der Elbe bei Brandenburg, 
und ihnen nachfolgen die übrigen Fürsten, deren Territorien am Rhein oder 
an der Elbe liegen. 

Innerhalb des wirtschaftlichen Unionsgebietes besteht möglichst freier 
Verkehr für die Erzeugnisse des Inlandes sowohl wie für diejenigen Waren 
aus dem Auslande, welche von den Kaufleuten des Unionsgebietes eingeführt 
sind. Um den Handel von lästigen Fesseln zu befreien, geht man zwar noch 
nicht so weit, wie der Zollverein des 19. Jahrhunderts, fordert noch nicht 
völlige Zollfreiheit, wohl aber Zollerleichterung für die Schiffahrt auf der 
Donau, der Oder und anderen Flüssen des Unionsgebietes. Zu diesem Zwecke 
soll zwischen Österreich und Bayern, den ersten Mitgliedern der wirtschaft¬ 
lichen Union, ein gemeinsamer ermässigter Zolltarif festgestellt werden, der 
nach Gewicht und Wert zu bemessen und einer jährlichen Revision zu unter¬ 
ziehen ist. Überdies übernimmt der Kaiser die Verpflichtung, für die Waren 
der beiden Staaten von der hohen Pforte auf dem türkischen Anteil der Donau 
Freiheit von Durchgangszölleu zu erwirken, übernimmt anderseits der Kur¬ 
fürst von Bayern die Verpflichtung, diejenigen deutschen Fürsten, deren Ge¬ 
biete an Strömen liegen, jetzt schon für den ermässigten Zolltarif zu gewinnen. 

Gegenüber dem Auslande stellt die wirtschaftliche Union eine ge¬ 
schlossene Einheit dar. Als Ausland gelten aber nicht diejenigen deutschen 
Territorien, welche der wirtschaftlichen Union ferne stehen, sondern nur die 
ausserdeutschen Staaten; die Union hat also von Anfang an einen rein 
deutschen Charakter. Von diesem Auslande, namentlich von Holland, soll 
sich die Union wirtschaftlich möglichst emanzipieren, nach folgenden Grund¬ 
sätzen: Um die Waren nicht mehr aus zweiter oder gar letzter Hand be¬ 
ziehen zu müssen und dieselben um einen niedrigeren Preis an die Deutschen 
verkaufen zu können, als sie bisher über Holland bezogen wurden, sollen die 
Kaufleute der Unionsstaaten selbst nach den fremden Weltteilen gehen, 
insbesondere nach Ostindien. Im Interesse eines kürzeren und zugleich 
sichereren Weges gilt es, einen Versuch zu machen, ob die indischen Waren 
nicht den Weg über den Ozean umgehen und von Ormus und dem schwarzen 
Meere her direkt auf der Donau oder von Aleppo über Venedig nach den 
deutschen Landen geführt werden könnten. Selbst der Transitverkehr 
soll möglichst durch die deutschen Lande geleitet werden, um den deutschen 
Konsum zu heben. Die Waren fremder Gesellschaften sind vom 


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Das Projekt einer Peinigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 1 7 I 


deutschen Markte zu verdrängen, was umso leichter möglich sein wird, als 
nach Erfüllung der obigen Voraussetzungen die Waren der Gesellschaft um 
einen billigeren Preis losgeschlagen werden können. Das deutsche Kapital 
soll im Inlande behalten, die Belehnung fremder Gesellschaften verboten, da¬ 
gegen fremde Kapitalien nach Deutschland gezogen werden. Auch bezüglich 
seiner Seehäfen hat sich die Union vom Auslande unabhängig zu machen. 
Damit der Handelsverkehr im Kriegsfälle keine Störung erleide, hat man sich 
neutraler europäischer Häfen, vor allem deutscher Häfen zu versichern, so 
für die Elbe Hamburgs, für den Rhein Ostendes. Fremde Nationen sind 
von der Union grundsätzlich fern zu halten. In der Absperrung gegen das 
Ausland macht eine Ausnahme nur Spanien; an Spanien muss vielmehr 
die Union einen Anschluss suchen, um hier ein Absatzgebiet zu gewinnen 
und in seinen Häfen das Gold und Silber Westindiens einzutauschen. 

Ein jedes fürstliche Mitglied der Union lässt auf seine Kosten ein 
oder mehrere Schiffe herstellen und übernimmt den Schutz derselben, er¬ 
nennt auch für jedes Schiff einen Direktor und mehrere Kommissäre, welche 
über die Waren und deren Verteilung zu wachen haben. Für die Schiffs¬ 
benützung und für den Schutz zahlen die Kaufleute einen bestimmten Ge¬ 
winnanteil. 

Die Union führt den Namen „Ostindische Kompagnie“, sie hat 
eben ihr Hauptaugenmerk auf Ostindien zu richten. Denn Ostindien ist 
überreich an Produkten, während von Westindieu, abgesehen von einigen 
Strichen Brasiliens, erst nach vieljähriger Arbeit eine Ausbeute zu erwarten 
ist, eine Ausbeute, welche überdies von der Habgier der Holländer und der 
ihnen gesinnungsverwandten Völker stets bedroht ist. 

Die Vertreter Bayerns warnen vor neuen Konföderationen und dem 
daraus erwachsenden Parteiunwesen, empfehlen vielmehr einen Weg, der durch 
die Reichskonstitutionen und durch die Exekutionsordnung vorgesehen, die 
Rückkehr zur Kreis Verfassung. Weil dieses Ziel w r eder mit Reichstags- noch 
mit Kreistagsbeschlüssen auf einmal zu erreichen ist, soll der Anfang hiezu 
gemacht werden durch einen Zusammenschluss der mächtigeren und politisch 
reiferen Stände eines jeden Kreises; dann müssten die andern allmählich von 
selber nachfolgen. Um die einzelnen Stände leichter zu gewännen, sollten 
keine augenblicklichen Geldbeträge gefordert, wohl aber alle Vorkehrungen in 
dem Grade getroffen werden, dass im Ernstfälle lediglich die Werbung übrig 
bliebe, mit anderen Worten es sollten unter Zugrundelegung der Reichs¬ 
matrikel die Kontingente auf die einzelnen Stände verteilt, diese aber erst im 
Ernstfälle geworben werden. In dieser Vereinigung dürfen weder Österreich 
noch Bayern Vorrechte in Anspruch nehmen, die ihnen nicht schon von 
Alters her zugestanden. Stimmenmehrheit sollte entscheiden. Widerstand 
gegen Mehrheitsbeschlüsse, Verweigerung der Erfüllung der Bundespflichten, 
namentlich der Stellung des Kontingentes soll durch Straf quartiere und durch 
Schutzentziehung überwunden werden. Die Propaganda für die Vereinigung 
muss in aller Stille gemacht werden: Bayern und Österreich lassen durch 
Vertraute oder durch ihre Vertreter auf den Reichstagen erst den Bischof von 


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I 7 2 


M. Doeberl 


Konstanz, dann die übrigen führenden Stände des schwäbischen Kreises heim¬ 
lich bearbeiten. Dieselbe Verpflichtung übernimmt Bayern für den bayerischen 
Kreis. Bayern unterschreibt den eventuellen Rezess lediglich als schwäbischer 
Reichsstand, formell auf die Einladung der übrigen schwäbischen Reichsstände 
hin, ebenso sorgt Bayern dafür, dass Österreich zu demselben Zwecke von 
den bayerischen Kreisständen eingeladen werde. „Hiedurch“, fügte der kur¬ 
fürstliche Bescheid hinzu, „würde den protestierenden zu einer jalousie nicht 
Ursache gegeben, weil sie mit eingezogen werden; sie würden vielmehr von 
ihren aufrührerischen dessins, wenn sie überhaupt solche Vorhaben, di vertiert 
werden. Die katholischen aber kommen zugleich in postur. Und würde 
solcher gestalt durch die gnade Gottes ein schwert das andere in der scheide 
halten, mithin aber auch das Römische reich wider alle aus- und einwärtige 
zufälle in Sicherheit gesetzt.“ 

Mit diesem Gegenprogramm war natürlich Österreich, das damals Bayern 
in der niederländischen Frage gegen Frankreich engagieren wollte, nicht ge¬ 
dient; denn die von Bayern vorgeschlagene Verfassung konnte ebenso gut 
gegen wie für Österreich Verwendung finden. Aber man hatte eine sehr ge¬ 
schickte, sehr legale Form gefunden, um die österreichische Einladung abzu- 
lehnen. Und diese Ablehnung war von Anfang an beschlossene Sache. 

Bayern war damals schon mit sich im Reinen, um des seit den Tagen 
Maximilians so sehr verhassten Spanien, um der dem Reiche völlig ent¬ 
fremdeten Niederlande willen den so teuer erkauften Frieden nicht preiszu¬ 
geben. Bayern war damals schon Frankreich zu enge befreundet, als dass es 
sich den Franzosenkönig zum Feinde machen wollte. Schon in den letzten 
Jahren der Kurfürstin-Mutter, der Habsburgerin Marianne, hatte die junge 
Kurfürstin Adelheid, die Enkelin des grossen Franzosenkönigs Heinrich IV., 
jede Gelegenheit wahrgenommen, um gegen den verhassten Wiener Hof An¬ 
klagen zu schmieden, um ihren Gemahl in den Guerillakrieg gegen das habs¬ 
burgische Kaisertum mit fortzureissen; die Fehler der österreichischen Diplomatie 
waren ihr bester Bundesgenosse. Im Sommer des Vorjahres 1664, während 
des Türkenkrieges, war es bereits mit Hilfe der beiden einflussreichsten Räte, 
des Obersthofmarschalls Hermann Egon von Fürstenberg und des 
Vizekanzlers Kaspar von Schmid, zum ersten bayerischen Vertragsent¬ 
wurf gekommen. Am 12. August des Jahres 1665 selbst konnte die Kur¬ 
fürstin gelegentlich eines Reiseprojektes Kaiser Leopolds I. nach Tirol 
ihrem Bruder triumphierend mitteilen : „Der Kurfürst wünscht nicht, dass der 
Kaiser seinen Weg nach Tirol durch unser Land nehme. Ich glaube sogar, 
dass wir, um einer Begegnung mit dem Kaiser bei dessen Rückkehr auszu¬ 
weichen, nötigenfalls eine Reise nach dem Fürstentum der Obern Pfalz an- 
treten. Das Gegenteil hiesse nachgerade alles zum Fenster hinauswerfen; 
denn wo der Kaiser dem Kurfürsten widersprechen oder vor dem Kopf stossen 
kann, thut er es redlich. Der Kurfürst braucht also keine so grosse Sorge 
zu tragen, um sich einem Fürsten zu verpflichten, der keine Erkenntlichkeit 
besitzt, der nichts hält von dem, was er versprochen, wie das Haus Savoyen 
reichlich erfahren hat.“ lb ) Unmittelbar vor dem Eintreffen der spanisch-öster- 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 


173 


reichischen Gesandtschaft, in der zweiten Hälfte des September 1665, starb über¬ 
dies die Kurfürstin-Mutter. Seitdem setzte Adelheid noch rücksichtsloser 
die Bearbeitung ihres Gatten fort, und Ferdinand Maria ging immer 
williger, aber auch immer überzeugter auf die Ideen seiner Gemahlin und 
der für einen Anschluss an Frankreich arbeitenden Räte ein. Um dieselbe 
Zeit, da die österreichisch-spauischen Bevollmächtigten am Münchener Hofe 
verhandelten, konnte Adelheid nicht bloss das Anerbieten des ersten öster¬ 
reichischen Ministers, des Obersthofmeisters Lobkowitz, ihr und ihrem 
Hause in der M011 tfortsehen Angelegenheit seine Unterstützung zu leihen, 
in brüsker Form abweisen, sie konnte sich auch bereits der Hoffnung hin¬ 
geben, ihren Gatten völlig bekehrt zu haben: „Ich glaube nicht, dass der 
ungarische Bischof (Roxas) sein Ziel erreichen wird. Ich sehe nicht die 
geringste Neigung hiezu beim Kurfürsten. Dieser weiss nunmehr, Gott sei 
Dank, dass das Haus Österreich dem Hause Bayern nichts Anderes wünscht 
als den Untergang.“ ,9 ) 

Aber Bayern war nicht bloss abgeneigt, in ein besonderes Bündnis mit 
Österreich und Spanien einzutreten, Bayerns leitenden Staatsmännern erschien 
selbst der Weg, der von österreichischer Seite eingeschlagen wurde, utopistiscli. 
Allerdings Dr. Johann Joachim Becher wurde dafür gewonnen, arbeitete 
dem Bischof Roxas in die Hände, aber Becher war zweifellos von Roxas 
bestochen. Allerdings finden sich Anzeichen, als ob selbst der Obersthof¬ 
marschall Hermann von Fürstenberg die Thätigkeit des Bischofs be¬ 
günstigt hätte, aber derselbe Fürstenberg war in Wirklichkeit französisch 
gesinnt, war das Sprachrohr seiner in französischen Diensten stehenden 
Brüder. Hat er also wirklich dem Projekte des Bischofs Sympathiebeweise 
entgegengebracht, so waren sie nicht ernst gemeint und hatten noch weniger 
eine politische Folge, sondern waren nur erkauft mit österreichischem Gelde. 
Angesichts der notorisch frivolen Gesinnung F ürsteil bergs, angesichts der 
auch sonst bezeugten Thatsache, dass er sich zu derselben Zeit, da er für 
Frankreich arbeitete, von der österreichischen Regierung bezahlen liess, darf 
seinen Erklärungen gegenüber Vertretern Österreichs keine Bedeutung bei ge¬ 
legt werden. Wie man in Wirklichkeit in den ernsten Regierungskreisen 
Bayerns über das Projekt dachte, das wissen wir aus dem Munde des Vor¬ 
standes der geheimen Ratskauzlei, der Seele der bayerischen Politik, durch 
dessen Hand alle Regierungsakte gingen, des Vizekanzlers Kaspar von 
Schmid. Als nämlich 13 Jahre später der inzwischen zum Bischof von 
Tinin (Knin) vorgerückte Roxas am bayerischen Hofe einen ähnlichen Ver¬ 
such wagte, da schrieb Schmid in einer vertraulichen Korrespondenz an 
den Kabinetssekretär Huber: 20 ) „Es ist die alte uaradey, die er vor diesem 
in seinem köpfe gehabt, durch konunerzien zwischen Kurbayern und Oester¬ 
reich eine bessere verständnus zu stiften.“ Wie man selbst in den höchsten 
Finanzkreisen Österreichs das Projekt beurteilte, dafür genügt das Zeugnis 
des obersten Finanzbeamten, des Hofkammerpräsideuten Grafen Georg Lud¬ 
wig von Sinzendorf: „Ohne sei nicht, dass der P. Roxas von einer Ost¬ 
indischen compagnie und einer handlung nacher Persien ein konzept gehabt, 

Bayer. Forschungen VI, 3. 12 


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174 


M. Doeberl 


ein solches auch nacher München überschrieben, mau hat es aber allhier als 
ein gar zu weit aussehendes und viel difficultäten nach sich ziehendes werk 
in keine sonderbare konsideration gezogen noch dermalen eine reflexion darauf 
gern ach t. 4 ‘ 21 ) 

In der That, so weitblickend das Projekt des Bischofs Roxas war, 
so gesunde Gedanken es enthielt, es war doch für die damalige Zeit utopi- 
stisch. Aber spurlos ist die Gesandtschaft des Franziskanermönchs keines¬ 
wegs verlaufen. Nicht bloss wurde in den Münchener Konferenzen das von 
Roxas empfohlene Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher 
Grundlage mit dem bayerischen Gegenprojekt zu einem Gesamtentwurf ver¬ 
einigt mit dem ausgesprochenen Zwecke, den gegenwärtigen und künftigen 
Schwierigkeiten im Reiche zu begegnen, es fanden sogar im unmittelbaren 
Anschluss an die Vorschläge des Bischofs fast zwei Jahre lang wirtschaftliche 
Verhandlungen in Wien statt, die im Aufträge der bayerischen Regierung 
erst von Dr. Johann Joachim Becher, später von dem Hofkammerrat 
Leidl und dem Regierungskanzler Barbier, zuletzt von Barbier allein ge¬ 
führt wurden. Und diese geben uns nicht bloss ein Bild, wie allmählich die 
Idee des Bischofs Roxas verblasste, sie machen uns zugleich bekannt mit 
anderen wirtschaftlichen Ideen jener projektenreichen Zeit und den wirtschaft¬ 
lichen Gegensätzen zwischen Bayern und Österreich, sie bilden endlich einen 
Beitrag zur Geschichte des Bischofs Roxas und des Dr. Becher und l£gen 
gegen Erdberg 22 ) Zeugnis dafür ab, dass zur Kontrolle und Ergänzung der 
von Becher selbst überlieferten Aktenstücke archivalisches Material heran¬ 
zuziehen ist. 


II. 

Noch im Dezember 1665, „gegen dem ende jüngst verwichenen 
i665sten jahres“, * 8 ) erschien Johann Joachim Becher in Wien und zwar 
nicht bloss mit Erlaubnis, sondern im Aufträge des Kurfürsten von Bayern. 23 ‘) 
Seine Sendung war dieser Zusammenhang ist bis jetzt nicht erkannt worden 
— eine Erwiderung der kaiserlichen Mission des Bischofs Roxas. Wie 
Roxas, führte sich auch Becher mit wirtschaftlichen Projekten ein, machte 
im Namen des Kurfürsten mündlich und schriftlich Vorschläge, wie in den 
kaiserlichen Erblanden Manufakturen eingeführt, wie damit der Handel ge¬ 
hoben und zugleich die Bevölkerung gemehrt werden könnte. 24 ) 

Wie Roxas, hatte aber auch Becher noch eine sehr reelle politische 
Mission. In dem von Roxas entworfenen Projekte war möglichst freier 
Verkehr, möglichste Erleichterung der Schiffahrt innerhalb des wirtschaftlichen 
Unionsgebietes einer der wichtigsten Programmpunkte gewesen. Im Anschluss 
daran sollte Becher Vorschläge machen, „wie sowohl in denen kaiserlichen 
erblanden wie in dem kurfürstentumb Bayern die kommerzien also erhoben 
werden möchten, dass sie einander nicht zuwiderlaufen, sondern 
beiderseits vereinigt in grossem flor und bessern bestand 
gereichen thäten“. 2ft ) Mit anderen Worten, er sollte im Aufträge des 
Kurfürsten Abstellung der langjährigen wirtschaftlichen Beschwerden Bayerns 


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Das Projekt einer Kinigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 175 


fordern, Abstellung der hohen Donauzölle, Abstellung des im Jahre 1639 ein¬ 
geführten Aufschlags auf das von Bayern nach Böhmen gehende Salz, durch 
welchen das Salzmonopol, eine Haupteinnahme des bayerischen Staates, bedeu¬ 
tend geschmälert worden war. Vergebens war man bisher von Leopold I. auf 
bessere Zeiten vertröstet worden, in Frankfurt sowohl bei der Kaiserwahl als in 
München bei dem Kaiserbesuche. Darf man Becher Glauben schenken, so 
hat er schon während dieses ersten Münchener Aufenthalts im Prinzip die Zu¬ 
stimmung des Kaisers dafür gewonnen, einen „kaiserlichen Akt“ erwirkt, „wo¬ 
rinnen man, weil die Bayern sich so über die kaiserlichen zöll auf der Donau 
beschweret, sich resolvirt, solche nach ihrem belieben zu moderiren“. 96 ) 

Das Projekt des Bischofs Roxas hatte aber auch den Vorschlag ge¬ 
macht die ostindischen Waren, um sich vom Auslande wirtschaftlich frei zu 
machen, von Ormus und dem schwarzen Meere her direkt auf der Donau 
nach den deutschen Landen zu führen. Nun brachte der bayerische Kurfürst 
nach der Abreise Bechers (vielleicht durch eine Mitteilung Bechers selbst) 
in Erfahrung, dass die Wiener Regierung mit dem daselbst beglaubigten 
türkischen Botschafter Unterhandlungen pflege zur Hebung des Donauhandels 
nach den türkischen Landen. Damit schien wirklich ein Teil des von Roxas 
entworfenen Projektes verwirklicht werden zu wollen. Auch hier setzte der 
Münchener Hof ein, wohl auf unmittelbare Initiative des Kurfürsten selbst. 
Becher erhielt unterm 15. Januar 1666 die kurfürstliche Weisung, über den 
Verlauf der Verhandlungen sowohl beim Hofkammerpräsidenten Grafen von 
Sinzendorf als beim Bischof von Stefanien Erkundigungen einzuziehen 
und darüber nach München zu berichten. 27 ) Der kurfürstliche Befehl ver¬ 
anlasst Erdberg 98 ) zu der Behauptung, der bayerische Kurfürst habe Becher 
beauftragt, den deutschen Kaiser (!) für eine orientalische Kompagnie zu in¬ 
teressieren (!). Die Antwort, die Becher dem kurfürstlichen Hofe über¬ 
bringen konnte, war freilich eine wenig befriedigende. Man gab lediglich 
bekannt, dass der kaiserliche Botschafter Graf Leslie für diese Verhand¬ 
lungen (von der hohen Pforte ?) an den Pascha von Ofen verwiesen worden 
sei; das Ergebnis der Verhandlungen könne man erst nach der Rückkehr 
des Grafen mitteilen. 29 ) 

Von all den von Becher in Bayern geplanten Gründungen war vor 
seiner Abreise wenigstens eine ins Leben getreten, eine vom Kurfürsten privi- 
legirte Seidenkompagnie, welche das ausschliessliche Recht der Herstellung 
und des Verschleisses der Seidenmanufakturen im Umfang des ganzen Kur¬ 
fürstentums erhielt. Unterm 10. Januar 1666 nun, als Becher bereits in 
Wien weilte, übersandte ihm die bayerische Seidenkompagnie eine schriftliche 
Vollmacht 80 ) zu Verhandlungen, um ihren Erzeugnissen den österreichischen 
Markt zu eröffnen, oder, wie man sich ausdrückte, zur Erwirkung eines kaiser¬ 
lichen Privilegs, „alle seidenmanufakturen in den kaiserlichen erblanden, gleich¬ 
wie wir allhier in unseres kurfürsten landen thun, zu verlegen“. Wie hat 
sich nun Becher dieses Auftrages entledigt? Die bayerische Seidenkom¬ 
pagnie machte ihm später den Vorwurf, dass er die Ursache für die Gründung 

einer österreichischen Kompagnie gewesen sei und diese den Ruin der baye- 

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176 


rischen nach sich gezogen habe. 81 ) In der That wissen wir aus österreichi¬ 
scher Quelle, dass Becher der kaiserlichen Regierung die Einführung der 
Seidenindustrie und die Gründung einer Seidenkompagnie in Vorschlag ge¬ 
bracht hat, unter ausdrücklichem Hinweis auf die angeblichen Erfolge der 
bayerischen Seidenkompagnie. 32 ) Nach seiner eigenen Verteidigungsschrift 88 ) 
hätte aber Becher anfangs allerdings zu gunsten der bayerischen Seiden¬ 
kompagnie ein kaiserliches Privileg für den Vertrieb ihrer zu produzierenden 
Seidenwaren in Österreich nachgesucht, es sei ihm jedoch eingewendet worden, 
dass sich für den Verlag in Österreich eine besondere Kompagnie bilden und 
die Teilnehmer der bayerischen Kompagnie, wenn sie die Aktien auch dieser 
österreichischen Kompagnie übernehmen wollten, über ein weiteres Grund¬ 
kapital von mindestens 100000 Gulden verfügen müssten. Eine solche Ver¬ 
pflichtung habe er nicht übernehmen können; es habe ihm hiezu an einer 
Vollmacht gefehlt; auf eine Anfrage bei Fürstenberg sei ihm lediglich die 
Antwort zugegangen, die Sache bedürfe weiterer Überlegung, er solle nach 
hause kommen; Dr. Jobst aber habe ihm mitgeteilt, die bayerische Seiden¬ 
kompagnie stehe unmittelbar vor einem Krach, „es stünde mit der Bayerischen 
kompagnie wegen allerhand Unordnung und Uneinigkeiten, auch misstrauen 
so schlecht, dass sie sich mit nächstem mit schand und spott dissolvieren 
würde“. In der That hat auch Becher, wie selbst Erdberg zugiebt, die 
bayerische Kompagnie bei seiner Rückkehr in einem höchst traurigen Zustand 
vorgefunden, zu einer Zeit, da die österreichische Kompagnie noch nicht ein¬ 
mal kreiert war, geschweige der bayerischen Konkurrenz machen konnte. 
Wir dürfen sagen, wenn Becher wirklich obigen Antrag gestellt hat, so war 
es ihm damit nicht ernst. Wir dürfen aber auch hinzufügen, es konnte ihm 
vernünftigerweise nicht ernst sein, wir dürfen sagen, Becher konnte sich 
einem solchen Aufträge entziehen, ohne deshalb den Vorwurf Erdbergs zu 
verdienen, dass er die bayerische Sache verleugnet und seine Arbeit aus¬ 
schliesslich den Interessen des Hauses Österreich gewidmet habe. Die baye¬ 
rische Seidenkompagnie hatte nicht einmal die für den bayerischen Konsum 
nötigen Kapitalien beisammen, war überhaupt noch nicht lebensfähig; wie 
hätte sie die Kapitalien für den Verschleiss in Österreich aufbringen sollen. 
Und selbst wenn ihr das gelungen wäre, konnte ein vernünftiger Mensch 
erwarten, dass Österreich, das ein ungleich grösseres Absatzgebiet darstellte 
als Bayern, dessen Hauptstadt Wien allein mehr Seide konsumierte 34 ) als das 
ganze Kurfürstentum, die Seidenindustrie völlig in die Hand fremder Aktionäre 
ausliefern würde, so lange es im Lande selbst Unternehmer finden konnte? 
Und das zu einer Zeit, da man Projekte im Sinne des Merkantilismus schmie¬ 
dete? Die Forderung der bayerischen Seidenkompagnie war in Wirklichkeit 
höchst naiv. Das einzige, was Becher für dieselbe leisten konnte, war, 
ihren Mitgliedern die Möglichkeit der Erwerbung österreichischer Aktien zu 
verschaffen und die bayerische und die österreichische Seidenkompagnie in 
eine engere Verbindung (Ring) zur Regelung der Produktion und des Absatzes 
zu bringen. Und das hat auch Becher thatsächlich gethan, wie wir nicht 
bloss aus seinen Verteidigungsschriften, sondern auch aus völlig unbedenk- 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 177 


liehen Dokumenten wissen. Freilich die Erklärung, 35 ) welche seitens der 
kaiserlichen Regierung erwirkt wurde, war unbefriedigend, wurde mit Recht 
als zu generell bezeichnet: Die Beantwortung der Frage, welcher Anteil 
Bayerns Unterthanen an der Wiener Seidenkompagnie gewährt wurde, wurde 
abgelehnt mit der Begründung, man könne nichts versprechen, da das Unter¬ 
nehmen erst in der Organisation begriffen sei. Selbst die Frage, ob über¬ 
haupt bayerische Aktionäre in dieselbe aufgenommeu würden, fand nur eine 
unbestimmte Antwort: „Weilen nicht zu zweiflen, dass frembde verlaeger ein¬ 
genommen werden müssen, als wird man in ansehung des hauses Österreich 
und Bayern nahenden verwantschaft und nachbarschaft, auch anderer Ursachen 
auf etliche glieder der Bayerischen Kompagnie billich vor anderen eine re- 
flexion machen“. Noch ausweichender klang die Antwort auf die Frage nach 
einer Fusion der beiden Kompagnien: „Man wisse noch nicht, wie sich die 
proben anlassen und was künftig vor ein verlag und Capital von nöten sein 
möchte“. Im Gegenteil, Becher erhielt den Auftrag nachzuforschen, ob 
nicht für die österreichischen Unterthanen Anteilscheine bei der bayerischen 
Kompagnie zu erwerben seien. Allerdings das Memorial, 36a ) welches der 
Bischof von Stefanien vermutlich an die Adresse des Vizekanzlers Kaspar 
von Schmid dem Becher mit auf den Weg gab, kam weiter entgegen. Dar¬ 
nach sollten sowohl in die österreichische Kompagnie bayerische, als in die 
bayerische österreichische Unterthanen zugelassen, sollten beide Kompagnien 
nebeneinander bestehen, aber einem gemeinsamen Generaldirektorium unter¬ 
geordnet werden. Der Sitz des letzteren wird für die österreichischen Erb¬ 
lande in Anspruch genommen, mit der wohlbegründeten Motivierung, dass 
„der fümehmste verschleiss und gleichsam völliger nutz der participauten in 
i. k. Mt. erbkönigreich und Österreichischen wie auch Hispanischen ländern 
und des ganzen erzhauses untergebener botmässigkeit und in dessen strömen, 
auch unter dessen autorität solle gesucht werden“, er versprach sogar dem 
Vizekanzler S c h m i d, wenn derselbe „dieses beiden häusern so nützlich und 
bei gegenwärtigeu conjunkturen zu deren bestand so hochnöti¬ 
ges werk“, zustande zu bringen helfe, am Tage des Abschlusses des Trak¬ 
tates eine goldene Kette im Werte von 1000 fl. einhändigen, der Frau Kanz¬ 
lerin aber 3000 fl. „für ein paar Handschuhe“ bezahlen zu wollen. Wir 
glauben, dass es dem Bischof mit seinem Vorschläge ernst war: die Begrün¬ 
dung entspricht ja ganz dem in München vertretenen Programm. Nicht 
darauf kam es ihm an, wie Erdberg meint, die bayerische Kompagnie der 
österreichischen wirtschaftlich dienstbar zu machen, sondern darauf, auf dem 
Wege wirtschaftlichen Zusammengehens eine politische Annäherung zwischen 
Bayern und Österreich zu erzielen. Aber es war und blieb eine Privaterklärung, 
und es ist sehr zweifelhaft, ob Roxas imstande gewesen wäre, sein Versprechen 
zu erfüllen. 

Dieses geringe Ergebnis für die Seidenkompagnie musste in einem 
umso bedenklicheren Lichte erscheinen, als gleichzeitig Becher für seine 
Person sehr viel herausschlug. Er erreichte mit Hilfe des Bischofs Roxas 
nicht bloss, dass der Beschluss gefasst wurde, mit der Seidenmanufaktur zu- 


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nächst unter seiner Direktion einen Anfang zu machen, er erreichte auch, 
was ihm in Bayern versagt blieb, dass ein „collegium commerciorum“ unter 
der Direktion des Hofkammerpräsidenten errichtet und Becher demselben 
als Ratsmitglied mit einem Gehalt von 1000 Thalem bei gegeben, er erreichte 
sogar, dass er mit einer wirtschaftlichen Mission nach den Niederlanden be¬ 
traut wurde. 36 ) 

Becher versprach nämlich, in den spanischen Niederlanden sowohl 
als unter der gedrückten katholischen Bevölkerung Hollands Arbeiter für die 
zu eröffnende Seideumanufaktur und einen technischen Leiter für das Unter¬ 
nehmen zu gewinnen. Er liess sich aber eine noch viel wichtigere Mission 
erteilen. Das von Roxas dem Münchener Hofe vorgelegte Projekt hatte 
seine Spitze ganz besonders gegen die wirtschaftliche Ausbeutung Deutsch¬ 
lands durch Holland gerichtet. Den Wiener Kreisen, soweit sie das Projekt 
überhaupt ernst nahmen, in erster Linie dem Bischof Roxas und dem neu 
ernannten Kommerzienrat Dr. Becher, mochten denn doch in letzter Stunde 
Zweifel an der praktischen Ausführbarkeit desselben gekommen sein, und so 
wollten sie vor Beginn des wirtschaftlichen Feldzugs den Versuch machen, 
auf dem Wege friedlicher Verhandlungen oder durch Drohungen Holland zu 
Zugeständnissen zu bewegen. Die Wiener Regierung ging scheinbar auch 
auf diesen Gedanken ein, es galt eben den bayerischen Hof noch weiterhin 
mit wirtschaftlichen Problemen zu unterhalten. Die für Becher ausgestellte 
kaiserliche Instruktion 87 ) » Erdberg kennt sie nicht, er meint daher, die 
Initiative zu diesem Versuche sei von Bayern ausgegangen — erteilt die 
Weisung: Becher solle die holländisch-ostindische Kompagnie an den grossen 
Gewinn erinnern, den sie seit mehr denn 60 Jahren mit ihrem ausschliess¬ 
lichen Spezereihandel aus den kaiserlichen Erblanden gezogen habe, ohne 
denselben irgend ein Äquivalent zu bieten. Der Kaiser erwarte daher einen 
Meistbegünstigungsvertrag, welcher den österreichischen Erblanden eine Preis- 
ermässigung für die Spezereien gewähre und zugleich den österreichischen 
Industrieerzeugnissen ein Absatzgebiet eröffne. Sonst sehe man sich genötigt, 
den Bedarf der kaiserlichen Erblande an Spezereien anderwärts zn beziehen. 
Da Becher noch immer in bayerischen Diensten stand, so gab dies die er¬ 
wünschte Gelegenheit, um auch mit diesem scheinbar viel versprechenden 
Projekte vor den bayerischen Kurfürsten zu treten und diesen um beschleu¬ 
nigte Gewährung eines Urlaubs für die Reise Bechers nach Holland zu 
ersuchen, „wie es die kürze der zeit und die bevorstehenden konjunkturell 
der Niederlande zu fordern scheinen“. 88 ) 

Am 7. März 1666 — dieses Datum trägt das kaiserliche Rekreditiv, 89 ) 
Becher gibt irrtümlich den 1. März an — reiste Becher von Wien nach 
München zurück. Erst am 14. Mai 40 ) reagierte man am bayerischen Hofe 
auf die kaiserliche Anregung, der Kurfürst erteilte dem Becher nicht bloss 
die Erlaubnis zur Reise nach Holland, er gab ihm auch die Vollmacht, in 
seinem Namen mit der holländischen Kompagnie dieselben Unterhandlungen 
zu pflegen, wie der Kaiser: Auch aus Bayern habe die Kompagnie viele Jahre 
lang grossen Nutzen und Gewinn gezogen, auch Bayern erwarte, dass die 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 179 


Kompagnie nicht nur die Geldmittel aus dein Lande ziehe, sondern dem¬ 
selben durch Empfang bayerischer Industrieerzeugnisse auch einen Vorteil 
gewähre. Doch als Bayern diese Vollmacht ausstellte, hatte bereits die Wiener 
Regierung, welcher es von Anfang an mit solchen Verhandlungen mit Holland 
nicht ernst war, welche das versprochene kaiserliche Dekret an die General¬ 
staaten in Wirklichkeit niemals ausgestellt hat, durch den Hofkammerpräsidenten 
Sinzeudorf dem Becher den Befehl erteilen lassen, 41 ) von Verhandlungen 
mit der ostindischen Kompagnie bis auf weiteres abzusehen, hatte thatsäch- 
lich Becher die ganze Reise nach Holland auf gegeben oder wenigstens bis 
nach der Rückkehr von einer weiteren Reise nach Wien aufgeschoben. Und 
das musste auch die bayerische Regierung wissen; denn schon am 16. Mai 
reiste Becher nach Wien zurück. 42 ) Der bayerischen Regierung war es mit 
der Vollmacht an die ostindische Kompagnie ebensowenig ernst, wie der 
kaiserlichen. Man hat, wie am Kaiserhofe, so auch am bayerischen von An¬ 
fang an Anstand genommen, dem Becher ein förmliches Kreditiv zu diesem 
Zwecke auszustellen, weil, wie ein Kanzlei vermerk besagt: „es mit einem 
patent und sonder dem, unter dessen namen es atigefertigt werden möchte, 
seine Schwierigkeiten hat“. 48 ) Man spielte bayerischerseits dieselbe Karte gegen 
die Wieuer Regierung aus, mit der diese den Münchener Hof düpieren zu 
können glaubte. Der bayerischen Regierung lag damals etwas ganz Anderes 
am Herzen, was man dem Becher ebenfalls auf den Weg mitgab, und aus 
diesem Grunde bestärkte man denselben Becher, dem man soeben eine 
Vollmacht nach den Niederlanden überreicht hatte, in seiner Absicht einer 
Rückkehr nach Wien. Doch bevor wir diesem Aufträge näher treten, gilt es, 
die übrigen Ereignisse während des Münchener Aufenthaltes Bechers nach¬ 
zuholen. 

Die Aufnahme, welche Becher von der Münchener Seidenkompagnie 
zu teil wurde, war keine schmeichelhafte. 44 ) Man legte ihm die in der Gründung 
begriffene Wiener Konkurrenzkompagnie zur Last, welche die Münchener Seiden¬ 
kompagnie ruinieren würde, mau demolierte seine Seidenmühle, man lauerte 
ihm und seinen Leuten in nächtlicher Stunde auf der Strasse auf, mau for¬ 
derte vom Kurfürsten, Becher solange in München zurückzuhalten, bis sie 
eiuer bestimmten „Quote“ an der österreichischen Seidenkompagnie versichert 
seien. Becher fand jedoch Schutz bei der kurfürstlichen Regierung; das 
giebt er selbst in einer Zeit zu, wo er mit dem Münchener Hofe zerfallen 
war. Die Münchener leitenden Staatsmänner störten nicht bloss seine Reise 
nach Wien nicht, sie wünschten dieselbe vielmehr. Sie hatten eben für die 
Seidenkompagnie wie für das Projekt einer Kompagnie für den Donauhandel 
kein oder doch nur ein ganz geringes Interesse. Allerdings erklärte der Kur¬ 
fürst es für billig, dass der bayerischen Kompagnie oder einzelnen Mitgliedern 
derselben einige portiones an der österreichischen Kompagnie überlassen würden, 
„angesehen sie gleichwohl dieses werks, wie mau nicht leugnen kann, causa 
movens seien“, 46 ) allerdings erwiderte der Vizekanzler Kaspar von Schmid 
das bekannte Memorial des Bischofs von Stefanien mit dem Wunsche, dass 
Bayern entweder ein gewisser Anteil an der Kompagnie oder eine gewisse 


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vSpezies von Manufakturen zugesichert werde. 4 c ) Aber das war nichts Anderes 
als ein höfliches Eingehen auf das vorher von Roxas gemachte Anerbieten. 
Was Becher Martin Ölers an die Kurfürstin Adelheid schreiben lässt 47 ), 
ist sehr glaublich: „wann Ew. kf. Dt. die sach nicht so nachdrücklich be¬ 
fördert hätten, es wäre niemals so weit gekommen, weilen der meiste teil der 
geheimen räte der Sachen heiniblich nicht günstig gewesen und nur nach 
mittel und weg getracht, wie sie einen prätext möchten finden, wordurch sie 
die sach strecken möchten“. Wie geringes Interesse, wie geringes Vertrauen 
Schmid in Wirklichkeit für die Seidenkompagnie hatte, verrät die vertrau¬ 
liche Korrespondenz zwischen dem kurfürstlichen Kabinetssekretariate und 
dem Kanzellariate. „Der Kurfürst“, so schreibt der Kabinetssekretär Huber 
an Schmid, „hat mir zu schreiben befohlen, ob nicht zu besorgen, dass 
Ew. G. das seidenwesen, weil Sie es für unpraktizierlich gehalten, etwan mehr 
zu hintertreiben als zu befördern suchen möchten“. 48 ) Allerdings verlangte 
man von der Wiener Regierung neuerdings Mitteilung von den türkisch¬ 
österreichischen Verhandlungen über den Donauhandel, weil inzwischen Graf 
Leslie sicher zurückgekehrt und Bericht erstattet haben müsse, weil über¬ 
dies das Gerücht gehe, dass man eine konstantinopolitanische Kompagnie 
aufrichten wolle. 41 ') Aber auch das war es nicht, worauf es der Regierung 
ankam. 

Man verlangte - und damit war es allein den leitenden Staats¬ 
männern enist — eine förmliche Konferenz zur Abstellung der langjährigen 
bayerischen Beschwerden, zur Abstellung der Donauzölie und des böhmischen 
Aufschlages auf das bayerische Salz, mau verlangte mit anderen Worten defi¬ 
nitive Regelung dessen, was Becher schon während seines ersten Wiener 
Aufenthalts angeregt, wofür er Vertröstungen bekommen hatte, mau verlangte 
aber auch Kreieruug eines schiedsgerichtlichen Forums, um künftige Streitig¬ 
keiten friedlich beizulegen. Das erklärte mau für die erste Vorbedingung 
einer wahren „unio commerciorum et animorum“. 50 ) In diesem Sinne hatte 
Fürstenberg das an ihn gerichtete Schreiben des Bischofs Roxas beant¬ 
wortet: „ohne satisfaction im salzwesen sei nichts zu erreichen, dieses werk 
müsse der kardinalpunkt der konferenz sein“. 61 ) In diesem Sinne hatte Becher 
von München aus nach Wien geschrieben und im Auftrag der bayerischen 
Regierung mit Repressalien gedroht; ein in Bayern entdecktes Eisenwerk sei 
geeignet, dem österreichischen Eisen und Stahl die schwerste Konkurrenz zu 
machen, schon habe auch der Herzog von Württemberg sich erboten nur baye¬ 
risches Salz in seinen Landen verbrauchen und durch seine Lande gehen zu 
lassen, wenn der Kurfürst von Bayern die österreichischen Werne verdränge zu 
guusten der württembergischen. Schon weist man auch auf die wirtschaftlichen 
Verhandlungen hin, die andere deutsche Staaten, voran Sachsen und Branden¬ 
burg, mit Frankreich führten, auf die verlockenden Anerbietungen, die von letz¬ 
terer Seite her an die deutschen Stände ergingen. 52 ) Diese Vorstellungen, aber 
auch diese Drohungen sollte Becher nunmehr persönlich nach Wien über¬ 
bringen, um mit Hilfe des Bischofs Roxas eine Konferenz zu erzwingen. Das 
war der Grund, weshalb die leitenden Staatsmänner Münchens den in Wirklich- 


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keit gehassten und verachteten Mann gegen die Seidenkompagnie noch hielten, 
weshalb sie ihn zum zweiten Male nach Wien entsandten. 

Am 16. Mai brach Becher von München auf, am 22. Mai war er in 
Wien. 53 ) Sofort nach seiner Ankunft erwirkte der bayerische Rat eine kaiser¬ 
liche Audienz, übergab hier das kurfürstliche Schreiben vom 14. Mai und 
ersuchte im Namen Kurbayems um Bewilligung einer bayerisch-österreichi¬ 
schen Konferenz „zur erhaltung beiderseits guten Verständnisses, stabilierung 
der kommerzien und beilegung nachbarlicher differeuzen“, unter 
besonderer Betonung der bayerisch-österreichischen Salzirrungen, bat zugleich, 
man möge zur Beschleunigung der Verhandlungen kaiserlicherseits einige Räte 
ausschliesslich dazu verordnen. 54 ) Beides wurde von dem Kaiser, der eine 
Verständigung mit Bayern aus politischen Gründen dringend wünschte, der 
gleichzeitig auch von Roxas bearbeitet wurde, sofort bewilligt; schon vor 
dem 2. Juni war das kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten ausgestellt. 
Becher war entschlossen, entsprechend der kurfürstlichen Weisung, sofort 
nach München zurückzukehren, und in den politischen Kreisen Wiens hatte 
man auch das kaiserliche Handschreiben mit der Absicht verfasst, es dem 
Becher zur persönlichen Überbringung einzuhändigen. 

Anders dachte man in den obersten Finanzkreisen Wiens; ein einiges 
Zusammengehen zwischen den Ministerien Kaiser Leopold I. hat ja stets 
gefehlt. Der Empfang, der hier dem Dr. Becher zu teil wurde, war kein 
freundlicher. Man hatte sich inzwischen überzeugt, dass Becher bei der 
Aufstellung des Rechnungskalkuls für die Seidenkompagnie, in welchem er 
den Gewinn auf 30 — 40# berechnete, die elementarsten Vorschriften ausser 
acht gelassen, dass er weder an ein Risiko noch an eine Provision noch au 
ein Wechselgeld gedacht habe. Man hatte ferner Becher wohl entbunden 
von seinen Verhandlungen mit der ostindischen Kompagnie, nicht aber von 
seiner Reise nach Holland, um Arbeitskräfte und einen technischen Leiter 
für die Seidenkompagnie zu gewinnen. Trotzdem man ihm zu diesem Zwecke 
2000 Gulden eingehändigt hatte, war er über München nicht hinausgekommen. 
Er hatte, wie mau ihn beschuldigte, versprochen etliche 1000 Menschen, lauter 
Katholiken und in der Seidenbrauche wohl bewanderte Arbeiter, ins Land zu 
bringen. Was er mitbrachte, waren 6 ganze Personen, 4 männliche (1 Meister, 
1 Geselle und 2 Lehrlinge in der Seiden Zwirnerei) und 2 weibliche Arbeiter. 
Er hatte versprochen keine Italiener anzuwerben, sondern nur gedrückte katho¬ 
lische Unterthanen aus den holländischen Provinzen. Nunmehr kam er mit 
der Mitteilung, dass er einen Seidenfärber aus Venedig verschrieben und mit 
ihm bereits einen Gehalt von 1650 Gulden (!) nebst freier Wohnung verein¬ 
bart habe. Was er zur Entschuldigung 55 ) vorbrachte, war: eine Reise nach 
Holland sei nicht nötig; er könne aus Italien und Frankreich, wo die Industrie 
in der grössten Blüte stehe, Arbeiter genug haben, er könne nötigenfalls sich 
solche auch aus Holland durch seine Korrespondenten verschreiben. Der 
Präsident habe ihm ja selber geschrieben, man solle sich „mit leuten nicht 
überhäufen“, die mitgebrachten Arbeiter seien genügend, um einen ersten 
Versuch zu wagen; wolle man dann das Werk fortsetzen, so werde er binnen 


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Jahresfrist 1000 Menschen in die Arbeit stellen. Von der Anwerbung eines 
technischen Leiters habe er zunächst abgesehen, weil sich für die erste Organi¬ 
sation eine fremde Persönlichkeit nicht eigne und er selbst diese mühsame 
Arbeit auf sich nehmen wolle. Sei einmal das Werk in Gang, dann könne 
man es füglich einem fremden Direktor überlassen, und für diesen Fall habe 
er bereits eine geeignete Persönlichkeit im Auge. Trotz dieser höchst faden¬ 
scheinigen Rechtfertigung machte man gute Miene zum bösen Spiel, und liess 
der Hofkammerpräsident die Arbeiter nach seinem Schloss Walpersdorf ver¬ 
bringen, um hier mit der Seidenindustrie den ersten Versuch zu machen. 

Statt-sich aber zur Einrichtung der Fabrik dorthin zu begeben, quälte 
Becher das Kommerzkollegium mit neuen Projekten, stellte bald den Antrag 
auf Errichtung einer Kompagnie für den Handel nach der Türkei, bald auf 
Einführung der Zuckersiederei und Tuchweberei, bald auf Errichtung einer 
indianischen Kompagnie: vermutlich tauchte jetzt unter Mitwirkung des durch 
Becher zum Kommerzienrat empfohlenen Kraft das Projekt einer Vereini¬ 
gung der ostindischen und westindischen Kompagnie auf. 56 ) Die Folge davon 
war, dass sich die Aktionäre zurückzogen und die Arbeiter umsonst unter¬ 
halten werden mussten. 

Auch als sich der Hofkammerpräsident erbot, auf sein eigenes Risiko 
den ersten Versuch zu wagen, machte Becher keine Miene, sich nach Walpers¬ 
dorf zu bemühen, erklärte vielmehr, man fordere ihn nach München zurück. 
Nun griff Sinzeudorf zu einer List. Becher hatte, wie bereits geschildert, 
beim Kaiser auf eine Konferenz an getragen, man hatte bereits ein kaiserliches 
Handschreiben abgefasst, um es Becher mit auf den Weg nach München 
zu geben. Sinzendorf nahm das kaiserliche Handschreiben zu sich und 
trat am 2. Juni eine Wallfahrt nach Zell auf dem Wege über Walpersdorf an, 
um auf diese Weise Becher zu zwingen, ihm nach seinem Schlosse tiachzu- 
reisen. Statt dessen schickte Becher einen Boten mit der Forderung, ihm 
sofort das kaiserliche Handschreiben auszuliefern: er sei neuerdings nach 
München zurückgefordert worden. 

Zu derselben Zeit lief beim Hofkainmerpräsidenteii ein Schreiben von 
vertrauter Hand, vermutlich aus Bayern ein Becher schrieb es einem 
Mönch zu, der durch die Kaufleute innerhalb wie ausserhalb der kaiserlichen 
Erblande dazu gedungen worden sei 57 ) — des Inhalts, Becher und sein 
Anhang stünden am kurbayerischen Hofe in schlechtem Kredit, seine Unter¬ 
nehmungen hätten keinen PMolg, man solle sich nicht zu tief mit ihm ein- 
lassen. Sinzendorf sandte das Schreiben zu weiterer Recherche an den 
Hofkannnerrat von Selb, der zugleich Mitglied des Kommerzkollegiums war, 
und zwar durch denselben Boten, den Becher nach Walpersdorf geschickt 
hatte. Dieser traf am 23. Juni in Wien ein und lieferte die beiden Schreiben 
in die Hände Bechers. Becher erbrach dieselben und erging sich nun 
gegenüber Selb in den heftigsten Anklagen wider den Hofkammerpräsidenten: 
Sinzendorf sei ein falscher Mann, stehe der Einigung der Häuser Öster¬ 
reich und Bayern im Wege, er werde die Briefe dem Kaiser und dem Kur¬ 
fürsten von Bayern persönlich vorzeigen. Selb liess sich durch diese Droh- 


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ungen so einschüchtern, dass er einen Eilboten an Sin zendorf schickte 
mit der Bitte, ihm das kaiserliche Handschreiben zur Aushändigung an Becher 
zu übermitteln. Trotzdem — so erklärt wenigstens die Anklageschrift wider 
Becher — war Sinzendorf nochmals entschlossen die Angelegenheit auf 
sich beruhen zu lassen, als von Selb ein zweites Schreiben einlief, Becher 
sei noch am nämlichen Tage bei ihm erschienen und habe wenigstens das 
an ihn (Selb) gerichtete Schreiben ausgehändigt, habe sich zugleich ent¬ 
schuldigt, dass die Eröffnung der Briefe nur durch ein Versehen geschehen 
sei, und sich bereit erklärt, nach Walpersdorf zu reisen und dort seine Schuldig¬ 
keit zu thun. 

Wirklich begab sich Becher in Begleitung des Sekretärs des Hofkammer¬ 
präsidenten nach Walpersdorf. Aber was er an die Adresse seines Vorgesetzten 
mit auf den Weg nahm, war ein Brief, der statt der erwarteten Abbitte noch hef¬ 
tigere Anklagen wider Sinzendorf enthielt: Der Hofkammerpräsident habe 
Bechers Gehaltsanweisung an das Hofzahlamt zurückgehalten, er allein habe 
durch seine Zuziehung von Kaufleuten verschuldet, dass bis jetzt noch keine 
Seidenkompagnie ins Leben getreten, habe als Entgelt für die Verdienste Bechers 
„schwarze rekommendationes“ über ihn in die Welt hinausgesendet, habe das 
kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten von Bayern unerlaubter Weise 
zurückbehalten, arbeite an der Auflösung des Kommerzkollegiums, ohne seine 
Mitwirkung wäre man längst mit dem Unternehmen zu Ende gekommen. 
Übrigens, wenn er, Becher, das kaiserliche Handschreiben an den Kurfürsten 
und die Gehaltsanweisuug an das Hofzahlamt in Händen habe, dann möge 
Sinzendorf ruhig nach Mariazell oder gar nach St. Jakob wallfahren gehen 
und seinetwegen das ganze Jahr dort bleiben. 

Nach einem solchen Auftreten eines Untergebenen gegen den Finanz- 
minister musste ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Becher erhielt 
den dienstlichen Befehl, bis zum Eintreffen der kaiserlichen Entscheidung das 
Schloss Walpersdorf nicht zu verlassen. Becher entsprang aber über die 
Schlossmauer, und, als er durch die Leute des Schlossherrn auf der Flucht 
festgenommeu wurde, beschwor er den kaiserlichen Obersthof marschall Frei¬ 
herrn von Windisch-Grätz in einem Schreiben, er möchte ihn vor der 
Rache des Hofkammerpräsidenten schützen, da dieser ihm nach dem Leben 
trachte. 

Das im wesentlichen der Inhalt der Anklageakte, welche unter dem 
Titel „Gründliche information über des Dr. Bechers verübte insolentien“ 57 *) am 
3. Juli im Aufträge des Präsidenten an den Kaiser ging, von der eine Ab¬ 
schrift auch an den bayerischen Hof gesandt wurde. Ein Aktenstück, das 
für die Würdigung Bechers als Praktiker vielleicht wichtiger ist als alle 
die Mitteilungen und Dokumente, welche Becher in die zweite Auflage seines 
politischen Diskurses aufzunehmen für gut befunden hat, ein Aktenstück, 
welches mit beredter Sprache die Notwendigkeit darthut, das von Becher 
einseitig gebotene Material durch archivalische Quellen zu ergänzen und zu 
berichtigen! Wenn auch im einzelnen die Darstellung des selbst nicht makel¬ 
los dastehenden' Hofkammerpräsidenten gefärbt sein mag, im grossen und 


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184 


M. Doeberl 


ganzen entspricht sie gewiss der Wahrheit. Soweit eine Verteidigung von 
seiten Bechers überhaupt versucht wurde, bestätigt sie nur die darin er¬ 
hobenen Anklagen. Natürlich ist es nach der Darstellung Bechers wiederum 
die Beschränktheit und der Geschäftsneid der Kaufleute, die, wie sie ihm in 
München alles verdorben, so auch in Wien den Konflikt zwischen ihm und 
den Hofkammerpräsidenten künstlich heraufbeschworen hätte. 

Allerdings wurde der Konflikt zwischen dem Hofkammerpräsidenten und 
dem Kommerzienrat noch im Juli 1666 beigelegt. Schon am 25. Juli konnte 
Sinzeudorf nach München, wo man wegen des langen Ausbleibens des 
kaiserlichen Bescheides unruhig, über die Thätigkeit Bechers vielleicht be¬ 
denklich geworden war, auf eine Anfrage Fürstenbergs berichten, dass 
ihm Becher volle Genugthuung gegeben, dass derselbe deshalb „ad cousilium 
et sessiouem“ wieder zugelasseu, mit anderen Worten rehabilitiert sei, er be¬ 
zeugte ihm sogar, dass er sich das Intefesse des Kurfürsten von Bayern alle 
Zeit habe aufs beste angelegen sein lassen. 58 ) In der That verfasste Becher 
noch im nämlichen Monat, am 28. Juli, eine Geschäftsordnung für die Seiden- 
manufaktur in Walpersdorf. 59 ) Indes die Aussöhnung Bechers mit Siuzen- 
dorf war nur eine äussere, war, wie Becher selbst hierüber schreibt, nur 
„zusammeugeflickt und gelappt“ 60 ), die erwähnte Geschäftsordnung rechnet 
bereits mit der Abreise des Verfassers aus den österreichischen Erblanden. 
Noch im August, längstens im September kehrte Becher nach München zu¬ 
rück. Auf eine Reihe von Jahren, bis zum Herbst 1670, war ihm die schöne 
Kaiserstadt an der Donau versperrt. Er selbst klagte von München aus, dass 
ihm die Wiener Regierung nicht die nötige Sicherheit für eine Rückkehr 
nach Wien biete, dass man ihn hinunterbefehle, unterwegs aber verbiete ihn 
hinunter zu lassen; 61 ) und das wird auch durch die Berichte der bayerischen 
Teilnehmer an der späteren Wiener Konferenz bestätigt. Becher verbrachte 
daher die Jahre 1666—68 in München und widmete sich fast ausschliesslich 
der litterarischen Thätigkeit, verfasste in dieser Zeit eine chemische und päda¬ 
gogische Abhandlung, die „Physica subterranea“ und die „methodus didactica“, 
„welche zwei bücher hoffentlich von den gelehrten leuten mehr werden esti- 
miert werden, als wenn ich 10 jahre mich in Wien mit den kaufleuten ge¬ 
zankt hätte“, brachte auch am Jahrestage des Disziplinarverfahrens, „dem 
dritten tag Julii, an dem vierten sonntag post Trinitatis, vou dem Splitter und 
balken in des nächsten aug, anno 1667“ 62 ) das Manuskript desjenigen Werks 
zum Abschluss, das ihn von seiner vorteilhaftesten Seite zeigte, als hervor¬ 
ragenden Theoretiker der Nationalökonomie. Es ist die erste Edition seines 
berühmten „politischen Diskurses“, die im folgenden Jahre im Druck erschien. 
In den Jahren 1669 und 70 wandte er sich dann seinen früheren Koloni- 
sationsplänen zu und wusste eine Zeit laug einen kleinen binneuländischen 
Reichsstand, den Grafen Friedrich Kasimir von Hanau, für die Gründung 
einer Kolonie in Südamerika zu erwärmen, ein Projekt, das dem Grafen wohl 
die Börse erleichterte und den Titel eines Königs vom Schlaraffenland ein¬ 
trug. das aber wie alle früheren Kolonisationspläne im Saude verlief. Erst 
im August 1670 wagte es Becher seine Schritte wieder nach Wien zu 


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• Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 185 


lenken, fühlte sich aber selbst jetzt, wiewohl er inzwischen seinen politischen 
Diskurs dem Hofkammerpräsidenten gewidmet und dieser die Widmung auch 
dankend angenommen hatte, 68 ) gedrungen, sich in aller Form bei Sinzeudorf 
zu vergewissern, dass dieser ihm den früheren Zwischenfall nicht mehr nach- 
trage. Erst als er im Besitze eines förmlichen Amnestieschreibens des Hof¬ 
kammerpräsidenten war, 64 ) betritt er zum dritten Male Wien. 

Die politische Mission Bechers im Sommer 1666 hatte aber trotz des 
Konfliktes mit Sinzendorf ihren Zweck erreicht. Schon am 3. Juli 1666, also 
am nämlichen Tage, an welchem die Anklageschrift wider Becher eingereicht 
wurde, war das Schreiben des Kaisers, welches die von Becher angeregte 
Konferenz bewilligte, wirklich an den Kurfürsten von Bayern abgegangen. 66 ) 
Der Kaiser entschuldigte sogar die verspätete Absenduug seiner Antwort auf 
die bayerische Propositiou: „hätte auch derentwegen das verfasste schreiben 
an Ew. Libden durch Becher schon überliefern lassen, wenn nicht inzwischen 
von demselben einige ungelegenheit gemacht worden und also in etwas an- 
stehen geblieben wäre, wie Ew. Libden zweifellos mit mehreren informiert 
sein werden“. Am 21. August desselben Jahres sodann gab die kaiserliche 
Regierung dem bayerischen Hofe bekannt, dass die Konferenz Mitte Oktober 
an getreten werden solle. 66 ) 

Das war aber auch die letzte politische Mission, mit der Becher 
seitens der bayerischen Regierung betraut wurde. Hatte Becher seit dem 
Sommer 1666 am Wiener Hofe vorübergehend, so hatte er seit derselben Zeit 
am Münchener Hofe dauernd seine Rolle ausgespielt. Dem Kurfürsten und 
dessen Gemahlin mochte ja bei ihrer Vorliebe für wirtschaftliche Probleme 
der Projektenmacher Becher eine Zeit lang innerlich nahe gestanden sein, 
für den Fürsteuberg, ganz besonders aber für Schmid war der Mann 
mit seinen ausgedehnten persönlichen Beziehungen und seiner diplomatischen 
Gewandtheit von Anfang nichts Anderes als ein vorübergehendes Werkzeug 
für ihre politischen Absichten. Becher teilte das Schicksal so vieler Ver¬ 
treter einer augenblicklichen Modeidee. Sie mochten glauben, die Staats¬ 
männer lenken zu können, und waren doch nur die Werkzeuge für deren 
politische Ziele, Werkzeuge, die man wegwarf, wenn sie schadhaft geworden 
oder wenn man ihrer entraten konnte. Wir wissen, wie skeptisch der Vize¬ 
kanzler Kaspar von Schmid von Anfang an den Projekten Bechers 
gegenüber stand. Der realistische Staatsmann war ein Gegner aller chimeri- 
schen und phantastischen Pläne, ein Gegner des Staatsbetriebes, ein Gegner 
der Kolonialpläne, ein Gegner der Seidenindustrie. Der nüchterne Jurist 
Schmid stand aber auch von Anfang an dem in Entwürfen sich überbieten¬ 
den Becher unsympathisch gegenüber. Schmid beurteilte ihn als einen 
phantastischen, ruhelosen Projektenmacher, der in der Praxis fast immer 
fallierte, als einen Mann, der sich um Geld zu allem gebrauchen liess, bald 
für politische, bald für wirtschaftliche Aufträge: 67 ) „Der gibt alles ab, bald 
einen Statisten, bald einen commercisten“. 

Und bei aller Hochachtung vor dem Theoretiker Becher, der Prak¬ 
tiker Becher verdiente kein besseres Urteil. Becher selbst beklagte sich 


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186 M. Doeberl 


später, dass ihn der Kanzler verachtet und verfolgt habe. 68 ) Schon hatte er 
auch den Rückhalt an der Kurfürstin verloren; Becher hatte nach eigenem 
Geständnis die Kurfürstin „gewaltsam gegen sich alteriert“, weil er dem von 
der Kurfürstin begünstigten Vorschläge Martin Oelers, für die bayerische 
Kompagnie Fühlung mit Frankreich zu suchen, in dem kapitalkräftigen Frank¬ 
reich Aktionäre für dieselbe zu gewinnen, entgegen gearbeitet hatte. 69 ) Um 
ihu beim Kurfürsten unmöglich zu machen, setzte man bei dem unüberwind¬ 
lichen Misstrauen Ferdinand Marias gegen die Kurpfalz und bei seiner 
notorisch streng katholischen Gesinnung ein. Man beschuldigte Becher, 
dass er mit Kurpfalz wider Kurbayern korrespondiere, 70 ) man benützte eine 
als Motto für den politischen Diskurs benützte Stelle aus dem Juristen (!) 
Kalvillus, um diese Worte dem Stifter des reformierten Bekenntnisses zu¬ 
zuschreiben und den Becher beim Kurfürsten zu beschuldigen, dass er kal- 
vinisch wäre. 71 ) Wenn er auch letztere Anklage mit Hilfe eines Jesuiten 
selbst leicht widerlegen konnte, wenn er auch noch nach dem Jahre 1668 
öfter vorübergehend Aufenthalt in München nahm, eine politische Bedeutung 
konnte er nicht mehr zurückerlangen, noch weniger aber wurde er zu den 
Verhandlungen der bayerisch-österreichischen Konferenz zugezogen, die er 
angeregt hatte, und die seit dem Herbst 1666 in Wien tagte. Ein solches 
Vertrauenskommissorium war ihm wohl von Anfang an nicht zugedacht 


III. 

In der zweiten Hälfte des Oktober 1666 trat die von Becher an¬ 
geregte Konferenz in Wien zusammen. Seitens Bayerns waren dazu delegiert 
der Hofkammerrat Dr. Joh. Baptist Lei dl und der Kanzler der Regierung 
Landshut Dr. Johann German Barbier, seitens Österreichs der Hof¬ 
kammerpräsident Sinzendorf und die Hofkainmerräte von Selb und Mör- 
bolt. Ein volles Jahr währte die Konferenz, die Berichte der bayerischen 
Gesandten allein füllen drei Foliobände, 78 ) Tausende verschlangen die Kosten 
der Konferenz. Ominös für den Ernst der Verhandlungen war schon der 
Anfang; am 14. November fand die erste Sitzung statt, und doch weilten die 
bayerischen Abgeordneten bereits seit der zweiten Hälfte des Oktober in Wien. 

Nach den .Intentionen der österreichischen Regierung sollte sich die 
Konferenz in erster Linie mit neuen gemeinsamen wirtschaftlichen Problemen 
tragen, aber wie wenig es der bayerischen Regierung damit ernst war, be¬ 
weist allein schon die mangelhafte Instruktion der bayerischen Vertreter, be¬ 
weist der Umstand, dass weder sie noch selbst die bayerische Hofkammer 
über die Verhandlungen des Bischofs Roxas und des Dr. Joh. Joachim 
Becher informiert waren. 

Allerdings berührte die Instruktion der bayerischen Abgeordneten 
den Donauhandel nach der Türkei und die Seidenkompagnie, aber, 
selbst hier erteilte sie nicht Vollmachten, sondern lediglich den Auftrag an¬ 
zufragen. Übrigens verschwand der erste Gegenstand sehr bald von der Tages¬ 
ordnung. Auf die Anfrage der bayerischen Räte, ob das Gerücht begründet 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 187 


sei, „dass man mittels der Donau die Orientalischen waren herausbringen wolle", 
erwiderte der kaiserliche Hofkammerpräsident, es hätte allerdings Roxas ein 
ähnliches Projekt vorgelegt, aber man habe an eine Verwirklichung dieses weit¬ 
aussehenden und schwierigen Unternehmens niemals gedacht. Mit dem' Be¬ 
richte der bayerischen Gesandten, dass man österreichischerseits keine Neigung 
verraten habe, eine Kompagnie für den Donauhandel nach der Türkei auf¬ 
zurichten und bayerische ünterthanen in dieselbe aufzunehmen, war dieses 
Projekt für die bayerische Regierung wenigstens begraben. 73 ) 

Die Seide 11 ko mpag nie beschäftigte die Konferenz längere Zeit, 
man sah sich bayerischerseits sogar genötigt eingehendere Weisungen an 
die Abgeordneten zu schicken. Aber diese Weisungen dokumentierten nur 
den Gegensatz zwischen den Anschauungen des nüchternen Vizekanzlers 
Kaspar von Schmid und der Männer, welche den Gedanken einer wirt¬ 
schaftlichen Annäherung Bayerns und Österreichs angeregt hatten. Wenn 
man das Kommerzwesen in Bayern und Österreich in einen gemeinnützigen 
Stand bringen wolle, so schrieb 74 ) Schmid im Aufträge seines Kurfürsten 
an die bayerischen Vertreter, dann dürfe das Hauptabsehen nicht auf die 
Seidenmanufaktur gerichtet werden, sondern auf jene Industriezweige, wozu 
man die Rohprodukte in den beiderseitigen Erbländern in grossen Massen in 
Vorrat habe; das sei vornehmlich Tuch, Leinwand, Golschen und Loden. 
Diesen Manufakturen müsse man den heimischen Markt erobern und zugleich 
ein Absatzgebiet im Ausland erwerben, dann könne man das Geld im Laude 
erhalten und zugleich fremdes Geld ins Land hereinziehen. Weil es bis jetzt 
an einem wirtschaftlichen Zusammengehen zwischen Bayern und Österreich 
gefehlt, hätten die Ausländer die Rohprodukte beider Länder haufenweise 
ausgeführt, sie an anderen Orten verarbeitet und dann mit grossem Gewinn 
nach dem Ursprungslande selbst wieder zurückgeführt. Um dem zuvorzu- 
kommeu, gebe es kein besseres Mittel, als dass aus den Ünterthanen der 
österreichischen und bayerischen Lande eine starke Kompagnie sich bilde und 
den Verlag sämtlicher genannter Waren auf sich nehme. Nur nebenher ist 
der Seidenindustrie gedacht, und das nur in Rücksicht auf den Kurfürsten 
und auf Österreich. So ist es begreiflich, wenn bei dem prinzipiellen Gegen¬ 
satz auch dieser Konferenzgegenstaud immermehr in den Hintergrund trat, 
zuletzt ganz verschwand. Auf Anregung der bayerischen Vertreter wurden 
von österreichischen Kaufleuten zwei Gutachten über die Seidenindustrie ein- 
gefordert und dem bayerischen Kurfürsten überschickt, aber eine Resolution 
erfolgte nicht. Mit Freuden ergriff man den Umstand, dass das Gutachten 
über eine Aufnahme bayerischer Ünterthanen in die Kompagnie sich aus- 
schwieg, als Vorwand, um die Verhandlungen über diesen Gegenstand abzu¬ 
brechen: „aus dem gutachten der Wiener kaufleute könnte man ersehen, dass 
denen heim Österreichern nicht gemeint, unsere ünterthanen in ihre auf zu- 
richten vorhabende kompagnie mit einzunehmen, deswegen ihr denn bei selbigen 
fernere instanz auch umsoweniger darum zu machen habt, weil sie sich allein 
beim seidenwesen und deroselbigen manufaktur aufhalteu, welches aber uns 
noch ein für allemal von solcher importanz zu sein nicht fürkommen will.“ 7 *) 


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M. Doeherl 


Wofür die bayerischen Abgeordneten besser instruiert waren, das war 
kein neuer kommerzieller Gegenstand, sondern eine alte Forderung der bayerischen 
Regierung, die Forderung auf Abschaffung der während des dreissigjährigen 
Krieges erhöhten österreichischen Zölle und Mauten auf der Donau. Schon in 
der ersten Sitzung stellten sie diese Forderung mit der Motivierung, dass durch 
die exorbitanten Zölle und Mauten, insbesonders beim roten Turm, die Schif¬ 
fahrt auf der Donau fast gänzlich eingestellt und damit zugleich dem Kurfürsten 
an seinen Zoll- und Mautstätten ein grosser Schaden zugefügt wordeu sei. 
Der kaiserliche Hofkammerpräsident, welcher die Maut am roten Turm pfand¬ 
weise in Nutzgenuss hatte, verhielt sich gegenüber den bayerischen Wünschen 
völlig ablehnend, die beiden anderen kaiserlichen Konfereuzmitglieder zeigten 
zwar mehr Entgegenkommen, stellten aber die Gegenforderung, dass auch an 
den kurfürstlichen Mautstätten eine Reduktion auf den Massstab der alten 
Zeit vorgenommen werde, und hielten an dieser Gegenforderung selbst dann 
fest, als die bayerischen Vertreter einwanden, die bayerischen Zölle w r ürden auf 
Grund uralter kaiserlicher und königlicher Privilegien erhoben, die öster¬ 
reichischen seien dagegen erst im letzten Krieg so hock gesteigert wordeu. 
Eine Ermässigung der österreichischen Zölle wurde nicht erzielt, eine solche 
erschien den bayerischen Bevollmächtigten selbst völlig aussichtslos, schon 
aus dem Grunde, weil die meisten, wenn nicht alle Zölle im Nutzgenuss der 
österreichischen Minister sich befanden. 

Am meisten lag der bayerischen Regierung am Herzen die Abstellung 
der Salzbeschwerde. Die bayerischen Abgeordneten forderten denn auch 
gleich in der ersten Konferenz völlige Aufhebung des böhmischen Salz¬ 
aufschlags, doch zu ihrer grössten Überraschung weigerten sich die kaiser¬ 
lichen Deputierten, über diesen Gegenstand auch nur in Verhandlungen ein¬ 
zutreten. Sie erklärten und zwar ganz im Widerspruch mit dem thatsächlicheu 
Hergang, die Konferenz hätte sich nur mit dem Kommerzienwesen zu be¬ 
schäftigen ufid sei nur in diesem Sinne von Becher gefordert, vom Kaiser 
bewilligt worden. Vergebens wiesen die bayerischen Gesandten darauf hin, 
dass die Konferenz nicht nur „der kotnmerzien, sondern auch der Ursachen 
halber begehrt werden, damit zwischen dem kaiser und dem kurfürsten das 
gute ein vernehmen desto besser stabiliert und die obhandeuen nachbar¬ 
lichen differenzen hingelegt werden möchten.“ 76 ) Als dann auf bayerisches 
Andringen die Entscheidung des Kaisers an gerufen wurde und dieser sich 
für die Zulassung der bayerischen Salzbeschwerde als Konferenzgegenstand 
aussprach, lehnten die kaiserlichen Abgeordneten anfangs jegliches Zugeständ¬ 
nis ab. Der Kaiser sei auf grund der von Bayern ins Feld geführten alten 
Verträge lediglich verpflichtet, dem Halleiner Salz die Einfuhr nach Böhmen 
zu verstatten. Dergleichen Aufschläge würden nicht bloss von dem fremden 
Halleiner Salz erhoben, sondern auch von dem eigenen Gmundener Salz 
und auch nicht bloss in Böhmen, sondern ebenso in den übrigen kaiserlichen 
Erbländern. Würde Böhmen davon befreit, würde dieselbe Befreiung auch 
von den anderen Erbländem gefordert und damit die Gmundener Salzgefälle 
des Kaisers allein um 100,000 Reichsthaler geschmälert werden. 77 ) Vergebens 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 189 

erinnerten die bayerischen Vertreter an die früheren schriftlichen wie münd¬ 
lichen Zusagen der kaiserlichen Regierung. Vergebens betonten sie, es sei 
förderlicher den bisherigen auf altem Herkommen und alten Verträgen be¬ 
ruhenden Handel zu erhalten als denselben zu gründe gehen zu lassen und 
neue weitaussehende und höchst schwierige Unternehmungen ins Leben zu 
rufen. Vergebens auch drohten sie damit, dass die bayerischen Uuterthanen 
alles wirtschaftliche Vertrauen zu Österreich verlieren müssten, wenn sie 
sähen, dass ihr Landesfürst den alten Verträgen zum Trotz in dem Verschleiss 
des Halleiner Salzes gehemmt würde. 78 ) 

Nachdem sich so die bayerischen Abgeordneten von der Aussichts¬ 
losigkeit ihrer Forderung nach Aufhebung des Salzaufschlags überzeugt hatten, 
versuchten sie den andern in ihrer Instruktion vorgewiesenen Weg, den 
Appalt. Auch dieser Vorschlag scheiterte an der Erklärung der kaiserlichen 
Deputierten, dass sie einen Appalt auf nicht mehr als 24000 Scheiben ab- 
schliessen könnten, während die Kurbayerischen 8—900000 Liter forderten. 

Nun schlugen die Kurbayerischen einen dritten Weg ein und begehrten 
die Überlassung des weiter zu erhebenden Aufschlags an Bayern. Auch 
dagegen verhielt sich der Hofkammerpräsident anfangs völlig ablehnend. Er 
werde, so erklärte er, 79 ) dem Kaiser niemals zumuten, einem fremden Potentaten 
auch nur einen Groschen, geschweige mehr an seinen Aufschlägen und Ge¬ 
fällen zu opfern. Mau habe während des dreissigjährigen Krieges und noch 
während des letzten Türkenkrieges genug Einnahmen versetzen müssen. Nur 
durch Vermittelung des zur Konferenz deputierten Hofkammerrates von Selb 
wurde der Präsident und mit ihm die gesamte kaiserliche Hofkammer für ein 
Gutachten gewonnen, welches sich für die Überlassung des halben Aufschlags 
auf 10 Jahre aussprach. Und wirklich gab diesem Vorschläge der Kaiser in 
dem unterm 12. März 1667 ausgefertigten Hofkammerdekret Folge. 80 ) 

Doch die bayerische Regierung gab sich damit nicht zufrieden, sie bestand 
auf völliger Überlassung. Nunmehr reichte der kurbayerische Abgeordnete 
Barbier ein Memorandum ein, in welchem er die kaiserliche Interpretation 
der alten Salzverträge widerlegt zu haben glaubte. Schon erhofften sich die 
bayerischen Abgeordneten von dieser Denkschrift sowohl wie von dem Ver¬ 
sprechen des Ministers Lobkowitz, ihre Sache zu unterstützen, den besten 
Erfolg, schon sprachen sich selbst die kaiserlichen Hofkammerräte in ihrem 
Gutachten für Erstattung des jährlichen Betrags des Aufschlags aus. Doch in 
der obersten Zentralbehörde, dem geheimen Rate, wurde anders beschlossen 
und durch Dekret 81 ) vom 18. Juli nicht bloss bekannt gegeben, dass es bei 
dem früheren Hofkammerdekrete zu verbleiben habe, sondern auch hinzu¬ 
gefügt, dass dieses Zugeständnis nicht auf grund einer rechtlichen Verpflich¬ 
tung, sondern nur aus gutem Willen gemacht worden sei, und dass mau er¬ 
warte, der Kurfürst werde zum Entgelt die Zölle für österreichische und 
Tiroler Weine herabsetzen. 

Die bayerischen Abgeordneten schrieben diese veränderte Haltung der 
Wiener Regierung einem Umschwung am kaiserlichen Hofe zu. Zu der 
Zeit, als Bischof Roxas Bayern die Hoffnung auf den ganzen Aufschlag er- 
Bayer. Forschungen VI, 3. 13 


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190 M. Doeberl 


weckt, habe der Kaiser niemand anderen zu Rate gezogen als den Nachfolger 
des (1665 verstorbenen) Obersthofmeisters Portia, Lobkowitz, und den 
Oberstkämmerer Lamberg; darauf habe Roxas einzig und allein seine 
Hoffnung aufgebaut. Im Laufe der Verhandlungen aber habe sich eiu sicht¬ 
licher Umschwung vollzogen. Auersperg sei in der Achtung des Kaisers 
gestiegen, habe einen dominierenden Einfluss erlangt. Dieser aber sei nach 
den Äusserungen des Hofkammerpräsidenten Sinzendorf und des Hof¬ 
kammerrates von Selb die Hauptursache gewesen, weshalb dem Kurfürsten 
von Bayern nicht der ganze Aufschlag bewilligt worden wäre. Bayern wäre 
nicht einmal die Hälfte zugestanden worden, wenn nicht Sinzendorf und 
Selb hiefür bereits gebunden gewesen wären. 82 ) In der That war der Ein¬ 
fluss des Ministers Auersperg im Frühjahr 1667 gewaltig im Steigen, und 
war derselbe Auersperg ein persönlicher Gegner des Fürsten Lobkowitz, 
der ihm nach dem Tode Portias die Stelle eines Obersthofmeisters und da¬ 
mit des ersten Ministers weggenommen hatte, war zugleich als Anhänger 
Spaniens ein politischer Gegner Lobkowitz’, der eine friedliche Verständi¬ 
gung mit Frankreich befürwortete, 8 war ebenso ein Gegner des Bischofs 
Roxas. Roxas hatte im Jahre 1665 im Aufträge des Erzbischofs von Mainz 
und des damals noch lebenden Portia eine Mission übernommen, 84 ) um eine 
gütliche Verständigung zwischen dem Kaiser und Frankreich in der spani¬ 
schen Erbfolgefrage zu vermitteln. Auersperg hatte dieses Projekt durch 
Verrat an Spanien zu Fall gebracht. Doch was Auersperg zu der feind¬ 
seligen Haltung gegen Bayern bewog, war nicht bloss der Gegensatz zu Lob- 
kowitz und Roxas, es war in erster Linie die Politik Bayerns vor und 
während des Devolutionskrieges. Darüber schweigen sich freilich die Berichte 
der bayerischen Vertreter am Wiener Hofe aus. 

Schon in der zweiten Hälfte des April 1667 hatte der gerade auf Ver¬ 
anlassung des Fürsten Lobkowitz zu den wirtschaftlichen Verhandlungen 
beigezogene Hofkanzler Hoch er, derselbe, der seinerzeit in Begleitung des 
Bischofs Roxas nach München gekommen war, heftige Klage geführt, dass 
Bayern in dem Streite zwischen Österreich und dem Bischof von Bamberg 
wegen der Bainberger Güter in Kärnten auf dem Regensburger Reichstage 
die Partei des Bischofs ergriffen habe, „es sei dem kaiser schwer gefallen 
und von demselben ungleich aufgenommen worden, dass der kurfürst bei dem 
instehenden reichstag und vorhero des bischofs von Bamberg intention be¬ 
ständig sekundieren helfen und seine partes susteniert habe, indem man nicht 
sehen könne, dass der kurfürst das geringste interesse dabei zu suchen oder 
einige präjudiz zu befahren habe, indem der bischof von Bamberg wegen der 
in Kärnten liegenden güter ein bekannter vasall und landesunterthan sei ... . 
Wenn der kurfürst eine gute verständnus mit dem kaiser und dem erz¬ 
hause stiften wolle, sei von nöten, dass man sich dergleichen Streitigkeiten 
entäussere und die Österreichischen unterthanen wider den kaiser als ihren 
erbherrn nicht fomentieren helfe. Es würde dem kurfürsten auch nicht ge¬ 
fallen, wenn der kaiser deroselben unterthanen wider ihn foviere und ihnen 
assistenz leisten wollte.“ 85 ) Und derselbe H ocher hatte zuerst die Forderung 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 191 


nach Aufhebung des bayerischen Aufschlags auf die Tiroler Weine erhoben. 
Als dann im Mai 1667 der längst in der Luft liegende Krieg Frankreichs um 
die spanischen Niederlande, der sogenannte Devolutionskrieg, wirklich begann, 
war der bayerische Gesandte in Regensburg, Franz von Mayr, der thätigste 
Bundesgenosse Frankreichs auf dessen diplomatischem Feldzuge am Regens¬ 
burger Reichstage, lief sich, um mit den Brandenburger Gesandten zu sprechen, 8 ®) 
förmlich die Füsse ab, um eine Intervention des Regensburger Reichstags zu 
Gunsten der spanischen Niederlande fern zu halten, erklärte den österreichi¬ 
schen Gesandten, „sein herr halte, damit nicht zu mehrer Weitläufigkeit anlass 
gegeben werde, für nötig, dass der kaiser sich in dieses werk nicht mesliere, 
viel weniger Spanien assistenz leiste“. Er ging sogar in seinem Eifer für 
Frankreich über seine Instruktion noch hinaus, sodass der damals in Italien 
weilende Kurfürst ihm ernstliche Vorstellungen machen liess. 87 ) 

Unter diesen Umständen war es der kaiserlichen Regierung nicht zu 
verdenken, wenn sie geringe Neigungen zeigte zu wirtschaftlichen Konzessionen 
an Bayern. Trotzdem gab sich der Kanzler K. von Schmid mit dem kaiser¬ 
lichen Dekret vom 18. Juli nicht zufrieden, sondern erklärte den bayerischen 
Vertretern am Wiener Hofe, man werde den halben Aufschlag nicht anders 
annehmeu, als wenn er „zu freier disposition nachgegeben“, wenn zugleich 
auf zeitliche Fixierung und auf die Forderung von Gegenleistungen verzichtet 
und die beiderseitigen Rechte ausdrücklich Vorbehalten würden. 88 ) Die bayeri¬ 
sche Regierung forderte freie Disposition, weil es ihr weniger darum zu thun 
war, augenblicklich einige 1000 Gulden Mehreinnahmen für den Fiskus zu 
erzielen, sondern vielmehr darum, durch Erlass oder Ermässigung des Ein¬ 
fuhrzolles den bayerischen Salzverschleiss nach Böhmen zu heben. Sie forderte 
Streichung des zeitlichen Termins und Vorbehalt der beiderseitigen Rechte, 
um in der nächsten Zeit nicht verhindert zu sein, günstige Konjunkturen zu 
völliger Aufhebung des Salzaufschlags zu benützen. In der vom Kaiser an 
die Bewilligung geknüpften Hoffnung auf Gegenleistungen vollends erblickte 
sie eine Verpflichtung, zu welcher das ganze österreichische Zugeständnis in 
keinem Verhältnis stand. 

Auf erneute Vorstellung Barbiers — Leidl war am 18. Juli bereits 
abgereist —, dass das Wort „nachgeben“ eine Aufhebung des böhmischen 
Salzaufschlags bedeute, also eine Forderung, auf die man bereits verzichtet, 
nahm die bayerische Regierung zwar von dem Worte „uachgeben“ Umgang^ 
ebenso von der Streichung des zeitlichen Termins, bestand aber auf der Ein¬ 
rückung der Worte „freie disposition“ und des Vorbehalts der beiderseitigen 
Rechte, wie auf der Streichung der Forderung von Gegenleistungen. Wirklich 
machte die kaiserliche Regierung unterm 30. Sept. 1667 88 *) einen weiteren Schritt 
des Entgegenkommens. Sie bewilligte Bayern den halben Salzaufschlag auf 10 Jahre 
ohne die Bedingung einer Gegenleistung und unter ausdrücklichem Vorbehalte 
der beiderseitigen Rechte. Die bayerischen Abgeordneten schrieben das Zu¬ 
geständnis vornehmlich der Vermittelungsthätigkeit des Pater Roxas zu, der 
beim Kaiser sowohl wie beim Hofkammerpräsidenten aufs wärmste die Sache 
Bayerns vertreten habe. Doch erklärt sich das Zugeständnis nicht minder 

13* 


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192 M. Doeberl 


aus dem politischen Zusammenhang, aus der Wechselwirkung der politischen 
Ereignisse. Gerade damals gingen kaiserliche Gesandtschaften an die deut¬ 
schen Fürstenhöfe, um diese in der burgundischeu Frage zum Anschluss an 
den Kaiserhof zu vermögen, gerade damals (vom 18. Sept. bis 3. Okt) weilte 
mit einer solchen Mission am Münchener Hofe der kaiserliche Gesandte Graf 
von Waldstein. 8 ®) 

Aber freilich auch in dem neuen kaiserlichen Dekrete suchte man ver¬ 
geblich nach den Worten „freie Verfügung“. Am 14. Okt 1667 erging daher 
an Barbier von der Hand Kaspar von Schmids eine neue Weisung, auf 
der Einrückung dieser Worte zu bestehen. Das war zu derselben Zeit, da 
Waldstein seinen Generalbericht über seine bayerische Gesandtschaft ein¬ 
reichte, welche mit einem völligen Fiasko geendigt hatte zu derselben Zeit, 
da Bayern im Sinne Frankreichs an einer bewaffneten Neutralität der süd- 
westdeutscheu Kreise 89 ) arbeitete, um einen Angriff des Kaisers auf das 
französische Eisass zu verhindern, da es seine ganze Kraft einsetzte, um den 
Kölner Mediationskonvent 89 ) lebensfähig zu erhalten, welcher als eine Art 
Nebenreichstag der Regensburger Versammlung die Fassung eines Reichs¬ 
kriegsbeschlusses zu gunsten der burgundischen Niederlande unmöglich machen 
sollte. Barbier sah sich unter den gegebenen Verhältnissen vor eine schwie¬ 
rige Aufgabe gestellt, er suchte vor einem offiziellen Schritt Fühlung mit 
Lobkowitz und Sinzendorf. Beide rieten dringend ab, mit einem Heuen 
Ansinnen an den Kaiser heran zutreten. Der Kaiser würde bei den Worten 
„freie disposition“ sofort Verdacht schöpfen und die Frage neuerdings vor 
den geheimen Rat bringen; hier wäre dann zu befürchten, dass nicht bloss 
diese neue Forderung abgelehnt, dass vielmehr das ganze Werk sich zer¬ 
schlage. Barbier stand also von der Einreichung eines weiteren Memorials 
ab, umsomehr als Selb ihn versicherte, dass das kaiserliche Dekret, indem 
es an die Bewilligung keine Bedingungen knüpfe, dasjenige thatsächlich schon 
gewähre, was Kurbayem mit dem Worte freie Disposition anstrebe. 

Barbier selbst ging in seiner optimistischen Interpretation des kaiser¬ 
lichen Dekretes sogar noch weiter: die bedingungslose Überlassung des halben 
Aufschlages sei thatsächlich gleichbedeutend mit einer Aufhebung desselben, 
Sin zendorf und Selb hätten nur aus Furcht vor den anderen Ministern 
Scheu getragen, das Kind beim rechten Namen zu nennen. Damit sei that¬ 
sächlich mehr erreicht, als wenn das kaiserliche Dekret auf volle Überlassung 
des Aufschlags lauten würde. Denn wenn dieser ganze Aufschlag auch jähr¬ 
lich 7 — 8000 Gulden eintragen würde, er müsste in Böhmen vereinnahmt 
werden, und es wäre daher unmöglich, auf diesem Wege den Salzverschleiss 
nach Böhmen zu steigern. Dieses Hauptziel der bayerischen Regierung sei 
aber mit dem kaiserlichen Dekret zu erreichen; der Kurfürst könne dort, wo 
es ohne Schaden des Salzverschleisses sich vollziehen lasse, den Aufschlag 
erheben, an anderen Orten aber auf denselben verzichten und dadurch den 
Absatz heben. 

Freilich am Münchener Hofe teilte man diese optimistische Auffassung 
nicht. Gerade in der hartnäckigen Weigerung der Wiener Kreise, die ge- 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 


193 


wünschten Worte in das Dekret aufzunehnien, in der Drohung, eventuell die 
gemachte Bewilligung zu widerrufen, erblickte man vielmehr ein deutliches 
Zeichen dafür, dass die Auffassung Barbiers nicht im Sinne des Erlasses 
sei. 90 ) Und schon früher hatte sich die bayerische Hofkammer dahin ausge¬ 
sprochen, es lieber beim alten zu belassen als sich mit einem Zugeständnis 
zu begnügen, das nicht geeignet sei, den Salzexport nach Böhmen zu heben. 91 ) 

Zu Beginn des Monats November kehrte Barbier nach München zu¬ 
rück. So sehr er sich in seinem Finalberichte bemühte, seine Wiener Thätig- 
keit in ein helles Licht zu setzen, sie liess doch nur geringe Spuren im Wirt¬ 
schaftsleben Bayerns zurück. Neue Merkantilprojekte waren zuletzt ganz von 
der Tagesordnung verschwunden, und selbst in der Salzangelegenheit war 
der Zweck der Sendung nicht erreicht. Allerdings hatte man sich auch im 
Sinne der Verträge des 16. Jahrhunderts mit der Kreierung eines „forum 
Austriacum“ beschäftigt, einer schiedsrichterlichen Instanz, vor welcher künf¬ 
tige Irrungen zwischen Bayern und Österreich friedliche Erledigung finden 
sollten, aber es war bei einer blossen Anregung verblieben. Als der Reichs¬ 
vizekanzler H ocher die Ausfolge der einschlägigen Verträge von bayerischer 
Seite forderte, liess man die Angelegenheit auf sich beruhen; Bayern scheute 
wohl das Misstrauen Frankreichs. Das Einzige, was die bayerischen Ge¬ 
sandten am Wiener Hofe erzielt hatten, war neben dem halben Salzaufschlag 
die teilweise Regelung der sogenannten Tarvissehen Schuld, jener von Maxi¬ 
milian I. im dreissigjährigen Kriege dem Kaiserhause vorgestreckten Kapitalien, 
wofür sich Bayern die Einnahmen des Amtes Tarvis hatte verschreiben lassen. 

Die Verhandlungen zwischen Bayern und Österreich hatten im Herbst 
1665 eingesetzt mit dem Projekte einer wirtschaftlichen Einigung Deutsch¬ 
lands, Bayerns und Österreichs. Das Ergebnis am Schlüsse des Jahres 1667 
war ein wirtschaftliches Zugeständnis Österreichs, das von kompetenter Seite 
eher als Nachteil denn als Vorteil Bayerns angesehen wurde. 

Die wirtschaftliche Einigung hätte nur der Weg sein sollen zu einer 
politischen Einigung zunächst Bayerns und Österreichs. Davon war aber, 
offiziell wenigstens, seit Monaten nicht mehr die Rede gewesen. Der einzige, 
welcher diesen Gedanken noch hie und da wach zu erhalten suchte, war 
Roxas. Er rief den bayerischen Gesandten warnend zu: „Denique plus 
utrique coram Deo prodest mutuae coufidentiae continuatio quam unius vel 
alterius mercatorii grossi augmentatio“, er beschwor sie, „man solle ein mit- 
leid erzeigen wegen des Niederländischen wesens“. 99 ) Aber dieser Roxas 
diente zwar als Vermittler zwischen den Vertretern Bayerns und Österreichs, 
war jedoch kein offizielles Mitglied der Konferenz. Und die Mitteilung seiner 
Äusserungen beantwortete der Kurfürst damit, dass er Barbier durch seinen 
Kabinetssekretär Huber in einem Postskriptum verwarnen liess: „weil wir 
nicht mehr verstehen können, warumben man am kaiserhofe unsere salzhand- 
lung mit dem Niederländischen wesen vermischen wolle, also scheint, dass 
du dich von Roxas zu viel einuehmen und regieren lasst“. 98 ) Barbier 
vermied es seitdem ängstlich, das rein politische Gebiet in seinen Berichten 
auch nur zu streifen. 


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94 


M. Doeberl 


IV. 

So arm die Wiener Konferenzen an positiven Ergebnissen waren, für 
diejenigen Persönlichkeiten am Münchener Hofe, welche einen Anschluss an 
Frankreich befürworteten, hatten sie doch etwas Wertvolles gezeigt, ein Agi- 
tatiousmittel gegen Österreich. Schon am 22. März 1667 hatte Kaspar von 
Schmid im Namen seines Kurfürsten an die bayerischen Abgeordneten mit 
bezug auf das kaiserliche Dekret vom 12. März geschrieben: 94 ) „Da man 
kaiserlicherseits von solcher resolution nicht weichen sollte, gedenken wir 
zwar wegen des völligen salzaufschlags nicht viel instantias weiters machen 
zu wollen . . ., sondern wir nehmen daraus diese mensur und ermässigung, 
wie man uns anderweitig beim kaiserlichen hofe an die hand zu gehen ge¬ 
neigt sein müsste, nachdem wir daselbst in denen Sachen, darinnen wir den 
höchsten fug haben, zu keiner billigmässigen satisfaction gelangen können“. 

Bayern kehrte zur Zeit der Krisis, die sich damals in Europa vorbe¬ 
reitete, sein Angesicht nach dem Westen, lieh sein Ohr den Liebeswerbungen 
Frankreichs. Der Mann, der diesen Bund eiuleitete, der französische Ge¬ 
sandte am Regensburger Reichstage, Robert de Gravel, war kein Roxas 
und verfügte über rascher wirkende Mittel als der Frauziskanermönch und 
das geldarme Österreich. 

Allerdings hat auch Frankreich den deutschen Fürsten eine wirtschaft¬ 
liche Einigung angeboten, sie zu einer ostindischen Kompagnie eingeladen. 
Es hat sogar einige Wahrscheinlichkeit, dass das berühmte undatierte Memoire 95 ) 
des französischen Ministers Colbert unmittelbar durch die Gesandtschaft des 
Bischofs Roxas an den bayerischen Hof veranlasst worden sei. Der Um¬ 
stand, dass Gravel schon im November 1665 von letzterer Kenntnis hatte, 96 ) 
dass Becher eine „refutatio der französischen Präsentation“ schrieb, 97 ) der¬ 
selbe Becher, der sich rühmte, den Plan der Kurfürstin Adelheid und 
Martin Ölers, für die bayerische Seidenkompagnie französische Aktionäre 
zu gewinnen, vereitelt zu haben, könnte für diese Vermutung ins Feld ge¬ 
führt werden. Aber das war lediglich ein Gegenzug gegen die von Roxas 
vermittelten österreichisch-spanischen Wirtschaftsprojekte und politisch ebenso 
unwirksam, wie diese, auch von Anfang an ebensowenig ernst gemeint „Hat 
benebenst zu diesem weitaussehenden trafik- und kommerzienwesen gelacht 
und, wie andere, nicht viel darauf halten wollen“, so urteilt der bayerische 
Gesandte am Regensburger Reichstage Franz von Mayr über den Stand¬ 
punkt Gravels zu diesen Projekten. 98 ) 

Geld ins Land zu ziehen war der oberste Grundsatz des Merkantilis¬ 
mus und zugleich der deutschen Fürsten der zweiten Hälfte des 17. Jahr¬ 
hunderts. Hier hatten jene Versuche, auf wirtschaftlichem Wege eine poli¬ 
tische Annäherung zu erreichen, eingesetzt. Es gab aber noch ein kürzeres 
und rascheres Verfahren des * tirer de l’argent'>, das waren französische Sub- 
sidiengelder. Und dieser Weg empfahl sich nicht bloss vom fiskalischen 
Standpunkte, es fand sich sogar in der Umgebung des Vizekanzlers Kaspar 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 195 


von Schmid eine Persönlichkeit, welche in einem „kommerziediskurs“ ") 
einem bestellten Gegenprojekt zu Bechers Entwürfen, französische Sub- 
sidiengelder in den Mittelpunkt seiner Darstellung rückte und ihnen eine volks¬ 
wirtschaftliche Bedeutung gab: Bayern würde um etliche 100000 Gulden reicher 
gemacht, da das Geld im Lande selbst Verwendung fände; „die landleute 
würden, umsovielweniger oneriert, sich nach und nach oder auch bald wieder 
erholen“. I11 der That bildeten die französischen Subsidiengelder zwar nicht 
das ausschlaggebende, aber immerhin ein nicht unwichtiges Moment in der 
Entstehungsgeschichte des bayerisch-französischen Vertrages von 1670. Das 
von Roxas aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus empfohlene Bündnis 
mit Österreich war gescheitert, das ebenfalls aus wirtschaftlichen Gesichts¬ 
punkten empfohlene Bündnis mit Frankreich kam zur Reife. 

Als sich im September des Jahres 1678 der inzwischen zum Bischof 
von Tinin in Dalmatien ernannte Franziskanermönch Roxas mit einem ähn¬ 
lichen Versuche an den bayerischen Hof wagte, wie im Herbste des Jahres 1665, 
da lachte man nicht bloss über die „naradev, zwischen Kurbayem und Oester¬ 
reich durch kommerzien eine bessere verständnus zu stiften“, dem eitlen Träger 
der Mission selbst wurde die schlimmste Aufnahme zu teil. „Es ist halt“, schrieb 
damals Kaspar von Schmid von seinem Gute Schönbrunn an den Kabinetts¬ 
sekretär Huber, ,0 °) „wiederumben eineSpanische tentation, die mir zweifels¬ 
ohne einen kurs nach München verursachen wird; dazu ich wohl schlechte 
, lust habe, weil dieser fux mir gar zu bekannt ist und ich nicht mehr viel 
mit ihm zu thun haben will“. Der Kurfürst selber aber weigerte sich ganz 
entschieden, den Bischof, der sich inzwischen überdies eine verletzende Äusse¬ 
rung über ihn hatte zu Schulden kommen lassen, auch nur zu einer Audienz 
vorzulassen: „Der mann ist genugsam, was herr er ist, bekannt. Also begehr 
ich ihn wohl nicht vorzulasseu, welches er auch selbst bei einem so schlechten 
Vasallen, wie er mich tituliert, nicht begehren soll . . . Ein für allemal mag 
ich ihn nicht vorlassen oder mit ihm zu thun haben. Dem Lei dl (damaligen 
ausserordentlichen bayerischen Gesandten am Wiener Hofe) kann man schon 
die Ursache des verächtlichen traktameuts überschreibeu, dass sie also zu Wien 
nicht wunder nehmen wird, warum mau mit diesem nichts zu thun haben will“. ,01 ) 


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M. Doeberl 


Quellennachweise. 


1) ,, Verschiedene politische und oeconomische gutachten von einem bairischen kava- 
lier um a. 1670 verfasst“. Münchener Staatsarchiv (M. St. A.) Kasten schwarz (K. schw.) 377/28. 

2) S. Beilage II. 

3) M. St A. K. schw. 81/7. 

4) Oberbayerisches Archiv Bd. 49, Heft 1, S. 316. 

5) Schmidt, Gesch. d. Erziehung der bayerischen Wittelsbacher, S. 142 ff. 

6) M. St. A. K. schw. 4/8. Geisenfeid 1677 Nov. 9, Prielmayer an Schmid. 

7) S. Anm. 1. 

8) Neben der älteren Biographie von Bücher vgl. über ihn namentlich Simons¬ 
feld, Bayerische Kolonialpläne itn 17. Jahrhundert (nach den sogenannten „Kloeckeliana“ 
der Münchener Staatsbibliothek) und Erdberg-Krczenciewski, Johann Joachim Becher, 
ein Beitrag zur Geschichte der Nationalökonomik. 1896. 

9) Das englische Kolonialprojekt übergehe ich, da dieses nur darauf hinauslief 
„ein stück geld von Bayern herauszufischen“. 

10) Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung und Staats¬ 
verwaltung seit den Zeiten Maximilians I., Bd. II, Beilagen S. 33. 

11 > Simonsfeld a. a. O. s. Anm. 8. 

12) Freyberg, a. a. O. S. 27. 

13) So äussert Becher später in der 2. Auflage seines ,,Politischen Diskurses" 
a. d. J. 1673, einer Zeit, da Becher in sehr intimen Beziehungen zur Wiener Regierung stand. 

14) Vgl. hierüber Droysen, Gesch. der preussischen Politik, 3. Teil, 3. Abschn. 

3531 Heyck, Brandenburgisch - deutsche Kolonialpläne, Zeitschr. f. Gesch. d. Ober¬ 
rheins N. F. II, 135 ff.; Schiick, Brandenburger Kolonialpolitik I, 55 ff., Erd man 11s- 
dörffer, Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden bis zum Regierungsantritt 
Friedrichs des Grossen I, 326 ff., 443 ff. 

14a) Auerbach, La diplomatie Fran9aise et la cour de Saxe 139, 225 ff. Der 
französische Gesandte Gravel erkannte schon 1663, dass diese Propaganda nichts anderes 
bezwecke als «affaiblir ou contrecarrer l’alliance du Rhin . 

15) Politischer Diskurs, A. v. 1673, S. 965. 

16) M. St. A. 8/60. 

17) S. Beilage I, B. Teile des Projektes finden sich in deutscher Übertragung bei 
Becher a. a. O. S. 963 ff. Vgl. auch O. Klopp, Werke Leibniz’ IV, XXVII. 

18) Karlo Merkel, Adelaide di Savoia pg. 296. 

19) Ebenda, München 1665 Nov. 6, Adelheid an ihren Bruder, den Herzog Karl 
Emanuel von Savoyen. 

20) M. St. A. K. schw. 4/8. Schönbrunn 1678 Sept. 20. Schmid an Huber. 

21) M. St. A. K. schw. 6/3. Negotiation Leidls und Barbiers in Wien. 1666 Nov. 14, 
Bericht und Protokoll. 

22) a. a. O. S. Anm. 8. 

23) S. Beilage III. 

23a) Ich betone das; denn Erdberg lässt ihn bald im Aufträge der bayerischen 
Seidenkompagnie, bald in Privatsachen seine Reise nach Wien unternehmen. Beides ist 
falsch, wie sich aus dein kaiserlichen Rekreditiv vom 7. März 1666 (M. St. A. K. schw. 6/3) 
wie aus einer späteren Äusserung des Wiener Hofkammerpräsidenten (an dem Anm. 21 
bezeichneten Orte) ergibt. Die Instruktion selbst hat sich leider bis jetzt nicht gefunden. 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 


24) S. Beilage III. 

25) Becher, Politischer Diskurs, A. v. 1673, S. 421. 

26) Ebenda S. 430. 

27) M. St A. K. schw. 6/3. Gedruckt bei Becher a. a. O. S. 422. 

28) a. a. O. S. 51. 

29) Kais. Hofkaninierdekret vom 22. Febr. 1666 bei Becher a. a. O. S. 510. 

30) Becher a. a. O. S. 419 f. 

31) Becher a. a. O. S. 526 f. 

32) S. Beilage III. 

33) Becher a. a. O. S. 514 ff. 

34) Äusserung des kaiserlichen Hofkaiuinerpräsidenten von Sinzendorf an dem 
Anm. 21 a. O. 

35) Kais. Hofkammerdekret vom 22. Febr. 1666 bei Becher a. a. O. S. 510 f. 

35a) Becher a. a. O. 428 ff. Wien 1666 März 1. 

36) S. Beilage III. 

37) Beilage II. 

38) M. St. A. K. schw. 6 3. Kais. Rekreditiv vom 7. März 1666. 

39) Ebenda. 

40) M. St. A. K. schw. 6/3. München 1666 Mai 13. Der Kf. an Becher. Gedruckt 
bei Becher a. a. O. 422 (hier dat. Mai 14!) 

41) Becher a. a. O. S. 517. 

42) a. a. O. S. 516. 

43) Kauzleivermerk zu dem Anm. 40 angef. Schreiben. 

44) Becher a. a. O. 526 f. 

45) a. a. O. 527. 

46) Ebenda. 

47) Becher a. a. O. S. 432. 

48) M. St. A. K. schw. 370/1. Schleissheim [670 Sept. 18, Huber an Schmid. 

49) Becher a. a. O. 524. 

50) Becher a. a. O. 525 f. Wird weiter bestätigt durch ein späteres Rechtferti¬ 
gungsschreiben, dat München 1666 Nov. 30, M. St. A. 6 3. 

51) S. das zuletzt erwähnte Rechtfertigungsschreiben. 

52) Becher a. a. O. S. 524 und 519. 

53) a. a. O. S. 516. 

54) Ergibt sich aus dem kaiserl. Antwortschreiben vom 27. Juli 1666. M. St A. 
K. schw. 6/3. 

55) Becher a. a. O. S. 521 ff. 

56) Ebenda S. 970—991. 

57) Becher an verschiedenen Stellen, so z. B. im Vorwort zur Ausgabe seines 
Politischen Diskurses v. J. 1668. 

57a) S. Beilage III. 

58) Becher a. a. O. S. 581 f. 

59) Becher a. a. O. 553 ff. 

60) Becher, Polit. Diskurs, A. v. 1668, Widmung. 

61) Ebenda. 

62) Ebenda, Schlusswort. 

63) Becher, Polit. Diskurs A. v. 1672, Vorrede. 

64) Becher a. a. O. S. 583. 

65) M. St A. K. schw. 6/3. 

66) Ebenda. 

67) M. St A. K. schw. 378/48. Landshut 1670 Okt. 15, Schmid an den Kurfürsten. 

68) Becher a. a. O. 430. 

69) Becher a. a. O. 432. 

70) Becher a. a. O. 436. 


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M. Doeberl 


71) Becher a. a. O., Vorrede. 

72) M. St. A. K. schw. 6/3, 4, 5. 

73) Nicht aber für die kais. Erblande. Wie aus den Berichten des bayerischen 

Residenten am Wiener Hofe, Stovberer (M. St. A. K. schw. 6/10 ff.) hervorgeht, trat die 
Kompagnie auf Veranlassung eines gewissen Lelio de Luka und unter Beteiligung „unter¬ 
schiedlicher Granden“ im Frühjahr 1667 wirklich ins Leben. I11 den ersten Jahien bringen 
die Berichte von dem neuen Unternehmen die rosigsten Schilderungen: Grosse Waren¬ 
ladungen seien aus der Türkei nach Wien, von Wien nach der Türkei gegangen, schon 
verspreche man sich von den Handelsbeziehungen die Herstellung eines freundschaftlichen 
Verhältnisses zwischen Österreich und der Türkei, schon denke man an eine Ausdehnung 
des Handels bis nach Persien. Da am 9. Februar 1670 bringt der Resident die völlig 
überraschende Nachricht: „Es scheint, dass dieser compagnie nicht unlieb wäre, wann 
sie mit guter manier dieser handlung möchte los werden. Dann wie der gehoffte gewinn 
sich bishero noch nie bezeigt, auch dass solcher erfolgen werde, noch lange kein ansehen 
hat, also nimb bei denen interessenten der eifer merklich ab.“ Auf diese „orientalische 
Handelskompagnie“ bezieht sich die bei Fiedler, Relationen II, 135 angeführte venetia- 
nisclie Notiz aus dem Jahre 1670, nicht aber, wie Erdmannsdörfer a. a. O. I, 449 meint, 
auf eine zu gründende „west- und ostindische Kompagnie“. Diese Notiz lautet: „Trä li 
beneficij, che si presumono dal mantenimento della pace, si numera l’introduttione della 
Compagnia di Levante con capitale di trecento mille Fiorini in circa; vi concorrono pri- 
marij ministri, oltre li negotianti. L’imperatore provarä in breue considerabile discapito 
per la dimiutione de suoi datij, et al paese tutto ridondarä incomodo. L’estendermi minu- 
tamente portarebbe tedio sovercliio. E beu da credere, che la Compagnia non sussista 
lungamente, mancando chi la dirige di cognition, et insieme non vi sono le strade per 
raccoglier il profitto, che con vanitä viene promesso dagramministratori. Essi aumenta- 
ranno notabilmente le proprie fortune, et venendosi poi ä calcoli veri, et sinceri scopri- 
ranno gl’interessati, in vece degl’interessi vantagiosi, scemati li capitali.“ 

74) M. St. A. K. schw. 6/3. 1666 Dez. 7, Kf. an die bayer. Gesandten. 

75) M. St. A. K. schw. 6/4. 1667 Apr. 29, Kf. an die bayer. Gesandten. 

76) M. St. A. K. schw. 6/3. Wien 1666 Nov. 14, Bericht der bayerischen Gesandten. 

77) Ebenda, Protokoll v. 14. Nov. 

78) Ebenda, Protokoll v. 14. Nov. 

79) Ebenda, Wien 1666 Dez. 12, Bericht der bayerischen Gesandten. 

80) M. St. A. K. schw. 64. 

81) Ebenda, 6/5. 

82) M. St. A. K. schw. 65. Finalbericht. 

83) Pribram, Lisola S. 333. 

84) Ebenda 329 b Vgl. auch Mentz, Johann Philipp v. Schönborn Kurfürst von 
Mainz I, 124. 

85) M. St A. K. schw. 6/4. Wien 1667 Apr. 24, Bericht der bayer. Gesandten. 

86) Urkunden und Aktenstücke zur Gesell, des grossen Kurfürsten XII, 832. 

87) Näheres hierüber in meiner „Entstehungsgeschichte der bayerisch-französischen 
Allianz v 1670“. 

88) M. St. A. K. schw. 6 5. [667 Aug. 25, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten. 

88a) M. St. A. K. schw. 6 5. 

89) Näheres hierüber in meiner „Entstehungsgesch. der bayerisch - französischen 
Allianz v. 1670“. 

90) M. St. A. K. schw. 6 5. 1667 Okt. 29, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten. 

91) Ebenda. Hofkammergutachten v. 1667 Aug. 11. 

92) Ebenda. Wien 1667 Juli 7, Bericht der bayer. Gesandten. 

93) M. St. A. K. schw. 6/5. 1667 Sept. 23, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten. 

94) M. St. A. K. schw. 6 4. 1667 März 22, Kf. Befehl an die bayer. Gesandten. 

95) Clement, Lettres, instructions de Colbert II # , 429 ff. 

96) M. St. A. K. schw. 279/28. Regensburg 1665 Nov. 23. Mayr an K. v. Schmid. 


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Das Projekt eiuer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 


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97) Becher, Pol. Diskurs, A. v. 1672, S. 1006 ff. 

98) S. Anni. 96. — Was die französische Regierung von den österreichisch-spani¬ 
schen Anträgen äussert, gilt ebenso von den französischen Anerbietungen: < Ces ouvertures 
chimeriques regardent bien moins les Indes que le dedans de l’empire >. Auerbach a. a. O. 139. 

99) S. Anm. 1. 

100) M. St. A. K. schw. 4/8. Schönbrunn 1678 Sept. 20, Schmid an Huber. 

101) Ebenda. Schleissheim 1678 Sept 17, der Kurfürst eigenhändig an Schmid. 


Beilagen. 


I. In conferentiis habitis super hanc propositionein generalem, seil, „quomodo 
praesentibus et imminentibus difficultatibus s. R. imperii pro eius- 
dem stabilitione sit occu-rrendum“, visum est: 

1. duplicem viam eligendam, primam quidein, ut absque dilatione, antequam mala 
obruant, arma statuum imperialium uniantur; secundam, ut similiter absque mora quae- 
rantur media augendi vires et confidentiam Germanorum. 

2. Quoad primam, ut serventur consuetudines et constitutiones imperii et conse- 
quenter ut declinentur ligae novitatem et particularitatem factionum sapienter (!) et facile 
efficientes; et hinc, ut haec annonmi coniunctio fiat per circulos et iuxta taxam im¬ 
perialem cuiuscunque Status. 

3. Quia vero experientia constat moraliter nunc esse impossibile huiusmodi 
generalem unionem in plena dieta aut etiam uno eodemque tempore a cunctis niembris 
unius circuli obtinere, circa hoc nullatenus laborandum, sed negotium iucipiatur apud 
principaliores et prudentiores alieuius circuli. Hi ubi inter se de omnibus convenerint, 
alios eiusdem vel cuiuscunque vicinioris circuli succesive ad hoc generale et Obligatorium 
imperii foedus incitabunt 

4. Ut vero singuli faciliores reddantur, nullus ad actualem pecuniae expositionem 
obligetur, sed solum fiant omnes dispositiones ita, ut proxime in imminente aut occurrente 
necessitate nil aliud quam actualis militum conscriptio facienda supersit. Si nihilominus 
sese aliquis ab omni providentia et onere subtrahere voluerit, cum iniquum sit, ut id, ubi 
de omnium conservatione agitur, super reliquos solum cadat, hi illum quartiriorum im- 
missione omnisque etiam protectionis subtractione terreant et impellant. Si autem nec 
hoc moveat, reliqui nihilominus dicto, revera unico securitatis Germanicae medio sese ab 
interitu aut libertatis et opum diminutione liberabunt. 

5. Ad hoc, ut omnium sinistrarum apprehensionum et aliarum difficultatuiu obstacula 
removeantur, tarn domus Austriaca quam Bavarica a publica et directa rei huius sollici- 
tatione abstinebunt. Imo nullus circa foedus hoc praetendat novas praerogativas particulares 
et sibi hucusque non evidenter compotentes. In dubio autem fiat meliori aut velociori modo 
compositio per pluralitatem votorum. Qui hanc detrectaverit, per dictum duplicem moduni 
terrebitur aut negligetur, reliquique nihilominus hoc conservationis suae negotium 
prosequentur. 

6. Ut tarn salutaris operis absque periculosa dilatione fiat velox et efficax initium, 
utraque alte memorata domus, sive per confidentes sive per ministros suos in circulo 
Suevico votum et corrospondentiam habentes, animuni episcopi Constantiensis et aliorum 
primariorum, qui absque hoc ad rem hanc totaliter resoluti videntur, secreto confirmabit 
et effectuni Ultimatum iuxta inemoratas regulas procurabit et de hoc per cifram et 
personas utrinque deputatas secreto et diligenter correspondebit. Domus Bavarica quidem 
in qualitate Status Suevici a reliquis invitata subscribet. Imo quatenus dux et membrum 
circuli Bavarici — si alia graviora obstacula, quae nunc non apparent, non occurrant — 
idem praestabit domumque Austriacam una cum aliis principibus a praefato circulo 
invitari faciet. 


A. 

Bayerischer 
Vorschlag 
einer Reor¬ 
ganisation 
der Kreis¬ 
verfassung. 


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200 


M. Doeberl 


.. B. 7. Quoad secundam supradictam viam, confidentia inter Germanos naturalitcr 

stabilietur, per hoc, ut unus status alten procuret divitiarum augmentuni et iu grava" 
spanischer ,M * n ^ us occurrentibus possibilem satisfactionem. Dictis de causis incipiatur per partes et 
Vorschlag quidem a potentioribus et magis vicinis in situatione ditionum, in sanguine et orthodoxa 
einer fide. Cumque hae conditiones utrique praetactae domui quasi uuice competant, exnunc 
I^Kimgung^ ut rac j iie applicet media uitiniata, ut utriusque ditionis fructus et metalla terrae manu- 
auf wirt- ^ acturae q ue doniesticae per vias, quae illis specialiter sunt ad manum, cum magis possibili 
schaftlicher emolumento totaliter divendi possint. Per easdem quoque speciales vias illae merces, 
Grundlage, quae ab aliis mundi partibus ad utriusque terras sive per secundam aut etiam ultimam 
manum huiusque adductae fuerunt, ab utriusque subditis mercatoribus ex Oriente, Occi- 
dente, Meridie et Septentrione adferantur et deinde ad alias Germaniae et Europae partes 
distrahantur. 


8. Unde tarn S. Caes. M tM quam etiam Ser.Bavariae elector viam Danubii 
et Oderae aliorumque fluvioruni, quantum in ipsis erit, sibi mutuo facilitabunt per mutuam 
teloniorum compositionem et procurationem moderaminis mox explicandi apud aÜos im- 
perii principes. Hoc vero absque ullius praeteriti emolumenti iactura fieret, si praeteritarum 
mercium qualitas et quantitas ad eandem persolutionem utrinque obligaretur. Quae vero 
huic qualitati et quantitati deinceps nova accederent, generaliter et una duntaxat in 
anno vice ad aliquam recognitionem proportionatam, seil, ad novae quantitatis augmentum 
astringereutur. 

9. S. Caes. M 4 »* pro sua parte autoritatem interponet apud Turcarum imperatorem 
pro libero per Danubium transitu mercium utriusque domus. Ser.“”»« V ero Bavariae elector 
e contra pro sua parte sub aliis generalibus praetextibus apud aliorum Germaniae fluvioruni 
principes pro praefato moderamine teloniorum iuxta memoratam forinam secreto et suo 
nomine pro omnium tarnen Germanorum mercibus laborabit personasque bene intelligentes 
et tarn sibi quam etiam S. Caes*« M u gratas et fideles sub aliis praetextibus pro omnium 
omnino supradictarum materiarum pertractatione et conclusioue Viennani aut ad alia loca 
intra et extra imperium mittendas, ad quameunque Caes. M ti8 requisitionem concedet. 
Idem serenissimo electori praestabit sua M tM . 

10. Servetur in mercium viis maior aut securitas aut brevitas. Quare si omnes 
merces Indicae ex Ormus et Ponto Ruxino immediate Danubio vel, si hoc 11011, per Aleppo 
Venetias et inde in alias Germaniae et mundi partes adduci possint, nullatenus adferantur 
per circuitum et moras Oceani. Si vero post fundamentalem inquisitionem neutra haec 
via aperiatur aut expediat, merces Indicae adferantur per Oceanum. Si vero ad supra- 
dicta aliorum Germanorum statuum concursus expedierit, ille in ea quantitate et ab iis, 
qui utrique domui magis placuerint, tempestative requiratur. 

11. Omnia itaque circa supradicta ita individualiter inter utramque doinuin dis- 
ponautur et concludantur, ut quocunque alio Germano renitente per unam vel alteram 
ex dictis viis negotiationum huiusmodi potentissima macchina nihilominus progressum 
sortiatur. Ut vero tantae rei utilitas etiam ad reliquos imperii status transire valeat, 
inprimis nullus alterius nationis pro interessente admittatur, quamdiu Germanorum con- 
tributio ad intentum habetur aut sufficit. Iisdem omnes merces sive Orientales sive 
Huropeae, in quantum possibile fuerit, pro longe ineliori pretio divendantur, quam hucusque 
ab Holland» et aliis habere potuerunt. Similiter omnium mercium transitus et maiores 
consumptiones potius per Germanorum terras et portus fiant quam per alias liationes. 
Kcontra vero Germaniae status nullius alterius extraneae societatis merces, praesertim ubi 
per dictas vias et accedente praefato teloniorum moderamine cuncta ad minus aeque bono 
pretio obtinere poterit, coemat, inulto minus capitalia sua et pecunias suorum extra 
Germaniam ad alias societates transferat, sed potius pro patriae amore et bono per dictas 
vias pecuniae aliarum nationum ad imperium trahautur, et in eodem pro eiusdem et 
cuiuscunque meliore defensione conserventur. 

12. Si tarnen per praecedentem cum peregrinis societatibus participationein Germani 
aliqui fructibus, mercibus et possessionibus actu gavisi fnerint aut gaudeant, illi sese ita 
de suis propriis Germanicis et aliis neutralibus Europae portubus assecurent, ut, si 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 201 

inateria, Status et Germaniae ac propria domestica salus et independentia exigat rupturarn 
facere cum natione istius peregrinae societatis, ipsi nihiloniinus ad dictos suos fructus et 
possessiones egredi et alibi divendere et pecuniam in Gernianiain et non alio introducere 
et inde augere valeant. Hinc iisdem uecessariuni erit occasione huius nostrae novae 
Societatis Indicae, eidem sese ita conjungere, ut ad Albim Haniburgensem portuni et pro 
Rheno Ostendensem ad man um habeant. 

Pro divenditione vero praefatorum fructuum una cum liac nostra societate pecuniam 
regnorum Hispaniae et privilegia convenientia obtinere satagant. cum alias certum sit, 
quod in nullo alio Europae loco excepta sola Germania et Hispania divenditio admittenda 
sit. Si vero haec solum fieret in Germania, tune huius pecuniae et potentia nunquam augerentur. 

13. Instituatur ergo inter principes Germanos Societas Indiae Orientalis, ut seil, 
per huius merces in Hispanicis portubus acquirant Germani auruni et argentum Indiae 
Occidentalis. Nam in Orientalibus mercimonia in abundantia actu creverunt et actu in- 
comparabiles mercatores expectant, quae in America excepta Brasilia in nonnullis >partibus 
(quae indies a novis dominis rapiuntur vel potius despiciuntur) non nisi per variorum 
annoruiti rusticalem laborem sperari possunt et postea pro certo auferentur per Hollandos 
aut alios his similes, qui hic nobis videntibus in Europa nulli vicino statui libertatem 
promissam relinquuut et multo minus facient in loco a nobis tatn remoto et praesertim, 
si hic ruptura cum illis orta fuerit. Invitentur ad hanc societatem non omnes principes 
propter confessionem neque nimis pauci ob maiorem ^ei auctoritatem. Fiat tarnen succesive 
incipiendo ad Rhenum a domino electore Moguntino et Coloniensi et ad Albim apud 
dominum electorem Brandenburgensem et deiude apud reliquos Rheni et Albis principes, 
ita tarnen ut 11110 renuente aut tardante res nihilominus in tempore successum liabeat. 

Princeps quilibet unam vel alteram navem suo nomine fieri curabit et proteget. 
Pro hac protectione mercatores subditi vel alii (qui Amsterodanii vel Hamburgi ad id iam 
sunt parati) pro quolibet lucro centenario suo principi certani quotam contribuent. Quae- 
libet navis autoritate principis suuiu constituet directorem et commissarios, et tota prin- 
cipurn societas suas domos et alia convenientia. Principes per suos intendent materiae 
Status huius compagniae (seil, de locis et sociis, bello ac pace), directores et Commissarii 
ipsimet mercimoniis et distributationi invigilabunt. 

Si quae damna et utilitates oriantur, communiter participabuntur, ita tarnen, ut 
principes ob protectionem ad nulla bella a mercatoribus contribuentibus obligari valeant. 
£)uoad modos speciales dirigendi hanc societatem, sequendae sunt regulae aliarum socie- 
tatum, et pro toto opere iam habetur instructio et portus in Indiis et in Europa. Et 
conferet de hac societate serenissimus elector Bavariae cum Emm. et Ser. electoribus 
Moguntino et Colonieuse eorumque mentein deinde S. Caes. M 11 aperiet. M. St. A. 
K. schw\ 8/60. 

II. Aus der kaiserlichen Instruktion für die Reise Bechers nach 
Holland. 

„Wäre bei Vorweisung der generaivollmacht der Ostindischen kompagnie mit 
Holland zu remonstrieren, welicher gestalt selbige nun in die sechzig jahre lang aus den 
kaiserlichen erblanden einige tonnen schätz zu gewinn gezogen, angesehen sie den handel 
in Spezereien nach ihrem belieben und selbst gesetztem tax allein darinnen geführet. Da- 
hingegen gedachte erblanden nit allein kein reciprocum beneficium oder vorteil von 
gemelter kompagnie genossen, sondern durch aufnehmen selber kompagnie vielmehr in 
einem und anderen handel und manufakturen schaden und mangel gelitten. Man lebte also 
kaiserlicher seiten der hoffnung gemelte Ostindische kompagnie werde sich zu einiger 
recognition und erkenntnus hinfüro erklären und in ansehung des grossen nutzens und 
gewinns, den sie bishero aus gedachten erblanden gezogen, ihre Spezereien, denselben 
inskünftige utnb merkliches besseres preises als andern geben oder einige benötigte manu- 
facturen aus den kaiserlichen erblanden nehmen oder etwan eine andere erkänntnus zur 
ergetzung gedachter lande vorschlagen. Dann da derer keins erfolgete, würde man hinfüro 
die in den kaiserlichen erblanden bedürftigte Spezereien anderwerts und an solchen orten 


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M. Doeberl 


und enden nehmen, da den erblanden und derer unterthanen zum besten auch einige 
beneficia wiederumb zu hoffen wären, bereits auch angeboten werden“. M. St. A. K. schw. 6/3. 

III. Gründliche information über des Dr. Bechers verübte in- 
solentien (während seines zweiten Wiener Aufenthaltes). 

Es ist gegen dem end jungst verwichenen 1665. jahrs Hans Ioachim Becher 
mediciiiae Doctor alhero nacher Wien kommen und hat sowohl bei Ihrer kaiserl. Majestät 
selbsten als bei dem herrn liofkammerpräsidenten allerhand vorschläg schriftlich und 
mündlich gethan. wie in den kaiserl. erblanden unterschidliche manufakturn eingeführt, 
die länder populos gemacht, die konnuercien erhoben und überaus grosser 11 uzen geschafft 
werden können. Insonderheit hat er proponirt eine seidenkompagnie aufzurichten 
und diese manufaktur zu verlegen, als welche er bereits in Bayern mit männiglichs wol- 
gefallen und des lands sonderbarm vorteil eingeführt und stabilijrt hette. Da ihm dann 
an die Hand gegeben worden, die vornehmbste kaiserl. ministros zu informiren und sich 
zu insinuiren, damit das werk desto besser von statten gehen möge, welches er auch 
gethan und die sach so weit gebracht, dass ein besonders collegium commerciorum 
unter des herrn liofkammerpräsident direktion aufgerichtet, ihme der Becher zu einem 
rat zugegeben, das jurament von ihme abgelegt, ein salarium konstituirt und nach 
gehaltener konferenz mit der königl. Bohaimbischen hofkanzlei resolvirt worden, 
mit der seiden manufaktur einen anfang zu machen. Wie dann der Becher 
promittirt hat in kurtzer zeit etliche tausend menschen alle katholisch und in diser arbeit 
erfahren mit geringer spesa ins iand zu pringen, auch anders nichts verlanget, als ihne 
in Holl- und Niderland raisen zu lassen. 

Disem seinem begehra hat man statt gethan und zu solcher rais in Niderland 
ihme nicht allein eine instruktion, die er mehremteil selbst aufgesetzt, sondern auch 
2000 fl. in bahrem gelt, die der herr hofkammerpräsident von dem seinigen hergeschossen, 
auf Verrechnung mitgegeben hat. Dieser instruktion ist er in dem wenigsten nachkommeu 
und seine rais in Niderland weiter nit alss nacher München gegangen, alda er 4 mannes- 
und 2 Weibspersonen, die sich auf das seidenspinnen und zwirnen verstehen sollen, 
zusammengeklaubt und selbige mit sich herabgebracht, auch einen seidenfärber aus Italien, 
ungeaclit er zuvor die Italianer gar nit gebrauchen, sondern nur die in denen Holländischen 
provinzien betrangte katholische befördern wollen, beschriben und demselben jährlich 
1650 fl. anneben freier wohnuug paktirt, darauf alsbald ein quartal bezahlt werden müessen. 
Und >veilen man nit gewusst, wass mit angeregten wenigen personen anzufangen, hat 
selbig der herr hofkammerpräsident interim, bis deren mehrer körnen und das werk 
recht inkaminirt wurde, in sein schloss Walperstorff gesetzt und daselbst underhalten lassen, 
die der Becher mit Werkzeug versehen und in die arbeit pringen sollen, underdessen ihme 
der herr hofkammerpräsident noch 1020 Thaler rohe seiden davor zu erkaufen zu seiner 
disposition überlassen. 

Indem man ihnen nun fast täglich an gemahnet fleiss anzukehren, damit das 
seidenwesen einsmals recht angefangen und der effekt gesehen werde, ist er gleich mit 
andern Sachen aufgezogen und hat bald eine handlung in Türkei, bald einen spezerei- 
liandl, zuggersiederei, tuechtnacherei, Indianische kompagnie einführen wollen. Sintemal 
aber leicht zu gedenken gewesen, dass mit traktirung so vieler Sachen zugleich nur kon- 
fusiones enstehen würden, ist er die Seidenmanufaktur vorhero recht zu stabiliren an- 
gewisen worden, bevorab da sich leut angegeben, die zum verlag ein kapital herzuschiessen 
begert. Denen hernach gueten theils dieses Verzugs halber die sach und sonderlich der 
angegebene grosse gewinn verdächtig worden, dass sie sich weiter nit einlassen, sondern 
zuvor ein prob sehen, auch solcher prob halber in der geringsten gefahr nit stehen wollen. 
Underdessen die vorhandene leut feiernd gesessen und das gelt umsonst verzehrt haben. 

Umbweilen aber der Becher bestendig darauf verharret, dass, unerachtet ein anfang 
der Unkosten grosser sei, dennoch kein verlust dabei sein würde, ja er selbst andere leut 
finden wolte, die diesen verlurst erstatten und den weitern verlag über sich nehmen w f ürden: 
als ist der Schluss dahin gegangen, damit dieses dem ganzen land für so nützlich 
angegebene werk nit gleich im anfang stecken pliebe, dass die prob auf des herrn hof- 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 


203 


kaininerpräsident Unkosten und gefahr auf das fürderligste fortgesetzt, hernach die 
compagnie aufgerichtet, die leut dazu gesuechet und sonderlich aus der Bayrischen 
kompagnie der herr graf von I'ürstenberg und Vizekanzler Schmidt darein genomen 
werden, auch zu beforderung dessen der Becher sich nacher Walperstorff begehen, den 
zu Venedig bestehen ballen seiden dahin schicken, die leut zur arbeit anstellen und sich 
umb mehrere, bevorab Spinner und bandwerker. bewerben sollte. Mittlerweil hat der 
Becher vorgeben, dass man seiner zu München sehr verlange, l’mbwillen Ihre Churfürst¬ 
liche Durchlaucht sich vernemben lassen, dass sie wegen besserer inkaniinierung der 
kommerziell und beilegung sich eraigneter anderwertiger differenz geni eine konferenz 
sehen mögte, haben Ihre Kaiserl. Majestät auf beschehenen allerunderthenigsten Vortrag 
darin gnädigst kondeszendirt, auch in dieser konformitet ein kaiserl. handbriefl ausfertigen 
lassen, welches man ihme Beher nachgelients bei seiner abfertigung mit nacher München 
zu geben willens gewesen, damit er desto besser den kredit erhalten und die übrige 
negotiation wegen herbeibringung mehrerer leut verrichten mögte. Nachdem aber unter¬ 
dessen mehrgenannter herr hofkammerpräsident mit Ihrer Kaiserl. Majestät gnädigsten 
erlaubnis den 2. Iunii ein kirchfahrt nacher Cell angestelt und den weg auf Walperstorff, 
auch das gefertigte kaiserl. handbriefl mit sich genomen mit der inainung, weilen er 
etliche tage daselbst verblieben, dass der Becher alsobald naclifolgen, veranlasstermassen 
die leuth zur arbeit und die prob anstelleu, angeregtes briefl daselbst erheben und von 
dannen recta nach München raisen würde, hat es der Becher ganz umbgekehrt und an 
sein statt ein andere person, so das lestemal mit ihme hiehin kommen und sich Otto Dhrodt 
nennt, obermelten tag perposta nach Walperstorff geschickt und sich in einem brief über 
die vilfertige abrais beschweret, vorgebend, er habe aus Bayern schreiben empfangen sich 
alsobald nacher München zu begeben, dannenhero der herr hofkammerpräsident ihme 
seiner pension halber die schriftliche ordinanz in das liofzahlambt ertailen und das 
kaiserl. handbriefl zurückschicken solte. Darauf ihme ohne verzug competenter und 
glimpflich geantwort worden. 

Umbwillen auch gleich dazumal dem herrn hofkammerpräsidenten ein schreiben 
von vertrauter hand zukommen, worinnen anregung geschehen, dass der Becher und seine 
konsorten an dem churbayrischen Hof nit im kredit sein, wie sie vorgeben, und dass 
ihnen nit zu viel zu trauen, auch seine anschläg schlechten succes haben, dahero treulich 
gewamet, sich mit ihme nit zu weit einzulassen, hat er solchen brief, soviel zu dieser 
materi gehörig, dem hofkammerrat von Selb, als der zugleich in dem kommercienrat 
assistiert und hierumb billich Wissenschaft haben sollen, beigeschlossen, ihm auch darneben 
geschrieben, in konsideration zu ziehen, was anderer orten von dem Becher gehalten 
werde, dannenhero er auf ihnen achtung zu geben, die rechnung der 2 m fl. halber zu weg 
pringen und darob sein solte, damit er in anstellung der prob fortfahren mögt, zumalen 
er ihme sonderlich der veränderten reise halber vacillirend Vorkommen thete. Als nun 
diese brief, darunter auch einer an des herrn kainmerspräsident hofmeister gewesen, dem 
Becher durch seinen abgeordneten, deme man selbige an gehöriges ort zu liefern aufgeben 
gehabt, den 23. Iunii in die hend kommen, hat er selbige beede erbrochen und mit allen 
beilagen gelesen und gleich darüber sehr zornig sich erzeigt, gegen den von Selb sonder¬ 
lich des vorenthaltenen kaiserl. handbriefls halber es hochempfunden, viel harte böse 
wort, als ob der herr hofkammerpräsident der einigkeit des haus Österlich und Bayren 
verhinderlich und ein falscher man wäre, gebrauchet, vornehme kaiserl. ministros angelaufen 
und darneben die eroffnete brief bei sich behalten und getrohet selbige ihrer kaiserl. 
Majestät und churfürstl. Durchlaucht in Bayrn zu zeigen, also dass der von Selb ver¬ 
ursachet worden, andern tags am hl. frohnleichnambstag eine stafetta nacher Walperstorff 
abzufertigen und das kaiserl. handbriefl, welches bei dem regenten daselbst hinderpliebeu 
und durch ihn dem Becher hette zugestellet werden sollen, nacher Wien zu begern. Bald 
hernach gegen den mittag hat der Becher dem von Selb angezeigt, dass an ihm das vor- 
nembste schreiben laute, ihm selbiges mit allen beilagen zugestellet, iedoch den beige¬ 
schlossenen brief von vertrauter hand zu sich genommen, sich benebenst entschuldiget, 
dass die eröffnung der brief per errorem geschehen und ihm derentwegen leid seie; er 


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M. Doeberl 


wolle selbsten nach Walperstorff kommen, die rechnung ablegen und was sonst seine 
Schuldigkeit seie, prästieren. Der von Selb hat solches dem heim hofkammerpräsident 
überschriben und vermeint, bei dieser gezeigten besserung nichts aus der sach zu machen. 
Der es auch dabei allerdings bewenden lassen und nit gedacht gewesen, vor diesmahl 
der erofneten brief halber das geringste zu moviren. 

Als nun hierüber gedachter Becher den 27. Iunii mit des herm hofkam merpräsi- 
dent secretario nacher Walperstorff gefahren, hat er nit gleich ins schloss gehen wollen, 
sondern hat einen weitschweifigen brief hineingeschickt und begert, der herr hofkammer- 
präsident solte selbigen zuvor lesen. Welches er wegen gebrauchter arzeney nit also- 
bald thuen können, sondern den Becher gleich ins schloss kommen und wol traktirn lassen. 
Als aber herr hofkammerpräsident den brief erst in der nacht gelesen und vermeint, dass 
es eine deprecation der intercipirten und eroffueten brief halber seie, hat er darinen fast 
anders nichts alss lauter scomata und hitzige anzug über die unzimblich eröffnet und gelesene 
brief gefunden, worin er Becher allen respekt gegen dem ihme Vorgesetzten Präsidenten 
verloren. Und nur etliche wenig hievon, zunrahlen die unwarheit der übrigen sich selbst 
zeiget, zu berühren, scliembt er sich nit zu schreiben, es were ihm seiner ausgeworfenen 
pension halber die schriftliche intimation an das hofzahlambt aufgehalten worden, derent¬ 
wegen er alliie nit trauen könte; dass aber gleich nach dem ihme zugekonnnenen 
kaiserL dekret die ordinanz mündlich beschehen, kan der Becher derentwegen nit abred 
stellen, weilen ihme das erste quartal richtig bezahlt worden und er einig pfennig nit in 
ausstand hat. Nachdem er auch die intimation schriftlich begehrt, ist selbige zu expediren 
anbefohlen worden, und als man vermeint, dass selbige etwa unter einem secretario oder 
konzipisten stecken verpliben, auch derentwegen anmahnung gethan, hat sich’s befunden, 
dass sie den 7. Iunij schon expediirt gewesen und der Becher selbige bei der kantzley 
unsollicitirter verliegen lassen. Item dass der herr hofkammerpräsident ursach sei, dass 
in der seidenhandlung noch keine compagnia aufgerichtet worden; hat doch obengehörter 
massen der Becher in volziehung seiner versprochen und vertröster prob, darzu ihme alle 
mittel gerichtet worden, noch nie einen rechten anfang gemacht, darauf dass ganze werk 
hette fundirt werden sollen, und ihme ausser zeigung einer prob oder anderweitigen 
effekts niemands trauen wollen noch trauen wird. Dass man kaufleut darzugezogen; w r eiss 
er Becher selbsten, dass er gleich im anfang selbsten vorgeben, dass man in diesem werk 
ohne erfahrener kaufleut hilf nicht würde fortkommen können, als die bei dem einkauf 
der rohen wahren und verschliess der manufakturn das beste würden thuen muessen, 
welches in warheit also sich verhaltet. Man hat auch nicht wohl anders thuen können 
als kaufleut zu rat fragen, weil man wahrgenomen, dass der Becher in seinem calculo, 
da er den gewin wol auf 30 oder 40 procento aussgerechnet, sich sehr verstosseu und 
nit einmal an einem risico, provision und wechselgelt gedacht hat, welches letztere allein 
über 8, 9 und mehr der zeit procento kommet, und da man künftig stark handlen 
wolte, noch hocher laufen würde. Indem hat sichs klar gezeiget, dass er die seiden nit 
verstehe, indem er zu Verfertigung step- und näseiden, womit die erste prob gemacht 
werden sollen, einen pallen Artasser seiden bescliriben, das zwar etwas wolveiler als die 
Verneser, Mayländer, Rovereitter und dergleichen, jedoch zu dieser wahr, wie der von 
ihm selbst aufgenomene seidenfärber bezeuget und alle seidenhändler konfirmiren, gar 
nit tauglich oder doch ohne schaden nicht kann verarbeitet werden. Darum es übel be¬ 
stellt und ein schlechter gewinn zu verhoffen sein würde, da man sich allein auf sein 
wort und Wissenschaft verlassen und niemand andern fragen solte. Item der herr Präsi¬ 
dent hette seinetwegen auch an andere Örter schwarze recommendationes abgeheu lassen, 
dies sei ein stück seiner künftigen recompens und der scliluss der konfidenz gegen ihme 
heim hofkannnerpräsidenten zu haben. Desselben intention falle in suspect, weilen die 
ordinanz wider kaiserl. befelch weder sehrift- noch mündlich erteilt worden. Habe bei 
ihm nichts als undank, er würde alle quartal ein newe ordinanz bettlen und darzu tag 
und nacht aufwarten muessen. Das kaiserl. handbriefl werde umb privatsaclien halber 
aufgehalten, desgleichen ein decret wegen des Churbayrischen vicekantzlers. Es würde 
nit gesucht, das conimerciorum collegium zu fundiren, sondern die bereits ausgegebene 


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Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaftlicher Grundlage. 205 


decreta zurückzugehen, das werk werde liegen pleiben, weilen die leut von disem ver- 
triben und disgoustirt werden, mit welchen der herr präsident correspondiret. Er Becher 
sehe keine recompens und künftigen dank. Der herr präsident gebe ihme zum vacilliren 
selbst ursach, er suche bei andern misstrauen wider ihme Becher zu erwecken und muesse 
sehr zaghaft sein, und die grosse forclit muesSe ihn geblendet haben, dass er die öffent¬ 
liche lugen in dem beigelegenem vertrautem briefl nit observirt Und wan er gar nicht 
interessirt gewesen, waer man weiter mit dem werk kommen, als man gegenwertig ist. 
Im übrigen wan er nun das kaiserl. handbriefl und seine ordinanz gehabt bette, mochte 
der herr präsident nach Mariae Cell oder gar nach St Iacob walfahrten gehen und gantze 
jahr auspleiben. Und was dergleichen formalia mehr seind. 

Bei allem diesem affront aber hat der herr präsident weiter nichts gethan, als 
dem Becher andeuten lassen, so lang in dem schloss Walperstorff, bis die insolenz Ihrer 
Kaiserl. Majestät vorgetragen und deroselben allergnädigste resolution eingeholt werde, zu 
verbleiben. Dazu er sich zwar anfänglich bequembt, iedocli solchem nit nachkommen, 
sondern nebens einem seidenbereuter, welchen er hierzu unzulässig beredet hat, gleich 
nach des herrn Präsidenten abreis durch den garten und über die mauer aussgesprungen, 
deme die Walperstorffischen leut auss beisorg, sie der ubelen aufsicht halber gestraft 
werden mogten, nachgesetzt und ihne erst zu Perstling erreichet und eingeholet haben, 
alda er bis auf weitern befelch annocli aufgehalten wird. Und weiters an den freihemi 
von Windischgraz zu schreiben sich understehet, dass unter dem schein einer frtl. ein- 
ladung er nach Walperstorff kommen und als er daselbst erschienen, arrestirt w'orden 
wäre, bette sich aber nach Perstling reterirt und sich aus seines feinds härnlen salvirt, 
bittet also ihme nit widrumb nach Walperstorff folgen zu lassen, w T eil der herr präsident 
sehr rachgirig und ihme auf seinem haus ermorden lassen niögte. 

Und dises ist also der gantze verlauf, welcher Jhrer Kaiserl. Majestät zu dero 
höchst erlauchtem, allergnädigsten iudicio anheim!) gestehet wird. 

Actum Wien den 3. Iulij 1666. 

Nach einer gleichzeitigen Abschrift, M. St. A. K. schw. 6/3. 


Bayer. Forschungen VI, 3. 


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Der Vertrag von Gratschina. 

Von 

Arthur Kleinschmidt. 

^u den interessantesten Staatsverträgen des Wittelsbachischen Hauses 
und des bayerischen Kurstaates gehört der Vertrag, den Kurfürst Maximilian 
Joseph am i. Oktober 1799 mit Kaiser Paul von Russland in Gatschina, 
dessen beliebtestem Lustschloss, einging. Graf Du Moulin Eckart hat 
viel Schätzenswertes über die Geschichte des Vertrags im ersten Bande von 
„Bayern unter dem Ministerium Moutgelas“ (München 1895) gebracht, ich 
aber habe eine lange Reihe noch unbenutzter Akten über die Vorgeschichte 
und den Vertrag zuerst verarbeiten können. Der grössere Teil liegt im könig¬ 
lich bayerischen geheimen Staatsarchive zu München (Kasten rot 47 3“), Kasten 
schwarz 398/34”), 508/6'), 577V), 577/2*), 64443^) und im königlich baveri- 
sehen Kreisarchive zu München, der kleinere Teil im gräflich Rechberg- 
sclien Hausarchive zu Donadorf (Württemberg )% von wo Seine Erlaucht 
der regierende Graf Otto zu Rechberg und Rothenlöwen ihn mir 
gütigst zugehen liess; im königlich bayerischen geheimen Hausarchive und 
im königlich bayerischen Reichsarchive fand sich nichts vor, die Nach¬ 
forschungen im königlich württembergischen geheimen Haus- und Staats¬ 
archive ergaben auch nichts, während meinem Gesuche um Benützung des 
kaiserlich russischen Reichsarchivs nicht entsprochen wurde. 

Bekanntlich beherrschte der Gedanke, Bayern einzutauschen, den Wiener 
Hof seit den Tagen des Prinzen Eugen von Savoyen und niemals hatte 
letzterer mehr Aussichten auf Erfolg als unter der Regierung des pflichtver¬ 
gessenen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und Bayern. Katharina II. 
von Russland, die Jose p h II. zu liebe dem Ländertausche geneigt war, hatte 
bei Karl Theodor den wirklichen Staatsrat Baron Karl von Bühler 
als ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister akkreditiert, 
in welcher Eigenschaft ihn Kaiser Paul, als er ihren Tod anzeigte, am 
12. November 1796**) bei Karl Theodor bestätigte 1 ). Bayerischer Gesandter 
in St. Petersburg war der Graf von Wickenburg, doch führte während 


a) N6gociations du Duc de Baviöre ä Petersbourg pour un trait£ de manage, 
d’alliance et le retablissement de 1’ordre de Maltlie. 1799. 2. b) Rechberg. 1799. c) Reicli- 
lin. d) 1. Mission ä Petersbourg 1797/99. Reichlin. Rep. 1. e) 2. Mission ä Petersbourg 
1799—1800. Bray. Rep. 2. f) Gesandte im Auslande. Die königliche (!) Gesandtschaft in 
Petersburg betreffend 1799. g) Briefe Rechbergs an seine Gemahlin aus dem Jahre 1799. 
li) Die Daten sind die des neuen Stils. 


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Der Vertrag von Gatschina. 207 

dessen Abwesenheit von 1792 bis Anfang 1796 sein bisheriger Privatsekretär 
Joseph Friedrich von Sulzer, Major, später Oberst ä la suite, die Ge¬ 
schäfte; dann kehrte Wicken bürg nach Russland zurück. Die Zeit war durch 
die Kriege des Reichs mit Frankreich eminent kritisch, und Paul gab dieser 
Erkenntnis Ausdruck, indem er dem präsumtiven Nachfolger des Kurfürsten, 
dem Herzoge Maximilian Joseph von Zweibrücken, am 30. Januar 1797 
aus St. Petersburg schrieb, das Wohl des Reichs und die Erhaltung seiner 
Konstitution liege ihm wie seinen Vorgängern stets am Herzen, und er habe 
es stets bewiesen, zumal „in gegenwärtiger Epoche, wo das deutsche Reich 
sich in einem ebenso verderblichen wie hartnäckigen Krieg verwickelt finde“; 
zugleich besetzte er „in dieser heilsamen Absicht“ den bisher vom Grafen 
Nikolai Petrowitsch Rumjauzow bekleideten Posten eines ausser¬ 
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers am fränkischen, schwä¬ 
bischen, westfälischen, ober- und niederrheinischen Kreise und bei deren Fürsten 
mit dem wirklichen Kammerherm und geheimen Rate Baron Stackeiberg, 
der am 20. April 1797 seine Ankunft in Frankfurt Max Joseph meldete. 
Pauls Geschäftsträger am oberrheinischen Kreise, von Vukassowitsch, 
erklärte dem Kreisdirektorium am 8. Januar 1797: Paul ermahne die ver¬ 
schiedenen Fürsten und Stände des Kreises zur Vereinigung ihrer gesamten 
Kräfte mit dem deutschen Kaiser, damit Deutschlands Ruhe gesichert werde, 
und zur Erfüllung ihrer reichsständischen Pflichten. 2 ) Graf Anton von 
Wickenburg wurde Ende 1797 von St. Petersburg nach Wien versetzt, er 
tauschte mit Reichlin-Meidegg. Johann Franz Xaver Engelbert, 3 ) 
Reichsfreiherr von Reichliu-Meldegg, (geboren in Regensburg am ßo.Januar 
1 757 X pfalzbayerischer Kämmerer, wirklicher Regierungs- und Oberappellations¬ 
gerichtsrat in Mannheim, war seit Oktober 1793 ausserordentlicher provisori¬ 
scher Gesandter in Wien und hatte die Verhandlungen wegen des projek¬ 
tierten Ländertausches zwischen Österreich und Bayern geleitet; seit April 1795 
bevollmächtigter Minister in Wien, wurde er Ehrenritter des souveränen 
Malteser-Ordens und im Dezember 1797, von Wien abberufen, bevollmächtigter 
Minister in St. Petersburg mit 21,000 Gulden Gehalt. 4 ) Bis er eintraf, be¬ 
sorgte Sulzer wieder die Geschäfte, seit 6. Dezember 1797 wirklicher Legations¬ 
sekretär daselbst mit 2100 Gulden Gehalt. 6 ) Erst am 12. Mai 1798 traf Reich¬ 
lin am russischen Hofe ein und fand die gütigste Aufnahme, wie seine Be¬ 
richte an Maximilian Joseph bezeugen; besonders „schien“ der Vizekanzler, 
Fürst Alexander Borissowitsch Kurakin, des Kaisers bester Freund, 
ein ebenso unfähiger wie fauler und eitler Herr, der niemanden schadete und 
niemanden nützte, „überzeugt, dass das erhabene pfälzische Kurhaus die Auf¬ 
merksamkeit aller Mächte fesseln müsse, die auf das politische Gleichgewicht 
Europas hielten“. 6 ) Paul selbst empfing den Freiherrn bei dem Feste des 
Malteserordens, der ja den Zaren so sehr beschäftigte, voll Huld mit den 
Worten: „Herr von Reichlin, ich muss diese erste Audienz bei Ihnen 
nehmen; es thut mir leid, dass ich Sie noch nicht sehen konnte, da die 
Kaiserin unwohl war“. 7 ) Am 3. Juli schrieb Reichlin dem bayerischen 
Gesandten in Berlin, Grafen Schall: Kurakin versichere, Paul hege die 

14 * 


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Arthur Kleinschmiclt 


besten Intentionen für Karl Theodor und das ganze pfälzische Haus. (Orig., 
Kasten grün 57 38). Österreich gegenüber galt es dem Hause Zweibrücken - 
Birkenfeld Russlands Gunst zu sichern, um nach Karl Theodors Tod in 
den ruhigen Besitz der Pfalz und Bayerns eintreten zu können, und Reichlin 
gab der Hoffnung auf Russlands Schutz in einer langen Note an den Reichs¬ 
kanzler Fürsten A 1 e x a n d e r Andrejewitsch Besborodko, der auf Paul 
grossen Einfluss hatte, am 9. Juli 1798 Ausdruck. 8 ) Zu Pauls bizarrsten 
Handlungen zählte es, dass er, der orthodoxe Zar, sich zum Grossmeister 
des römisch-katholischen Malteserordens erwählen liess, und man musste 
gerade hierin seine Achillesferse sehen; Reichlin, der aus München Weisung 
erhalten, Pauls Malteserliebhaberei zu schmeicheln, 8 *) übersandte die kaiser¬ 
liche Erklärung von der Annahme des Grossmeistertums an Max Joseph 
und bemerkte dazu, die Gesandten Österreichs und Preussens am russischen 
Hofe hätten sofort namens ihrer Höfe „ihre Befriedigung über dies glückliche 
Ereignis“ ausgesprochen; 9 ) im Gegensätze hierzu sei man auf Bayern schlecht 
zu sprechen. 

Paul war gereizt über den Widerspruch des Zweibrückener Hauses 
gegen die Errichtung eines Maltesergrosspriorats in Bayern, mit dem Karl 
Theodor seinen Bastard, den Fürsten von Bretzenheim, dotierte, und 
Thugut schlug aus dieser Missstimmung gegen Maximilian Joseph 
Kapital. Reichlin-Meldegg berichtete nun des Weiteren an letzteren 10 ): 
„Im Gegensätze (zur Haltung Österreichs und Preussens) haben die Verzöge¬ 
rung der Antwort meines durchlauchtigsten Hofs und einige Bemerkungen, 
die hierher gelangen zu lassen zu dienstfertige Leute nicht verfehlten, einen 
so ungünstigen Eindruck auf Seine Kaiserliche Majestät gemacht, dass ich 
auf dem Punkte stand sofort heimgeschickt zu werden; ich wage mir zu 
schmeicheln, dass nur aus persönlicher Rücksicht für mich ich diesem un¬ 
angenehmen Ereignis nicht nur, sondern auch einem vollen Bruch zwischen 
dem hiesigen Hof und dem ganzen pfälzischen Hause entgangen bin. Seine 
Majestät der Kaiser hat selbst zu Herrn von Litta*) gesagt, am meisten 
ärgere es ihn, dass der russische Hof zweimal dem pfälzischen Hause Bayern 
gerettet habe und dass gerade dies Haus nicht nur mit der Antwort zögere, 
sondern auch feindselige Stimmungen adoptieren zu wollen scheine; ohne die 
Erklärung zur Zeit des Friedens von Campo Formio in Wien, wie sie Russ¬ 
land gemacht, man werde nie in den bayerischen Tausch willigen, wäre es ja 
mit dem pfälzischen Hause fertig gewesen“. Dies teilte Besborodko dem 
pfalzbayerischen Diplomaten mit, Litta kam selbst zu ihm und machte ihn 
mit der Lage bekannt, und Reichlin sandte daraufhin den ebenso thätigen 
wie gewandten Legationssekretär von Sulzer ab, um eine definitive Antwort 
Max Josephs einzuholen. Dieser schrieb manu propria an den Rand des 
Berichts, die Sache sei ihm persönlich so fremd wie die Details unbekannt. 
Als der Grossmeister des Malteserordens, Freiherr von Hompesch, abge¬ 
setzt worden war, protestierte die bayerische Zunge dagegen, was zur Folge 

a) Giulio. Graf Litta, geb. 1754, kais. russ. Vizeadmiral, Bailli des Malteserordens, 
starb als Oberkammerherr am 5. Februar 183g. 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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hatte, dass Reichlin-Meldegg des Landes verwiesen ward; er berichtete 
an Max Joseph 11 ): 

„Die fatale Katastrophe ist eben losgebrochen; angesichts der wenig 
gemässigten Note des bayerischen Priorats an das hiesige, welche Seine Kur¬ 
fürstliche Durchlaucht, mein gnädigster Gebieter, gebilligt hat, erhielt der 
Geschäftsträger des hiesigen Hofs bei dem von München Befehl, sofort diese 
Stadt zu verlassen und sich hierher zu begeben; ich erhielt gleichen Befehl, 
St Petersburg und alle Staaten der kaiserlichen Herrschaft, sobald es meine 
Gesundheit erlaube, zu verlassen; jedoch geruhten Seine Kaiserliche Majestät 
diesem gnädigen Aufschub einen anderen Beweis Ihres erhabenen Wohlwollens 
beizufügen, indem Sie mich versichern Hessen, Sie seien von meiner Haltung 
stets befriedigt gewesen seit dem ersten Moment meiner Ankunft bis jetzt. 
Ich erwarte nun mein Los, indem ich für die Zukunft zittere, denn ich bin 
vollkommen überzeugt, es giebt kein Heil für das erhabene Kurhaus ausser 
dem Wohlwollen und dem wirksamen Schutz des hiesigen kaiserlichen Hofs; 
alles andere ist prekär, ist illusorisch“. — Reichlin blieb vorerst noch in 
St. Petersburg, und Max Joseph schrieb ihm, erhoffe, die Sache lasse sich 
beilegen; 12 ) seine Lage war recht unangenehm, er kannte Karl Theodors 
Entschliessungen wegen des Malteserordens nicht, sah Litta in Ungnade, 
entbehrte Sulzer und war selbst krank. 

Am 16. Februar 1799 starb Karl Theodor, und am Abend des 20. 
traf der neue Kurfürst Maximilian Joseph in München ein; noch vor 
seiner Ankunft hatte Herzog Wilhelm von Birkenfeld, nun Herzog in 
Bayern, auf eine längst erteilte Instruktion hin, dem Pursten Bretzenheim 
die Aufhebung der bayerischen Zunge des Malteserordens und die Beschlag¬ 
nahme der Ordensgüter gemeldet, 18 ) was im Hinblick auf Kaiser Paul sehr 
unpolitisch genannt werden musste. Reichlin-Meldegg hatte eben an 
Besborodko guten Mutes geschrieben, 14 ) Sulzer sei mit befriedigender 
Antwort, ganz konform Pauls Wünschen, zurückgekehrt, Max Josephs 
Erbfolge werde gewiss den von demselben gewünschten Ausgleich mit Paul 
herbeiführen; eben hatte ihn Max Joseph von neuem in St. Petersburg 
akkreditiert, 16 ) als das Unheil über ihn hereinbrach. Paul raste über die 
Verfügungen der neuen Regierung, die er als persönliche Beleidigung auf¬ 
fasste, Besborodko rief Reichlin zu sich und sagte ihm, der Kaiser sei 
von Max Josephs Absichten auf die Maltesergüter offiziell unterrichtet und 
könne wohl einen vorübergehenden Sequester bis zu ihrer vollen Rückerstattung 
zugeben, müsse aber eine Aneignung, eine Spoliatiou als Akt der Feind¬ 
seligkeit ansehen. Er meldete dies, noch ohne Instruktionen, dem Grafen 
Vieregg, 16 ) der gar nicht mehr Minister war. 17 ) Diesmal kannte Paul 
mit Reichlin kein Mitleid. Am Morgen des 20. März 18 ) Hess sich bei Reichlin 
der Polizeimeister Chonaisow melden und sagte ihm, er werde wohl wissen, 
dass er in der Frühe des folgenden Tages St. Petersburg verlassen müsse, 
der Militärgouverneur Graf von der Pahleu lasse ihn fragen, auf wieviel 
Pferde er einen Postzettel habe, und welchen Weg er nehmen werde. Der 
Gesandte erwiderte, er wisse von einem kaiserlichen Befehle gar nichts, wenn 


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210 Arthur Kleinschmidt 


ihm aber der Polizeimeister einen solchen anzukündigen habe, so werde er 
trotz seiner Fusswunde denselben befolgen und über Berlin und Memel reisen; 
wieviel Pferde er brauche, wisse er vorerst nicht; er hoffe auch, Frau und 
Kind“) in Strelna abwarten zu dürfen. Hierüber wolle er P-ahlen befragen, 
antwortete der Polizeimeister, sich verabschiedend. Eine Stunde darauf kam 
der Geheimrat von Koch, vom Kaiser beauftragt, Reicht in mitzu teilen, 
Seine Majestät habe das Aufhebungsdekret im vollen Umfange erhalten, durch 
das der Kurfürst die Malteserordensgüter in Bayern eingezogen habe, und 
finde „daher für gut, iu Zukunft gar keinen Verkehr mehr mit dem kur¬ 
pfälzischen Hofe zu unterhalten“; R e i c h 1 i n solle schleunigst St Peters¬ 
burg verlassen, doch ziele dies keineswegs auf seine Persönlichkeit ab, mit 
der Paul stets zufrieden gewesen sei. Während Reichlin und Koch noch 
konferierten, trat Chonaisow ein und brachte Pah lens Zusicherung, Reich¬ 
lin dürfe seine Frau in Strelna abwarten, doch müsse er St Petersburg in 
aller Frühe räumen. Am Nachmittag aber kam Chonaisow wieder und 
meldete, der Kaiser verlange die Abreise noch auf heute, in Strelna dürfe 
Reichlin dann seine Frau abwarten. Reichlin bat um vier Pferde. Cho¬ 
naisow kam zum vierten Male, brachte den Postzettel für vier Pferde und 
die Ordre, noch vor dem Abendrapport müsse Reichlin abreisen, damit 
dabei dem Zaren die Abreise als fait accompli gemeldet werden könne. Reich¬ 
lin war just dabei, das Nötigste zu besorgen, als ein Adjutant Pah lens 
ihm erklärte, er müsse auf der Stelle abreisen, könne aber in Strelna ruhig 
bleiben. Reichlin fuhr mit eigenen Pferden sofort nach Strelna; er berichtet 
wörtlich an Max Joseph 19 ): „Als ich zu meinem Hausthor hinausfuhr, be¬ 
merkte ich, dass mich auch noch ein Polizeioffizier zu Pferde begleitete, den 
ich noch nie gesehen hatte; am Stadtthor musste ich halten lassen; man 
brachte meine Poderoschna b ) dem wachthabenden Offizier, der an meinen 
Wagen kam, und als er bemerkte, dass ich Pistolen bei mir hatte, liess er 
mir solche durch einen Soldaten abnehmen und stellte mir eine Schildwache 
mit Gewehr vor die Pferde; so musste ich eine halbe Stunde harren, bis ich 
abgefertigt wurde; der Polizeioffizier begleitete mich sodann noch eine Strecke 
Weges und fragte meinen Kutscher öfters, wo er hinfahre. Endlich verliess 
mich derselbe, und ich fuhr ungehindert meinen Weg weiter fort“. Am 21. März 
meldete Reichlin 20 ) aus Strelna dem Grafen V i e r e g g seine Ausweisung; 
als er aber dort eine Wohnung mieten wollte, erschien der Polizeikommissär 
Rat Hessen und brachte ihm eine Ordre Pah lens vom 21/10. März, 21 ) 
wonach er sogleich weiter müsse und der Kommissär ihn bis zur Grenze zu 
begleiten habe; der Brief Pah lens klang sehr verletzend, sprach aber vom 
Befehle der Kaiserlichen Majestät. 22 ) 

Vergebens hielt Reichlin dem Kommissär entgegen, er habe zur 


a) Reichlin hatte 1798 in Wien die k. k. Generalstochter Magdalena Freiin 
von Oien hausen geheiratet (geb. 1770), die ihm ein Töchterclien Ida schenkte; das¬ 
selbe starb jung. (Frlir. von Rei ch 1 i 11 - M el degg, s. o.). 

b) Früher übliches Papier mit Angabe der Persönlichkeit, der Route, der Pferde¬ 
zahl etc, 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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Reise gar nichts mitgenommen, da ihm Pah len wiederholt den ruhigen Auf¬ 
enthalt in Strelna zugesichert hatte; Gewalt ging vor Recht. Reichlin 
schrieb an seine Frau, sie möge ihm das Nötigste schicken; Magdalena, 
die bereits von der kaiserlichen Ordre gehört hatte, brachte es ihm selbst. 
In einer Kibitka fuhr er mit Hessen ab, hinter Neuenmühlen warf der ent¬ 
setzlich stossende Wagen um, Hessen brach beinahe den Fuss, und sie sahen 
sich in Riga gezwungen, einen Tag zu bleiben; Reichlin hatte bei 13 — 15 0 
Kälte die Nase, die Wangen, Hände und Füsse erfroren, die Fusswunde 
schmerzte sehr. In Polangen verliess Hessen den Gesandten, der ihm einen 
vom 29 10. März datierten Brief an Pah len mitgab. 33 ) Als Reichlin den 
Schlitten bestieg, war ein mit Pistolen, Säbel und Speer bewaffneter Kasak 
da, der ihn zu Pferd bis zur Grenze begleitete, sich dann ein Trinkgeld 
(nawodka) erbat und sich nach Verabreichung empfahl. Was aus Frau und 
Kind geworden, was sein eigen Los sein werde, wusste er nicht; er empfahl 
sich der Huld Max Josephs und seiner Minister. Er hatte Geld entleihen 
müssen, um nach Russland und um aus Russland kommen zu können, seit 
Oktober 1798 hatte er kein Gehalt bekommen, anderes Geld besass er nicht, 
und so bat er wiederholt um eine Anweisung von 2000 Rbl. auf Berlin zur 
Deckung seiner Schuld; 24 ) gleich ihm war auch die spanische Gesandtschaft 
aus St. Petersburg ausgewiesen worden, weil Spanien Pauls Anerkennung als 
Grossmeister verweigerte. 25 ) Um nicht sein Los noch zu verschlimmern, unter- 
liess Reichlin den ausführlichen Bericht seiner Ausweisung, bis er in Imer- 
sath auf deutschem Boden war. Dann erstattete er den Bericht, den ich oben 
gab, derselbe bedurfte keines Kommentars, „das Faktum war an sich zu 
schreiend, um noch die Atrocität zu beleuchten“. „Da meine Frau“, so schrieb 
er an Vieregg, „und mein Kind noch im Land waren, so habe ich selbst auf 
den satirischen Brief des Herrn Grafen Pah len nicht geantwortet, wie er es 
verdiente, denn es war doch unwürdig für einen Mann seiner Stellung, mein 
Unglück noch durch so unverschämten Sarkasmus zu steigern. . . . Ich kenne 
noch nicht das Los meiner Frau und meines fünfmonatlichen Kindes, die 
furchtbare Kälte und die schlechten Wege lassen mich aber alles fürchten“. 26 ) 
Über Imersath—Königsberg—Hof und Creisen kehrte Reichlin-Meldegg 
im Mai nach München zurück; Montgelas hatte ihm nach Berlin 2000 Rbl. 
für die Reisekosten angewiesen und ihm dabei sein herzliches Bedauern über 
die schlechte Behandlung in Russland ausgesprochen; 27 ) nach einem Erlasse 
des Kurfürsten vom 18. September 1799 28 ) wurden ihm für die Rückreise 
3488 Gulden vergütet Er wurde im Königreiche Bayern Staatsrat, Appel¬ 
lationsgerichtspräsident in Straubing, St. Georg-Komthur und Komthur des 
Zivilverdienstordens, lebte nach seiner Verabschiedung in Regensburg, wo er 
am 22. Januar 1828 starb; Magdalena starb am 26. Mai 1841. 

Bayern durfte Pauls Groll nicht einfressen lassen, es musste ihn zu 
versöhnen trachten, denn seine Lage war ungemein bedroht. 20 ) Max Joseph 
wandte sich an Pauls Schwager, den Herzog Al ex and er von Württemberg. 
Schon seit „dem zweiten Jahre seines Regierungsantrittes in Zweibrücken“, 
somit 1797, 30 ) hatte Max Joseph ein Eheprojekt im Sinne: sein ältester 


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Arthur Kleinschmidt 


Sohn Ludwig, der spätere König von Bayern, sollte die Grossfürstin 
Katharina Pawlowna, Pauls älteste Tochter,' 1 ) (geb. 21. Mai 1788), hei¬ 
raten. Aus St. Petersburg erlangte man die Erlaubnis, die Sache vorzubringen, 
und es hiess, der russische Resident am Regensburger Reichstage, David 
Maximowitsch Alopäus, ein Finnländer, sei mit eventuellen Instruk¬ 
tionen betraut. Die Zeitlage unterbrach den Gang der eben angebahnten 
Unterhandlungen, und schliesslich erklärte der Zarenhof, mau müsse, ehe man 
sie erneuere, die Entscheidung des allgemeinen Friedens über Bayern und die 
Bestimmungen desselben über das Los Bayerns ab warten. Seit Karl Theo¬ 
dors Tod unternahm der Bruder der Kaiserin Maria Fedorowna, Herzog 
Alexander von Württemberg, wegen des Eheprojekts zwei expresse Reisen 
zu Max Joseph, und man hoffte in München mehr denn je auf Erfolg. 81 ) 
Auf eine in Stockaeh empfangene Staffette des Kurfürsten hin empfahl ihm 
Alexander eine neue Annäherung an den durch die Malteserfrage gereizten 
Paul und berichtete Max Joseph, er habe wegen des Eheprojekts in St. 
Petersburg Mitteilung gemacht. 82 ) Max Joseph entwarf nun ein Memoire 
an den russischen Hof, dem ich Folgendes entnehme. 88 ) 

Kraft Instruktionen Herzog Karls II. von Zweibrücken von 1788, die 
Max Joseph 1795 bestätigte, wurden, sobald Karl Theodor gestorben 
war, die Güter des Malteserordens in Bayern sequestriert, was noch vor Max 
Josephs Ankunft in München kundgegeben ward. Wenige Tage nach seiner 
Ankunft in München ernannte Max Joseph eine besondere Kommission 
zur Verwaltung der Güter und verordnete, mau dürfe weder an Fonds noch 
an Einkünfte rühren. Die rein provisorische Massregel stellte es ihm frei, 
die Verfügungen in bezug auf den Orden zu treffen, die er dem Staatswohle 
am analogsten hielt, doch stellten unheilvolle Einflüsterungen dies als volle 
Abschaffung des nützlichen Instituts hin. Mit grossem Verdrusse erfuhr 
Max Joseph von Pauls Missstimmung und vom „wahrhaft betrübenden 
Verluste seines Wohlwollens“, darum beeilte er sich, Paul feierlich zu er¬ 
klären, er habe stets „seinen edlen Eifer für die Erhaltung der konservativen 
Prinzipien der Throne geteilt“ und Pauls lebhaftes Interesse am Malteser¬ 
orden sei „ihm ein genügender Grund, für dies Institut ganz besondere Rück¬ 
sichten zu tragen“, man könne ihn nicht verdächtigen, als habe er einen 
mächtigen Monarchen, dessen Schutz ihm so kostbar sei, verletzen wollen. 
Sein Schatz sei zwar — so fuhr er fort — in grosser Not und es sei schwer, 
die notwendigsten Ausgaben zu bestreiten, besonders für die Bedürfnisse 
nationaler Bildung zu sorgen, für welche die heutigen Güter des Malteser¬ 
ordens ursprünglich bestimmt gewesen.') Die Regierung befolge nur den 
Grundgedanken, einen rein provisorischen Sequester zum Zwecke der Er- 

a) Sie heiratete in erster Ehe den Prinzen P. F. Georg von Oldenburg, in 
zweiter Wilhelm I., König von Württemberg, und starb, von ihrem Volke vergöttert, 
am 9. Januar 1819. 

b) Früfier dem Jesuitenorden gehörig, sollten sie nach dessen Aufhebung für 
Schulzwecke verwendet werden, Karl Theodor aber hatte sie dem bayerischen Gross¬ 
priorate überwiesen. 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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haltung der Ordensgüter zu verhängen; der Kurfürst erkenne den Vorteil, den 
die Konstituierung des Ordens biete, wünsche, die Bande mit Russland 
enger zu knüpfen, „mehr als einmal dankt ja sein Haus Russland sein Heil“, 
und er setze sein Hauptvertrauen in Russland. 

Darum liess er Paul wissen, er w r olle sich zum Neubegründer des 
von Karl Theodor in seinen Staaten gestifteten Malteserordens erklären, 
und versicherte ihm in aller Form, der Orden solle in seinem Wesen und die 
Ordensmitglieder sollen im Genüsse ihrer Einkünfte gesichert bleiben, nur 
seien Modifikationen für die Besitzungen des Grosspriorates nötig; hierin 
wolle er sich nun mit Pa-ul verabreden, soviel er vermöge, ohne die Rechte 
des Oberhauptes des deutschen Reiches zu kompromittieren. Am folgenden 
Tage erliess er 34 ) die Instruktion für den Diplomaten, der das Geleise nach 
der Newa legen sollte, den Freiherrn von Rechberg. 

Aloys Franz, Reichsfreiherr von Rechberg und Rothen¬ 
löwen, geboren am 18. September 1766, war zuerst pfalzzweibrückenscher 
Komitialgesandter und Minister am Regensburger Reichstage, Kammerherr 
und Geheimrat, später wirklicher Geheimrat, auf dem Rastatter Kongresse 
Bevollmächtigter des Herzogtums Zweibrücken; er hatte die Reichsgräfin 
Marianne von Görtz zu Schlitz, die Tochter des berühmten preussi- 
schen Diplomaten Grafen Johann Eustach, geheiratet, der sich in der 
bayerischen Tauschfrage, in der Zeit des Fürsteubundes und bei aller Not 
als treuer Freund des Zweibrückener Hauses und der Herzogin Klemens 
bewährt hatte; in Rastatt hatte er Thuguts Zorn auf sich geladen, und in 
Wien sah man in ihm Görtz* Schüler und Vertrauten, weshalb seine ur¬ 
sprünglich beabsichtigte Mission an den Wiener Hof unterblieb. 35 ) 

Der Malteser-Bailli Johann Baptist Baron von Flachslanden, von 
dessen Intriguen in St. Petersburg und München Du Moulin Eckart be¬ 
richtet, arbeitete augenblicklich auch an der russisch-bayerischen Versöhnung, 
doch trauten ihm Max Joseph und sein grosser Staatsmann Baron Mont- 
gelas nicht, wie die Instruktion an Rechberg zeigt Es galt, freundschaft¬ 
lich die Differenzen wegen des Sequesters beizulegen, „der in den ersten 
Stunden unseres Regierungsantritts verhängt worden“, und dies damit zu 
modifizieren, „dass man das Interesse des Staates und die Sorge für Unsere 
eigene Würde mit dem lebhaften Wunsche verschmelze, der Uns beseelt, das 
kostbare Wohlwollen Seiner Kaiserlich Russischen Majestät zu bewahren, die 
an diesem Etablissement das lebhafteste und ausgesprochenste Interesse nimmt“. 
Um dies alles einzuleiten, ist Rechberg ausersehen, er soll genau die Lage 
des Ordens studieren, sich über alles mit dem Chevalier Bray verständigen, 
auch in allem sich mit Graf Goertz bereden, der dem Kurfürsten besonders 
zugethan ist, und dessen Regierung letzteren begünstigt; die Haltung Flachs- 
landens Max Joseph gegenüber erscheint diesem als „keine solche, dass 
sie Uns viel Vertrauen eiuflössen könnte“, er begnügt sich vielmehr damit, 
man könne Flachslanden davon unterrichten, falls Goertz dem preussi- 
schen Hofe Eröffnungen machen würde. 

Franz Gabriel, Chevalier von Bray 36 ), entstammte altnormäuni- 


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Arthur Kleiuschmidt 


schein Gesclilechte und war zu Rouen am 24. Dezember 1765 geboren; seit 
1783 Malteser-Ehrenritter, machte er die Bekanntschaft vieler Ritter der baye¬ 
rischen Zunge, schon ehe er 1789 zur französischen Vertretung nach Regens¬ 
burg kam; da er den Eid auf die Verfassung der Revolution verweigerte, 
kam er auf die Emigrantenliste und lebte, mit dem preussischen Gesandten 
Grafen Goertz eng befreundet, bis 1797 in aller Stille in Regensburg. Als 
Begleiter des Bevollmächtigten des Malteserordens, des Komthurs Freiherrn 
von Pfirt, besuchte Bray den Rastatter Kongress und zeigte bedeutende 
Begabung, sein Freund Rechberg, damals Zw T eibrückenscher Vertreter in 
Rastatt, machte ihn mit Max Joseph und Montgelas bekannt, und als 
Montgelas bayerischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten geworden, 
trat Bray am 12. Mai 1799 als wirklicher Geheimrat in bayerische Dienste; 
am 7. August erhielt er taxfrei das bayerische Indigenat. Baron Rechberg 
versicherte Montgelas, 87 ) man werde den Baron Flachslanden in seinen 
Intriguen aufzuhalten wissen, und berichtete an demselben Tage 88 ) an Max 
Joseph. Bray hatte den russischen Gesandten in Mönchen und Stuttgart und 
Senator Karl J akowlewitsch Reichsfreiherrn von Böhler (s. S. 206), 
einen Bayern sehr wohlgesinnten Mann, und Flachslanden unterrichtet, Rech¬ 
berg werde ihnen Eröffnungen machen; Rechberg besuchte beide, wobei 
Bray zugegen war. Böhler war die Zuvorkommenheit selbst, erbot sich, 
alles zu thun, um Max Joseph zu Willen zu sein, und bestätigte Rech¬ 
berg, was ihm Goertz, Lerchenfeld, der bayerische Gesandte in Regens¬ 
burg, und Bray versichert hatten, dass Paul sich die Interessen der deutschen 
Fürsten zu Herzen nehme und besonders auf die Erhaltung des bayerischen 
Kurhauses hohen Wert lege; er fugte hinzu, er selbst habe gezittert, die un¬ 
glückselige Haltung gegenüber dem Malteserorden möge Pauls günstige 
Stimmung hintertreiben, jetzt aber bezweifele er nicht, dass Paul wieder die 
alte Gunst bezeuge. Als ihm Rechberg eine Erklärung wegen der Her¬ 
stellung des bayerischen* Grosspriorats überreichen wollte, wies ihn Böhler 
an Flachslanden, dem die Maltesersachen übertragen seien. Rechberg 
wollte „diesen Kanal“ vermeiden, drang in Böhler und versicherte ihm, 
Max Joseph habe das vorzüglichste Vertrauen zur Erreichung der Annähe¬ 
rung an Paul in ihn gesetzt. Hierdurch geschmeichelt, frug Böhler nach 
einem Briefe des Kurfürsten au den Kaiser, Rechberg hatte zwar keinen, 
Böhler aber versprach, er würde, falls Max Joseph einen solchen schriebe, 
einen Kourier damit direkt abschicken, alles Missverständnis würde dann auf¬ 
hören. Böhler bestürmte ihn, Max Joseph zu bitten, er möge im Briefe 
an Paul keine Modalität berühren, Paul vielmehr die Gleichartigkeit seiner 
Prinzipien für die allgemeinen Interessen Deutschlands aussprechen und ihm 
das Sonderinteresse seines Hauses empfehlen. Bühl er gab nun zu verstehen, 
der Zar sei nicht allein wegen der Unterdrückung des Malteserordens, sondern 
auch wegen der letzten Abstimmung am Reichstage gereizt, wogegen Rech¬ 
berg alles geltend machte, was die Lage der pfalzbayerischen Lande und der 
lange Aufenthalt in Rastatt ihm anschaulich erscheinen Hessen. „Der sehr sanfte 
und versöhnliche Minister“, wie ihn Rechberg nennt, schien befriedigt und 


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bezeugte dem Baron seine volle Bereitwilligkeit, an der Aussöhnung mitzu¬ 
wirken; Rechberg beschloss darum, ihm eine Note zu übergeben. Er hatte 
sich erst nach genauer Prüfung mit seinem Schwiegervater an Bühl er ge¬ 
wendet, hätte eigentlich lieber den Berliner Kanal vorgezogen, aber der preussi- 
sche Gesandte in St. Petersburg, Graf Tauentzien, war eine Null und sein 
vermutlicher Nachfolger, Baron Jacobi- Klöst, Bayern übel gesinnt. Flachs¬ 
landen kam darum nicht in die Lage, die preussischen Eröffnungen in 
St. Petersburg vereiteln zu können; um ihn zu entfernen, w T ie es Max Joseph 
wollte, griff er zum Kanäle Bühlers; dessen Kourier konnte aus St. Peters¬ 
burg schon zurück sein, ehe sich Flachslandeu dort auskannte. Dabei 
durfte man jedoch Flachslanden, dessen Einfluss in der Malteserfrage 
„immer überwog“, nicht erbittern; Rechberg teilte deshalb auch ihm Max 
Josephs Absichten mit und versprach ihm, „wegen des Vertrauens, das man 
in ihn gesetzt, ihm alles mitzuteilen“, was er Bühl er übergebe; es sollte ihm 
schmeicheln, zumal Flachslanden piquiert darüber war, dass er nicht aus¬ 
schliesslich mit der Sache betraut worden. Flachslanden gab Rechberg 
einen Brief an Max Joseph, doch war Rechberg gesonnen, vor Fl ach s- 
landens Ankunft in St. Petersburg mit Goertz’ kräftiger Unterstützung 
über jenen, der zu zähe am Alten hänge, hinaus Pfalzbayern" und Russland 
einander zu nähern. 

An dem Tage, an dem Herzog Alexander von Württemberg an 
Max Joseph zur Feder griff, am 11. April 1799, schrieb Montgelas an 
den Schwager seines Herrn, den Herzog Wilhelm in Bayern“), der mit der 
Mission nach St Petersburg betraut werden sollte und eben erklärt hatte, 89 ) 
er habe nicht die erforderlichen Fähigkeiten „zu einer so wichtigen Unter¬ 
handlung mit so schwer zu behandelnden Leuten“, er gehe ungern, 40 ) füge 
sich zwar des Kurfürsten Willen, wenn dieser darauf bestehe, hoffe aber, dass 
bis dahin sein Sohn, den er grenzenlos liebe und so ungern verlasse, wieder 
genesen sei 41 ): es werde die Sache, von der Max Joseph mit ihm, dem 
Herzoge, gesprochen, jetzt weiter verhandelt, die Mitgift der Grossfürstin solle 
eine Million Rbl. und Schmuck für 600,000 Rbl. betragen, die Grossfürstin 
solle der Erbfolge nicht entsagen und dürfe ihre Religion frei ausüben, falls 
sie verwitwe, bleibe sie Kaiserliche Hoheit Manches hierin, gestand Mont¬ 
gelas, sei ja unbequem, doch müsse man versuchen, dem Wiener Hofe den 
von ihm erstrebten Erfolg nicht zukommen zu lassen; es sei für die Be- 
schützung Bayerns von hohem Belange, und es müsse darum eine Person nach 
St. Petersburg gehen, die so hochgestellt sei, um in direkten Verkehr mit 
dem Zaren treten zu können, dies solle Wilhelm sein; Max Joseph 
wisse sehr wohl, was er dem Schwager damit zumute, doch müsse dieser das 
Opfer bringen. So lief das Eheprojekt wieder neben dem Malteserhandel ein¬ 
her. Am 19. Mai benachrichtigte der Kurfürst den Kaiser Paul, 42 ) er habe ihm 
zu Gefallen die Besitzergreifung der Güter des Malteserordens in Bayern pro¬ 
visorisch in einen einfachen Sequester umgewandelt, und am 20. Mai schrieb 

a) Geboren 10. November 1752, kurpfälzischer Gouverneur in Jülich, heiratete 1780 
Max Josephs Schwester Maria Anna. 


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Arthur Kleinschinidt 


er an Rechberg 48 ): aus einer Berliner Depesche ersehe er, Paul begnüge 
sich nicht mit Drohungen, man müsse also notwendig zur Entscheidung über 
die Malteserordensstiftung kommen, „die uns soviel Plackerei schafft“; er 
sende Rechberg eine Depesche für ihn und einen Brief für Paul; 44 ) in¬ 
folge der unangenehmen Ereignisse könne man direkt ohne Flachslanden 
verhandeln, weil man nicht abwarten dürfe, bis dieser am Ende seiner Reise 
anlange. Ausführlicher unterrichtete der Kurfürst den Diplomaten in einer 
weiteren Depesche, 4 *') die ihm Gravenreuth überbrachte. Betreffs seines 
Briefs an Paul, den er Tags darauf schrieb, 46 ) bemerkte er, er vermeide es, 
„sich direkt an die Koalition zu binden“, und wolle die Malteseraffäre isoliert 
behandeln, denn wenn er „dem Plane und den Wünschen zustimme, welche 
man über ihn hinsichtlich der grossen Politik gemacht haben könnte, so setze 
er sich allen gegenwärtigen und zukünftigen UnZuträglichkeiten aus“. „Einer¬ 
seits“, so fuhr der Kurfürst fort, „haben die kaiserlichen Waffen augenblick¬ 
lich einen entschiedenen Aufschwung, der Berliner Hof spielt eine passive 
Rolle, die ihn absolut null macht. Obwohl das kaiserliche Kabinett uns mehr 
schmeichelt als früher, so nährt es im Grunde ganz ebenso verderbliche In¬ 
tentionen und Projekte gegen das Kurhaus und reizt Russland an, das ihm 
allein dabei imponieren kann. Ich laufe das doppelte Risiko, meine Interessen 
durch ein Arrangement zwischen den kriegführenden Mächten geopfert zu 
sehen, dem der Zar aus Rachsucht kein Hindernis bereiten würde, wie es 
schon in Campo Formio geschehen ist, und dem Frankreich selbst beipflichten 
würde, freilich gegen sein System, aber weil man dort das Bedürfnis nach 
Frieden fühlt und anfängt, die Mittel zu berechnen, die zur Kriegführung 
bleiben. Der Rücktritt Reubels (sie)“) aus dem Direktorium befreit das Haus 
Österreich von einem seiner grössten Antagonisten; Herr Sieyes, den eine 
grosse Partei an seinen Platz führen will, ist der Ansicht, man könne mit 
den deutschen Fürsten nichts anfangen, die Republik dürfe nicht zaudern, 
sich mit dem Kaiser zu versöhnen und ihm, wenn sie dabei ihre Rechnung 
finde, Bayern zu opfern; dieser Ansicht war Sieyes schon letztes Jahr, jetzt 
schrieb er in diesem Sinne wieder an seine Regierung. Russland allein kann 
auch die Gefahr beschwören, dass die österreichischen Heere die pfälzischen 
linksrheinischen Lande, wenn sie dieselben den Franzosen entrissen, für die 
Kriegskosten als Unterpfand nehmen. Bayern ist zu wenig in Verteidigungs- 
stand gesetzt, um es nicht tausend Chikanen ausgesetzt zu sehen; vielleicht 
wird es genötigt, unfreiwillig eine Partei zu ergreifen, in einem Jahrhundert, 
wo die Gewalt allein respektiert wird, und wo es sich von allen Seiten von 
koalierten Kräften umgeben findet, ohne dass jemand das Wort Neutralität 
auszusprechen wagt“. Herzog Alexander von Württemberg, 6 ) russischer 
Generallieutenant, war nicht müssig gewesen; er hatte seinen kaiserlichen 
Schwager veranlasst, das Anerbieten der bayerischen Annäherung freundlich 
aufzunehmen, und machte Max Joseph, auf eine handschriftliche Depesche 

a) Rewbell trat am 16. Mai 1799 ab. 

b) Irrtümlich spricht Du Moulin Eckart (Bd. 1, S. 109 ff.) von Prinz Ferdi¬ 
nand von Württemberg. 


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Der Vertrag von Gatschina. 217 


Pauls hin, eine Reihe Propositionen; die eine besagte: wenn die zur Ver¬ 
einigung mit der Armee des Erzherzogs Karl bestimmte russische grosse 
Armee in Schwaben augelangt und mit dieser vereinigt sein würde, so sollte 
der,Kurfürst zur russischen Armee ein Korps entsenden, welches zur Ver¬ 
fügung des russischen Höchstkommandierenden in Deutschland stände; hier, 
durch würde er Paul seine grenzenlose Verehrung beweisen, und als einzige 
Gegenleistung sollte er „die gnädigste Garantie der vollsten Integrität seiner 
Staaten bei dem allgemeinen Frieden fordern“; unzweifelhaft würde Paul 
dieser Klausel zustimmen, „die so wesentlich sei für die Ruhe Seiner Kur¬ 
fürstlichen Durchlaucht wie Ihrer Nachfolger“. Max Joseph machte hierzu 
die Bemerkung: 47 ) entzückt von Pauls Seelengrösse und seinen Absichten 
„für die Erhaltung der Throne und der gesellschaftlichen Ordnung“, werde 
er es sich zur Pflicht sein lassen, ihm ein Korps zu stellen, „entsprechend 
seinen Mitteln, welche die Unglücksfälle und Leiden dieses grausamen Kriegs 
unglücklicher Weise sehr geschwächt haben“; er vertraut Pauls Weisheit, 
Herzog Wilhelm wird demselben ja über seine Lage genau berichten, als 
neuen Beweis von Pauls Gerechtigkeit betrachtet er sein Versprechen, das 
bayerische Haus bei dem allgemeinen Friedensschlüsse vor jedem Nachteile 
zu bewahren. Zu einer weiteren Proposition Alexanders, Max Joseph müsse, 
unbeschadet des zur russischen Armee zu stellenden Korps, dem deutschen 
Kaiser gegenüber alle Verpflichtungen als Reichsstaud erfüllen und auf seine 
Kosten i\ach wie vor sein Kontingent unterhalten, bemerkte der Kurfürst: er 
habe nie daran gedacht, seine Reichsstandpflichten beiseite zu setzen und 
sein Korps vom Rheine, wo es zu Philippsburgs Besatzung gehöre, zurück¬ 
zuziehen, ja er wolle sogar den Schutz, die Proviantierung und die Verteidigung 
der Festung Ingolstadt übernehmen und so die dortigen Reichstruppen ablösen, 
die dann im Felde dienen könnten. Aus dem Kantonnement Heidenhofen 
bei Donaueschingen lud der in St. Petersburg unermüdlich wirkende Herzog 
Alexander 48 ) Max Joseph auf den 28. Mai zu einer Besprechung bei Augsburg 
ein, von der sein Heil und das seiner Staaten abhänge; da Max Joseph 
nicht dorthin wollte, erbot sich Alexander aus Zusmarshausen bei Augsburg, 49 ) 
am folgenden Abende in tiefstem Inkognito nach Nymphenburg zu kommen, 
wobei er bemerkte, er müsse sich enorm mit der Rückkehr beeilen. „Ich bitte 
Eure Durchlaucht“, so schloss er, „höflichst, meine Ankunft in Nymphenburg 
so geheim wie möglich zu halten, selbst Ihrem Hofe gegenüber. Darum glaube 
ich, man logierte mich am besten in einem Gartenhaus oder einem anderen 
abgelegenen Orte ein, wo ich volle Müsse hätte, mit Eurer Durchlaucht zu 
sprechen, ohne wie Sie, Monseigneur, den Blicken Neugieriger ausgesetzt zu 
sein“. Auch Baron Falkenstein frug bei Moutgelas an, wann Alexander 
am 28. Mai den Kurfürsten sprechen könne. 50 ) Während Alexander heimlich 
in Nymphenburg erschien, schrieb Rechberg an Max Joseph: 51 ) Bühler 
sei durch die von Gravenreuth an Rechberg überbrachten kurfürstlichen 
Depeschen überzeugt, dass Max Joseph an Paul schreiben wolle; es gelte 
nun, Bühler die bayerischen Modifikationen in der Malteserfrage mundgerecht 
zu machen und dieselben in St. Petersburg durchzusetzen, ehe Flachslanden 
Bayer. Forschungen VI, 4. * 15 


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Arthur Klein Schmidt 


„der einfache und reine Retablierung verlange“, dahin komme; Bray habe ein 
Memoire eingereicht, das aber Bühlers und Flachslandens Billigung nicht 
gefunden. Dies Memoire B2 ) besagte Folgendes. 

Bei Karl Theodors Tod trat Max Joseph in alle Rechte ein;„schon 
im Wittelsbacher Hausvertrage von Pavia von 1329 steht: kein Prinz des 
pfälzischen Hauses dürfe ohne formelle Zustimmung aller Agnaten Teile der 
Güter und Domänen des Hauses wegnehmen, hierzu bedürfe es der einstimmigen 
Einwilligung aller Agnaten, ohne die der Akt ungiltig sei. Karl Theodor 
aber hatte, ohne den Konsens zu erbitten und zu erhalten, die Güter des 
Jesuiten-Ordens 1787 zu gunsten des Malteser-Ordens verwendet und eine neue 
Zunge des letzteren gegründet. Karl II. von Zw r eibrücken setzte nun im Jahre 
1788 Instruktionen auf, kraft deren bei seiner Thronbesteigung in Pfalzbayern 
das Ordensinstitut abgeschafft werden und der Souverän in Besitz und freien 
Gebrauch aller seiner Rechte eintreten sollte; als er 1795 starb, bestätigte 
Max Joseph die Instruktionen von 1788 und behielt sich das Recht vor, 
die Ordensgüter so zu verwenden, wie es für das Wohl des Tandes am besten 
sei; er gab die Instruktionen dem Herzoge Wilhelm von Birkeufeld (seit 
1799 Herzog in Bayern) als seinem Bevollmächtigten zur Besitzergreifung 
Pfalzbayerns, und Wilhelm, der bei Karl Theodors Tod gerade in München 
weilte, verwertete sofort seine Befugnisse auch gegenüber dem Malteser-Orden. 
Demgemäss kamen dessen Güter wieder an Max Joseph, dieser suspendierte 
provisorisch jede Verwendung der Ordenseiukünfte, ernannte eine Spezial¬ 
kommission zur Verwaltung der Ordensgüter, die elend verwaltet und vielen 
Missbräuchen preisgegeben waren, und verbot, irgend etwas an Kapitalien 
und Renten dem Ordensinstitute zu entziehen. Die Schulen in Pfalzbayern 
waren verfallen, die Finanzen total zerrüttet, und die bedrohte Lage des Staats 
machte es Max Joseph nötig, an Russland einen Rückhalt zu suchen, 
darum wollte er das Opfer von 6 Millionen Gulden nicht scheuen und das 
Ordensinstitut neu begründen. 

Rechberg hielt nun Bühler und Flachslanden vor, es sei doch das 
wenigste, dass man Max Joseph den Ruhm lasse, als Neubegründer des 
Ordens in Pfalzbayern angesehen zu werden; es kam zu neuen Besprechungen, 
und am 27. Mai reiste Baron Flachslanden nach St. Petersburg ab, um zu 
wirken „im versöhnlichen Interesse des Kurfürsten, des Kaisers und des 
Ordens“. 58 ) Ein Brief des Zaren vom 25. Mai hatte Max Joseph unter¬ 
richtet, 54 ) Bühler und Flachslanden seien beauftragt, alle fraglichen Punkte 
zu verhandeln; Alexander von Württembergs Unermüdlichkeit erreichte in 
St. Petersburg am 29. Mai eine Art Punktation, 55 ) „welche der Kaiser als eine 
Konvention ansah, deren Ausführung Herr von Bühler jetzt erbat. Niemand 
wird“, so hiess es hier, „ihre Notwendigkeit bestreiten können oder in Zweifel 
über die ganz eminente Gefahr sein, welcher die Kurlande ausgesetzt gewesen 
wären, wenn man nicht das Glück gehabt hätte, jene abzuschliessen“. Paul 
erkannte Max Joseph als neuen Gründer des Malteser-Ordens an, über den 
in Bayern Flachslanden allein verhandeln sollte; das bayrische Korps musste 
zur russischen Armee gestellt werden, ohnedass die Stellung des Reiclis- 


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Der Vertrag von Gatschina. 


219 


kontingeuts unterblieb. Am 1. Juni schrieb Max Joseph an Rechberg: 5 *) 
der Zar wolle absolut, dass er sein bisheriges politisches System ändere und 
da Bray dies gefühlt habe, so vermenge derselbe stets die Politik und den 
Malteser-Orden; in Wien wolle man Paul als Chef-Protektor, nicht aber als 
Grossmeister dieses Ordens anerkennen, in diesem Sinne sei Whitworth in 
St. Petersburg thätig, um einen Bruch der beiden Kaiserhöfe zu verhüten, in 
Wien habe man den Hintergedanken an eine Abdankung beider Grossmeister, 
Pauls und Hompeschs, zu gunsten des Erzherzogs Johann. Da Paul 
mit Max Joseph anknüpfen wolle, so schrieb letzterer, habe er dem Herzoge 
Alexander von Württemberg einen Kourier gesandt, um die Verhandlungen 
wieder aufzunehmen, habe auch Pässe für den Herzog von Birkenfeld geschickt 
und seine Freude ausgesprochen, ihn bei sich sehen zu dürfen, Alexander 
habe dem Kurfürsten mehrere Vorschläge zu einer engeren Allianz mit Paul 
gemacht und versprochen, dann würde der Zar auf alle Fälle die Integrität 
der pfalzbayerischen Besitzungen und Entschädigung für den Fall ihres Ver¬ 
lustes garantieren; jetzt aber hänge alles von Wilhelms Unterhandlungen ab. 
Der Kurfürst, von dem Paul selbst ausdrücklich Stillschweigen über die 
Verhandlungen mit Herzog Alexander und über die Reise des Herzogs 
Wilhelm verlangt hatte, befahl Rechberg, dasselbe ein zuhalten; dann belehrte er 
ihn, Wilhelms Pässe aus St. Petersburg, die Bühler in Regensburg unterzeich¬ 
net habe, gingen auf „Graf Neuburg“, von Alexander sagten viele in München 
nichts Gutes, man halte ihn „für einen sehr gierigen Intriguauten“, Alexander 
habe in München die grösste Abneigung gegen Preussen bekundet und darauf 
bestanden, Max Joseph solle nicht nach Ansbach gehen, wo er im Juni mit 
Friedrich Wilhelm III. Zusammentreffen wollte, und Wilhelm solle bei der 
St. Petersburger Reise Berlin nicht berühren, doch scheine das Geheimnis von 
Wilhelms Reise im Hauptquartiere bekannt, da Graf Fugger dem Grafen 
Lehrbach davon geschrieben habe. In einem Postskriptum äusserte sich 
der Kurfürst noch weit schärfer über den Herzog Alexander; er nannte ihn 
einen Lügner und toll wie alle in seinem Hause; er warf ihm vor, er habe 
sich gerühmt, nach München zu gehen, um die Heirat abzuschliessen, er 
habe sich sehr inkonsequent benommen, denn während er das tiefste Inkognito 
affektierte, habe er sich sehen lassen, auch habe er gar wenig Gewicht auf 
Bühler gelegt. Am 12. Juni äusserte er geradezu, 57 ) die Heiratsgerüchte 
datierten wohl von der Haltung Alexanders oder vom Argwohne der fremden 
Diplomaten über seine Anwesenheit in Nymphenburg. Rechberg war 
ähnlicher Ansicht über Herzog Alexander; in einem Briefe, in dem 
er von Pauls Absicht sprach, bei dem allgemeinen Frieden die Grossmeister¬ 
würde niederzulegen, r ' 8 ) berichtete er dem Kurfürsten: Bühler wisse gar nicht, 
wem er den Pass ausgestellt habe, und habe zu ihm gesagt, er möchte gar 
zu gern wissen, wer der Graf von Neuburg sei, dessen Existenz er nicht 
ausfinden könne; das Benehmen Alexanders sei ihm, Rechberg, nicht 
erstaunlich, denn man kenne ja seinen Charakter; Alexander sei der Vertraute 
seiner Schwester, der Kaiserin Maria Fedorowna, und von ihr mit ihren 
Privatsachen betraut, doch sei zu bezweifeln, dass er vom Kaiser ins 

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Arthur Kleinschmidt 


Geheimnis eingeweiht sei, er habe die ersten Vorschläge seitens Marias an 
den Herzog von Sachsen-Weimar gemacht, lind dann erst habe Paul Kenntnis 
davon erhalten, der Kanal Alexanders könne Paul teuer zu stehen kommen, 
denn Alexander, dem seine Schwester gern aufhelfe, sei oft in Geldnot; der 
mildeste und versöhnlichste russische Diplomat sei jedenfalls Bühler, und ihn 
müsse man für Bayern nutzbar machen; die Verhandlung des Herzogs 
Wilhelm werde unendlich wichtig sein, es handele sich um den Staat, der 
„den Platz behaupten und einnehmen könne, den er seit einem halben Jahr¬ 
hunderte unter den Staaten zweiten Rangs verloren“; jede weitere Schonung 
Frankreichs werde um so überflüssiger, als dessen Hass und Rache sich nur 
nach dem schwachen Widerstande bemessen würde, den mau ihm leiste. Man 
braucht einen Subsidientraktat, und die Armee, vereint mit der russischen 
und formiert aus der zahlreichen pfälzischen Bevölkerung, wird Bayerns Macht 
Ehrfurcht verschaffen, sagt Rechberg; zugleich warnt er vor Pauls miss¬ 
trauischem Charakter, man darf, um seinen Argwohn nicht zu erwecken, keiue 
chiffrierte Korrespondenz aus Russland heimsenden, man muss Briefe schreiben, 
die Unberufene lesen dürfen, und muss suchen, durch die Kouriere der fremden 
Gesandten das zu befördern, was nicht gelesen werdeu darf. 

Sobald durch die in München beglaubigten fremden Gesandten die 
Anwesenheit des Herzogs von Württemberg in Nymphen bürg am Regens¬ 
burger Reichstage bekannt wurde, frug man Bühler um den Grund der 
geheimnisvollen Reise; er behauptete, nichts zu wissen. Alopäus, der 
Resident am Reichstage, wollte aus St. Petersburg die Anfrage erhalten haben, 
ob es sich um eine Heirat mit dem Kurprinzen handle. 59 ) Bühler hatte 
die Pässe für den Grafen Neuburg in blanco au Herzog Alexander zum 
Ausfüllen geschickt; als er dann von Alexanders Aufenthalt in Nymphen¬ 
burg und vom Gerüchte einer russischen Reise Wilhelms hörte, sah er sich 
düpiert und war voll Ärger. 60 ) Seit der geheimnisvollen Begegnung in 
Nymphenburg hatte Alexander nichts mehr von Max Joseph gehört, er 
wusste nicht, ob Herzog Wilhelm nach St. Petersburg reisen würde, und mahnte 
zur Eile. 61 ) Der Kurfürst erwiderte, 62 ) Wilhelm habe schon den Fuss im 
Steigbügel gehabt, um nach St. Petersburg zu gehen, da sei Pauls Brief vom 
25. Mai (s. oben) eingetroffen, wonach Bühler und Flachslanden alle 
fraglichen Punkte verhandeln sollten, er habe darum Wilhelms Abreise ver¬ 
schoben, bis ihm Alexander weitere Auskunft erteile. Alexander ver¬ 
sicherte hierauf, 03 ) Flachslandens Mission berühre das Hauptgeschäft 
Wilhelms, die Heiratsfrage, absolut nicht, er solle darum sofort reisen; 
Wilhelm könne nicht rasch genug in St. Petersburg sein, schrieb Alexander 
gleich darauf, 64 ) Max Joseph solle sofort einen Kourier vorausschicken, 
welche Dringlichkeit ihm Paul hoch anschlagen werde. Montgelas meinte, 6i> ) 
Bühler würde gar gern mit Wilhelm direkt in München unterhandeln, 
doch sei zu befürchten, dass die dortige Gegenwart eines russischen Agenten 
vor Abschluss der beabsichtigten Allianz und vor Enthüllung des Geheimnisses 
zu grosses Aufsehen im Auslande errege und die französische Regierung 
daraus Anlass nehme, um Gewaltakte gegen die bayerischen und pfälzischen 


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Der Vertrag von Gatschina. 


22 I 


Staaten zu begehen. Hiermit erklärte sich Wilhelm, des Ministers Umsicht 
bewundernd, völlig einverstanden. 66 ) 

Von Regensburg kamen neue Meldungen in das kurfürstliche Kabinett. 67 ) 
Böhler hatte in der Nacht zum 24. Juni aus St. Petersburg Depeschen erhalten 
und Rechberg alsbald damit bekannt gemacht. Paul verlangte, die bayerische 
Zunge des Malteser-Ordens solle, w T ie es die böhmische gethan, eine Deputation 
zur Huldigung an ihn nach St. Petersburg schicken; dort hegte man noch immer 
Misstrauen wegen des politischen Systems des Kurfürsten, und Österreich 
nährte es. Bühler forderte nun, dass Max Joseph in Regensburg oder 
in München der Koalition gegen Frankreich beitrete, und wollte von Max 
Joseph zu einer Übereinkunft darüber eingeladen werden. Dagegen stellte ihm 
Rechberg die geographische und finanzielle Notlage Pfalzbayerns vor, das 
dann noch mehr leiden würde als jetzt; Bühler jedoch mahnte ihn dringend, 
seine Proposition nicht zu verwerfen, sondern auf Russland, das ihm Subsidieu 
verschaffen könne, zu hoffen, Russland werde, falls Max Joseph mit ihm 
übereinkomme, zumal wenn Paul und er Verwandte würden, ihn schützen 
und stützen. Max Joseph lud nun Bühler nach München ein. Nachdem 
Paul die Nymphenburger Konvention vom 29. Mai (s. oben) erhalten hatte, 
sandte er Bühler einen Kourier und teilte ihm die ganze Mission des Herzogs 
Alexander mit; 68 ) alsbald schrieb Bühler dem russischen Gesandten in 
Wien, dem von Thugut abhängigen Grafen Andrei Kirillowitsch Rasu- 
mowski, Max Joseph habe den anderen Reichsfürsten ein Beispiel gegeben, 
indem er sich der guten Sache anschliesse, und unterwies den in russische 
Dienste übergetretenen Prinzen von Conde, Max Joseph sei nicht mehr als 
Feind zu behandeln, werde vielmehr ein Korps zur grossen russischen Armee 
stellen; Bühler forderte Rasumowski auf, er möge bei Sir Morton Eden, 
dem britischen Gesandten in Wien, eine Subsidie von 200000 Pf. St. für 
Max Joseph fordern. Am 4. Juli erhielt der bayerische Gesandte in Paris, 
Anton von Cetto, Befehl, sofort von da wegzugehen, und der Kurfürst 
hoffte auf schleunigste Lieferung von Subsidieu aus England. 69 ) 

Am 3. Juli erschien Baron Flachslanden in Regensburg; Paul hatte 
ihn beauftragt, die Ordensfrage rasch zu erledigen, und er wollte Bühler 
nach München folgen. Rechberg entwarf 70 ) letzterem ein Bild der Lage 
Pfalzbayerns seit 1795 und frug ihn, „ob wohl ein Reichsstand existiere, 
dessen Lage so verzweifelt gewesen sei, und der doch trotz seines Unglücks 
beharrlicher allen Vorschlägen, die ihm Frankreich gemacht, sich versagt 
habe“. Bühler „musste einräumen, dass selbst der Kurfürst von Sachsen 
diese Berechtigung nicht aufzuweisen habe, und dass es unbestreitbar sei, dass 
böswillige Höfe durch perfide Insinuationen geschadet hätten, um die Pläne zu 
rechtfertigen, die man auf Unkosten der Besitzungen Seiner Kurfürstlichen 
Durchlaucht hegen könnte“. Bühler versprach, falls ihm Rechberg ein 
detailliertes Memoire hierüber gebe, werde er es direkt an den kaiserlichen 
Hof gelangen lassen; er hatte Ordre, sich in allen Dingen mit Rasumowski 
zu verständigen und mit ihm in steter Korrespondenz zu bleiben. Bühler 
schien 71 ) allen Punkten, wie sie Montgelas proponierte, zuzustimmen, nur 


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222 


Arthur Kleinschmidt 


machte augenscheinlich der Wiener Hof wegen Ingolstadt Schwierigkeiten, 
wenn nicht die bayerischen Truppen, indem sie „eine Aktion von Eklat“ 
machten, zuvor den Beweis ablegten, dass sie etwas leisten könnten; Bühler 
fürchtete, man würde in Wien darauf bestehen, dass Ingolstadt einen kaisei- 
lichen Kommandanten oder eine gemischte Garnison erhalte; dasselbe be¬ 
fürchtete Rechberg, zumal Ingolstadt der einzige Waffenplatz des Erzherzogs 
Karl war. Wie er dem Herzoge Wilhelm bei seiner russischen Reise nützlich 
sein könne, sah er nicht ein, „doch, wenn ein Prinz des Hauses sich hergibt“, 
schrieb er an Montgelas, „so kommen meine persönlichen Opfer nicht in 
Betracht“. Zwar gehörte die Malteserfrage nicht in Rechbergs Ressort, doch 
hörte er Flachslandens Erörterungen an, 72 ) der gern das Maltesergross¬ 
priorat mit neuen Schenkungen begabt gesehen hätte, damit ein Prinz des 
Hauses (anstatt des Fürsten Bretzenheim) dort seiner Würde entsprechende 
Revenuen fände, und erwiderte ihm, der Plan der bayerischen Regierung sei, 
das Etablissement möglichst nützlich zu gestalten, 28 Komtureien seien für 
ein so kleines Land zuviel, man könne vier bis sechs zu gunsten des Gross¬ 
priorats einziehen, sodass letzteres 60000 Gulden betrage. Ein Bruch der 
beiden Kaiserhöfe bleibe nicht aus, meinte Rechberg, denn in Wien verweigere 
man die Anerkennung Pauls als Grossmeister. 

Noch immer zögerte Herzog Wilhelm mit der Abreise; als nun 
Bühler am 5. Juli wieder in München eingetroffen war, um die Wiederher¬ 
stellung des Ordens zu fordern, besprach er sich mit Wilhelm über die Politik; 
in St. Petersburg vermerkte man sehr unliebsam die Zögerung Wilhelms, 
den man schon am 20. Juli dort erwartete, und Herzog Al ex au de r empfahl 
die sofortige Absendung eines Offiziers als Kourier, um Paul die Gründe dar- 
zuthun, zumal Paul über die Entrevue des Kurfürsten mit dem Könige von 
Preussen in Ansbach sehr geärgert war. 73 ) Erst am 28. Juli konnte M ax J ose P h 
Alexander melden, Wilhelm sei mit allen erforderlichen Instruktionen 
abgereist. 74 ) Der Sequester über den Malteser-Orden war aufgehoben worden, 
und am 28. Juli schloss Montgelas mit Flachslanden die Präliminar¬ 
konvention zur Wiederherstellung desselben in Pfalzbayem. 76 ) 

Max Joseph hatte am 17. Juni verfügt, die Hauptkasse müsse aus 
den „von Uns besonders hinterlegten Geldern und Papieren zu einem dringen¬ 
den und wichtigen Staatsbehufe“ 50000 Gulden abgeben; als er aber erfuhr, 
dass dieselbe kürzlich zu anderen Staatsbedürfnisseu verwendet worden seien, 
so befahl er am 18. Juli 1799 76 ) der Hauptkasse, 75000 Gulden Bankobligationen 
in die Nürnberger Sequestrationskasse zu legen und dafür 52200 Gulden 
herauszunehmen; von letzteren sollte Herzog Wilhelm 10000 erhalten, 
40000 sollten den Gebrüdern Banquiers Nocker in München zu weiterer Dis¬ 
position und 2200 dem Kämmerer und St. Georg-Ritter Aloys Reichsfreiherrn 
von Rechberg gegeben werden. Ein Erlass des Kurfürsten an seinen Oberst¬ 
hofmeister Grafen Tattenbach 77 ) überwies dem Herzoge zur Repräsentation 
kostbare Juwelen aus dem Hausschatze, die derselbe in natura wieder aus 
Russland heimbrachte und dem Hausschatze zurückgab (Dezember 1799). 

Nur widerwillig ging Baron Rechberg mit dem Herzoge Wilhelm 


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Der Vertrag von Gatschina. 223 


auf die russische Brautfahrt; 78 ) aus Regensburg krank in München einge¬ 
troffen und die Reise zur See, die Wilhelm vorzog, fürchtend, schrieb Rech¬ 
berg seiner vergötterten Frau Marianne, man bedenke sich noch bei Hofe, ob 
er Wilhelm begleiten solle; von Geld hörte er gar nichts, und doch musste 
er darauf sehen; er stellte dem Kurfürsten die Bedingung, dass er mit Wil¬ 
helm zurückkehren dürfe, anders erlaubten es weder seine Mittel noch seine 
Gesundheit; man zahlte in Papier, und Reichlin-Meldegg, der 7 /4 Jahre 
Rückstände zu fordern hatte, war noch unbezahlt; war Rechberg unterwegs, 
so riskierte er, ohne Geld zu bleiben. „Ich weiss nur,“ so schrieb er der Gattin, 
„dass in der Generalkasse kein Sou ist, und dies wird wahrscheinlich einer der 
Gründe sein, an dem der Plan, mich in jenes Land zu schicken, scheitern 
kann. Der Herzog ist so wenig darauf vorbereitet, mich an seine Seite zu 
bekommen, da er seine zwei Wagen voll hat, und da er erwartet, ich werde 
allein und für mich gehen; kurz es herrscht eine Confusion, eine Unent¬ 
schlossenheit, von der inan’ sich keine Vorstellung macht. . Der Staat wird 
sich nie mehr aus seiner Noth erheben, er geht mit grossen Schritten dem 
Abgrunde zu.“ Am 16. Juli fuhr er fort: 79 ) „Ich begleite den Herzog, um 
mit ihm zurückzukehren; mein Nachfolger wird sich vier Wochen nach mir 
auf den Weg machen, um uns im Momente unserer Abreise oder unterwegs 
zu treffen. Wir werden uns in Lübeck einschiffen, um die schlechten Wege 
zu vermeiden, und um rascher zurück zu sein. Die Rückkehr ist auf Ende 
September bestimmt. Ich werde bei der Heimkehr meine Beglaubigungsbriefe 
für Stuttgart mit 12000 Gulden Gehalt und die Erlaubniss finden, im ersten 
Jahre mehrere Monate abwesend zu sein, um an Gehalt zu gewinnen .... 
Wenn wir übrigens mit unseren Projekten Glück haben, so kann diese Reise 
mir sehr zu statten kommen, und wird mir dieselbe so reichlich bezahlt, dass 
ich hoffe, dadurch unsere Einkünfte um 1000 Gulden zu erhöhen.") 

Am 16. Juli erteilte der Kurfürst seinem Schwager, dem Herzoge Wil¬ 
helm, ein Prokuratorium, 80 ) um die ohnehin bestehenden Verwandtschafts¬ 
und Freundschaftsbande „zwischen dem Höchsten Russisch Kaiserlichen und 
Unserem Pfalzbayeraschen Churhause“ enger zu knüpfen „und zum Flor 
Unseres Wittelspachischen Churhauses, dann zur allgemeinen Wohlfahrt 
Unserer gesammten Erbstaaten zu befestigen;“ auch gab er Wi 1 he 1 m Spezial¬ 
vollmacht für die feierliche Anhaltung um die Grossfürstin Katharina 
Pawlowna, für die Heiratsabrede und die Prokurationsheirat sowie für einen 
Freundschaftsvertrag. 8I ) An den Kaiser Paul aber schrieb er 82 ) am 17. Juli: 

„Sire! 

„Die edelmüthigen Versicherungen von Hilfe und Schutz am 

„Schlüsse des Briefs, mit dem Eure Kaiserliche Majestät mich am 29. 


a) Am 25. Juli sollte die Abreise sein, Rechberg konnte die Sehnsucht nicht 
unterdrücken, seine heissgeliebte Frau nochmals in Regensburg zu sehen, und war dann 
heimlich von ihr fortgereist, während er so gern 5—6 Tage geblieben wäre; die Trennung 
erschien ihm das grausamste Schicksal, für das ihm nichts Ersatz zu bieten vermochte. 
(Rechb. Archiv). 


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Arthur Kleinschtnidt 


„Mai beehrten, haben meine Wünsche überboten, meine Hoffnung neu 
„belebt; sie gestatten mir den Gedanken, Sie, Sire, würden geruhen, 
„die Bitte nicht abzuweisen, welche mein Schwager, Herzog Wilhelm 
„in Bayern, die Ehre haben wird, an Eure Kaiserliche Majestät um 
„die Hand Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Grossfürstin Katharina für 
„den Kurprinzen, meinen ältesten Sohn, zu richten. Der Hinblick 
„auf den Erzherzog Joseph") und auf den Erbprinzen von Mecklenburg 1 ), 
„die neuerdings derselben Gunst gewürdigt worden sind, mussten in 
„dieser Hinsicht als Ermunterung für mein Haus, welches den ihren 
„nicht nachsteht, dienen. Nichts würde zu meinem Glücke fehlen, 
„wenn Eure Kaiserliche Majestät Sich dem lebhaften und aufrichtigen 
„Wunsch, den ich Ihnen darzuthun wage, zuueigten und zu gleicher 
„Zeit einzuwilligen geruhten, dass dies Baud, welches mir an sich so 
„lieb und kostbar ist, zur Basis einer dauerhaften und unlösbaren 
„Union zwischen beiden Staaten werde. Mein Schwager, der Herzog in 
„Bayern, der meine Gefühle von Grund kennt, wird mein getreuestes 
„Organ allemal sein, wenn er des Glücks teilhaftig wird, Eurer Kaiser¬ 
lichen Majestät die Versicherungen der tiefen Verehrung und der 
„respektvollen Ergebenheit zu wiederholen, mit denen ich bin 

etc. etc. etc.“ 

In einem anderen Konzepte an „Seine Kaiserliche und Eminenteste 
Majestät“ r ) vom 16. Juli sagte Max Joseph 83 ): „Ich zweifele nicht, Sire, 
dass der Geheime Rath Baron von Bühl er Ihnen durch seine Berichte be¬ 
stätigt habe, wie ich beeifert bin, die alten engen Bande zwischen dem er¬ 
habenen russischen Hause und dem meinen wieder zu knüpfen; ich habe 
nicht vergessen, dass wir seiner übergewichtigen Intervention unsere politische 
Existenz verdanken. Nichts liegt mir also mehr am Herzen, als den Wünschen 
Eurer Kaiserlichen Majestät zuvorzukomtnen, und wenn in diesem Momente, 
wo unglückliche Umstände die Ressourcen meiner Staaten erschöpft haben, 
ich nicht so wirksam wie ich wünschte handeln kann, so werde ich wenig¬ 
stens Gelegenheit suchen, um Ihnen unzweifelhafte Beweise dieses Gefühls 
zu geben. Nichts dünkt mir geeigneter zum Bekunden der Aufrichtigkeit 
meiner Verehrung für den edelsinnigen Beschützer der Throne als meine 
Bitte, er möge mir die hohe Gunst bewilligen, die politische Allianz zwischen 
unseren beiden Staaten durch Blutsbande zu kitten. Die neuerlichen Beispiele 
-von an deutsche Prinzen verheiratheten Grossfürstiunen lassen mich auf einen 
glücklichen Erfolg hoffen“. Zugleich bat der Kurfürst, unter Hinweis auf 
diese Heiraten, die Kaiserin Maria um die Hand ihrer Tochter und versicherte 
dem Grossfürsten - Thronfolger Alexander Pawlowitsch, sein höchstes 
Glück werde diese Heirat sein, die ihn dem russischen Kaiserhause uähere 

a) Grossfürstiu Alexandra Pa w low na heiratete atu 30. Okt 1799 den Erz¬ 
herzog Joseph, Palatin von Ungarn. 

b) Grossfürstin Helene Pawlowna heiratete am 23. Okt. 1799 den Erbprinzen 
Friedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin. 

c) Titel als Maltesergrossmeister „Eminentissime“. 


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Der Vertrag von Gatschina. 


225 


und die hoffentlich auch den Beifall Alexanders habe, dem Wilhelm seine 
Gefühle initteilen werde. 84 ) 

Paul war längst versöhnlicher gestimmt, und jetzt schrieb er in Beant¬ 
wortung von Max Josephs Brief vom 22. Mai 86 ): 

„Mein Herr Vetter! 

„Ich habe den Brief Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht erhalten. 
„Indem mich sein Inhalt von Ihren Entschliessungen unterrichtete, 
„liess er mich mit Vergnügen erkennen, dass jeder Stoff zum Streit 
„zwischen uns erledigt ist und dass fortan das innigste Vertrauen 
„unserem gegenseitigen Verhalten zur Basis dienen wird. Ich habe 
„sofort dem bei mir residireuden englischen Minister vom Wunsche 
„Eurer Durchlaucht Kenntniss gegeben, eine Anleihe am Londoner 
„Hofe zu effektuiren; es wäre nöthig, dass Jemand ernannt und mit 
„Vollmachten hierzu versehen würde. Ich erwarte den Herzog in Bayern, 
„um ihm mündlich die Versicherung der aufrichtigen Freundschaft und 
„der ausgezeichneten Hochachtung zu wiederholen, mit der ich bin, 
mein Herr Vetter, 

Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht 
wohlaffektionirter Vetter 
Paul“. 

Die Krankheit von Wilhelms einzigem Sohue verzögerte noch immer 
seine Abreise, worüber sich Max Joseph bei Paul entschuldigte. 86 ) Wil¬ 
helm empfahl, 87 ) bevor er sich endlich auf den Weg machte, dem Kurfürsten 
für alle Fälle seine Kinder und meinte, ein Teil der Krondiainanten könnte 
wohl, falls er die Allianz erreiche, zu Geschenken an das russische Ministerium 
dienen. In Neuburg stiess Rechberg zu ihm, um ihn als diplomatischer 
Lenker zu begleiten, auch er entschuldigte sich bei Montgelas 88 ) beständig 
mit Krankheit. Am 22. Juli erhielt Herzog Wilhelm die sehr umfang¬ 
reichen Instruktionen für seine Mission, 89 ) am 27. sandte ihm sein Schwager 
die Prokuration und das Porträt des Kurprinzen. 90 ) Die Instruktionen, auf 
die ich näher eingehen muss, geben ein Bild der bayerischen Politik, zumal 
in Hinsicht auf das zu gewinnende St. Petersburger Kabinett „Da die Bosheit 
die rein provisorische und in den gegenwärtigen Zuständen ganz natürliche 
Sequestrirung der Maltesergüter in Bayern in eine willkürliche und überstürzte 
Unterdrückung, ja selbst zu einem gefassten Plane, Seine Majestät den Kaiser 
aller Reussen zu beleidigen, entstellt hat“, dem man doch so unendlich viel Dank 
schuldig sei, so erschien es nötig, die Sache aufzuklären und auf den Boden 
der Wahrheit zurückzuführen. Von Bühler und von Flachs landen 
führen die Unterhandlung, manches jedoch wird am besten durch Wilhelm 
erläutert werden, „der die weite und ermüdende Reise macht, die in ihrer 
Folge ebenso vortheilhaft für den Staat wie nützlich für das Haus werden 
kann“. Man kann ihm keinerlei Aufschlüsse über das Zeremoniell des Kaiser¬ 
hofes geben; hoffentlich beeinträchtigt es in nichts „die Würde Unseres sou¬ 
veränen Hauses“, wegen der Persönlichkeiten etc. kann man nur auf die Aus¬ 
künfte Reichlin-Meldeggs und Sulzers, zumal auf ein freilich ver- 


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Arthur Kleinschmidt 


altetes Memoire Sulzers hin weisen. Zur Sicherung seiner Korrespondenz 
erhält Wilhelm eine Chiffre; nach den eiugezogenen Erkundigungen über¬ 
wacht die russische Post alles so strenge, dass nur sehr selten durch die 
Post gehende Briefe nicht zur Kenntnis der Regierung gelangen, der Zar 
liebt nicht, dass die an seinem Hofe Weilenden, zumal nicht fremde Fürsten 
oft oder gar chiffriert schreiben, und wenn man diesen Punkt missachtet, so 
erkältet dies seine freundlichen Gesinnungen. Es thut darum eminente Vor¬ 
sicht not. Natürlich möchte man recht viel aus St. Petersburg hören und 
muss es doch vermeiden, dort anzustossen. Der Wiener Hof versäumt keinen 
Anlass, um dem von München in St. Petersburg zu schaden und „alle Unsere 
Schritte gehässig auszulegen, besonders ein ungünstiges Licht auf die Rück¬ 
sichten zu werfen, zu denen Uns bisher die geographische Lage Unserer Staaten 
gegenüber Frankreich gezwungen hat“. Wilhelm wird auch hierin dem 
Zaren die Wahrheit enthüllen, und er wird das Treiben der oesterreichischen 
Partei an der Newa überwachen. Eine noch weit gefährlichere Partei aber 
besteht inmitten von Bayern, „sie beutet die Gastfreundschaft aus, die ihr zu 
gewähren, lediglich Humanität die Regierung veranlasste“, schadet der Re¬ 
gierung und gefährdet die Sicherheit des Staates, indem sie den Groll der 
fremden Mächte dagegen weckt. „Diese Partei ist die der französischen Emi¬ 
granten aus allen Klassen. Wir haben sichere Hinweise, dass sie zum Nach¬ 
theile Unseres Vorgängers die gehässigste Korrespondenz unterhalten haben 
und dass sie Uns seit Unserem Regierungsantritt nicht besser behandelten. 
Die dieser ebenso petulanten wie inkonsequenten Menschenklasse natürliche 
Indiskretion hat hier schon mehr als einmal ihre Geheimnisse verrathen, die 
russischen Minister haben diesen Umstand dem Freiherrn von R ei c hl in 
nicht verhehlt und er hat davon nach München berichtet“. Diese Partei muss 
von Wilhelm sorgfältig überwacht werden; er muss möglichst versuchen, 
die Natur ihrer Beziehungen und die Namen der letztere unterhaltenden In¬ 
dividuen zu entdecken. „Wir haben ziemlich sichere Anzeigen, dass die 
Armee Cond es und der Hof zu Mitau die filieres sind, durch die sie laufen“; 
man gewinnt alle nötigen Aufschlüsse, wenn man sich des Verbiudungspunkts 
dieser Stationen mit St. Petersburg versichert. Unter den fremden Ministern muss 
man sich vor allen des englischen, Ritters von Witli worth*), Gunst ver¬ 
schaffen, er ist der wichtigste und hat bei Paul den grössten Kredit; „man 
versichert, er nahe sich, so oft er wolle, familiär dem Kaiser und seine Vor¬ 
stellungen hätten bei ihm das ausgesprochenste Gewicht. England hat sich 
Unseren Interessen nie entgegengestellt, es kann durch seine Subsidien der 
Noth Unserer Finanzen aufhelfen und die Wiederaufstellung Unserer Armee, 
die für den Staat so wesentlich ist, erleichtern“; unter all diesen Gesichts¬ 
punkten erscheint der englische Gesandte als einer von denen, deren Bekannt¬ 
schaft am meisten zu suchen und dessen Gunst zu gewinnen am Tätlichsten 
ist; die Verbindung mit ihm bietet auch noch den Vorteil, die bayerische 
Korrespondenz auf dem beständig regen Wege der Kouriere mit London zu 


a) Whitworth. 


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Der Vertrag von Gatschina. 227 


beschleunigen, Wilhelm kann seine Depeschen stets zu der nächst benach¬ 
barten bayerischen Mission befördern. Auch den preussischeu Gesandten, 
den Obersten von der Groeben, darf man nicht vernachlässigen, „des Königs 
Güte und Freundschaft für Bayern machen daraus für Uns ein Gesetz des 
Wohlanstands“: da er aber in St. Petersburg nur wenig Geltung hat, könnte die 
Verbindung mit ihm Bayern schaden; nun sagt man, er werde abberufen und 
durch den Obersten von Tauentzien ersetzt, „der Beziehungen zum Kaiser 
selbst und intime Liaisons mit seinen Ministern unterhalten habe“; übrigens 
sind nach den offiziellen Versicherungen, die bei der Ansbacher Entrevue 
Friedrich Wilhelm und Haugwitz dem Kurfürsten gaben, die Höfe 
von Berlin und St. Petersburg „heute über Ziel, Ansichten und Grundsätze voll¬ 
kommen in Übereinstimmung“; Wilhelm soll den Agenten Preussens mit 
Freimut begegnen, den Zweck seiner Reise offen dartliun und ihr Interesse 
am Kurfürsten nähren. Dem kaiserlichen Gesandten Grafen Ludwig Cobenzl, 
resp. seinem Nachfolger, muss man mit der ganzen Reserve, die Oesterreichs 
Verhalten gegen Bayern erheischt, aber auch voll Rücksicht begegnen, um so 
die Gehässigkeit des Wiener Hofs zu entkräften. Die Hauptsache ist, den 
Zaren zu erobern, und es ist ausserordentlich schwer, „die verschiedenen 
Nuancen dieses Charakters völlig zu erfassen und das eigene Benehmen den 
beständigen Schwankungen des Thermometers an diesem Hofe anzubequemen“. 
Die Objekte der Verhandlungen in St. Petersburg sind 1) das Eheprojekt, 2) der 
endgiltige Vergleich in der Maltesersache und 3) Russlands Interesse an 
Bayerns Lage seit dem Teschener Frieden. Da die Heirat Ludwigs für 
Bayern jetzt sehr erwünscht und Bayern nicht in der Lage ist, hohe Be¬ 
dingungen zu stellen, so begnügt man sich mit einigen allgemeinen Reflexionen. 
Mit der Religion macht man natürlich gar keine Schwierigkeiten, und man 
wird sich nach den Bestimmungen des Ehekontrakts der Grossfürstin Ale¬ 
xandra Pawlowna mit dem Erzherzoge Joseph richten; für die Mitgift, 
Morgengabe u. s. w. soll als Vorbild der Heiratskontrakt 91 ) des Kaisers 
Karl VII. mit der Erzherzogin Maria Amalie dienen; dass die Gross¬ 
fürstin den Vorrang vor Karl Theodors Witwe, der Kurfürstin Maria 
Leopoldine, haben müsse, wie Alexander von Württemberg betonte, 
kann nur nach Verhandlung mit dem Wiener Hofe erörtert werden, weil man 
mit diesem einen feierlichen Kontrakt geschlossen hatte, an dem man ohne 
Einwilligung aus Wien nichts ändern kann; Max Joseph selbst würde 
Russland gewiss gern zu Willen sein. In Betreff der zweiten Angelegen¬ 
heit kennt Wilhelm die Motive wegen des Sequesters der Maltesergüter 
in Bayern und der Aufhebung der bayerischen Zunge, von denen Herzog 
Karl II. und Max Joseph geleitet wurden; er weiss, warum weder sie 
noch irgend einer ihrer Linie zur ansehnlichen Dotierung der Malteserzunge 
durch Karl Theodor 1781 und 82 die Hand boten. Beständig ist ja gegen 
diese Dotierung protestiert w T orden, lange bevor Paul den Orden in seinen 
Schutz nahm und Grossmeister wurde; da gar keine Beziehung zwischen 
diesen Ereignissen besteht, kann man daraus keine Beleidigung Pauls vin- 
dizieren. Indem Max Joseph die Stiftung suspendierte, übte er nur sein 


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Arthur Kleinschmidt 


Souveränitätsrecht aus. Da nun Paul darauf besteht, als Grossmeister an¬ 
erkannt zu werden, willigt Max Joseph gern ein. Aus Korrespondenzen 
seines Finanzministers Baron Hompesch mit dem Bailli Baron Flachs¬ 
landen scheine es, als wolle der Grossmeister Baron Hompesch abdanken, 
es wäre nun schön, wenn „sich vielleicht Bayern den Ruhm verschaffen könnte, 
ihn durch seine Vermittlung zum Entschlüsse zu bringen“, Wilhelm möge 
dies berücksichtigen. Alexander von Württemberg hat in einer Note be¬ 
tont, Paul fordere die absolute Wiederherstellung des Malteserordens in 
Bayern, so wie er unter Karl Theodor gewesen sei; doch ist die Lage 
jetzt so schlimm, und der Krieg hat solche Opfer gekostet, dass man hofft, 
Paul werde dem Kurfürsten die Ordensgüter belassen, um die Kriegskosten 
bestreiten zu können. Paul legt ausserordentliches Gewicht „auf seine Stellung 
als Grossmeister und auf die Erhaltung seines Instituts, an das er seinen 
Ruhm geknüpft hat und dem er auch in seiner Idee eine politische Kraft 
für die Conservirung der ganz eigenthümlichen Prinzipien zuschreibt“; er 
sandte deshalb Flachslanden, um das bayerische Grosspriorat wieder her¬ 
gestellt zu sehen. Während das Wiener Kabinett voll Eifersucht auf die 
Unterhandlungen Bayerns mit Russland blickt, herrscht in letzterem Staate 
eine solche Tracasserie unter den Agenten und ihre Instruktionen sind so 
lückenhaft, dass des Herzogs Reise not that, „um die Grundsätze zu fixiren 
und die Unklarheiten aufzuhellen“; doch gilt es ungemeine Vorsicht. Flachs¬ 
landen wird den Abschluss möglichst beschleunigen um heimzukehren, denn 
er weiss, dass seine zahlreichen Feinde in St. Petersburg gegen ihn wühlen, dass 
Baron Bühler von Potemkins Partei ist. Bühler ist ein Sklave des 
Grafen Rasumowski und somit des Wiener Hofs, er ist zwar sehr sanft 
und versöhnlich, wird aber durch seine Grundsätze in der unter Pauls Re¬ 
gierung allen diplomatischen Agenten eigenen Ängstlichkeit bestärkt und 
handelt nur nach Rasumowski s Diktat \ er und Rasumowski würden 
am liebsten ihr Möglichstes thun, um Verwirrung zu erregen und die Basis 
der Harmonie zwischen Russland und Bayern zu vernichten.“) Das neu zu 
errichtende Grosspriorat sollte ein jüngerer Prinz des Kurhauses als Apanage 
erhalten u. s. w. Was die dritte Frage wegen Russlands Haltung seit 1779 
betraf, so hatte Katharina II. im Teschener Frieden die Garantie mitüber¬ 
nommen, und Russland hegt das grösste Interesse „an der Erhaltung des 
corpus germanicum. Sein eigenes Interesse scheint gebieterisch die Erhaltung 
dieses selben Systems zu erheischen, weil die beiden grossen Militärmächte, 
die dem Reiche zunächst liegen und die es am ehesten an greifen können, 
genau diejenigen sein würden, deren Macht durch seine Zerstörung wachsen 
müsste. Diese Wahrheit begriffen die fähigsten Politiker» die Russland seit 
dem Marschalle von Münnich bis zum Grafen Pan in hatte, sie war lange die 
Grundmaxime des Cabinets der seligen Kaiserin. Schien es, als würde man 
ihr 1785, 1792 und 1793 untreu, so darf man dies nur dem momentanen 
Aufsprühen des orientalischen Systems und den vorübergehenden Intriguen der 


a) Wie stimmt dies zu Bühlers Bayern so freundlicher Haltung? 


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Der Vertrag von Gatschina. 


229 


augenblicklichen Günstlinge zuschreiben. Man versichert, dass der vom Grafen 
Pan in erzogene Kaiser dessen Grundsätze alle beibehalten habe; mehrere aus 
seinem Cabiuete hervorgegangene Erklärungen geben zu dieser Annahme 
vollen Grund. Die stetigen geheimen Beziehungen, die er als Grossfürst mit 
Preussen unterhalten hat und die den mit dem Geschäftsbetriebe Vertrauten 
bekannt sind, unterstützen noch diese Neigung. Preussen hat trotz des augen¬ 
blicklichen Seitensprungs bezüglich Bayerns, zu dem es 1793 bei Polens 
Teilung infolge der persönlichen Gefühle des Grafen von der Schulenburg 
hingeleitet ward, dasselbe Interesse hierin wie Wir, weil bei dem wirklichen 
Fortschritte seiner Macht mit der des Wiener Hofs, seines Rivalen, und bei 
den beständigen Erwerbungen zu dem Körper der Monarchie, welche diese 
in Italien durch den Vertrag von Campo Formio machte und welche sie sich 
noch in diesem Lande zufolge des gegenwärtigen Kriegs versprechen darf, 
wenn derselbe fortan glücklich verläuft — Preussen immer in der Lage bleiben 
würde, bei einer Änderung der gegenwärtigen Lage der Dinge zu verlieren 
und in eine untergeordnete Rolle herabzusinken. Auch England will keine 
grossen Veränderungen in Deutschland, wenn es nicht dazu durch die Um¬ 
stände und durch das absolute Gesetz eines dringenden persönlichen Interesses 
durchaus gezwungen wird. Das hat es ja bei der Unterhandlung des Mr. 
Jackson in Wien 1795 bewiesen, und wenn es bei Malmesburys im Herbste 
1796 in Paris eröffneten Conferenzen anderen Maximen folgte . . . so war 
dies nur ein Opfer an die öffentliche Meinung. Von allen Höfen hat der 
Londoner in Petersburg den meisten Credit.“ Vielleicht will Russland sich 
in Deutschland eine neue feste Stellung schaffen, diese Lieblingsidee Peters 
des Grossen könnte ja durch seine Nachfolger wieder aufgenommen werden, 
die Verehrung für ihn ist grenzenlos; der Einfluss des russischen Despo¬ 
tismus, der eben in Polen ein Exempel statuiert hat, auf Deutschland könnte 
sehr belangreich werden. Bayerns Lage ist so bedrängt, dass man auf Frank¬ 
reich, wo man dem Frieden ferner als je steht, keine Rücksicht nehmen kann; 
man muss bei Russland Halt suchen, Paul soll die Garantie von Teschen 
für Bayerns Integrität erneuern und soll Bayern versprechen, ihm bei dem 
allgemeinen Frieden Entschädigung für alle Opfer zu verschaffen, er soll auch 
durch seine mächtige Vermittelung Bayern die englischen Subsidien zuwenden, 
die es zur Vermehrung und Mobilmachung seiner Truppen braucht, man hat 
sich darum auch an Preussen gewendet, mit dessen Truppen man am liebsten 
die bayerischen vereinigen würde. „Diese Subsidienfrage ist für Uns von um 
so grösserer Wichtigkeit, als sie Uns das einzige Mittel liefert, geziemend in 
dem Range zu erscheinen, den Wir unter den deutschen Staaten einnehmen, 
und als sie Uns zugleich die Hoffnung lässt, Unser Land von den klein¬ 
lichen Plackereien (vexations), die es erleidet, zu befreien.“ Man denkt viel¬ 
fach an eine Anleihe, doch da sie nicht unter 15# zu erreichen ist, würde sie 
das Land zu sehr belasten. Die Heirat führt hoffentlich zu einem förmlichen 
Allianzvertrage; eigenhändig fügt Max Joseph bei, die Ehe solle erst voll¬ 
zogen werden, wenn Ludwig das achtzehnte Jahr vollendet habe. Dies etwa 
waren die Instruktionen für den Herzog Wilhelm. 


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Arthur Kleinschmidt 


Die Reise ging sehr langsam voran, was Reckberg bei dem Heimweh 
nach seiner Häuslichkeit doppelt hart empfand. „Ich werde“, so schreibt er aus 
Fulda, 92 ) „mit einer Höflichkeit und Komplimenten behandelt, die mtcb, besonders 
wenn ich Kopfweh habe, toll machen. . . Die Wagen brechen jeden Augenblick“. 
Und aus Cassel, wohin sie über Hirschfeld nach nun achttägiger beschwerlicher 
Reise 93 ) gelangt waren: „Ich sah interessante Gegenden, dies bergige wilde 
Hessen, bewohnt von den tapfersten Deutschen, in Cassel ein Museum voll 
schöner Dinge — kurz, schöne Schlösser, schöne Bauten, Statuen, Truppen, 
Plätze“, doch zieht es ihn zur Gattin nach Schwabens sanften Thälern, und 
erbittert fügt er hinzu: „Dank der Intelligenz oder etourderie unserer Mün¬ 
chener Herren kann ich nicht in Petersburg bleiben, ich habe nicht einmal 
Vollmacht zum Unterzeichnen, auf alle Fälle also werde ich mit dem Prinzen 
zurückkehren und wahrscheinlich nicht einmal die Creditive") abgeben. Dies 
ist gewiss“. Über Braunschweig, wo die Herzogin ihn gnädig empfing und 
Alopäus ihn freundschaftlich aufnahm, reiste Rechberg mit dem Herzoge 
Wilhelm nach Hamburg, von wo er heimschrieb: 94 ) „Ich bin froh, diese 
Stadt morgen zu verlassen, in der man sich in eine neue Welt versetzt findet 
— eine beständige Bewegung, eine Bevölkerung von 120000 Seelen bei einer 
sehr eingeengten Stadt, ein unglaublicher Luxus, eine ringsum durch eine 
Menge Gebäude und Gärten bezeugte Opulenz — das ist das Tableau vor 
mir, welches mit dem Zustande meiner Seele derart koutrastirt“. Auf das 
neue Regiment in Bayern setzte der Baron geringe Hoffnungen, „die Elemente, 
aus denen es zusammengesetzt ist, sind zu heterogen, als dass es marschiren 
könnte“. 96 ) In Hamburg waren grosse Ausgaben für Garderobe nötig, in 
Lübeck fand er endlich Briefe von Marianne, die ihn in Entzücken ver¬ 
setzten. Doppelt unangenehm gestaltete sich ihm die Reise, weil der Herzog 
ihm unter lauter Komplimenten mit Misstrauen begegnete. „Jeder Tag bringt 
mir neue Gewissheit“, schreibt er im Begriffe der Abreise nach Warnemünde, 96 ) 
„dass er meine Ernennung nicht gewünscht hat. Trotz fast dreiwöchentlicher 
Reise habe ich ihm noch keine Ansicht über irgend welchen Gegenstand ent¬ 
locken können; er nimmt für sich die ausschliessliche Leitung von allem in 
Anspruch und zwei Rathschläge, die ich glaubte geben zu sollen, beantwortete 
man damit, dass man das direkte Gegentheil that. Meine anderen Gefährten 
sind dieser hoffärtigen Behandlung müde“, wenn dieselbe auch durch Höf¬ 
lichkeit verblümt werde. Obwohl ihm der Herzog versprochen hatte, nichts 
zu schreiben, ohne es ihm zu zeigen, diktierte derselbe seinem Begleiter M i e g 
einige Seiten in Chiffre und erzählte es Rechberg am folgenden Tage. 
„Seitdem“, so versichert der Baron, 97 ) „habe ich mich entschlossen, mich in 
nichts zu mischen und seiner hohen Weisheit alles zu überlassen. . . Die Herren 
von München haben mir glücklicher Weise zu dieser Absicht gedient; nach¬ 
dem sie mich mit einem Beglaubigungsbriefe versahen, fand ich erst unter¬ 
wegs, dass er der nöthigeu Formalität ermangelte und dass die Vollmachten 
fehlten, um den Kontrakt oder irgend etwas zu unterzeichnen. Mittlerweile 


a) Am 16. Juli 1799 war er zum Gesandten in St. Petersburg ernannt worden. 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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sind wir seit drei Wochen unterwegs, verzehren ein Riesengeld und reisen 
unter dem Vorwände der Ersparung und Schnelligkeit durch ganz Deutsch¬ 
land“. Ein frecher Diener hat leider zu grossen Einfluss auf Wilhelm und 
nimmt ihn sogar gegen den verdienstvollen Geschäftsträger in St Petersburg, 
Major von S u 1 z e r, ein. „Und doch hat S u 1 z e r nach A 1 o p ä u s’ Urteil 
Russland sehr gut kennen gelernt und ist der Einzige, der uns leiten und 
uns in Petersburg fuhren kann. Ich nahm es auf mich, ihn stets anf dem 
Laufenden zu erhalten, da ich die grössten Unzuträglichkeiten voraussehen 
wurde, wenn man ihn nicht hätte. Da ich nun kein Geschäft gleichviel 
welches unterzeichnen oder unterhandeln kann, bin ich Edelmann ä la suite 
und die erhofften Geschenke werden wahrscheinlich zu einer Dose zusammen¬ 
schrumpfen, die meine Reiseunkosten begleicht. Man muss gestehen, ich 
habe verfluchtes Pech, aber ich sah das alles voraus; Sulzer und ich ahnen 
und fürchten noch weitere Unannehmlichkeiten in St. Petersburg, wenn man 
fortan keinen Rat annimmt“ Rechberg litt auch empfindlich an Hitz¬ 
blattern am ganzen Körper, worüber er früher schon oft klagte, und was wohl 
seinen Missmut noch steigerte. Sein Brief vom 17. August meldete schliess¬ 
lich, Missverständnisse seien in der Ehesache des Erbprinzen von Mecklen¬ 
burg eingetreten, den Paul nun hart behandle, die Heirat habe im September 
sein sollen, jetzt aber höre man nichts mehr davon, und in Schwerin sei alles 
in der grössten Bestürzung, in St. Petersburg habe der arme mecklenburgische 
Vertreter von Lützow tausend Verdriesslichkeiten. Die Reisenden schifften 
sich bei gutem Winde in Warnemünde ein und wollten in Kronstadt landen; 
die Überfahrt war sehr stürmisch und brachte viel Leid mit sich, ein heftiger 

n 

Wind raubte ihnen das interessante Schauspiel, die auf der Höhe der Alands¬ 
inseln liegende britische Flotte in der Nähe zu sehen, denn er trieb sie plötz¬ 
lich weit davon ab. Anstatt in Kronstadt liefen sie in Reval ein und landeten 
nach langen lästigen Durchsuchungen und Verhören, die sie im Hafen zu 
bestehen hatten, am Mittage des 25. August; sofort gab es neue Schererei. 
Man brachte sie ins Haus eines Douauebeamten, das zwischen Hafen und Stadt 
lag, dann nach neuem Aufenthalte in das des Douanedirektors, der nach kurzer 
Zwiesprache mit dem Geschäftsträger von Sulzer den Dienern erlaubte, 
Wohnung zu suchen; nachdem das Gepäck durchsucht worden war, gab 
man den Gelandeten daraus, was sie für die Nacht brauchten, Sulzer ging 
zum Gouverneur, der es nicht für thunlich hielt, den Herzog Wilhelm die 
Reise fortsetzen zu lassen, weil der von Bühler ausgestellte Pass nichts von 
des Zaren Einwilligung besagte, doch versprach der Gouverneur, er werde 
sofort durch Estafette Pauls Befehle einholeu. Ehe Wilhelm den Gouverneur 
und den Kommandanten besuchen konnte — er hatte ja keinen Anzug frei be¬ 
kommen —, besuchten ihn diese am 26. und sprachen ihr Erstaunen aus, von 
seiner Ankunft nicht*benachrichtigt gewesen zu sein. ,Jb ) Sobald Paul von Wil¬ 
helms Ankunft erfuhr, liess er „dem Grafen von Neuburg“ durch seinen Günst¬ 
ling, den Grafen Fedor Wassiljewitsch Rostoptschin,*) schreiben: 99 ) 

a) Die Biographie dieses merkwürdigen Mannes giebt Kleinschmidt in „Hi¬ 
storisches Taschenbuch“, 6. Folge. 12. Jahrgang. Leipzig 1892. 


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Arthur Kleinschmidt 


„Herr Graf! 

„Der Kaiser, mein Gebieter, hat in diesem Augenblick erfahren, 
„Sie seien in Reval augehalten worden, und gab mir den ehrenvollen 
„Auftrag, Ihnen zu schreiben, wie sehr Ihn der Aufenthalt ärgere, zu 
„dem die sichere Annahme, der Herr Graf würde in Kronstadt landen, 
„Anlass bot. Seine Kaiserliche Majestät hoffen, dass Sie, von den 
„Mühen Ihrer Reise erholt, glücklich und gesund in Petersburg an- 
„langen werden. Um Ihre Reise abzukürzen, bitte ich, Sich dieses 
„Couriers bedienen zu wollen, den ich express absende, um die Befehle 
„des Kaisers an den Gouverneur von Reval zu bringen und die Relais 
„für Sie zu bereiten. Indem ich auf den Moment warte, wo ich die 
„Ehre haben werde, dem Herrn Grafen aufzuwarten, bitte ich die Ver¬ 
sicherungen tiefen Respekts zu genehmigen, mit dem ich die Ehre 
„habe, Herr Graf, zu sein 

Ihr ergebenster und gehorsamster Diener 
Graf Rostoptschin“. 

Wilhelm sandte diesen Brief in Kopie an Max Joseph/ 00 ) um ihm 
zu zeigen, dass die Reise nun unbeanstandet weiter gehen könne. Max Joseph 
ernannte am 18. August den Chevalier von Bray zum bevollmächtigten Minister 
in St. Petersburg mit 20 000 Gulden Gehalt und einer Pension von 3 000 Gulden 
auf die Güter des Malteser-Ordens, der Bankier von Dittmer in Regens¬ 
burg gab Bray einen Kreditbrief nach Petersburg. 101 ) Schon afn 13. August 
hatte Max Joseph dem Zaren die Ernennung des Gabriel Chevalier de Bray 
mitgeteilt, 102 ) „um die Freundschaftsbande fester zu knüpfen“; am 18. August 
erhielt Bray seine Instruktionen 108 ) und zu seiner ersten Einrichtung 5000 
Gulden; zweimal wöchentlich sollte Bray schreiben, und nach dem bei Max 
Joseph eingeführten Brauche, dem alle Diplomaten im Auslande nachzu¬ 
kommen hatten, sollte er alle fünf Jahre in Form eines Memoire ein möglichst 
vollständiges Tableau des russischen Hofes und Landes zur Belehrung 
seiner Regierung entwerfen 104 ). Sulzer blieb bei ihm als Legationssekretär. 
Paul hatte die neue Konvention vom 28. Juli (s. oben) völlig gebilligt, nur 
einen Zusatz zu Artikel 19 wegen seiner Zustimmung bei Dienstnahme von 
Mitgliedern des bayerischen Grosspriorats ausserhalb Bayerns gewünscht, 10B ) 
und Max Joseph theilte seinem Schwager mit, 106 ) die Malteserfrage sei er¬ 
ledigt, das Kapitel installiert und in voller Thätigkeit, Paul sei befriedigt und 
Max Joseph als Neugründer des Ordens anerkannt, Paul habe seinem 
Gesandten in London, dem Grafen Ssemen Romanowitsch Woronzow, 
Befehl erteilt, die Bemühungen des Kurfürsten um britische Subsidien zu 
unterstützen; 107 ) desgleichen schrieb Bray an Max Joseph, 108 ) der Orden 
werde zum neuen Bande zwischen Bayern und Russland. 

In Reval mussten die Reisenden Halt machen, um die Wagen, die 
auf der Reise entsetzlich gelitten hatten, wieder in Stand setzen zu lassen. 
Rechberg schrieb nach Hause lüö ): „Gern spräche ich Dir von dem Eindrücke, 
den ich bei dem Anblicke der gastfreundlichen Erde empfand, die während 
dieser unseligen Jahre so viele Unglückliche auf genommen hat, gern spräche 


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233 


Der Vertrag von Gatschina. 


ich Dir von den Gefühlen, die der schützende Geist einflösst, der über dies 
unermessliche Reich wacht und der, indem er Europas Ruhe sichert, den 
Individuen die Trümmer eines Vermögens, das sie eingebüsst haben, bewahrt 
— dies, meine Freundin, ist ja unser Fall, und wenn ich mir sage, dass wir 
uns jetzt der Kinder freuen können, die uns die Vorsehung schenkt, dass 
wir nicht mehr vor dem ihrer wartenden Lose zu zittern brauchen, wenn wir 
die gegenwärtige Lage unseres Vaterlandes mit der vor achtzehn Monaten 
vergleichen, so würden wir undankbar sein, wenn uns nicht ein Gefühl der 
Dankbarkeit gegen die Vorsehung bewegte, die uns in der Energie des Monarchen, 
der heutigen Tags Europas Geschicke lenkt, eine Stütze zu bieten wusste“. 
Eine bessere Zukunft schien aufzugehen. Auch als St. Petersburg erreicht war, 
gab Rechberg dieser Hoffnung an Marianne Ausdruck 110 ): „Da sind wir 
endlich nach über sechswöchentlicher Reise in dieser ungeheuren Hauptstadt, 
in der sich die Geschicke Europas abspielen . .. Ich glaube nicht, dass unser 
Aufenthalt lange dauern wird, und obwohl wir nicht daran denken, unser 
Haus zu verlassen, bevor der Herzog den Majestäten aufgewartet hat, so 
können wir zwar nichts sagen, hoffen aber, für die Rückreise der Rauhheit der 
Jahreszeit ausweichen zu können“. Je mehr er die grossen Verhältnisse erblickte, 
„die so vielen Ehrgeizigen Reiz bieten“, um so mehr sehnte sich Rechberg 
nach der Stille und dem Familienglücke daheim. Und wieder spricht er von 
der Europa bevorstehenden besseren Zukunft, die Siege der alliierten Waffen 
müssen ja allseits Jubel erwecken und „die Feinde der gesellschaftlichen 
Ordnung zu nichte machen“. Sobald die Reisenden, an einem Mittwoch, in 
St. Petersburg angelangt waren, bat Herzog Wilhelm um eine Audienz; Tags 
darauf sandte ihm Paul seinen Adjutanten General von Benckendorff,*) 
um ihn zu Paul zu bringen. Am Morgen des 8. September hatte Wilhelm 
in Gatschina Audienz bei Paul, dann bei der Kaiserin, wurde der ganzen 
Familie vorgestellt und berichtet 111 ): „Ich wurde, dieses Ausdrucks kann ich 
mich bedienen, an diesem Hofe installirt mit aller Anmuth und der ausge¬ 
suchtesten Zuvorkommenheit. Ich darf mit allen meinen Leuten bleiben, so 
lange ich will“. Wilhelm war bewegt über so viel Güte. Da der Hof bis 
zum i. Dezember neuen Stils in Gatschina blieb, so hoffte Wilhelm, seine Mission 
bis dahin erledigen zu können. Paul war voll Güte und verlieh ihm am 
9. September unter den herzlichsten Worten den St Andreas-Orden, die Kaiserin 
selbst zeigte ihm die inneren Gemächer des Palastes, übergab ihm für seine Gemahlin 
den St. Katharinen-Orden, und am 12. September erteilte Paul seinem Sohne den 
St. Alexander-Newski-Orden. Auch Rostoptschi n war voll Zuvorkommen¬ 
heit; „ohne den Titel eines Ministers zu führen, hatte er dessen Portefeuille“ b ) 
in Abwesenheit Kotschubeis inne, der in Ungnade gefallen und verwiesen 
worden war. Kaiser und Kaiserin billigten einstweilen das Heiratsprojekt, doch 
sollten die Grossfürstin und der Kurprinz später selbst entscheiden. „Uebrigens“, 
so schrieb Wilhelm, „beglückwünsche ich meinen lieben Neffen und uns 

a) Wilhelm nennt ihn irrig Baron. 

b) Am 6. Oktober 1799 wurde Rostoptschin erster Präsident des Kollegs der aus¬ 
wärtigen Angelegenheiten. 

Bayer. Forschungen VI, 4. 16 


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234 


Arthur Kleinschmidt 


Alle zu dieser Acquisition. Die kleine Grossfürstin ist in allen Beziehungen 
reizend. Da ich neben ihr sitze, so kann ich wohl bemerken, wie sie Geist 
und Sanftmuth besitzt, welche Talente, welche moralische Reife über ihre 
Jahre und ihren Körper hinaus; auch physisch ist sie sehr schön, aber noch 
wenig entwickelt. Im allgemeinen bietet die ganze kaiserliche Familie das 
schönste und, wenn ich so sagen darf, das interessanteste Bild, das es nur 
geben kann; Alle, von ihrem erhabenen Haupte an*), vereinigen Geist, sprühenden 
Witz, Liebenswürdigkeit und Zuvorkommenheit zu einem sonst schwer zu 
treffenden Grade“. Ebenso entzückt war Rechberg, der seit 9. September 
mit dem Herzog im schönen Gatschina wohnte. „Der Herzog“, schreibt er, l12 ) 
„ist über alles, was man hier für ihn thut, überglücklich: sein Debüt begleitete 
der St Andreas-Orden, und Du fühlst selbst, liebe Freundin, dass dieser 
Empfang auch uns zu einer Aufnahme verhalf, die ich weit entfernt war, für 
meine Person zu erwarten . . . Ich weiss mein Vaterland der Gefahr entrissen 
und geschützt von einer Macht, die ihrem Willen Achtung zu verschaffen 
versteht. Wir unserseits werden auch Anstrengungen machen; sie würden 
noch grösser sein, wenn ich die Unterhandlung zu führen hätte — aber unser 
Land ist reich an Menschen und an Lebensmitteln, man möge uns Geld liefern 
und wir werden alle Erwartungen zu überbieten wissen; man sollte über die 
Entwicklung von Mitteln staunen, die ich der ganzen Sache zugeführt hätte, 
wäre ich nicht lahm gelegt worden. Doch musste ich mich unterwerfen und 
wenn unsere Anstrengungen auch nicht jene grosse Ausdehnung haben, so 
sind sie doch nicht gering; vielleicht auch hätten mir kältere Rechner zu viel 
Hitze für eine Sache vorgeworfen, der ich alles, selbst meine Existenz opfern werde, 
wenn ich die Gewissheit haben kann, zu siegen und auf ewig den französischen 
Namen von unseren Grenzen zu entfernen . . . ich verspreche Dir,, ich werde 
bis zum Aeussersten treiben (je pousserai ä la roue), so lange eine französische 
Republik existiren wird“. Nachdem beide Grossfürstinnen am 1. Oktober 
geheiratet hätten, sollten die Festlichkeiten sechs Tage dauern und die Bayern 
dann abreisen, meldete Rechberg am 17. September aus Gatschina 113 ): „Ich 
bin sehr zufrieden über meinen Empfang und über die mir erwiesene Behand¬ 
lung. Ich danke diese glückliche Lage dem trefflichen Lützow, der mich 
berathen, geleitet und selbst über das Geringfügigste zuvor unterwiesen hat; 
kurz ich bin so glücklich, wie ich es nur sein kann . . . denn täglich begegneten 
mir Personen und die kaiserliche Familie mit einer Güte, die zu beanspruchen 
ich in keiner Weise berechtigt war.“ Enorm waren Rechbergs Ausgaben 
für die Feste, nie aber hatte er etwas Schöneres gesehen als die kaiserliche 
Familie, und er wusste nicht, ob die Schönheit oder die Erziehung der jungen 
Grossfürstiuuen mehr zu bewundern sei. Nur mit Wilhelm blieb er unzu¬ 
frieden, „da dieser bei allem die Herrschaft an sich riss“ und sich als Faiseur 
und Unterhändler benahm, der sich nicht raten liess; Rechberg behauptete, 
dadurch komme er um alle Vorteile der Reise und werde verhindert, interessante 
Bekanntschaften zu machen. Rostoptschin überbrachte dem Herzoge eine 
Kopie der Heiratskontrakte der beiden Grossfürstinnen, um darnach den 
a) Eine fast einzig dastehende Beurteilung Pauls. 


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Der Vertrag von Gatschina. 


235 


bayerischen zu entwerfen; alles schien spielend von statten gehen zu wollen, 
und Wilhelm glaubte, des Lobes übervoll, bald heimreisen zu können. Da 
Paul wünschte, dass das Depot des Condeschen Corps nach Rain am Lech 
oder nach Neuburg an der Donau verlegt werde und da der Generaladjvtant 
Graf Lieven versicherte, es handele sich nur um 150 Mann, erklärte der Herzog 
die Bereitwilligkeit des Kurfürsten zu allem Erwünschten 1M ). Kaiser Paul und 
die Kaiserin Maria beantworteten jetzt die Briefe Max Josephs vom 17. Juli, 
Pauls Brief ist von ihm unterschrieben, mit dem Kaiserwappen rot gesiegelt 
und „An Seine Kurfürstliche Durchlaucht, den Kurfürsten von Bayern, meinen 
Herrn Vetter“ adressiert; Marias Brief ist von ihrer Hand. Paul schrieb ,1R ): 

„Mein Herr Vetter! 

„Ich habe den Brief Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht vom 
„17. Juli erhalten. Ihr Verhalten gegen mich, Ihr frischer Eifer für 
„die gute Sache und alles, was mir der Herzog in Bayern von Ihren 
„persönlichen Gefühlen sagte, haben bis auf die letzte Spur das An¬ 
denken dessen ausgetilgt, was sich zwischen uns bei Ihrer Thron¬ 
besteigung begab. Gegenwärtig hängt es von Ihnen ab, mein intimer 
„treuer Alliirter zu werden und mit gutem Grunde das Recht zu erlangen, 
„auf meine Freundschaft zu zählen, wenn Sie so fortfahren, wie Sie 
„anfingen. I11 dieser Überzeugung sehe ich die Heirath des Erbprinzen 
„(sic), Ihres Sohnes, mit meiner Tochter, der Grossfürstin Katharina, 
„als zwischen Ihnen und mir festgesetzt an. Da aber meine Tochter 
„erst elf Jahre alt ist, so muss die Hochzeit auf den Zeitpunkt ver¬ 
schoben werden, wo der Prinz, Ihr Sohn, nach der Verfassung Ihres 
„Landes selbst volljährig wird. Und da ich meinen Töchtern ihre 
„freie Einwilligung selbst überlasse, so wird der Prinz einige Zeit vor 
„dem für die Hochzeit anberaumten Termine hierher reisen, um die 
„Hand meiner Tochter von ihr selbst zu erhalten, und wenn sie sich 
„gegenseitig gefallen, wird die Hochzeit hier gefeiert werden. Ich 
„schliesse diesen Brief mit der Mittheilung an Eure Hochfürstliche 
„Durchlaucht, dass es mir sehr angenehm gewesen ist, die Bekanntschaft 
„des Herzogs in Bayern zu machen und an ihm die Eigenschaften zu 
„entdecken, die ihm überall die Achtung und allgemeines Vertrauen 
„erobern. Niemals konnten wir so theuere Interessen Jemanden über¬ 
antworten, der dieser Beschäftigung würdiger wäre. Mit den Gefühlen 
„aufrichtigster Freundschaft und wahrster Zuneigung bin ich, 
mein Herr Vetter, 4 

Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht 
wohlaffektionirter Vetter 
Paul.“ 

Maria dankte verbindlich wegen der Werbung und fuhr fort: 116 ) 

„Die Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers auf die Anfrage 
„um unsere Tochter sichert Eurer Durchlaucht auch die meinige zu, 
„und wenn sich unsere beiden jungen Kinder gegenseitig gefallen, 
„nachdem sie sich gesehen haben werden, so werde ich diese Verbindung 

16* 


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236 


Arthur Kleiiischmitlt 


„unter allen Umständen mit Vergnügen betrachten, um so mehr als 
„das viele Gute, das der Herzog in Bayern mir vom Kurprinzen sagte, 
„mich das Glück meiner Tochter erhoffen lässt. Das schmeichelhafte 
„Empressement, welches Eure Durchlaucht bezeugt, sie Ihr Kind zu 
„nennen, sichert mir ebenfalls zu, dass Sie sie hüten werden, und so 
„werden alle Wünsche meines Herzens, das nur das Glück seiner 
„Kinder zum Gegenstand hat, erfüllt.“ 

Auf einen weiteren Brief, der das Porträt des Kurprinzen begleitete, 
antwortete Maria ganz eigenhändig: 1,7 ) 

Mein Herr Vetter! 

„Der Brief Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht und das ihn be¬ 
gleitende kostbare Geschenk, das Porträt meines zukünftigen Schwieger¬ 
sohnes, haben mir grosses Vergnügen gemacht; ich weiss die Freund¬ 
schaft Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht zu schätzen, ich kenne 
„Ihre Gefühle, die, ich versichere Ihnen, auf immer die Wechselseitigkeit 
„der mehligen und mein ganzes Vertrauen erobert haben, indem ich 
„Ihnen das Geschick, das Glück meiner lieben guten Catischa an- 
„vertraue. Man macht ihr Porträt; das erste Mal glückte es nicht, 
„man macht ein zweites besseres. Unsere Kleine wächst sehr, sie wird 
„sehr aufschiessen, ihr Ausdruck ist sanft, doch zeigt er eine gewisse 
„Heiterkeit, die Liebreiz über sie ausgiesst. Ihr Charakter ist, wie ich 
„zu versichern wage, gut, sehr gut, sie ist fleissig, ernste wie heitere 
„Studien werden nicht vernachlässigt. Eure Hochfürstliche Durchlaucht 
„sehen, ich spreche in vollem Vertrauen mit Ihnen; ich darf wohl in 
„Wahrheit sagen, sie wird Ihres Sohnes Glück werden. Ich bin über¬ 
zeugt, es verhalte sich ebenso mit der dem Prinzen gegebenen Er¬ 
ziehung, ich mache ihm mein zärtliches Compliment und fühle mich 
„sehr geneigt, ihn lieb zu haben. Eure Hochfürstliche Durchlaucht 
„werden mir das grösste Vergnügen bereiten, wenn Sie mir von Sich 
„Nachrichten geben und mir so Gelegenheit verschaffen, Ihnen das 
„Gefühl der ausgezeichneten Hochachtung und der aufrichtigen An¬ 
hänglichkeit zu erneuern, mit der ich aufrichtig bin, 
mein Herr Vetter, 

Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht 
wohlgesinnte und anhängliche Cousine 
Marie.“ 

Auch der Grossfürst-Thronfolger Alexander schrieb sehr verbindlich 
in Antwort auf Max Josephs Brief vom 16. Juli. 118 ) 

Max Joseph war überglücklich; er schrieb an Wilhelm, 119 ) Paul 
habe alle in München-Nymphen bürg geschlossenen Verträge und Konventionen 
wegen des Ordens als Grossmeister ratifiziert und seine Klausel zu Art. 19 
(s. oben) sei bewilligt, und an Paul schrieb er: 120 ) „Mein aufrichtigster Wunsch 
ist es, sich Bande bilden zu sehen, welche stets mein Haupttrost sein werden. 
Ich vertraue hierin völlig auf das, was Eure Kaiserliche Majestät hinsichtlich des 
Zeitraums und der Details in dieser Sache beschliessen werden; Ihre mir gütigst 


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Der Vertrag von Gatschina. 


237 


gegebenen Versicherungen Ihres Schutzes und Ihrer Freundschaft garantieren 
mir, dass meine Interessen nicht in besseren Händen sein könnten“, endlich an 
die Kaiserin Maria, 121 ) unter innigem Danke für ihren Brief vom 10. Sept.: 
„Wenn mein Sohn, wie ich hoffe, der Sorgfalt, die man für ihn hat, entspricht, 
so wird er, wie ich mir wenigstens schmeichele, sowohl des Loses, zu dem 
ihn die Vorsehung beruft, wie des Glückes, das ihn in seiner Häuslichkeit 
erwartet, würdig sein.“ Da alles wegen des Ordens geregelt war, so erübrigte 
nur noch, dass Paul als Grossmeister jemanden in München und zwar wie 
üblich, ein Mitglied des bayerischen Priorates akkreditiere; Max Josephs 
Ratifikation überbrachte ein Kourier Flachslandens nach St. Petersburg, und 
auch die Depotfrage wegen des Cond eschen Korps wurde nach Pauls Wünschen 
erledigt, wofür dieser am 1. Okt. Max Joseph dankte. 121 *) Fürst Bretzen¬ 
heim protestierte gegen die Neugestaltung der bayerischen Zunge des Malteser- 
Ordens. Herzog Wilhelm aber sollte nun schleunigst die zwei Dinge zu 
Ende führen, von denen Max Joseph sagte: „ich sehe die für uns denkbar 
wichtigsten an, die Heirat und die Allianz.“ 122 ) Die Verhandlungen führten 
rasch zum Erfolge, Kaiser Paul bevollmächtigte unter Gegenzeichnung 
Kotschubeis den Vizekanzler, wirklichen geheimen Rat, wirklichen Kammer¬ 
herrn, St. Alexander - Newski - Ritter, Grosskreuz des St. Wladimir- 
Ordens 2. Klasse und Komtur des Malteser-Ordens, Grafen Viktor 
Pawlowitsch Kotschubei, und den wirklichen geheimen Rat, Mitglied 
des Kollegiums der auswärtigen Angelegenheiten, Oberpostdirektor, Ritter des 
St. Andreas-, St. Alexander-Newski- und des St. Annen-Ordens 1. Kl., 
Grosskanzler und Grosskreuz des Malteser-Ordens, Grafen Fedor Wassilje- 
witsch Rostoptschin, „um die alte Harmonie der beiden Höfe zu bekräf¬ 
tigen und alle möglichen Missverständnisse für die Zukunft zu beseitigen“, 
zu Unterhandlungen mit den bayerischen Bevollmächtigten Herzog Wilhelm 
in Bayern, Pfalzgrafen bei Rhein, der am 30. 19. Sept Rostoptschin 
gebeten hatte 124 ) „die Verfügungen zur Bewaffnung, die sich aus dem Allianz¬ 
vertrage ergäben, zu beschleunigen“; der Zweck war der Abschluss eines 
Freundschafts- und Allianzvertrages. Derselbe erfolgte am 1. Okt. 20. Sept. 
zu Gatschina. Ein Exemplar mit den Wappen Kotschubeis, Rostoptschi ns 
und Wilhelms liegt im geheimen Staatsarchive in München, wörtlich ist 
der Vertrag mit seinen 8 Artikeln abgedruckt bei George Frederic de Martens, 
Supplement au recueil des principaux traites, (Bd. 2, Göttingen 1802) und im 
Auszug bringt ihn die Histoire abregee des traites de paix, entre les puissances 
de l’Europe depuis la paix de Westphalie par feu M. de Koch, augmentee et 
continuee par F. Schoell (Bd. 5, Paris 1817). Ferner steht der Vertrag im 
Bd. 6 des „Recueil des traites et conventions conclus par la Russie avec les 
pays etrangers“ von Martens (St. Petersburg 1883.) 

Zu Bevollmächtigten wegen des Ehevertrages ernannte Paul gleich¬ 
zeitig 125 ) den Grafen Nikolai Petrowitsch Rumjanzow, Kotschubei 
und Rostoptschin, Max Joseph den Herzog Wilhelm. Die Mitgift 
der Grossfürstin wurde auf eine Million Rbl. fixiert; hiervou sollte die 
Hälfte nach Bayern gezahlt werden und zwar 250000 Rbl. bei der Hochzeit, 


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Arthur Kleinschmidt 


250000 sechs Monate darnach, die andere Hälfte sollte auf der kaiserlichen 
Bank in Petersburg bleiben und verzinst werden. — Paul versprach der 
Tochter aus besonderer Diebe eine jährliche Pension von 10000 Rbl. und 
die bisher alljährlich empfangenen 20000 Rbl. an Geschenken, Maria ver¬ 
sprach unter Garantie ihres kaiserlichen Gemahls 20000 Rbl. an jährlichen 
Geschenken; hierzu kam noch der grossfürstliche Trousseau. Als Gegen- 
mitgift versprach Max Joseph 250000 Rbl., deren Zinsen Katharina 
erhalten sollte, der Kurprinz sollte ihr zur Hochzeit 50000 Gulden, und 
jährlich 20,000 Gulden Taschengeld geben und dies nach seiner Thron¬ 
besteigung auf 30000 erhöhen, was alles en detail bestimmt ward. In 
Art. 18 hiess es, die Kurprinzessin sollte in keiner Weise in der Aus¬ 
übung „der griechisch-orientalischen“ Religion beschränkt werden, sollte 
in jeder ihrer Wohnungen eine Kapelle nach diesem Ritus haben, müsste aber 
Priester und Diener ihrer Kirche auf ihre Kosten erhalten; wenn es nötig 
sei, würde sie den Kurprinzen in die römischen Kirchen begleiten. Nach 
Abschluss der Verträge schrieb Paul dem Kurfürsten: ,2Ä ) 

„Mein Herr Vetter! 

„Da Ihr Herr Schwager, der Herzog in Bayern, zu meiner grossen 
„Befriedigung, und, wie ich mir schmeichele, auch zu der Eurer 
„Durchlaucht die Geschäfte, welche seine Reise veranlassten, beendet 
„hat, so sehe ich ihn mit aufrichtigstem Bedauern scheiden; seine 
„liebenswürdigen Eigenschaften haben ihm meine volle Achtung, meine 
„ganze Freundschaft erworben. Ich hoffe jedoch, ihn zu der Zeit 
„wieder bei mir zu sehen, wenn der Kurprinz unsere Bekanntschaft 
„machen wird, und ich versichere Sie, ich werde entzückt sein, wenn 
„den jungen Prinzen sein liebenswürdiger Onkel begleitet. Ich lebe 
„der Überzeugung, dass Eure Durchlaucht mir von Herzen helfen 
„werden, die Bande immer enger zu schlingen, die wir soeben schlossen, 
„und ich bin mit freundschaftlicher und aufrichtiger Zuneigung, 
mein Herr Vetter, 

Eurer Durchlaucht guter Vetter 
Paul. 

Und die Kaiserin gab ihren Gefühlen gleichzeitig Ausdruck, la7 ) in¬ 
dem sie Max Joseph versicherte, „Herzog Wilhelm hat sich so vollkommen 
unsere Achtung und Vertrauen errungen, dass seine Abreise uns empfindlichen 
Schmerz bereitet, er hat unsere Gefühle kaptivirt . . . W~ir könnten nichts 
Besseres thun, als ihm gegenseitig unsere Kinder an vertrauen.“ 

Nach Verabschiedung vom Hofe in Gatschina kehrten Herzog Wilhelm 
und seine Begleiter am 2. Oktober nach St. Petersburg zurück, um zur Abreise 
zu rüsten; Wilhelm sandte den Geschäftsträger von Sulzer voraus, damit 
die Ratifikation beider von ihm geschlossenen Pakte, wie ausbedungen 
worden war, binnen zwei Monaten nach St. Petersburg zurückgelangen könne, 
und schrieb dem Schwager ,L ' h ), er hätte zwar in beiden Pakten manches anders 
gewünscht, doch sei es nicht gelungen, seine Wünsche durchzusetzen; da 
Paul und Rostoptschin von der Ernennung des Chevalier von Bray 


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Der Vertrag von Gatschina. 239 


zum bayerischen Gesandten in St. Petersburg nichts wissen wollten, so müsse man 
davon vorerst absehen. Um bei Paul, „dem neuen Alliirten“ des Kurfürsten, 
keinen Verdacht zu erwecken, will Wilhelm Berlin vermeiden, hingegen 
Dresden besuchen. Die Reise hatte Wilhelm ausser seinen Geldern 13 200 Rbl. 
an Dosen und Ringen bei dem Juwelier Duval in St. Petersburg gekostet; 
im November 1799 liess dann noch die bayerische Regierung per Estafette den 
Wiener Juwelier Br uno Neuli n g mit goldenen brillantbesetzten Dosen nach 
München kommen, und der Kurfürst kaufte von ihm für 22710 Gulden Dosen 
und Ringe; auch kaufte die Hauptkasse bei dem Münchener Wechselhause 
Dallarmi drei Wechsel auf Petersburg zu je tausend Dukaten, wovon einen 
Kotschubei, den anderen Rostoptschin und den dritten das Bureau 
des russischen auswärtigen Amts erhielt 129 ). Wilhelm liess sich ferner an 
Präsenten 5030 Gulden aus der Hauptkasse vergüten 180 ). Im Gegensätze zu 
dem Herzoge, der alles gemacht hatte, war Rech berg, den derselbe ganz im 
Schatten gehalten, verstimmt. Am 8. Oktober schrieb er an Montgelas 181 ), 
Sulzer nahm den Brief mit. Er sagte, bisher habe er nicht geschrieben, 
weil er „auf die Rolle des Zuschauers beschränkt war“, und fuhr dann fort: 
„Meine Mitwirkung war unnötig, viele Gegenstände haben unsere Erwartung 
übertroffen. Ich habe keinerlei Verdienst an dem Geschehenen, die Umstände 
konnten uns nicht günstiger sein, die Dispositionen waren derart, dass man 
nichts zu thun brauchte, als die Vorteile, die man uns anbot, zu benützen. 
Ich beglückwünsche mich immerhin, dass ich in das interessanteste Interieur Zu¬ 
tritt erhielt“ War er doch Augenzeuge von Dingen, die seiner Meinung nach 
ganz Europa in Bewunderung versetzten; ihn frappierte Pauls Hinneigung 
zu Preussen und sein eingefleischter Hass auf Oesterreich; die Subsidienfrage 
in London schien glücklich voran zu gehen, nachdem sie lange nicht ziehen 
wollte, der Major Graf von Haslang war in London sehr thätig; Montgelas 
solle aber ja an die Spitze der bayerischen Truppen einen General „von be¬ 
gründetem militärischen Rufe“ stellen, nur daun sei „eine ehrenhafte Militär¬ 
konvention“ zu erreichen; von zwei angesehenen russischen Generalen hatte 
er gehört, das russische Heer sei weit schlechter als das oesterreichische und 
das französische. Rechberg teilte dem Minister wie auch dem Kurfürsten 
mit 182 ), Paul habe ihm unvermutet das Grosskreuz des St. Annen-Ordens 
verliehen, das er nicht habe ablehnen können, das er aber nicht trage, ehe 
er als St. Georgs-Ritter des Kurfürsten Erlaubnis habe. Und darüber, dass 
der Herzog mit seinen Fonds nicht auskam und noch 18000 „Mark“ darauf¬ 
legen musste, meinte er 138 ), könne niemand erstaunen, der Petersburg kenne, 
„ein Prinz muss dort bluten“, die Unterzeichnung des Vertrages koste dem 
Kurfürsten noch 24—30000 Rbl. mehr, und ohne einen Kredit von einer 
halben Million könne der Kurprinz nicht nach Petersburg kommen. Weit 
offener sprach sich der Diplomat seiner Vertrauten gegenüber aus: „Ich kehre 
zurück, von Widerwillen und Misslichkeiten übersättigt, ebenso arm wie ich 
ging.“ Es war ihm schwer gewesen, ihr freimütig zu schreiben, denn er 
fühlte sich stets von der russischen Regierung und vom Herzoge belauert; 
der Aufenthalt in Gatschina hatte fast vier Wochen gedauert, seit dem 2. Ok- 


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Arthur Kleinschmidt 


tober waren sie in Petersburg, am 9. Oktober wollten sie abreisen, und er 
hatte niemanden gesehen, kaum die Strassen der Stadt erblickt. „Mein böser 
Stern“, so klagte er, „hat wie gewöhnlich mich auch auf dieser Reise begleitet. 
Anstatt Minister, war ich Kammerherr des Herzogs in Gatschina und er wusste 
mich mit unvergleichlicher Gewandtheit von allen Geschäften fern zu halten; in¬ 
folgedessen wurde alles unterzeichnet und erledigt, während, wenn ''ich dabei 
gewesen wäre, mir dies wenigstens 4000 Dukaten in Geschenken und Geld 
eingetragen haben würde. Statt dessen nimmt der Herzog für über 60000 
Rubel in Juwelen heim und ich bin mit einem Ringe für 2000 Rubel und 
mit dem St. Annen - Orden verabschiedet — der Ring ist schon verkauft“ 
Rechberg brauchte zur Rückreise Geld und hatte seinem Vater ein Anleihen 
zurückzugeben. „Ich habe“, so fährt er fort, „dem Herzoge erklärt, ich ver- 
liesse ihn in Königsberg, um nicht ein zweites Mal in die Unannehmlichkeit 
zu gerathen, in Dresden den Kammerherrn zu spielen . . . Der treffliche 
Uützow, dem ich niemals alles vergelten könnte, was er während meines Aufent¬ 
haltes für mich gethan, versuchte alles, um mich in den Vordergrund zu 
bringen, aber des Herzogs Manöver erlaubten es mir nicht ... In meiner 
Seele sitzt der Ekel.“ Seiner Verbitterung macht Rechberg in der un¬ 
günstigsten Schilderung des Herzogs Luft, der nach seiner Meinung grosse 
Thaten vollführte, während er voll Unterthäuigkeit gegen Paul und voll Ar¬ 
roganz gegen seine Begleiter auftrat „Ich aber sage und Sulzer wie Mi eg 
bezeugen es, er machte ohne meine Vorstellungen unbegreifliche Dinge; doch 
konnte ich es nicht verhindern, dass er von den russischen Ministern völlig 
übertölpelt wurde, sich wie ein Neuling anstellte und die Demüthigung erlitt, 
links von den russischen Ministern unterzeichnen zu müssen, glücklicher Weise 
dient zu meiner Rechtfertigung ein bei den Akten befindlicher Entwurf von 
meiner Hand. Die russischen Minister wussten ihm 25000 Rubel jährliche 
Zinsen, die der Kurfürst seiner künftigen Schwiegertochter geben soll, abzu¬ 
locken, ohnedass er sich dessen versah, und als mir die Ausfertigung zu 
Gesicht kam und ich die Überlistung bemerkte, gab er dies so wenig zu, dass 
er noch jetzt in Abrede stellt, getäuscht worden zu sein. Dieser Umstand 
entstellte dergestalt den ganzen Heiratskontrakt, dass es anstatt Vorteilen für 
das Kurhaus dahin kommen wird, dass die Grossfürstin, falls sie verwittwet, 
ausser ihrem Wittum eine Reveuue von 12 500 Rubel haben wird, die wir 
ihr zahlen, ohne zu wissen, warum? Das sind die Früchte der weisen und 
erleuchteten Massnahmen des bayerischen Ministeriums.“ Auch dieses unter¬ 
zieht Rechberg scharfer Verurteilung, er missbilligt seine Haltung gegen¬ 
über Bray und findet zumal verwerflich, dass das Ministerium „den unglück¬ 
lichen Jordan opferte, den auf Verlangen des Kaisers fortzuschicken der 
Kurfürst sich gezwungen sehen wird. Rostoptschin schrieb dem Herzoge 
eines Morgens, um ihm anzuzeigen, der Kaiser habe erfahren, dass der Kur¬ 
fürst einen gewissen Jordan als Adjutanten abgeschickt habe, der in Rastatt 
und Paris Spion des Grafen Goertz und des Herrn von Sandoz gewesen 
sei, und der Kaiser fordere von ihm als Freundschaftsbeweis die Entlassung 
dieses verdächtig scheinenden Meuschen. Der Herzog antwortet, ohne mich 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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zu fragen, auf der Stelle und verbürgt sich für die Sache; als ich ihm klar 
machen will, Jordan sei ein braver Kerl, erwidert er mir trocken, man müsse 
dem Kaiser zu Gefallen sein, warum auch nehme der Kurfürst alle diese Em¬ 
pfohlenen auf! . „Wir sind ja ziemlich glücklich gewesen“, so schliesst Rech¬ 
berg, „die Dispositionen waren aber so, dass ich noch doppelt so viel erreicht 
hätte. Um einen vollen Begriff von dem Kleinmute des Herzogs zu geben, will 
ich Dir sagen, dass er nicht nach Berlin geht, um nicht hier zu missfallen, und 
dass er, weil der Kaiser Petersburg nicht liebt, sich lieber in seinem Hause 
einsohloss, um Niemanden zu sehen . . . Ich möchte über Berlin gehen, doch 
kann ich mich nicht aufhalten, ohne bei dem Herzog Misstrauen zu erregen, und 
so werde ich wohl eiligst von Königsberg über Dresden oder Leipzig nach 
Regensburg gehen.“ 

Mit dem Chevalier von B r a y war es ganz eigen ergangen ; Paul wollte 
ihn nicht als bayerischen Gesandten, und Herzog Wilhelm war ihm abhold. 
Letzterer schrieb ihm: 186 ) es laufe das Gerücht 11m, Bray komme als be¬ 
vollmächtigter Minister des Kurfürsten, der Herzog aber bitte ihn „im Interesse 
des Dienstes des Kurfürsten inständigst“, seinen diplomatischen Charakter nicht 
zu zeigen, bis neue Befehle Max Josephs da seien. Es schien Bray, als 
glaubten Wilhelm und der Geschäftsträger von Sulzer, er habe sich zum 
Petersburger Posten gedrängt, während er ihn nur aus Opferwilligkeit über¬ 
nehmen wollte, und er gab dieser Anschauung in seinen Briefen an Max 
Joseph und an Montgelas wiederholt Ausdruck. Von St. Petersburg bis zur 
Grenze brauchten die bayerischen Reisenden vierzehn Tage, in Memel erwartete 
sie Bray. Der Herzog „machte ihm Eröffnungen in der Absicht, ihm von seiner 
Akkreditierung bei Paul vor Eintreffen neuer Befehle aus München abzuraten, 
und fügte hinzu, das Interesse des bayerischen Hauses erfordere dies,“ trat 
aber in keinerlei Details ihm gegenüber ein. Rechberg erzählte Bray, 
Paul habe Wilhelm den Wunsch geäussert, man möge Sulzer bei ihm 
akkreditieren, und Wilhelm habe es übernommen, für diesen Wunsch bei 
Max Joseph einzutreten; so peinlich es Bray war, derart kompromittiert zu 
werden, so opferte er seine Bedenken dem Staatswohle, wie er sofort nach der 
Begegnung mit Wilhelm an Montgelas schrieb; freimütig hatte er sich 
Wilhelm gegenüber, der ihm sein Wohlwollen beteuerte, geäussert. Aus 
Mitau benachrichtigte er den Grafen Rostoptschin am 30. Okt., ,a6 ): da er 
durch den Herzog erfahren, seine Wahl sei Paul missliebig, derselbe ziehe 
Sulzer vor, so habe er sofort in München seine Entlassung eingereicht und 
überreiche seine Kreditive gar nicht, sondern reise ab, sobald die bayerische 
Malteser-Deputation,'der er angehörte, ihre Abschiedsaudienz bei Paul gehabt 
habe; diesen lobte er über die Massen, und zugleich bat er Rostoptschin, 
ihm als Rechtfertigung der Welt gegenüber eine kaiserliche Gnadenbezeugung 
zu verschaffen. Um alle Hindernisse zu heben, reichte er thatsächlich seine 
Entlassung ein. ,S7 ) 

Rechberg, der aus Russland weniger wegen der russischen Über¬ 
wachung als wegen des Argwohns Wilhelms selten geschrieben hatte, fühlte 
sich durch die kurfürstliche Regierung zurückgesetzt, sie schickte ihn weder 


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Arthur Kleinschmidt 


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nach Wien noch nach Berlin als Gesandten und betraute den Grafen Haslang 
mit den Subsidienunterhandlungeu in London. GeorgIII. gab seinem Minister 
in der Schweiz, Wickham, Ordre, 188 ) einen Subsidienvertrag mit Bayern ab- 
zuschliessen, falls die bayerischen Truppen sofort bereit und die Bedingungen 
annehmbar seien; von dieser Ordre gaben sein Staatssekretär des Äusseren Lord 
Grenville Haslang und Graf Woronzow dem Baron Bühler Kunde; die 
20000 Mann, welche Bayern stellen sollte, erforderten natürlich mehr Zeit wie 
die ursprünglich projektierten 10000. Man musste für die erste Equipierung 
Geld haben und genügende Subsidien für den Unterhalt, keine Kleinigkeit; 
Max Joseph gestand selbst: „Die Erschöpfung, in der wir uns befinden, 
übersteigt alles, was ich Ihnen sagen könnte, und sie würde absolut aufs 
Äusserste gelangen, wenn in Bayern Winterquartiere gemacht würden.“ Nach¬ 
richten aus Wien zufolge möchte der dortige Hof jetzt gern aus der so weit 
vorgeschrittenen Sache Ehre und Vorteil ziehen, doch ist selbstverständ¬ 
lich Bayern der Schutz Russlands am wichtigsten. „Meine Carriere ist fertig, 
gleichviel, auch die schönste würde in diesem Dienste nie glänzend sein,“ 189 ) 
schrieb der gekränkte Rechberg, der sich vornahm, auf allen Ehrgeiz ver¬ 
zichtend, seiner Familie zu leben; am 26. Oktober verliessen die Reisenden 
Memel, am 29. trafen sie in Königsberg ein, und auf der Weiterreise über 
Küstrin verliess Rechberg den Herzog, „da er in Dresden nicht nochmals 
sein Cavalier sein wollte. Wir trennen uns übrigens in aller Decenz, ich 
weiss nicht, was er von mir denkt, vermuthe nichts Gutes, doch wird er mir 
wenigstens in München kein Unrecht anthun können.“ Und aus Amberg be¬ 
nachrichtigte er die Gattin, 14 ") er gehe nur auf kurze Zeit nach München, 
„um seinen Ruf und seine Ehre vor Vorwürfen sicher zu stellen, die man 
ihm machen könnte, wenn man auf die Petersburger Vorgänge sehe“; am 
28. Nov. nach kurzem Aufenthalt zu Regensburg in München eingetroffen, 
ging er sofort zu Montgelas, der ihn sehr gut aufnahm, und speiste Tags 
darauf bei Max Joseph; entzückt äusserte er sich über die Sulzer bei seiner 
Abreise nach St. Petersburg gegebenen Ordres. Im St. Georgen-Ordenskapitel 
forderte Max Joseph selbst für Rechberg die Erlaubnis, den St. Annen - 
Orden tragen zu dürfen, doch willigte das Kapitel nur mit knapper Not ein 
und stellte die Bedingung, dass dies der einzige Fall bleibe; Rechberg hörte 
viel Unaugenehmes über den russischen Orden, „durch den der St. Georgen-Orden 
erniedrigt sei;“ am 14. Dezember traf er auf seinem alten Posten und bei 
seiner Familie in Regensburg ein. ,n ) Seine Carriere war nichts weniger als 
beendet, sie begann erst. Im nächsten Jahre wurde er 142 ) Gesandter in Ber¬ 
lin, 1801 in Regensburg, kam im April 1801 in ausserordentlicher Mission 
nochmals nach St. Petersburg, wurde im Dez. 1806 königlich bayerischer Ge¬ 
sandter in Wien, blieb aber ein Feind Montgelas’; im Juli 1809 infolge des 
Kriegs abberufen, ging er nach dem Frieden von Schönbrunn wieder nach 
Wien, wurde 1815 Bevollmächtigter im Hauptquartiere der alliierten Mächte, im 
April 1816 Gesandter am Bundestage und nach Montgelas’ Sturz im Februar 
1817 Minister des königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten; 
kein Freund konstitutioneller Verhältnisse, ein eigenwilliger Charakter, sympathi- 


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Der Vertrag von Gatschina. 


243 


sierte er sehr mit den deutschen Grossmächten; am 28. Okt. 1825 trat er aus 
dem Amte, nachdem er am 11. Mai d. J. seine augebetete Frau verloren hatte. 
Am 25. Okt. 1810 war seinem Hause die alte Grafenwürde von 1609 erneuert 
worden, 1819 wurde der Graf erbliches Mitglied der 1. Kammer des König¬ 
reichs Württemberg, 1842 trat er alle Besitzungen seinem ältesten Sohne Albert 
ab, und am 10. März 1849 starb er auf Schloss Donzdorf im württembergischen 
Donaukreise, — einer der interessantesten Staatsmänner Bayerns. 

Nach unzähligen Widerwärtigkeiten war die Deputation der bayerischen 
Zunge des Malteser-Ordens, die Paul als Grossmeister huldigen sollte, bei 
ihr Bray, am Abende des 13. November 1799 in St Petersburg eingetroffen 
und im Malteser-Palaste installiert worden, den Bray alsbald mit dem Hause 
A praxi ns vertauschte; sie machte ihre Besuche bei dem Gouverneur, dem 
Generalprokureur, dem für Kotschubei als Vizekanzler funktionierenden 
Grafen Panin und bei den Maltesern. 148 ) Am 22. ,44 ) besuchte die 

Deputation den Maskenball in Gatschina, doch sprach der im Domino 
anwesende Zar-Grossmeister mit keinem von ihr. Tags darauf versammelte 
sich die Deputation in bayerischer Uniform in Gatschina bei dem Baron 
Flachslanden, wo um 11 Uhr der Ordenszeremonienmeister mit zwei 
sechsspännigen Galawagen vorfuhr; die Komture Graf Arco, Graf Preysing 
und Herr von Bray stiegen in den ersten Wagen, voran eilten Läufer, 

am Schlage ritt ein Stallmeister, Kammerlakaien in grosser Livree um¬ 
gaben den Wagen. Das gleiche Geleite hatte der zweite Wagen, in dem 
Flachslanden und der Zeremonienmeister sassen. Auf dem Schlosse 

wehten, wie üblich, die Fahnen von Russland und Malta, und als die 

Wagen im Schritt anlangten, trat die grosse Wache unter Gewehr. Am 
Hauptportale aussteigend, fand die Deputation die Gardes-ä-cheval in ihren 
Prunkuniformen in den Vestibules und Korridoren und auf den Treppen bis 
zu den für sie bestimmten Gemächern aufgestellt, was, wie Bray sagt, „eines 
der schönsten Schauspiele war, die er je sah.“ Aus diesen Gemächern holte 
sie alsbald der Oberzeremonienmeister Walujew ab, um sie in den Audieuz- 
saal, eine halbrunde Galerie, zu führen, wo der ganze Hof versammelt war. 
Paul sass auf dem Throne, mit der Kaiserkrone geschmückt, und auf einem 
Kissen neben ihm lag die grossmeisterliche Krone. Um ihn standen die 
Grosskreuze und Mitglieder des Ordensrates, die anderen Grosskreuze, Kom¬ 
ture und Ritter bildeten zwei Reihen längs der Galerie, und dahinter gruppierte 
sich der Hofstaat. Die Deputation trat vor, an ihrer Spitze Flachs landen 
im grossen Mantel, hinter ihm der älteste Komtur Arco, dann Preysing 
und Bray. Arco trug auf einer Goldplatte den Vertrag zwischen Paul und 
Max Joseph und die Kreditive des Grosspriors von Deutschland für Flachs¬ 
landen. Dieser hielt eine allen gefallende, ruhige und würdige Rede, worauf 
Graf Rostoptschin als Grosskanzler des Ordens die Platte aus Arcos Hand 
nahm und nach Flachslandens Vorbild alle Deputierten dem Zaren unter 
Kniebeugung die Hand zur Huldigung küssten. Nachdem Rostoptschin 
in seiner Gegenrede die volle Befriedigung Pauls über die Huldigung des 
bayerischen Grosspriorates ausgesprochen und Pauls seit Kindesbeinen gehegte 


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244 


Arthur Kleinschmidt 


Liebe zum Malteser-Orden betont hatte, küssten alle Malteser die Hand des 
Grossmeisters; er aber umarmte den Grossfürsten-Thronfolger, beide mecklen¬ 
burgischen Prinzen und den Erzbischof von Kasan, für den allein er sich er¬ 
hob; die Zeremonie ergriff Paul tief, und Bray sagt: „Man sieht, alles was 
dieser Fürst thut, geht ihm von Herzen.“ Tags darauf war Vorstellung bei der 
Kaiserin, Paul war voll Huld und verlieh Flachslanden den St Alexander- 
Newski-Orden, Flachslanden und die beiden Komture speisten an der 
kaiserlichen, Bray und der Zeremonienmeister an der Marschallstafel. Beider 
Vorstellung bei den Grossfürstiunen sahen die Bayern mit besonderem Interesse 
ihre künftige Kurprinzessin. Flachslanden schien im Vollbesitze kaiser¬ 
licher Gunst, als die Deputation am 26. Nov. nach St. Petersburg abfuhr; der 
Fürst von Bretzenheim als Grossprior der bayerischen Zunge, Herzog 
Wilhelm und Montgelas erhielten das Grosskreuz des Malteser-Ordens in 
Diamanten. Brays Stellung aber in Petersburg war noch immer ohne Halt, 
wenn er auch dem Grafen P an in Notizen über Bayerns Interessen einreichte l4ft ) 
und zuversichtlich an Montgelas über Pauls Haltung berichtete. 146 ) Max 
Joseph begriff die Schwierigkeiten, die Bray in Petersburg fand, gar nicht 
und hoffte stets auf einen gütlichen Ausgleich; für den Fall aber, dass 
Bray nicht in Petersburg bleiben könne, wollte er ihn zum Geheimrate machen 
und ihm seine 3000 Gulden Ordenspeusion lassen. 147 ) Als Paul Bray an- 
bot, sein Minister für den Malteser-Orden äu werden, lehnte Bray ab, doch 
genoss er bald zumal bei dem Thronfolger grosses Ansehen und blieb als 
bayerischer Minister in Petersburg. 

Max Joseph ratifizierte den von Sulzer überbrachten Ehe- und Allianz¬ 
vertrag, ,48 ) teilte dem ihm von Dresden her bekannten Alopäus und dem 
Baron Koch in Teublitz seine Freude darüber mit 149 ) und sandte Sulzer 
mit den Ratifikationen ab; er gab ihm vier mit Diamanten verzierte Tabatieren ,5 °- 
und einen Brief an Paul 161 ) mit, worin es hiess: 

„Sire! 

„Wenn ich Eurer Kaiserlichen Majestät die Freude schildern sollte, 
„die ich bei dem Empfang der Akte empfand, die mich so nahe mit 
„Ihrer Person und Ihrem Reiche verknüpfen, so müsste ich Ihnen die 
„unveränderlichen Gefühle wieder vorführen, die Sie ja kennen und 
„von denen Sie, wie ich mir schmeicheln darf, völlig überzeugt sind. 
„Mein im Schatten solch mächtigen Schutzes fortan beruhigtes Haus 
„wird nicht mehr die Gefahren, welche es so lange umdräuten, fürchten, 
„auch nicht die, welche es noch umgeben. Herr Sulzer, Oberst der 
„Infanterie in meinen Diensten, der beide Verträge hierher brachte, 
„wird auch die Ehre haben, Eurer Kaiserlichen Majestät deren Ratifi¬ 
kation zu überreichen“. 

Verschiedenes habe, schrieb Max Joseph noch entschuldigend, die 
Rückkehr Sulzers nach Russland unfreiwillig verzögert. 

Baron Montgelas nahm jetzt Anlass, seine Ansichten über die Verträge 
dem Kurfürsten in einem Berichte darzulegen. I62 ) „Da der Herzog in 
Bayern selbst in seiner letzten Depesche zu befürchten scheint, das Resultat 


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Der Vertrag von Gatschina. 


245 


seiner Unterhandlung könne einigen Erwägungen unterworfen werden, und 
da er sich auf einen Bericht, den er machen werde, bezieht, so glaube ich der 
Weisheit Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht einige Bemerkungen unterbreiten 
zu müssen, ausgehend von der Basis der Instruktionen und von der Art, wie 
diese ausgeführt worden sind“. Nach den Instruktionen sollte der Herzog 
dem Baron Rechberg sein volles Vertrauen schenken, hingegen ist derselbe 
über nichts befragt worden, erhielt auch erst sehr spät von den Instruktionen, 
die ihm sofort mitgeteilt werden sollten, Kenntnis — eine sehr empfindliche 
Behandlung für einen Minister, dessen Dienste und dessen Eifer Rücksichten 
erheischten. „Ich weiss“, sagt Montgelas, „er hat sich bei seiner Familie 
darüber beklagt. Dieses Verschweigen und die daraus entsprungene Ent¬ 
fremdung führten sogar ein thatsächliches Ärgernis herbei, indem der Herzog 
in Bayern als Reichsfürst und Schwager des Kurfürsten dem ausgesetzt 
ward, bei beiden Akten links von den russischen Ministem zu unterschreiben, 
ein Ärgernis, das hätte vermieden werden können, wenn er sich des Barons 
von Rechberg bedient hätte. Aus Herrn Sulzers mündlichen Erklärungen 
erhellt, dass die russischen Minister selbst dies erwarteten und mehrfach 
frugen, ob niemand zur Unterzeichnung autorisiert sei. Der Mangel an Voll¬ 
machten konnte kein Hindernis bieten, weil man da nachhelfen konnte, wie 
man es für den Herzog selbst thun musste“. Montgelas hat mancherlei 
Bedenken wegen des Heiratskontraktes; in betreff der Redaktion des Allianz¬ 
vertrags wurden weder Rechberg noch Sulzer befragt, das Ministerium 
der auswärtigen Angelegenheiten in St. Petersburg redigierte ihn und man 
Unterzeichnete ohne jede Abänderung. „Man kann nicht leugnen, dass die 
Art der Abfassung sehr starke Spuren der Quelle verrät, der er entstammt. 
Die Konzeption ist sehr zweideutig und man scheint fast immer mit der 
einen Hand wieder zu nehmen, was man mit der anderen gibt“. 

1. Zwar garantiert der Kaiser die Integrität der pfälzischen Besitzungen 
auf dem Status des Teschener Friedens, aber es ist nicht klar genug von der 
vollständigen Restitution der erlittenen Verluste und von den zu verwiegenden 
Entschädigungen die Rede; die dem Kaiser auferlegte Verpflichtung ist nicht 
klar, nicht präzis genug, obwohl dies doch der gordische Knoten des ganzen 
Geschäfts und der Hauptgegenstand des Kriegs gewesen ist. Man könnte 
dem Texte nach selbst zweifelhaft sein, ob es sich um die Lokalität der 
bayerisch-pfälzischen Provinzen handele oder einfach um die Besitzungen, 
welche der letzte Kurfürst von Bayern, Maximilian III. Joseph, hinterliess, 
was in letzterem Falle lediglich eine Garantie der Erhaltung Bayerns sein 
würde, die vom Wiener Hofe schon mehrfach atigeboten, die aber als nutzlos 
und als ungenügend verworfen worden ist. Die Instruktionen vom 22. Juli 
haben hierin eine viel grössere Präzision gefordert. 

2. Zwar verspricht Seine Russische Majestät Ihre guten Dienste, um 
von Grossbritannien Subsidien zu verschaffen, doch ist des Zaren Verbindlichkeit 
hierfür bei weitem nicht so klar wie die Bayerns, ihm ein Korps von 20000 
Bayern zu liefern, das am 1. März 1800 aktionsfähig sein muss; auch vergass 
man zu bemerken, dass, falls die Subsidien nicht verlangt würden, das 


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Arthur Kleinschmidt 


246 


Korps ebenso wenig ins Feld zöge; dem Staate wäre es freilich unmöglich 
gewesen, auf andere Art die Kosten zu bestreiten, und man hätte sich in der 
grössten Verlegenheit befunden, wenn uns die Verhältnisse nicht aus der 
Klemme gezogen hätten. 

3. Die Art, wie man die Restitution Ingolstadts versprach, bringt dem 
Hause Pfalz-Bayern einen notorischen Nachteil. Der Kaiser verpflichtet sich, 
dass dem Kurfürsten Schutz und Verteidigung von Ingolstadt übertragen 
werde, was den Anschein hat, als bedeute es die Abtretung einer ihm nicht 
gehörenden Sache, und was, wenn man nicht mit der schärfsten Aufmerksamkeit 
zusähe, zu dem Gedanken führen könnte, bei dem allgemeinen Frieden die 
Festung dem Wittelsbacher Hause als ein Entschädigungsobjekt in Anrechnung 
zu bringen. Die Festung aber, erbaut und verteidigt auf Kosten der bayerischen 
Kurfürsten, wurde immer als ein Partikulareigentum des Landes und nie als 
Reichsfestung angesehen. 

Trotz dieser Unvollkommenheiten des Vertrags von Gatschiua aber 
muss der Kurfürst ihn ratifizieren. „Wir leben“, bekennt Montgelas, „in 
einem Jahrhunderte, in dem Gewalt und Interesse alle Kräfte der Cabinete 
lenken; jeder Souverän, der nicht den Umständen entsprechende Mittel an¬ 
wendet, muss darauf gefasst sein, total geopfert zu werden oder wenigstens 
seine Interessen im Detail wenig geschont zu sehen“. Man muss froh sein, 
wenn Russland einen schützen will; setzt Oesterreich den Krieg mit Frankreich 
fort, so hat mau den Nutzen, dass Russland Pfalzbayern die kleinlichen 
Plackereien ersparen wird, die so oft das Resultat dieser Feindseligkeiten 
waren, und Frankreich wird den Kurfürsten wegen seines vermutlichen Kredits 
in Petersburg schonen; versöhnen sich anderenfalls Oesterreich und Frankreich, 
so muss Oesterreich auf Russland als bedrohliche Nachbarmacht Rücksicht 
nehmen, wird der Integrität Bayerns günstig sein und ihm auch bei dem 
allgemeinen Frieden eine gute Entschädigung verwilligen; verlässt endlich 
Russland die Koalition und schliesst mit Frankreich Frieden, „wie es thun 
müsste, wenn es jeder Leidenschaft entsagte, um nur seine wahrhaften Interessen 
zu befragen“, so wird Paul dies nie thun, ohne seine sämtlichen Alliierten 
zu benachrichtigen. „Die Loyalität des Charakters, die bei all seinen Wal¬ 
lungen durchdringt, bezeugt dies zur Genüge; und dieser Fürst ist gewiss 
mächtig genug, um es zu verhindern, dass die von ihm dem pfälzer Hause 
verschaffte Ruhe irgendwie gestört werde“. Man muss dem russischen Hofe 
klar machen, dass die britischen Subsidien und das bayerische Korps absolut 
reziprok, eines für das andere, sind; Bayern, das in jedem Falle den Schutz 
Russlands gewinnt, stellt sein Korps nur, wenn das russische Heer im Felde 
erscheint, und liefert nicht mehr als sein Kontingent, was Frankreich selbst 
nicht als eigentlichen Akt der Feindseligkeit betrachten kann; Bayern wahrt 
sich die Möglichkeit, ein Sonderabkommen mit der französischen Republik 
abzuschliessen, falls seine Lage unglücklich genug wäre, Bayern befürchten 
zu lassen, alle Welt gebe es preis und ihm bleibe nur diese letzte Zuflucht; 
diese Möglichkeit zeigt sich, wenn auch entfernt, jetzt schon. 

„Falls diese schrecklichen Vorahnungen sich bewahrheiten sollten, so 


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Der Vertrag von Gatschina. 


247 


wäre es ungemein wichtig, die Wahrheit nicht aus den Augen zu verlieren, 
dass es kein anderes Mittel geben würde, von diesem beschwerlichen Wege 
loszukommen, als im voraus ein gutes Verteidigungssystem zu kombinieren, 
die Armee bald auf die volle Stärke zu bringen, die auf 18000 Mann fest¬ 
gesetzt worden ist, und die nach Abzug des Kontingents noch 14—15000 Mann 
beträgt, und dieso Armee mit dem „Landfahnen“ zu amalgamieren, dessen 
Wiederherstellung man so oft schon vorgeschlagen hat. Indem Montgelas 
noch einmal an diese Wahrheit ermahnt, glaubt er sich einer wuchtigen 
Verantwortung enthoben; die Ausgaben, welche die militärischen Massnahmen 
machen würden, sind unzweifelhaft gross, die Finanznot ist arg, aber die Zeit 
fliesst mit einer Schnelligkeit dahin, dass auch der kühlste Beobachter er¬ 
schrickt; Frankreich wird nie Berechnungen über das Übel anstellen, welches man 
ihm zugefügt hat, wohl aber über das, welches man ihm noch zufügen kann; 
hiernach muss man die grössere oder kleinere Rücksicht bemessen, die man 
von Frankreich zu erwarten hat. Es handelt sich jetzt um das Heil, vielleicht 
um den Bestand des bayerischen Staates; ein solcher glücklicherweise seltener 
Fall rechtfertigt nicht nur die Anwendung ausserordentlicher Mittel, er provo¬ 
ziert sie sogar. Dies „Baron Montgelas“ Unterzeichnete Schriftstück versah 
der Kurfürst mit seinem „Gelesen und gebilligt. Max Joseph Kurfürst.“ 

Paul ratifizierte den Allianzvertrag unter Gegenzeichnung Rostopt- 
schins am 20. Dezember 1799; 1 fta ) bei dem Grafen Panin wurden am 
17. Januar 1800 die Ratifikationen ausgetauscht, wobei Sulzer die Geschenke 
folgendermassen nach seinem Gutdünken verteilte: 154 ) er gab die Kotschubei 
zugedachte Dose Panin wegen seiner Rolle als Austauscher der Ratifikationen 
und stellte Kotschubei statt dessen 600 Imperial in Gold zu, die zweite 
grosse Dose und 600 Imperial in Gold erhielt Rostoptschin, eine Dose 
mit Max Josephs Porträt Graf Rumjanzow, eine zweite der wirkliche 
Staatsrat Baron Koch, der eben als russischer Minister nach Regensburg 
gegangen war, die Kanzlei erhielt nur hundert Imperial iu Gold, doch stand 
der Imperial ungeheuer hoch, anstatt 10 Rbl. 16 Rbl. 70 Kopeken. Auch 
der neue Traktat mit dem Malteser-Orden mit der ewigen Einverleibung der 
vier zunächst liegenden Kommenden in das zur Apanage eines nachgeborenen 
Prinzen bestimmte Grosspriorat machte neue Geschenke „nötig und anständig“, 
wenn auch laut Nachrichten des letzten Kouriers aus Russland noch eine 
Summe auf die früher bewilligten Präsente ausstand; man konute die neue Aus¬ 
gabe nicht vermeiden, „ohne den zwar sehr kostspieligen, jedoch nun einmal 
angenommenen Gebrauch zu verletzen und dadurch dem Ansehen und dem 
Dienste des Staates zu schaden“; 166 ) für diese Geschenke musste Sulzer*) 
noch 6710 Rbl. auf die Gebrüder N ocker in München trassieren. 160 ) Zur 
Rechnungsablegung über die ihm für die Mission nach Russland vorge¬ 
schossenen 76646 Gulden am 10. März 1801 aufgefordert, erklärte Herzog 

a) Sulzer blieb Geschäftsträger in St. Petersburg mit 5000 Gulden Gehalt, machte 
Alexanders I. Krönung in Moskau mit, wofür ihm Max Joseph durch Erlass vom 
28. Juli 1801 15T ) 5000 Gulden vorschoss, wurde 1802 abberufen und erhielt 1803 bis auf 
weiteres als Oberst k la suite jährlich 3000 Gulden Gehalt. (K. Kreisarchiv). 


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Arthur Kleinschmidt 


Wilhelm am 16. März: er habe davon nur 50000 erhalten und habe „in 
der Voraussetzung, dass eine ordentliche Liquidation nicht gefordert werden 
möchte, über diese verschiedenen Personen zur Verausgabung an vertrauten 
Gelder, die überdies öfters mit seinen Privatgeltfern vermischt worden seien, 
keine specificierte Rechnung aufnehmen lassen“. Die Summe musste darum 
ohne weiteres „in Ausgabe dekretiert werden“, I58 ) was durch ein kurfürst¬ 
liches Reskript geschah. 15 y ) 

Bray war seit August 1800 Gesandter in London, wo er wegen der 
britischen Subsidien wesentliche Dienste leistete; Möntgelas hatte ja schon 
am 16. März 1800 mit Wiekham einen Subsidientraktat gegen Aufstellung 
eines bayerischen Hilfskorps von 12000 Mann geschlossen, dem am 15. Juli 
in Amberg eine Supplementarkonvention folgte. 1 * 10 ) Im Jahre 1802 wurde 
Bray bevollmächtigter Minister in Berlin, wurde von da am 2. Oktober 1807 
abberufen und 1808 ausserordentlicher Gesandter in St. Petersburg. Seit 1809 
königlicher Staatsrat, wurde er am 20. Februar 1813 in den bayerischen Grafen¬ 
stand erhoben. Nach Ausbruch des Kriegs zwischen Russland und Frank¬ 
reich verliess er 1812 St. Petersburg und leitete 1813 den Beitritt zur Heiligeu 
Allianz ein; von Dezember 1815—1823 war er bevollmächtigter Minister in 
St. Petersburg, seit 1823 ausserordentlicher Gesandter in Paris und seit 1826 
in Wien. Seit 1808 Mitglied der kgl. bayerischen Akademie der Wissen¬ 
schaften, schrieb er vielerlei, darunter eine dreibändige Geschichte von Livland 
(Dorpat 1817), die vergessen ist. Kaum in den Ruhestand getreten, starb er 
auf seinem Landgute Irlbach in Niederbayem am 3. September 1832. lßl ) 

Der Herzog Wilhelm, über dessen Mission Rechberg und Mont¬ 
gel as so wenig günstig urteilen, entschloss sich endlich am 12. Juni 1802 in 
München dem Kurfürsten seinen Bericht zu erstatten; 162 ) er behauptet, die 
traurigen Zeiten hätten ihn nicht früher dazu kommen lassen, er habe seiner¬ 
zeit alle Papiere zusammengerafft, um sie zu retten, und habe sie noch nicht 
ordnen können. „Wenn die Formen meiner Aufnahme“, so schreibt er, „mir 
von guter Vorbedeutung scheinen mussten, so genügte hingegen die erste Er¬ 
wägung über die Art der mir dort bereiteten Existenz, um mich der Hoff¬ 
nung zu berauben, ich könne all die allgemeinen Instruktionen des Instruk- 
tionsmemoire vom 22. Juli 1799 erfüllen“. Das Schwierigste war, sich Kennt¬ 
nisse über ihrer Natur nach geheime Affären aus dem Innern des kaiser¬ 
lichen Palastes zu verschaffen, wo er sogar nachts von Beobachtern jeder 
Art umgeben war, „Gatschina und Petersburg schienen endlos weit von ein¬ 
ander“. Die grössten Hindernisse kreuzten jede Verbindung mit dem diplo¬ 
matischen Korps, von dem er fast niemanden sah. Briefe des Kurfürsten und 
des Ministeriums fehlten ihm völlig; er wusste nicht, wie es daheim mit der 
Malteseraffäre weiter gehe, und konnte darum seine Instruktionen hierüber 
nicht befolgen; desto grösser war, wie er sagt, sein Eifer für beide anderen 
Objekte der Mission. „Die Erkaltung des Kaisers gegen die Coalition und 
der Leichtsinn, mit dem sein unwissender und oberflächlicher Minister die 
Geschäfte betrachtete, welche nicht direkt die Mächte ersten Ranges be¬ 
trafen, waren wenig günstige Präliminarien zum Erfolg beim Anträge einer 


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Der Vertrag von Gatscliina. 249 


Allianz zwischen beiden Höfen. Ich hätte daran verzweifeln müssen, wäre 
mir das Gelingen nicht dadurch möglich erschienen, dass ich den Kaiser 
durch Demonstrieruug der Macht des Kurfürsten blendete; dies steigerte 
einerseits den Wert, den Seine Majestät auf die Etablierung seiner Tochter 
legte, anderseits ebnete es dem Kaiser gar sehr den Weg zu einem seine 
Ideen viel beschäftigenden Vorhaben. Er wollte nämlich unter seinem Banner 
in Deutschland eine Partei bilden, die dazu diene, Russland zum Schieds¬ 
richter zwischen dem Könige von Preussen und dem römischen Kaiser zu 
machen; Hass und Missachtung gegen beide Monarchen hatten mindestens 
ebenso viel Anteil au dem Entstehen dieses Projekts wie sein ritterlicher Ehr¬ 
geiz“. Das Projekt hatte aber so wenig feste Form, dass Paul schon bei 
der zweiten Unterredung Wilhelm frug, welchen Weg zum Ziele er wohl 
am besten einschlüge; die Resultate des Projekts waren einige unzeitige 
Schritte, und nach dem kriegerischen Missgeschicke in der Schweiz und in 
Holland liess Paul die Idee fallen. Unterdessen ging Wilhelms Hoffnung 
in Erfüllung: Rostoptschin brachte in kaiserlichem Aufträge die Heirats¬ 
kontrakte der Grossfürstinnen Alexandra und Helene Pawlowna*) und 
ein Verzeichnis*') der an 100000 Rbl. betragenden Geschenke des Erbprinzen 
von Mecklenburg-Schwerin; Wilhelm entwarf auf Pauls Wunsch selbst 
ein Eheprojekt, sandte es Rostoptschin, 0 ) und Paul war damit sehr zu¬ 
frieden. Sobald Rostoptschin dem Herzoge von den Schritten bei Whit- 
worth und Woronzow gesprochen hatte, schrieb derselbe au Haslang in 
London. Da änderte sich mit einem Male die Lage. Paul wetterte bei 
Wilhelm beständig auf „die feigen und treulosen Alliierten, für die er sich 
nicht opfern wollte“, Rostoptschin spielte den Kranken und war nicht zu 
sprechen, und Wilhelm musste sich schliesslich glücklich preisen, als er 
von Rostoptschin die zwei Entwürfe zur Unterzeichnung und Besiegelung 
erhielt/) so ungebräuchlich diese Form auch war. Die Umstände übten ge¬ 
bieterisch ihren Druck; machte der Herzog Schwierigkeiten, so stand der 
ganze Handel in Frage. Da kam Graf Kotschubei, der bisher am Hofe 
nicht erschienen war, und den Pan in bereits ersetzt hatte, an und erklärte 
Wilhelm, er werde sich glücklich schätzen, wenn er seine Verwaltung noch 
durch den Abschluss der Verträge illustrieren könne, und habe alles vorbereitet, 
um dies zu erreichen. Tags darauf erfolgte die Unterzeichnung und, mit Ehren 
überhäuft, reiste Wilhelm ab; nicht genug kann er Rechberg und Sulzer 
loben, er behauptet direkt: „Ich habe keinen Schritt gethan, ohne den Rat 
Baron Rechbergs eingeholt zu haben“. 

Aufrichtig betrauert er „den Verlust Pauls, dieses loyalen Alliierten 
und wärmsten Freundes des Kurfürsten“, er will ihm ewig dankbar bleiben 
und bewundert an ihm „viele grosse und ausgezeichnete Eigenschaften, die 
Nahestehende gleich ihm anerkennen mussten“. 

Herzog Wilhelm starb, seit 1824 verwitwet, am 8. Januar 1837 in 
Bamberg. 

a) Sie liegen in Kopie bei. b) Desgleichen, c) Desgleichen, d) Desgleichen. 

Bayer. Forschungen VI, 4. 17 


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Quellennachweise, 


1) Kopie (Kasten blau 427/36) G. St. A. in München. 

2) Original (Kasten schwarz 577/1) G. St A. in München. 1. Mission ä Peters- 
bourg 1797/99. Reichlin. 

3) Freiherr von Reichlin-Meldegg, Geschichte der Familie Reichlin von 
Meldegg, Regensburg 1881. 

4) Rechnung kurpfälzischen Hofzahlamts München pro anno 1799 (Kgl. Kreis¬ 
archiv München). 

5) Kgl. Kreisarchiv München. 

6) Reichlin an Max Joseph. St Petersburg 18. Mai 1798. Orig. (Kasten 
schwarz 577/1, Kasten schwarz 508/6). 

7) Reichlin an M ax J oseph. St Petersburg 26. Juli 1798. Orig, (ebenda). 

8) Kopie, (ebenda). 

8a) Kopie, ohne Datum. Kasten grün 57/38. 

9) Reichlin an Max Joseph. St. Petersburg 9. Dezember 1798. Orig, (ebenda). 

10) 9. Dezember 1798 (s. vorstehend). 

11) St Petersburg, 25. Dezember 17981 Orig. Kasten schwarz 577/1. G. St A. 

12) Mannheim, 6. Februar 1799. Orig, (ebenda). 

13) Du Moulin Eckart 

14) St Petersburg 10. März 1799. Kopie (Kasten schw. 577/1). 

15) Konzept, ohne Datum. (Kasten schw. 644/43). 

16) St. Petersburg, 19. März 1799. Orig. (Kasten schw. 577/1). 

17) D u Moulin Eckart. 

18) Imersath, 29. März 1799. Orig. Reichlin an Max joseph. (K. schw. 644/43). 

19) Imersath, 29. März 1799 (s. vorstehend). 

20) Reichlin an Vieregg, Riga 26. März 1799. Orig. K. schw. 577/1. 

21) K. schw. 644/43. 

22) Reichlin an Vier egg, 26. März (s. oben). 

23) K. schw. 644/43. 

24) Reichlin an Vieregg. Riga 26. und Imersath 29. März 1799. Orig. 
K. schw. 577/1. 

25) Reichlin an Graf Montgelas, Memel 20. April 1799. Orig. (Ebenda). 

26) 29. März 1799 (s. oben). 

27) Montgelas an Reichlin, München 8. Mai 1799. Konzept. K. schw. 577/1. 

28) Kopie im kgl. Kreisarchiv zu München. 

29) Nähere Darstellung bei Du Moulin Eckart. 

30) Instruktion für Herzog Wilhelm vom 22. Juli 1799 (Kasten rot 47/3). 

31) Instruktion für Herzog Wilhelm (s. vorstehend). 

32) Alexander au Max Joseph, Heidenhofen bei Donaueschingen 11. April 
1799. Orig. (Kasten rot 47/3). 

33) München, 16. Mai 1799, Kopie (K. schw. 398/34). 

34) München, 17. Mai 1799, Kopie (K. schw\ 398/34). 

35) Du Moulin Eckart — K. Th. Heigel in Allgemeine Deutsche Biographie 
(Bd. XXVII, S. 493 — 496 ). 

36) v. Martius, Akademische Denkrede auf Franz Gabriel Graf von Bray, ge¬ 
halten 1833 in der k. bayer. Akademie der Wissenschaften. Regensburg 1835. 


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Der Vertrag von Gatschiua. 


251 


37 ) Regensburg, 19. Mai 1799. Orig. (K. schw. 398/34). 

38) Ebenda. 

39) Wilhelm an Max Joseph. Landshut 11. April 1799. Orig. (K. rot 47/3). 

40) Wilhelm an Montgelas 11. April 1799. Orig, (ebenda). 

41) Montgelas an Wilhelm 11. April 1799. Konzept (ebenda). 

42) München, Kopie (K. r. 47/3). 

43) München, Konzept (K. schw. 398/34). 

44) Beides liegt nicht bei. 

45) München, 21. Mai 1799, Konzept (K. schw. 398/34). 

46) Du Moulin Eckart, Bd. 1, S. 108. 

47) Die Bemerkungen Max Josephs datieren aus Nymphenburg vom 29. Mai 1799 
(K. r. 47/3). 

48) 23. Mai 1799, Orig. (K. r. 47/3). 

49) 27. Mai 1799, Orig, (ebenda). 

50) Orig, (ebenda). 

51) Regensburg 28. Mai 1799, Orig. (K. schw. 398/34). 

52) Kopie ohne Datum (ebenda). 

53) Rechberg an Max Joseph, 28. Mai (s. oben). 

54) Brief Max Josephs an Herzog Alexander, München 27. Juni 1799, Konz. 
(K. r. 47 / 3 ). 

55) Memoire sur les circonstances actuelles, Kopie (K. r. 47/3). 

56) München, Konz. (K. schw. 398/34). 

57) An Rechberg, München, Konz, (ebenda). 

58) Regensburg, 7. Juni 1799, Orig, (ebenda). 

N 59) Rechberg an Max Joseph, Regensburg 10. Juni 1799, Orig. (K. schw. 398/34). 

60) Rechberg an Max Joseph, Regensburg 14. Juni 1799, Orig, (ebenda). 

61) An Max Joseph, Heidenhofen, 18. Juni 1799, Orig. (K. r. 47/3). 

62) München, 27. Juni 1799, Konz, (ebenda). 

63) An Max Joseph, Heidenhofen, 29. Juni 1799, Orig, (ebenda). 

64) Au Max Joseph, Heidenhofen, 4. Juli 1799, Orig, (ebenda). 

65) An Herzog Wilhelm, München 25. Juni 1799, Konz. (K. r. 47/3). 

66) Ohne Datum (ebenda). 

67) Rechberg an Max Joseph, 24. Juni 1799, Orig. (K. schw. 398/34). 

68) Rechberg au Max Joseph, Regensburg 3. Juli 1799, Orig. (K. schw. 398/34). 

69) An Rechberg, 4. Juli 1799, Konz, (ebenda). 

70) Rechberg an Max Joseph, 5. Juli 1799, Orig, (ebenda). 

71) Rechberg an Montgelas, Regensburg 5. Juli 1799, Orig, (ebenda). 

72) Rechberg an Montgelas, 9. Juli 1799, Orig, (ebenda). 

73) Max Joseph an Alexander, 7. Juli I799, Konz., Alexander an Max 
Joseph, 16. Juli 1799, Orig. (K. r. 47/3). 

74) München, Konz, (ebenda), 

75) Näheres bei Du Moulin Eckart Die Konvention steht in Martens Re- 
cueil des traites, Supplement II, Göttingen 1802. 

76) Kurfürstliche Geh. Rats-Akt 265/1. No. 15 im kgl Kreisarchiv, Kopien. 

77) Kopie, 18. Juli 1799 (ebenda). 

78) Rechberg an Marianne, München 13. und 15. Juli 1799, Orig. (Rech- 
bergsches Hausarchiv). 

79) Orig, (ebenda). 

80) München, Konz. (K. r. 47/3). 

81) München, 22. Juli, Konz, (ebenda). 

82) München, 16. Juli, Konz, (ebenda). 

83) K. r. 47 / 3 - 

84) An Maria und Alexander, 16. Juli 1799, Konz, (ebenda). 

85) Peterhof, 24. Juli 1799, Orig., von Paul signiert (ebenda). 


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Arthur Kleinschmidt 


86) München, 19. Juli 1799, Konz, (ebenda). 

87) Landshut 26. Juli 1799, Orig, (ebenda). 

88) Originalbriefe (ebenda). 

89) Konzept (ebenda). 

90) Max Joseph an Wilhelm, München, Konz, (ebenda). 

91) In Kopie beiliegend (ebenda). 

92) An Marianne, 3. August 1799, Orig. (Rechb ergsches Archiv). 

93) An Marianne, 4. August, Orig, (ebenda). 

94) 11. August Orig, (ebenda). 

95) Ebenda. 

96) Lübeck, 17. August an Marianne, Orig. (Rechbergsches Archiv). 

97) Ebenda. 

98) Rechberg an Marianne, Reval, 27. August, Orig. (R e chb er gsches 
Archiv). Wilhelm an Max Joseph, Reval 26. August Orig. (K. r. 47/3). 

99) Rostoptschin an Wilhelm, Pawlowsk, 17. August, Kopie (K. r. 47/3). 

100) Reval, 30. August 1799, Orig. (K. r. 47/3). 

101) Kreisarchiv in München. 

102) München, Konz. (K. schw. 644/43). 

103) K. schw. 577/2. 

104) Max Joseph an Bray, Konz., München 1. Sept. (K. schw. 577/2); Befehl 
Max Josephs, 2. Sept. (K. schw. 644/43). 

105) Paul an Flachslanden, 15. August Kopie (ebenda). 

106) München 25. August Konz. (K. r. 47/3). 

107) Siehe auch Du Moulin Eckart (Bd. 1, S. 195). 

108) Castel 16. September 1799, Orig. (K. schw. 577/2). 

109) An Marianne, Reval 27. August Orig. (Re chb er gsches Archiv). 

110) St Petersburg, 6. September, Orig, (ebenda). 

m) Wilhelm an Max Joseph, Gatschina 9. September, Orig. (K. r. 47/3). 

112) An Marianne, Gatschina 12. September, Orig. (Rechbergsches Archiv). 

113) An Marianne, Orig, (ebenda). 

114) Wilhelm an Max Joseph, Gatschina 12. Sept. 1799, Orig. (K. r. 47/3). 

115) Gatschina, 10. September/30. August Orig, (ebenda). 

116) Gatschina, 10. September/30. August, Orig, (ebenda). 

117) Ohne Datum, Orig., mit ihrem Alliauzwappen gesiegelt (ebenda). 

118) Gatschina 2. Oktober/21. September, Orig., ganz eigenhändig (ebenda). 

119) München, 15. September, Konz, (ebenda). 

120) München, 28. September, Konz, (ebenda). 

121) München, 28. September, Konz, (ebenda). 

121a) Gatschina, Orig, (ebenda). 

122) Max Joseph an Wilhelm, München 23. und 28. September, Konz, (ebenda). 

123) Russisches Original, Gatschina 1. Oktober/20. September. Mit grossem Wappen 
in Oblate. Russisch und französisch. (Geh. St-A. in München). 

124) Kopie (K. r. 47/3). 

125) Kopie, Gatschina i. Oktober/20. September (K. r. 47/3). 

126) Gatschina 2. Oktober/21. September, Orig., von Paul unterschrieben (K. r. 47/3). 

127) Gatschina 2. Oktober/21. September, ganz Original (ebenda). 

128) St. Petersburg 7. Oktober, Orig, (ebenda). 

129) Kurf. Geh. Rats-Akt 265/1. No. 15 (Kreisarchiv in München). 

130) Erlass Max Josephs vom 4. Dezember 1799, Kopie (ebenda). 

131) St. Petersburg, Orig. (K. r. 47/3). 

132) 8. Oktober, Orig, (ebenda). 

133) An Montgelas, St. Petersburg 9. Oktober, Orig, (ebenda). 

134) An Marianne, St Petersburg 8. Oktober, Orig. (Rechbergsches Archiv). 

135) St. Petersburg 8 . Oktober, Orig. (Schw. K. 577/2). 


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Der Vertrag von Gatschina. 


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136) Kopie (ebenda). 

137) Briefe an Max Joseph und an Montgelas, Mitau 30. Okt, Orig, (ebenda). 

138) Max Joseph an Herzog Wilhelm, München 18. Oktober, Konz. (K. r. 47/3). 
Vgl. auch Du Moulin Eckart, Bd. I, S. 203. 

139) Memel 25. Oktober, Orig. (R e chb e rgsches Archiv). 

140) 16. November, Orig, (ebenda). 

141) München, 29. November, 9. und 11. Dezember. Orig. (Rechbergsches Archiv). 

142) Allgemeine Deutsche Biographie, Artikel Heigels. (Bd. XXVII, S. 493—496). 

143) Bray an Max Joseph, 16. November, Orig. (K. schw. 577/2). 

144) Bray an Max Joseph, 26. November, Orig. (K. schw. 577/2). 

* 45 ) J 3 - Dezember, Kopie (ebenda). 

146) 4. und 16. Dezember, Orig, (ebenda). 

147) Max Joseph an Bray, 27. November und 17. Dezember, Kopien (ebenda). 

148) 7. November 1799, Konz. (K. r. 47/3). 

149) 30. November 1799, Konz., und 4. Dezember, Kopie (ebenda). 

150) Empfangsbescheinigung Sulzers an Montgelas, München 28. November, 
Orig. (Ebenda). 

151) München, 24. November, Konz, (ebenda) 

152) München, 22. November, Kopie (K. r. 47/3) 

* 53 ) Original in rotem Samtbande, mit prachtvoller Goldkapsel, in der das kaiser¬ 
liche Wappen ruht, und mit silbernen Schnüren im Geh. St.-Archiv zu München. 

154) Kurf. Geheime Rats-Akt. 265/1. No. 15, Kreisarchiv. 

155) Montgelas an das geheime Ministerial-Finanzdepartement, München, 19. Febr. 
1800 (ebenda) Orig. 

156) Max Joseph an die Hauptkasse, 24. Februar 1800, Kopie (ebenda). 

157) Kopie (ebenda) 

158) Montgelas au das geheime Ministerial-Finanzdepartement, 22. April 1801, 
Orig, (ebenda) 

159) An das geheime Ministerial-Finanzdepartement, 27. Juli i8or, Orig, (ebenda) 

160) Näheres bei Du Moulin Eckart, Bd. 1. 

161) Von Martius, Denkrede (s. oben) 

162) Eigenhändig unterschrieben. (K. r. 47/3). 


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Die Annäherung 

des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 

Von 

Friedrich Schmidt. 

J^bwohl die verschiedene Stellung, welche die Angehörigen des Wittels- 
bachischen Gesamthauses gegenüber der kirchlichen Reformation einnahmen, 
nicht nur die beiden Hauptlinien desselben, die pfälzische und die bayerische, 
sondern auch die verschiedenen Nebenlinien der ersteren teilweise in scharfen 
Gegensatz zu einander brachte, erlosch doch das Bewusstsein der Zusammen¬ 
gehörigkeit der einzelnen Familien gruppen nie vollständig und wurde von 
Zeit zu Zeit durch brieflichen Verkehr oder gegenseitige Besuche erneuert. 

Wie nun gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts allmählich eine 
immer vertrauter werdende Annäherung zwischen dem pfalz-neuburgischen 
und dem herzoglich-bayerischen Hause stattfand, soll auf grund neuer archivali- 
scher Forschungen 1 ) einer näheren Betrachtung unterzogen werden, die auch 
kulturgeschichtlich nicht ohne Wert sein dürfte, da sie einen Einblick in das 
gesellschaftliche Leben an den Höfen, sowie in die Art und Weise des Reisens 
und des persönlichen Verkehrs fürstlicher Personen zu jener Zeit gewährt 

Als die drei bayerischen Prinzen Maximilian, Philipp und Ferdi¬ 
nand sich Studien halber in Ingolstadt aufhielten, schickte Pfalzgraf Philipp 
Ludwig aus seiner nahe gelegenen Residenz Neuburg a. D. im November 
1588 seinen Hofmeister dorthin und Hess die jungen Herren zu sich auf die 
Schweinshatz einladen. Prinz Maximilian setzte seinen Vater, Herzog 
Wilhelm V., von dieser Einladung in Kenntnis und bat, indem er ver¬ 
sicherte, dass an seinen Studien nichts versäumt werde, um die väterliche 
Entscheidung. 9 ) Wie diese ausfiel, wissen wir nicht Aber der Besuch unter¬ 
blieb vorläufig. 

Im Juli des darauf folgenden Jahres wurde, wahrscheinlich auf eine 
erneute Einladung hin, die Reise unternommen, nachdem der Vater den Prinzen 
hiezu die Erlaubnis erteilt hatte. Sowohl Prinz Maximilian als auch sein 
Bruder Philipp erstatteten dem Vater am 14. Juli Bericht über den Verlauf 
der kurzen Reise und über die Aufnahme und Bewirtung, welche ihnen und 
ihrem Bruder Fefdinand von seiten des Pfalzgrafen und seiner Familie zu 
teil wurde. 8 ) 

Der Pfalzgraf hatte einen seiner Hofjunker nach Ingolstadt geschickt, 
um den Prinzen „den Weg zu weisen“, und als er vernahm, dass die Prinzen 
mit ihrem Gefolge nahen, schickte er ihnen noch mehrere Hofjunker entgegen, 


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Die Annäherung des pfalz-neuburgisehen Herzogshauses an das bayerische. 255 


um sie feierlich begrüssen zu lassen. Als man „schier auf eine viertel Meile 
zu dem Schloss gekommen war“, kam der Pfalzgraf selbst mit seinen zwei 
ältesten Söhnen Wolf gan g Wilhelm und Otto Heinrich, von denen der 
eine 11, der andere 9 Jahre alt war, ihnen entgegengeritten. Die gegenseitige 
Begrüssung fand in lateinischer Sprache statt. Dann ritt man nach dem 
Schlosse. Auf der Treppe wurden die Gäste von der Pfalzgräfin, ihren 
Töchtern und dem „Frauenzimmer“ empfangen. Bei dem darauf folgenden 
Essen hatten die fremden Gäste den Vorsitz. Nach dem Essen zog man auf 
die Jagd und „fieng“ mehrere Hirsche, von denen Prinz Maximilian selbst 
eineu schoss. Als sie heim kamen, „ist es Zeit zu dem Nachtessen gewesen“. 
Am andern Morgen hörten die fremden Prinzen Messe in ihrem Zimmer, 
worauf man um 9 Uhr zum Essen ging. Darnach wurden verschiedene 
Jagden abgehalten, sodass man erst „spät nach acht Uhr heim kam“, worauf 
die Gäste in ihrem Zimmer privatim speisten. 

Am dritten Tag hörten die fremden Prinzen schon früh um 4 Uhr 
Messe und zogen dann mit dem Pfalzgrafen in ein benachbartes Dorf, 4 ) wo 
man „unter Zelten“ frühstückte. Dann begann die Jagd, auf der 8 Hirsche 
„gefangen“ wurden, von denen Maximilian allein 3, und zwar einen durch 
den Kopf, schoss. Nach der Jagd fand im Schlosse das Essen statt, welches 
„zwei grosse Stunden währte“. Prinz Philipp teilt seinem Vater sogar die 
Ordnung mit, in der man zu Tische sass: Prinz Maximilian und er sassen 
„oben an“; ihm zur linken sass die Pfalzgräfin, der Pfalzgraf, dessen Schwester, 
Prinz Wolfgang Wilhelm, ein „Fräulein“, dann Prinz Otto Heinrich, 
„das andere Fräulein“ und Astor Leoncelli, der französische Sprachlehrer 
des Prinzen Maximilian; auf der andern Seite sass Prinz Ferdinand 
oben, nach ihm ein Vorschneider, dann P. Gregorius, der Beichtvater der 
bayerischen Prinzen, Quirinus Leoninus, der Lehrer der Prinzen, dann 
P. Everardus, der ebenfalls im Gefolge der bayerischen Prinzen sich befand, 
hierauf der andere Vorschneider, Dr. Fickler, der Privatlehrer des Prinzen 
Maximilian, dann Funck, der Kammerdiener der bayerischen Prinzen, 
zuletzt „der Statthalter und der von Pappenhaim“. 

Nach dem Essen wurde Abschied genommen, und die fremden Gäste 
zogen befriedigt wieder nach Ingolstadt Der Pfalzgraf hatte am dritten 
Morgen jedem der Gäste „einen spitzigen Diamant“ verehrt „mit freilicher 
Entschuldigung, dass er sie nicht besser traktiert“ habe. Die bayerischen 
Prinzen schenkten dem Prinzen Wolf gan g Wi 1 heim die Dialoge des Pon- 
tanus, 6 ) „gar schön eingebunden“, und dem Prinzen Otto Heinrich die 
Litaniae de Passione D ni et B. Mariae ex scriptura sacra; „doch hat solches 
der Herr Quirinus zuvor mit ihrem Praeceptor konferiert“. Mit dem ältesten 
der pfälzischen Prinzen wurde die Unterhaltung lateinisch gepflogen; jedoch 
hat er „lieber lateinisch gefragt als geantwortet“. Prinz Maximilian schreibt 
seinem Vater, dass der Pfalzgraf „in Reden und Conversation gar bescheideutlich 
gewesen und von Religionssachen nichts sich merken lassen“; was er mit 
ihnen geredet habe, sei „gemeiniglich vom Jagen oder neuen Zeitungen ge¬ 
wesen“. Hingegen meint Prinz Philipp, dass „es schad sei, dass die jungen 


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Friedrich Schmidt 


Vettern nicht katholisch sind; denn sie sonst fromm und freundlich seien“. 
Derselbe Prinz berichtet: „Soviel die Religion belangt, hat der Pfalzgraf einmal 
in dem Wagen gesagt, die patres 6 ) hätten gar einen neuen Orden; auf welches 
ihm geantwortet worden, dass ihr ordo ebenso alt sei als des Luthers neue 
Religion und führen nicht einen neuen Glauben wie der Luther, sondern 
den uralten katholischen Glauben; denn wiewohl ihr Orden an ihm selbst 
neu ist,, so führen sie dennoch keinen anderen Glauben als die Katholischen 
zu allen Zeiten an allen Orten gehabt. Sonst ist im wenigsten kein Meldung 
geschehen und also sein wir Gott Lob friedsam von einander zogen. Den 
fratribus und D"°Quirino hat er sonderlich vor andern grosse Ehr erzeigt. 
In Summa hat uns gar freundlich und stattlich tractiert“. Weiter schreibt 
Philipp seinem Vater: „Es hat uns aber nichts mehr verdrossen, als dass 
wir den Predikanten haben müssen hören zu Tisch beten. Am Mittwoch 
haben sie wohl ein Predig gehabt und uns dazu geladen; wollten aber lieber 
uns zerhacken lassen, als ihre Predig oder Blasphemias anhören. Der P. Ever- 
hardus und D. Fi ekler sein wohl darzu gangen; denn sie licentiam haben; 
nichtsdestoweniger hat der Herr Quirinus nicht wollen dazu kommen“. 
Maximilian berichtet: „Pater Gregorius hat des Pfalzgrafen Predikanten, 
welcher ein Doctor theologiae sein will, 7 ) wohl eingeschenkt 8 ) und dahin ge-* 
trieben, dass er ihm nichts mehr hat antworten können“. 

Während in den folgenden Jahren der freundschaftliche Verkehr zwischen 
dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig und dem Herzog Wilhelm brieflich 
fortgesetzt wurde, gerieten der bayerische Hofrat Dr. Fi ekler und der 
pfälzische Hofprediger M. Jakob Heilbrunner in theologischen Schriften 
mit einander in einen heftigen Streit, der auch in den Briefen ihrer beider¬ 
seitigen Herren zum Ausdruck kam. 9 ) Im August 1591 stellte der Pfalzgraf 
dem Herzog in Aussicht, dass er ihn gelegentlich einer Reise nach Würzburg 
demnächst besuchen werde. ,0 ) Ob er seinen Plan ausführte, wissen wir nicht 

Zwei Jahre darauf aber statteten die Prinzen Philipp und Ferdinand 
dem pfalz-neuburgischen Hof einen neuen Besuch ab, worüber Ferdinand 
au seinen Vater, den Herzog Wilhelm, von Regensburg aus am 4. Sep¬ 
tember 1593 schrieb. 11 ) Er beruft sich auf ein weitläufiges Schreiben seines 
Bruders Philipp, aus dem der Vater bereits alles erfahren haben werde, er¬ 
wähnt aber dann, dass der Pfalzgraf, als sie bei einander am Tisch sassen, 
sich ungnädig über den Streit Fickl ers und Heilbrunners ausgedrückt 
habe. Da aber weder der Bericht des Prinzen Philipp vorliegt, noch im 
Briefe seines Bruders Ferdinand weitere Mitteilungen gemacht werden, sind 
wir über diesen Besuch der bayerischen Prinzen am pfalz-neuburgischen Hofe 
nur mangelhaft unterrichtet. 

Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Verkehr zwischen den beiden 
verwandten Fürstenhäusern in freundschaftlicher Weise fortgesetzt wurde, dass 
sich aber trotz alledem der religiöse Gegensatz bisweilen in unangenehmer 
Weise geltend machte. 

Die nächsten Jahre führten grosse Veränderungen am Münchener Hofe 
herbei; Prinz Maximilian übernahm, nachdem sein Vater Wilhelm sich ins 


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Die Annäherung des pfalz-neu burgischen Herzogshauses an das bayerische. 257 


Privatleben zurückgezogen hatte, im Oktober 1597 die Regierung des Landes. 
Sein Bruder Philipp, „der Kardinal von Bayern“, starb im Jahre 1598 vor 
vollendetem 22. Lebensjahre. Ferdinand residierte seit 1595 als Koadjutor 
seines Oheims, des Erzbischofs und Kurfürsten Ernst, in Köln. 

Die Söhne und Töchter des Pfalzgrafen Philipp Ludwig waren 
stattlich heran gewachsen und sorgfältig erzogen. Insbesondere erfreute sich 
der älteste seiner Söhne, Wolfgang Wilhelm, bei allen Höfen, die er seit 
erlangter Grossjährigkeit besuchte, allgemeiner Beliebtheit. 12 ) In den ersten 
Tagen des Jahres 1600 schickte Herzog Maximilian einen ausserordentlichen 
Gesandten, Wolf Sigmund von Haunsperg, mit gleichlautenden Em¬ 
pfehlungsschreiben an den Pfalzgrafen Philipp Ludwig, die Pfalzgräfin 
Anna und ihren Sohn Wolf gang Wilhelm nach Neuburg. Ähnliche 
Schreiben überbrachte Haunsperg von der Herzogin Elisabeth, der 
Gemahlin des Herzogs Maximilian. Pfalzgraf Philipp Ludwig dankte 
sofort nach Empfang des Gesandten dem Herzog und der Herzogin für das 
übersandte „Kredenzschreiben“. 

Bald darauf wurden Vorbereitungen zu einer Reise des Prinzen Wolf¬ 
gang Wilhelm nach München getroffen, woraus wir schliessen können, 
dass Haunsperg eine Einladung des bayerischen Herzogspaares an den 
neuburgischen Pfalzgrafen mündlich überbrachte. Am 20. und 23. Januar 18 ) 
fanden Sitzungen des geheimen Rates statt, in denen eine Reihe von Fragen, 
die die bevorstehende Reise des Prinzen betrafen, vom Pfalzgrafen beantwortet 
und alle darauf bezüglichen Beschlüsse gefasst und protokolliert wurden. 
Als Begleiter des jungen Pfalzgrafen wurden auserlesen Claus Peckhadel, 
Pfleger zu Lauingen, Wolf Heinrich Lemble, Landvogt in Neuburg, und 
Ludwig Veit Fuchs von Bimbach, Landrichter zu Graisbach und Pfleger 
zu Monheim, als Hofmeister des Prinzen Wolf gan g Wi lh elin. Für diese 
wurde eine ausführliche Instruktion, nach der sie sich auf der bevorstehenden 
„Spazierreise“ des jungen Herren in allen Punkten zu richten hatten, ent¬ 
worfen, gutgeheissen und im Original ausgefertigt. Der Eingang dieser 
Instruktion bezieht sich auf die Instruktionen und Memorialien, die sowohl 
dem Prinzen als auch dessen Begleitern bei früheren Reisen erteilt worden 
seien, und spricht die Hoffnung aus, dass der Prinz, nachdem er „zu Dero 
zimblicheu Jahren und Verstand gelangt“ sei, „vor sich Selbsten als ein wohl 
erzogener, christlicher junger Fürst sich auf dieser Reise fürstlich, wohl und, 
wie sichs geziemt, insonderheit aber gegen denen der Zeit zu München an¬ 
wesenden fürstlichen Personen aller Gebühr nach zu verhalten und zu accommo- 
dieren Ihro mit soliderem Fleiss angelegen sein lassen“ werde. Dann wird 
die moralische Beaufsichtigung des Prinzen seinen Begleitern zur Pflicht 
gemacht und dabei bestimmt: „dass auch ermelter unser Sohn mit fürstlichen 
oder anderen Personen sich nicht in hitzige disputationes, sonderlich in 
Religions- und Kriegssachen, einlasse, indem er fürnehmlich nur zuhören 
oder gleichwohl also vernünftig und bescheidenlicli davon Red und Antwort 
geben soll, dass nicht etwa den Affekten nach daraus präsumirt werden möge, 
als gedächte er einem oder dem andern Teil, soviel die politische Händel 


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Friedrich Schmidt 


258 


betrifft, dadurch mehr oder weniger zu favorisiren oder abzulegen“. Dann 
wird dem Medicus Dr. Johann Oberndorfer, der ebenfalls den Prinzen 
zu begleiten hatte, dessen körperliches Wohl ans Herz gelegt Der Kammer¬ 
diener Johann Rummel und Cancellist Leonhard Mayr haben neben 
dem beigegebenen Mundschenk für den Wein des Prinzen zu sorgen. Die 
sämtlichen Begleiter des Prinzen sollen „auch jedesmals, an was Orten oder 
Enden sie seien, wo möglich auf das nächst zu unserem Sohn logieren und 
also Tags und Nachts bei ihm sein und bleiben; zum wenigsten aber soll 
sein bestellter Hofmeister alle Nacht bei ihm in der Cammer liegen, damit 
er in alle Fäll, was sich etwa begeben möchte, die Seinigen bei sich haben 
und desto besser verwahrt sein möge“. Ferner heisst es: „Es sollen auch 
unsere zugeordnete Räte weder unter den Junkern noch Knechten oder anderm 
Gesinde das Gottslästern, überflüssig Trinken, Unzucht und Leichtfertigkeit 
in Worten und Werken oder auch onnötiges Disputieren gegen Fremden, es 
belange gleich die Religion- oder Kriegssach, wie auch das Zanken oder 
Balgen nicht zusehen oder gestatten, sondern dies alles bei all den Unsern 
gänzlich mit Ernst abstellen und verhüten“. „Es soll auch im Essen, Trinken 
und allem andern von den Junkern sowohl als den Knechten und anderm 
Gesinde gute Ordnung gehalten, kein Überfluss in nichten gebraucht oder ge¬ 
stattet, wie auch das Abtragen und unnützlich Verschwenden abgestellt werden“. 

Was die Ausgaben anbetrifft, solle der Hofmeister und die übrigen 
Beigeordneten dafür sorgen, dass „durchaus kein Übermass gebraucht, mit 
dem Geld Tätlich umgegangen und alles soviel möglich aufs genaueste ein- 
gezogen, auch durch den Cammerdiener Rummel über alle und jede ge¬ 
schehene Ausgaben zur Wiederkunft ordenliche und verantwortliche Rechnung 
gethan werden“. 

Nach mehreren Bestimmungen über aussergewöhnliche Vorfälle und 
über den Verkehr mit den Dienern und Räten des bayerischen Herzogs wird 
die Dauer des Aufenthaltes am herzoglichen Hofe bis längstens zum Ascher¬ 
mittwoch festgesetzt. Zum Schluss heisst es: „Und dann sollen sie uns auch 
zu ihrer glücklichen Wiederkunft, wie es auf dieser ganzen Reise in allem 
ergangen, was ihnen und zuvorderst unserm Sohn überall begegnet, ob und 
was für andere Fürsten und Grafen allda sich zur Stelle gefunden, was für 
Ritterspiel und andere Kurzweil gehalten und getrieben worden, wie man 
tractiert, und dergleichen mit Wiederüberbringung dieser unserer Instruction 
davon gebührende Schrift- und mündliche Relation thuen“ u. s. w. „Signatum 
Neuburg an der Thonaw u. s. w. 23. Januarij Anno 1600. Philipp Ludwig 
Pfalzgraue.“ Bei Verlesung der Instruktion waren zugegen der Pfalzgraf und 
sein Sohn, der Neuburgische Hofmeister Th. von Stralnfelss und die drei 
im Eingang der Instruktion genannten Begleiter des Prinzen. 

Ferner wurde „ein Verzeichnus, wass uff der Raiss nach München und 
daselbsten zu verehren“, an gefertigt und dem Prinzen und seinen Begleitern 
übergeben. In demselben ist genau vorgeschrieben, was man in Pfaffenhofen, 
Bruck, München, Starnberg, „im Fall man dahin komme, oder wo man von 
einander scheid“, ferner in Dachau, Aichach und Pöttmes an Trinkgeldern 


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Die Annäherung des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 259 


und sonstigen Geschenken verehren solle. Die Gesamtsumme aller dieser 
„Verehrungen“ auf der ganzen Reise beträgt 356 fl. 43 Kr. 

An demselben Tage, an dem die obenangeführte Instruktion ausgefertigt 
wurde, gingen zwei Schreiben des Pfalzgrafen Philipp Ludwig, eines an 
den Herzog Wilhelm, das andere an Herzog Maximilian, ab. In dem 
ersten ist mitgeteilt, dass der Vater seinem Sohne Wolf gang Wilhelm 
erlaubt habe, den Münchener Hof zu besuchen, da „wir unsers Teils von 
Herzen wohl geneigt und erbietig, die hergebrachte vetterliche gute Ver¬ 
standnus und Vertreulichkeit nicht allein für unsere Person durch Gottes 
Gnad mit E. L. 14 ) und allen Dero Zu- und Angewandten beständiglich zu 
continuieren, sondern dieselbige auch, soviel an uns, auf unsere beiderseits 
Posterität und liebe Nachkömmlinge zu transmittieren und fortzupflanzen“. 
Mutatis mutandis wurde dieses Schreiben auch an Herzog Ferdinand in 
Bayern, den Bruder des Herzogs Wilhelm, abgesandt. In dem an Herzog 
Maximilian gerichteten Schreiben dankt der Pfalzgraf zunächst für die 
Einladung, die jener dem Pfalzgrafen, seiner Gemahlin und seinen Kindern 
habe zukommen lassen; da er selbst aber „der im Weg liegenden Ungelegenheit 
halben“ von der Einladung keinen Gebrauch machen könne, so habe er seinem 
ältesten Sohn Wolfgang Wilhelm erlaubt, nach München zu reisen, damit 
dieser dort „der nahenden Verwandtnus halben sich geziemender Gebühr nach 
desto bekannter mache“; er hoffe, dass sein Sohn sich wohl verhalten werde, 
und bitte, falls irgend ein Mangel sich ergebe, diesen der Jugend desselben 
beizumessen. Auch die Pfalzgrafen Johann von Zweibrücken, Otto Heinrich 
von Sulzbach und Karl von Birkenfeld, alle drei Brüder des Herzogs von 
Neuburg, wurden von dem Vorhaben des Prinzen Wolfgang Wilhelm in 
Kenntnis gesetzt. 

Nach solchen Vorbereitungen brach Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm 
mit seinem Gefolge am 25. Januar von Neuburg auf und ritt gegen Pfaffen¬ 
hofen zu. Da man unterwegs die Grenze des neuburgischen und bayerischen 
Gebietes überschreiten musste, hatte der bayerische Herzog „drei vom Adel“ 
ausgeschickt, um die Gäste an der Grenze gebührend zu empfangen. Dabei 
ergab sich eine für unsere Begriffe kleinliche Streitfrage darüber, ob die 
Gäste diesseits oder jenseits der Grenze begrüsst werden sollten, indem man sich 
auf die „zwischen Bayern und Pfalz aufgerichtete Verträge“ berief. Als diese 
Frage durch Nachgiebigkeit der Bayern entschieden war, ging die Reise weiter 
nach Pfaffenhofen, wo der Pfalzgraf „in eine Herberge geführt, stattlich tractiert, 
freigehalten und ausgeleset 16 ) worden, wie dann die Köche und Silberknechte 
von München hingesandt gewest.“ In dem vorhin erwähnten Verzeichnis der 
„Verehrungen“ war festgesetzt worden, dass in Pfaffenhofen in der Herberg, 
„da Ir Frl. Gd. werden pernoctiren“, 2 fl. und dem Gesinde 30 Kr. ver¬ 
abreicht werden sollen. „Musicanten und Spielleuten, da sie sich würden 
anmelden, nachdem ihrer viel oder wenig, sollten ungefährlich wie hievor 
1 fl. oder 1 Thaler“ bekommen. 

Am nächsten Morgen wurde der Pfalzgraf „durch obgemelte Geleits¬ 
leute“ nach Bruck gebracht, wo man mittag speiste. Für den Wirt war im 


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Friedrich Schmidt 


„Verzeichnis der Verehrungen“ i Thaler Trinkgeld festgesetzt. „Da Pferd 
fürgespannt wurden, dem Knecht 15 Kr., einem Mezger oder andern, so den 
Weg weisen thut, 12 Kr.“ 

Als man in die Nähe von München kam, wurden die Gäste von 
Herzog Maximilian und seinem Bruder Al brecht, die „ungefähr eine 
viertel Meile von der Stadt mit 150 Pferden und dreien Gutschen sambt 
einem Schlitten entgegen herausser gekommen waren,“ begrüsst und „mit nacher 
München an der Stadt herum in die neue Veste 16 ) geführt.“ „Sein auch 
glücklich uud wohl mit Gottes Hülfe alldorten gegen Abend um 5 Uhren 
eingelangt, an welchem Ort Ihre f. G. 17 von Herzog Maximiliani Gemahel 
und Dero f. G. zwo Schwestern in dem Hof empfangen worden.“ Die 
jüngere der beiden eben genannten Prinzessineu war Magdalena, die 
spätere Gemahlin des Pfalzgrafen, die damals noch nicht 13 Jahre alt war. 
Herzog Ferdinand schickte sogleich seinen Hofmeister Löbel zu den 
Gästen und liess sich entschuldigen, dass er ihnen nicht entgegengeritten 
sei, da er „etwas schwach gewesen.“ „Nach solchem ist man zur Tafel 
gangen und weiter nichts fürgenommen worden“. 

Am nächsten Tag, Sonntag morgens, schickte Herzog Maximilian 
zum Pfalzgrafen und liess anfragen, ob er nicht mit ihm eine Predigt hören 
wolle. „Demselben Gesandten ist zur Antwort worden, Ihre f. Dht. 18 würde 
Zweifels ohne auss dem überschickten Futterzettel 19 ) vernommen haben, dass 
unser gnädiger Fürst und Herr selbsten einen Predigeanten mit hätte; wollten 
demnach S. f. G. in dem Gemach bleiben und von demselben Predig hören. 
Darbey ist es verblieben und hat unser gnediger Fürst und Herr in Dero 
Gemach predigen lassen.“ Der junge Pfalzgraf erfüllte somit den Wunsch 
seines Vaters, welcher in die den Begleitern seines Sohnes mitgegebene 
Instruktion folgende Bestimmung hatte aufnehmen lassen: „Es soll auch 
unser geliebter Sohn, soviel die Predigten göttlichs Worts belangt, es damit 
jederweil also anzustellen sich befleissigen, dass, wann unsere geliebte Vettern, 
die Herzogen in Bayern, sonderlich aber Herzog Maximilian, Mess oder 
Predigten halten lassen werden, er durch den mitgegebenen unsern Hofprediger 
an Sonn- und anderen gewöhnlichen Predigtägen auch eine christliche 
Predigt aus Gottes Wort halten lasse“. 

Nachdem im Verlaufe des Vormittags die Herzoge Maximilian, 
A 1 b r e c h t und Ferdinand den Gast begrüsst hatten, führte Herzog 
Albrecht nach eingenommener Mittagsmahlzeit den Pfalzgrafen in die 
herzogliche Kuustkammer, wo ihm alles gezeigt wurde, „was allda zu sehen.“ 
Dort fand sich auch Herzog Maximilian ein, der seinen Gast noch in 
die Harnischkammer geleitete. 

„Montags den 28. ist ein Ringrennen 20 ) gehalten worden; haben Ihre 
f. Dht. ein damascierte Cardalass 21 ) zum Besten geben, aber wiederum ge¬ 
wonnen und hernach wiederum eine Curier 22 ) darum zu thun verwilliget, und 
weiln alle Renner, deren bis in die 21 gewesen, des Rings gefehlt, ist er¬ 
kennt, dass unserm gnädigen Fürsten und Herrn solche Wehr zugestellt werde, 
wie beschehen, welche auf ein Hohes geschätzt worden“. Auch hierüber ent- 


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Die Annäherung des pfalz-neuburgiselien Herzogshatises an das bayerische. 261 


hält die öfters angeführte Instruktion der Begleiter des Pfalzgrafen Wolf¬ 
gang Wilhelm eingehende Vorschriften. Dabei heisst es: „So lassen wir 
es zu seiner Gelegenheit gestellt sein, ob er sich in einem und dem andern 
solchen Ritterspielen auch exercieren und dabei sein Bestes thun möge.“ 

Am 29. Nachmittags ritt der Pfalzgraf mit Herzog Maximilian, 
Ferdinand und Albrecht auf die Enten- und Krähenjagd, „bey welchem 
baissen as ) Ihre f. G. ein guten Lust gehabt“ 

Am nächsten Nachmittag führten die Herzoge Maximilian und Al¬ 
brecht ihren Gästin das Antiquarium und in den Lustgarten, hierauf in das 
Jesuitenkollegium, wo „etliche Jungen 24 ) Ihre f. G. auf unterschiedliche Sprachen 
salutiert und ein kleines Gespräch gehalten.“ Auch „der Kirchen Geschmuck“, 
die neuerbaute prächtige Jesuitenkirche, 25 ) wurde dem Pfalzgrafeu gezeigt 

An demselben Tage liessen die drei Begleiter des Pfalzgrafen, Peckadel, 
Lemble und Fuchs, ihren ersten Bericht an den Pfalzgrafen Philipp Lud¬ 
wig über die bisherigen Vorgänge auf der Reise abgehen. Gleichzeitig schrieb 
auch der junge Pfalzgraf einen ausführlichen Brief an seinen Vater, in welchem 
er ihm seine Aufnahme schilderte und versicherte, dass die bayerischen Herr¬ 
schaften, „gleichwohl nichts liebers hätten sehen mögen, als dass E. Gg. sich 
eigener Person hätten einstellen und sie sich mit denselben freundlich er- 
gezen und besprechen mögen; weil es aber in dissmaln nit gesein können, 
alss verhoffen sie, beede Euer Gg. werden auf künftige Gelegenheit dasselbe, 
so iezt nit beschehen mögen, ins Werk zu richten nit underlassen.“ Pfalz¬ 
graf Philipp Ludwig antwortete sofort nach Empfang dieser Berichte so¬ 
wohl seinem Sohne als auch dessen Begleitern. Am 1. Februar wurde ein 
„Müncherischer Curier“ mit beiden Schreiben von Neuburg abgesandt 

Mittlerweile wurden die Unterhaltungen am Münchener Hofe fortge¬ 
setzt. Am 31. Jan. führten die drei bayerischen Herzoge ihren Gast auf die 
Reiher- tlnd Entenbeitz. 

Am 1. Pebr. ritt der fremde Herr durch die Stadt, „dieselbe zu be¬ 
sehen“; Nachmittag war Stahelschiessen. 26 ) 

Am nächsten Tag hörte der Pfalzgraf eine Predigt; nach der Mahlzeit 
fand ein Ring- und Quintanenrennen a7 ) statt, „bey welchem Rennen Ihre fl. 
Dhl. und Anthoni F ucker mandanirdt“. 29 ) Hierüber enthielt die den Be¬ 
gleitern des Pfalzgrafen mitgegebene Instruktion folgende Vorschriften: „Die 
Ritterspil, allss da sein mögen zum Ringl, Quintan uundt paglia Rennen, 29 ) 
Fuessthurnier 30 ) unndt dergleichen belangendt, wann unnser Sohn denselbigen 
beywohnen wurde müessen und vernehmmen khan, das unnser Vetter Herzog 
Maximilian etc. selbsten mitrennen unndt sich darunder gebrauchen lassen 
will, solliche Ritterspil auch ohnmascerirt verrichtet werden dörffen, unndt er 
unnser Sohn sambt den seinigen sich darzue gefast befindet, So lassen wir 
es zur seiner Gelegenheit gestellt sein, ob er sich inn ainem unnd dem andern 
sollichen Ritterspilen auch exerciren unndt dabei sein bestes thun möge. Das 
manteniren aber in specie, sonnderlich zum Ringelrennen uundt im Fuess¬ 
thurnier betreffende khan er sich zwar desswegen anfangs inodestiae ergo allss 
noch ain Junger Fürst gebürlich wol entschuldigen; uff den Pall es aber an 


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Friedrich Schmidt 


Ine so hoch begert werden sollte unndt er sich sambt seinen leutten an 
Pferden unnd sonnsten darzue nach gelegenheit qualificirt befinden würdet, 
So mag er sich alssdann neben Herzogen Maximiliano etc. unnd den 
andern Fürstlichen Personen zue ainem Mantenitorn auch wol gebrauchen 
lassen unnd sein hail versuechen. Sonnsten aber ausser dess Mantenirens soll 
er bey dem Ringelrennen über die 20 oder zum höchsten 30 Dhaler oder 
Gulden werth mit ainem andern nit rennen. Wurden sich aber inn aim solli- 
chen fall andere Junge anwesende Fürsten mit ainem wenigem erzaigen, So 
waist unnser Sohn sich auch darnach zu reguliren unndt zu richten.“ 

„Wann man auch etwan inn zeitt unnsers Sohns anwesens zue München 
Inn der mascera gehen wurde unndt es an Ine unnsern Sohn Inn sollcher neben 
Herzogen Maximiliano oder andern anwesenden Fürsten auch mit zue gehen 
begert werden sollte, So mag er es mit gueter beschaidenhait auch nit ab- 
schlagen unndt dabey vermelden, weil es Ihren Ld. allso gefellig, So wollte 
er gleich auch mitgehen unndt Ihren Ld. gebürlich uffwarten.“ 

Am 3. Februar, der abermals ein Sonntag war, hörte. der Pfalzgraf 
wieder Predigt; dann nahm er den „Mittagimbiss“ allein in seinem Gemach. 
Nachmittags fand ein Fussturnier auf dem Markt 31 ) statt, „in welchem sich 
Herzog Albrecht auch gebrauchen lassen, und ist solcher Durnier stattlichen 
und wohl abganngeu; den sich die anwesenden Ritter sehr stattlichen herauss 
gebutz; den der geringste seine Invenzion 32 ) von goldt, Silber und seyden 
machen lassen“. Auch die Invention und das ganze Auftreten des Pfalzgrafen 
war derartig, dass „hoch und nieder Standt ein freüdt gehapt“ und er den 
Mascalandauk 88 ) davon trug. Am Abend wurde ein Tanz gehalten, wobei 
dem Pfalzgrafen ausser dem eben genannten Dank auch der „Spiessdank“ 
durch die bayerischen Prinzessinnen Mari an na und Maria Magdalena 
überreicht wurde. 

Am 4. Februar wurde ein „Balienrennen“ abgehalten, bei dem aber 
„keine fürstliche Person mit gerannt, und sein deren, so gerandt, vierzehen 
gewesen“. 

„Den fünfften ist man zu der Quindanen in der Rüstung gerandt, aber 
widerumben kein fürstliche person mit gerandt auss Ursachen, das denselben 
die Rüstungen an den Helmlinen 84 ) zue kurz gewest“. 

Am Mittwoch den 6. Februar verabschiedete sich der Pfalzgraf von 
seinen Münchener Verwandten, wobei er von Herzog Maximilian und dessen 
Bruder Albrecht an den Schlitten begleitet wurde. Kurz zuvor hatte der 
bayerische Herzog seinem Gast ein schönes graues Pferd aus seinem Gestüt 
mit einem grünseidenen, goldgestickten „Zeug“ verehren lassen. Für diesen 
Fall war in dem Verzeichnis der zu machenden Geschenke vorgesehen: „Wann 
man Pferd verehren wurde, dem Stallmeister, nach dem das Pferd ist, auch 
nach dem der Schmuckh“, einen Becher im Wert von 25 fl. zu verehren; 
wenn aber „das Pferd sambt dem Geschmuckh, wie zu vermueten, so köstlich 
erachtet“ würde, könne man den Wert des Gegengeschenkes auf „die 30 oder 
etlich und dreissig Gulden“ erhöhen. 

Der Heimweg ging über Dachau, wo Mittag gespeist und das Schloss 


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Die Annäherung des pfalzneuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 263 


besehen wurde, nach Aichach, 86 ) wo man übernachtete. Für Dachau wurde 
„dem Pfleger im Schloss 3 fl., zwayn Kellern 8<t ) von München, so dahin ver¬ 
ordnet, 1 fl., dem Thorwart 1 fl., in die Herberg, dabei das Gesind gespeist 
wird, 1 fl. 30 Kr., dem Gesind 20 kr., in die ander Herberg, darinnen Gesind 
gespeist wird, 1 fl., dem Gesind 20 Kr., in Summa 8 fl. 10 Kr.“ zu geben 
verordnet. In Aichach solle „des Pflegers Hausfrauen, wofern man im Pfleg¬ 
haus ligt“, ein Ring im Wert von 4 fl„ „dem Gesind 1 fl., in die Herberg 
1 fl. 30 Kr., dem Gesind 20 Kr., in die Herberg zum N. 1 fl., dem Gesind 
20 Kr., den Turnern 87 ) 24 Kr., den Singern 1 fl., in Summa 9 fl. 34 Kr.“ 
verehrt werden. Für Pöttmes, welches auf dem Weg von Aichach nach 
Neuburg passiert werden musste, und wo man Mittag speiste, war bestimmt: 
„Wann man ihm Schloss abstehet, 88 ) soll verehrt w r erden 6 fl. Wann Castner 
.von Dachau mit biss gehn Bettmess reutt unnd ausslöst, 6 fl., zweyen 
Wirten, da man das Gsind speist, jedem 1 fl., und dem Gsind 15 Kr.“, zu¬ 
sammen 14 fl. 30 Kr. 

Ausser diesen Verehrungen sind noch folgende im voraus festgesetzt 
worden: In München „wer Buecher, tractättlein oder anders verehrt, dem möcht 
nach Gelegenheit der Umbständ, der Person oder des Buchs Verehrung ge¬ 
schehen, den Statt Turnern daselbsten 2 fl., den beeden Gärtnern wirts diser 
Zeit nit bedürfen, ist zuvor 6 fl. verehrt worden. Wann man einen Plattner 8ö ) 
gebrauchen wirt, soll demselben nach Gelegenheit seiner Muhe ein oder zween 
Gulden verehrt werden; dem Rüstmeister daselbsten 4 fl., inns Zeughaus 3 fl., 
inns Hauss, darinn die Antiquitates, 1 fl. 30 Kr., in die Kunstkammer 6 fl.; 
Wann Herzog Wolff Wilhelm etwann von Herzog Wilhelmen oder Herzog 
Ferdinanden Inn Bayrn etc. geladen werden solte, alssdann inn das Hauss 
zu verehm 6 fl. oder 6 taler. Inn der Herberg, darinn meins gnedigen 
Fürsten unnd Herrn Pferd, 2 fl., dem Gsindt 1 fl.; Für die Räth und Junckheru 
Pferd, da sie gestellt worden, 2 fl. Dem Gsind 30 Kr. Für der Furier, 40 ) Troni- 
meter, Ainspennig 4 *) und Junckher Pferd inn die Herberg zum Ochsen 1 fl., 
dem Gsind 20 Kr.“ Ausserdem war in dem beigefügten Verzeichnis der „Ver¬ 
ehrungen von Klainodien, Pechern, Ringen und dergleichen“ noch bestimmt, der 
Gemahlin des Herzogs Maximilian einen Ring im Wert von 80 fl., „derjenigen 
Person, so die Verehrung meinem gnädigen Fürsten und Herrn wurde präsentiern“, 
einen Ring im Wert von 10 oder 12 fl., dem „Hofmarschalckhen, dem von Mug- 
genthal oder wer der ist“, einen Becher im Wert von 30 fl., dem „bayerischen 
Küchenmeister“ einen Becher im Wert von 20 fl., dem Futtermeister Caspar 
Egloff 8 oder 10 fl., den Knechten im fürstlichen Stall 10 fl., „wann man Coinoe- 
dias heit“, 10 oder 12 fl. zu geben. Die mitgegebene Instruktion enthält darüber 
folgende Bestimmung: „Und da auch etwa in andern Fällen Gelegenheit vor¬ 
fiele, dass man mit Verehrung eines Trinkgeschirres besser und stattlicher 
dann mit Geld bestehen möchte, so werden unserrn Sohn auf einen solchen 
Fall und in eventum von unserrn Cammermeister und Landschreiber etliche 
Trinkgeschirre vermög hiebei gelegter sonderbarer Verzeichnus mitgegeben, 
davon er ye nach Gelegenheit und auf unserer zugeordneten Räte Gutachten 
etwas wird wissen zu verordnen; kann aber darunter was erspart werden, 
so soll es wieder zurück hiehero gebracht werden“. 


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Friedrich Schmidt 


264 


Nachdem man am 7. Februar (17. neuen Stils) glücklich in Neuburg 
angekommen war, richteten am nächsten Tag sowohl Pfalzgraf Philipp 
Ludwig und sein Sohn WolfgangWilhelm an Herzog Maximilian 
als auch die Pfalzgräfin Anna an Herzogin Elisabeth die verbindlichsten 
Dankschreiben. Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm schreibt: „Nachdem unss 
dann sambt ermeltem unserm Comitat nit nhur die Zeytt über wir bey E. L. 
zue obbesagtem München gewesen, sonder auch underweegs im Hin und 
Widerraysen mitteiss statlicher Tractation, Ausslosung, Beglaittung und in 
andere mehr weeg viel ehren, Liebs undt Freundtschafft erwisen undt er- 
zaigt ist worden, Allss thuen wir unss dessen gegen E. L. ganz freuntlich und 
vleissig bedanckhen undt wollen neben Ihren vatter- undt mütterlichen Altern 
unss müglichistes bevleissigen, diss alles zue begebender Gelegenheit umb E. L 
hinwider freuntlich zuebeschulden undt zueverdienen, Undt haben diss E. L., 
Dero wir auch sonsten neben standhaffter, beharrlicher Underhaltuug undt 
Vortstellung unser initainander gemachten vertrawten gueten Freundt- und 
Brüederschafft zue gefelliger vetter- undt brüederlicher Diensterweisung vorder 
wohl genaigt undt uhrpüttig 4 2 ) seien, allso freuntlicher mainung nit sollen 
ohnaugefüegt lassen“. In einer Nachschrift teilt er mit, dass er „diejenige 
vom Adel“, die ihn von München aus begleitet hätten, mit nach Neuburg ge¬ 
nommen habe und sie einen Tag bei sich behalten wolle; er bittet den Herzog, 
„darab kein Missfallen zu schöpfen, sondern sie derentwegen gnedig vor 
entschuldigt zu haben“. 

Am 9. Februar lieferten die Begleiter des Pfalzgrafen, Peckadel, 
Lemble und Fuchs, ihren zweiten Bericht nebst Rechnungsablage an den 
Pfalzgrafen Philipp Ludwig ab. Darin heisst es: „Sonnsten sein wir der 
unndertheuigen Hoffnung, es sey E. Fl. Gl. mitgegebene Instruction in besten 
acht gehaltten worden, nicht allein von E. Fl. Gl. geliepten Sonn, unnserm gl. 
Fürsten und Herren, der sich solcher gebraucht und also fürstlich gehalten, 
das meniglichen wol mit derselben zufrieden sein können, sonndern von uns 
auch, sovil Imer muglichen gewest und die Gelegenheidt leyden können“. 

In demselben Bericht wird des Herzogs Wilhelm von Bayern gedacht, 
der sich in jener Zeit nach Schleissheiin in die Einsamkeit zurückgezogen 
hatte und deswegen um Entschuldigung bitten liess, weil er den Gast nicht 
habe begrüsseu können. Übrigens hatte Herzog Wilhelm sich bereits am 
9. Februar in einem von Schleissheim aus an den Pfalzgrafen Philipp Ludwig 
gerichteten Schreiben also entschuldigt: „Seitemal wir aber Jezt vermellter 
massen gleich allerdings weegferttig gewesst und unnserm gebrauch nach dise 
Zeit der Fassnacht und etlich Tag darüber unns zu ainem Gottshauss zu 
retirirn im weeg gewesst, also das wir thaills wolermellteu E. L. Sohn, unnsern 
freundlichen lieben Vettern, nit gern von München und an ain schlecht, ainsam 
orth, und da wir S e . r L. uunserm Jezigen wesen nach gleich gar kein gebür- 
liche ehr erweisen khünden, bemhüeen wellen, Thaiiss aber ist die Zeit der 
Fassnacht so nachennt herbey kommen, dss wir uns lieber weitt von München 
alss nachendt darbey befinden wollen.“ 

Infolge des ausführlich von uns besprochenen brieflichen und persön- 


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Die Annäherung des pfalz-neuburgischen Herzogshauses an das bayerische. 265 


liehen Verkehrs zwischen den Angehörigen des bayerischen und pfalz-neu - 
burgischen Hauses entwickelte sich ein immer lebhafteres Gefühl der Zu¬ 
sammengehörigkeit und Verwandtschaft zwischen den beiden Familien, welches 
auch darin seinen Ausdruck fand, dass sich Herzog Maximilian und Pfalz¬ 
graf Philipp Ludwig einander Vater und Sohn nannten. Da aber der 
erstere an letzteren als an seinen „Herrn Vater“ schrieb, so beauftragte der 
Pfalzgraf in einem Schreiben vom 24. Juni 1600 seinen Rat und Landvogt 
Lern bl e, bei seiner nächsten Anwesenheit in München mit Hilfe des baye¬ 
rischen Obersten Kanzlers von Donnersperg dahin zu wirken, dass der 
Herzog künftig das Wort „Herr“ weglassen möge und „es disfalls wie ge- 
meldt bey dem gemainen Stylo gelassen werde“. 

Mit diesem Schreiben schliessen die Nachrichten über die Anknüpfung 
und allmähliche Erweiterung des freundschaftlichen Verkehrs zwischen den 
beiden lange getrennten Familien des Wittelsbachischen Hauses. 

Dadurch dass Pfalzgraf Philipp Ludwig im Jahre 1608 sich als 
Mitglied der protestantischen Union bekannte und so in offenen Gegensatz 
zu der von Bayern vertretenen Politik trat, schieu das gute Einverständnis 
zwischen den beiden Familien auf die Dauer getrübt zu sein. Als aber wenige 
Jahre darauf sein Sohn, Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm, zur katholischen 
Kirche übertrat und sich mit der jüngsten Schwester des Herzogs Maximilian 
von Bayern vermählte, wurde das Band zwischen den beiden Familien aufs 
engste geknüpft und dem neuburgischen Hause Aussicht auf eine glänzende 
Zukunft eröffnet. 


Quellennachweise und Erläuterungen. 


1) Die in unserer Abhandlung benützten und zum Teil exzerpierten Quellen sind 
je ein Akt des königlich bayerischen allgemeinen Reichsarchivs, Fürstensachen toin. 
XXXII, des geheimen Staatsarchivs, Akt 30/8, und des geheimen Hausarchivs. 

2) Friedrich Schmidt: Geschichte der Erziehung der bayerischen Wittelsbacher, 
Berlin 1892, S. 251. 

3) Ebendaselbst S. 254 und 284. 

4) Prinz Maximilian schreibt: Gruenaw, Philipp: Kerin. Gemeint ist Grünau, 
wo ein neuburgisches Jagdschloss war. 

5) Die Progymnasmata latinitatis sive dialogi des Jakob Pontanus waren kurz 
zuvor in Ingolstadt erschienen. 

6) Jesuiten. 

7) Hofprediger Jakob Heilbrunner. 

8) S. v. a. übel mitspielen, hart zusetzen. 

9) Felix Stieve: Wittelsbacher Briefe aus den Jahren 1590 — 1610, Abt. I: Abh. d. 
hist. Kl. d. k. b. Ak. d. W. 18S6, XVII. B. S. 460. 

10) Derselbe a. a. O. S. 471. 
n) Derselbe a. a. O. S. 487. 

Bayer. Forschungen VI, 4. 18 


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266 


Friedrich Schmidt. 


12) J. Breitenbach im Neuburger Kollektaneenblatt 1896 S. 38—102. 

13) Die Neuburger Kalenderdaten sind nach altem Stil, während in München nach 
neuem Stil gerechnet wurde. Die Differenz, um die der neue dem alten voraus ist, beträgt 
bekanntlich 10 Tage. 

14) Euem Liebden. 

15) Auslösen, auslosen s. v. a. jemanden von seiner Schuld lösen, für ihn zahlen. 

16) Die jetzige Residenz. 

17) Fürstliche Gnaden. 

18) Fürstliche Durchlaucht. 

19) Fourier = oder Quartierzettel. 

20) Ein Rennen zu Pferd, bei dem mit der Lanze nach einem Ring gestochen wurde. 

21) Damascieren = den Stahl künstlich bearbeiten. Cardalass = ein kurzer^ breitet 
Degen (Grimm: Deutsches Wörterbuch V S. 244). 

22) S. v. a. Tour, Rennen. 

23) Beizen — mit abgerichteten Raubvögeln jagen. 

24) Schüler des Jesuitengymnasiums. 

25) Die jetzige Michaelis-Hofkirche. 

26) Stahel = Stahl. Armbrust mit stählernem Bogen. 

27) Quintane = eine männliche Figur von Holz mit einem Schild, den der an¬ 
sprengende Reiter mit der Lanze zu treffen suchte (Grimm: D. W. VIII S. 2372). 

28) Statt: mantenieren, jemanden beim Rennen oder bei anderen Spielen heraus¬ 
fordern. Davon das Substantiv: Mantenitor, franz. Mainteneur. 

29) Ein Rennen zu Pferd, wobei ein geharnischter Reiter den andern über eine 
gesteckte Schranke (Ballia, Barriere, Barre) hin mit der Lanze angriff. 

30) Kampf zu Fuss. 

31) Der jetzige Marienplatz. 

32) Erfindung, Auswahl der Kleider und Rüststücke. 

33) Preis für die schönste, sinnreichste Maske, d. h. Ausstattung beim Festspiel. 

34) Helmlin nannte man sowohl den unteren Teil des Helmes als auch den ganzen 
Helm (Grimm: D. W. IV 2 S. 979). 

35) Im Bericht heisst es: Dachen und Aichen. 

36) Keller = Kellermeister, der den Wein zu besorgen hat. 

37) Turn = Turm, Turner = Türmer. 

38) S. v. a. absteigen. 

39) Plattner = einer, der Platten zu Harnischen fertigt, Waffenschmied. 

40) Hofbediensteter. 

41) Ein Reiter oder Knecht 

42) S. v. a. erbietig, erbötig. 


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Kleinere Mitteilungen. 


Der Minnesänger Reimar von Brennberg (ca. 1210—1271). 

Über die Werke des Minnesängers Reimar von Brennberg, die 
bisher nur zum kleinsten Teile bekannt waren, ist durch die vor kurzem er¬ 
schienene Publikation von Joseph Liese: „Der Minnesänger Reimar 
von Brennenberg (sic!), sein Geschlecht und seine Lieder“ — 
Programm des kgl. Mariengymnasiums in Posen, (Posen 1897) — helleres 
Licht verbreitet worden. Da jedoch das, was der Verfasser über die Person 
des Dichters sagt, nicht zutreffend ist, so dürfte es nicht überflüssig er¬ 
scheinen, wenn wir im folgenden auf diese Frage nochmals zurückkommen. 

I. Genealogie der Brenn berge r. 

Der Stammsitz des Geschlechtes, dem der Minnesänger Reimar von 
Brennberg an gehörte, ist östlich von Regensburg in den Burgen Ober¬ 
und Unterbrennberg bei dem Pfarrdorfe gleichen Namens, das drei viertel 
Stunden von der ehemaligen Benediktiuerabtei Frauen zell entfernt liegt, zu 
suchen. 1 ) Leider haben sich nur wenige Reste der beiden Schlösser, welche, 
auf einer aus chaotisch übereinander geworfenen Granitblöcken bestehenden 
Bergkuppe erbaut, ursprünglich Ringmauer und Hof miteinander gemein hatten, 
erhalten. Denn der massige sog. Auerturm oder Münchstein, ein Bau von 
ungemeiner Stärke, der einst massive Gewölbe in sich barg, und von dessen 
krenelierter Zinne sich vordem eine prachtvolle Aussicht in weite Ferne dar¬ 
bot, ist längst bis auf die Grundmauern verschwunden und hat das Bau¬ 
material für benachbarte Ökouomiegebäude geliefert. Ebenso wurde das Schloss 
Oberbreunberg, welches nach dem Brande vom Jahre 1642 im Stile des 
17. Jahrhunderts wiederhergestellt worden war, im Jahre 1894 abgebrochen. 
Auch der jüngere Teil von Unterbrennberg liegt seit Jahren in Schutt be¬ 
graben. Länger erhielt sich das alte Herren- oder Hochhaus, ein Werk des 
13. Jahrhunderts, dessen auf einem ungeheueren Granitblock ruhender Quader¬ 
turm früher ein bis zur Isar hin sichtbares Wahrzeichen der Gegend bildete. 
Aber auch dieser stürzte im September 1890 zusammen. So stellt sich uns 
heute die Doppelburg der Brennberger nur noch als ein trauriges Stein- 
labyrinth dar, und die wenigen Grundmauern, welche noch vorhanden sind, 
lassen kaum mehr einen sicheren Schluss auf die ehemals so mächtige Aus¬ 
dehnung der Burggebäude zu. 

') Wohl zu unterscheiden von dem ebenfalls sehr alten Bremberg an der Nab bei 
Schwandorf. (Vgl. den Artikel von K. Gar eis. Forschungen VI, i—17). 

18* 


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2 


Kleinere Mitteilungen. 


Das Alter der Burg und somit auch des Geschlechtes der Brenn - 
berger ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln; ebensowenig kann die Frage 
gelöst werden, ob die Brenuberger ursprünglich freie Besitzer ihrer Burg 
waren. Nach einer Vermutung Schuegrafs 1 ) wurde die Burg Brennberg 
durch Bischof Tuto von Regensburg erbaut, welchem König Kourad I. 
im Jahre 914 einen Teil des Sulzbacher Reichswaldes (forestum iuxta Sulzi- 
bach in comitatu Stauffensi) geschenkt hatte. Bald nach der Schenkung, meint 
Schuegraf, hätten die Bischöfe zur Urbarmachung des ungeheuren Forstes 
Vasallen des Hochstiftes eingesetzt, um aus dieser Waldwildnis Nutzen zu 
ziehen. Allein die in der Schenkungsurkunde erhaltene Grenzbeschreibung 2 ) 
setzt den Umfang genau fest; der Sulzbacher Forst erstreckte sich keines¬ 
wegs bis hieher, und darum kann auch Brennberg nicht im Schenkungsgebiet 
gelegen haben. Thatsächlich übten die Bischöfe bis 1276 nur in einem Teile 
der in Ober- und Unterbrennberg geteilten Burg das Lehensrecht aus. Die 
Anfänge dieses Edelgeschlechtes sind demnach in ein kaum lösbares Dunkel 
gehüllt. 

Der erste urkundlich beglaubigte Herr (Dominus) von Brennberg ist 
Wirnto I., der in einer Urkunde aus den Jahren 1115—1134 als Blutsver¬ 
wandter (Bruder ?) des Chuno von Puchsee, eines Ministerialen des Regens¬ 
burger Domvogts Friedrich II., Graf von Bogen, (f 1134), aufgeführt wird. 
Seine Söhne Chuno (= Chunrat) und Wirnto II. werden in Urkunden 
aus den Jahren 1162, 1171, 1174, 1190 und 1193 genannt; als seine Enkel 
sind Gebehard und R ei mar I. zu betrachten, welch letzterer in 6 Urkunden 
von 1224—36 als Zeuge auftritt und die Titel: „dapifer“ und „ministerialis 
ecclesiae Ratisponensis“ führt Hieraus folgt, dass die Brennberger^ wenigstens 
seit ca. 1226, wo diese Bezeichnungen das erste Mal in Anwendung kommen, 
Lehensmannen der Bischöfe von Regensburg waren. R ei mar I. starb 1236 
und wurde im Kloster Prüll bei Regensburg begraben. Er hinterliess eine 
Gattin, namens Alhaidis, einen Sohn R ei mar II., gestorben 1271, und 
eine Tochter Heluka, welche nach Aventin Hoffräulein der unglücklichen 
Maria von Brabant war und zugleich mit ihrer Herrin am 15. Februar 1256 
in Donauwörth der Eifersucht Ludwigs des Strengen zum Opfer fiel: („Hat 
Herzog Ludwig, Kaiser Ludwigs Vater, wie er sein Gemahl Maria zu 
Donauwörth bös Verdacht halben köpfen lassen, derselben edle Junkfrau 
eine, mit Namen Heluka von Prennberg im Zorn und Gehn mit einem 
Messer erstochen, ir Hofmeisterin über ein Turm abwerffen lassen.“) Reimars II. 
Ehe mit Heilwik entsprossen vier Söhne: R ei mar III., Wirnto III., 
Ru 1 a n d und Bruno. Ersterer wurde im Jahre 1276 von einer Regensburger 
Streifschar ermordet. (Laut Urkunde vom 14. April 1276: . . . emenda fiat 
[sc. BrunoniJ a civitate Ratisponensi de occisione fratris et hominum suorum 
et de dampnis sibi a civibus Ratisponensibus irrogatis). : ) R u 1 a n d und 

*) J. R. Schuegraf, Castrum Reimari. Regensburg 1840. 

8 ) Th. Ried, Codex diplomaticus ep. Ratisb. I. 93. f. und v. Walderdorff, 
Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart (4. AufL) S. 641. f. 

*) Ried, I. 540; IV. 279. 


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Kleinere Mitteilungen. 


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Wirnto erscheinen in einer Urkunde vom 8. Februar 1275 als Kleriker, 
Bruno ebenfalls als solcher im Jahre 1276. Nach dem Tode Reimars III. 
übergab der jüngste Bruder Bruno, als Erbe, seine ganze Herrschaft dem 
Bischof Leo dem Thundorfer, unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass er, 
falls er in den Laienstand zurücktrete und heirate, wieder in den Lehensbesitz 
von Burg und Truchsessenamt gelangen solle. In der That ging Bruno, 
wohl um das gänzliche Erlöschen seines Geschlechtes zu verhindern, um 1280 
mit Bertha von Haydau eine Ehe ein, welche mit drei Kindern, ReimarIV., 
Clären zia und Agnes, gesegnet war. Reimar IV. heiratete 1301 eine 
Frau aus dem Geschlechte der Wiesent (bei Wörth a. D.) und zeichnete sich 
im Jahre 1322 bei Ampfing und noch zwei weitere Jahre im Dienste Ludwigs 
des Bayern ruhmvoll aus, wofür ihn dieser reich entlohnte; doch blieb Reimar 
ohne männliche Erben. 1321 legte er den Grund zur Benediktinernieder¬ 
lassung Frauenzell und starb kurz nach 1326. Nach seinem Tode wurde 
das wahrscheinlich durch eine Heirat seiner Tochter Katharina verschwägerte 
Patriziergeschlecht der Auer von Regensburg, welche von da an statt des 
eigenen Wappens das der ausgestorbenen Brennberger führte, mit Burg und 
Herrschaft belehnt. Aber auch dieses Geschlecht erlosch gegen Ende des 
15. Jahrhunderts. 

II. Die Person des Dichters. 

Über die Person des Dichters herrscht, da der Name Reimar in diesem 
Geschlechte im Laufe des 13. Jahrhunderts nicht weniger als viermal vor¬ 
kommt, bei den Litteraturforschern grosse Unsicherheit. Das einschlägige 
Urkundenmaterial in den „Monumenta Boica“, bei Ried und Hund, sowie 
Schuegraf (s. oben) lässt die Frage nach dem Minnesänger vollständig 
offen. Während von der Hagen, der ihr zum ersten Mal näher trat, Reimar II. 
und Reimar III. miteinander vermengt, glaubt Liese, den Dichter in 
Reimar III., der, wie wir sahen, 1272—76 urkundlich beglaubigt ist, nach¬ 
gewiesen zu haben. 

Liese stützt sich dabei vornehmlich auf eine bildliche Darstellung in 
der Heidelberger Liederhandschrift (C.) Diese stellt den Minnesänger folgender- 
massen dar: „Jugendlich, in einfachem, langem Rocke, mit einem Dolch im Gürtel, 
steht der Sänger inmitten von vier unritterlichen Männern in kurzen Röcken, 
mit Topfhelmen und Schwertern, von denen der eine ihn am linken Arm 
festhält und mit dem Schwerte ausholt, der andere stösst ihm das Schwert 
von hinten oben in den Kopf, sodass das Blut herausspritzt, der dritte hat 
ihn mit der linken beim Haar gepackt und sticht ihm das Schwert in die 
linke Seite; auch der vierte dringt mit erhobenem Schwerte gegen ihn vor.“ 

Halten wir dazu die Thatsache, dass Brunnos Bruder, Reimar III. 
im Jahre 1276 wirklich von Regensburger Söldlingen überfallen und ermordet 
wurde, so scheint es ausser Zweifel, dass eben dieser Reimar III. der 
Minnesänger war. 

Und doch dürfen wir diesem Zeugnisse nicht unbedingt vertrauen. Denn 
laut Urkunde vom 16. Februar 1272 (bei Ried, Cod. Diplom. Ratisbon. III. 380) 


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Kleinere Mitteilungen. 


war Reimar III. wie sein Bruder Wirnto von Brennberg im Jahre 1272 
noch ein unmündiger Knabe (puer), der unter einem Vormund (procurator) 
stand, also höchstens 15 Jahre zählte. 

Wie lässt sich aber damit des Dichters 10. Gedicht, die sog. „Klage“ 
vereinbaren, die im Brennbergerton gedichtet ist und sicher von dem Minne¬ 
sänger herrührt? Diese lautet: 

1. Wä sint nu alle die von minnen sungen e? 

si sint meist tot, die aller der w T erlde fröide künden machen. 

Von Sente Gallen friunt, din scheiden tuot mir we, 
du riuwes mich, dins Schimpfes maniger künde wol gelächen. 

5. Reinmär, dins sanges maniger gert, 

ich muoz dich klagen und minen meister von der Vogelweide, 
von Niuvenburc ein herre wert. 

unde von Rucke Heinrich sungen wol von minnen beide, 
von Jöhansdorf unde ouch von Husen Friderich. 

10. die sungen wol, mit sänge wären si hovelich, 

Walther von Metze, Rubin, unde einer der hiez Wahsmuot. 
von Goutenberg Ulrich, der liute vil din singen dühte guot. 

Wie konnte ein so junger Mann am Ende des 13. Jahrhunderts den 
frühen Heimgang von Sängern wie des Ulrich von Singenberg (gest ca. 1230), 
Reimars des Alten (gest. vor 1210), Walters von der Vogel weide (gest. ca. 1235), 
des Neuenburgers (gest. vor 1196), des Rugge (gest. 1200), des von Johanns¬ 
dorf (gest. nach 1209), des Friedrich von Hausen (gest. 1190), des Walter von 
Metz (ca. 1250), des Wachsmut (gest. ca. 1250) und des Ulrich von Gutenberg 
(gest. vor 1242) beklagen? Wie den Singenberger seinen Freund, Walther von 
der Vogel weide seinen Meister nennen? Dies trifft aber nur auf R ei mar II., 
nicht auf Rei mar III. zu. Reimar II. war im Jahre 1238, wie aus der 
Urkunde bei Ried (I. 384) erhellt, schon erwachsen und handlungsfähig, also 
etwa um 1210 geboren; er konnte mithin die genannten Sänger zum grossen 
Teile gekannt haben. 1 ) Reimar III. aber hatte kaum einen einzigen der¬ 
selben gekannt. 

Dazu kommt, dass der Minnesänger auch in seinen übrigen Dichtungen 
als ein Mann gereiften Alters erscheint, der lange Jahre von seiner 
Heimat abwesend war, vielleicht als Kreuzfahrer. Man vergleiche: 

II. 20. swar ich in den landen var. 

VI. 20. swä ich der lande bin. 

VII. 38. vor manigen järeu. 

IX. 94. swar ich der lande bin. 

Diese Wendungen können doch nicht blosse Phrasen sein, da es ja 
feststeht, dass den meisten lyrischen Ergüssen der Minnesänger ein persön¬ 
liches Miterleben und eigenes Mitempfinden zugrunde liegt. 

*) Liese schreibt selbst: „Nicht so fruchtbar, wie Ulrich von Singenberg, teilt er 
mit diesem den Ruhm, der Schüler Walthers zu sein! Seine Lieder erlangten grosse Berühmt¬ 
heit und wurden in deutschen Landen gerne gesungen; selbst in späteren Jahrhunderten 
war das Metrum seiner grossen Strophe unter dem Namen ,,Brennbergerton“ beliebt“ 


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Kleinere Mitteilungen. 5 


Wir werden daher in der Manesseschen Liederhandschrift, die erst um 
1300 zusammen gestellt wurde, ein Versehen annehmen müssen. Diese weist 
bekanntlich viele Irrtümer auf und teilt u. a. den Brennbergern auch ein 
falsches Wappen zu, nämlich das der Pyrmont (ein rechtsschräger eckig ge¬ 
schobener Balken statt dreier aus einem dreifach gehügelten Berge heraus¬ 
lodernder Flammen). Hat ja, wie in der Liederhandschrift, so auch in zwei 
Volksliedern eine Verwechslung und sagenhafte Entstellung des geschicht¬ 
lichen Untergrundes stattgefunden. 

Eines dieser Volkslieder auf den ritterlichen Sänger ist in der bekannten 
Gedichtsammlung: Des Knaben Wunderhorn, Bd. II, 232, enthalten und 
lautet folgen dermassen: 

Der Bremberger. 1 ) 

Mit Urlaub, Frau, um euern werten Dienstmann, 

Geheissen war der Bremberger, 

Ein edler Ritter weise; 

In seinem Ton ich euch wohl singen kann, 

Darin mir niemand verdenke, 

Sein Lob ich immer preise; 

Das red’ ich auf die Treue mein 
Von einer schönen Frauen. 

An ihm geschah grosse Gewalt, 

Dass er verlor das Leben sein, 

Sein Leib, der ward ihm zerhauen. 

Der Herr, der sprach: „du hast mir lieb die Fraue mein, 

O Bremberger, es geht dir an das Leben dein!“ 

Sein Haupt das ward ihm abgeschlagen 
Zu derselben Stund’, 

Das Herz er in dem Leibe trug, 

Das ass der Fraue roter Mund. 

Der Herr, der sprach: „Frau, könnt’ ihr mich bescheiden nun, 

Was ihr jetzund gegessen hand, 

Dass euch’s der lieb Gott löhne!“ 

Die Frau, die sprach: „Und das weiss ich sicher nicht, 

Ich wollt’s also gern wissen thun, 

Es schmecket mir also schöne“. 

Er sprach: „Fürwahr, glaub’ du mir’s, 

Es ist gewesen Brembergers Herz, 

Er trug’s in seinem Leibe, 

Und bracht dir viel Schimpf und Scherz; 

') Dass hier nicht an einen Bremberger aus jenem Geschlechte, das an der Nab 
ansässig war, sondern an unseren Reimar von Brennberg zu denken ist, beweisen die 
Worte: „In seinem Ton ich euch wohl singen kann“, welche nur von dem Brenn bergerton 
verstanden werden können. 


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Kleinere Mitteilungen. 


Er könnt dir machen Freuden viel 
Und könnt’ dir Leid vertreiben“. 

Die Kraue sprach: „Hab’ ich gegessen, das mir Leid vertrieben hat, 

— Und sollt meiner armen Seel nimmer werden Rat — 

So thu ich einen Trunk darauf zu dieser Stund: 

Von Essen und von Trinken kommt nimmermehr in meinen Mund“. 

Die Frau stand auf, sie eilet von dem Tische, 

Verbarg sich in ihr Gemach, 

Und dacht ihrs Herzens Schwere: 

„Hilf, Maria, du himmlische Königin, 

Dass mir nie so Leid geschach 
Ja an dem Brembergere. 

Um meinetwillen litt er Not, 

Da war er gar schuldig an, 

Es muss mich immer reuen; um ihn so leid ich hier den Tod; 
Meines Leibes er nie gewaltig w r ard, 

Red’ ich bei meinen Treuen; 

Er kam mir nie so nah, dass mir von ihm ward ein Umbefang, 

Des trauer’ ich sehr, mir ist mein Leben w r orden krank. 

Sich hat verkehrt Herz, Mut und all mein Sinn, 

So scheid mein arme Seel von mir dahin. 

Nun wollt ihr hören, wde lang die Frau des Lebens pflag: — 

— Ohn Essen und Trinken hat sie kein Not, — 

Als ich euch w r ill bescheiden: 

Fürwahr, sie lebt bis an den eilften Tag, — 

Da schied die Zart, die Wert davon, 

Dem Herrn geschah gross Leiden. 

„Ach Gott, wie soll es mir ergahn ? 

Dass ich die liebste Fraue mein 
So unehrlich hab verraten 
Und ihren werten Dienstmann. 

Ich fürcht, es wird mir viel zu schwer; 

Mein Seel, die muss leiden Not“. 

Der Herr, der stand und sah den grossen Jammer an! 

„O Herre Gott, dass ich sie beide samt verraten han!“ 

— Der Herr ein Messer in sein eigen Herze stach. 

Es w’ende dann Maria und ihr liebes Kind: 

Sein Seel muss leiden Ungemach. 

Ganz derselbe Stoff liegt einem zweiten Gedichte zugrunde, (ebenda 
IV. 41.), w r eun auch die Fassung total verändert ist. In diesem w r ird das 
Vorgehen der Henker au dem zum Tode verurteilten Brenuberger besonders 
schauerlich mit folgenden Versen geschildert: 


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Kleinere Mitteilungen. 


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„Mail legt den Bremberger auf den Tisch, 

Schneidt ihn zu Riemen wie ein Fisch; 

Sein Herz gab mau zu essen 

Der Frauen in eim schwarzen Pfeffer.“ 

u. s. w. 

Offenbar ist in beiden Liedern auf das Drama von Donauwörth bezug 
genommen und der Minnesänger Reimar selbst als Opfer der Eifersucht des 
Herzogs statt seiner Schwester hingestellt. Denn als eine blosse Variation 
der weitverbreiteten Herzmäre lassen sich die angeführten Dichtungen nicht 
erklären; es wurde vielmehr in sagenhafter Kombination der in weiten Kreisen 
bekannte Minnesänger in das ebenfalls bedeutend entstellte tragische Geschick 
seiner Schwester Heluka verflochten. Da es nun nicht unwahrscheinlich ist, 
dass der Miniator der Heidelberger Handschrift seine Zeichnung aufgrund 
einer derartigen Volkssage entworfen hat, dieselbe aber jeder Stütze in den 
gleichzeitigen Dokumenten entbehrt, so kommt das einzige Argument, das für 
Dieses Hypothese spricht, in Wegfall. 

Daher ergiebt sich als Endresultat unserer Untersuchung, dass nicht 
Reimar III., sondern Reimar II. als der wahre Minnesänger zu betrachten sei. 

Regensburg. Hugo Obermaier. 


Bayern und seine Hauptstadt 

im Lichte von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen V. 

Der unglückliche (Labrunie) Gerard de Nerval (1808—1855, 
Biographie universelle [Michaud] VI, 293) hat sich mehrfach mit Bayern be¬ 
schäftigt (Vgl. Beilage zur Allgemeinen Zeitung No. 98. München, 3. Mai 1897). 
In seinem Leo Burckart 1 ) behandelt er die Geschichte der Illumiuaten. 
Im Appendice über die deutschen Universitäten wird von den Münchener 
Studenten erzählt (S. 319) 2 ): A Munich, j’ai connu des jeunes gens qui 
buvaient pendant la soiree, horribile dictu! une quinzaine de litres de biere. 
— Eingehender ist in dem Werke Gerard de Nervals ‘Voyage en Orient’ 
von Bayerns Hauptstadt die Rede, der das ganze fünfte Kapitel der Intro- 
duction (XX—XXVII) 'Un jour ä Munich’ gewidmet ist. Dort heisst es in 
einer langen Abhandlung, die uns beredt zeigt, wie weit wir seitdem gekommen 
sind: (XXI): En descendant de voiture, eu sortant du vaste bätiment de la 
Poste royale, on se trouve en face du palais, sur la plus belle place de la 
ville; il faut tirer vite sa lorgnette et son livret, car dejä le musee commence, 
les peintures couvrent les murailles, tout resplendit et papillote, en plein air, 

*) Leo Burckart, accompagne de memoires et documents inedits sur les societ6s 
secretes d’Allemagne par M. Gerard. Bruxelles (Societe Beige de librairie Hauinan et C?) 
1840. (321 S.). 

*) Quatrtöme edition revue, corrigee et augmentee. Paris (Charpentier) 1857, 
Tome premier. 


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Kleinere Mitteilungen. 


en plein soleil. Le Palais-Neuf est bati exactement sur le modele du palais 
Pitti, de Florence; le theätre, d’apres l’Odeon de Rome; l’hötel des Postes, 
sur quelque autre patron classique; le tout badigeonne, du haut en bas de 
rouge, de vert et de bleu-ciel. Cette place ressemble ä ces decorations im- 
possibles que les theätres hasardent quelquefois; un solide monument de 
cuivre rouge etabli au ceutre, et representant le roi Maximilian I er , vient seul 
contrarier cette illusion. La Poste, toute peinte d’un rouge sang de boeuf, 
qualifie de rouge antique, sur lequel se detachent des colonnes jaunes, est 
egayee de quelques fresques dans le style de Pompeia, representant des sujets 
equestres. L’Odeon expose ä son frouton une fresque immense oü dominent 
les tous bleus et roses, et qui rappelle nos paravents d’il y a quinze ans, quant 
au palais du roi, il est uniformement peint d’un beau vert tendre. Le qua- 
trieme cotd de la place est occupe par des maisons de diverses nuances. En 
suivant la rue qu’elles indiquent, et qui s’elargit plus loin, on longe une 
seconde face du palais plus ancienne et plus belle que l’autre, oü deux portes 
immenses sont decorees de statues et de trophees de bronze d’un goüt maniere, 
mais grandiose. Ensuite, la rue s’elargit encore; des clochers et des tours 
gracieuses se dessinent dans le lointain; ä gauche s’etend ä perte de vue une 
file de palais modernes propres a satisfaire les admirateurs de notre rue de 
Rivoli; ä droite, un vaste batiment depeudant du palais, qui du cote de la rue 
est garni de boutiques brillantes, et qui forme galerie du cote des jardins, 
qu’il encadre presque entierement. — Tout cela a la pretention de ressembler 
a nos galeries du Palais Ro} r al; les cafes, les marchandes de modes, les bijou- 
tiers, les libraires sont a l’instar de Paris. Mais une longue suite de fresques 
representant les fastes heroi’ques de la Baviere entremelees de vues d’Italie 
temoignent, d’arcade en arcade, de la passion de l’ex-roi de ce pays pour 
la peinture, et pour toute peinture, a ce qu’il parait. Ces fresques, le livret 
l’avoue, sont traitees par de simples eleves. C’est une economie de toiles; les 
murs souffrent tout. Le Jardin royal, entoure de ces galeries instructives, est 
plante en quinconce et d’une mediocre etendue; la face du palais qui donne 
de ce cote, et oü les ouvriers travaillent encore, presente une colonnade assez 
imposante; en faisant le tour par le jardin, on rencontre une autre fa£ade 
composee de bätiments irreguliers, et dont fait partie la basilique, le mieux 
reussi des monuments modernes de Munich. Cette jolie eglise, fort petite d’ail- 
leurs, est un veritable bijou; construite sur un modele byzantiu, eile entincelle, 
ä l’interieur, de peintures a fond d’or, executees dans le meine style. C’est 
un ensemble merveilleux de tout point; ce qui n’est pas or ou peinture est 
marbre ou bois precieux; le visiteur seul fait tache dans un interieur si 
splendide, qui rappelle sur une echelle moindre la chapelle des Medicis, de 
Florence. En sortant de la basilique, nous n’avons plus que quelques pas 
ä faire pour rencontrer de nouveau le theätre; car nous venons de faire tour 
de palais, auquel se rattachent tous ces edifices comme dependances immediates. 
Pourquoi n’entrerions-nous pas dans cette vaste residence? Justement le roi 
va se mettre ä table, et c’est l’heure oü les visiteurs sont admis dans les salles 
oü il n’est pas, bien entendu. On nous re^oit d’abord dans la salle des 


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gardes, tonte garnie de hallebardes, mais gardee seulement par deux factionnaires 
et autant d’huissiers. Cette salle est peinte eil grisailles figurant des bas-reliefs, 
des colonnes et des statues absentes, selon les procedes, surprenants et eco- 

nomiques de M. Abel de Pujol. 

Ce qu’il faut le plus reinarquer, c’est la salle decoree de fresque de 
Schnorr sur les dessins de Cornelius, dont les sujets sont empruntes k la 
grande epopee germanique des Niebelungen. Ces peintures, admirablement 
composees, sont d’une execution lourde et criarde, et l’oeil a peine k en saisir 
1 ’harmonie; de plus, les plafonds, charges de figures gigantesques furibondes, 
ecrasent leurs salles mesquines et mediocrement decorees; il semble partout 
ä Munich que la peinture ne coüte rien; mais le marbre, la pierre et l’or sont 
epargnes davantage. Ainsi ce palais superbe est construit en briques, auxquelles 
le plätre et le badigeon donnent l’aspect d’une pierre dure et rudement taillee; 
ces murailles eclatantes, ces colonnes de portore et de marbre de Sienne, 
approchez-vous, frappez-les du doigt, c’est du stuc. Quant au mobilier, il 
est du goüt, le plus empire que je counaisse, les glaces sont rares, les lustres 
et les candelabres semblent appartenir au materiel d’un cercle ou d’un casino 

de province; les richesses sont au plafond. Il n’y a qu’un seul 

restaurateur dans la ville, qui est un Fran^ais, autrement il faut prendre 
garde aux heures des tables d’liöte. La cuisine est assez bonne ä Munich, 
la viande a bon goüt; c’est lä une remarque plus importante qu’on ne croit 
en pays etranger. On ne sait pas assez que la moitie de l’Europe est privee 
de beefsteaks et de cotelettes passables, et que la veau domine dans certaines 
contrees avec une deplorable uniformite. Les deux cafes de la Galerie- 
Royale ne sont pas fort brillants, et n’ont aucun joumal fran<;ais. Un vaste 
cabinet de lecture et une sorte de casino, qu’on appelle le Musee, contiennent 
en revanche la plupart des feuilles franc^aises que la censure laisse entrer 
librement. De temps en temps, il est vrai, quelque numero manque, et les 
abonnes lisent ä la place cet avis: que le journal a ete saisi, a Paris, ä la 
poste et dans les bureaux. Cela se repete si souvent, que je soup^onne le 
parquet de Munich de calomnier celui de Paris. Il resulte encore de ce 
subterfuge que les braves Munichois ont des doutes continuels sur la tran- 
quillite de notre capitale; la leur est si paisible, si gaie et si ouverte, qu’ils 
ne comprennent pas les agitations les plus simples de notre vie politique et 
civile; la population ne fait aucun bruit, les voitures roulent sourdement sur 
la Chaussee poudreuse et non pavee. Le Fran^ais se reconnait partout ä ce 
qu’il declame ou chantonne en marchant; au cafe il parle haut; il oublie de 
se decouvrir au theatre; meine en dormant, il remue sans cesse, et un lit 
allemand n’y resiste pas dix minutes. Imagine-toi des draps grands comme 
des serviettes, une Couverture qu’on ne peut border, un edredon massif qui 
pose en equilibre sur le dormeur; eh bien! 1’Allemand se couche et tout 
cela reste sur lui jusqu’au lendemain; de plus, connaissant sa sagesse, on lui 
accorde des oreillers charmants, brodes ä l’entour et decoupes es dentelles sur 
un fond de soie rouge ou verte; les plus pauvres lits d’auberge, resplendissent 
de ce luxe innocent. Je sens bien que tu es presse de faire connaissance 


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avec la Glyptotheque et la Pinacotheque; mais ces musees sont fort toin du 
centre de la ville, et il faut le temps d’y arriver. Dans sa pensee d’agran- 
dissement ä l’infini pour sa capitale, le roi Louis outre ses principaux 
monuments, ceux du moins autour desquels on espere que les maisons vien- 
dront un jour se grouper. La ville de Munich etait naturellement une fort 
petite ville, de la grandeur d’Augsbourg tout au plus; la lyre du roi-poete 
en a eleve les murailles et les edifices superbes. II eüt, comme Amphion, 
fait mouvoir les pierres ä ce grand travail, mais il n’y avait pas de pierres 

dans tout le pays. C’est lä le grand malheur de cette capitale improvisee 

d’un royaume encore si jeune, de lä la brique rechampie, de lä le stuc et le 
cartonpierre, de lä des rues boueuses, ou poudreuses, selon la saison; le 
gres manque, la municipalite hesite entre divers projets soumis par les com- 
pagnies de bitume, et Munich n’est encore pave, comrae l’enfer, que de bonnes 
intentions. Apres bien des places indiquees ä peine, bien des rues seulement 
tracees et oü l’on donne des terrains gratuits, comme dans les deserts de 
l’Amerique, ä ceux qui veulent y bätir, on arrive ä la Glyptotheque, c’est-ä- 
dire au musee des statues; on est tellement Grec ä Munich, que l’on doit 
etre bien Bavarois ä Athenes; c’est du moins ce dont se sont plaints les Grecs 
veritables. Le bätiment est tellement antique dans ses proportions, que les 
marches qui conduisent ä l’entree ne pourraient etre escaladees que par des 
Titans: un petit escalier dans un coin repare cet inconvenient, que je me 

garderai bien d’appeler un vice de construction. A l’interieur, les salles sont 

vastes et pratiquees dans toute la hauteur du monument. Elles sont enduites 
partout de cette teinture de rouge fouce que les livrets continuent ä garantir 
vrai rouge antique. Les omements qui s’en detachent sont toujours de ce style 
Pompeia sur lequel nous avons ete blases par nos cafes, nos passages, et par 
les decorations Gymnase. La Glyptotheque reuferme une collection d’antiques 
fort precieux et des chefs d’cvuvre de Canova, parmi lesquels se trouvent la 
Frileuse, la Venus-Borghese, un buste de Napoleon et un autre du prince 
Eugene. Quelques statues du trop celebre Thorwaldsen partagent avec celles 
de Canova les honueurs d’une salle particuliere, oü leurs noms sont accoles 
ä ceux de Phidias et de Michel-Ange. On ignore probablement ä Munich les 
noms fran^ais de Puget et de Jean Coujon. La Pinacotheque, c’est ä dire le 
musee de peinture, est situee ä peu de distance de la Glyptotheque. Son exterieur 
est beaucoup plus imposant, quoique le style grec en soit moins pur. Ces 
deux edifices sont d’un architecte Leon de Klenze. Ici, je n’aurai plus qu’ä 
louer: les salles sont grandes, et ne sont oruees que de peintures de maitres 
anciens. Une galerie exterieure, qui n’est pas ou verte encore au public, est 
toutefois fort gracieusement peinte et decoree et l’ornement antique y est 
compris ä la maniere italienne avec beaucoup de richesse et de legerete. Il 
serait trop long d’enumerer tous les chefs-d’oeuvre que renferme la Pinacotheque. 
Qu’il suffise de dire que la principale galerie referine une soixantaine de 
Rubens choisis et des plus grandes toiles. C’est lä que se trouve le Jugement 
demier de ce maitre, pour lequel il a fallu exhausser le plafond de dix pieds. 
Lä se rencontre aussi l’original de la Bataille des Amazones. Apres avoir 


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parcouru les grandes salles consacrees aux grands tableaux, on revient par 
une suite de petites salles divisees de meine par ecoles, et oü sont placees les 
petites toiles. Cette intelligente disposition est tres-favorable ä l’effet des tableaux. 
Que reste-t-il ä voir encore dans la ville? On est fatigue de ces edifices 
battant-neufs, d’une architecture si grecque, egayes de peintures antiques si 
fraiches. II y aurait encore pour tout Anglais a admirer six ministeres avec 
ou sans colonnes, une maison d’education pour les filles nobles, la bibliotheque, 
plusieurs hospices ou casernes; une eglise roma^e, une autre byzantine, une 
autre renaissance, une autre gothique. Cette derniere est dans le faubourg: on 
apergoit de loin sa fleche aigüe. Tu m’eu voudrais d’avoir manque de visiter 
une eglise gothique de notre epoque. Je sors donc de la ville sous un arc 
de triomphe dans le goüt italieu du quatorzieme siede, orne d’une large 
fresque representant les batailles bavaroises. CJn quart de lieue plus loin, 
je rencontre l’eglise bätie aussi comme cous les autres monuments de briques 
rechampies de plätre. Cette eglise est petite et n’est pas entieremeut finie 
ä l’interieur. On y pose encore une foule de petits saints-statuettes en plätre 
peint Le cartonpierre y domine: c’est lä une grande calamite. Les vitraux 
sont inieux que le gothique: d’apres les nouveaux procedes et les decouvertes 
de la chimie, on parvient ä obtenir de grands sujets sur un seul verre, au 
lieu d’employer de petits vitraux plombes; le dallage est fait en bitume de 
couleur; les sculptures de bois sont figurees parfaitement en päte coloree; 
les flambeaux et les crucifix sont en metal anglais, se nettoyant comme 
l’argent. J’ai pu monter dans la fleche, qui m’a rappele celle de la cathedrale 
de Rouen refaite par M. Alavoine. Revenons ä Munich. La fläche en fer 
creux est un sacrifice au progres et je ne veux pas trop l’en blamer. En 
revanche eile a toujours les deux belles tours de sa cathedrale, le seul 
monument ancien qu’elle possede, et qu’on apergoit de six lieues. Au temps 
ou fut bati ce noble edifice on mettait des siecles ä accomplir de telles 
Oeuvres; on les faisait de pierre dure, de marbre ou de granit; alors aussi 
ou n’improvisait pas en dix ans une capitale qui semble une decoration 
d’Opera prete ä s’allumer au coup de sifflet du machiniste. Du reste, je 
comprends que l’ancien duche de Baviere, qui est passe royaume par la 
gräce de Napoleon, ait ä coeur de se faire une capitale avec une ancienne 
petite ville mal bätie qui n’a pas meme de pierres pour ses magons; mais 
Napoleon lui-meme n’aurait pu faire que la population devint en rapport avec 
ragrandissement excessif de la ville; il eüt simplement deporte lä des familles 
qui v seraient mortes d’ennui, comme tes tortues du Jardin des Plantes; il 
n’aurait pu faire un fleuve de l’humble ruisseau qui coule ä Munich, .et que 
l’on tourmente en vain avec des barrages, des fonds de planches et des 
estacades, pour avoir le droit, un jour, d’y bätir un pont dans le goüt 
romain! — Man staunt, wie gewaltig Bayerns König den Franzosen an weit¬ 
schauendem Blicke übertraf! 

Reinhardstöttner. 


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12 


Kleinere Mitteilungen. 


Ein Münchener Vakanzlied des 18. Jahrhunderts. 

Der in die Vacanz räisente Student will München noch zum An- 
gedenckhen sein högst vergnüegtes Vale schenckhen. 

O Melibee, Deus nobis haec otia fecit. 


1. 

Zum Doch hinaus, zum Doch hinaus! 
Das Schuljahr das ist aus. 

Iam, fratres, iam ridete 
Et consonum Valete 
Stimmt alle mit mir an! 

Frolocket wechselweise 

Und schickt euch auf die Reise! 

Ich selbsten geh voran. 

2. 

Daetemini, laetemini! 

So lohnt man Fleis und Müh. 
Pyerios labores, 

Scholasticos sudores 
Wascht ab mit kühlen Wein! 

Ihr aufgeklärten Brüeder, 

Singt neue Freudenslieder, 

Däst uns recht lustig sein! 

3 - 

Nun ist es Zeit, nun ist es Zeit 
Zur Freud und Dustbarkeit. 

Nam nullus coronatur, 

A quo non decertatur; 

Die Arbeith bringt den Dohn 
Am End mues sich erst zeigen, 

Wie die Verdienste steigen 
Bey einem Musensohn. 

4 - 

So last uns gehn, so läst uns gehn 
Von bayrischen Athen! 

Vos Mouacenses muros 
Ad reditus futuros 


Verlassen wür anheut 
Geliebtes Vatterlande, 

Du bist der Gegenstände 
Von unser wahren Freud. 

5 - 

Nur wohlgemuth, nur wohlgemuth! 
Es steht schon alles guett. 
Argentea crumena 
In orbem turnet plena, 

Der Beutel ist gespickt. 

Man hat uns Geld von Hause 
Zu einem Abschidsschmause 
Und auf die Räis geschickt. 

6 . 

Was braucht es vil, was braucht es vil! 
Räis mit, wer räisen wil. 

Optata favet hora, 

Rumpatur omnis mora, 

Stellt euch als Däuffer an! 

Wür laufen in die Wette, 

Das man die Vatterstätte 
Nur bald erräichen kan. 

7 - 

Ein Würthshaus winckt, ein Würths- 
haus winckt; 

So kehrt dan ein und trinckt! 
Potate geuerosis 
Salutem studiosis! 

Studentisch mues es sein. 

Ihr aufgeräumten Zecher, 

Hebt auf die vollen Becher, 

Rueft frölich Vivat drein! 


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Kleinere Mitteilungen. 


13 


8 . 

Studentenfeind, Studentenfeind, 
Wan doch dergleichen seind, 

Ne gaudia turbate 
Aut ictus exspectate, 

Wie es schon offt geschach! 
Herr tVurth, nur guett tractiret! 
Ihr wist, was sich gebihret; 

Es seind Studenten da. 


9 - 

Guetts Wetter her, Guetts Wetter her, 
Geneigter Jupiter! 

Da luces sereuatas 
Ab imbribus purgatas, 

Las uns doch ungetaufft! 

Dan du wirst Selbsten wissen, 

Das wür mit dem Ulissen 
Nicht haben Wünd gekaufft. 


10. 

Nun scheiden wür, nun scheiden wür 
Mit tausent Lust von hier 
In loca fortuuata, 

Elysia in prata, 

In das vergnüegte Haus. 

Der Schullhund ist erstumet, 

Der uns offt vorgebrumet: 

Jezt gehts zum Loch hinaus. 


Das vorstehende Studentenlied, dessen treuherzig derbe Lustigkeit 
trotz des unverkennbar anhaftenden klassischen Zöpfchens auch bei einem 
modernen Leser Behagen erweckt 1 ), entnehme ich einer dickleibigen Sammel¬ 
handschrift, die bald nach dem Jahre 1765 in Bayern, vermutlich in München 
selber, von unbekannter Hand zusammengestellt ist: 

„Alt und Neue Nützliche Tischreden vnnd Begebenheiten, oder Etwafs von Alle, 
dafs ist Gemieths-aufmuntereute vnnd die Melanclioley vertreibent guett vnnd schlechte 
Einfähl, so von Fabulano Kurzweill Kiellheiten Fabricanten in dem Eiskeller zu Lustheim 
bey miessigen Stunden nach ihren Rang mit einem vollkommenen Register rerum et 
verborum recht miehesam zusam geschriben worden seint. In dein Jahr, da die Kält am 
grösten war.“ 8-fi 149+8 S. fol. (Cod. 14914 der Wiener Hofbibliothek). 

Der Band enthält hauptsächlich eine nach sachlichen Kategorien ge¬ 
ordnete grosse Schar von Rätseln und Scherzfragen, dann S. 929—945 ein 
dreiaktiges Singspiel von der Erschaffung der Welt, Adams und Evä, von 
einem „bayerischen Bauern“ im Stile Sebastian Sailers gedichtet, und endlich 
von S. 963 ab 297 „lustige Historien“, unter denen obiges Lied auf S. 1113 
als Nr. 282 paradiert. Ich werde auf den Inhalt an andrer Stelle noch zu 
reden kommen und zitiere hier nur ein paar charakteristische Proben. Zunächst 
zwei Rätsel: 

Was ist das Beste an der Stadt München? — Das sie einen Namen hat; ansonst 
konte man sie nicht erfragen. 

Es seind in München Jesus, Maria und Joseph-Thaller geschlagen worden; haben 
Sie noch keinen gesehen ? — Zäige ihm einen bayrischen Thaller, auf welchem die Mutter 
Gottes mitn Kündl ist 


*) Über die Einmischung lateinischer Worte vgl. meine Zusammenstellung in der 
Festgabe der Gesellschaft für Deutsche Philologie au Weinhold 1896, S. 91: 'In dulci iubilo\ 


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Kleinere Mitteilungen. 


11 

S. 1058 steht Matthias Et enhuebers’) lateinischer Glückwunsch zur 
Hochzeit der Prinzessin Josepha (1765); S. 961 und 1114 Anekdoten von 
Friedrich dem Grossen, S. 1050 Reime auf ihn und Maria Theresia, S. 1116 
ein Dialog von der Schlacht bei Landshut (1760) in Alexandrinern, S. 1132 
eine gleichfalls in Alexandrinern abgefasste lobpreisende „Abschilderung eines 
wahren Freymauers,“ mit der man den gutmütigen Spott verschiedener Rätsel 
auf die Jesuiten, Franziskaner und Kapuziner auf S. 494 und 498 vergleichen 
mag. Dass der Sammler auch ein Freund eines guten Trunkes gewesen, 
lehrt seine Anweisung auf S. 633. 

Wie trinkt man auf die Notten? — Ut, utiliter; re, realiter; mi rairabiliter; fa, 
faciliter; sol, solenniter. Doch gib acht, das nit das La, mithin lamentabiliter herauskonimt. 

S. 1117: Schene Gedanckhen von dem Bier. 

Du edler Gerstensafft, mit allen deinen Gaben 
Solst nach des Bachi Spruch vier Religionen haben: 

Guett luthrisch solst du sein aus einem vollen Fas, 

Auch reformirt dabey aus einem hellen Glas; 

Chatolisch muest du sein durch deine guette Werckh, 

Damit mau merckt und füllt die Würckhung deiner Sterckh; 

Auch jüdisch noch Dabey; das ist, nit sein getaufft; 

So bist du guettes Bier, in dem kein Wasser laufft. 

') S. Forschungen, I. 7—68. — Über dies Festgedicht s. a. a. O. S. 40 u. 66. 

Berlin. Johannes Bolte. 


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I 


Anzeigen und Besprechungen. 


Die Verlegung der Ludwig-Maximilians-Universität nach 
München. Rede beim Antritt des Rektorats der Ludwigs-Maximliansuni¬ 
versität, gehalten am 20. November 1897 von Dr. Karl Theodor Heigel. 
München 1897. (4°- 37 S.). 

Mit vollem Rechte nennt es Treitschke, wie von Heigel einleitend anführt, eine alte 
Wahrheit, dass die Bildung eines Volkes am Ende durch den Zustand der höchsten Unter¬ 
richtsanstalten bestimmt wird. Von hohem Interesse ist uns darum die Kenntnis der 
Entwickelung derselben, um so mehr wenn der Berichterstatter „die Akten zum ersten 
Male benützt“ hat Von Heigel behandelt nur e i n Ereignis aus der Geschichte der 
Münchener Universität, ihre Verlegung von Landshut nach München, wobei es ihm ge¬ 
lingt, „den urkundlichen Beweis zu liefern, dass ein erleuchteter Wittelsbacher diese Ver¬ 
pflanzung nicht nur in der besten Absicht, sondern auch mit weiser Einsicht und sicherem 
Fernblick beraten und durchgeführt hat“. (4.) Die Leistungen der Universität Ingolstadt 
standen in keinem Vergleiche mit dem „festlich frohen Aufschwung der Schulen Nord- 
und Mitteldeutschlands ... Zu den Schöpfern und Heroen unserer grossen Litteratur- 
epoche stellte Bayern nicht einen Mann.“ (5.) Eine Denkschrift aus dem Jahre 1769 be¬ 
tont: „Es kann nicht besser werden, solange die Lehrer der Hochschule zwischen Soldaten¬ 
helmen und Jesuitenhüten spazieren gehen müssen.“ (6.) Hier wird, wie von Heigel her-, 
vorhebt, zum ersten Male der Wunsch der Verlegung der Hochschule nach München 
geäussert. Dieses berechtigte Verlangen kam freilich nur auf dem Umwege zustande, 
dass die Universität erst (von 1799 bis 1826) in Landshut, allerdings stets angefochten, 
wirkte. Vor allem Kronprinz Ludwig gab den Gedanken, die hohe Schule nach München 
zu verlegen, nicht auf. Die überaus richtige Anschauung, die König Ludwig I. von den 
Universitäten, der Lehrfreiheit und ihren Schranken, sowie ihren Aufgaben besass, bildet ein 
neues Reis in seinem Lorbeerkranze, nicht minder die Mühe, die er sich gab, die besten 
Kräfte nach München zu rufen. Mit kräftigen Strichen und mit der ihm in so hohem 
Grade eigenen Schönheit der Sprache schildert von Heigel die ersten Erfolge der neuen 
Universität München, ihr Emporkommeii, ihre Blüte bis zum heutigen Tage. Neben von 
Heigels glühendem deutschen Patriotismus wirkt sein bayerisches Empfinden unendlich 
wohlthuend. Nur wer, wie der Redner, mit dem scharfen Auge des Geschichtsforschers 
die Schwächen der Heimat erkannt hat, durfte auch ihr Lob in die schönen und wahren 
Worte (34) fassen: „Bayern ist längst nicht mehr die Feste mittelalterlicher Unduldsamkeit, 
Bayern und seine Hauptstadt nicht mehr das deutsche Böotien, die Stacheln Heines sind 
stumpf geworden.“ — Von Heigels Rektoratsrede bietet einen überaus wertvollen Beitrag 
zur inneren und kulturellen Geschichte Bayerns. 

München. Reinhardstöttner. 

Francesco Melzi d’Eril. Ricordo di Monaco. Eugenio 
Beauharnais e Augusta di Baviera. Documenti inediti. München 
1897. Verlag von Christian Kaiser. (150 S.). 

Ein überaus nobel ausgestatteter Band, der freilich erkennen lässt, dass er im 
Auslande gedruckt wurde (S. 9. po, 13 virtu, natiä, S. 19. une, dell, S. 21. suo, une, sim- 


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i6 


Anzeigen und Besprechungen. 


patice, un, S. 23. archvio S. 24. le, ser cel£bre, S. 29. nello Reggia, S. 31. conduit, S. 59 
au p. an, S. 65 italiani, S. 69. quäl Re, S. 71. des nos, S. 142. le storia, S. 144. dedico, 
S. 145. nascita u. s. w.) beschäftigt sich neben allgemeinen Lobeserhebungen der bayeri¬ 
schen Hauptstadt (S. 5. bella come il sogno d’un poeta, nella amenita de* suoi giardini, 
nella grandiosa fulgidezza de’ suoi palazzi, de* suoi tempi, de’ suoi musei, delle sue strade, 
de’ suoi teatri . . . una grande cittä, che meno di un secolo ha bastato a reudere uua delle 
piü cospicue della Germania u. s. w.) mit dem Schicksale des Vizekönigs von Italien 
Eugöne von Beauharnais (1781—1824), des Herzogs von Leuchtenberg, und seiner Gattin 
Augusta (1788—1851), der ersten Tochter des Königs Max Joseph von Bayern. Briefe im 
geheimen Hausarchive und Clerambaults Tagebuch standen dem Verfasser neben dem 
gedruckten Material zur Verfügung. Das Journal de tout ce qui s’est passe ä Munich 
depuis le 13 Octobre 1805 jusqu’ä 1806* enthält in schlichten Worten bedeutende geschicht¬ 
liche Ereignisse, deren Lektüre heute noch einer tiefen Wirkung nicht verfehlen kann. 
Neben den getreu aufgezeichneten Wetterberichten lesen wir von Napoleons Aufenthalt 
in München; (la joie du public etait ä son comble (34); venit vidit vincit (?) Napoleon, 
Austriae terror, pius Bavariae amicus vivat! [36]), von der Ausrufung Max IV. Joseph als 
König von Bayern (44), ferner eine kurze Schilderung des Metzgersprunges (52) u. a. Der 
Verfasser hat eine stattliche Reihe von Archivalien, welche sich auf Eugene Beauharnais 
und seine Gemahlin Auguste beziehen, wie den Ehekontrakt, das Testament, u. a., zum 
teile zum ersten Male veröffentlicht, die Bibliographie zusammengestellt und dem Ganzen 
Anmerkungen zum Verständnisse der Schrift für Ausländer beigegeben. Die freundliche 
Gesinnung gegen das gastliche Bayerland hat ihn sogar dem Maximilianeum ,un effetto 
sorprendente’ (143) zuschreiben lassen. ,L’arte vi e profusa*. Das, wie bemerkt, üppig 
gedruckte Buch ist nicht nur ein Beitrag zur Geschichte Bayerns in jenen Tagen, wo 
Napoleons Stiefsohn der bayerischen Prinzessin die Hand reichte zur Befestigung der 
,liens d’union et d’amitie qui les unissent dejä‘ (57), es enthält auch zahlreiche Urteile 
über Land und Leute, die, besonders wohlwollend gehalten, die freundliche Gesinnung 
widerspiegeln, die man für unser Land und seine Geschichte auswärts hegt. 

München. R. 

Die Jesuitennu 11 en Prantls au der Universität Ingolstadt 
und ihre Eeidensgenossen. Eine biobibliographische Studie von Franz 
Sales Romstöck, Eyzealprofessor, Bibliothekar und I. Vorstand des histo¬ 
rischen Vereins in Eichstätt. Eichstätt 1898. Kommissionsverlag der Ph. 
Broun ersehen Buchhandlung (A. Hornik) (VIII u. 523 S.). 

Als vor sechsundzwanzig Jahren die hohe Schule zu München die Feier ihres 
vierhundertjährigen Bestehens festlich beging, erschien als eine der wertvollsten Gaben 
die Geschichte der Universität aus der Feder unseres unvergesslichen Prantl. Der aka¬ 
demische Senat, der ihn mit dieser Arbeit betraute, wusste wohl, warum er gerade ihn 
für dieselbe wählte; denn Prantl ist nicht bloss „im Rufe bedeutender Gelehrsamkeit ge¬ 
standen“, wie Romstöck (472) von ihm sagt; er besass thatsächlich jenes umfangreiche 
Wissen auf mehreren Gebieten, wie ein solches heutigentages, zumteil infolge des um 
sich greifenden und von dem wachsenden Umfange der Wissenschaften natürlich gefor¬ 
derten Spezialistentumes, immer seltener wird. Nicht unwidersprochen darf darum die 
Behauptung bleiben, dass der scharfsinnige Philosoph und Geschichtschreiber seiner 
Wissenschaft sich „mehr von offenkundigem Hasse gegen den Jesuitenorden und die Mit¬ 
glieder desselben, als von der Liebe zur Wahrheit leiten liess“ (472); denn mit dem 
Vorwurfe der Unwahrheit wäre sein gesamtes Wirken als null und nichtig erklärt. Prantls 
Anschauungen entspringen gewiss nicht dem kleinlichen Hasse gegen das Kirchliche, sie 
sind, auch wenn sie nicht von allen geteilt werden können, lediglich Folge seiner weit¬ 
verzweigten Studien. Sein Urteil über die Lehrkräfte der Ingolstädter Hochschule ergiebt 
sich aus der ihm gewordenen Aufgabe, eine Geschichte derselben zu schreiben. Was 
kann dies heissen? Doch nur eine Darstellung des Einflusses zu versuchen, welchen 


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Anzeigen und Besprechungen. 


17 


diese gelehrte Gesellschaft auf die Wissenschaften, die sie vertrat, ausgeübt, was 
sie Dauerndes schuf. Nun spricht Prantl hinsichtlich der Jesuiten in Ingolstadt nicht 
von allen anerkennend; viele nennt er „leere Namen“, „Jesuitennullen“, Männer „ohne 
litterarische Bedeutung“ u. dgl Romstöck nun findet (461) diese Kritik „beinahe völlig 
hinfällig“. Zur Widerlegung Prantls hat er in einem stattlichen Bande von 523 Seiten 
mit unermüdlichem Fleisse alle Daten über das Leben und sämtliche Schriften jener 
Jesuiten zusammengetragen, die je in Ingolstadt gewirkt haben; diese Mühe ergab eine 
überaus sorgfältige Arbeit, die selbst nach Sommervogels grossem Werke besonders dem 
bayerischen Forscher sehr willkommen sein muss. Aber der vorurteilsfreie Benützer dieses 
umfangreichen Buches gewinnt aus demselben den Eindruck, als ob die Berechtigung 
Prantls zu den Äusserungen über „leere Namen“, „nicht nachweisbare Früchte“, Männer 
„ohne litterarische Bedeutung“ u. ä. gerade aus Romstöcks liebevoller und hingebender 
Arbeit aufs glänzendste bewiesen werden könnte; denn so ungeheuer auch die schrift¬ 
stellerische Thätigkeit der Ingolstädter Jesuitenprofessoren war, was der Wissenschaft 
wirklich davon zu gute kam, ist sehr wenig; die überwiegende Mehrzahl ihrer Schriften 
ist ohne litterarische Bedeutung. Und darauf kam es doch dem Geschichtschreiber der 
Universität an, ob die aus derselben erwachsenen Werke auch jenen wissenschaftlichen 
Charakter tragen, der Grundbedingung akademischen Wirkens ist und bleibt. 

Referent, der seit Jahrzehnten die pädagogischen Verdienste der Jesuiten und ihre 
glänzende Schulkomödie mit warmer Anerkennung verfolgt, hat sich die Mühe genommen, 
die von Romstöck angeführten Werke ihrem Inhalte nach zusammenzustellen, und da 
ergab sich denn für ihn die Überzeugung, dass von den so zahlreichen Jesuiten, deren 
wissenschaftlicher Leistungen sich zu rühmen der Orden allen Grund hat, gerade in 
Ingolstadt sehr wenige wirkten. So hat z. B. auch der hervorragende Ignaz Koegler 
(s. über ihn A. D. B.) nur von 1712—1714 der hohen Schule dieser Stadt angehört. Wenn 
wir die von Romstöck gesammelten Druckschriften überblicken, so begegnen wir vorerst 
zahllosen Gelegenheitsschriften, Trauerreden, Predigten (z. B. 13; 14, 2, 3, 4, 5, 6; 30, 9; 
56, 3, 4, 5; 98; 99, 2; 151; i 67 ff.; 202, 3; 246; 255; 266 u. s. w.; Adam Kern hat z. B. 
gar nichts Anderes zu verzeichnen!), alsdann Gebet- und Erbauungsbücheru (z. B. 16, 7; 
163, 1; 195, 1; 246 ff. u. s. w.), vielen Gymnasialschriften, darunter selbst den Ephemeriden, 
die der jeweilige Präfekt des Gymnasiums amtlich führen muss (z. B. 47; 153; 165; 166, 2; 
221, 2; 227, 1; 242, 1; 244, 2; 249 u. s. w.); blossen Übersetzungen asketischer oder anderer 
Werke (z. B. 11, 3; 105; 161, 4 u. s. w.), endlosen ,Disputationes‘, Gedichten (87, 1; 160, 3), 
Schulkomödien (27, 1; 31, 1; 93, 1; 160, 3 u. s. w.) Ja, was am meisten überrascht, 
Romstöck führt eine Unzahl von Promotionsschriften anderer auf, bei 
denen ein Jesuitenprofessor ganz zufällig Präses oder Promotor war 1 ) 
(z. B. unter hunderten 84, 85, 89, 101 ff., 105; 106 ff.; m; 119, 5, 6; 125; 127; 131; 141; 
143; 170 ff.; 189; 291 u. s. w.). Was sollten nur diese für die litterarische Thätigkeit 
dieser Männer gar nichts beweisenden Amtsakte für die „litterarische Würdigung der 
Jesuiten, die an der Ingolstädter Universität gewirkt haben und von Prantl auf den 
Pranger gestellt worden sind (463)“, bedeuten? Auch ersieht man doch sicher nicht, in¬ 
wieweit „der Schleier gelüftet“ wird, „unter dem ihre litterarische Wirksamkeit verborgen 
war“ (3), wenn zahlreiche Lehrer der Hochschule aufgeführt werden (z. B. 30, 39, 51, 56, 
60, 61, 63, 86, 88, 98, 100, 101, 104, 120, 126, 155, 187, 188, 200, 203, 204, 206, 210, 217, 
244, 253, 256, 263, 272 u. s. w.), von denen keine einzige Druckschrift nachgewiesen wird? 

Selbstverständlich hat Romstöck manche Angaben Prantls über Jesuiten vervoll¬ 
ständigt, allein der Geschichtschreiber der Universität hatte ja die Gesamtheit, nicht 


*)Die Begründung des Rezensenten der „Bayerischen Gymnasialblätter“ (Bd. XXXIV, 
515—517), weshalb Dissertationen aufgeführt (515) und auch litterarisch nicht hervor¬ 
tretende Männer mit aufgenommen wurden (516, 517), überzeugt mich so wenig, dass 
ich aus derselben eher entnehme, der überaus wohlwollende Herr Referent habe diesen 
Mangel ebensosehr, wie ich, empfunden und nach einer Entschuldigung gesucht. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


die Jesuiten allein im Auge, er hatte sich doch nicht ausschliesslich mit Jesuitica zu be¬ 
schäftigen. Was indessen Romstöck von der streng wissenschaftlichen Thätigkeit der 
Gesellschaft Jesu in Ingolstadt anführt, möchte Prantls Urteil eher bestärken als er¬ 
schüttern, und auch Referent muss Haushofers Anschauung über Prantls Geschichte (V) 
vollständig teilen. Vielleicht hätte Romstöck mit einer Würdigung einiger weniger unter 
den wissenschaftlichen Arbeiten der Jesuiten und ihrer Bedeutung für Zeitgenossen und 
Nachfolger seinen Zweck, die Professoren, die fünfundzwanzig Jahre, „weil es Prantl so 
wollte, litterarisch am Pranger standen“ (3), zu reinigen, weit sicherer erreicht, als mit 
einer „biobibliographischen“ Zusammenstellung aller ihrer die Wissenschaft meist nicht 
oder nur sehr oberflächlich berührenden Elaborate. Er hat dies auf dem ihm so nahe 
liegenden Gebiete der Theologie und Physik nicht unternommen, dagegen den stets be¬ 
denklichen Versuch gewagt, einer Provinz, einer Örtlichkeit, einem Stande, einem Orden, 
einer Konfession diesen speziell, nicht der Allgemeinheit des menschlichen Wissens an- 
gehörige Koryphäen zu schaffen. Und so zerfällt auch der schwere Vorwurf, als habe 
Prantl Scandalosa der Universität „vor den Augen der ganzen Welt zu enthüllen, sich 
nicht gescheut“ (472 u. V) vor der Aufgabe des Historikers und der Pflicht der Wahrheit 
in nichts. 

Muss man nun endgiltig zweifeln, ob es trotz des späten Angriffes auf einen der 
allergrössten bayerischen Gelehrten, der noch sechzehn Jahre nach der Abfassung seiner 
Universitätsgeschichte am Leben und zu bekämpfen war, dem Verfasser gelang, Prantls 
Urteil nach seinem Tode zu erschüttern, so ist darum an dem bibliographischen Werte 
des Buches natürlich noch nichts herabgesetzt. Das mit unverdrossenem Fleisse ge¬ 
sammelte Material, die Heranziehung zahlreicher Manuskripte, die bio¬ 
graphischen Ergänzungen und Berichtigungen, die ganze Anlage des Buches weisen ihm 
sicher eine Stelle in jeder bayerischen Bibliothek an. Seite 1—3 und 463—472 w r eggenommen 
verbleibt ihm ein Wert, dessen sich Forscher auf dem Gebiete der bayerischen Geschichte 
oft bedienen werden. Wir sagen, die bezeichneten Seiten weggenommen, denn um z. B. 
nur den Schluss „Nähere Würdigung der Prantlschen Qualifikationen“ nochmal heran¬ 
zuziehen, so ist der Artikel keine Abweisung der Prantlschen Kritik. Denn wenn Prantl 
z. B. Anton Welser (464) eine „Jesuitennull“ nennt, Lipowsky aber denselben als „religiös, 
gelehrt, mit Klugheit und Umsicht handelnd“ darstellt, wenn Prantl Wilhelm Gumppen- 
berg ebenso nennt, hier aber (466) diese Bezeichnung schon darum ab gewiesen wird, 
„weil er durch sein Drängen den P. Balde bewogen hat, die köstliche Satire ,solatium 
podagricorum* zu dichten“, so ist damit doch die Erwiderung gegen den gelehrten Forscher 
Prantl auf völlig andere Bahnen gelenkt. Vertreter strenger Wissenschaft und ihre wissen¬ 
schaftlichen Errungenschaften darzustellen, war Prantls Aufgabe, hervorragende Prediger, 
Katecheten, Seelsorger, Lehrer, „gebildete Männer in jeder Hinsicht“ (465), Jesuitengeneräle 
(468), u. s. w. zu schildern, obliegt einer andern Geschichte als derjenigen einer Fachschule, 
von deren Lehrern wir mehr verlangen dürfen als eine grosse Anzahl von Druckbogen. 

Bei alledem sei indes nochmal Romstöcks Buch aufs beste empfohlen; es wird 
besonders jenen nützlich sein, welche grofse Sammelwerke nicht zur Hand haben, und 
welche dort Daten zur Biographie und Bibliographie zahlreicher Männer finden, die teils 
Bayern von Geburt waren, teils kürzere oder längere Zeit in unserm engeren Vaterlande 
so wirkten, wie es ihnen die Umstände eben gestatteten. Diese aber waren im sechzehnten 
und siebzehnten Jahrhunderte der Universität Ingolstadt sehr wenig, im achtzehnten gar 
nicht günstig, was Döllingers und von Heigels Rektoratsreden (von 1872 und 1897) genugsam 
darthuu. Wir wünschten dem auch hübsch ausgestatteten inhaltsreichen Buche recht bald 
eine zweite Auflage, die unter gemässigterer und sachlicherer Polemik auch einen Titel 
trüge, der den gediegenen Inhalt besser ahnen Hesse. 

München. Reinhardstöttner. 


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Peter Vischer der Jüngere. Ein Beitrag zur Geschichte der Erz- 
giesserfamilie Vischer von Dr. Georg Seeger. Leipzig. E. A. Seemann. 

Der Verfasser bietet uns in dem vorliegenden Werk einen äusserst wertvollen 
Beitrag zur Geschichte der Plastik überhaupt, wie im Speziellen zur Geschichte der Erz- 
giesserfamilie Vischer. Nicht allein die positiven Resultate, die uns geboten werden, 
sondern auch namentlich die anregende Diktion verdienen besondere Beachtung. Man 
merkt dem ganzen Werke die warme Begeisterung an, mit der es geschrieben ist, und 
man sieht gerne über ein Zuviel des Lobes hinweg, zu dem oft den Verfasser die liebe¬ 
volle Betrachtung der Kunstwerke der Meister trieb. Mit sorgfältiger Abwägung stilistischer 
Kriterien und vorsichtiger wohl durchdachter Durchforschung und Anwendung der 
archivalischen Materialien behandelte Seeger das z. t sehr spröde Thema und zwar in 
so überzeugender Weise, dass der Beweis für die alte so inhaltsreiche Nachricht, Peter 
Vischer d. J. habe mit seiner Kunst seinen Vater und Bruder (Hermann) übertroffen, 
(M. S. der Nürnberger Stadtbibliothek 933 b) bei aller Hochschätzung Peter Fischers d. Ä. 
fast erbracht erscheint. Jedenfalls zwingt uns — trotz mancherlei Ein wänden, die sich 
machen Hessen — die Arbeit zu dem Resultate, in dem jüngeren Peter Vischer einen der 
hervorragendsten Bildner der Frührenaissance zu erblicken und ihm eine entschieden 
wichtigere, bedeutendere Stellung in der Kunst seiner Zeit einzuräumen, als es bisher 
geschah. 

Ausgehend von drei Medaillen von 1507, 1509, 1511, welche als Arbeiten des jüngeren 
Peter Vischer und zurückgehend auf einen Einfluss einer italienischen Reise nachgewiesen 
werden, bringt der Verfasser in Kap. III eine nach vielen Seiten hochinteressante, vielleicht 
etwas zuviel von Hypothesen durchsetzte Besprechung über den Aufenthalt des Künstlers 
in Oberitalien, seine Verbindung mit Sebald Schreyer und seine Stellung zum Vertrieb 
der Schedelschen Chronik in Oberitalien. Gerade dieses Kapitel mufs als für die Ent¬ 
wickelung des Künstlers ganz besonders wichtig betrachtet werden. Das IV. Kap. bringt 
ein Verzeichnis der datierten und bezeichneten Werke aus der Vischerschen Giesshütte, 
welches als Norm für die weiteren stilistischen Untersuchungen Seegers gilt Diese 
betreffen zunächst das bekannte Blatt der „Allegorie auf die Reformation“ im Goethe¬ 
museum, die Grabdenkmale Friedrichs des Weisen in Wittenberg und des Kardinals 
Albrecht von Mainz in Aschaffenburg und die beiden Tintenfässer, welche der Verfasser, 
sich an Lübke anschliessend, dem jüngeren P. Vischer zuschreibt, und deren Figuren er 
als Personifikationen der himmlischen und irdischen Liebe auffasst. Ob mit Recht, will 
ich nicht entscheiden. Weder die Figuren selbst noch des Verfassers Beweis wirken hier 
völlig überzeugend. Das IX. Kapitel ist den Plaquetten mit den Darstellungen von 
Orpheus und Eurydike gewidmet. Hier vermisst man den Hinweis auf die Aktstudie 
P. V. d. J. vom Jahre 1519, die von grosser Wichtigkeit für die Plaquette der Coli. 
Dreyfus namentlich auch in bezug auf Datierung ist (Vergl. Jahrbuch d. preuss. Kunst- 
samml. 1891 Heft I.) Entgegen Seegers Anschauung, diese Plaquette schon etwa 1508 
zu setzen, möchte ich ihr das Datum der Aktstudie auch aus stilistischen Gründen geben, 
namentlich zwingt mich die Rhythmik der Bewegung der Körper hiezu. Das umfang¬ 
reichste Kapitel des verdienstvollen Buches, das X., sucht die Frage nach den verschiedenen 
Meistern des Sebaldusgrabes zu beantworten. Es überschreitet einerseits den Raum einer 
Besprechung, auf das so inhaltreiche Kapitel einzugehen, dem man eine äusserst fein¬ 
sinnige Betrachtung und sorgfältigstes Studium dieses prächtigen FrührenaissanceWerkes 
nachrühmen muss, anderseits möchte ich es fast für unmöglich halten, bei den ver¬ 
hältnismässig wenig sicheren Anhaltspunkten feststellen zu können, -welcher Teil, welche 
Figur, welches Ornament dem älteren oder dem jüngeren P. Vischer oder dem Hermann 
Vischer zuzuschreiben ist Immerhin muss dieses Kapitel zum Besten gerechnet werden, 
was die reiche Litteratur über das Sebaldusgrab auf weist Zur Vervollständigung dieser 
Abhandlung hätte aber freiHch auch der Verfasser die zwei von H. Weizsäcker gefundenen 
Grabentwürfe Hermann Vischers v. J. 1516 im Louvre zu Paris anführen müssen. (Vgl. 
Jahrbuch d. preuss. KunstsammL 1891 Heft I.) Kap. XI. befasst sich mit der Frage, in 


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20 


Anzeigen und Besprechungen. 


wie weit P. V. d. J. an anderen Werken der Hütte beteiligt war; der Verfasser weist 
im Widerspruch zu dem authentischen Aktenmaterial aus stilischen Gründen auf grund 
eingehender Betrachtung den prächtigen König Arthur der Hofkirche zu Innsbruck 
unserem Meister zu; man darf wohl sagen mit Recht Den Beschluss dieses Kapitels 
bildet die Ergründung des Meisters der Nürnberger Madonna, welche Seeger, von Bezolds 
feinsinniger Forschung und Untersuchung folgend, nicht nur dem Vischerschen Kunst¬ 
bereiche zuschreibt, sondern auch durch sorgfältig durchdachte Beweise dem j. Peter 
Vischer vindizieren möchte. Eine Anschauung, die sehr viel Wahrscheinlichkeit in sich 
birgt. Eine Biographie der einzelnen Glieder der Künstlerfamilie Vischer beschliesst das 
sehr verdienstvolle Buch, dem unverhohlen das Lob gezollt werden muss, dass es neben 
vielen positiven Resultaten viel Anregungen und Anhaltspunkte für weitere Forschungen 
bietet und einen klareren Einblick in die Verhältnisse der Erzgiesserfamilie Vischer und 
ihre künstlerische Thädgkeit gestattet, als es bisher möglich war. 

München. W. 


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Kleinere Mitteilungen 


Die deutschen Handschriften zur bayerischen Geschichte 
in der französischen Nationalbibliothek. 

Wertvolle Schätze der verschiedensten Wissensgebiete liegen in den Archiven und 
Bibliotheken des In- und Auslandes vergraben, ohne der Forschung zugänglich zu sein. 
Erst die umfassenden Publikationen der Inventare, mit denen das Ausland in so aner¬ 
kennenswerter Weise vorangeht, und die auch in Deutschland mehr und mehr Nachahmung 
finden, gewähren offenen Einblick in die handschriftlichen Bestände der grossen Samm¬ 
lungen. Unvermutet begegnet man da wichtigen Stücken für allgemeine, -wie für lokal¬ 
geschichtliche Forschung an Orten, wo man derartiges nimmer gesucht hätte. Seltsame 
Schicksale haben über den Büchersammlungen gewaltet und im Laufe der Jahrhunderte 
die alten Ordnungen völlig zerstört, die geschlossenen Bestände aufgelöst und in alle 
Winde zerstreut. Sie aufs neue zu sammeln für jedes einzelne Arbeitsgebiet — in mög¬ 
lichst vollständigen Verzeichnissen, soweit dies die vorhandenen Publikationen gestatten 

— und der wissenschaftlichen Ausbeutung zu erschliessen, gehört mit zu den vornehmsten 
Aufgaben aller der Spezialforschung dienenden Zeitschriften. Dort in erster Linie sucht 
man darnach, nicht in den grossen Katalogen der «Biblioth&que Nationale» oder des 
«British Museum», die zudem nur schwer zugänglich sind. Und eine Zeitschrift, wie die 
„Forschungen", wird stets ihr Hauptziel darin sehen, ein Gesamtrepertorium ihrer Disziplin, 
hier der bayerischen Geschichte, zu bilden. 

Wenn ich im nachfolgenden das Verzeichnis der auf die bayerische Geschichte 
bezüglichen deutschen Handschriften der Pariser Bibliothek anführe, so soll damit nur 
ein Anfang gemacht sein in der Zusammenstellung aller in den verschiedenen Publikationen 
verstreuten Hinweise auf handschriftliches Material zur bayerischen Geschichte. 

In dankenswerter Weise hat die französische Nationalbibliothek eine Gesamtüber¬ 
sicht ihrer deutschen Handschriften veröffentlicht unter dem Titel: Catalogue des 
manuscrits allemands de la bibliotheque nationale par G6d6on Huet, 
Paris 1895. Diesem an sich höchst verdienstvollen, leider aber nur mangelhaft an geord¬ 
neten und unübersichtlichen Werke entnehme ich folgende Angaben. Zu etwaigen Recher¬ 
chen im Pariser Handschriftenkabinett genügt die Angabe der beigesetzten Signaturen. 

Die speziell bayerische Kirchengeschichte betreffenden Handschriften finden sich 
in den „Beiträgen zur bayerischen Kirchengeschichte". (Erlangen, herausg. von D. Theodor 
Kolde) 3. Band 6. Heft verzeichnet. 

Korrespondenz über den Regensburger Reichstag 1748: Schreiben 
des Markgrafen von Bayreuth (Rekurs gegen die kaiserliche Kammer). — Promemoria 
von Sachsen-Koburg; Schreiben des Königs von Preussen an den Markgrafen von Ans¬ 
bach (Vormundschaft von Sachsen-Weimar). — Erklärung des Kurfürsten von Bayern 
(Ceremonialangelegenheit). — Schreiben des Königs von Preusseu und des Markgrafen 
von Ansbach (Vormundschaft von Sachsen-Weimar). — Supplement frangais 4731 , 1 . 

Schreiben von J. W. J. Bayer an Baron Gymnich, betr. Regens¬ 
burger Reichstags Verhandlungen von 1753—65: 

Schreiben des Kurfürsten von Bayern. (Gesuch um Anstellung des Grafen von 
Holnstein als Marschall-Lieutenant), 16. Januar 1758. — Aktenstücke, betr. Differenz 
zwischen Bayern und Württemberg wegen des Salzhandels. — Reichsgutachten: Ernen¬ 
nung des Fürsten von Zweibrücken und des Markgrafen von Baden-Durlach zu Reichs- 
marschällen, 20. März 1760, gedr. — Schreiben des Pfalzgrafen Friedrich, er dankt für seine 
Ernennung zum Reichsmarschall, 27. April 1760. — Beschluss des Kurfürsten von Bayern, 
betr. die Pensionen der Offiziere, 24. Januar 1761. — Schreiben der Gesandten am Reichs¬ 
tag an den Kurfürsten von Bayern, betr. Verteuerung der Lebensmittel, 12. August 1763. 

— Denkschriften in derselben Angelegenheit. — Beschluss der Deputationskammer, 
2. August 1765. — Benachrichtigung in derselben Angelegenheit — Anzeige der Ver¬ 
mählung Josephs, Königs von Rom, mit Maria Josepha von Bayern, 27. Januar 1765. — 
Antwort des Reichstags, 4. Februar 1765, gedr. — Schreiben betr. die Beförderung im 
Reichsmilitärdienst des Grafen von Holnstein, 10. Januar 1764. — Korrespondenz der 


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2 


Kleinere Mitteilungen. 


Reichsstädte mit dem Fürsten Thurn und Taxis, betr. Postverwaltung: Schreiben von 
Augsburg, 28. Juni 1765. — Schreiben von der Regierung von Ansbach, 10. Juli 1765. — 
Sehr, von der Stadt Nürnberg, 30. Juli 1765. — Sehr, von der Stadt Augsburg an den 
Markgrafen von Ansbach, 20. September 1765. — Kaiserliches Reskript, 19. Januar 1636. 

— Sehr, der Stadt Regensburg an den Fürsten Thum und Taxis, 14. Oktober 1765. — 
Antwort des Fürsten o. D. — Sehr, des Fürsten an das Fürstenkollegium. — Sehr, des 
Fürsten an die Stadt Nürnberg, 9. November 1765. 

Schreiben des Kurfürsten von Bayern und des Erzbischofs von Salzburg, betr. 
die Korporationen. — Vortrag des P. Gresel bei der Wahl eines neuen Bischofs von 
Regensburg, 27. April 1763. — Supplement frangais 4731 , 2 — 9 und 4731 bis. 

Aktenstücke, betr. religiöse Angelegenheiten auf dem Regens¬ 
burger Reichstag: Promemoria des Corpus Evangelicorum: Haltung der Stadt Regens¬ 
burg in Sachen der österreichischen Unterthanen lutherischer Konfession. — Denkschrift 
an das Corp. Ev. über den Religionszustand der Pfalz, gez. J. C. Schwartz, 8. Januar 1759. 

— Schreiben des A. C Gehwolff an das Corp. Ev., betr. die Angelegenheit der Kasse von 
Germersheim, 19. Mai 1759. — Klagen an den Reichstag über ein Buch des Abtes von 
St Emmeram. — Kaiserliches Dekret, verurteilt den Streit des Professors Strube mit dem 
Fürst-Abt von St Emmeram über den westfälischen Frieden, 4. März 1760. — Supplement 
frangais 4732, 1 — 4. 

Aktenstücke, betr. die Zulassung neuer Mitglieder zum Fürsten¬ 
kollegium des Reichstags: Schreiben des Pfalzgrafen an den Fürsten Thum und 
Taxis, 4. September 1753. — Kaiserliches Dekret, empfiehlt den Fürsten Thum und Taxis 
zur Zulassung in den Rat der Fürsten, 17. Dezember 1753. — Erklärung des Fürsten Thum 
und Taxis über seinen Rang als Generalpostmeister, 31. Januar 1754. — Einige weitere 
Aktenstücke, betr. Zulassung des Hauses Thum und Taxis zum Fürstenkollegium. — 
Schreiben des Markgrafen von Bayreuth in Sachen der Zulassungen, 12. Mai 1754. — 
Schreiben des Königs von Preussen an den Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und 
an Pfalz-Zweibrücken, betr. die Privilegien der Fürsten, 4. Dezember 1755. — 

Supplement frangais 4733. 

Beschwerden an den Reichstag: Beschwerde des Hauses Brandenburg 
gegen die Stadt Nürnberg. Denkschrift der Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach und 
Br.-Ausbach, 25. und 28. September 1752; gedr. — Species facti derselben, 1752; gedr. — 
Widerlegung derselben, gedr. — Berufung gegen Entscheidungen des Landgerichts Ans¬ 
bach, 2. Mai 1757 bis 17. Juli 1758. — Schreiben des Markgrafen von Brandenburg an 
den Reichstag in derselben Angelegenheit, 24. September 1758 und 30. August 1759. — 
Berufung der Stadt Nürnberg gegen das Landgericht Ansbach, 26.—30. Juni 1759. — An¬ 
gelegenheit zwischen Brandenburg-Kulmbach und dem Baron Künssberg: Antwort, 1753 i 
gedr. — Widerlegung derselben, Oktober 1756; gedr. — Beschwerde des Markgrafen an 
den Reichstag, 9. November 1758; gedr. — Species facti für die Stadt Dinkelsbühl gegen 
das Haus Öttingen-Spielberg, 1755 ; gedr. — Thesen (Rechte des fränkischen Kreises auf 
Fischberg) 1751 ; gedr. — Schreiben des fränkischen Kreises an den Reichstag in dieser 
Angelegenheit, 15. März 1755; gedr. — Promemoria für Brandenburg-Ansbach in der Sache 
Sayn-Hachen bürg gegen das Kloster Marienstadt, 6. Februar 1759; gedr. — 

SuppUment frangais 4734, 1 — 2. 

Aktenstücke, betr. den siebenjährigen Krieg: Schreiben des Königs 
von Preussen an den fränkischen Kreis, 15. November 1756. — Kreisbeschlüsse vom 
7. Dezember 1756, 29. Juni 1757, o. D. 1757, o. D., 11. Mai 1757. — Rezess des bayeri¬ 
schen Kreiskonventes, 14. Februar 1757, gedr. — Beschluss des bayerischen Kreises, o. D. 

— Kaiserliches Reskript an die Stadt Nürnberg, 25. Juni 1757. — Reskript des Königs 
von Preussen an die Stadt Nürnberg, (unvollständig). — Note für den preussischen Hof 
betr. Besetzung Frankens durch die Preussen, 16. Dezember 1757, gedr. — Schreiben des 
Kurfürsten von Bayern und des Erzbischofs von Salzburg an den Kaiser, 16.—25. Januar 
1758. — Schreiben des Herzogs Friedrich von Zweibrücken: Gesuch um Verleihung der 
Würde als Reichsfeld marschall, 16. Februar 1758. — Ernennung desselben zum Befehls¬ 
haber der Reichsarmee, 20. Februar 1758, gedr. — Beschluss des bayerischen Kreises, 
29. April 1758. — Schreiben des Markgrafen Friedrich von Bayreuth, betr. den Einmarsch 
der preussischen Truppen, 26. Mai 1758. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an den 
Kaiser, 12. Juni 1758. — Denkschrift des französischen Gesandten von Follard au den 
fränkischen Kreis, 6. Juli 1758. — Promemoria der Städte Augsburg und Ulm, 14. August 
1758. — Schreiben des Kaisers an den Kurfürsten von Bayern, 25. August 1758. — 
Schreiben der Städte Augsburg und Ulm an das Direktorium der Reichsstädte, 14. Oktober 
1758. — Bittgesuch der Reichsstädte von Schwaben an den Kaiser, o. D. — Proklamation 
des Kurfürsten von Bayern: Rückberufung der bayerischen Unterthanen, welche in preussi- 
schem Dienste sind, 1. November 1758. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an seinen 
Gesandten beim Reichstag, betr. Unterhalt der Truppen, 13. November 1758. — Prokla¬ 
mation des Herzogs Friedrich von Zweibrücken: fordert die Herausgabe der Kassen in 
den von der Reichsarmee besetzten Ländern, 26. Februar 1759. — Proklamation desselben: 


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Kleinere Mitteilungen. 3 


verbietet jeden Verkehr mit dem Feinde, 26. Februar 1759. — Beschluss des bayerischen 
Kreises, 26. März 1759. — Beschluss des Kurfürsten von Bayern über die Aufbringung 
der Kriegskosten, 12. Mai 1759. — Reparation der Unterstützungen der bayerischen 
Klöster. — Konferenz des bayerischen Kreises, 17. Januar 1760. — Beschlüsse des baye¬ 
rischen Kreises, 17. Januar 1760 und 1. Februar 1760. 

Supplement frangais 4736 , 3 — 4 . 

Reskript von Brandenburg-Kulmbach, 3. Juni 1762. — Verzeichnis der in der 
Stadt Nürnberg verwahrten Geiseln. — Bericht des Kanzlers der Abtei von St. Emmeram, 
28. November 1762. — Forderung des kgl. preuss. Ministers an den fränkischen Kreis, 
13. Oktober 1762. — Dasselbe, 16. Oktober 1762. — Beschluss des bayerischen Kreises, 
17. Dezember 1762. — Konfereuzakten desselben Kreises, 17. Dezember 1762. — Schreiben 
des schwäbischen Kreises an den Kaiser, 13. Dezember 1762. — Promemoria im Namen 
des schwäbischen Kreises au den kaiserlichen Gesandten beim Reichstag, 13. Dezember 
1762. — Schreiben des Kurfürsten von Bayern an den Kaiser, 27. Dezember 1762. — 
Kaiserliches Reskript an den Kurfürsten von der Pfalz, 9. Februar 1763: Abberufung der 
kurfürstlichen Truppen von der kaiserlichen Armee. — Species facti in derselben Angelegenheit 

Supplement frangais 4735 bis. 

Genealogie des Hauses Bayern (Fol. 1—94), des Hauses Franken (Fol. 95—102); 
verschiedene Notizen über die Geschichte Bayerns bis zum Jahre 1475 (Fol. 104—139). 16. Jahrh. 

Supplement frangais 8379 . 

Katalog der Bischöfe und kirchlichen Würdenträger des Bistums Würzburg. 18. Jahrh. 

SuppUment frangais 4516 . 

Chronik der Kaiser, der Päpste und der Pfalzgrafen, beigegeben die Lebensbeschrei¬ 
bung des Pfalzgrafen Friedrich I., selbstbiographische Bemerkungen des Verfassers Matthias 
von Kemnath und Fortsetzung der Chronik bis 1475. — 15. Jahrh. 

Supplement frangais 10194 . 

(Veröffentlicht von C Hofmann in den: „Quellen und Erörterungen zur bayeri¬ 
schen und deutschen Geschichte“, Band II, München 1862). 

Chroniken der Stadt Memmingen: 1. 350—1463 von Magister Johann Kimpel 
(Fol. 1—22). 

2. 1449—1497 von anderer Hand (Fol. 23—80). 16. Jahrh. 

SuppUment frangais 3161 . 

Summarisches Handbuch der Pathologie und Therapeutik von Ortolf von Würz¬ 
burg. 15. Jahrh. 

SuppUment frangais 3162 . 

Medizinischer Traktat des Meisters Ortolf von Würzburg. 15. Jahrh. 

SuppUment frangais 3168 . 

Traktat von Ortolf von Bayern (Fol. 1—90); desgl. (FoL 90—174) 16. Jahrh. 

SuppUment frangais 3327 . 

Chronik von Nürnberg; letztes Datum 1633. 

SuppUment frangais 3136 . 

Geheime Chronik von Nürnberg von Bonifazius Diefenbach bis 23. März 1578. 

Supplement frangais 3164 , 

Chronik von Augsburg bis 1568, mit Fortsetzung bis 1579. 

Supplement frangais 3165 , 1 — 2 . 

Handbuch der allgemeinen Geographie von Baron Maximilian von Schurff, be¬ 
titelt: „Geographische Welt Beschreibung . . . durch sonderbaren Fleiss . . . des weiland 
. . . Herrn Maximilian Freyherrn von Schurff . . . zusammengesucht . . . Wildenwart in 
Nider Bayern, anno 1748.“ 

SuppUment frangais 3987 . 

Zeichnungen von Kostümen des Matthäus Schwarz von Augsburg: Sammlung 
begonnen 20. Februar 1520, fortgesetzt bis zum 15. September 1560. Zeichnungen und 
erklärender Text von Schwarz selbst. 

Sign, fehlt. 

Briefe an Sebastian Kurtz, Mathematiker in Nürnberg, von J. Faulhaber von Ulm 
(Fol. 1—344), Onophrius Miller (Fol. 345—350 und Fol. 386—512) und Johannes Remelin 
(FoL 351—376) aus den Jahren 1604—1633. 

NouveUe acquisition 4419 . 

Wappenalbum mit eigenhändigen Signaturen und Wahlsprüchen, entstanden im 
Laufe des 17. Jahrh.; der erste Besitzer scheint Pfalzgraf Friedrich IV. gewesen zu sein, der 
folgende sein Sohn Friedrich V., König von Böhmen. 212 Blätter mit zahlreichen Miniaturen. 

Nouvelle acquisition. 

(Vergl. „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“, Jahrg. 1876, Sp. 97—107) 
Wappenbuch der Nürnberger Familien, betitelt: 

„Der Alten Erbarn geschlechten patricii genant und anderer Wappengenosen- 
Purger Wappen. Nurenberg.“ 16. Jahrh. 

Nouvelle acquisition. 


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4 


Kleinere Mitteilungen. 


Nürnberger Kostüme für Fastnacht von 1449—1524 (mit einigen Unterbrechungen), 
betitelt: „Scheinpartpuch. Das ist wie die Numbergischen purger zur Fasnachtzeit vor 
Jam bekleidet im schenpart geloffen sindt . . (Fol. 1—66); Kostüme von 1539, ohne 
Text, (Fol. 67. 68). 

Nouvelle acquisition. 

Regeln des Passe-Spiels, betitelt: „Satzungen des Pass-Spiels, erfunden durch Ihro 
Churfürstl. Durchleucht in Baym.“ 18. Jahrh. 

Nouvelle acquisition. 

Schreiben an den Reichstag zu Regensburg vom fränkischen Kreiskonvent in 
Nürnberg, dat. 18. August 1759, gedr.: Klagen über Besetzung des Nürnberger Gebiets 
durch die preussischen Truppen. 

Nouvelle acquisition. 

„Vorläufige Beleucht- und Widerlegung der von einem hochlöbL Magistrat der 
kaiserL Reichsstadt Nürnberg zur Druck beförderten . . . Geschichts Erzehlung.“ (Wien 
1766, in-FoL, gedr.): Die Stadt Nürnberg gegen die kaiserlichen Posten. — „Urkund Ur- 
theils in Sachen Herrn Hoch- und Teutsch-Meisters contra Gräflich Öttingen-Öttingische 
Cantzlei und Consorten“ (13. Februar 1767). — Die Kommission der freien Reichsritter¬ 
schaft am Niederrhein gegen den Kurfürsten von der Pfalz in Sachen der Herrschaft über 
die Ebemburg. — „Dokumentirte Gegenanzeige“. — Mit Beilagen „Ungrund der sogen, 
dokumentirten Gegenanzeigen . . .“ 

Wappenbuch der Nürnberger Patrizierfamilien, betitelt: „Patricii reipubicae Nuren- 
berg: Das ist 83 uhralte Adeliche geschlacht, daraus der Rath von 300 Jarn hero erwolt...“ 

17. Jahrh. Illustriert 

NouveUe acquisition. 

Wappenbuch, 1. Teil: Ein Register vom Turnier zu Würzburg (1479) und zu 
Heidelberg (1481). 16. Jahrh. 

Nouvelle acquisition. 

Reglement des Pfalzgrafen Karl Theodor über den Civiletat in den Kirchen, 

18. November 1769 (Fol 13 — 27). — Vorstellung in Sachen Pfalz - Zweibrücken gegen 
Baden-Baden (Fol. 35—65). 

Nouvelle acquisition 324 . 

Karlsruhe. Karl Brunner. 


Ein Beitrag zur Kenntnis d6r Mündigkeit im alamannischen Rechte. 

Die Frage nach dem Mündigkeitstermine in den einzelnen Volksrechten der 
Germanen bedarf noch in vieler Hinsicht der Aufklärung; bei ihrer Wichtigkeit für die 
Erforschung des germanischen Privatrechts begrüsst der Rechtshistoriker jeden neuen 
Beitrag zu ihrer Erkenntnis als einen Fortschritt in der Lösung dieser Aufgabe. Aller¬ 
dings lässt sich im allgemeinen sagen, dass die Mündigkeit, und damit die Handlungs¬ 
fähigkeit mit Selbstverantwortung und Rechtskraft, bei den meisten germanischen Stämmen 
mit dem vollendeten zwölften Lebensjahre eintrat Ich verweise dabei auf Richard 
Schröders Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte (2. Aufl., Leipzig 1894), 260 f., 
dessen zusammenfassende Darstellung ich hier zugrunde lege. Dort ist auch die genaue 
Angabe der einschlägigen speziellen Litteratur zu finden. Aber es mangelt noch an ge¬ 
nügenden Anhaltspunkten, um die Rechtsübung in dieser Hinsicht im einzelnen genau 
festzustellen. Da sich nachweisbar bei mehreren Stämmen Abweichungen von dem all¬ 
gemeinen Grundsätze des zwölfjährigen Mündigkeitstermins vorfinden, so erscheint es 
immerhin geboten, seine Richtigkeit sorgsam nachzuprüfen, wo nur immer die Quellen es 
gestatten. Besonders weist unsere Kenntnis des alamannischen Rechtes hierin sehr em¬ 
pfindliche Lücken auf: die historische Forschung muss sich bisher mit einem ,non liquet* 
begnügen. (Vgl. Schröder, a. a. O. Anm. 10). Beachtenswert ist darum eine im Karls¬ 
ruher Generallandesarchive befindliche Urkunde, die, wie es ausserordentlich selten ge¬ 
schieht, am Eingang bei Nennung der Gemeinde das Mindestalter der rechtsfähigen Ge¬ 
meindeglieder anführt. Da es sich um die zum heutigen Königreich Bayern 
gehörige Stadt <damals noch Dorf) Immenstadt handelt, so erscheint diese Zeit¬ 
schrift als der geeignete Ort für die Veröffentlichung der Urkunde. 

Die Gemeinde des Dorfes Immenstadt nimmt 170 Pfund Pfennige von Kon- 
rad Schmid von Bregenz auf gegen einen jährlichen Zins von 10 Pfund Pfennigen. 
*416, Juli 2. 

Wir der amman, die vier und zweintzig richter und ain gantze gemaind by 
zwölff iaren alt und darob des dorffs Imenstad bekennen und veriehen offenlich an 
disem brief: von des gütz wegen der hundert und sibentzig pfund pfennig, so wir uff- 


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Kleinere Mitteilungen. 


5 


genommen haben von dem erbern Cunraten Schmid von Bregentz und da von wir im 
iärlich zu rechtem zins richten und geben sond zehen pfund pfennig iärlichs zins uff 
ainen widerkouff, und darumb mit uns von unser bett*) (?) wegen unser rechter mitgulten 
worden ist der from iunkher Ulrich Goldast von Costentz nach lut und sag des hoptbriefs, 
der darumb geben ist, und wan uns derselb iunkher Ulrich Goldast damit fruntlich getan 
hat, darumb so haben wir all gelopt und gesworn gelert ayd ze den hailigen, und ob er 
oder sin erben von der selben mitgültschafft wegen iemer ze dehainen schaden kämen, 
in welan weg sich das gefugti, da von sollen wir und all unser erben und nachkomen 
und gemain dorff ze Imenstad in und all sin erben losen und von allem schaden ledig 
machen on iren schaden, und wenn wir och darumb von im oder von sinen erben er- 
mant werdent, so sallen wir nach der manung in den nehsten acht tagen antwurten, funff 
unsers ratz, die wir iec*) genemen*) (?), das ist mit namen: wir Trudi unser amman 
Hainrich amman Haintz Trucha Hans Mutes und Hans Hiller, und ob die nit von ander 
fünf als gut gen Costentz in die stad und die sond zu laisten an offnen wirten rechten 
giselschaft mit ir wissen und da von nit lauffen, e daz sy gentzlich erlöset werdent, dazu 
mugend och er und sin erben und ir helffer uns all und ieclichem in sunder und gemain 
dorff darumb wel angriffen, hefften und pfenden in allem unserm gut, ligendem und 
varendem, in stetten und uff dem land, mit gericht und ongericht, selbes*) (?) vem und 
vil, untz sy von allem schaden gentzlich erlöset werdent, und sol uns da vor kainerlay 
fryhait, gerät, gelait, burgerrecht noch puntnuss*) (?) nit friden noch frummen noch sust 
niht uberal, und wie sy des angriffwis ze schaden körnend, den schaden sollen wir in och 
gentzlich ablegen und ab tun uff die gelupt, so wir hierumb getan hand. Und zu warem 
und offen urkund, wan wir all von Imenstad nit aigen insigel hand, so haben wir gebetten 
und uns gebunden und des vesten iunkhem Ulrichs von Helmstorff, unsere lieben herren 
und vogt, insigeie, das er vur uns und unser erben offenlich hatt gehenkt an disen brief, 
doch im und sinen erben on schaden. Geben in dem iare nach Christy gepurt vierzehen 
hundert und im sechzehenden iare am nehsten donrstag vor sant Ulrichs tag. 

(Karlsruhe, GLA. Archiv Konstanz-Reichenau, Immenstadt. Or. Perg. 
Siegel fehlt. Die Urkunde ist stellenweise schadhaft und unleserlich). 

Karlsruhe. Karl Brunner. 


*) In der Hsr. kaum lesbar. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


Der pfälzische Wildfangstreit unter Kurfürst Karl Ludwig 
(1664—1667). Von Dr. Karl Brunner. Innsbruck 1896 (Verlag der Wagner¬ 
sehen Universitätsbuchhandlung). (68 S. Mit einer Karte in Farbendruck.) 

In der vorliegenden Schrift nimmt einen überaus breiten Raum ein die Rettung 
eines Fürsten aus Wittelsbachischem Hause von viel angefeindetem Charakter, des pfalz- 
bayerischen Kurfürsten Karl Ludwig,' der, mit dem westfälischen Frieden unter demütigenden 
Umständen in sein Land zurückgekehrt, gerade in der ihrem ganzen Verlauf nach ihm 
mannigfach zum Vorwurf gemachten Episode des „Wildfangstreites“, wie der Verfasser 
mit Glück und Geschick darthut, lediglich „das Ringen eines stolzen, schwer beleidigten 
Fürsten um die Ehre und Machtstellung seines Hauses“ zeigt Schon insoferne fällt das 
Werkchen Dr. Brunners in das Interessebereich dieser Blätter. 

Das „ius wildfangiatus“, die deutschrechtliche Ausgestaltung des mittelalterlichen 
Fremdenrechts, ist der Inbegriff der Machtvollkommenheiten, welche — ursprünglich dem 
deutschen Reichsoberhaupt — gegenüber den Landfremden für die Verleihung des in 
Hinsicht auf diese begrifflich nur ausserordentlichen staatlichen Rechtsschutzes zustanden, 
und dessen Inhalt im wesentlichen eine grosse Anzahl nach Erfüllungsanlass, -zeit und -art 
sich vielfältig von einander abhebender und dem Leibeigenschaftsrecht nach Ansicht des 
Verfassers entnommener, jedenfalls demselben analoger Vermögensleistungen bildete. Dieses 
nur im fränkischen Reichsgebiet zur Ausbildung gelangte Recht nahmen seit Ende des 
14. Jahrhunderts für ihr eigenes Gebiet und dessen Enklaven, sowie eine Anzahl benach¬ 
barter Herrschaften, insbesondere Gebietsteile von Kurmainz, den Bistümern Speier und 
Worms u. s. w., die Pfalzgrafen bei Rhein in Anspruch, und zwar thatsächlich infolge 
einer Verpfändung seitens des Königs Wenzel, hernach unter dem herangezogenen Rechts¬ 
titel des Reichsvikariates und gestützt auf wiederholte kaiserliche Bestätigungen. 

Die Erstreckung der pfälzischen Wildfangbefugnisse auf Nachbargebiet führt be¬ 
greiflich von Beginn zu zahlreichen Streitigkeiten in persönlicher, örtlicher, sachlicher 
Hinsicht; hieraus ward aber erst ein unter den Ereignissen der Zeit sich abhebender und 
auffallender Kampf, als Kurfürst Karl Ludwdg in dem Jahre 1651 das während des 
dreissigjährigen Krieges vergessene und nach dem westfälischen Frieden sicherlich auch 
innerlich überholte Recht wieder auf nahm, dessen — dem eigenen Gebiete weislich ersparte 
— Ausübung neben der finanziellen Bedeutung sogar ausgesprochenermassen auch auf 
Schwächung des Nachbars gerichtet war. Während zunächst noch im Jahre 1653 mit 
dem bedeutendsten Gegner, dem Mainzer Kurfürsten, ein Vergleich zustande kam, brachte 
bereits auf dem Reichstage im gleichen Jahre die Klage anderer Beteiligter den eigent¬ 
lichen Konflikt in Bewegung, dessen Austrag dann volle vierzehn Jahre erforderte. 

Von den Geschehnissen dieser vierzehn Jahre, innerhalb deren sogar Kurbayern 
einmal mit Ansprüchen an das pfälzische Recht auftritt, giebt nun der Verfasser ein 
durch lebhafte und eindrucksvolle Farben um so verdienstreicheres Bild, je weniger an¬ 
sprechend an sich der Eindruck derselben ist. Die Schilderung legt dabei minder 
Gewicht auf die bewaffnete Fehde, welche die Fruchtlosigkeit der kaiserlichen „Inhibitions¬ 
dekrete“ und der Zusammenschluss der Gegner Karl Ludwigs zu einem Trutzbündnis im 
Jahre 1664 zeitigten, als auf die diplomatischen Vorgänge, die Vermittelungsversuche des 
Kaisers und Kurbrandenburgs, denen sich der Pfalzgraf aus seinerseits gerechtfertigten 
Gründen entzog, die Bündnisbestrebungen und Rüstungen des letzteren, der unter anderem 
auch bei den Schweizer Eidgenossen ein Pfanddarlehen aufnimmt, die ausgetauschten 
Staatsschriften, von denen die pfälzische den auch sonst in Erinnerung gebliebenen 
Heidelberger Rechtslehrer Joli. Friedr. Böckelmann zum Verfasser hat Die trotz aller 
Schwierigkeiten beständig unterhaltenen Ausgleichsverhandlungen, welche einmal sogar 
beinahe zu einer Ablösung des Rechts geführt hätten, fanden im Januar 1666 ihr Ende 
durch die von Karl Ludwig ausgehende Berufung der Kronen Frankreich und Schweden 
zu Schiedsrichtern. Durch diese „Garanten des westfälischen Friedens“ wird dann auch 
trotz aller kaiserlichen Proteste der Streit entschieden durch das laudum Heilbronnense 
vom 17. Februar 1667, und zwar wesentlich zu gunsten der Kurpfalz, die die Früchte 
ihres Sieges keine 20 Jahre später an den zum Räuber gewordenen Richter selbst 
verlieren sollte. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


7 


Der Verfasser, welcher die von ihm durch interessante Beilagen belegte Begeisterung 
der Zeitgenossen über die Gerechtigkeit des ausländischen Schiedsspruches wohl begreift, 
will seinerseits keine Lösung der Rechtsfrage geben, um welche der geschilderte Streit 
geführt wurde. Diese Vorsicht ist ein Vorzug der Schrift; so reichlich jene Frage zu 
Exerzitien auf dem Gebiete des durch den westfälischen Frieden gesetzten Reichsrechts 
Gelegenheit geben mag, so füglich darf sie den zahlreichen anderen Unlösbarkeiten 
in der Rechtsgestaltung des alten Reiches überlassen werden. Dagegen unterzieht 
Dr. Brunner, dessen Verdienste um das thatsächliche Material die obige Skizze ersehen 
lässt, mit Scharfblick und Fleiss die politische und ökonomische Seite des Wildfang¬ 
streites einer Prüfung, und der hier erbrachte Nachweis, dass aus dem auf über iooooo fl. 
kapitalisierten Recht i2°/o der pfälzischen Gesamtstaatseinnahme flössen, interessiert 
ebensosehr, wie das zum Schluss auf den Preis von Menschenfrieden geworfene Streiflicht, 
um welchen jene Einnahme eingebracht werden musste. 

Gegenüber einem im Zusammenhänge minder wesentlichen Punkte der wohl¬ 
gelungenen Arbeit sei hier noch ein Zweifel zur Sprache gebracht. Dem Verfasser ist 
das Fremdenrecht der gleichen Rechtsidee entsprungen, wie die Leibeigenschaft. Zur 
Bekämpfung dieser Ansicht vermöchte sogar auf gewisse Erscheinungen des modernen 
Völkerrechtes hingewiesen werden; in allerjüngster Zeit hat man in^ den Vereinigten 
Staaten von Amerika gesetzgeberische Versuche ventiliert, die in das Bereich des 
Fremdenrechtes fallen. Dass „der Fremde dem König gehört“, dürfte ein viel ursprüng¬ 
licherer Satz sein, als dass die Analogie der mittelalterlichen Leibeigenschaft erforderlich 
gewesen wäre, um denselben für diejenigen, die an sich „niemand“ gehören, einzuführen. 

München. Emil Ulmann. 

Beiträge zur Bayerischen und Münchener Geschichte vou 
Henry Simonsfeld. (Aus den Sitzungsberichten der philos.-philol. und 
der historischen Klasse der Kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften 1896, 
Heft II, S. 257—326). München. 

Unter diesem Titel giebt der Verfasser zwei Abhandlungen, von denen die erstere 
nicht nur ein historisches, sondern auch ein archäologisches Interesse bietet Im Jahre 1492 
unternahmen zwei Gesandte im Auftrag der Republik Venedig eine Reise zu Kaiser 
Friedrich III. und König Maximilian. Der damalige Sekretär und spätere Grosskanzler 
Andrea da Franceschi verfasste in Tagebuchform einen Bericht über jene Reise und er¬ 
wähnt gelegentlich des Aufenthaltes in Altötting folgende Grabschrift, die sich in der 
Kirche der Apostel Philipp und Jakob an einer Mauer bei einem Altar befunden habe: 
„Anno Domini setingentesimo octuagesimo septimo Kalendis Aprilis obiit Ulustrissimus 
Cesar Carlomannus Ludovici Imperatoris feücis fundator huius Ecclesiae hic sepultus.“ 
Im Gegensatz zu dieser Grabschrift findet sich bei Veit Ampekh in seinem Chronicon 
Bajoariorum lib. III. cap. VIII. der Text der Grabschrift folgendemassen. „Hic Carlomannus 
moritur anno Christi DCCCLXXX. Kal. April. XI. Hic dilexit Oetingam vicum Bavariae, 
ubi et sedein regni constituit et regio cultu sepultus dinoscitur.“ Epitaphium: Anno 
Domini DCCCLXXX. Kal. Aprilis XI. Karolomannus Rex Bajoariorum obiit filius Ludovici 
Regis Orientalis Franciae ac nepos Ludovici Pii Imperatoris fundator huius Ecclesiae hic 
sepultus. Es fragt sich nun, wie ist die auffällige Verschiedenheit zwischen der von Franceschi 
und der von Veit Arnpekh mitgeteilten Grabschrift zu erklären ? Simonsfeld ist nun zu 
folgenden Resultaten gekommen: Zwischen dem Drucke des Chronicons bei Pez und der 
auf der Münchener Staatsbibliothek befindlichen Originalhandschrift dem Clm. 2230 findet 
sich eine wichtige Differenz. Hier steht nämlich auf der Seite 91 1 die Grabschrift (Epi- 
taphium-sepultus) unten am Rand, ein Zeichen, dass sie erst beigefügt wurde. (2. Redak¬ 
tion von 1495.) Ausserdem stehen dabei die Worte „ita deberet poni in Ottinga“, Worte, 
die im Drucke fehlen. Dieselben können, wie der Verfasser richtig bemerkt, nur zweierlei 
bedeuten, entweder dass das Epitaphium ein Vorschlag Veit Ampekhs war, oder dass man 
damals beabsichtigte, diese Grabschrift an der letzten Ruhestätte Karlmanns anzubringen. 
Es lässt sich also nach Simonsfeld die Differenz zwischen den beiden Texten leicht er¬ 
klären. „Als die venetianischen Gesandten 1492 nach Altötting kamen, befand sich in 
der That an der Wand der Kirche des h. Philipp und Jakob die von Franceschi freilich 
nicht ganz korrekt mitgeteilte Grabschrift auf König Karlmann, deren Alter unbekannt 
ist Drei Jahre später sollte an deren Stelle entweder wirklich, oder wahrscheinlich nur 
nach der Meinung Veit Ampekhs, die von diesem überlieferte Grabschrift gesetzt werden, 
was aber vielleicht niemals geschehen ist.“ Was nun die „freilich nicht ganz korrekte“ 
Wiedergabe der Grabschrift betrifft, so sind wir der Meinung, dass dieselbe doch wesent¬ 
lich anders gelautet haben mag, als sie Andrea da Franceschi uns überliefert hat Gerade 
das italianisierte „setingentesimo“ lässt uns fast mit Bestimmtheit darauf schliessen. 

Wir haben es, wie es scheint, mit einem Manne zu thun, dem das Griechische 
geläufiger war wie das Lateinische; wurde doch gerade damals die griechische Sprache 


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Anzeigen und Besprechungen. 


in Italien mit besonderer Vorliebe betrieben. Zunächst fällt uns bei der Überlieferung 
der Grabschrift das fehlende filius auf; es lässt sich dies indes durch den griechischen 
Sprachgebrauch leicht erklären, wo ja bekanntlich zur Bezeichnung der väterlichen Her¬ 
kunft das viog gerne weggelassen wird. Fr. hat wohl einerseits in Gedanken hieran, 
anderseits in Erinnerung an den früher üblichen Beinamen der alten Imperatoren felicis 
für filius gelesen, was sich auch paläographisch ohne Schwierigkeiten deuten lässt Was 
schliesslich das bereits erwähnte setingentesimo betrifft, so dürfte sich der Irrtum um ein 
volles Jahrhundert sehr leicht durch den Zustand der Steininschrift schliessen lassen. Die 
Zahlen werden fast immer auf Grabsteinen in lateinischen Ziffern geschrieben. Es ist 
nicht ausgeschlossen, dass diese durch das Alter undeutlich geworden waren, dass viel¬ 
leicht statt CCC nur noch CC sichtbar waren. Aus ähnlichen Gründen mag wohl auch 
statt septimo (VII) XII (weniger wahrscheinlich XI) auf dem Stein gestanden haben. 
(Vgl. Simonsfeld S. 259 Anm. 1.) Die Inschrift dürfte also ursprünglich folgendermassen 
gelautet haben: „Anno Domini DCCCEXXX. XII. Kal. Aprilis obiit Illustrissimus Cesar 
Carlomannus Ludovici Imperatoris filius, fundator huius Ecclesiae sepultus.“ Vergleichen 
wir diese Inschrift mit dem Epitaphium Veit Ampekhs (Epitaphium-sepultus), so ist zwar 
noch immer eine grosse Differenz vorhanden, die sich im wesentlichen auf die Titulatur 
beschränkt Genaueres wissen wir auf keinen Fall über das Schicksal der Inschrift 
Wahrscheinlich ist dieselbe bei dem Neubau der Kirche (Grundsteinlegung am 1. August 
1499) getilgt worden. Aventin wenigstens, dessen Schriften über Altötting 1518 erschienen 
oder verfasst sind, weiss nichts von jenem Epitaph zu vermelden. In seiner deutschen 
Chronik von Altötting sagt er nur: „An dem 21. tag des merzen nach der gebürt Christi 
ist obgemelter König Carlman zu Oting gestorben und daselbst begraben, 'wie sein grab 
mit erhaben stein noch vor äugen ist“ In der lateinischen Historia Otingae I, 37 meldet 
er nur den Tod Karlmanns in Altötting. Später wurden zum Ersatz in der öfter erwähnten 
Kirche zwei weitere Epitaphien auf Karlmann angebracht, die noch jetzt erhalten sind. 
1. Hic olim Carlomannus aut situs fuit, aut fuisse creditur. Hinc migravit in chorum, 
animus in coelum. 2. A. P. C N. MDCXIX. Huc e medio templi migravere cineres et 
paucorum reliquiae ossium Carlomanni, Italiae et Boiariae regis huiusque aedis sacrae 
conditoris hic defuncti a. DCCCXXG Hunnus impius templum flamma praedaque ex- 
hausit et nil nisi pulverem reliquit, et quod minus est nihil. Im J. 1861 kam ein weiteres 
Epitaph hinzu, in dem an die Stelle des zweiten Gedenksteines der mit dem ersten an die 
Seiten wände der Pfarrkirche gebracht wurde, eine einfache Steinplatte mit der Inschrift: 
„Hic jacent ossa Carlomanni regis, obiit 880“ gesetzt wurde. Aber auch diese Steinplatte 
ist in jüngster Zeit wieder entfernt und an der Seitenwand neben dem Altäre, auf dem 
das Abendmahl dargestellt ist, angebracht worden. 

Der zweite Teil der Beiträge giebt uns Analekten, die teils aus den Protokoli- 
büchem des Senates von Venedig, im dortigen Archiv, stammen, teils aus einer Hand¬ 
schrift der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, dem. Clm. 7087 (Fürst. 187). Dieser 
Kodex, eine Miszellanhandschrift in 4 0 aus dem 14. und 15. Jhrh., enthält unter anderem 
auch eine Brief- und Urkundensammlung, die Ficker in den Acta imperii selecta (II, 713 
No. 1017) als einen Fürstenfelder Briefkodex bezeichnet hat. Diese Sammlung ist über¬ 
schrieben „Bona correctoria“ und enthält eine ampla collectio litterarum regum, principum, 
episcoporum, nobilium, expressis plerumque scribeutium, locorum nominibus. Sie beginnt 
Fol. 88, die Fürstenfelder Stücke nehmen jedoch erst auf Fol. 131 ihren Anfang. Sie 
sind indessen von derselben Hand geschrieben wie der vorhergehende Teil der Bona cor¬ 
rectoria, und lässt sich erstere bis Fol. 179 verfolgen. Von hier bis Fol. 204 sind ver¬ 
schiedene Schreiber thätig gewesen. Zwischen dem 1. und 2. Teil der Bona correctoria 
besteht ein formeller Unterschied, indem im 1. Teil oder genauer gesagt bis Fol. 114 (also 
kurz vor Beginn des 2. Teiles) der Inhalt der folgenden Stücke mit roter Tinte ziemlich 
genau angegeben ist. Als Zeitpunkt, um welchen die Sammlung entstanden ist, möchte 
Simonsfeld aus äusseren paläographischen Rücksichten das Jahr 1420 annehmen. Der 
erste Teil der Bona correctoria enthält nur wenige öffentliche Briefmuster, wohl aus der 
Mitte des 14. Jhrh., die nach den Ausführungen des Verfassers auf Böhmen als Ent¬ 
stehungsort hinweisen. Indessen kommen aus diesem Teile, ausser einem vielleicht fin¬ 
gierten Schreiben an Karl IV. (vom Jahre 1378), nur noch drei Stücke für die Beiträge in 
betracht. Ziemlich unvermittelt schliessen sich dann jene Stücke an, die der Verfasser 
wie die anderwärts gesammelten Briefe und Urkunden in zwei Gruppen teilt a. Zur 
politischen Geschichte Bayerns und seines Fürstenhauses, b. Zur Stadtgeschichte Münchens. 
Zunächst wendet S. seine Aufmerksamkeit der zuletzt genannten Abteilung zu. Aus dem 
Umstande nun, dass eine Reihe von Urkunden bereits von anderen veröffentlicht worden 
sind (Schmeller in den Münchener Gelehrten Anzeigen 1850 No. 114, Bergmann, Monumenta 
Boica t. I, p. 307, ferner derselbe Beurkundete Geschichte der Churf. Haupt- u. Residenz¬ 
stadt München 1783 p. 12, p. 28 ff. Mayer Manfred, Bayerns Handel im Mittelalter und 
in der Neuzeit 1893, S. 10 u. ff.), und dass über die Echtheit dieser Stücke kein Zweifel 
besteht, schliesst der Verfasser, dass auch die folgenden bisher unbekannten Dokumente 
Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben dürfen. Sie beziehen sich auf den Handel und 


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Anzeigen und Besprechungen. 


9 


Verkehr Münchens im 14. Jhrh. und sind um so interessanter, als wir bisher über diese 
Zeit nur spärliche Nachrichten besitzen. Abgesehen von einem Stücke, das uns über 
Beziehungen der Stadt München zu Mainz Aufschluss giebt, finden sich eine Reihe anderer 
Urkunden, die nach dem Süden hinweisen. In seinem Fondaco dei Tedeschi (Stuttgart 
1887, Bd. II, S. 56 ff.) vermochte Simonsfeld nur einige wenige spärliche Nachrichten 
über die damaligen Handelsbeziehungen Münchens zu Venedig anzugeben, während jetzt 
noch weitere aus dem Ende des 14. Jhrh. hinzukommen. Da auch sonst noch Dokumente 
sich finden, die auf den Verkehr der bayerischen Hauptstadt mit Verona, Bologna, Florenz 
hinweisen, so liegt die Vermutung nahe, dass München schon damals dank seiner günstigen 
Lage einen nicht unbeträchtlichen Handelsverkehr mit Italien gehabt hat, wenn auch 
natürlich in viel bescheideneren Grenzen, als Augsburg und andere grosse Handelsemporen 
Deutschlands. — Eine andere Gruppe von Urkunden giebt uns Aufschluss über das Ver¬ 
hältnis der Stadt zum Klerus. Es sind teilweise sehr wenig erquickliche Angelegenheiten, 
die hier zur Sprache kommen, zumal wir auch verschiedentlich Kenntnis erhalten von 
der Zuchtlosigkeit, die damals in die Reihen der niederen Geistlichkeit eingedrungen war. 
So hatte ein Priester mit Namen Johannes sich des öfteren bereits gemeine Verbrechen 
zu schulden kommen lassen und war im J. 1381 wegen mehrerer Diebstähle, die er im 
Hause des Münchener Bürgers Johann Fichtel begangen, gefangen genommen worden. 
Nachdem er im Jahre 1382 6 Monate gesessen, wurde er auf die Fürbitte der Gemahlin 
Friederichs von Landshut, der Herzogin Magdalene, freigelassen. Trotz seines gegebenen 
Versprechens kehrte er nach München zurück, wo er im Hause des Bürgers Heinrich 
Stupf einen neuen Diebstahl beging. Auf Ansuchen des Münchener Rats und der Her¬ 
zöge Stephan III. und Johann II. wurde er durch den Richterspruch eines vom Freisinger 
Bischof Berthold eingesetzten Gerichtshofes am 5. August 1383 aller seiner geistlichen Würden, 
Ämter und Pfründen für verlustig erklärt und zu ewigem Gefängnis mit Wasser und Brot ver¬ 
urteilt — Im Jahre 1392 drang die Stadt bei dem Ordensgeneral der Augustiner-Eremiten 
Bartholomäus auf die Entfernung eines Magisters Ruesheimer, sowie eines Klosterpriors mit 
Namen Christian, deren Verhalten dem Münchener Ordenskonvent und allen Klöstern der 
Stadt zum Schaden gereiche. Der General übertrug die Sache dem Provinzial für Bayern, 
Böhmen und Österreich, dem Theologieprofessor Leonhard aus Kärnthen in Prag, an den 
sich in der Folge auch die Stadt in dieser Angelegenheit wandte, und der auch dem Rate 
möglichstes Entgegenkommen versprach. Nach den Ausführungen des Verfassers scheint 
dieser Johannes Ruesheimer eine sehr bekannte Persönlichkeit gewesen zu sein. Im 
Jahre 1385 (3. Nov. bezw. 3. Dez.) war er im Ordenskonvent zu Prag zum Regens Studii 
ernannt worden, eine Ernennung, die am 9. Juli 1386 und am 30. Juni 1387, und dann 
nochmals am 18. Aug. 1393 aufs neue erwähnt wird. Wie nun namentlich aus einem 
Schreiben des obengenannten Generals Bartholomäus vom 24. Mai 1385 an den Provinzial 
und die übrigen Brüder von Bayern und Böhmen hervorgeht, waren zwischen Johannes 
Ruesheimer einerseits und dem Lektor Johannes Reynoldi sowie dem Münchener Ordens¬ 
konvent anderseits seit längerer Zeit Streitigkeiten ausgebrochen, die schon mehrere Pro¬ 
vinzial- und Generalkapitel beschäftigt hatten. Nach dem übrigens lückenhaften Schreiben 
zu schliessen, ging der Streit nicht zu gunsten des Magisters aus. Es lässt sich nun nicht 
entscheiden, ob die in dem Fürstenfelder Briefkodex enthaltenen Stücke, resp. das Gesuch 
der Stadt um Entfernung des Magisters Ruesheimer aus seinen Ämtern, mit dieser An¬ 
gelegenheit im Zusammenhang stehen und in dieselbe Zeit gehören, anstatt wie im 
Kodex angegeben in das Jahr 1392. Eines ist indessen sicher, dass der Magister in 
beiden Fällen wieder bald in Gnaden aufgenommen wurde, da er im ersteren Falle bereits 
einige Monate später (3. Nov. resp. 3. Dez.), im letzteren nach einem Jahre (18. Aug. 1393) 
wieder als Regens Studii erscheint — Andere Stücke beleuchten einen Streit der Stadt 
mit der Kurie im Anschluss an die Feier des Gnadenjahres von 1392. Streitobjekt war 
das finanzielle Ergebnis des Ablasses, den Bonifaz IX. auf Wunsch der Herzöge von 
Bayern, anlässlich der im Jahre 1388 auf dem Kloster Andechs entdeckten Reliquien für 
•die Zeit vom 14. April bis nach Jakobi allen bussfertigen Bewohnern von München 
gewährt hatte. Das Erträgnis war infolge des ungeheueren Andrangs der Pilger sehr 
gross. Der Papst beanspruchte, wie er behauptete, nach Abmachung, die Hälfte dieser 
Einkünfte und entsandte den Doktor und Kaplan Magister Hermann von Bilvelt, Propst 
der Kirche von Meissen, mit dem Aufträge, die erwähnte Hälfte zu erheben. Der Rat 
verweigerte jedoch die Herausgabe. Der päpstliche Gesandte bedrängte nun die Stadt 
mit kirchlichen Strafen, wogegen diese protestierte und bei der Kurie eine Appellation 
einreichte. Zu gleicher Zeit wandte sich der Rat an den Bischof von Freising mit der 
Bitte, er möge sich samt seinem Klerus der Appellation an schliessen. Auch den Herzog 
Johann ersuchte die Stadt um Beistand. Dieser bat seinerseits den mächtigen Gian 
Galeazzo Visconti, beim Papste für München zu vermitteln. Das Schreiben des Mailänder 
Herzogs (an die Kurie) ist uns erhalten. Durch dasselbe wird nach Simonsfeld die 
Ansicht G. Romanos (in seinem Aufsatze Gian Galeazzo Visconti e gli eredi di Bernabo, 
im Archivio Storico Lombardo, Serie Ila Vol. VIII pag. 1 ff.) bestätigt, dass nämlich die 
Verhandlungen wegen der Verlobung des jungen Herzogs Ernst mit einer Tochter Viscontis 


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Anzeigen und Besprechungen. 


nicht erst im Herbste 1394 sondern bereits im September 1393 stattgefunden haben. 
Fragt man nun, ob die Kurie berechtigt war, die Hälfte jener Ablasserträgnisse zu be¬ 
anspruchen, so ergiebt sich aus den Ausführungen des Verfassers (S. 276 f.) mit ziemlicher 
Wahrscheinlichkeit, dass Herzog Stephan thatsächlich ein derartiges Abkommen mit dem 
Papste getroffen, dass aber möglicherweise die Stadt sich weigerte, dasselbe anzuerkennen. 
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Pfarrherr von St. Peter, als bestelltei Kollektor, 
die dem Papste gehörige Hälfte in Empfang genommen, sich aber weigerte, das Geld 
herauszugeben, eine Handlungsweise, die bei den Herren Kollektoren durchaus nicht 
selten war. Vielleicht verlangte aus diesem Grunde der päpstliche Gesandte das Geld 
von der Stadt, denn dass er von der Aufstellung eines Kollektors seitens der Kurie keine 
Ahnung gehabt habe, lässt sich bei der vorzüglichen Organisation der päpstlichen Finanz¬ 
verwaltung nicht gut denken. Gian Galeazzo bittet wohl deshalb Bonifaz IX., seinen 
Gesandten zu beauftragen, sich wegen der Herausgabe jener Hälfte an den Pfarrherrn 
von St. Peter zui wenden. Im übrigen scheint die Intervention des Mailänder Herzogs 
von Erfolg begleitet gewesen zu sein. Höfler bringt nämlich aus einer Handschrift der 
Barberinisclien Bibliothek in Rom die Notiz (Oberbayerisches Archiv I, 117), dass Hermann 
von Bilvelt die Vollmacht erhalten habe, mit den Kollektores des Herzogtums über den 
Rest des päpstlichen Guthabens einen Vergleich zu treffen. — Mit der Geschichte des 
Heilig-Geistspitals befasst sich eine andere Urkunde. In einem Dokument vom 2. Sept 
1363 giebt der damalige Dechant und Pfarrherr von St Peter in München Friederich 
kund, dass der Bürgermeister der Stadt Johann Eigsalz sich bei ihm für einen Geistlichen 
mit Namen Heinrich Hennel verwendet habe, der als am Altar in der Siechenstube 
funktionierender Kaplan bezeichnet wird. Derselbe hatte eine Urkunde über den Bezug 
von 1 Pfund Münchener Heller verloren, und zum Ersatz dafür stellt der Dekan die 
genannte Urkunde aus, mit dem Vorbehalt, dass die frühere Urkunde, im Falle sie wieder 
zum Vorschein komme, zurückgegeben -werden solle. A11 und für sich ist in diesem 
Schriftstücke das Heilig-Geist-Spital nicht erwähnt Der Verfasser verweist jedoch auf 
Huhns Geschichte des Spitals und der Kirche und der Pfarrei zum heiligen Geiste in 
München (München 1893 S. 83 u. 163). Hier wird zum Jahre 1366 ein Heinrich Hennel 
genannt, der vor dem St Elspet-Altäre in der Siechstube ein ewiges Eicht mit einem 
Pfund Pfennige auf ewige Zeiten gestiftet hat. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, 
dass der hier genannte Heinrich Hennel mit dem in dem Fürstenfelder Kodex erwähnten 
identisch ist. 

Die zweite Hauptgruppe der von Simonsfeld gesammelten Analekten bezieht sich 
auf die bayerische Herzogs- und Eandesgeschichte. Zunächst ein bereits bei Ficker ver¬ 
öffentlichtes Schreiben des Herzogs Rudolf an den Rat der Stadt vom 8. Febr. 1313 in 
Angelegenheit des Streites dieses Fürsten mit seinem Bruder Eudwig (dem Bayern). Eine 
weitere Urkunde nimmt bezug auf die Ereignisse kurz vor der Schlacht von Gammelsdorf. 
(Schreiben des Abtes Konrad von Aldersbach an den Abt Volkmar von Fürstenfeld.) Dann 
folgen einige Stücke, die uns unter anderem wichtige Aufschlüsse über die Beziehungen 
der bayerischen Herzoge zu Italien geben. Hierzu gehört ein Schreiben, das aus den 
Protokollbüchern des Senats im Staatsarchiv zu Venedig stammt. Dieses Schriftstück ist 
um so interessanter, als unsere Kenntnisse bezüglich der Pilgerfahrt Ottos V. von Branden- 
burg-Eandshut und seines Neffen Stephan III. des Kneissel äusserst mangelhaft waren. 
Noch Riezler lässt es in seiner Geschichte Bayerns (III, 108) dahingestellt bleiben, ob 
Stephan III. seinen Oheim bei der Pilgerfahrt begleitet habe, während wir nun in der 
Tliat erfahren, dass beide Herzoge sich an die venetianische Regierung gewandt haben, 
um die Genehmigung zur Ausrüstung einer Galeere auf eigene Kosten zu erlangen. Der 
Senat willfahrte am 13. Feb. 1375 diesem Gesuche unter der Bedingung, dass, wie üblich, 
ein venetianischer Nobile das Schiff befehligen solle. Für die Beziehungen der Republik 
ist es nicht unwichtig, dass der Senat nachdrücklich seine Willfährigkeit damit begründet, 
dass es wertvoll sei, die oben genannten Herrn zu Freunden zu haben. — Nicht ohne Interesse 
für die Reichsgeschichte des 14. Jahrhunderts wäre das Schreiben eines Ritters an den 
König von Böhmen, wenn nicht die positive E^nmoghchkeit, dasselbe mit den Zeitereignissen 
in Einklang zu bringen, es verdächtig erscheinen Hesse. Der Inhalt ist in kurzem folgender. 
Der Schreiber warnt den König vor einem beabsichtigten Einfalle der bayerischen Herzoge 
P'riedericli und Stephan am Tage des hl. Benedikt (21. März) in böhmisches Gebiet Es 
existiert auch ein Antwortschreiben des besagten Königs, der sich in huldvoller Weise bei 
dem Ritter für seine Treue bedankt. Auch wir sind geneigt, diese beiden Briefe lediglich 
für Briefmuster zu halten. — Nach Italien führt uns wieder ein Schreiben Stephans III. von 
Eandshut, datiert vom 2. Februar (Jahreszahl fehlt). Der Fürst bittet für einen Münchener 
Bürger Heinrich Esslinger um sicheres und zollfreies Geleit, da letzterer verschiedene 
Kostbarkeiten dem Herzoge aus Rom zu überbringen habe. — Über den Zug Stephans nach 
ItaUen berichten uns einige andere Stücke aus dem venetiauischen Staatsarchiv. Gian 
Galeazzo Visconti hatte sich durch Beseitigung seines Schwiegervaters Bernabo Viscontis 
und zweier seiner Söhne am 6. Mai 1385 zum Herren von Mailand gemacht Nur zwei 
legitime Söhne Bemabos entkamen, Martino, noch im Kindesalter stehend, und Carlo, ein 


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Anzeigen und Besprechungen. 


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junger Mann im Alter von etwa 30 Jahren. Letzterer flüchtete sich zu seinen Schwägern 
nach Bayern. (Seine Schwester Thaddäa war die Gemahlin Stephan III.) Zwei Schrift¬ 
stücke des Fürstenfelder Briefkodex beziehen sich nach Simonsfeld hierauf, wenn auch 
die Datierung von 1394 als unrichtig erscheint. In dem ersten Schreiben aus Ingolstadt 
vom 3. August zeigt er seine glückliche Ankunft daselbst an und stellt seinen Besuch am 
bayerischen Hofe in Aussicht Der zweite Brief, datiert vom 7. August aus München, 
verheisst ihm daselbst freundliche Aufnahme. Die Herzoge Stephan und Johann nahmen 
sich ihrer Verwandten in liebenswürdiger Weise an und wandten sich, wenn auch mit 
negativem Erfolge, durch ihren Bruder Friedrich an Wenzel um Hilfe. Desgleichen erbaten 
sie auch von anderen deutschen Fürsten eine Intervention zu guusten ihrer Verwandten. 
Vergeblich waren auch ihre Bemühungen, den Herrn von Mantua zu gewinnen, der w r egen 
seiner Beziehungen zu Gian Galeazzo eine ausweichende Antwort gab. Nur Bologna und 
Florenz traten in den Kampf gegen den Usurpator ein, zumal dieser die Herrschaft über 
Verona, Vicenza, Padua an sich gerissen und sie nun selbst bedrohte. Der junge Carrara, 
den Gian Galeazzo aus Padua vertrieben, 1389, wandte sich auf die Veranlassung der zwei 
obengenannten Städte gleichfalls an den bayerischen Hof, wo auch er freundlich aufge¬ 
nommen wurde. Ja Stephan liess sich bewegen, mit 1200 Reitern nach Italien zu ziehen. 
Vergeblich suchte der Herzog die Republik Venedig auf seine Seite zu ziehen, doch erreichte 
er wenigstens soviel, dass er trotz des Einspruchs des Visconti freien Durchzug durch das 
venetianische Gebiet erhielt. Auch späterhin scheiterte der Versuch Stephans, Venedig zu 
gewinnen. Dagegen befasste sich der Senat ernstlicher mit der Frage, ob der Durchzug 
weiterer bayerischer Truppensendungen durch venetianisches Gebiet gestattet sein sollte. 
Der Entscheid des Senates war ein vorbehaltlicher. Der Beschluss kam jedoch zu spät 
(26. Juni), denn am 1. Juli rückte Stephan bereits in das am 18. Juni von Carrara wieder¬ 
gewonnene Padua ein. Im weiteren Verlaufe des Feldzuges zeigten sich die Florentiner 
mit dem Verhalten Stephans sehr unzufrieden. Sie warfen ihm vor, dass er in geheimer 
Verbindung mit Gian Galeazzo stehe, und dass er im Begriffe sei, neue verwandtschaftliche 
Beziehungen mit ihm anzubahnen. Thatsächlich ist das letztere drei Jahre später geschehen, 
wenn auch von anderer bayerischer Seite, indem am 30. Dez. 1393 die Vermählung des 
Prinzen Emst (Sohn des Herzogs Johann) mit Elisabeth Visconti durch Prokuration statt¬ 
fand. Schon sehr bald scheint also das Verhältnis des bayerischen Fürstenhauses zu Gian 
Galeazzo ein ziemlich gutes geworden zu sein. Es mag hier im Zusammenhang mit den 
wechselseitigen Beziehungen zwischen Bayern und Italien ein Schreiben des Herzogs Emst, 
vom 9. Oktober 1394, an seinen Schwiegervater erwähnt werden. Der junge Fürst ver¬ 
wendet sich für einen Diener und Unterthan seines Vaters Johann, für einen gewissen 
Johannes Lanzenberg und dessen Begleitung, um freies Geleit. Der in den Beiträgen so 
oft erwähnte Herzog Stephan erscheint nochmals in einem Schreiben vom 25. Feb. 1401 
an den Abt von Fürstenfeld. Der nicht genannte Schreiber berichtet von dem Einzug 
des neuen Königs Wenzel mit dem mehrfach erwähnten Herzog in Nürnberg und von 
der Absicht des letzteren, seine bereits vollzogene Hochzeit mit seiner zweiten Gemahlin 
(Elisabeth von Geve) daselbst zu feiern. 

Eines wie grossen Ansehens sich übrigens Stephan in Italien erfreute, geht zu genüge 
hervor aus einem Schreiben der Republik Venedig an dessen Sohn Otto den Bärtigen, 
der von Konstanz aus am 15. März 1417 für sich und sein Gefolge mit 200 Pferden 
um freien Durchzug durch venetianisches Gebiet gebeten hatte. In der liebenswürdigsten 
Weise wird ihm diese Erlaubnis gewährt und unter den schmeichelhaftesten Ausdrücken 
der Anerkennung für den verstorbenen Vater des Herzogs. — Ein weiteres Aktenstück (aus 
dem venetianischeu Archiv) bezieht sich auf die Pilgerreise einiger bayerischer Edelleute, 
die bei ihrer Rückkehr vom heiligen Lande in der Weise übervorteilt wurden, dass auf 
einer von ihnen ausschliesslich gemieteten Galeere ohne ihre Genehmigung fremde Kauf¬ 
mannsgüter transportiert w r urden. Hiefür forderten sie eine Entschädigung (durch den 
Herzog Heinrich von Landshut), die ihnen der Senat auch gewährte, trotzdem der Termin 
von vier Monaten zur Geltendmachung ihrer Ansprüche bereits längst verstrichen war 
(S. 289 f.). Gerade diese auffallende Gefälligkeit des Senates giebt uns in Verbindung 
mit den übrigen diesbezüglichen Urkunden einen Beweis für die lebhaften Beziehungen 
Bayerns im 14. Jahrh. zu Italien und namentlich zu Venedig und zeigt uns, dass man 
in der That am Lido die Freundschaft Bayerns nicht unterschätzte. — Zum Schlüsse sei noch 
ein Schreiben der Tochter Stephans Elisabeth (der Königin Isabeau) an den Münchener 
Rat erwähnt, worin sie dem letzteren die Geburt eines Thronerben anzeigt. 

Es konnte natürlich nicht unsere Aufgabe sein, auf alle einzelnen Urkunden der 
Beiträge genauer einzugehen. Wir haben mit Vorliebe diejenigen herausgegriffen, die auf 
die Stadtgeschichte von München und auf das Verhältnis dieser Residenz, sowie der baye¬ 
rischen Lande zu Italien bezug nehmen. Was wir hier erfahren, ist in der That ein recht 
willkommener Beitrag zur Bereicherung unserer Kenntnisse der politischen und Kulturge¬ 
schichte Bayerns im 14. Jhrh. Recht wertvoll sind namentlich die Urkunden, die sich mit 
Stephan III. befassen. Sie dürften bei einer Monographie dieses Fürsten nicht übersehen 
werden. Trotz des geringen Umfangs der Arbeit enthält dieselbe eine Reihe neuer und 


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anregender Momente. Sicher bieten die Stücke der Fürstenfelder Briefsammlung recht 
viel schätzenswertes Material. Seine erhöhte Bedeutung, namentlich für die Geschichte 
der Beziehungen Bayerns zu Italien im 14. Jhrh., erhält es erst durch die geschickte Art 
und Weise, durch welche der Verfasser dieses Material mit seinen Analekten aus den 
Protokollbüchern des Senats im venetianischen Archiv in Verbindung brachte. 

Würzburg. Adolf von Hirsch-Gereuth. 


Die Reformation in Kirche, Sitte und Schule der Ober¬ 
pfalz (Kurpfalz) 1520—1620. Ein Anti-Janssen aus den königlichen 
Archiven erholt von Friedrich Lippert, königl. Pfarrer in Amberg. 
Rothenburg o. T. J. B. Peter sehe Buchdruckerei 1897. (234 S.). 

Die religiösen Verhältnisse der Oberpfalz vom Beginne der Reformation bis zum 
Anfänge des dreissigjährigen Krieges bieten bekanntlich das unerquicklichste Bild des 
rücksichtslos durchgeführten Grundsatzes, dass der Herr des Bodens zugleich auch der¬ 
jenige des Glaubensbekenntnisses sei. Viel Bitterkeit ist darum beiderseits bis heute in 
den Gemütern zurückgeblieben; denn man weiss, dass es nicht immer die überzeugenden 
Bekehrungspredigten beredter Mönche (wie z. B. des Johannes Nas in Straubing) waren, 
was den Umschlag der Gesinnung verursachte, am allerwenigsten seit dem Tage am 
Weissen Berge, der für die heute dort herrschende Konfession so ziemlich entscheidend 
war. Lippert hat sich der mühevollen Arbeit unterzogen, die reformatorische Bewegung 
der Oberpfalz nach den Quellen zu schildern, in der Absicht, gegen Janssens Darstellungen 
aufzutreten, der sich seinerseits ja auf eine recht traurige „Quelle“, auf Wittmanns Ge¬ 
schichte der Reformation in der Oberpfalz (1847), stützt. — Das einleitende Kapitel weist 
die Notwendigkeit der Reformation auch in den oberpfälzischen Landen nach; allent¬ 
halben sind die inneren Gründe die gleichen, die tiefe geistige und sittliche Versunken¬ 
heit des römischen Klerus, die freilich in einigen Strecken Deutschlands, wie z. B. gerade 
im Gebiete von Amberg, stärker als in anderen hervortreten. Mächtiger aber als anderswo 
wurde hier anfänglich der Reformation von oben entgegengearbeitet, sodass mancher 
seine Überzeugung mit dem Tode besiegelte (19); denn aus der Darstellung Lipperts geht 
zur genüge die Thatsache hervor, „dass die Reformation in der Oberpfalz nur durch das 
Drängen des Volkes entstand“ (37). Erst nach dem Tode Ludwigs V. (1544) unter 
Friedrich III. wurde die Reformation in Amberg eingeführt, seine Nachfolger Ottheinrich 
und Wolfgang vollenden das begonnene Werk. An die Durchführung dieser Massregeln 
nun knüpfen sich, hier wie aller Orten, die gegenseitigen Vorwürfe. Der ersten einer ist 
stets deijenige gewesen, dass die protestantische Kirche ihren Zuwachs vor allem dem 
Aufheben des Zölibats verdanke. Ward ja doch auch Luther gerade nach dieser Seite 
hin am heftigsten angegriffen. Der wiederholte Vorwurf der einen Seite ‘ überrascht in¬ 
dessen nicht mehr, als die stets dagegen versuchte Verteidigung der anderen. Denn an¬ 
gesichts der unbestrittenen sittlichen Verkommenheit des römischen Klerus war ja die 
Verehelichung der Geistlichkeit gerade eine der schönsten und entschiedensten Thaten 
der neuen Lehre. Darf man also nicht offen gestehen, dass die Ehefreiheit der lutheri¬ 
schen Kirche ohne Zweifel hunderte in die Arme führte, die in derselben eine heilsame 
Neuerung noch dazu auf Grundlage der a 1 1 christlichen Kirche sahen und dieselbe im 
Hinblicke auf den jammervollen Zustand der Sitten des Klerus freudig als Abhilfe be- 
grüssten? Standen sie nicht auf dem Boden des Papstes Pius II., der erklärte: „Sacer- 
dotibus magna ratione sublatas nuptias, maiori restituendas videri.“ (Hist. B. Plati- 
nae de vitis Pont. Rom. Asg. von 1626. S. 311 unten)? Wenn Ottheinrich dem Kon¬ 
kubinat mit allen Kräften durch Ehen steuerte, wenn er zur Bedingung der Reformation 
machte: „Die Konkubinen müssen entfernt oder geehlicht werden, (49)“, welcher 
sittlich denkende Mann könnte solches für ein Vergehen halten, das einer Verteidigung 
bedarf? — Die Geschichte der Aufhebung der oberpfälzischen Klöster — Waldsassen, 
Amberg, Gnadenberg, Schönthal, Kastl u. s. w. — ein weiterer Vorwurf, giebt dem Ver¬ 
fasser im ferneren Veranlassung zu einer Polemik gegen Janssen, vielmehr dessen trübe 
„Quelle“ Wittmann, in der er glücklich aus den Akten den Nachweis liefert, dass die 
beklagte Härte keineswegs so geübt wurde. Ein überaus interessantes Kapitel behandelt 
die „Evangelischen Einrichtungen“ (59); einen tiefen Einblick in die Kirchenverhältnisse 
gewährt die Schilderung der Pfarrer von anno 1557 (73), deren Hauptlaster „Trunkensucht 
und Unehr“ die reformatorischen Visitationen nach Kräften bekämpfen. Die Offenheit, 
mit der die Reformatoren diesen alten Übeln entgegentraten, spricht ebensosehr für die 
hergebrachte Verrottung, die nur schwer und langsam wich, als auch für die edlen Ab¬ 
sichten der Kirchenverbesserer. 

„Das aufblühende evangelische Kirchenleben der Oberpfalz wurde leider durch 
den Kalvinismus Friedrichs III. vielfach gestört“ (84); es erfolgten schwere Kämpfe gegen 
denselben; Reibereien und Kolloquien wissenschaftlicher Art (wie das Amberger) machten 


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die Sache nicht klarer, bis unter Ludwig VI. (1576—1583) „die geängstete lutherische 
Volksseele wieder froh aufatmen“ durfte (123). Neue Kämpfe begannen unter Kasimir, 
Friedrich IV. und V., die von Lippert alle eingehend nach den Quellen dargestellt werden. 
Auch dem Schulwesen während der reformatorischen Zeit werden einige belehrende 
Kapitel gewidmet 

Die überaus fleissige Arbeit liefert ein klares Bild der religiösen Zustände der Ober¬ 
pfalz, das über die Geschichte zahlreicher grösserer und kleinerer Orte, besonders in den 
mühsam zusammengetragenen Anmerkungen, Licht verbreitet Unendlich viele ober¬ 
pfälzische Städte und Dörfer finden in dem dankenswerten Büchlein geschichtliche An¬ 
gaben, die zum grossen Teile neu sind, sodass es schon nach dieser Seite hin dem baye¬ 
rischen Spezialforscher überaus willkommen ist. 

Hinsichtlich des religiösen Lebens der Oberpfalz aber geht aus demselben deut¬ 
lich hervor, dass „ein Volk, das der Rückreformation der Jesuiten solchen Widerstand 
leisten konnte, dass bis 1627 in sieben Jahren nur 1733 Konvertiten im ganzen Lande 
gefunden wurden, und das nur dem fürstlichen Gewaltwort wich: „katholisch oder zum 
Lande hinaus“, kein kirchlich erstorbenes“ war (209), dass die Reformation dort tiefe und 
lebenskräftige Wurzeln geschlagen hatte und treue Bekenner im Volke zählte. 

München. R. 

Kurze Darstellung der Kulturentwicklung im Donau¬ 
moos. Aus Anlass der Wanderausstellung der D. L. G. zu Stuttgart-Cann¬ 
statt bearbeitet und mit einem Literaturnachweis versehen von Dr. J. Spöttle, 
K. I. Kreis-Kulturingenieur in Augsburg. 1896. Druck der H. Mühlberger- 
schen Buchdruckerei, Augsburg. (40 S.). 

Der bayerische Schulhistoriker, der, an die Regierung Karl Theodors gelangt, 
auch von ihm etwas Bayern Erhebendes verkünden möchte, greift zunächst zu seinen Ver¬ 
diensten um die Austrocknung des Donaumooses. Das kleine, aber sehr verdienstvolle 
Schriftchen nun, das hier angezeigt werden soll, enthält eine fachmännische Würdigung 
der einschlägigen Arbeiten des bayerischen Kurfürsten. „Das Donaumoos war vor seiner 
Austrocknung ein vollkommener, an vielen Stellen ganz unzugänglicher ca. 60000 Tagwerk 
grosser Sumpf, der nur hie und da zu Viehweiden benutzt werden konnte“ (7). Erst 
i. J. 1778 trat man der Idee einer Trockenlegung des ganzen Mooses näher; ein Priester, 
der Benefiziat Joh. Jak. Lanz von Bergimgau, erhielt den Auftrag, den Kulturentwurf 
aufzustellen, und rasch begann auch die systematische Arbeit, die etwa 900000 Mark ver¬ 
schlang und alsbald „auf die klimatischen und Gesundheitsverhältnisse der ganzen Gegend 
den günstigsten Einfluss“ übte (14). Die Bestrebungen gerieten indes ins Stocken, ja 
eine Reihe misslicher Umstände veranlasste den gänzlichen Verfall der Kulturanlagen im 
Moose. Von 1818—1825 unternahm man neuerdings umfassende Reparaturen und Hess 
bis auf diesen Tag die Verbesserung der Zustände im Donaumoos nicht mehr aus dem 
Auge. Wie das bewerkstelligt wurde, zeigt die Schrift Spöttles eingehend. Es ist darum 
die fleissige, auch mit einer Litteraturübersicht von 1781—1895 versehene Abhandlung 
dankbarst als eine Arbeit zu begrüssen, die ein Kapitel unserer landwirtschaftlichen Ent¬ 
wickelung von fachmännischer Feder beleuchtet darstellt und über die Bedeutung der 
Mooskultur sowohl als ihre Ausführung aufklärt 

München. R. 

Die St. Michaels Hofkirche in München. Festschrift zum 
dreihundertjährigen Jubiläum der Einweihung von Adalbert Schulz, k. Hof¬ 
priester und Subdiakon. Mit 18 Abbildungen und 2 Grundrissen. München. 
1897. Verlag der J. J. Lentnersehen Hofbuchhandlung. (E. Stahl jun.) # 

(133 S.). 

Der Verfasser hat die Absicht, „in gedrängter Form“ all das zu bieten, „was die 
Darstellung der Geschichte eines Gotteshauses erfordert“. Den Schwerpunkt seiner Auf¬ 
gabe glaubt er, „in der bisher noch nicht gegebenen quellenmässigen Darstellung des 
kirchlichen Lebens suchen zu müssen“. Er blieb dieser Absicht gemäss für die Erzählung 
der „Baugeschichte der Kirche“ auf die bereits vorhandenen trefflichen Quellenarbeiten 
(von Leopold Gmelin) angewiesen. Die Beschreibung des Inneren und Äusseren des 
Gotteshauses ersetzt einen verlässigen und erschöpfenden Führer durch die Kirche, welche 
Lübke in seiner „Geschichte der Renaissance in Deutschland“ „ohne Zweifel die gewal¬ 
tigste kirchliche Schöpfung der deutschen Renaissance“ nennt. Auch der Fürstengruft, 


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der Jesuitengruft und dem Kirchenschatze ist je ein Abschnitt gewidmet Der zweite 
Teil, „Das Kirchliche Leben“ betreffend, beschäftigt sich mit der Chronik des Gottes¬ 
hauses, seinen Vorständen, seiner Kapelle, die ja stets besonderer Teilnahme in musikali¬ 
schen Kreisen sich erfreute, und an der grosse Meister, wie Kaspar Ett, wirkten. Das 
sehr schön ausgestattete Schriftchen erfüllt sowohl da, wo es sich auf fremde Quellen 
stützt, als da, wo es selbständig neue Materialien verarbeitet, seinen Zweck, „in einer 
Festschrift weiteren Kreisen die Geschichte und die Beschreibung eines Gotteshauses zu¬ 
gänglich zu machen, das seine Gründung dem frommen und kunstbegeisterten Streben 
eines Wittelsbacher Fürsten schuldet“, vollständig. 

München. R. 

Kloster Ebrach. Aus der Zeit des letzteu Abts Eugen Montag 
und der Säkularisation des Klosters. Von Dr. Johannes Jaeger, k. Pfarrer 
an der Strafanstalt Ebrach. Mit zwei Illustrationen und einem Anhang. 
Gerolzhofen, Verlag und Druck von Fr. Büchners Buchdruckerei. 1897. 
(184 S.). 

Mit besonderer Hingabe an sein Thema behandelt der Verfasser die Geschichte 
der ehemaligen Abtei Ebrach. Sechs Jahrhunderte hatte sie bereits hinter sich, über 
welche uns die ersten Seiten rasch hinwegführen, als (1741) ihr letzter Abt, Eugenius 
Montag, geboren wurde. Jaeger schildert seinen Studien gang und seine Erlebnisse, wie 
er (1759) ins Kloster trat und (1791) Abt desselben wurde. Als solcher waltete er als einer 
der hervorragendsten Forscher auf dem Gebiete des Staatsrechts seines schwierigen Amtes 
mit seltenem Geschicke, indem er stets unerschrocken und sachgewaudt für die Interessen 
seines Klosters eintrat und seine Feder im Dienste desselben gebrauchte. Indessen zogen 
unter ihm schwere Tage über das Kloster heran; die Franzosen besetzten (1796) dasselbe, 
ihre Aufführung dort und in der nächsten Umgebung war wohl überaus schlimm; end¬ 
lich (1803) verfiel es dem Lose der Säkularisation, was sein Abt trotz mancher Wahr¬ 
scheinlichkeit nicht erwartet hatte. 677 Jahre hatte die Abtei als solche bestanden. Die 
Nebenumstände der Säkularisation waren allenthalben so ziemlich die gleichen. Vor allem 
das Schicksal der Bibliothek, der wertvollen Handschriften und Urkunden schildert der 
Verfasser in eingehender Weise. Erst acht Jahre später (1811) starb Eugen Montag zu 
Oberschwappach, als der 49ste Abt des Konvents. Jaegers Arbeit fusst nur auf den 
Quellen; sie entwirft ein anschauliches Bild der einst so glänzenden Abtei und ihres 
Zusammenbruches. Auf allen Seiten verrät sich des Verfassers inniges Verständnis für die 
Geschichte des Klosters und die Wechselfälle seiner geistlichen Bewohner, sowie die grösste 
Objektivität und Sachlichkeit der Darstellung. 

München. R. 

Geschichte der deutschen Litteratur von den ältesten 
Zeiten bis zur Gegenwart von Prof. Dr. Friedrich Vogt und 
Prof. Dr. Max Koch. Mit 126 Abbildungen im Texte, 25 Tafeln in 
Farbendruck, Kupferstich und Holzschnitt, 2 Buchdruck- und 32 Facsimile- 
beilagen. Leipzig und Wien. Bibliographisches Institut. 1897. 
(760 S.) 

Die überaus thätige Beihilfe des bayerischen Volksstammes an der Entwickelung 
der deutschen G e s a m t litteratur und der stets wiederkehrende Wunsch, zu einer Geschichte 
der deutschen Litteratur im heutigen Bayern einen bewährten Forscher zu veranlassen 
(vgl. Forschungen I, 5), mag es an sich schon rechtfertigen, das Erscheinen eines Werkes 
an dieser Stelle anzuzeigen, dessen wissenschaftliche Durchführung und typographische 
Ausstattung gleichmässig auffordern, es in weitesten Kreisen bekannt zu machen. Während 
Vogt die ersten fünf Abschnitte, die Zeit des Heidentums, das Germanentum und die 
christlich-lateinische Kultur, die mittelalterliche Dichtung in allen ihren Erscheinungen, 
sowie den Übergang zur Neuzeit in trefflicher Weise schildert, beginnt Koch von Opitz 
und seiner Schule und verfolgt die Entwickelung der neueren und neuesten Litteratur 
bis zu jenen Schriftstellern herab, die uns als Zeitgenossen in ihrem Wirken nahe stehen. 
Schon in den ältesten Zeiten verfolgen wir den Einfluss des bajuwarischen Stammes (16), 
hervorragende Denkmale früher Tage sind auf bayerischem Boden entstanden, erhalten 
geblieben oder aufgefundeu worden, meist heute noch Eigentum unserer Bibliotheken. 
Der weltlichen Epik in Franken und Bayern ist ein eigenes Kapitel (74—84) gewidmet; 
die deutsche Dichtung der Ritter und Spielleute in Bayern und Österreich beruht auf 


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nationaler Überlieferung, während sie im Westen sich französischen Vorbildern an- 
schliesst (89). Auf den verschiedensten Gebieten älterer Dichtung sehen wir im weiteren 
Bayern hervorragend vertreten, um nur der Namen eines Meier Helmbrecht, Wolfram 
von Eschenbach, Wimt von Gravenberg, zu gedenken oder vieler Anderer, die, ob auch 
ihre Herkunft streitig ist, auf bayerischem Boden dichteten und sangen. Zählen wir 
Nürnberg und seine grossen Männer, einen Melchior Pfintzing, Hans Sachs und viele 
Andere, die besondere Teilnahme Bayerns am Schauspiele, an den humanistischen Studien, 
an der Schulkomödie hierher, so sehen wir den gewaltigen Einfluss dieses Landes auf 
die Litteratur, einen Einfluss, der auch seit Opitz nicht abnimmt, im Gegenteile wächst 
Die grossen Schriftsteller des letzten und des nun bald schliessenden Jahrhunderts, welche 
Bayern angehören, sind zahllos; in Bayern verwirklicht Richard Wagner den grossen 
Gedanken eines deutschen Nationaltheaters, der einst Lessing thöricht schien. - Es ist 
natürlich hier nicht Raum, auf das Einzelne näher einzugehen, da nur auf das Erscheinen 
des Prachtwerkes hingewiesen werden soll, das als besonderen Vorzug auch die stete 
Berücksichtigung Österreichs aufweist. Wohl mag mancher, der nur die gelehrte 
Forschung sucht, den Bilderschmuck entbehren wollen; aber wo er mit solcher Auswahl 
angelegt und mit solcher Feinheit ausgeführt erscheint, da fördert er wirklich das 
Werk und bietet ein unbestreitbares Unterrichtsmittel nicht bloss im Dienste der 
Schule, sondern auch des ernsten Forschers. 

München. R. 


Die Hirsauer Bauschule: Studien zur Baugeschichte des 
11. und 12. Jahrhunderts von Dr. C. H. Baer, Architekt. (Freiburg u. 
Leipzig, J. C. B. Mohr 1897). 

Es muss als ein grosses Verdienst Baers erachtet werden, alle jene Einzelfor¬ 
schungen, welche sich mit der Hirsauer Bauschule oder ihren Werken beschäftigten, zu einem 
Ganzen vereinigt zu haben. Die Art, wie dies geschah, gereicht aber dem Verfasser zu 
ganz besonderem Lobe und giebt Kunde von eingehenden Vorstudien und von umfassen¬ 
der Kenntnis sowohl der einschlägigen Litteratur, als auch der Baudenkmale selbst, die 
sich namentlich in trefflichen Bauanalysen und stilkritischen Erörterungen äussert 

Ehe wir auf den für Bayern einschlägigen Teil des Werkes näher eingehen, sei 
an der Hand des Buches kurz seine Einteilung erwähnt Die Einleitung behandelt die 
Entstehung und Ausbreitung der Clunyacenser Bauweise und ihr allmähliches Eindringen 
in Deutschland, welches etwa mit dem letzten Drittel des zehnten Jahrhunderts anhob, 
zunächst von Süden her (Peterlingen), dann auch im Norden (Abdinghof). Eine Reihe 
bedeutsamer Bauten entstanden, als deren hervorragendster die Abteikirche zu Limburg 
anzusehen ist. Der Verfasser weist am Ende dieses Abschnittes darauf hin, wie das Pro¬ 
gramm der Clunyacenser Bauweise in Deutschland lange der Klärung entbehrte, und dass 
ein Tasten und Suchen nach dem Zweckentsprechenden unverkennbar zu tage trete. 
Zwei Mönchen, aufgezogen im Kloster St. Emmeram zu Regensburg, war es Vorbehalten, 
„Cluny und seinen gregorianischen Bestrebungen in Deutschland die schon so lange er¬ 
sehnte Stellung zu verschaffen und zu sichern; es waren dies der mehr vorbereitende 
Ulrich von Zell und der bahnbrechende Wilhelm von Hirsau“. Es würde zu weit vom 
Zwecke dieser Zeilen abschweifen, hier auf die zwei Bauten in Hirsau einzugehen, auf 
St. Aurelius und St. Peter, die unter dem mächtigen Abte Wilhelm entstanden und einen 
gewaltigen Einfluss auf die von Hirsau gegründeten oder reformierten Klöster ausübten. 
Mit vollstem Recht betont hier der Verfasser, dass dieser ungeheuere Erfolg der Clunya¬ 
censer Bauweise namentlich dem Umstande zuzuschreiben ist, dass sie den Verhältnissen 
Deutschlands angepasst wurde. Von Hirsau, dem Vororte dieser neuen Bauweise, leitet 
sich der Name der Kongregation — den Baer als unzutreffend zurück weist — oder der 
Hirsauer Bauschule her. 

In den folgenden Abschnitten behandelt der Verfasser alsdann die Bauten der 
Hirsauer Schule. Ohne des weiteren auf diese einzugehen, sei hier erwähnt, dass die 
Besprechung der uns besonders interessierenden bayerischen Bauten namentlich auf Prof. 
Dr. Berthold Riehls einschlägige, so verdienstvolle Arbeiten sich stützt; Baer ist ein Schüler 
des genannten Herrn. Warum aber nahm der Verfasser nicht auch die Monatsschrift 
des hist Vereins von Oberbayem 1894 Nr. 7—10 in die Hand, mit der leider sehr kurzen 
aber vorzüglichen Wiedergabe eines Vortrages von Dr. G. Hager über die Hirsauer 
Klosterreform und die „romanische Baukunst in Bayern“? Gewiss wäre der Verfasser zu 
weiteren interessanten Resultaten gelangt, oder es wäre doch das Verzeichnis der von 
Hirsau abhängigen Klöster durch die Beifügung von Benediktbeuern (Hager, a. a. O. S. 106) 
vervollständigt worden. Wir dürfen gespannt sein, was Dr. Hager in dem von ihm eben 
vorbereiteten Werke über Hirsau im Vergleiche mit dem Werke Baers Neues zu tage 
fördert, und ob des letzteren Verfassers Annahmen und Behauptungen vor Dr. Hägers 


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Anzeigen und Besprechungen. 


Urteil und Autorität bestehen werden. Jedenfalls darf dem Werke Baers die grosse An¬ 
erkennung nicht versagt werden, in äusserst fleissiger Arbeit eine zusammenfassende Ab¬ 
handlung über ein so interessantes Thema uns gegeben zu haben, das zur Bewältigung 
gründlichste Sachkenntnis erfordert. Bei einer so gewaltigen Bewegung, wie sie die zwei 
Mönche aus St Emmeram in Regensburg hervorriefen, und die in ganz Deutschland wie 
besonders in Bayern so grosse Erfolge hatte, ist es doppelt erfreulich, dass die vorliegende 
Arbeit der Münchener Schule der Kunsthistoriker entsprang. 

München. W. 


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Die Kriegführung des Kurfürsten Max Emanuel von 
Bayern in den Jahren 1703 und 1704. Von Generalmajor von Land¬ 
mann. Mit dem Bildnisse des Kurfürsten Max Emanuel und vier Karten¬ 
beilagen. München 1898. C. H. Beck sehe Verlagsbuchhandlung. Oskar 
Beck. (92 S.). 

Unter den regierenden Fürsten der Weltgeschichte, welche auf den Ruhm voll¬ 
endeter Ritterschaft einen berechtigten Anspruch haben, nimmt Bayerns Kurfürst Maxi¬ 
milian II. Emanuel einen der allerersten Plätze ein. Was das ritterliche Ideal jener Tage 
verkörpert, Mut bis zur Tollkühnheit und Abenteuer aller Art in Krieg und Frieden, — 
Ariosto fasst es so treffend in die Verse zusammen: 

Ee donne, i cavalier, 1 ’arme, gli amori, 

Ee cortesie, l’audaci imprese — 

das bildet auch den Inhalt seines wechselvollen Eebens. Es ist bedauerlich, dass Bayern 
dem Fürsten nicht jenes Vertrauen entgegen bringen durfte, dessen er nach Seiten seines 
Heldenmutes wohl wert gewesen wäre, da seine bayerischen Zeitgenossen und ihre Nach¬ 
kommen ihm gewiss nicht glauben konnten, wenn er versichert, die Erhaltung Bayerns 
sei ,le principal pour moy, ma maison et toute 111a posterite‘. (Münch. Gel. Anz. 1837 
No. 28. S. 234) — Um so erfreulicher berührt es darum, den ritterlichen Kurfürsten nach 
einer anderen wichtigen Seite hin als hervorragend gewürdigt zu sehen, nämlich seine 
militärische Begabung von berufenster fachmännischer Hand geschildert 
und anerkannt zu treffen. Generalmajor Karl von Eandmann hat es unternommen, die 
Feldzüge Max Emanuels in den Jahren 1703 und 1704 einer eingehenden Kritik zu unter¬ 
ziehen, was um so allgezeigter war, als die bisherige Darstellung der kriegerischen Thätig- 
keit des Kurfürsten übermässig durch französische Einflüsse gefärbt war: „Nicht leicht 
hat sich je ein Fürst bei Beginn eines Feldzuges in ungünstigerer Eage befunden, als 
Max Emanuel i. J. 1703“. (1) Aber Maximilian hatte stets die Ausbildung seiner Armee 
im Auge und war auch „selbst Führer seines Heeres“. (1) Die strategische Tüch¬ 
tigkeit des Kurfürsten wird an einzelnen Gefechten, z. B. an jenem bei Schmidtmühlen- 
Emhof (28. März 1703), eingehend naehgewiesen. (11) Aus Max Emanuels meisten Plänen, 
wie aus seinem Vorhaben gegen Nürnberg, erhellt, „welch richtigen Blick er gehabt hatte“ 
(18), und wie sehr Villars „im wesentlichen die Rolle eines Hemmschuhes gespielt hatte“. 
(36) Der Kurfürst selbst hatte im Feldzuge von 1703 es verstanden, „den Krieg mit den 
Hauptkräften stets angriffsweise zu führen; es gelingt ihm, sein Heer von einem Ende 
des Eandes zum andern zu werfen, ohnedass Verpflegungs- und andere Schwierigkeiten 
belangreich zu tage treten“. (39) I111 Kampfe „sieht man keinen übereilten Angriff, kein 
allmähliches Einsetzen, keine Verzettelung der Kräfte“. „Die ganze Kriegführung des 
Kurfürsten im Jahre 1703 hat etwas für den Soldaten von heute ungemein Ansprechen¬ 
des“. (40) — Nicht minder lebhaft gestaltete sich das kommende Kriegsjahr 1704, zu dem 
sich der Kurfürst „in ausgiebigster Weise“ (43) vorbereitete. Aber trotzdem „gehörte für 
den Kurfürsten ein Entschluss dazu, mit den Hauptkräften das Kurfürstentum zu ver¬ 
lassen, während feindliche Truppen in der Oberpfalz, in Oberösterreich und in Tirol in 
Winterquartieren lagen“. (45) In sachkundigster Weise verfolgt der Verfasser des Kur- 


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2 Anzeigen und Besprechungen. 


fürsten Märsche und Pläne des weiteren bis zur unglücklichen Schlacht bei Höchstädt 
(13. August 1704), über deren Verlauf eingehendst gehandelt wird. Dabei wird Tallard, 
den man bisher allein für das Unglück von Höchstädt verantwortlich machte, gereinigt, 
indem Marcin, der die erbetene Unterstützung verweigerte (il ne songea plus qu’ä profiter 
de rint£grit6 de son armee pour faire une retraite, Saint-Simon VII, 253), dafür haftbar 
gemacht wird. Dagegen darf der Kurfürst gerade hierbei nicht als Oberbefehlshaber im 
eigentlichen Sinne angesehen werden. „Will dem Kurfürsten ein Vorwurf aus dem Ver¬ 
luste der Schlacht gemacht werden, so kann es wohl nur der sein, dass er zu viel auf 
die Unbesiegbarkeit der Tallardschen Armee vertraut hat“. (79). Wie Max Emanuel ein 
Jahr später die rührende Treue seines Landvolkes erprobte, so durfte er nach dem Un¬ 
glücke von Höchstädt auf seine Armee zählen; denn wenn nach der Niederlage „in Bayern 
selbst die Waffen noch lange nicht ruhten, so war dies die Folge eines in allen Graden 
des Heeres herrschenden, auf treuer Ergebenheit für den Landesherrn beruhenden, vor¬ 
trefflichen militärischen Geistes“ (83), sagen wir der bewährten Treue der Bayern ihrer 
Dynastie gegenüber. Der Kurfürst hat weder selbst seine Kriegsthaten beschrieben, noch 
eingehend in Briefen „seiner persönlichen Leistungen“ (85) gedacht; so fehlt es an er¬ 
schöpfendem Materiale zu seiner Beurteilung; aber die ganze Art seiner raschen Ent¬ 
scheidung gegenüber der schwerfälligen Methode jener Zeit nähert sich „schon mehr 
dem Standpunkte der heutigen Kriegführung“. (86). Bei vorurteilsfreier „Be¬ 
trachtung der Ereignisse von 1703 und 1704“ wird man sich „der Anschauung nicht ver- 
schliessen können, dass Kurfürst Max Emanuel als Heerführer sicherlich Grosses geleistet 
haben würde, wenn er von Anfang an in grössere Verhältnisse und mehr auf eigene Füsse 
gestellt gewesen wäre“ (87). 

Liegt, wie schon eingehend bemerkt wurde, der besondere Wert dieser Studie, 
welche vier Kartenbeilagen wesentlich fördern, in der fachmännischen militärischen Be¬ 
urteilung des Kurfürsten, dessen bekanntem persönlichen Mute, wie hier dargethan wird, 
kriegerische Erfahrung und taktische Befähigung reichlich zur Seite standen, so ist noch 
besonders hervorzuheben, dass die Mehrzahl der Materialien verschiedenen Archiven ent¬ 
nommen ist und die gesamte Arbeit sich auf eine stattliche Reihe ganz neuer Forschungen 
gründet. Es hat darum mit dieser Schrift nicht nur die kriegsgeschichtliche Litteratur 
eine ansehnliche Bereicherung erfahren, sondern auch vom rein historischen Standpunkte 
aus hat das Bild des im ganzen meist abfällig beurteilten Herrschers eine neue, für ihn 
günstige Beleuchtung gefunden, die vermuten lässt, der tapfere und kriegsgewandte Kur¬ 
fürst habe die Erreichung so manchen Zieles, das sein Stolz sich steckte, in dem begrün¬ 
deten Bewusstsein seiner wirklichen militärischen Befähigung erhofft Dem Verfasser des 
Werkes, der keine Mühe gescheut hat, seine schwierige Aufgabe zu lösen, gebührt darum 
der anerkennende Dank des Forschers auf dem Gebiete der bayerischen Geschichte. 

München. Reinhardstöttner. 

Photographische Aufnahmen von Skulpturen Bambergs, 
speziell des Domes u. A. m. (Folioformat 22:30 cm). Bamberg. Gustav 
Duckstein. 

Bei der grossen Wichtigkeit, von der gute photographische Aufnahmen grösseren 
Formates für das Studium der Kunstgeschichte sind, wie auch bei der besonderen hoch¬ 
bedeutsamen Stellung, welche die Skulpturen des Bamberger Domes, namentlich des 
12. und 13. Jahrhunderts in der Kunstgeschichte einnehmen, ist das Unternehmen der 
obengenannten Kunsthandlung, uns diese Skulpturen in zweckentsprechenden Aufnahmen 
geboten zu haben, aufs freudigste zu begriissen. Die erste Serie — speziell Skulpturen 
des Domes vorführend und 25 äusserst sorgfältige, bis in die kleinsten Einzelheiten durch¬ 
gearbeiteten Aufnahmen enthaltend — bringt ausser den Details der Domportale, wie die 
Leibungen, das Tympanon des letzten Gerichtes am Fürstenportal oder die Standbilder 
Kaiser Heinrichs, die Figuren Adams und Evas auch — wir sind versucht zu sagen end¬ 
lich — nicht allein brauchbare, sondern vorzügliche Aufnahmen der stilistisch so hoch- 


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Anzeigen und Besprechungen. 


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bedeutsamen Schranken des Georgichors mit den Figuren der zwölf Apostel und Propheten, 
die bekanntlich eine ganze Reihe der verschiedenartigsten Ansichten bez. ihrer kunst¬ 
geschichtlichen Stellung und ihres Alters zeitigten. Endlich einmal liegen auch die herr¬ 
lichen, von antikem Geiste durchwehten Figuren der hl. Maria und der hl. Anna mit dem 
Marienkinde (2. H. 13. Jhdts.) im nördlichen Seitenschiffe in vorzüglichen, wirklich brauch¬ 
baren Aufnahmen vor und ermöglichen vergleichende Studien mit den hier einschlägigen 
Skulpturen von Rheims und der französischen Plastik des 13. Jahrhunderts überhaupt 
Gerade bei den Skulpturen des Georgichors — den Schranken und den ebenerwähnten 
herrlichen Gewandfiguren — war es ein ausserordentliches Bedürfnis, gute Aufnahmen zu 
besitzen, dem nun endlich aufs beste abgeholfen ist. 

Von der zweiten gleich grossen Serie, die ausser einer Anzahl von Skulpturen des 
späteren Mittelalters — hervorzuheben sind hier besonders die Reliefs Riemenschneiders 
am Grabmal Heinrichs II. — noch drei Blätter der Kreuzwegstationen v. J. 1507 und 
Bauten der Barock- und Rokokozeit bietet, kann in gleicher Weise gesagt werden, dass 
die Blätter den höchsten Anforderungen, die man an wissenschaftliche Aufnahmen stellen 
kann und muss, vollauf gerecht werden. 

Neben den grossen inneren Vorzügen, die den Photographien eigen sind, verdient 
noch der verhältnismässig niedrige Preis und die Art des Vertriebes — es kann jedes 
Blatt einzeln bezogen werden — besonderes Lob. Nochmals sei der Verlagsbuchhandlung 
Gustav Duckstein für das Unternehmen die grösste Anerkennung gezollt Die Güte 
und Zweckmässigkeit der Aufnahmen sichern dem Unternehmen den besten Dank der 
fachwissenscliaftlichen Kreise. 

München. W. 

Heinrich Boos: Geschichte der rheinischen Städtekultur. 
Mit Zeichnungen von Joseph Sattler. I. und II. Band. Verlag von 
J. A. Stargardt in Berlin. 

Selten hat eine Publikation sich das Lob, ein Monumentalwerk zu sein, mit sol¬ 
chem Rechte erworben wie die vorliegende. Zählt dem heutigen Bayern auch nur ein 
kleiner Teil des hier behandelten Gebietes zu, so sei unseren Lesern dennoch das vorzüg¬ 
liche Werk aufs beste empfohlen als ein äusserst wertvoller Beitrag zur Stadt- und Kultur¬ 
geschichte Deutschlands, zumal sich aus der Lektüre desselben sehr viele für die Geschichte 
unseres Bayernlandes interessante Punkte und Beziehungen ergeben. 

Von dem Werke, das mit dem dritten Bande, der sich bis auf die Gegenwart er¬ 
strecken wird, abschliesst, liegen bis jetzt zwei stattliche Bände mit ca. 1000 Druckseiten 
nebst vielen hunderten von Anmerkungen und Quellennachweisen vor. Prof. Heinrich Boos 
zu Basel hat es verstanden, dank eines ungeheueren Fleisses und Bieneneifers, mit dem 
er seit 1880 an der Ordnung des W T ormser Archivs thätig war, und dank der Sorgfalt, 
welche seine Herausgabe der „Wormser Geschichtsquellen“ (1886, 1890 u. 1893) bekunden, 
den vorhandenen Stoff im Rahmen der Allgemeingeschichte in geradezu glänzender Weise 
zu verarbeiten. Liegt auch das Hauptgewicht des Werkes auf der geschichtlichen und 
kulturgeschichtlichen Entwickelung von Worms, so bedingten doch die gegenseitigen Be¬ 
ziehungen der Städte Worms, Speier und Mainz wie sie sich durch die ganze Geschichte 
der Rheinlande zeigen, auch eine eingehende Berücksichtigung der zwei letzt genannten 
Städte, woraus sich wiederum ergiebt, dass „der geographische Rahmen der hier behan¬ 
delten Gegend die Landschaft von Strassburg bis gegen Köln, vom Odenwald bis nach 
Trier umspannt“. Ausbeuten der Archive zu Strassburg, Basel, Zürich, Speier, die Kölner 
Verwaltungsakten mussten, wie die Wormser Urkunden, dem Verfasser zu einer rein ob¬ 
jektiven Darstellung ihre Hilfe leisten. Ich verweise nur auf die unzähligen Urkunden¬ 
belege, welche weitaus andere Quellennachweise an Zahl übertreffen. Dabei ist die Dar¬ 
stellungsweise eine so klare, sachliche und einer trockenen Geschichtschreibung so gänz¬ 
lich abhold, dass den Laien wie den Fachmann gleicher Genuss an der Lektüre erlaben wird. 
Dazu trägt namentlich die mehr episodenhaft eingestreute, dem Kulturhistoriker doppelt 


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Anzeigen und Besprechungen. 


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werte Abschweifung über Stadt- und Landwesen, über die Zünfte, über Kunst und 
Kunstleben u. a. m. bei. Wer wird es dem Verfasser verdenken, wenn er bei dem tiefen 
Einblick in die bewegenden Momente einer Zeit, bei seiner klaren Erkenntnis der Wechsel¬ 
beziehungen geschichtlicher Ursachen und Wirkungen ab und zu, jedoch ohne es be¬ 
sonders den Leser empfinden zu lassen, in einen etwas staatsmännisch belehrenden Ton 
verfällt? Im Gegenteil, das mag zu loben sein, erkennen wir doch auch daraus, wie ernst 
es ihm um die Sache ist 

Der erste Band beginnt mit der Prähistorie der in Frage kommenden Gegend, 
um deren Erforschung Kommerzienrat von Heyl, dem wir die Publikation des Pracht¬ 
werkes zu verdanken haben, sich hervorragende Verdienste erworben hat. Den Kämpfen 
der Römer mit den Germanen, der Einführung des Christentums, der Zeit der fränkischen 
und salischen Kaiser und namentlich der gewichtigen Person Bischof Buchards von Worms 
sind die nächsten Kapitel des ersten Bandes gewidmet, der mit einer klaren Darlegung 
der Sachlage vor dem grossen rheinischen Städtebund und mit diesem schliesst. Der 
zweite Band behandelt die Stellung der rheinischen Städte zur Zeit des Faustrechts und 
König Rudolfs von Habsburg, die Entwickelung der Zünfte im 13. und 14. Jahrhundert, 
die Kämpfe zwischen Kaiser und Papst (Ludwig der Bayer und Papst Johann XXII.) 
Daran schliessen sich die Kapitel über den rheinisch-schwäbischen Städtebund, die innere 
Entwickelung der Stadt Worms mit ihren ewigen Pfaffenstreiten, denen nur eiue kurze 
Zeit lang die grosse Pfaffenrachtung von 1407 Einhalt thun konnte. Den weiteren Streiten 
der rheinischen Städte im 15. Jahrhundert widmen sich die nächsten Kapitel. Alsdann 
wird die Stellung der Städte zur Zeit der Hussiten und Waldenser erörtert Die Kämpfe 
der Armagnaken, des Pfalzgrafen Friedrich, die Einnahme von Mainz, Karls des Kühnen 
Niederlage und die kleineren Fehden im Reiche werden, soweit sie die Geschichte der 
rheinischen Städte berühren, im letzten Kapitel des zweiten Bandes abgehandelt Dort 
finden wir auch der Erfindung der Buchdruckerkunst gedacht und zeitgenössische Lob¬ 
sprüche für Guttenberg aufgezeichnet 

Zwei stattliche Bände sind es, voll reichen Wissens, dargeboten aber, was den 
Verfasser anlangt, in einer so schlicht und bescheiden erzählenden Weise, dass man dar¬ 
über beinahe die aufgewandte Mühe und Arbeitskraft desselben vergisst Und dennoch 
verdient Heinrich Boos unbegrenztes Lob und ungeteilte Anerkennung, denn wenig Ge¬ 
schichtswerke verbinden so wie die ,,Rheinische Städtekultur“ Fleiss und Sorgfalt der 
Forschung, Beherrschung des Stoffes, Reichtum des Inhalts und klare Darstellungsweise. 

Das Werk verdient aber auch noch in bezug auf seine Ausstattung auf das rühm¬ 
lichste hervorgehoben zu werden. Der durch seine Exlibris, Totentänze und durch seine 
Bilderchronik des Bauernkrieges und der Wiedertäufer allbekannte Joseph Sattler, ein 
geborner Schrobenliausener, verstand es, das wissenschaftlich so hochbedeutsame Werk in 
ebensolch künstlerischer Weise auszugestalten. Vignetten, Initialen und eingereihte Voll¬ 
bilder, die in der markigen Strichführung an die grossen Meister des 16. Jahrhunderts 
gemahnen, begleiten den Text; wie es sich bei einem wissenschaftlichen Werke geziemt, 
durchaus nicht aufdringlich und vordrängend. Dabei aber lassen sie des Künstlers Ein¬ 
dringen in den Text und die behandelte Zeit klar erkennen. Wir stehen nicht an, Sattlers 
Anteil und Verdienst an dem Werke jenem Boos’ gleich zu setzen und dasselbe als ein 
klassisches Beispiel musterhafter Buchausstattung zu rühmen. Die deutsche Geschichts¬ 
forschung hat aber auch allen Grund, dem sehr verdienstvollen Kommerzienrat von Heyl, 
in dessen Aufträge und mit dessen ständiger Unterstützung das herrliche Werk entstand, 
wie der rührigen Buchhandlung J. A. Stargardt-Berlin, in deren Verlag das Werk erschien, 
vollste Anerkennung auszusprechen. 

München. W. 


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Anzeigen und Besprechungen, 


Ein Wort zum vierten Band von H. von Treitschkes historischen 
und politischen Aufsätzen. (Treitschke, Historische und politische Auf¬ 
sätze. IV. (Schluss-) Band: Biographische und historische Abhandlungen, 
vornehmlich aus der neueren deutschen Geschichte. Leipzig 1897. Verlag 
von S. Hirzel. XII u. 664). 

Der vierte Band der ,,Historischen und politischen Aufsätze“ von Heinrich von 
Treitschke, den Erich Liesegang im Aufträge der Familie mit ebenso kundiger 
wie pietätvoller Hand herausgegeben hat, enthält in der reichen Fülle des Gebotenen drei 
Artikel, die auch in den „Forschungen zur bayerischen Geschichte“ näher ge¬ 
würdigt werden müssen. Zwei derselben danken ihr Entstehen seinem Aufenthalt in der 
bayerischen Hauptstadt, wohin er sich im Jahre 1861 von seiner Leipziger Dozeuten- 
tliätigkeit zurückgezogen hatte, um die Arbeiten zu einer Geschichte des deutschen Bundes 
von 1815 bis 1848 mit voller Kraft aufzunehmen. Wir sind über diese Münchener Tage 
durch das schöne und warm geschriebene Buch von Theodor Schiemann „Hein¬ 
rich von Treitschkes Lehr- und W a n d e rj a h re“ vortrefflich unterrichtet. Er hat 
hier schöne und arbeitsfrohe Tage verlebt und sich dem süddeutschen Wesen recht be¬ 
freundet. Schrieb er doch seiner Mutter: „Es ist doch eine Freude, wenn man, wie ich, 
nach und nach erlebt, wie albern die Lügen sind von der unversöhnlichen Verschiedenheit 
der deutschen Stämme. Die Deutschen sind überall gleich; was sie trennt, sind Äusser- 
lichkeiten und anerzogene Vorurteile. Ich fühle mich unter den verschrieenen Altbayern 
ganz heimisch.“ Freilich war er auch nicht blind für die Schattenseiten, die Bayern nun 
einmal anhaften und nie schwinden werden. Glücks genug, wenn sie an weiterer Aus¬ 
dehnung gehindert werden! I11 dieser Stimmung der Sympathie für Land und Volk, 
des scharfen Erkennens der Verhältnisse, die seinen nationalen Hoffnungen in so hohem 
Masse widerstrebten, schrieb er au die Preussisclien Jahrbücher zwei Berichte, die trotz 
ihres ephemeren Zweckes von bleibendem Werte sind und ein, wenn auch subjektiv ge¬ 
färbtes Bild von den damaligen Münchener Zuständen geben. Man kann sie mit um so 
grösserem Behagen lesen, als sich ja vieles gebessert hat und vor allem in den Haupt¬ 
punkten eine volle Wendung eingetreten ist. Die erste „süddeutsche Korrespondenz“ ist 
Mitte Juni 1861 geschrieben. Es ist die Zeit, wo verschiedene Polizeischikanen und allerlei 
kleinliche und tiefgemeine Schmutzgeschichten, die sich in Berlin zugetragen, auf die 
Stimmung in Süddeutschland zurückgewirkt, die vorhandenen Gegensätze wieder schärfer 
hatten hervortreteu lassen. Keiner beklagte die Skandale und ihre Folgen mehr als 
Treitschke, wenn er auch die letzteren nicht überschätzte. Er hatte in München Ge¬ 
legenheit gehabt, genau zu erkennen, was fehlte. Man thut unrecht, meint er, den 
Grund der Missstimmung des Südens gegen Preussen „allein in Vorurteilen oder in den 
Berliner Skandalen“ zu suchen. Sah er doch, dass nicht alles im Süden grau war, was 
man in Berlin dafür ansah, fühlte er doch auch hier den deutschen Gedanken erstarken. 
Und wenn diesem hier im Süden manches im Wege stand, so war er gerecht genug zu 
sagen, dass das Haupthemmnis für die deutsche Einheit in Fehlern Preussens lag. 
Mit Recht beklagt er, wie wenig man im Süden die preussisclien Dinge kenne, wie sehr 
selbst die Erziehung der Jugend dafür sorge, dass vieles von dem Herrlichsten der 
deutschen Geschichte der deutschen Jugend unbekannt bleibe. „Und nicht immer holt 
der Mann nach, was der Knabe versäumt; viel zu selten erfüllen die Süddeutschen die 
Pflicht, den Norden des Vaterlandes kennen zu lernen.“ Mit einem Worte, man kennt 
sich zu wenig, darin liegt das Grundübel des doppelten Partikularismus. Damit hat er 
den Nagel auf den Kopf getroffen. Dann zieht er freilich scharf zu Heer gegen den 
bayerischen Partikularismus und hält selbst Äusserungen berechtigten Stammesgefühls für 
Symptome desselben. Aber er sieht doch auch die tieferen Gründe des Abschliessens gegen 
den Norden, die „in gewissen unglücklichen Eigentümlichkeiten des preussisclien Staates 
liegen.“ So verwirft er mit aller Schärfe den Grundsatz der „Realpolitiker“, die da meinen, 
das süddeutsche Volk durch den kahlen Satz jemals zu überzeugen: „Preussen hat die 
grösste Macht in Deutschland, darum gebührt ihm die Führerschaft“ Er huldigte viel¬ 
mehr dem Grundsatz: „Preussen muss sich die Hegemonie erst verdienen.“ Denn „in der 


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Anzeigen und Besprechungen. 


innersten Natur unseres Volkes liegt es begründet, dass wir uns nicht wahllos vor der 
Macht als solcher beugen mögen. Preussen wird seine gebührende Stellung erst dann 
erlangen, wenn es ihm gelingt, die Achtung und Liebe der Deutschen dauernd an sich 
zu fesseln“. Und wenn er nun die Verhältnisse von Bayern und Preussen in Parallele 
stellt, da verhehlt er nicht, dass Preussen an Missständen krankt, welche der Süden längst 
überwunden hat. Altbayern, meint er, wird durch die Machenschaften des Klerikalismus 
nicht schroffer von Deutschland getrennt als der Nordosten durch seine Junkerwirtschaft. 
Er stellt in dieser Beziehung den süddeutschen ultramontanen ,,Volksboten“ gleichsam 
auf ein Niveau mit der „Kreuzzeitung“, wenn freilich er die seltsamen Kräfte und die 
Infamie des ersteren nicht verkennt. Und wenn er die deutsche Gesinnung des Adels 
beider Staaten prüft, kommt er zu dem wenigstens teilweise richtigen Resultate, dass der 
reichsunmittelbare Adel des Südens den nationalen Ideen nicht ganz so feindselig gegen¬ 
übersteht als das kleine Junkertum des Nordostens, dessen Übergewicht in Preussen die 
tiefgreifende Verschiedenheit des Volkstums von Nord und Süd verstärkt. Dort der 
Standeshochmut, der den süddeutschen Augen unerträglich ist, hier formlose Unbefangenheit 
des Umgangs, das schöne Verhältnis von Hof und Volk, zwischen Militär, Bürger- und 
Beamtentum! Dabei mangelt, wie Treitschke meint, dem Volke keineswegs das Ver¬ 
ständnis für die Fragen der inneren Politik: hatte es doch durch sein Verhalten bei den 
letzten Wahlen das Ministerium von der Pfordten gestürzt und sich so ein Regiment 
verschafft, das freilich schwankend und langsam, aber gerecht und leidlich aufgeklärt. Im 
übrigen treibt man freilich im behaglichen Sonderleben dahin und schlägt sich die grossen 
nationalen Gedanken um so lieber aus dem Sinn, als die inneren Zustände des Landes 
gesund und leidlich befriedigend sind. Er ist nicht in der rechten Stimmung, die Licht¬ 
seiten der bayerischen Geschichte freundlicher zu betrachten ; gilt doch von ihr dasselbe, 
was er selbst von Land und Leuten in Norddeutschland sagt, deren Herrlichkeit nun 
einmal auf der Oberfläche, dem raschen Wanderer leicht erkennbar liegt. Freilich arm 
bleibt sie immer im Vergleich zu den guten Anlagen des Volkes, das eine bessere Ge¬ 
schichte verdient hätte. Diesem kernigen, mannhaften Volke des Gebirges lässt er denn 
auch volle Gerechtigkeit widerfahren. Er fühlt sich wohl unter ihm, und seine Aus¬ 
setzungen sind kein bitteres Räsonnieren. Er redet, wie Schiemann richtig sagt, als ein 
Freund Preussens aus einem der Kleinstaaten, aber als ein sorgender und bekümmerter 
P'reund. Um so freudiger konstatiert er, dass im Laufe der letzten Jahre eine Umwandlung 
der Geister, eine Annäherung an das übrige Deutschland sich vollzieht, sehr langsam 
freilich, aber durchaus naturgemäss und hocherfreulich. Die „süddeutsche Zeitung“ streitet 
wacker für den nationalen Gedanken auf ihrem vorgeschobenen aber nicht verlorenen 
Posten; der Hof hat seine Stellung an der Spitze eines paritätischen Staates längst be¬ 
griffen; der Ultramontanismus ist im Rückgang; München verwächst immer mehr mit 
den unsterblichen Werken eines unsterblichen Königs, die er „zuversichtlich mitten hinein 
baute in das freie Feld,“ es wird zur Grossstadt, in welcher bereits das reiche Leben in 
Kunst und Wissenschaft heimisch wird. Und mögen auch noch ungemein starke Gegen¬ 
sätze nebeneinander hergehen, sie haben doch schon gelernt, sich zu ertragen. ,,Vor 
einigen Monaten,“ schreibt er, „starb der erste in München geborene Protestant, und be¬ 
reits hält an der Münchener Hochschule die protestantische Wissenschaft der katholischen 
das Gleichgewicht.“ Und „so dringt der deutsche Geist durch alle Fugen und Ritzen 
hinein in die feste Burg des altbayerisclieu Sonderlebens.“ An diesem Endresultat konnten 
auch die Beobachtungen nichts ändern, die Treitschke während der nächsten Monate in 
München zu machen in der wenig erfreulichen Lage war. Freilich meinte er im Eingang 
zu dem Berichte: „Aus Süddeutschland“, dass es der ganzen Geduld bedürfe, „welche 
dem deutschen Patrioten heute so nötig ist, um an der Wirklichkeit dieser trotz alledem 
doch vorhandenen Annäherung nicht zu zweifeln.“ Es war auch in der That während 
dieser Zeit manches geschehen, das jeden Wohldenkenden verstimmen musste. Der 
Ultramoutanismus hatte im Glaspalast eines seiner Feste gefeiert und alle Schleusen seiner 
Unduldsamkeit und seines Hasses gegen die deutschen Regungen und gegen die Freiheit 
der Wissenschaft, gegen den Grundgedanken deutscher Bildung geöffnet. Dazu kam der 
Weggang Heinrich von Sybels und Bluntsclilis, welche als Opfer jener Koterie hatten 
fallen müssen. Treitschke war beiden trotz manchen Beziehungen nicht näher getreten, 
aber es war doch ein Schlag für die Wissenschaft, der durch Giesebreclits Berufung zwar 
gemildert, aber keineswegs ausgeglichen wurde. Treitschke weiss recht w r ohl, dass die 
Ultramontanen das Ohr des guten, so treu für die Wissenschaft besorgten Königs nicht 
besassen, aber die Schuld der Regierung an dem Sturze der beiden Professoren war 
offenbar. So war er zu den bitteren Worten berechtigt: „Wir wissen nun, dass selbst die 
„liberale“ bayerische Regierung nicht im stände ist, das Hinüberwirken der Wissenschaft 
auf das Leben — und das sagt heute: die Existenz der freien Wissenschaft zu ertragen.“ 
Überhaupt sah er in dem „halbliberalen“ Gebaren des Ministeriums Schrenck eine 
schwere Gefahr für den nationalen Gedanken. Die politische Unklarheit des Volkes, be¬ 
hauptet er mit Recht, wird durch die Maximen dieses Regimes noch gefördert: das Volk 
wird eingelullt in Sicherheit, der Bauer in seiner Egartenwirtschaft, der Bürger in der 


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Anzeigen und Besprechungen. 


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Stille seines Landstädtchens abgesperrt von dem deutschen Leben. Auch die soziale 
Reform, die man vom Landtage erwartet, sie war gescheitert in der Gewerbefrage, womit 
eine Reihe von moralischen und wirtschaftlichen Missständen noch gesteigert worden 
waren. Überhaupt war auf dem Gebiete der Volkswirtschaft, so besonders in der deutschen 
Münzfrage, ein grosser Rückschritt zu bemerken. Aber er hat doch auch Erfreuliches 
wahrgenommen. Ini Landtag hat sich eine Scheidung der Parteien vollzogen, ,,eine 
nationale Partei hat sich gebildet, eine Minderheit freilich,, aber in der Debatte immet 
und nicht selten auch in der Abstimmung siegreich.“ Sie stach wolilthuend ab von dem 
Getriebe der übrigen politischen Strömungen, die nur ein Gemeinsames hatten, den Hass 
gegen Preussen, gegen den sogenannten preussischen Partikularismus, den Treitschke hier 
wiederum im rechten Lichte zeigt. In wenigen seiner Aufsätze kommt die Aufgabe und 
das Recht Preussens, die deutsche Führung zu übernehmen, so klar zum Ausdruck, als 
in diesem Hilferuf aus Süddeutschland, der um so lauter sich in diesem Augenblicke, w t o 
die Zweifel an König Wilhelm und an seiner Erfassung der deutschen Aufgabe überall 
rege wurden und der Hohn gegen den Regenten sich frech und unverhohlen äusserte, 
dem so grosse Aufgaben und Erfolge Vorbehalten waren. ,,Wir täuschen uns keineswegs 
darüber,“ sagt er, „dass auch die öffentliche Meinung im Süden noch manches zu lernen 
habe.“ Der Anstoss aber zur nationalen Reform kann nur von Berlin ausgehen. Daher 
empfindet er es selbst recht schwer, dass bei der Krönung in Königsberg kein ärmliches Wort 
Deutschlands erwähnte. Er trifft auch hier das Richtige: solange Preussen zögert, die deutsche 
Aufgabe zu erfassen, ist im Süden alles Streben nach der Einigung Deutschlands verlorene 
Liebesmüh’. Nun, ein gutes Geschick hat es dem Herold der deutschen Einheit gegönnt, die 
Zeit der Erfüllung zu erleben, wenn es ihm auch venvehrt blieb, die Geschichte derselben zu 
schreiben, derermitseinem Kämpfen, Wirken und* Schaffen als der Unsterblichen einer angehört. 

Doch noch einen Aufsatz darf ich aus der reichen Zahl der neuen Sammlung 
herausgreifen: eine Studie über Paul Heyses historisches Schauspiel „Ludwig der Bayer.“ 
Sie gehört wohl zu dem Schönsten und Besten, was je über das historische Drama gesagt 
werden ist. Hier kommt die eigene dramatische Begabung Treitschkes zu seinem Recht: 
und das ist es wohl, was so sehr unser Interesse in diesem Aufsatz fesselt Er lässt uns 
die innere Entwickelung Treitschkes, den inneren Kampf erraten, der gerade in diesen 
Jahren seinen Höhepunkt erreichte.* Es ist wie ein Blick in die Werkstatt eines echten 
Dichters! Diesen Ausführungen gegenüber fällt die Konstruktion des Heyseschen Dramas 
in sich selbst zusammen. Es ist w T ohl die schwerste Abfuhr, die Heyse als dramatischer 
Dichter erhalten, aber auch die ehrenvollste. Findet doch sein wahres und schönes 
Talent auch bei Treitschke sympathische Anerkennung, der freilich ein wirklicher Meister 
der Charakteristik war, w'ie das Bild beweist, das er mit ein paar Federzügen von Ludwig 
dem Bayer entwirft: „Ein wohlmeinender Herr von gesundem Verstände und gut deutschem 
Sinne, aber mehr geschoben von der öffentlichen Meinung, denn ein Führer seiner Zeit, 
ein Charakter voll der seltensten Widersprüche, gutmütig und doch habgierig, mit nahezu 
ketzerischer Kühnheit vorschreitend wdder die Kirche, und doch unfreien Gemüts, sichtlich 
gebeugt und verschüchtert durch Roms geistliche Waffen.“ Man darf wohl sagen: er 
hat durch den Verzicht auf sein dramatisches Talent um der Wissenschaft und des Vater¬ 
landes willen ein gewaltiges Opfer gebracht. Sein Werk und sein Wirken freilich stehen 
so hoch und für immerdar so fest, dass man nicht fragen darf, ob das Opfer nicht zu 
gross war. Aber er hat es gebracht als echter Künstler, der sich gerade zu jenen Jahren 
selbst das Gesetz diktiert hat: „Es soll mit unserem Leben doch nicht anders sein als mit 
einem edlen Kunstwerke: jeder Stein mit Wärme und Leidenschaft bearbeitet, jeder Teil 
lebendig und doch das Ganze ruhig und geordnet, alles einem grossen Zwecke dienend.“ 
Heidelberg. Richard Graf Du Mo ulin Eckart. 

Geschichtliche Bilder und Skizzen. Von Karl Theodor Heigel. 
München 1897. Verlag von S. F. Lehmann. (S.S. VL 411). 

„Geschichtliche Bilder und Skizzen“ benennt Heigel die neue Sammlung seiner 
Essays, die sich den früheren in ihrer anziehenden Vortrefflichkeit, Feinheit und Gediegen¬ 
heit würdig anreiht. Es giebt wenig Gelehrte, welche es w r ie 4 H. verstehen, sprödem Stoffe 
so anmutende Form zu geben, der Wissenschaft höchst brauchbare Bausteine zu liefern, 
welche an sich schön geglättete Schaustücke sind. Er besitzt neben den Gaben des 
Forschers echtes künstlerisches Empfinden und Können, das er treulich in den Dienst der 
Wissenschaft stellt So dürfte man ihm gerade in heutiger Zeit doppelt dankbar sein. 
Doch dies ist leider nicht durchweg der Fall. I111 Gegenteil! Das Vorw’ort seiner neuen 
Publikation lässt erkennen, in welche seltsame Lage der Verfasser gerade durch seine 
Essays geraten ist: von einer Seite wird er nicht ohne Hintergedanken als „Essayist“ be¬ 
zeichnet, von anderer hingegen w T ird ihm der Vorwmrf gemacht, dass seine Abhandlungen 
keine „P^ssays“ seien. Der Widerspruch ist seltsam, um nicht zu sagen komisch. Denn 
aus den Arbeiten Heigels lässt er sich nicht erklären, sondern lediglich aus der Auffassung 
dieser Kritiker, die es einerseits nicht über sich vermögen, in der schönen Form den 


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Anzeigen und Besprechungen. 


wissenschaftlichen Kern erkennen zu wollen, anderseits den wissenschaftlichen Inhalt 
selbst in dieser Form nicht verdauen können. Wer nun gerecht urteilt, wird beiden An¬ 
schauungen unbedingt entgegentreten und erfreut sein über das Zusammenflüssen zweier 
Fähigkeiten, das so sehr zu den Seltenheiten gehört. Wenn ein Moment dieses Gefühl 
trübt, so kann es nur das Bedauern sein, von ihm noch nicht das Werk zu besitzen, das 
zu schreiben er vor allen berufen ist: die Geschichte Bayerns seit 1648. Allein der Aus¬ 
führung dieses Planes stehen Schwierigkeiten im Wege, unter denen der verdienstvolle 
Gelehrte wohl selbst am meisten leidet. Zudem zeigt gerade dieses neue Buch, wie un¬ 
ermüdlich er am Werke ist, wie er gesonnen ist, dasselbe auf breitester Grundlage aufzu¬ 
bauen. Seine Studien führen ihn au den Hof Peters des Grossen, über den er an der 
Hand eines deutschen Berichts interessante Aufklärungen giebt, während er auf grund 
reichen archivalischen Materials die Gestalt des Kaisers Leopold I. in vermutlich anderem 
Lichte zeigt, als er bisher dargestellt worden ist. Überhaupt fällt der Löwenanteil an 
dem Buche der pfalzbayerischen Geschichte zu. Von den sechzehn Aufsätzen der neuen 
Sammlung berühren allein zwölf die beiden Wittelsbachischen Häuser und Länder in mehr 
oder minder direkter Weise. Rin wahres Kabinettsstück ist die Erzählung von den Um¬ 
trieben eines armenischen Abenteurers — Israel Ory ist sein Name — am pfälzischen 
Hofe, der im Jahre 1698 den Kurfürsten für ein Projekt gewann, wde es abenteuerlicher 
und weitschweifender kaum gedacht werden kann. Johann Wilhelm sollte eine Armee 
nach Armenien führen, die armenische Christenheit befreien und sich selbst die Königs¬ 
krone aufsetzen. Es kann kein Zw f eifel walten, dass der Fürst den Plan ins Auge gefasst 
hatte, so unausführbar er auch war. Es wmrde ein für damalige Zeiten grossartiger 
diplomatischer Apparat in Bewegung gesetzt; mit Kaiser Leopold, Zar Peter, dem P'ürsten 
von Georgien, dem Schah von Persien und dem Papste Klemens wurden Verbindungen 
angeknüpft, die an sich schon beweisen, wie weit diese phantastische Idee den Kurfürsten 
zu reizen vermochte. Es ist ein neuer Beleg dafür, „wie verführerisch gerade damals die 
Aussicht auf eine Königskrone auf deutsche Fürsten wirkte und alle besonnenen Er¬ 
wägungen in den Hintergrund zu drängen vermochte“. Freilich schreckte der eherne 
Gang der Ereignisse den ehrgeizigen Fürsten aus seinen Träumen auf und malinte ihn, 
das Naheliegende ins Auge zu fassen. Für ihn war dadurch diese „orientalische Frage“ 
erledigt. Nicht aber für den Vertreter selbst, der alsbald am Hofe des Zaren auftaucht. 
Hier hatte die abenteuerliche Idee ein welthistorisches Nachspiel: Russlands armenisch- 
persische Politik knüpfte unmittelbar an dieselbe an. 

In engerem Rahmen, aber wichtiger für die Entwickelung der pfalzbayerischen 
Geschichte erscheint die Abhandlung über „die Wittelsbacliische Hausunion von 1724“, 
die, auf reichlichem Aktenmaterial basierend, ein klares Bild giebt von dem Für und 
Wider, von den Hindernissen und den treibenden Kräften, denen dieser wichtige Familien¬ 
pakt sein Entstehen dankt. Den Glanzpunkt der Sammlung bildet die Abhandlung über 
den „angeblichen Mannheimer Verrat von 1795“, in welcher Heigel einen der dunkelsten 
Punkte der bayerischen Geschichte in das richtige Licht setzt. Mag auch über diese 
Affäre das letzte Wort noch keineswegs gesprochen sein, mag die Katastrophe stets in 
das bedenkliche Dunkel gehüllt bleiben, welches der Widerspruch der bayerischen und der 
pfälzischen Politik in jenen Zeiten nationaler Haltlosigkeit heraufbeschw'oren, so ist doch 
durch diese Arbeit in eine Reihe bisheriger Vorurteile Bresche gelegt worden. Es war 
dem neuen Jahrhundert Vorbehalten, die Möglichkeit solcher Katastrophen zu beseitigen, 
aus deren Konsequenzen der rheinische Bund entsprang. Es hat doch auch in Bayern 
das Volk unter dem Drucke des kaiserlichen Protektors schwer gelitten, mehr als man bei 
den glänzenden Erwartungen denken sollte, die Bayern dieser politischen Konstellation 
verdankte. Die Stimmung in Volk und Heer beleuchten vortrefflich die „Erinnerungen 
eines alten Soldaten aus den Feldzügen von 1809 bis 1815, worin ein biederer Bayer seine 
Erlebnisse in Tirol und Russland, auf bayerischem und französischem Boden mitteilt Hier 
zeigt uns H. „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung“. Er bietet aber auch das 
Gegenstück! „Ein Reich — ein Recht“ betitelt sich ein Aufsatz, den er im Jahre 1872 
im Aufträge des Ministers von Pfeufer geschrieben, und der bestimmt war, dem König 
Ludwig II. vorgelegt zu werden. Auch er beruht auf aktenmassigem Material. Es versteht 
sich von selbst, dass Heigel mit grosser Wärme für die Rechtseinheit des neuen Reiches 
eintrat. Zeigt er sich hier als Vertreter des nationalen Gedankens, so tritt in den drei 
kleinen Aufsätzen über „das Grabmal Ludwigs des Bayern in der Münchener Frauenkirche“, 
die „Bavaria auf der Hofgartenrotuude“ und den „Grabstein des Orlando di Lasso“ 
klar hervor, wie sehr er mit seinem München verwachsen ist. Aber sie bergen auch eine 
Fülle von Detailforschung und kunsthistorischen Entdeckungen. Auf die übrigen Auf¬ 
sätze kann ich an dieser Stelle leider nicht eingehen. Es sei nur noch bemerkt, dass die 
Studie über,.die deutsche Politik während des Krimkrieges“ vorwiegend auf die Korrespondenz 
Friedrich Wilhelms IV. mit Maximilian II. beruht, und dass in dem Aufsatz „Archiv wiesen 
und Geschichtsforschung“ ein scharfes Schlaglicht auch auf die bayerischen Archivverhält¬ 
nisse fällt. Zumal die falschen und einseitigen Ideen Löliers über Archiv-benützung, wohl 
die einzigen des vergessenen Mannes, die noch ihr Dasein fristen, finden volle Wider- 


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Anzeigen und Besprechungen. 5 


legung. Dem bayerischen Archiv gilt demnach vor allem das schöne Wort Heigels: „Aus¬ 
gedehnte Benützung der arcliivalischen Schätze eines Landes sollte von den Regierungen 
nicht bloss gestattet, sondern gewünscht werden. Wenn zur Stärkung vaterländischer 
Gesinnung unbestreitbar die Kenntnis vaterländischer Geschichte beiträgt, so steht es 
ebenso fest, dass nur die wahrhaftige Geschichte dauernd diese Kraft besitzt. Ohne 
Freiheit der Forschung aber keine Wahrheit!“ — nt. 


Geschichte der Hexenprozesse in Bayern. Im Lichte der 
allgemeinen Entwickelung dargestellt von Sigmund Riezler. Stuttgart 
1896. (Verlag der J. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger). (X und 340). 

„Wer Hexenprozesse studiert, glaubt sich — nicht inmitten der Angeklagten, 
sondern der Richter — unter ein Geschlecht versetzt, das alle edlen menschlichen Anlagen: 
Vernunft und Gerechtigkeit, Scham, Wohlwollen und Mitgefühl erstickt hat, um dafür 
alle teuflischen in sich grosszuzieheu. Aus der Sphäre, die vielleicht den meisten Menschen 
die teuerste und erhabenste des Lebens bedeutet, aus dem Ileiligtume der Religion, 
grinst dem Beschauer ein Medusenhaupt entgegen und hemmt ihm das Blut in den 
Adern“. — Mit diesen tiefempfundenen Worten, aus welchen man den Eindruck zu ent¬ 
nehmen glaubt, den seine eingehenden Studien über den düsteren Stoff auf den gelehrten 
Verfasser gemacht haben, leitet Bayerns hochverdienter Geschichtschreiber Sigmund Riezler 
seine „Geschichte der Hexenprozesse in Bayern“ ein, ein Werk, für das wir ihm um so 
dankbarer sein müssen, jemehr „die Berufshistoriker diesem kulturgeschichtlichen Stoffe 
meist unverhohlene Geringschätzung eutgegenbringen und in unverhältnismässig geringer 
Zahl unter den Autoren der Hexenprozessliteratur vertreten sind“. Mit ungleich mehr 
Recht als Feuerbach die Geschichte der Religion eine Krankheitsgeschichte des mensch¬ 
lichen Geistes nennt, lässt sich diese Bezeichnung auf die Geschichte der Hexenprozesse 
anwenden. Treffend kennzeichnet Riezler im ersten Kapitel, „der heidnische Hexenwahn 
und die alte Kirche“, den einzig richtigen Standpunkt, den wir dieser traurigen Erscheinung 
gegenüber einnehmen müssen. „Der so beliebten allgemeinen Entschuldigung durch den 
Bann des Zeitgeistes darf doch nicht die Tragweite beigelegt werden, als wäre hiemit die 
individuelle Selbständigkeit und Verantwortung gänzlich aufgehoben“ (6). Bestimmte 
Menschen haben den „Hexenwahn“ „ausgebildet und genährt, verbreitet und angewendet“, 
und zur Zeit der Hexenprozesse „spielte er auf dem Boden der christlichen Glaubenslehre. 
Für die Fragen, ob und wie weit Teufel durch Menschen oder Menschen durch Teufel 
wirken können, war entscheidend, wie sich die kirchliche Autorität dazu stellte“ (7). 
Verdammte sie denselben, so konnte er keine allzu grosse Gefahr werden; die Kirche 
jedoch that das Gegenteil, sie that es trotz der in den letzten Augenblicken der armen 
Opfer wiederholten Beteuerungen ihrer Unschuld in der Beichte; sie that es sogar an 
harmlosen Kindern, und so kam es, „dass sämtliche Klassiker des Hexenwahns“ mit Aus¬ 
nahme dreier dem geistlichen Stande angehören“ (51). Von dem altheidnischen Hexen¬ 
wahne ausgehend, verfolgt der Verfasser seine ganze geschichtliche Entwickelung, die 
ersten Äusserungen über denselben in der Gesetzgebung und der Volksjustiz, den ersten 
„und einzigen sicher beglaubigten Fall von Hexenverfolgung aus unserem engeren Vater¬ 
lande“ in der Freisinger Volksjustiz von 1090. Die ältere Kirche bekämpft ausdrücklich 
„die Realität der Hexerei“ noch im fünfzehnten Jahrhunderte. Freilich schon im 13. Jahr¬ 
hunderte — nach Leibnitz dem dümmsten der Weltgeschichte — „trat die unheilvolle 
Wendung ein, auf welcher die grossen Hexenprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts 
beruhen“ (36). Papst Gregor IX. hatte die Dominikaner mit dem Amte der Inquisitoren 
betraut, und sie und ihre Gesinnungsgenossen verfolgten fortan die Ketzer mit dem Vor¬ 
wurf der Zauberei als der „wirksamsten Waffe“. Dazu kommt ein verhängnisvolles Wort 
des Thomas von Aquino, das nun Grundlage des Glaubens an Wetterbeschwöruugen und 
Teufelsbuhlschaft wurde. Den kirchlichen Charakter des Hexenwahnes zeigt vor allem 
seine Internationalität. An die „schlechtesten Instinkte der Masse, an Neid und Hass, 
Aberglauben und Dummheit“ appellierten von der Kanzel herab die Inquisitoren. Fortan 
galt „die theoretische Erörterung über Ketzer und Hexen, wie deren Aufspürung und 
Verfolgung“ als die eigenste Domäne der Dominikaner, und Papst Innozenz VIII verweist 
alle Kleriker und Laien, die an den Hexenwahn nicht glauben wollen strenge mit dem 
Vorwurfe, sie „wollten mehr wissen, als ihnen zustehe“ (53). So war die kirchliche Lehre 
allmählich festgestellt und blieb massgebend für die folgenden Jahrhunderte. 

Denkwürdig für die Entwickelung des Wahnwitzes wurde das Jahr 1456, in 
welchem der Leibarzt Albreclits III Dr. Johann Hartlieb in München (s. Allg. D. Biogr. 
X, 670) sein „Buch aller verbotenen Kunst, Unglaubens ( - Aberglaubens) und der Zauberei“ 
verfasste. Laut ruft er nach Bestrafung der Zauberer; er glaubt an Hagel- und Schauer¬ 
machen, eine Kunst, die besonders „alte Weiber, die an Gott verzagt sind“, treiben (69). 
Und er musste es wissen, wollte er ja doch selbst von einer Frau, die zu Heidelberg 
verbrannt wurde, „Schauer und Hagel machen“ erlernen! 


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Anzeigen und Besprechungen. 


Entsetzlichen Unsinn weiss ferner der Hofkaplan Friedrichs des Siegreichen von 
der Pfalz Matthias von Kemnat von Hexen und ihren Gepflogenheiten zu berichten. Und 
alles hatten die im Jahre 1475 auf der Zent zu Tilsberg (Oberpfalz) verbrannten Frauen 
selbst gestanden!! Schildert diese Mitteilung nicht beredter als alles die Qualen, die der 
Exekution vorausgegangen sein mussten! Die Weiber gestanden, ihre eigenen Kinder 
gebraten und verzehrt zu haben! Rühmte sich doch ein Hexenrichter, er wollte mit seiner 
Folter den Papst selber zum Hexenmeister stempeln! (150) Die päpstliche Bulle von 
1484 (Summis desiderantes) war es, worauf von nun an alle Anhänger der Hexenprozesse 
sich wie auf ein von Rom bestätigtes und gebotenes Unternehmen beriefen. Bald wütet 
auch ein von daher gesandter Inquisitor Heinrich Institoris in Bayern, 1497 im Kloster 
Rohr, der mit Sprenger schon bis 1488 achtundvierzig Weiber hatte verbrennen lassen. 
Um die Jahre 1487 und 1488 aber vollzog sich die Kodifizierung der Hexeuverfolgung 
durch den Hexenhammer, den Malleus maleficarum, den Riezler mit so vollem Rechte 
,,das verruchteste und zugleich läppischste, das verrückteste und dennoch unheilvollste 
Buch der Weltliteratur“ (102) nennt, und für den nur Görres Worte der Verteidigung 
fand (111). Nun konnte Fall für Fall nach diesem Hexenhammer ,,wissenschaftlich“ erörtert, 
dogmatisch und juristisch gewürdigt und gebührend bestraft werden. „Das amtliche 
Suchen nach Hexen hat erst von da an begonnen“ (131). Frägt man nun, ob die 
Reformation auf dieses wüste Treiben keinen hemmenden Einfluss ausübte, so wird uns 
leider (127) die Antwort: „Es gehört zu den traurigsten Zügen in der deutschen Entwicke¬ 
lung, dass der Protestantismus dieses Erbstück der römischen Kirche ohne Bedenken in 
vollem Umfange übernahm, dass er seine Opposition gegen römische Missbräuche nicht 
auf diesen schreiendsten aller Missbräuche ausdehnte, und dass die christlichen Konfessionen, 
die sich sonst auf Leben und Tod bekämpften, auf diesem Gebiete der Dogmatik in schauer¬ 
licher Eintracht vereint, in den Hexenprozesseu wetteiferten“. Mit feinem Verständnisse 
für die Entwickelung der ganzen religiösen Bewegung findet Riezler den Grund dieser 
Erscheinung in dem günstigen Zeitpunkte der Erscheinung der päpstlichen Bulle. „Wäre 
sie um drei, vier Jahrzehnte später ausgegangen, hätte Luther dem Hexenwahn schon 
wegen des päpstlichen Ursprungs der Entscheidung vielleicht einiges Misstrauen entgegen¬ 
gebracht. So schleppte er die Fesseln seines Denkens seit frühester Jugend mit sich“ 1 ). 
Und doch glaubte der Dominikaner P. Coneinna, Luther keinen grösseren Vorwurf machen 
zu können, als dass er nicht einmal an Hexen geglaubt habe (53)! — Während der 

lateinische Hexenhammer zunächst zwar nur Theologen und Juristen beschäftigte, ging 
doch manches auch, von der neuen Technik der Holzschnitte und Kupferstiche unterstüzt, 
auf die breiteren Schichten des Volkes über. Der Verfasser verfolgt eingehend alle die 
Auswüchse der „künstlerischen“ Phantasie. Bald haben sich auch die Juristen des Hexen¬ 
unwesens in gesetzgeberischer Weise bemächtigt — in Bayern der pfalz-neubrugische 
Landvogt Ulrich Tengler zu Höclistädt afD. mit seinem „Layenspiegel“ (1509), der herzog¬ 
liche Rat Andreas Perneder (j* 1543) zu München mit seiner Halsgerichtsordnung u. a., 
und so folgt denn von 1589 bis 1631 „die Epidemie der Hexenprozesse in Bayern“, 
hervorgerufen durch einen „Richterstand, der im Zusammenhänge mit der Rezeption eines 
fremden Rechtes das natürliche Rechtsgefühl verloren hatte und stumpfsinnig die Ver¬ 
nichtung des Rechtes durch die Legalität vollzog“ (152). „Das epidemische Wüten der 
Hexenprozesse fällt in Bayern in die Regierungen der zwei frömmsten Fürsten, die je 
über das Land geherrscht haben: Wilhelms V und Maximilians I“ (165). Und warum 
suchte man gerade Weiber als Opfer dieses fluchwürdigen Wahnes heraus? Riezler gibt 
die einzig richtige Erklärung hiefiir (185). „Sie liegt in der aus Geringschätzung und 
Furcht gemischten asketisch-scholastischen Auffassung des Weibes in der mittelalterlichen 
Kirche. Vor allem dem im Zölibat lebenden Kleriker erschien die Verführung in der 
Gestalt des Weibes. Die Verführung war aber zugleich der Teufel“ (Vgl. auch S. 237). 
Weniger die hirnrissige Spielerei des Malleus, der femina aus fe et minus erklärt (p. I. 
q. 6), „quia semper minorem habet et servat fidem“, spielt hier herein, als die ganze 
Anschauung, die man vom Weibe als verbotener aber doch so süsser Frucht hatte, die 
lüsterne Frivolität und dabei die Scheu, mit der diese Dunkelwichte auf die Frau blickten 
und blicken, für deren ethisch-moralische Aufgabe und hohe Stellung ihnen das leiseste 
Verständnis abhanden gekommen war, abhanden kommen musste, da sie dieselbe nur von 
seiten des Lasters kennen konnten. Zu den einschlägigen Belegen Riezlers darf ich auf 
diese „Forschungen“ (Band II, 109 ff.) verweisen, wo sich der Hofratssekretär Maximilians I. 
Aegidius Albertinus eingehend über die Frau, — ein „unvollkommener Mensch“ und ein 
„fürnemmes Instrument des Teufels“ — vernehmen lässt, wo dieser selbe Vielschreiber 
die Ehe sogar als eine — wenigstens lässliche Sünde bezeichnet. Und so treffen wir eine 
Reihe sonst in der bayerischen Geschichte ganz ehrenvoller Namen, wie Jeremias Drexel 
(t 1638) u. a. als Förderer des Hexenweseus und den siebenzehnjährigen Kronprinzen 


’) Anders schon Hans Sachs (121) und der protestantische Rat von Nürnberg 
im Jahre 1531. 


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Maximilian als eifrigen Zuschauer — bei Hexenfolterungen!! So zog man den „ärgsten 
Hexenverfolger unter den bayerischen Fürsten 44 heran! (196) 

Erschöpfend bespricht Riezler alle Hexenprozesse, die im Lande Bayern geführt 
wurden. Lukrezens Worte: Tantum religio potuit suadere malorum!, die einst heidnischen 
Völkern galten, erfüllten sich auf solche Weise an den christlichen. Zwar teilten nicht alle 
Menschen den Glauben an Hexen, wohl lassen sich vereinzelte Stimmen (231 ff.) gegen 
den wüsten Unfug vernehmen; allein 1000 bis 2000 Hinrichtungen haben nach Riezlers 
Schätzung vom 16. Jahrhunderte bis 1756 im Fürstentum Bayern ohne die bayerischen 
Bistümer immerhin stattgefunden. „In den Bistümern Freising, Augsburg, Eichstätt 
zusammen scheinen, trotz weit geringeren Gebietsumfanges, die Opfer nicht viel geringer 
gewesen zu sein. Über die Bistümer Passau und Regensburg herrscht noch vollständige 
Unklarheit“ (242). Man atmet auf, wenn man die Bemühungen hervorragender Männer, 
den Hexenwahn zu zerstören, liest; denn nur langsam schwindet er. Bedroht doch der 
Codex iuris bavarici criminalis Kreittmayrs vom Jahre 1751 noch immer Hexerei und 
Zauberei, Bündnis oder fleischliche Vermischung mit dem Teufel u. s. w. mit lebendiger 
Verbrennung. Als nötigste Beigabe blieb natürlich die Tortur. Auch ein Mann wie 
Kreittmayr musste „der Anschauung des noch immer übermächtigen Klerus dieses Zu¬ 
geständnis machen“! (275). Aus den Reihen der Münchener Akademie und aus dem Munde 
eines Geistlichen, des Theatiners P. Don Ferdinand Sterzinger'), kam am 13. Oktober 1766 
die feuerigste Verdammung des Hexenglaubens. Die Vernunft obsiegte trotz der Angriffe 
des Augustiners P. Agnellus Merz und des Benediktiners P. Angelus März u. v. a. An 
den Gelüsten, Mitmenschen der Hexerei zu verklagen, zu überführen und zu verbrennen, 
hat es freilich auch später unter Karl Theodor nicht gefehlt. Aber die Aufklärung hatte 
sich zu mächtig Bahn gebrochen, dank den gebildetsten und opferfähigsten Geistern der 
damaligen Zeit, dank den Gesellschaften, die nach Volksbildung strebten, dank der Akademie, 
deren Aufgabe nach den Worten ihres Sekretärs 1 Denkschriften 1811, 1812) zunächst war: „Ver¬ 
breitung von Einsichten in die Gesetze der Natur, Zerstörung des Aberglaubens“ anzustreben. 

Es fällt dem Berichterstatter thatsächlich schwer, sich von Riezlers hoch¬ 
interessantem Buche zu trennen, da man seine Gesamtergebnisse gerne in die weitesten 
Kreise verbreiten möchte. Es füllt dieses Werk nicht nur eine Lücke in der Kultur¬ 
geschichte unseres Stammes aufs trefflichste aus; es liefert nicht bloss reiches Quellen¬ 
material, wie es von dem erprobten Scliilderer der heimatlichen Geschichte erwartel 
werden konnte; es erschöpft nicht nur das gegebene Thema vollständig — es enthält 
vielmehr auch eine reiche Zahl von überaus schätzenswerten Mitteilungen zur Literatur (z. B. 
Hamlet 104. Faustsage 105. 160), zur Ortsgeschichte (Abensberg 99, Werdenfels 175, Rain, 
Kötzting, Kelheim 197. 198, Tettenwang 199. Wem ding 219. Eichstätt 221 und so allent¬ 
halben), zu Forschungen über Mythologie (9), Sprache (15), Volkssagen (156) und Volks- 
gebräuchen (109) Bayerns. Man möchte es trotz seiner gelehrten Grundlage ein Volksbuch 
im edelsten Sinne des Wortes nennen, dessen Verbreitung in weite Schichten nur die besten 
Früchte tragen könnte. Das rühmliche Bestreben, ein Lehrer seines Volkes zu sein, 
verrät die Wahl des Gegenstandes nicht minder als der warme Ton des Aufklärers, der 
das ganze Werk durchglüht. Es ist in der That mehr als eine Schilderung von Irrtümem 
vergangener Zeiten; es ragt auch in die Gegenwart herein. „Eine Welt scheint uns be¬ 
reits von diesen Greueln zu trennen“, sagt Riezler in der Einleitung (1); es „scheint“ 
wohl nur; denn die Kirche lehrt „noch heute stets die Möglichkeit der Zauberei“ (9); 
„die Möglichkeit der als Hexerei zusammengefassten Vorkommnisse kann nicht geleugnet 
werden* 4 , lesen wnr (S. 56) noch heute in Wetzer und Weltes Kirchenlexikon; noch Papst 
Pius IX. hat „ein Edikt erlassen, welches jeden, der Zauberei getrieben und mit dem 
Satan sich eingelassen habe, der von ihm wiederaufgerichteten Inquisition anzuzeigen 
befahl“ (ebenda), und „in dem bayerischen Städtchen Wemding hat noch 1892 ein Kapu¬ 
ziner aus einem Knaben Teufel ausgetrieben“. (219). Was liegt näher als bei der Lektüre 
des Riezlerschen Buches den Juristen den schweren Vorwurf zu machen, dass sie den 
Wahnwitz durch gesetzgeberische Kraft heiligten, und den Theologen gegenüber an ihrer 
kirchlichen Milde, ihrem guten Willen und ganz besonders an ihrer Erleuchtung, an ihrer 
so kühn für sich beanspruchten Unfehlbarkeit berechtigte Zweifel zu erheben? Und doch 
steht etwas noch näher — die Frage nämlich 11m die Haltung des Volkes, dessen gesundes 
Urteil man so oft rühmen hört. Wo w r ar das Volk, als Theologen und Juristen seine 
Angehörigen fesselten, marterten, folterten, zum Tode führten? Auch diese Frage finden 
wir bei Riezler (231) beantwortet: „Die immer zahlreicher werdenden Prozesse wirkten in 
der gleichen Richtung wde die Hexenpredigten, die päpstliche Bulle, der Hexenhammer 
und die ganze Hexenliteratur. Jede Verfolgung musste den Wahn weiter verbreiten und 
verstärken, da sie das Volk vor die Wahl stellte, an aller göttlichen und menschlichen 
Autorität, ja an der sittlichen Weltordnung irre zu werden oder dem Glauben zu huldigen, 


*) Die Wiederkehr seines Sterbetages (18. März 1786) nach hundert Jahren hat einen 
Artikel von J. Martin „Hexenglaube und Hexenprozesse in Bayern“ veranlasst (Sammler 
1886. n. 33—37), in dem eine Reihe von Fällen gestreift wird. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


auf dem die Verfolgung beruhte. Die Menge aber strömt immer nach, wohin der Strom 
sie reisst“. Das „gesunde Urteil“ des Volkes gesund zu erhalten, ist darum die Aufgabe 
des Volksfreundes, der damit allein die Wiederkehr von Greueln, wie sie Riezler so er¬ 
greifend schildert, und zu denen es weniger an Lust als an Macht gebricht, unmöglich 
machen kann. Die wahre sittliche Befreiung des Volkes durch Aufklärung und Bildung 
wird den Hexenhammer und die Halsgerichtsordnung überwinden und ihre Rückkehr 
ferne halten. Ist die Aufklärung Gemeingut geworden, dann werden Goethes Worte 
zur segnenden Tliat; dann „stünde die Macht auf gegen die Macht, und wir erfreuten 
uns alle des Friedens“. 

München. Reinhardstoettner. 


Aktenstücke zur Geschichte des Pfalzgrafen Wolfgaug Wilhelm von 
Neuburg. Zugleich ein Beitrag zur pfalz-neuburgisclieu Unionspolitik und 
zur Geschichte des Erstgeburtsrechts in den deutschen Fürstenhäusern. Mit 
einem Bildnis des Pfalzgrafen. Von J. Brei teil b ach. München in Kom¬ 
mission bei A. Buchholz 1896. (S.S. XCVIII., 56). 

Die Publikation Breitenbachs umfasst dreiunddreissig Aktenstücke, unter denen 
sich vierzehn fast durchweg im Auszug mitgeteilte Ratsprotokolle befinden. Der Ver¬ 
fasser hätte darum wohl besser gethan, seinen Fund einer Zeitschrift anzuvertrauen, als 
ihn als selbständiges Buch erscheinen zu lassen. Indessen sind die Urkunden gewiss von 
Wert und verbreiten zumteil neues Licht über das Erstgeburtsrecht in den deutschen 
Fürstenhäusern, zumal in der pfalz-neuburgischen Linie, welche damals in den Vorder¬ 
grund der Politik trat Es war ein Bruderzwist im kleinen, der sich hier abspielte. 
Wolfgang Wilhelm, der erstgeborene, trat zu dem Vater und den beiden jüngeren Brüdern 
in scharfen Gegensatz. Es kam zu kräftigem Austausch der Meinungen über „Primo¬ 
genitur“, wobei der Sohn den Vater entschieden trumpfte. Die interessante Wahrnehmung, 
dass das Erstgeburtsrecht auf katholischer Weltanschauung besser begründet erschien 
und dies Motiv bei der Konfession W. W.s mitgespielt habe, verdient entschiedene Erwägung. 
In der Tliat finden wir ähnliche Gedanken noch im 18. Jahrhundert wiederkehren. Auf 
die Konfession Wolfgang Wilhelms kommt B. in der Einleitung nur im Vorübergehen 
zu sprechen: sie liegt ausserhalb des zeitlichen Rahmens der mitgeteilten Korrespondenz. 
Die Einleitung steht zu der Publikation in keinem rechten Verhältnis. Aber sie ist fleissig 
gearbeitet und zeigt die grosse Literaturkenntnis des Verfassers. Auch bringt sie manche 
archivalische Notiz. Nur ist sie zu weit geraten und mit vielfach überflüssigen Ab¬ 
schweifungen überladen. Auch sein Stil treibt seltsame Blüten: Die vom Zauberhauch 
der Geschichte und Poesie und (im Sinne W. W.s) einer Anzahl üppig blühender Jesuiten¬ 
kollegien durchwehten rebenumkränzten Ufer des Rheins“ — das ist selbst von den Jesuiten 
zu viel verlangt. Im übrigen hat das Buch nach allem als Vorarbeit zu einer Biographie 
des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zu gelten, und diese wäre in der That eine dankens¬ 
werte Aufgabe für den fleissigen Verfasser. -nt. 

Die sogenannten Memoiren de Grandchanips’ und ihre Fortsetzungen 
und die sogenannten Memoiren des Marquis de Sassenage von Dr. Sigmund 
Hell mann. (Historische Abhandlungen. 8. Heft hrsg. von Dr. Th. Heigel 
u. Dr. H. Grauert, Dr. H. Lüneburgs Derlag München 1897. 160 S.) 

Als mit dem Tode Ludwig des Frommen die Weltmonarchie Karls des Grossen 
auseinanderfiel und aus den Trümmern derselben neue Staatsgebilde entstanden, aus 
denen das eine, welches unter dem Namen des ostfränkischen Reiches die Mehrzahl der 
deutschen Landesgebiete umfasste, dazu bestimmt war, eine Reihe von Jahrhunderten eine 
führende Rolle in Europa zu spielen, da schien von vornelierein keiner der deutschen 
Stämme mehr geeignet, für die Dauer die Geschicke unseres Vaterlandes zu leiten, als der 
Stamm der Bajuwaren. Wenn wir jedoch heute die Karte von Süddeutschland betrachten, 
so werden wir gewahr, dass nur ein kleiner Teil unseres engeren Heimatlandes ursprüng¬ 
lich bayerisches Gebiet umfasst. Die Hauptmasse der ehemals bayerischen Länder befindet 
sich vielmehr seit langer Zeit im Besitze von Österreich, und während Preussen aus ur¬ 
sprünglich mehr als kleinen Anfängen sich zu seiner heutigen Machtstellung emporge¬ 
schwungen hat, sind die ehemals mächtigsten deutschen Stämme der Bayern und Sachsen 
zu verhältnismässig unbedeutenden Staatsgebilden herabgesunken. Es wäre jedoch ein 
verhängnisvoller Irrtum, wollte man glauben, dass unsere Vorfahren nie den Ehrgeiz 
gehabt hätten, ihrem Lande die ihm gebührende Stellung im Reiche und in Europa zu 
verschaffen, aber der unerbittliche Gang der historischen Ereignisse machte alle Bestrebungen 


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der bayerischen Fürsten und ihres Volkes zu nichte, des öfteren in dem Momente als das 
heiss ersehnte Ziel bereits erreicht schien. 

Nach unserer Ansicht sind es vor allem drei Perioden, in denen sich die erwähnten 
Bestrebungen kennzeichnen lassen. Die erste beginnt mit dem Untergang der ostfränkischen 
Karolinger. Die Ohnmacht der Krone unter der Regierung Ludwigs des Kindes war nur 
dazu angethan, die partikularistischen Bestrebungen im Reiche zu fördern. Wie allewärts 
erwählten sich auch die Bayern einen Stammesherzog in der Person Arnulfs. Aber zu 
kurzsichtig in seiner Politik, suchte er die Macht seines Volkes ausserhalb des Verbandes 
des Reiches zu begründen, und diesem Umstande ist es vielleicht nicht zum geringen 
Teile zuzuschreiben, dass nach dem Tode Konrads I. die Königskrone an den Sachsen¬ 
stamm fiel. Mit dem Emporkommen der Ottonen wurde jedoch allen ehrgeizigen Be¬ 
strebungen des bayerischen Volkes ein Ende gemacht. Räumlich erreichte zwar Bayern 
gerade unter dem sächsichen Köuigshause seine grösste Macht. Die Grenzen unseres 
Heimatlandes umfassten ausser den ursprünglich bayerischen Ländern das ganze Deutsch¬ 
österreich mit seinen Alpenländem, ja sogar bis an das adriatische Meer und bis nach 
Oberitalien erstreckte sich die Machtsphäre des bayerischen Herzogs. Aber abgesehen 
davon, dass dieser nur ein Beamter des deutschen Königs war, wurde noch unter Otto II. 
das Herzogtum wieder verkleinert, und so beginnt hiemit die Zerstückelung Bayerns, die 
leider Gottes eine Reihe von Jahrhunderten fortdauert. 

Als die Wittelsbacher endlich die Herzogsgewalt in Bayern erlangten, da war es 
nur noch ein Schatten seiner früheren Macht und Grösse. Auch das Bestreben des neuen 
Fürstenhauses ging dahin, seinem Volke zu neuem Ansehen im Reiche zu verhelfen. Aber 
zu sehr Individualisten, war es den oft glänzend beanlagten Fürsten aus dem Hause 
Wittelsbach nicht gegeben, gleich den Hohenzollern, eine Politik zu verfolgen, die sich 
vom Vater auf den Sohn vererbte, deren Kontinuität es allein ermöglichte, dass auch unter 
der Regierung weniger beanlagter Herrscher die Macht der von ihnen regierten Länder 
sich ständig hob. 

Gerade der Mangel einer Kontinuität in der Politik unseres Fürstenhauses musste 
dazu führen, dass auch ein zweites Mal das bayerische Volk und mit ihm die Wittels¬ 
bacher ihre Hoffnungen scheitern sahen, gerade in dem Augenblicke, als diese sich auf 
das schönste zu verwirklichen schienen; es ist dies die Aera Ludwigs des Bayern und 
seiner nächsten Nachfolger. 

Abermals vergeht eine Reihe von Jahrhunderten, ehe Bayern wieder versucht in 
den Vordergrund der deutschen Geschichte zu treten. Es ist die Zeit kurz vor Ausbruch 
des dreissigjährigen Krieges. Maximilian, Bayerns grosser Kurfürst, hatte die Herrschaft 
übernommen. Mit eiserner Energie und unglaublicher Zähigkeit arbeitete er an der Grösse 
seines Hauses, nur glaubte er sich infolge seiner streng katholischen Gesinnung genötigt, 
sein Heil bei Österreich zu suchen. Während die Hohenzollern durch ihren Übertritt 
zum Protestantismus sich dem Reiche gegenüber freie Hand behielten, während sie im 
Laufe der Zeit mit unerhörter Rücksichtslosigkeit gegen Österreich vorgehen konnten, 
blieben Bayerns bedeutendstem Herrscher die Hände gebunden, da er als katholischer 
Fürst dem Kaiser gegenüber nie die letzten Konsequenzen seines Handelns zu ziehen 
wagte. Die zaghafte Politik Maximilians, Österreich gegenüber, ist in gewissem Sinne 
für die spätere Machtstellung Bayerns verhängnisvoll geworden. Zu spät sahen die 
Wittelsbacher ein, dass sie die Grösse ihres Hauses sowie die ihres Landes nicht im An¬ 
schlüsse an die Habsburger finden würden, die doch seit geraumer Zeit in schmachvoller 
Selbstsucht das Reich vernachlässigt hatten. Im Bewusstsein ihrer Schwäche warfen sich 
nun die bayerischen Herzoge in die Arme des übermächtigen Frankreichs. Eine unselige 
Politik, die über unser Vaterland nur schweres Unglück brachte. Aber länger als je 
dauerte dieses Mal das Ringen Bayerns um eine Vormachtstellung im Süden des Reiches, 
wie sie sich im Norden Deutschlands bereits Brandenburg erkämpft hatte. Der Friede 
von F'üssen bedeutete für Bayern nach einem Kampfe von mehr als 135 Jahren das Ende 
aller grossbayerischen Bestrebungen. Die Rolle, die Bayern in der napoleonischen Zeit 
spielt, kann nicht in diesem Sinne angesehen werden, sie ist mehr eine von Frankreich 
aufgedrungene. 

Unter der reichen Zahl von Quellen, die uns über die Begebenheiten jener Periode 
unterrichten, nimmt die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts neu aufkommende Memoiren- 
litteratur eine bedeutende Stellung ein. Der Wert dieser Quellengattung für die Geschichts¬ 
forschung ist vielfach überschätzt worden, und es ist deshalb mit Freuden zu begrüssen, 
dass ein junger Gelehrter sich neuerdings an die Aufgabe gemacht hat, an einem Beispiele 
praktisch nachzuweisen, welche Vorsicht der Historiker bei der Benutzung dieser Quellen 
anzuwenden hat. „Die sogenannten Memoiren de Grandchamps’ und ihre Fortsetzungen 
und die sog. Memoiren de Sassenages“, so betitelt sich die Scliriy, die wir einer ausführ¬ 
licheren Besprechung unterziehen wollen. 

Das erste Kapitel befasst sich mit den sogenannten Memoiren de Grandchamps’, 
der Guerre d’Italie, oder wie der volle Titel lautet ,,La guerre dTtalie, ou memoires du 
Comte D***, contenant quantite de choses particulieres et secr&tes, qui se sont pass£es 


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Anzeigen und Besprechungen. 


dans les cours d’Allemagne, de France, d’Espagne, de Savoye et d’Italie.“ Der angebliche 
Verfasser, ein Graf D., diente seinem Vaterlande Frankreich, trat später in die Dienste 
Viktors Amadeus II. von Savoyen, kehrte kurz vor Ausbruch des dritten Raubkrieges nach 
Frankreich zurück, entfloh jedoch wegen eines Duells mit seinem Obersten und wandte 
sich abermals nach Turin, kehrte, nachdem der Herzog seinen Frieden mit Ludwig XIV. 
gemacht, in seine Heimat zurück. Nach Ausbruch des spanischen Erbfolgekrieges wandte 
er sich abermals nach Savoyen und wurde Adjutant des Herzogs. 

Diesen Angaben stellt der Verfasser der Monographie das Urteil der verschiedenen 
zeitgenössischen Schriftsteller zur Seite. . Die „Nouvelles de la republique des lettres“ 
warnen vor diesen Memoiren, andere bezeichnen die Guerre d’Italie direkt als ein Phantasie¬ 
produkt, desgleichen Bayle, der den Autor mit dem Verfasser der Biographie Turennes 
identifizieren will. Des Marseaux seinerseits behauptet dagegen, der Verfasser sei der ihm 
persönlich bekannte Hauptmann de Grandchamps im Regiment Lillemarais, der 1702 bei 
der Erstürmung von Lüttich gefallen sei. 

Auf die Frage, ob wir es mit wirklichen Memoiren oder mit einem historischen 
Romane zu thun haben, glaubt sich der Verfasser dahin entscheiden zu müssen, dass 
wir es in der That mit der letzteren Gattung zu thun haben. Denn obwohl wir keinerlei 
Nachrichten über die persönlichen Verhältnisse des Autors der Guerre d’Italie haben, lässt 
sich doch leicht nachweisen, dass sie den in den Memoiren geschilderten kaum entsprochen 
haben dürften. Diesen Beweis erbringt denn auch Dr. H., indem er die in den Memoiren 
enthaltenen historischen Thatsachen mit den wirklichen Ereignissen der Geschichte ver¬ 
gleicht. So kommt er zu dem Resultate, dass, wäre Graf D. wirklich der Adjutant des 
Herzogs gewesen, und hätte er als solcher den Feldzug thatsächlich mitgemacht, er doch 
wenigstens einige Detailnachrichten über den Gang des Krieges hätte bringen müssen 
und nicht erst nötig gehabt hätte, bei der Abfassung der Guerre d’Italie gelegentlich der 
Schlacht bei Chiari beinahe wortwörtlich eine andere Quelle (Pariser Relation der Schlacht 
bei Chiari abgedr. in den Lettres historiques XX, 411 ff.) zu benutzen. Desgleichen ver¬ 
mag Dr. H. in einer Reihe von Fällen darzuthun, dass der Autor der Memoiren über die 
politischen Vorgänge jener Jahre sehr schlecht unterrichtet ist. Zum teil sind seine An¬ 
gaben frei erfunden, zum teil sind sie allgemein bekannte Thatsachen. Direkt falsch sind 
z. B. die Behauptungen des Comte D. über die Friedensverhandlungen i. J. 1691, die er 
einfach bereits in das Jahr 1690 verlegt. Auch die Rolle, die er bei diesen Verhandlungen 
gespielt haben will, ist vollständig erfunden. Ferner ist er auch schlecht unterrichtet über 
die geheime Übereinkunft, die 1695 zwischen I'rankreich und Savoyen abgeschlossen 
wurde. Völlig unbrauchbar sind ferner die Mitteilungen über Catinats diplomatische 
Sendung an verschiedene italienische Höfe i. J. 1701. 

Gerade da, wo der Autor am besten beweisen könnte, dass er wirklich mit dem 
savoyischen Hofe in Beziehung gestanden, zeigt er durch seine auffallende Unkenntnis 
der thatsächlichsten Verhältnisse, dass er demselben vollständig ferne gestanden. Zwar 
tischt er eine Menge galanter Abenteuer auf, die er zum grossen Teil selbst bestanden 
haben will, aber diese tragen so sehr den Stempel der Erfindung, dass sie unmöglich 
ernst genommen werden können. Da wo es sich wirklich um historische Persönlichkeiten 
handelt, zeigt sich der angebliche Comte D. so unzuverlässig, dass man schon hieraus 
schliessen kann, dass er nur nach Hörensagen geschrieben und den Verhältnissen per¬ 
sönlich fern gestanden habe. Von der Gräfin Verrua, der Maitresse des Herzogs, weiss 
er zwar eine Menge zweideutiger Anekdoten zu erzählen, dagegen kennt er nicht die 
romantische Vorgeschichte ihres Verhältnisses zum Herzoge, desgleichen ist ihm ihre 
spätere Wirksamkeit als französische Spionin vollständig unbekannt. 

Unrichtig ist ferner die Erzählung über die Heirat des Markgrafen Karl von 
Brandenburg mit der Witwe des Grafen Salmour, während ferner der Bericht über seine 
eigene Gefangennahme und seine Flucht ins kaiserliche Lager in das Bereich der Er¬ 
findungen zu verweisen ist 

Nach alle dem kommt Dr. H. zu dem Schluss, dass wir in den Comte D. keine 
wirkliche Persönlichkeit sehen dürfen, dass vielmehr ein geschickter Schriftsteller die 
Memoiren verfasst hat in der Absicht, kritiklose Leser mit spannenden abenteuerlichen 
Erzählungen zu unterhalten, und um grösseren Glauben zu erwecken, „von Dingen wie 
ein Augenzeuge spricht, obwohl er sein Zimmer nicht verlassen hat". 

Die Annahme Bayles, dass Gatien de Courtilz, Sieur de Sandras, geh. 1644 zu 
Paris, der Autor der Guerre d’Italie sei, weiss der Verfasser der Monographie geschickt zu 
widerlegen. Schon der Umstand spricht gegen die Annahme Bayles, dass Gatien de 
Courtilz in allen seinen Werken sich als Patrioten dokumentiert, während man von dem 
Autor der Guerre d’Italie nicht das Gleiche sagen kann. Aber abgesehen hievon, führt 
Dr. H. noch einen anderen Grund für die Unwahrscheinlichkeit dieser Ansicht ins Treffen. 
Es ist dies die auffallende Verschiedenheit in der Ausdrucksweise sowie dem Stile, der 
zwischen den Werken de Courtilz und den Memoiren besteht Auch die Annahme des 
Marseaux’s, der Hauptmann de Grandchamps sei der Verfasser der Guerre d’Italie, wird 
schon dadurch in Frage gestellt, dass ein Regiment Lillemaires, bei dem de Grandchamps 


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Anzeigen und Besprechungen. 


I I 


gestanden haben soll, nicht zu ermitteln ist, und dass auf keinen Fall ein so benanntes 
Regiment bei dem Angriff auf die Zitadelle von Lüttich, wobei besagter Hauptmann ge¬ 
fallen sein soll, mitgewirkt hat Aus einer dritten Quelle, dem Januarheft der Nouvelles 
de la republique des lettres vom J. 1707, (es handelt sich um eine Besprechung der bis 
Ende 1706 reichenden dritten Ausgabe der Guerre d’Italie) geht nur hervor, dass der Ver¬ 
fasser der Guerre d’Italie einige Jahre vor dem Erscheinen dieses Heftes in Utrecht gestorben 
sei, und kann man hieraus nur den Schluss ziehen, dass die späteren Erweiterungen der 
Memoiren von einem anderen Verfasser herrühren müssen, und zwar schloss nach Dr. H. 
der erste Verfasser im Winter 1701 auf 1702 sein Werk ab. Der weitere Abschnitt der 
ersten und zweiten Ausgabe seines Werkes, das den Anfang des Feldzuges von 1702 be¬ 
handelt, rührt bereits von einem Fortsetzer her. Auch diese Behauptung w'ird in der 
Monographie zu genüge durch eine sprachliche Vergleichung bewiesen. 

In dem zweiten Kapitel will der Verfasser darthun, dass der Fortsetzer der Guerre 
d’Italie mit dem Autor der Guerre d’Espagne, de Bavi£re et de Flandre identisch sei. 
Als Grund für die innere Wahrscheinlichkeit seiner Ansicht, führt er vor allem die Frank¬ 
reich feindliche Tendenz an, die der Guerre d’Espagne sowie der Guerre d’Italie eigen ist. 
Die Schuld an dem spanischen Erbfolgekrieg wird lediglich der Ländergier und treulosen 
Politik Ludwigs XIV. zugeschrieben, als dessen geheimer Verbündeter Schweden erscheint. 
In beiden Werken werden dem Prinzen Eugen besonders glänzende militärische Eigen¬ 
schaften zuerkannt, während für alles Unglück der kaiserlichen Waffen in Italien lediglich 
die Unterbefehlshaber verantwortlich gemacht werden. In der Guerre d’Espagne wie in 
der Guerre d’Italie wird der Entsatz von Turin als eine der glänzendsten Waffentliaten 
des Prinzen Eugen gepriesen. 

Das Hauptgewicht zur Bekräftigung seiner Ansicht legt der Verfasser auf eine 
sprachliche Vergleichung der beiden Werke. Dieser Teil der Schrift, der 28 Seiten um¬ 
fasst (27—55 exkl.), ist mit hervorragendem Fleiss und grosser Beobachtungsgabe gemacht. 
Die Resultate dieser wirklich entsagungsreichen Arbeit sind aber auch so überzeugend, 
dass sich dieser Aufwand von Mühe und Zeit wohl lohnte. 

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Persönlichkeit des Verfassers. Da 
auch die Guerre d’Italie in ihrer Fortsetzung an der Fiktion des Grafen D. festhält, so ist 
zu untersuchen, ob der Marquis D. wirklich der Autor der Guerre d’Espagne ist, oder ob 
auch dieses Werk als Phantasieprodukt anzusehen ist. 

Die erstere Ansicht ist bisher die vorherrschende gewesen, und zwar ist mau ge- 
neigtnachdem Vorgänge von J.J. Schmauss (Antonio Paullini) in seinem „Curieusen Biiclier- 
cabinet“ Curieuses Biichercabiuet II. Eingang XXIII p. 21. (erschienen 1712) den Marquis 
de Sassenage, Schwiegersohn des Marschalls Tallard, als Verfasser der Memoiren anzusehen. 

Gabriel Alphonse Marquis de Sassenage stammte aus einer alten noch jetzt 
blühenden Familie der Dauphin^, heiratete am 18. und 19. Mai 1704 Katharina Fernande 
d’Hostum, Tochter des Marschalls Tallard, folgte seinem Schwiegervater als Adjutant nach 
Bayern, geriet bei Höchstädt in Gefangenschaft und starb dort 1706. 

Aus dem Umstande nun, dass auch die Memoiren berichten, der Marquis D. sei 
Adjutant des Marschalls Tallard gewesen und bei Höchstädt gefangen genommen worden, 
und dass auch thatsächlicli der Adjutant des Marschalls, der Marquis de Sassenage, sich 
unter der Zahl der gefangenen französischen Offiziere befand, scliliesst Schmauss, dass 
besagter Marquis und der Verfasser der Guerre d’Espagne ein und dieselbe Person seien. 
Die Folge dieser Ansicht ist, dass er in der Meinung, eine Quelle ersten Ranges vor sich 
zu haben, die Guerre d’Espagne in völlig kritikloser Weise benutzt. Die franzosenfeind¬ 
liche Stimmung des Autors sucht er damit zu erklären, dass der Marquis D. i. e. Marquis 
de Sassenage, wie er erzählt, nach der Schlacht bei Höchstädt beim französischen Hofe 
in Ungnade gefallen sei. Die Ursache hiefitr ist nach dem Berichte der Memoiren folgende. 
Der Marschall Marsin habe dem Marquis D. den Befehl gegeben, einer grösseren bei 
Blindheim stationierten Truppenabteilung die Ordre zum schleunigen Rückzuge zu geben. 
Der Marquis geriet jedoch in die Gefangenschaft der Engländer, und obwohl ein zweiter 
Adjutant des Marschalls glücklicher war, konnte doch die Gefangennehmung jener Heeres¬ 
abteilung nicht mehr verhindert werden. 

Wie nun der Verfasser der Monographie nachweist, hat Marsin von der gefähr¬ 
lichen Lage, sowie dem Schicksale jener Truppen erst nach der Schlacht Kenntnis be¬ 
kommen. Dagegen hat der Marschall Tallard einen Adjutanten nach Blindheim entsandt, 
aber nicht den Marquis de Sassenage, sondern den Herrn von Maisonel. 

Einen weiteren Beweis gegen die Autorschaft de Sassenages bringt Dr. H. in 
Folgendem. Der Marquis I). berichtet, er sei nach seinem Paten, dem Herzog von Luxem¬ 
burg, Franz Heinrich benannt worden. Nun aber heisst de Sassenage in Wirklichkeit 
Gabriel Alphonse. Auch findet sich in der Guerre d’Espagne keine Andeutung von einer 
Verwandtschaft zwischen dem Autor und Tallard. Mit Recht sagt Dr. H., dass der Ein¬ 
wand, der Marquis habe seinen Vornamen verändert und seine Familienverhältnisse ver¬ 
schweigen wollen, nicht stichhaltig sei, da man den bei Höchstädt gefangenen Adjutanten 
des Marschalls Tallard am französischen Hofe sofort als den Autor erkennen musste. 


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12 


Anzeigen und Besprechungen. 


Wenn ferner noch Christian (?) Nikolaus Neuuiann in einer 173° zu Leipzig er¬ 
schienenen Biographie des Kurfürsten Max Etnanuel von einer Sendung des Marquis de 
S. an den kurfürstlichen Hof spricht, eine Angabe, die sich mit dem Berichte des Autors 
der Guerre d’Espagne deckt und den Anschein erweckt, als ob noch eine Quelle existiere, 
die deutlich den Marquis de S. mit Namen nennt, so weiss der Verfasser der Monographie 
auch diesen Einwand zu beseitigen, indem er darauf hinweist, dass Neumaun sich höchst 
wahrscheinlich des Curieusen Biichercabinets von Schmauss als Quelle bedient habe. 

Noch eine Reihe von Gründen führt Dr. H. an, die dafür sprechen, dass auch 
die Guerre d ? Espagne wie die Guerre d’Italie nur ein Erzeugnis der Phantasie des Autors 
sei. Verdachterweckend ist schon der Umstand, dass der Verfasser der Guerre d’Espagne 
die Guerre d’Italie fortgesetzt hat. In beiden Werken findet sich die gleiche Tendenz, 
die gleiche Neigung zum Abenteuerlichen, Sensationellen, Obszönen, während beide sich 
gegenseitig ergänzen. Dazu kommt noch , dass der Autor seinen Helden die Erlebnisse 
aller möglichen Personen unterschiebt. Uugenauigkeiten sind an der Tagesordnung, seine 
Dokumente nimmt er teilweise aus Zeitungen, teils sind dieselben gefälscht, teils wort¬ 
wörtlich aus den Lettres liistoriques entnommen. 

Gegen die Existenz des Marquis in der Guerre d’Espagne spricht vor allem der 
Umstand, dass wohl kaum ein junger Mann, der eben erst in die Armee eingetreten und 
in der Diplomatie noch nicht thätig war, trotzdem zu wichtigen diplomatischen Sendungen 
benutzt wird. Teilweise haben sogar die Verhandlungen, von denen der Autor spricht, 
und bei denen er selbst teilgenommen haben will, gar nicht stattgefunden. Geschickter 
ersonnen ist indessen der Bericht über Verhandlungen, welche der Marquis 1693 und 1695 
mit Max Emanuel geführt haben soll. Wenngleich Ludwig XIV. mit dem Kurfürsten 
durch die Diplomaten de la Hace und Rebenac unterhandelte, so könnte man doch an¬ 
nehmen, dass der König ausnahmsweise durch einen Spezialgesandten mit Max Emanuel 
verkehrte, dann ist es aber doch bedenklich, dass der Marquis 1695 seine Instruktionen 
durch Cham Ulart erhalten haben will, der zu jener Zeit weder Kriegsminister noch General- 
kontroleur, sondern Intendant von Rouen war. 

Wenn es auch klar ist, dass die Guerre d’Espagne ein Phantasiewerk ist, so frägt 
es sich nun, wem die Fälschung zuzuschreiben ist. Über die Person des Autors vermag 
der Verfasser der Monographie uns keine Auskunft zu geben. Man hat auch den bereits 
genannten Sandras de Courtilz für den Autor der Memoiren gehalten. Aber abgesehen 
davon, dass der Genannte zur Zeit des Erscheinens derselben in der Bastille sass, kann 
auch aus sprachlichen und stilistischen Gründen diese Angabe nicht festgehalten werden. 
Durch eine sprachliche Vergleichung der Biographie Turennes mit der Guerre d’Espagne 
wird dies zur genüge nachgewiesen. Nach Hellmanns Ansicht dürfte der Verfasser am 
ehesten in Holland zu suchen sein. 

Das vierte Kapitel der Monographie giebt uns Aufschluss über die Art der Ab¬ 
fassung, die Quellen, sowie die Ausgaben der Memoiren. Der Verfasser will den Beweis 
bringen, dass es die Absicht des Autors der letzteren war, zwei zusammenhängende sich 
ergänzende Werke zu liefern. 

Wie bringt Dr. H. diesen Beweis? Durch eine Vergleichung der Guerre d’Italie 
und der Guerre d’Espagne stellt er fest, dass beide sich ziemlich streng an ihre Aufgabe 
halten, dass z. B. die Memoiren des italienischen Krieges der spanischen Verhältnisse nur 
da Erwähnung thun, wo die letzteren in irgend einer Weise mit den italienischen Ange¬ 
legenheiten verflochten sind, umgekehrt ist es mit der Guerre d’Espagne der Fall. Dass 
die letztere überdies noch einen ausführlichen Bericht über die diplomatische Thätigkeit 
des Marquis I). an den italienischen Höfen in den Jahren 1687—1689 giebt, spricht durch¬ 
aus nicht gegen die Zusammengehörigkeit der beiden Memoirenwerke, sondern ist eher ein 
Beweis des Gegenteils. I11 der Guerre d’Italie finden sich nämlich diese Verhandlungen 
nicht erwähnt, denn diese giebt zuerst einen kurzen Lebenslauf des Comte D., wobei sich 
für die italienischen Verhandlungen kein Platz mehr findet. 

Erst im Jahre 1708 tritt in der Anordnung der beiden Werke eine Änderung ein. 
Der Autor sah sich ausser stände, die Guerre d’Espagne fortzusetzen, und in der Meinung, 
dass sich die Guerre d’Italie einer grösseren Beliebtheit erfreue, als die erstere, bestrebte 
er sich, die Memoiren des italienischen Krieges möglichst vollständig und unabhängig 
von der Guerre d’Espagne zu gestalten, welche erstere er im Jahre 1710 mit bedeutenden 
Zusätzen wieder herausgab. Dieser Absicht des Autors entspricht es denn auch, dass, als 
Prinz Eugen 1708 nach Deutschland kam und bald darauf nach den Niederlanden ab¬ 
rückte, der Comte D. als sein Adjutant ihm nachfolgte, während der Marquis D., der sich 
in der Umgebung Max Emanuels befand, nach einem letzten fruchtlosen Vorstosse des 
letzteren an den Oberrhein, sich nun ausserhalb des Zusammenhanges mit den militärischen 
Angelegenheiten befand. Ausser anderen gedruckten Quellen hat der Autor beider Memoiren¬ 
werke vor allem die „Lettres historiques contenant ce qui se passe de plus important en 
Europe et les reflexions necessaires sur ce sujet“ benutzt. Verfasser dieser Briefe ist der 
Refugie Jacques Bernard, dem dabei Basnage und Dumont zur Seite standen. Diese 
,,Lettres“ erschienen seit Januar 1692 bei dem Verleger Adrian Mautjens im Haag. Von 


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Anzeigen und Besprechungen. 


13 


den sonstigen Angaben, die der Autor der Memoiren macht, röhren nur wenige ausser 
den Anekdoten von ihm selber her. Inwieweit er übrigens die Lettres historiques benutzt 
hat, davon unterrichtet uns eine interessante Vergleichung einer Reihe von Stellen aus 
den Memoiren und der eben erwähnten Quelle. 

Es folgen nun zum Schluss einige Mitteilungen über die Ausgaben. Wir ent¬ 
nehmen daraus, dass die Guerre d’Italie 1702 in einem Duodezband erschien, 1703 unver¬ 
ändert neu aufgelegt wurde. Ende 1706 erschien die Fortsetzung der Memoiren des 
italienischen Krieges und gleichzeitig auch die Guerre d’Espagne. Im Jahre 1707 kam 
eine neue Ausgabe der letzteren in 2 Bänden, bis zum Ende des Feldzuges von 1707 
reichend, heraus, 1710 erfolgte endlich eine bis Ende 1709 gehende Fortsetzung der Guerre 
d’Italie, während zu gleicher Zeit die Memoiren des spanischen Krieges in unveränderter 
Gestalt abgedruckt wurden. 

In dem 5. Kapitel, das eine Kritik der Memoiren enthält, kommt der Verfasser 
zur Ansicht, dass dieselben als historische Quellen im eigentlichen Sinne nicht zu ge¬ 
brauchen sind, ein Schluss, welchem alle, die der Beweisführung der früheren Kapitel ge¬ 
folgt sind, voll und ganz beistimmen werden. Aber interessant sind die Fortsetzungen 
der Guerre d’Italie und die Guerre d’Espagne doch als erste Versuche, die Geschichte des 
spanischen Erbfolgekrieges in antifranzösischer Weise darzustellen und zwar in Memoiren¬ 
form als historische Tendenzromane. 

Das zeigt sich auch in der ganzen Art und Weise, wie die einzelnen Personen 
von dem Autor charakterisiert sind. Dr. H. nimmt sich die Mühe, das Urteil des Schreibers 
der Memoiren in den einzelnen Fällen wiederzugeben und eventuell richtig zu stellen. 
Dem König Ludwig XIV. ist der Autor zwar feindlich gesinnt, den er als feig und arg¬ 
wöhnisch bezeichnet, dem er aber doch seine Bewunderung nicht versagen kann. Fast 
alle bedeutenden Männer in der Umgebung des Königs werden streng beurteilt auch 
fehlt es nicht an Ungenauigkeiten. Sehr schlecht kommen Tallard und Villars weg. Von 
dem Marschall Boufflers heisst es: „Dieser Marschall ist rauh und streng im Dienst und 
noch weniger gefällig gegen das schöne Geschlecht, auch hat er nie eine andere Herr¬ 
schaft anerkannt, als die seiner Frau.“ Die Lieblinge des Autors sind der Herzog von 
Luxemburg als der Pate des Helden der Memoiren des spanischen Krieges und der 
Marschall Vendöme. Die Charakteristik des allmächtigen Ministers Louvois ist zwar nicht 
in allen Punkten zutreffend, dennoch giebt sie ein gutes Bild von diesem Manne. Was 
die Darstellung der historischen Thatsachen anlangt, so geht aus der Kritik hervor, dass 
sich der Verfasser, wie bereits früher erwähnt, nicht immer an der Wahrheit hält, dass 
er manches nicht berichtet, immerhin kommt es auch vor, dass er über einige Ereignisse 
ausführlichere Nachrichten bringt, so über die Schlacht bei Steenkerken. 

Sollen wir ein lrteil über den Gesamteindruck der Monographie geben, so 
können wir wohl sagen, dass die Art und Weise, mit der sich der noch jugendliche Ver¬ 
fasser seiner Aufgabe entledigt hat, alle Anerkennung verdient. Der teilweise sehr spröde 
Stoff ist mit grosser Gewandtheit behandelt und dem Leser mundgerecht gemacht. 

Ungeteiltes Lob verdient ferner die Selbstverleugnung und der kritische Sinn des 
Verfassers, der sich der mühevollen Arbeit unterzogen hat, durch Vergleichung der sprach¬ 
lichen Ausdrücke und durch Zusammenstellung derselben Quellen der Memoiren und die 
Herkunft der letzteren festzustellen, ohne dabei, was sehr nahe lag, in seinen Folgerungen 
sich zu weit gehen zu lassen. 

München. A. von H i r s c h - G e r e 111 h. 

Beiträge zur bayerischen Kirchen geschichte, heraus- 
gegeben von D. Theodor Kol de. Dritter Band 1 -4 Heft; Oktober 
1896 bis April 1897. Erlangen (Verlag von Fr. Junge. 196 S.) 

Wer die ersten beiden Bände dieser Zeitschrift und, was vom dritten Bande vor¬ 
liegt, überschaut, muss sich des schönen und überaus fruchtbringenden Unternehmens, 
das Kolde geschaffen, aufrichtig freuen und ihm den besten Fortgang wünschen. Wenn 
es auch zunächst Beiträge zur Kirchengeschichte Bayerns sind, was der Herausgeber hier 
sammelt, so gehen doch die meisten der Aufsätze weit über das rein theologische Gebiet 
hinaus, sind vielmehr von allgemein kulturhistorischer Bedeutung. Es sei in dieser Be¬ 
ziehung z. B. nur auf die Abhandlungen zur Memminger Reformationsgeschichte, den 
Bauernkrieg in Bamberg, Religions- und Gewissensfreiheit im simultanischen Herzogtum 
Sulzbach, den Marktbreiter Kalenderstreit, die Artikel über Kaspar Lästerer, Johann Ecks 
Denkschriften zur deutschen Kirchenreformation, zur Geschichte des Wiedertäufers Georg 
Wagner und vieles Andere aus den ersten Bänden verwiesen, was auf die Orts- und 
Landesgeschichte Bayerns bezug nimmt. 

Der dritte Band steht den beiden Vorgängern in nichts nach. Eine längere 
Abhandlung über den Reformator Bambergs, Johannes Schwanhausen, von Otto Erhard 
leitet ihn ein. Wir erblicken in ihm den mutigen Prediger und Kustos von St. Gangolf, 


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Anzeigen und Besprechungen. 


H 


wie er trotz seiner bedrohten Existenz rückhaltlos für die evangelische Sache Partei 
ergreift und in seinen Predigten immer mehr und mehr seiner Überzeugung Ausdruck 
verleiht, was ihm den endlich (1524) seine Entsetzung von seinem Amte und Verweisung 
aus der Stadt eiutrug. Erst vierzig Jahre alt starb Schwanhausen (1528) als ein Kämpfer, 
dem „ein Platz unter den Männern gebührt, die wir mit dankbarer Erinnerung als Väter 
unserer evangelischen Kirche in Bayern ehren“ (74}. — „Einiges von den Nürnberger 
Kirchenbüchern aus dem XVI. Jahrhundert“ berichtet (151) Chr. Jordan. Die Mitteilungen 
sind ein schätzbarer Beitrag zur Frage, zu welcher Zeit die Kirchenbücher in Deutschland 
entstanden. Jordans Exzerpte beginnen mit dem Jahre 1517. Es liefern uns die Nürn¬ 
berger Kirchbücher „ein fast ein Jahrhundert umfassendes, fast lückenloses Material für 
einen genau begrenzten Bezirk“ (159). — „Drei Briefe aus der Reformationszeit“ ver¬ 
öffentlichte (72) Th. Kolde; der eine stammt von Christoph Scheurl von 1521, der zweite 
von Theobald Billican von 1524; der dritte von Andreas Dober von 1546. Die an sich 
interessanten Schreiben gewinnen durch die gründliche Forschung über die Persönlichkeit 
der Verfasser und die Veranlassung, die sie hervorrief, erhöhte Bedeutung. Nicht minder 
wertvoll erscheinen Koldes Beiträge zur „Reformationsgeschichte von Rothenburg o. d. T., 
jenem kurzen Aufblühen der Reformation in dem schwäbischen Städtchen, der Kasimir 
von Brandenburg ein blutiges Ende machte (171), sodass schon 1525 der römische Kultus 
dort wieder eingeführt wurde. — Als von einer der „merkwürdigsten Thatsaclien der 
Würzburger Reformationsgeschichte“ berichtet (49) Kolde von dem dortigen Weihbischof 
M. Joh. Pettendorfer, der sich um 1524 „zum Evangelium wandte“. Je weniger über den 
Mann bekannt ist, um so willkommener erscheinen Koldes gesammelte Notizen. — Von 
Hans Ehinger aus Memmingen handelt (128) eine Mitteilung von Pfarrer Braun in 
München. Es ist eine Rechtfertigung des Memminger Ratsherrn aus dem Jahre 1539 
an den Bürgermeister, die sich zu einer förmlichen „Darlegung seines Wirkens im Dienste 
der Reformation“ gestaltet. — „Kaspar Löners Briefbuch“, dessen Veröffentlichung Ludwig 
Enders in den ersten Bänden (I, 215—226, 269—274; II, 34—42, 89—93, 132—136, 
261—264, 301—308) begonnen hat, wird im dritten Bande (85, 135) fortgesetzt und abge¬ 
schlossen und umfasst hier überaus inhaltsreiche Briefe an Löner aus dem Jahre 1545, 
wenige von 1546 und 1547 — Julius Ney erörtert (103) den sogenannten „Aufruhr des 
Pfarrers Georg Infantius in Speier“, der 1577 aus dieser Stadt weichen musste.. Des Ver¬ 
fassers sorgfältige Arbeit kommt (120) zu dem Schlüsse, dass Infantius zwar „ein sehr 
eifriger Vertreter des Calvinismus und in seiner Polemik derb und rücksichtlos“ war. 
„Dass aber der Vorwurf, Infantius habe einen Aufruhr gegen die Stadt Speier geplant, 
gänzlich unbegründet war, erhellt aus der gegebenen aktenmässigen Darstellung“. — „Aus 
der Zeit der Unterdrückung der evangelischen Religion im Herzogtum Sulzbach“ berichtet 
(122) Th. Lauter. * Er giebt recht brauchbare Aufzeichnungen aus den Kirchenbüchern von 
1627—1649, welche auf manche Vorgänge ein neues Licht w'erfen. — I11 die neueste Zeit 
versetzen uns die Mitteilungen ,,Aus Briefen von Adolf von Harless an Rudolf Wagner“ 
( 1 853—1863) von Prof. Karl Mirbt in Marburg (24). Wer in jenen Jahren in den wissen¬ 
schaftlichen und litterarischen Kreisen Münchens unter König Max II. gelebt hat, stösst 
auf eine Reihe interessanter, oft auch überraschender Urteile des Präsidenten Harless 
über dieselben. Manche von ihnen — nomina sunt odiosa! — hat die spätere Zeit be¬ 
stätigt, manche auch erschüttert und rektifiziert, jedenfalls aber haben sie lebhaftes 
Interesse noch heute zu beanspruchen. Einige dieser Äusserungen, wde die über Böhmes 
Theosophie und ihre Verfechter, zunächst die „unkritische und unhistorische Natur“ 
Hambergers, sind überaus zutreffend. Wenn Harless (1862) die „Zustände in Bayern für 
die alleracceptabeisten“ hielt (46), so entsprach (lies sicher dem allgemeinen Empfinden. 

Neben dieser reichen Zahl trefflicher Aufsätze und wichtiger Mitteilungen begegnen 
wir in Koldes Beiträgen aber auch einer Reihe von gehaltvollen Rezensionen über Werke 
zur bayerischen Geschichte, sow’ie einer wertvollen Bibliographie. Druck und Ausstattung 
der Zeitschrift sind angesichts des so geringen Preises (jährlich sechs Hefte von je drei 
Bogen, ein Jahrgang vier Mark) vortrefflich, sodass man dem so sorgfältig geleiteten 
Unternehmen die weiteste Verbreitung nicht bloss wünschen, sondern bestimmt Voraus¬ 
sagen kann. 

München. Reinhardstöttner. 


Altdeutsche Passions spiele aus Tirol mit Abhandlungen 
über ihre Entwicklung, Composition, Quellen-Aufführungen 
und litterarhis torische Stellung, heraus gegeben von J. E. 
W ackern eil. Graz (K. K. Universitätsbuchdruckerei und Verlagsbuch¬ 
handlung „Styria“) 1897. (CCCXIV und 550 S.) -- (Erster Band der 
Quellen und Forschungen zur Geschichte, Eitteratur und 


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15 


Sprache Österreichs und seiner Kronländer, herausgegeben von 
Joseph Hirn und Joseph Eduard Wackerneil). 

Der stattliche oben angeführte Band, der soeben herausgegeben wurde, behandelt 
zwar zunächst die Geschichte der Tiroler Passionsspiele, doch aber darf dieser prächtigen 
Arbeit, welche der Verfasser selbst als „einen neuen Schritt zum ersehnten Ziel einer 
tirolischen Literaturgeschichte 44 bezeichnet, auch in einer bayerischen Zeitschrift die 
gebührende Aufmerksamkeit gewidmet werden, und dies nicht nur wegen der vielfachen 
Beziehungen, die uns an das Nachbarland fesseln, nicht bloss wegen der literarischen 
und inneren Verwandtschaft dieser Tiroler Passionsspiele mit unseren bayerischen, 
sondern weil uns in dem Werke auch mancher Bayer begegnet und manches aus 
Bayern stammt oder auf Umwegen dahin gelangte. Gleich wenn wir das Buch auf- 
schlagen, begegnen wir einem Landsmanne, „Aim Sündern libhaber der Spill, auch 
wellicher ain Beruembter Nottist und Bassist, auch schuelmaister ist gewesst zu Botzn, 
genannt Maister Benedict Debs von Ingelstat. Und wellicher gestorben ist im 
jar 1515, im Monat Januaij. Und Begraben zu Botzn in der gsellbriester Begrabnus Bey 
der Kirchtir, So gegen widern ist“ (III. IV.). Wohl um das Jahr 1485, wie Wackerneils 
archivalische Forschung erweist, ist Benedikt Debs aus dem musik- und theaterfreudigen 
Bayern als Lehrer der Lateinschule nach Bozen gekommen, um dort die in der Heimat 
gepflegte Liebhaberei vor einem noch dankbareren Publikum weiterzuführen. Er sammelte 
nicht nur eifrig Spiele, welche der Maler Vigil Raber aus Sterzing, sein Zeitgenosse, 
illustrierte, sondern leitete auch solche und übernahm in denselben hervorragende Rollen, 
wie jene des Salvator (Bozen 1495 und 1514), die man nur den besten Schauspielern gab, 
weil man reichliche Auswahl an solchen unter Geistlichen und Laien fand. Durch das 
ganze Werk geschieht dieses B. Debs wiederholt Erwähnung, von dem Wakernell (CXXV) 
eine Ausgabe in Aussicht stellt. 

Haben wir so aus archivalischen Forschungen heraus das umfassende Bild 
eines bayerischen „scolasticus“ im Auslande gewonnen, so interessiert uns an Wackemells 
überaus eingehender Untersuchung über die verschiedenen Passionsspiele und ihre Quellen 
insbesondere der Nachweis, welchen Einfluss der') Tiroler Passion auf jüngere ähnliche 
Spiele ausgeübt hat, zunächst von der alten Oberammergauer Gruppe auf den 
Augsburger Passion. Der Verfasser zeigt (CXXV), dass der Augsburger Passion „unter 
dem Einfluss des Tirolers“ steht. „Schon die Stoffbeschränkung im Anfang stimmt mit dem 
Tiroler Passion überein“ (S. CXV); auch im weiteren (S. CXXXV, CXXXV, CXLII, 
CLI, CLXIV, CLXXIII, CXCIX) wird der Einfluss klar gelegt. 

Als Verfasser des Tiroler Passion ist wohl ein Geistlicher anzuuehmen (CCXCIII). 
„Der Entstehungsort wird zunächst durch die Sprache bestimmt, die durchweg 
bayerische Lautgebung aufweist, auch in den Reimen. Dafür bezeichnend ist 
ferner, wie der Tiroler Passion alte i: i Reime der Quellen, die seinem Dialekte entgegen 
waren, entfernte“. 

Ein Kapitel über die Stellung des Tiroler Passions im Gesamtzusammenhange 
der Passionsspiele Deutschlands verweist wieder auf Bayern, wo wir die Anfänge der 
Passionsspiele in dem einzigen erhaltenen Benediktbeurer Spiele und in ihm „die Art 
dieser ältesten Stufe“ (CCXCVIII) erblicken. „Als Anfangszeit ergiebt sich das dreizehnte 
Jahrhundert . . . als Ausgangsort Oberbayern“. 

Diese wenigen Hinweise mögen genügen, um zu zeigen, wie auch die bayerische 
Kultur- und Litteraturgeschichte dem trefflichen Werke Wackerneils, dem philologisch¬ 
kritische Anmerkungen zu den Texteu und ein ziemlich umfangreiches Glossar noch be¬ 
sonderen Wert verleihen, zu Dank verpflichtet sein darf, und wie vieles eine kritische 
Darstellung bayerischer Passionsspiele aus demselben entnehmen könnte und müsste, 
da es nicht nur inhaltlich einer solchen vorarbeitet, sondern auch durch die vom Ver¬ 
fasser so strenge eingehaltene einzig richtige Methode, die so glücklich durchgeführte 
„enge Verknüpfung philologischer mit archivalisclier Forschung“, jedem ähnlichen Unter¬ 
nehmen als ausgezeichnetes Vorbild dienen wdirde. 

München. Reinhardstöttner. 

Die Feste Marie nberg und ihre Bau denk male von Walther 
von Eoefen, Premierlieutenant im k. bayer. 9. Inf.-Reg. Würzburg. (A. Stüber). 

Wie reich auch Bayern an Monographien von Städten, Klöstern oder einzelner 
Baudenkmäler zu nennen ist. so gebührt doch nicht allzu vielen das Prädikat „gut“. 
Wenige sind mit einer Gründlichkeit und einem Fleisse bearbeitet, wie etwa Graf von 
Walderndorffs „Regensburg“ oder Dr. G. Wägers Arbeiten über Wessobrunn“ und „Stein- 


*) „Der Passion, nicht die Passion (~ Passionsspiel) ist das historisch über¬ 
lieferte Geschlecht“ (XIX, A. 1). 


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Anzeigen und Besprechungen. 


gaden“. Das vorliegende Werkchen beansprucht nun durchaus keinen Vergleich mit den 
soeben erwähnten, streng wissenschaftlichen Werken, aber dennoch bietet es uns auf 
knappem Raume eine Menge des Wissenswerten. Beim Durchblättem des Buches 
und beim Anblick der zahlreichen, zumeist recht guten Abbildungen müssen wir uns 
wundem, dass kein kunstgeschichtliches Werk, selbst nicht Sigharts verdienstvolle Geschichte 
der bildenden Künste in Bayern, bis jetzt des reichen Architekturenschatzes aus dem 16. 
und 17. Jahrhundert, den die Feste in ihren Mauern birgt, Erwähnung thut; nur Lübke 
gedenkt desselben mit flüchtigem Worte. Dem Verfasser gebührt das Lob, diesen Schatz, 
den wir namentlich den Bischöfen verdanken, erschlossen zu haben. Nur kurz sei hier 
an Julius Echter von Mespelbrunn, den Schöpfer des prächtigen Echterthores (1606) und 
des Kirchenportales (1604), an Johann Philipp von Schönbom, den Erbauer des Neuthors 
und an Johann Philipp von Greiffenklau, den Begründer des neuen Zeughauses, erinnert 
In den Bauwerken des Marienbergs spiegelt sich trefflich die schaffensfreudige und 
namentlich die Kunst begünstigende Regierung der Würzburger Bischöfe wieder. Gelang 
es dem Verfasser auch nicht, die Meisternamen zu finden, so giebt er uns dafür genaue 
Bauinschriften und Baunotizeu, die für die Stellung der einzelnen Bauwerke zur all¬ 
gemeinen Entwickelung der Kunst in Bayern von besonderer Wichtigkeit sind. Nur ein 
Bauwerk und wohl das wichtigste auf dem Marienberg, die Marieukapelle, erscheint un¬ 
genügend behandelt. Bei einer Neuauflage des sonst durchaus so verdienstvollen und 
brauchbaren Werkchens. die bei der hübschen Ausstattung und dem niederen Preise 
gewiss bald nötig erscheint, wäre ein kurzer Auszug aus Riehls „Denkmale frühmittel¬ 
alterlicher Baukunst in Bayern“ IKunsthistorische Wanderungen in Bayern» S. 162 in 
Begleitung einiger Detailabbildungeu von Blendarkaden und Consolen einzufügen. Die 
Stellung und Bedeutung der wohl zumeist dem 12. Jahrhundert angehörenden, mit ihrer 
Nischenanlage hochwichtigen Kapelle fordert zu diesem wohlberechtigten Wunsche auf. 
Wenn man von dieser Lücke absieht, kann dem Verfasser die Anerkennung nicht versagt 
werdeji, dass er seiner sich gestellten Aufgabe in lobenswerter Weise gerecht wurde. 
Nach der kunstgeschichtlichen Seite hin verdient das Büchlein wohl auch über Bayerns 
Grenzen hinaus der Berücksichtigung. W. 

Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit. Ein Beitrag zur 
Kunstgeschichte Nürnbergs von Dr. Berthold Dann. Berlin. Wilhelm 
Hertz 1897. 

Wer nur flüchtig das Buch durchblättert wdrd dennoch gleich den Eindruck 
gewinnen, dass eine Fülle von Arbeit in demselben steckt; wer es sich genauer besieht, 
der wird dem Verfasser die dem Fleisse würdige Anerkennung im vollsten Masse gewähren, 
dabei aber gewiss auch sich des Tadels nicht erwehren können, dass eine grosse Anzahl 
von nebensächlichen Notizen teils im Haupttext, teils in den Anmerkungen Aufnahme 
fand, die geeignet sind, wichtigere Punkte weniger scharf hervortreteu und den Überblick 
über das Ganze etwas unklar und verschwommen werden zu lassen. Ich denke hier nicht 
etwa an die ikonographischen Exkursionen, oder etwa an die geschichtlichen Rückblicke 
auf die Entstehung der Sakrameutshäuschen oder Ähnliches, was ja manchem Leser noch 
willkommen erscheinen mag, worüber aber einschlägige Werke uns doch besser Aufschluss 
geben, sondern vielmehr an die Notizen, die uns eine ungenügende und an diesem Orte 
überflüssige Heiligenlegende oder Massvergleiche über die Türme des Ulmer und Kölner 
Domes oder von St. Peter in Rom geben. Es sind solcher Stellen genug vorhanden, die 
sehr wohl hätten wegbleiben können, ohnedass dies der so fleissigen Arbeit irgend 
welchen Eintrag gebracht hätte. Im Gegenteil, sie hätte bei dem ohnehin so reich zusammen¬ 
getragenen Material durch Streichung nicht direkt einschlägiger Bemerkungen gewonnen. 
Die Gestalt Meister Kraffts stünde abgerundeter, vollendeter vor unseren Augen, sie würde 
sich ohne solch kleinliches Beiwerk besser erfassen lassen. Doch wir wollen es dem Ver¬ 
fasser bei der Liebe zu seinem Stoffe, die sich allüberall offenbart, nicht sonderlich 
übelnehmen, dass er in den fraglichen Punkten des Guten etwas zuviel that, ist doch 
seinem Streben nach Gründlichkeit auch das positive so reiche Ergebnis seiner Studien 
zuzuschreiben. 

Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, alle Anschauungen des Verfassers 
auf ihre Richtigkeit zu prüfen; einige uns ins Auge fallende Punkte werden unten 
betrachtet werden. 

Daun giebt zunächst als Einleitung einen Blick auf den Stand der Kunst, speziell 
der Plastik im 14. und 15. Jahrhundert, wobei eine etwas genauere Betrachtung und 
Datierung der Portale an St. Lorenz und namentlich jener von St Sebald wünschenswert 
gewesen wäre. Ein demnächst erscheinendes Werk von Dr. Friedr. Wilh. Hoffmann wird 
eingehend diese Punkte behandeln. Im zweiten Teile behandelt der Verfasser Leben und 
Werke Adam Kraffts. Nach Betrachtungen über Kraffts Anteilnahme am Schmuck der 
Frauenkirche folgt zunächst eine Abhandlung des ersten sicher datierten Werks Kraffts, 


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des Schreyersclien Grabmals von 1492, dann eine solche über das St. Lorenzer Sakraments¬ 
häuschen. Eine stilkritische Betrachtung, die bestrebt ist, Klarheit zu schaffen, in wie 
weit die in der Umgegend von Nürnberg und an anderen Orten zu findenden Sakraments- 
Häuschen als Werke kraffts zu betrachten sind, schliesst sich an. Ein weiteres Kapitel 
ist dem Harsdorf ersehen Ölberg, dann den bekannten Kreuzwegstationen gewidmet Ab¬ 
handlungen über verlorene Werke Kraffts oder ihm ohne Belege zugewiesene, über 
Zeichnungen von diesem Meister und über seine Stellung zur Gotik und Renaissance 
beschlossen den zweiten Teil des Buches. Dieser zweite Teil ist entschieden der beste. 
Er zeugt von des Verfassers Gründlichkeit, die bestrebt war, alles nur Mögliche und 
Wichtige in die Betrachtung zu ziehen und das vorhandene Material an einschlägigen 
Kunstwerken wie an urkundlichen und literarischen Nachweisen zu prüfen und zu ver¬ 
werten. Stilkritische Abschnitte werden wohl nicht ganz unangegriffen bleiben. Weniger 
glücklich erscheint uns der dritte Teil „Krafft im Verhältnis zu seinen Zeitgenossen“; er 
ist teilweise etwas stiefmütterlich behandelt, namentlich in „de in Kapitel „Riemenschneider“. 
Bei dem heutigen Stande der Forschung über diesen Meister — die Werke von Streit 
und Weber sind sehr vorsichtig zu gebrauchen — ist es gewagt, mit so kurzen Worten 
ein noch sehr der Klärung bedürftiges Thema abzuhaudeln. Mit Interesse liest sich das 
verschiedene über Jacopo de Barbari Gesagte. Fassen wir unsere Betrachtung zusammen, 
so können wir nicht umhin die Arbeit als eine — trotz der obengenannten Schwächen — 
sehr empfehlenswerte zu nennen, die eine bedeutende Lücke in der Geschichte der 
deutschen Plastik ausfüllt 

Einige Bemerkungen mögen hier noch Platz finden. Einer besonderen Begründung, 
weshalb die Madonna aus dem Kloster Gnadenberg (German. Museum) Nürnberger 
Charakter an sich trägt, hätte es nicht bedürft, da ja das alte Brigittinenkloster nicht 
allzuweit von Nürnberg abliegt und die ganze Gegend bis über Neumarkt hinaus unter 
dem Einflüsse von Nürnberg stand. Die Klosterkirche von Gnadenberg dagegen weist 
auf die Mutterkirche Wadstena in Schweden hin (Dr. Hager in Verh. d. hist Vereins für 
Oberpfalz, Band XLVIID. Der Ausdruck Gnadenberg in der „Pfalz“, den auch Kettberg 
bringt, führt zu falschen Vermutungen. Gnadenberg liegt in der Oberpfalz; bei dem 
Ausdruck „Pfalz“ ist mau geneigt, hier fälschlich an die Rheinpfalz zu denken. Die Ver¬ 
mutung des Verfassers, die Nürnberger Madonna könne von einer Mariä Verkündigung 
herrühren, ist sehr gewagt. Maria ist dargestellt als Mutter durch das Kinntuch, das 
meines Wissens niemals eine „Maria Annuntiata“ — wenigstens nicht auf fränkischen 
oder bayerischen Bildwerken — trägt. Bodes Ansicht darf als eine unzweifelhaft richtige 
angesehen werden; die Figur rührt von einer Kreuzesgruppe her. — Das S. 101 zitierte 
Werk von Wagner: Münchner Plastik um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts 
(München 1895) forderte den Verfasser in bezug auf die Steinskulpturen Kraffts zu einer 
gegenteiligen Meinungsäusserung auf; nicht ganz ohne Recht Das erwähnte Werk ist 
so voller Fehler in bezug auf Legenden, Datierungen und stilkritische Bemerkungen, 
dass es für wissenschaftliche Arbeiten sehr rätlicli ist, möglichst geringen Gebrauch davon 
zu machen. — Warum zieht der Verfasser bei dem Inhoffschen Hochaltar in der Rochus¬ 
kapelle nicht die Monographie über „die Rochuskapelle‘ von Hans Stegmann, München 
1885, in betracht? Der Altar trägt nach Stegmann im Giebel die Jahrzahl 1521, während 
der Verfasser 1522 angiebt. — Bei Besprechung des Sebaldusgrabes von Peter Vischer 
wäre es angezeigt gewesen, auf W. Weizäckers Abhandlung „Zwei Entwürfe zum Nürn¬ 
berger Sebaldusgrab“ (K. preuss. Jahrbücher 1891) einzugehen. W. 

Vom Chiemgau. Historischer Roman aus der Völkerwanderung 
(a. 596 n. Chr.) von Felix Dahn. (IX. Band der „Kleinen Romane aus der 
Völkerwanderung). Leipzig. Breitkopf und Härtel. 1896. 

Die kleinen Romane aus der Völkerwanderung von Felix Dahn sind durch 
ein neues Geschwister, das neunte, „Vom Cliietngau“, bereichert worden. Es wendet sich, 
nachdem seine Vorgänger sich mit den anderen germanisierten Stämmen beschäftigt, den 
Bajuwaren und ihrem Lande zu, dem Dahn in dankbarem Jugendgedeuken die liebevollste 
Gesinnung bewahrt hat Diese Liebe, welche durch s ein warmes Verständnis für die 
oberdeutsche Eigenart noch genährt wird, tritt hier in ihrer ganzen P'ülle hervor. Spuren 
davon finden sich fast in jedem seiner poetischen Werke. In dem „Kampf um Rom“, 
in „Felicitas“, in die „Schlimmen Nonnen“, in „Attika“, in „Weltuntergang“, und in 
Rolannt“ u. s. w. hat er Gestalten und Episoden verraten, die zeigen, wie lieb ihm in 
„Thule“ und im Lande der „Vandalen“, wie er Königsberg und Schlesien zu nennen 
liebte, das „Bayerland“ geblieben ist Im „Chiemgau“ nun scheint er dieser Liebe ein 
Denkmal zu setzen. Ich möchte die Dichtung ein Idyll nennen, das freilich mit Kampf 
und Mord, mit Rechts- und Fehdegang reichlich durchwoben, aber trotzdem ein „Idyll“ 
geblieben ist. Vielleicht hätte Dahn den Wert seines Werkes erhöht, wenn er es gleich 
dem „Rolandin“, dem Besten, was er überhaupt geschaffen, — in der glatten, fliessenden 


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Anzeigen und Besprechungen. 


Reimform geschrieben hätte, die er so glänzend beherrscht, wo nichts den Fluss und die 
Feinheit seines Talentes stört. Sicher hätte es tieferen, nachhaltenden Eindruck geübt: 
es wäre ihm dann als volle Poesie aus der Seele geflossen, umso mehr als es seine Ent¬ 
stehung gehobener, poetischer Stimmung verdankt. Das kündet schon die Einleitung, 
die uns an die Ufer des alten Chieminseo führt und uns dort den Verfasser: „fischend, 
jagend, die Berge erkletternd, forschend, sinnend, dichtend und träumend“ zeigt. Von 
Kindheit an hat ihn der eigenartige Reiz des Sees gefesselt, den er uns denn auch in 
warmer, voller Stimmung vor Augen führt. 

Träumend liegt der Dichter am Ufer und lässt nach reichlichem Fischfang die 
Blicke weit über den See und die Ufer gleiten hinan bis zur Kampenwand. Geschicht¬ 
liche Reminiszenzen ziehen an ihm vorüber; er ist in gehobenster Stimmung. Da spült 
der See, gleichsam auf des „Wunschgotts“ Geheiss, ein altes Hufeisen aus, von alter, geheim¬ 
nisvoller Form, in seiner Phantasie und rings am See wird’s lebendig, er verfällt in der 
Gewitterschwüle in Schlaf und Xraum: bis ihn das Wetter erweckt, ist der Roman im 
Geiste fertig. 

„Da, krach! Der erste Donnerschlag. Aufgeschreckt aus Schlaf und Traum sprang 
ich auf: es galt nur noch auszugestalten, was ich gesonnen und geträumt“. 

Seit der Einwanderung der Bajuwaren in dem Lande, dem sie den Namen gegeben, 
sass das alte Edelgeschlecht der Fagana am See, reich begütert, reich an Ehre und Macht. 
Zumal der gebietende Herr der Sippe tritt uns als ein echter Adaling, treu und tapfer, 
mutig und edel, grossmütig und gerecht in seiner Väter Halle entgegen. Sein Sohn 
„Adalfried“ ist der junge Held und Liebhaber, reich und vornehm, schön und stattlich, 
eine jugendliche Heldengestalt, „in lichter Wappen Schein“, wie Dahn sie seit seinem 
Totila mit grosser Vorliebe zeichnet. Er liebt die Tochter des Freibauern Arno, der in 
Budaium, dem heutigen Seebruck, auf eigener Wunne und Weide haust: Arnstrudis, um¬ 
geben von all dem stillen Reiz auf blühender, jungfräulicher Schönheit, sieht in ihm den 
„Herrlichsteil von allen“, zu dem sie mit kindlichem Vertrauen emporblickt, bis ihr die 
tiefe, ewige Liebe voll ins Bewusstsein tritt Trudens treue Liebe kommt zwar zum Ziel, 
aber nur durch Überwindung schwerer Hindernisse, die sich auch hier von Anfang an in 
den Weg stellen. Wenn auch Vater Arno das Bündnis mit den Fagana gern sähe und 
um dessentwillen die Werbung seines alten Freundes Iso für seinen Sohn, den starken 
und treuen Isanbert, ausschlägt, so setzt der feste Wille von Adalfrieds Vater den Liebenden 
ein gebietendes „Nein“ entgegen. Seine Pläne gehen höher hinaus, er gedenkt den Sohn 
mit einer langobardischen Königstochter zu vermählen. Er beschleunigt seinen Plan, da 
er durch seinen Neffen Argino von Adalfrieds stillem Werben um die Liebe des schönen 
Bauernmädchens erfährt. Dieser hatte ihn belauscht, wie er in früher Morgenstunde eine 
Lieblingstaube Arnstrudens durch wohlgezielten Pfeilschuss aus den Fängen des Habichts 
befreit und ihr überdies eine Nachtigall schenkt. Die Eifersucht trieb ihn, des Vetters 
Geheimnis zu verraten. Wirbt er doch selbst, freilich in ganz anderer Weise, um das 
schöne Mädchen. Durch seine Mutter in Aquitanienheim heisser und wilder geartet, von 
kühnster Tapferkeit, aber auch gewissenlos bis zum äussersten, sieht er den Chiem¬ 
gau, wo ihm die Güter des Vaters nach einem wilden, verschwenderischen Leben gute 
Zuflucht boten, als Verbannung an. Nun hat er sein Auge auf Arnstrudis geworfen, die 
seine heftige Neigung in keiner Weise erwidert So gilt es denn, sie mit Gewalt zu 
gewinnen. Das war freilich in friedlicher Zeit kaum zu wagen, konnte aber um so leichter 
während Kampf und Fehde geschehen. So nützt er denn einen Rechtsstreit mit Harlacho, 
dessen Weizenfeld er durch seine Rappen — er hat nur solche Pferde — hat zerstampfen 
lassen, und es gelingt ihm in der That, auf dem Ding, die Fehde heraufzubeschwören. 
Dieses Ding mit all den kleinen Rechtsgeschäften der Markgenossenschaft führt uns 
Dahn vor, und er giebt, trotz der vielfachen Gerichtsszenen, die er von dem „Tage von 
Rigeta“ an in seinen Romanen geschildert, ein Bild nicht ohne Stimmung, das den kleinen 
Verhältnissen der Markgenossenschaft sowie der Weichheit des oberdeutschen Stammes 
gerecht wird. Die Szene hat eigenen Reiz, trotzdem die Bauern Arno und Iso doch 
allzusehr auf dem Kothurn einliersclireiten und sich an Würde der Haltung und an 
Grossmut fortwährend überbieten. „So viel Edelsinn kann ich nicht vertragen. Er macht 
mich schwach“, sagt Cethegus. Es kommt aber in der That zur Fehde, die aber erst 
nach dem Berchtafest, also nach 21 Tagen ausbrechen darf. So lange waltet der Frieden 
der Göttin, deren Fest auf der Fraueninsel uns in einem farbenprächtigen Bilde vorgeführt 
wird, aber nicht ohne Störung verläuft. Ein fanatischer Mönch, der, einst ein stolzer 
Edler am fränkischen Königshof, aus Eifersucht seinen Bruder erschlagen, ist, von einer 
inneren Stimme getrieben, ausgezogen, den Heiden das Evangelium zu predigen. Er 
tliut dies denn auch auf eine höchst eigentümliche Weise und stets mit negativem Erfolg. 
Es geht ein feiner, schalkhafter Humor durch diese Bekehrungsszenen, wo er Wunder 
thun will, die ihm stets misslingen. Die Natur erklärt sich regelmässig gegen ihn. Er 
fährt mit hinaus zum Fischfang: er beschwört den See, dass alle Mühe der Heiden um¬ 
sonst sei — und nie beissen die Fische besser an. Er will das Weihgefäss der Göttin 
Berchta zertrümmern, im Augenblicke da er in einer der Priesterinnen die Braut erkennt, 


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Anzeigen und Besprechungen. 


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um derentwillen er den eigenen Bruder erschlagen. Das Beil verwundet ihn selbst. Er 
will den Speer gegen das Weihbild Wotans schleudern, ein Blitz schmilzt die Speerspitze. 
So erntet er Spott und Schmach. Die bajuwarische Gutmütigkeit und aufs höchste 
gespannte Toleranz, von der die Gegenwart viel, sehr viel lernen könnte, bewahrt ihn vor 
schlimmem Lose, das ihn indessen im Lager der Avareu ereilt. 

Aber auch Ragino bricht, seinen wilden Trieben gehorsam, den Frieden der Göttin. 
Im Wald, an einsamer Quelle, überfällt er mit seinem Getreuen Nantinus Arnstrudis und 
ihr kleines Schwesterchen. Aber Isanbert, der umsonst gebeten hatte, die Mädchen auf 
ihrer Fahrt begleiten zu dürfen, ist dennoch nahe und befreit die Geliebte, die Ragino 
bereits mit kühnem Griff zu sich auf sein Ross gezogen hatte, fällt aber selbst durch 
einen heimtückischen Stoss des Gegners. Schon scheint der Schurkenstreich gelungen, 
als Adalfried wiederum als Retter in der Not erscheint und Arnstrudis vor der wilden 
Gier des Vetters rettet. Diese neue Unthat Raginos steigert die Spannung im Gau aufs 
höchste. Es folgt das Gericht auf der Dingstätte, wo Iso in wildem Hass alle Versöhnungs¬ 
versuche zurückweist und Adalfried selbst des Mordes beschuldigt, eine Klage, die wenig 
motiviert ist, die aber der junge Fagana durch ,,das Gottesurteil des Balirrechts“ mit 
starkem Mittel widerlegt. Aber nun soll es mit der Fehde blutiger Emst werden. Der 
ganze Gau steht gegen das Geschlecht der Fagana, die sich in ihrem festen Hause auf 
der Kampenwand verschanzen. Schon ist man auf beiden Seiten gerüstet, der Ausbmch 
der Fehde steht bevor — da naht die Katastrophe von anderer Seite, von Osten her: 
durch die Avaren. 

Paulus war mit Secundus, der von christlichen Eltern stammt, die christliche Lehre 
im Herzen bewahrt hat, mit der Lehre selbst aber sich nicht zurechtfindet, doch sich eng 
an den Glaubensgenossen anschloss, weiter nach Osten gefahren und nach vergeblichen 
Bekehrungsversuchen bei den Slovenen auf die Avaren gestossen, die eben mit ihren wil¬ 
den, räuberischen Horden gegen das Land der Bajuwaren heranzogen, alles vernichtend. 
Er stirbt unter furchtbaren Qualen den Tod des Märtyrers, den er als Sühne für seine 
Schuld ersehnt hatte. Sein Begleiter Secundus aber, dem ein gleiches Los bevorstand, 
weiss sich zu befreien und auf einem flinken Avarengaul die Heimat zu erreichen, wo er 
noch rechtzeitig vor den furchtbaren Feinden warnt. 

So finden denn die wilden Horden die Wehrgenossen des Gaus in Seebruck, unter 
Arnos Führung w’ohl gerüstet, und ihre ersten Angriffe enden mit tötlicher Niederlage. 
See und Fluss, die Alz, helfen die Bewohner schützen. So hat denn Dahn Gelegenheit, 
eine seiner vortrefflichen Kampfszenen zu schildern vom ersten misslungenen Anstürme 
der Feinde bis zu ihren Erfolgen, deren sie aber durch das Erscheinen der Adalinge nicht 
froh zu werden vermögen. Aus ihrem festen Verhau auf der Kampenwand w T aren sie auf 
ihren Rossen genaht, das Geschick der gefährdeten Gaugenossen zu wenden. Aber auch 
sie kommen ins Gedränge, vergeblich rettet Arnstmdis dem Geliebten einmal das Leben 
— da erscheint als letzter Retter in der Not Ragino mit seiner Gefolgschaft „auf hundert 
Rappen“ und entscheidet den Kampf zum Heile der Markgenossenschaft. Arnstrudis, nun 
voll gereift und voll bewusst ihrer Liebe, hat Adalfried während des Kampfes das Leben 
gerettet und durch ihr heldenhaftes Betragen das Herz des strengen, aber edlen Vaters 
erweicht. Er selbst giebt nun die Liebenden zusammen, deren Bund als Symbol des 
geheiligten Friedens geschlossen wird. Harlacho fällt. Ragino aber stirbt zur Sühne den 
Heldentod — der Chiemgau ist gerettet. 

Der Reiz des Buches liegt nun nicht in der Handlung selbst, sondern in der 
Breite der gegebenen Situationen, die Dahn vielfach zu schönen, vollkommenen Bildern aus¬ 
gestaltet. Manche sind von grosser Schönheit: so vor allem die Morgenstunde am See, 
wo Adalfried den Edelhirsch belauscht, der zu seinem Weibchen weit über den See 
geschwommen kommt; ferner der Morgen auf der Bleiche, wo Adalfried Anistruden 
begegnet, die Waldfahrt der beiden Mädchen u. s. w. Hier zeigt Dahns Talent sich in 
seiner vollen Kraft. Daneben finden sich freilich auch Schilderungen, die zu grotesk 
sind, um als künstlerisch gelten zu können: so der Götterwagen der Avaren mit dem 
Schädelthron und dem siebenfach gewundenen Drachen, der stets die Leiche eines frisch¬ 
gemordeten Kindes zwischen den Zähnen hält. Es ist eine Eigenheit Dahns, das Fremd¬ 
artige mit so grellen Farben zu zeichnen. Das gilt auch von der Vergangenheit Raginos, 
die doch in allzu drastischen Aventiuren dem Leser vor Augen geführt wird. Um so 
besser ist das Einheimische, das Bajuwarische getroffen. Er hat vom See und seinen 
Leuten viel Schönes gesagt, der Eigenart und den Eigenheiten des Stammes wird er in 
voller Weise gerecht, vor allein ihrer altgerühmten Tapferkeit, denen schon die beiden 
als Motto gewählten Sprüche gelten: 

„Feiere vuriu ie ci wige gemo“ (Annolied) und 
„Chuoner vole new'art niemere“ (Rolandslied). 

Und so kündet er im Sinne der Stielerschen Worte, der ja auch 'den Chiemsee 
besungen hat, 

„Im Saug von alten Zeiten, 

Wie hold die Heimat ist“. 

Hiefür gebührt ihm auch an dieser Stelle warmer Dank! -nt. 


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Verlagsbuchhandlung „Styria“ in Graz. | | Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 


Als dritte Publikation der von den Inns¬ 
brucker Univ.-Professoren Dr. J. Hirn und 
Dr. J. E. W ackern eil durch die Leo- 
Gesellschaft herausgegebenen „Q u e 11 e n 
und Forschungen zur Geschichte, 
Litteratur und Sprache Österreichs“ 
erschien in unserem Verlage: 

Altdeutsche Passionsspiele 

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mit Abhandlungen über ihre Entwick¬ 
lung, Komposition, Quellen, Aufführungen 
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T. E. "XX7~ a,clrer:nell. 

CCCXIV u. 550 Seiten. Gr.-S°. 

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b e u t f $ e ti G e f cb i <b t e im 19. 3abtbttubert geworben teäre. 


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Register 


Adelheid hl. in. 

Adelheid, Kurf. 33, 38, 39, 
46, 165, 169, 172, 173, 
180, 185, 186, 196. 

Agag, König der Amale- 
kiter, in. 

Aito 8, 15. 

Albrecht III. der Fromme 
Herz. v. Bayern 143. 

Albrecht IV. der Weise, 
Herz. v. Bayern 78. 

Albrecht V., Herzog von 
Bayern 78. 

Albrecht VI., Herzog von 
Bayern 260, 261. 

Alexander, Herz. v. Würt¬ 
temberg 212, 215, 216, 
217, 219, 220, 222, 225, 
227, 228, 250, 251. 

Alexander (I.) Pawlowitsch 
224, 236, 247, 251. 

Alexandra Pawlowna 227, 
249. 

Alopäus Dav. Maximow. 
212, 220, 230, 231, 244. 

Andreas Avelinus hl. 110. 

Angeli 75, 76. 

Anna, Pfalzgr. 257, 264. 

Ausegis 9, 16. 

Apraxin 243. 

Arco, Graf v. 243. 

— Joh. B., Graf v. 34, 
42 , 43 - 

— Karl, Graf v. 67, 70, 
7 L 73 - 

— Prospero, Graf v. 27, 
38. 53 - 

Arrent Heinr. 112. 

Astor Leoncelli 255. 

Auckland Lord 75. 

Audulf 7, 9, 10, 11, 15. 

Auerbach 45, 196, 199. 

Auersperg 190. 

Aufleger Mar. Jak. 78, 156. 

Augustinus hl. 126. 

Augustus, Kaiser 106. 

Aventin n, 14, 17. 


Baader Kl. Al. 155, 159, 
160, 161, 162. 

Bailleu 75. 

Barbier Dr. Joh. Germ. 174, 
186, 189, 191, 191, 193, 
I96. 

Basedow 119. 

Becher Dr. Joh. Joach. 163, 
166, 168, 173, 174, 175, 
176, 177 » 178, 179 » 180, 
181, 182, 183, 184, 185, 
186, 194, 195, 196, 197, 
198, 199, 201, 202, 203, 
204, 205. 

Benckendorff v. 233. 

Benedikt XIV., Papst 126. 

Berg Frz. 128, 160. 

Bergmann Mich. Ad. v. 
128, 160. 

Berlo, Graf 26, 27, 29, 30, 34. 

— Alfons, Graf 34, 43, 53. 

Berthold, Graf 10. 

Bertuch Fdrch. J. 122, 160. 

Besborodko Alex. Andre- 
jew. 208, 209. 

Bibou Sigf. v. 34, 37, 41, 
42 , 53 » 54 . 

Bockhorst Frdch. Wilh. v. 
21, 22, 23, 25, 26, 27, 
28, 45 , 46 . 

Bocksberger Hans 111, 159. 

Bonaparte s. Napoleon. 

Bonifatius 15. 

Boreusem 52. 

Boretius 9, 11, 13, 14, 15, 
16. 

Bourdalou 92, 157. 

Braun Heinrich 92, 129, 

130, 131- 

Bray Frz. Gabr. v. 213, 
214, 218, 232, 238, 240, 
241, 243, 244, 248, 252, 
253 - 

Breitenbach J. 265. 

Breitkopf 105. 

Bretzenheim, Fürst v. 208, 
209, 222, 237, 244. 


Bronne CI. de 34, 36. 
Brunner H. 13, 16, 17. 
Brunner K. 162. 

Bücher 196. 

Büdinger 13. 

Bühler Karl v. 62, 206, 214, 
215, 217, 218, 219, 220, 
221, 225, 228. 
Burgholzer Jos. 149, 161. 
Burman J. B. 51. 

Butler 121. 

Cafarello 152. 

Cervantes 122. 

Cetto v. 60, 65, 74, 75. 221. 
Chesterfield 122. 
Chlothachar I. 1. 
Chonaisow 209, 210. 
Chosroes I. 8. 

Ciceri 92, 157. 

Cignani 110, 159. 

Clement 198. 

Clerfayt 59, 75. 

Cobenzl Ludw. Graf 227. 
Colbert 167, 194, 198. 
Compagni Cosmo 34, 43. 
Cond6 67, 221, 226, 237. 
Culer Joh. Wilh. 34, 35, 37, 
38, 40, 41, 42, 47. 

Dagobert 4. 

Dahn Fel. 2, 7, 8, 9, 13, 
14, 15, 16, 17. 

Dallarmi 239. 

Daniel 122. 

Darius 121. 

Denis Mich. 110, 129, 158. 
Deppig 47. 

Destouches E. v. 162. 
Diotmar 10. 

Dittmer v. 232. 
Donnersperg v. 265. 
Drouin Jos. Lud. 134, 135, 
I3 6 » 137, Hi. 

Droysen, 45, 196. 

Dubelier Nicol. 34. 


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22 


Register. 


Du Canee 17, 162. [ 

Du Moulin-Eckart Gf. R. j 
Dr. 75, 76, 206, 213, 216, I 
250, 251, 252, 253. 

Duval 239. 

Eckhart 54. 

Eckhel 54. 

Edlwöck P. Joh. 110, 114, 

* 59 - 

Egell A. 160. 

Egloff Kaspar 263. 

Einhard 14, 15, 16. 

Einzinger Joh. Mart Max. 

114, I 59 * 

Ekart 16. 

Elisabeth, Kurf. v. B. 257, 

260, 263, 264. 

Eller A. 156. 

Empel 80. 

Ennen 45, 47. 

Erdberg 174, 175 » 176, 177 » 

178, 196. 

Erdmannsdörffer 45, 75, 

196, 197. 

Erdt von 91. 

Erhard 147. 

Emst, Kurf. v. Köln 257. 

Eschenburg J. J. 122, 160. 

Esther 122. 

d’Estree, Kard. 18. 

Eugen, Pz. v. Savoyen 206. 

Everardus P. 255, 256. 

EaistenauerAndr. in, 159. 

Falkenstein, Baron v. 217. 

Fanschuh Mar. 160. 

Fastrada 6. 

Felbiger 104. 

Ferdinand, Herz. v. B. 254, 
255, 256, 259, 260, 261. 

Ferdinand Maria, Kurf. 18, 

19, 22, 23, 24, 25, 26, 

27, 29, 30, 31, 32, 33, 

36, 37 » 38» 39 » 44 » 45 » 

46, 48, 50, 5 t 52, 78, 
163, 165, 173, 185, 186. 

Ferdinand, Prz. v. Württem¬ 
berg 216. 

F'erino 66. 

Fetis 160. 

Fickler Dr. 255, 256. 

Fiedler 198. 

Finauer Peter Paul 140, 
141, 148, 149, 161. 

Flachslander Joh. Bapt., 
Baron 213, 214, 215, 
216, 217, 218, 220, 221, 
222, 225, 228, 237, 243, 
244, 252. 


Flechier 92, 157. 
Fredegarius 14. 

Freyberg 196. 

Friedrich, Palzgraf (1165) 
12. 

Friedrich V. v. d. Pfalz 150. 
Friedrich Wilh., der grosse 
Kurf. 40, 47, 167, 198. 
Friedrich II. d. Gr. 45, 196. 
Friedrich Wilhelm II., Kg. 
v. Pr. 60. 

Friedrich Wilhelm III. 219. 
Friedrich Ludwig. v. Meck¬ 
lenburg-Schwer. 224. 
Friedrich J. A. 162. 
Fritsch C. 162. 

Fronhofer Ludw. 108, 148, 
158, 161. 

Fuchs Ludw. Veit 257, 261, 
264. 

Fugger, Graf 219. 

— Anton, Graf 261. 
Funck 255. 

Fürst Max 155. 
Fürstenberg Frz. Egon v. 
19» 33 » 35 - 

Fürstenberg Herrn. Egon 
v. 19, 20, 22, 24, 27, 31, 
39, 44, 45» 46, 167, 172, 
173, 176, 180, 184, 185, 
203. 

Fürstenberg Wilhelm Egon 
v. 19, 20, 21, 28, 29, 30, 

31,32- 36- 37.43.47. 

48, 22. 

Galen Christ. Bernh. v. 
35 , 46 . 

Gams 16, 156. 

Ganganellis. KlemensXIV. 
Gareis Karl 14, 16, 17. 
Garibald I. 1. 

Gehrke 45. 

Geiss E. 160. 

Geliert 107, 158. 

Georg, Herz. v. B. 78. 
Georg, Prinz v. Oldenburg 
212. 

Georg III., König v. Engl. 
242. 

Gerold 6, n, 14. 

Ginsheim Max P. 113, 114, 
11 5 , 116. 

Gobel And. Avel. P. n6, 
117. 

Goes, Baron v. 169. 
Gordon 119. 

Görtz zu Schlitz Joh. Eust. 
Graf 213, 214, 215, 240. 


Görtz zu Schlitz Mar. s. 

Rechberg. 

Gottsched 129. 

Götz J. F. v. 158. . 

Gravel Rob. de 31, 32, 33, 
46, 5 i, 52, 194, 196. 
Gravenreuth 216, 217. 
Gregor III., Papst 15. 
Gregor von Tours 3. 
Gregorius P. 255, 256. 
Grenville, Lord 242. 
Grimm Jak. 157, 158, 256. 
Groben von der 227. 

Grote Frz. 106. 

Gruber J, 119. 

Guhrauer 45. 

Gustav Adolf, König von 
Schweden 152. 

Gustav III., Kg. v. Scliw. 

105, 106, 119, 158. 
Gysels van Lier 167, 168. 


, Hagedorn, Major 54. 
Hagen J. J. A. v. 107. 
Hamberger G. Chr. H. 100, 
107, 109, 158, 159. 

| Hammerstein-Loxten 16. 
Hanau Frdch. Kas. Graf 
v. 184. 

Hardenberg Frh. v. 68, 69. 
Hamier 63. 65, 68, 69, 73, 
75 » 76 . 

Hartmann Leop. v. 152. 
Haslang, Graf v. 239, 242, 
249. 

Hauenprecht 14. 

Hauner Norb. 130. 
Haunsperg Wolf. Sigm. v. 
257 - 

Häusser 75. 

Haussmann 68, 69, 70. 
Häutle 143. 

Hayd Bernh. 150. 

Haydn Joseph 130, 160. 

— Michael 130, 160. 
Heigel K. Th. v. 45, 162, 

250» 253- 

Heilbrunner Jak. 256, 265. 
Heinrich der Reiche, Her¬ 
zog v. B. 78, 79. 
Heinrich IV. v. Frkch. 172. 
Heinse J. J. W. 122, 160. 
Heinzius 105. 

.Helene Pawlowna 224, 249. 
Helmstätt Ernst v. 34, 43. 
Hermann, Markg. v. Baden 
168. 

Hertling Frh. v. 64, 65. 
Herzendorfer 84. 


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Register. 


23 


Hessen 210, 211. 

Heyck 196. 

Hieber 152. 

Hillesheim v. 144. 
Hirsching Frdch. K. G. 159. 
Hocher Dr. Joh. Paul 168, 
190, 193. 

Hoffmann 81. 

Hof mann von Fallersleben 
168. 

Hofstetter Benno v. 146. 
Homburg, Graf v. 52. 
Hompesch Frh. v. 208, 219, 
228. 

Honorius 8. 

Horaz 77, 155. 

Hredi 8, 15. 

Huber, Kabinettssekr. 43, 
173 . 193 » * 94 , 195 , * 9 6 > 
* 99 - 

Hüffer 75. 

Hugibert, Herzog 14. 
Hundt, Graf v. 13. 

Hüsing 46. 

Ickstatt, Frh. v. 103. 

•fackson 229. 

Jacobi-Klöst, Bar. v. 215. 
Jaffe 15. 

Jesenwanger Jos. 151. . 
Jobst Dr. 176. 

Johann, Erzh. v. Ö. 219. 
Johann Friedrich v. Han¬ 
nover 49. 

Johann Philipp, Erzb. v. 
Mainz 23. 

Johann, Pfalzgraf v. Zwei¬ 
brücken 259. 

Jordan 240, 241. 

Jordanis 3. 

Joseph, Erzherz. v. Österr. 
224, 227. 

Jourdan 57, 58, 59, 72. 
Jungmann Jos. 16. 
Justinian I. i, 8. 

Kalvin 186. 

Kamprecht 23. 

Kaniz 139. 

Kanut 121. 

Karl d. Gr. 2, 5, 6, 7, 8, 
9, 11, 12, 13, 14, 15, 
16, 17. 

Karl VII., Kaiser 227. 
Karl Marteil 4, 6, 14. 

Karl von Birkenfeld 259. 
Karl, Erzherz. v. Österr. 
55 . 56, 57 . 58. 66, 75, 
76, 217, 222. 


Karl II., Herz. v. Zweibr. 

212, 218, 227. 

Karl Emanuel, Herz, von 
Sav. 169, 196. 

Karl Eugen, Herzog von 
Württemberg 108. 

Karl Friedrich v. Baden 75. 
Karl Theodor, Kurf. 61, 62, 
63, 64, 65, 128, 132, 
133, 206, 208, 209, 212, 

213, 218, 227, 228. 
Karlmann 1, 4. 

Käser 64, 65, 69, 75. 
Katharina II. von Russl. 

206, 228. 

Katharina Pawlowna 212, 
223, 224, 225, 235, 238. 
Kayser 159. 

Kerpen 64. 

Kleinschmidt Arth. 231. 
Kleist Ewald v. 165. 
Klemens, Herz. v. Bayern 

213- 

Klemens XIV., Papst 28, 
49, 101, 112. 

Klopstock 107. 

Kluckhohn Aug. v. 78, 157, 
*5 8 , *59, l6 o, 162. 
Kluge 13, 156. 

Klüppel 75. 

Koch, Baron 244, 247. 
Koch 75. 

Koch von 210, 237. 

Koch Max 160. 

Kochern Mart. P. 98, 105, 
145 , 158. 

Kohlbrenner Dominikus 
156. 

— — Franz Anton 156. 

— — Johann Franz 156. 

— — Johann Franz v. 77 

bis 162. 

— — Joseph 156. 

— — Katharina Walpurga 

156. 

-Maria Barbara 156. 

— — Maria Eva 146, 156. 

— — Maria Jakoba 78, 

125, 156. 

— — Maria Theresia 156. 

— — Matthias Ruperti 56. 
-Philipp 79. 

k -Rupert 78, 79, 156. 

-Rosina A. 156. 

-Wolfgang 79. 

Kohlmann v. 146, 161. 
Koller (er) Gg. 156. 
Königsegg Leop. Wilh., 
Graf v. 18, 38, 39, 40, 
47 - 


Kotschubei Vikt, Graf v. 

233 , 237, 239. 243, 247, 

249. 

Kraft 182. 

Krause 16. 

Krczenciewski 196. 
Kröninger M. Eva 146. 
Kulnigg Frz. Jos. 141, 147. 
Kurakin Alexand.Borissow, 
Fürst 207. 

l*a Bruy&re 100. 

Ladvocat 155. 

Lamberg 190. 

Lamey 162. 

Langhk 54. 

Lantoeri 38. 

Latour, Graf 56, 57, 58, 66, 
72, 73- 
Lebeau 15. 

Lechner Dr. 145. 

Lehrbach Graf 61, 62, 63, 
219. 

Leidl Dr. Joh. B. 174, 186, 

* 9 L * 95 , * 9 6 - 
Lemble Wolf. Heinr. 257, 
261, 264. 

Leopold I. Kaiser 24, 28, 
33, 4ö, 45, 47, 50, 172, 
175, 181. 

Lerchenfeld 214. 

Leslie Graf 180. 

Leveling H. P. 106, 158. 
Lexer M. 14, 17. 

Leyden, Baron 67, 70, 73. 
Liberi Piet in, 159. 
Lieven Graf v. 235. 

Linn6 Karl 108. 

Lipp Max 13. 

Lippert v. 158. 

Lisola 19, 22, 23, 24, 25, 
27, 43, 44, 45- 
Litta Giulio Gf. 208, 209. 
Löbel 260. 

Lobkowitz 173, 189, 190, 
192. 

Loth Carlo 110, 159. 
Lotter Tob. Konr. 82. 
Louvois 47. 

Löwenstein Grafv. 28, 34. 
Lu ca Celio de 198. 
Ludwig d. Deutsche 2, 17. 
Ludwig d. Bayer 142, 143. 
Ludwng d. Reiche, Herzog 
78. 

Ludwig, Herz. v. Bayern 
145 . 

Ludwig I., König v. Bayern 
142, 212, 227, 229, 235, 
238. 


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24 


Register. 


Ludwig XIV. 19, 20, 21, 
3 i» 32 , 33 , 108. 

Lünckh v. Kirchheim, Lud. 
34 - 

Luther Dr. Mart. 256. 
Lützow v. 231, 234. 

Machiavelli 108. 
Madalgand 8, 15. 
Magdalena, Herz. v. Bay¬ 
ern 260, 262. 

Maillinger Joh. 156, 162. 
Malniesbury 229. 
Manteroy 27. 

Maria Amalia, Erzherz. 227. 
Maria Anna, Herz. v. Bay¬ 
ern 215. 

Maria Anna Josepha Char¬ 
lotte, Herz. v. Bayern 
213. 

Maria Antonie v. Öster¬ 
reich 39. 

Maria Fedorowna, Kais. 

212, 219, 220, 224, 233, 
235, 236, 237, 238, 251. 

Maria Leopoldine, Kurf, 
v. Bay. 227. 

Maria Theresia, Kais. 162. 
Marianna, Kurf. v. B. 172. 
Marianna, Herz. v. Bayern 

262. 

Martens G. F. 75, 76, 237, 

251. 

de Martin Phil. 26, 34, 36, 

48, 52. 

Martius v. 250, 253. 

März Angelus P. 93. 
Meissenbach 75. 

Mastiaux Ant. v. 127, 160. 
Matthäus Evaug. 101. 
Maurer Konr. v. 14. 
Maximilian I., Kurfürst v. 
Bay. 78, 105, 142, 143, 

165, 172, 193, 254, 255, 

256, 259, 260, 261, 262, 

263, 264, 265. 

Maximilian II. Emanuel, 

Kurf. 37, 39, 47, 62. 
Maximilian III. Joseph, 
Kurfürst v. B. 79, 80, 
82, 83, 86, 87, 89, 90, 
100, 108, 117, 125, 128, 
245 - 

Maximilian IV. Joseph, 
Kurf. 59, 60, 61, 62, 64, 
65, 68, 73, 76, 206, 207, 
208, 209, 210, 211, 212, 

213, 214, 215, 216, 217, 
218, 219, 220, 221, 222, 


224, 225, 227, 228, 229, 

232, 235, 236, 237, 238, 

241, 242, 243, 244, 247, 

250, 251, 252, 253. 

Maximilian Heinrich, Kurf, 
v. Köln 19, 21, 23, 30, 

33» 35» 36, 37, 39, 43, 
46, 48, 50, 51. 

Mayer Ant. 160, 161. 

Mayer Frz. Xav. 9, 10, 14. 

Mayer Magdal. 133, 134. 

Mayr Frz. v. 43, 191, 194, 
198. 

Mayr Georg Ulr. 156. 

Mayr Leonh. 258. 

Meginfried 6. 

Meginherus 16. ' 

Meichelbeck 158. 

Meister Karl Sev. 126. 

Menalkas 16. 

Mendelssohn Moses 107, 
158. 

Mentz 198. 

Mercy Bar. v. 34, 43».47, 
53- 

Merkel Carlo 196. 

Meusel Joh. G. 107, 109, 
158,159,162. 

Mieg 230, 240. 

Miklosich 15. 

Montfort 173. 

Montgelas 64, 66, 73, 75, 
76, 206, 2ii, 213, 214, 
215, 217, 220, 221, 222, 
239, 241, 242, 244, 245, 
246, 247, 248, 250, 251, 
252, 253. 

Mörbolt 186. 

Moreau 57, 58, 59, 65, 66, 
67, 68, 70, 71, 72. 

Morton Eden, Sir 221. 

Muggentlial v. 263. 

Muggenthaler L. 148. 

Mühlbacher 17. 

Müller C. 15. 

Münchshausen B. v. 154. 

Miinnicli v. 228. 

Murr Fritz Gottl. 109, 159. 

Mussinan 76. 

Myriauder 117, 132. 159. 

Nagel Ant 123. 

Nagler Kasp. 159, 160, 161, 
162. 

Napoleon I. 56, 58, 59, 159. 

Nauendorf 72. 

Neuling Bruno 239. 

Nicola 26, 48. 

Nicolai Frdcli. 107, 131, 151, 
152, 162. 


Niedermayer Joh. K. s. 

Myriander. 

Nocker Gebr. 247. 

Oatilo 1. 

Obermayer Rosina 146. 
Oberndorfer Dr. Joh. 258. 
Oefele Hofmaler 153, 162. 
Oefele Andr. Fel. v. 86, 157. 
Öggl Joh. Gg. 156. 
Ohlenschlager 16. 
Oienhausen Magd. Frfr. 

v., s. Reichlin-Meldegg. 
Ölers Martin 180, 186, 194. 
Oncken Aug. 158. 

Öpfler Joh. 34. 

Ott Jak. Frd. 157. 

Ottilia hl. in 
Öttinger Christ. Aug. Grf. 

18, 34, 38, 43, 53. 

Otto I. Kaiser 10. 

Otto II. Kaiser 12. 

Otto von Freising 6. 

Otto Heinrich, Pfzg. v. 
Neub. 255. 

Otto Heinrich von Sulz¬ 
bach 259. 

Otulfus 16. 

Pahlen von der Gf. 209, 
210, 211. 

Panin Grf. 228, 229, 243, 
244, 247. 

Panzer 68, 69. 

Pappenheini v. 255 
Paul I., Kais. v. Russl. 206, 
207, 208, 209, 210, 211, 
212, 213, 214, 215, 216, 
217, 218, 219, 220, 221, 
222, 223, 225, 226, 227, 

228, 229, 231, 232, 233, 
235,236,237,238,239, 
240,241,243,244,246, 
247,249,251,252. 

Paulus Diaconus 1. 
Peckhadel Claus 227, 261, 
264. 

Pertz 13, 14, 15, 16. 

Peter 47. 

Peter d. G., Kais. v. Russl. 

229. 

Pfirt Frh. v. 214. 

Pfisterer 34, 37, 42. 
Philipp „der Kard. v. B.“ 
2 54 > 255 . 256, 257. 
Philipp Ludwig, Pfalzgr. 
254.255,256,257,258, 
259,261,263,264,265. 


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Register. 


25 


Philipp Wilhelm, Pfalzgf. v. 

Neuburg 22. 

Picheleck 79. 

Pilinrada 10. 

Pippin d. Kl. 1, 2, 4, 17. 
Pius VI., Papst 129, 160. 
Plank Jos. Herrn, v. 79,147. 
Pontanus 255, 266. 

Portia 190. 

Posselt 59, 75. 

Potemkiii 228. 

Prechtl J. B. 14, 16, 17. 
Preysing Grf. 68, 243. 
Pribram 45, 47. 

Prielmayer 165, 196. 
Procop 3. 

Quesnay Fran^ 102, 158. 
Quirinus Leoninus 255,256. 

Rabener 107, 158. 
Raberihaupt 36, 37, 47. 
Ramuold Abt 10. 

Rassler 18, 44, 48. 
Rasumowski Andr. Kiril- 
low. Gf. 221, 228. 
Rechberg, Baron 24, 27 . 
Rechberg Albert Gf. v. 243. 
Rechberg Al. Franz Frh. v. 
206, 213, 214, 215, 216, 
217, 218, 219, 220, 221, 
222, 223, 225, 230, 231, 
232, 233, 234, 239, 240, 
241, 242, 245, 248, 249, 

251, 252, 253. 

Rechberg Otto Grf. v. 206. 
Rechberg Marianne Frf. v. 

213, 223, 230, 233, 251, 

252. 

Reibold v. 64, 65, 67, 73. 
Reichlin-M eidegg Ida, Frf. 
v. 210. 

Reichlin-Meldegg Joh. Frz. 
X. E. 71, 76, 207, 208, 
209, 210, 211, 223, 225, 
226, 250. 

Reichlin-MeldeggMagdal., 
Frf. v. 210, 211. 
Reisach v. P. 114. 
Reitzenstein 57. 

Renner Matth. 34. 

Resnel Marquis de 35. 
Reubel (Rewbel) 216. 
Richpaltus Abt 10. 

Richter Fz. Lor. 157. 
Riedel F. Xav. 101, 129, 158. 
Riezler Sig. 2, 9, 13, 14, 
15, 16, 17, 157. 
Riggauer 161. 


Rihboldus Abt io. 

Rikulf 6. 

Rittershausen P. 114, 115, 
i 59 * 

Rostoptschin Fed. Wassil- 
jew Gf. 231, 232, 233, 
234, 237, 238, 239, 240, 
241, 243, 247, 249. 

Roxas Christov. de 163, 168, 
173, 174, 175, 177, 178, 

180, 181, 186, 187, 189, 

190, 191, 193, 194, 195. 

Rumford Gf. 64, 66. 

Rumjanzow Nik. Petrow. 
207, 237, 247. 

Rummel Joh. 258. 


Sadeler Raf. 142, 161. 

Saint Cyr 66, 70, 76. 

Salabert 59. 

Samo 4, 14. 

Sanders Heinr. 122. 

Sandoz v. 240. 

Sandrart Jak. 110, 159. 

Schäfler J. 160. 

Schall Gf. v. 65, 207. 

Schega Jos.v. 142, 143,161. 

Scheichl 45. 

Scherer Fz. X. N. 130, 160. 

Schlegel 121. 

Schmaus Edmund P. 92. 

Schmeller-Frommann 156, 
157 , 159 * 

Schmid Kasp. v. 19, 20, 21, 
24, 27, 30, 31, 39, 165, 

170, 172, 173, 177, 179, 

180, 185, 187, 191, 192, 

194, 195, 196, 197, 198, 

199. 

Schmidt 43, 53. 

Schmidt Frdch. Dr. 196, 
265. 

Schönbom Joh. Phil. v. 166, 
198. 

Schröder 13, 17. 

Schubart H. F. Dan. 108, 
112, 113. 

Schück 196. 

Schulenburg Gf. von der 
229. 

Sedelmayer v. 79. 

Segaud 92, 157. 

Seilern Grf. v. 61, 65, 73, 76. 

Selb v. 182, 186, 189, 190, 
193, 203, 204. 

Sezger Ferd. v. 143, 146. 

Shakespeare 122. 

Sieyes 216. 

Simonsfeld Henry 167,196. 


Simson Bemh. 16. 
Sinzendorf Gg. Lud. Gf. v. 
173 , 175 , 179 » lß 2, 183, 
184, 185, 186, 190, 192, 
197 - 

Sindbert 6. 

Söckler J. Mich. 129, 142, 
160. 

Sommervogel C. 157, 158. 
Spann 138. 

Speckner Jos. Val. v. 121. 
Sporer Jos. 160. 
Stackeiberg Bar. v. 207. 
Stadler Bened. 121. 

Stanga Grf. 43 , 53 - 
Staudinger 47. 

Steer Frz. 93. 

Sterzinger P. 93, 114. 
Stett Peter 156. 

Stieve Fel. 265. 

Stoyberer 198. 

Stralnfelss Th. v. 258. 
Strobl J. B. 155. 
Stubenrauch Maxim. Nep. 

v. 81, 84, 86, 117. 
Suidger 1, 4, 13. 

Sulzer Jos. Frdch. v. 207, 
208, 209, 225, 226, 231, 
232, 238, 244, 245, 247, 
249. 

Sutor Joh. P. 112, 159. 
Sybel 75, 76. 

Tacitus 3. 

Tarvis 193. 

Tassilo 2, 4, 5, 11, 12, 14, 17. 
Tasso Torquato 122. 
Tattenbacli Grf. 62, 222. 
Tauentzien Gf. v. 215, 227. 
Taxis 83. 

Terer Frz. Xav. 126. 
Theoderich Graf 6. 
Theodosius 8. 

Theuderich I. 1. 
Theudibert 1. 

Thugut 60, 61, 75, 208, 213, 
221. 

Thuille F. J. 145. 

Tilianus 13. 

Tintoreto 122. 

Torne 92, 157. 
Törring-Gronsfeld Gf. 65. 
Törring-Jettenbach, Eman. 

Grf. v. 80. 

Troyer 18, 23, 45 - 
Tücher von 47. 

Turenne 40, 42. 

Turmaier s. Aventin. 

Uz Joh. Pet 110, 159. 


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26 


Register. 


Valkenier 47. 

Vanni 110. 

Verinhar 7, 9, 15. 

Vieregg Grf. v. 63, 209, 
210, 2i 1, 250. 

Vierling Alb. 14. 
Vieuxfum6 Jak. 34, 37, 42, 
43 - 

Vitry Herzog v. 18, 40. 
Vivenot 75, 76. 

Vivien de St. Martin 14, 16. 
Vötter Joh. Paul 117. 

— Witwe 135. 
Vukassowitsch v. 207. 

Waitz Gg. 13. 

Walacho 16. 

Waldstein Gf. v. 192. 
Walujew 243. 

Waohard 10. 

Wamar s. Werinhar. 
Wartensleben Grf. 57. 
Wassmann v. P. 114. 
Weichs Frh. v. 65. 
Weidmann 105. 

Weise Chr. F. 159. 
Weishaupt Ad. 108, 158. 
Weissenhahn 153, 162. 
Welte 127, 160. 

Werinhar s. Verinhar. 


Werinliard 10. 

Wernhar 11. 

Westenrieder h . v. 77, 82, 
83,88, 93, 112, 120, 124, 
126, 129, 145, 146, 149, 
150, I5i> 152, 153* 154, 
155, 156, 157, 160, 161, 
162. 

Westermeier Gg. 155. 

Wetzer 127, 160. 

Whitworth 219, 226, 249. 

Wiekenburg Ant. Gf. v. 
206, 207. 

Wickham 248. 

Wider Ferd. 156. 

Widmann 43. 

Wieland 130. 

Wikihalm 10. 

Wilhelm IV., Herzogv.B.78. 

Wilhelm V., Herzog v. B. 
78,254, 256, 259,264. 

Wilhelm, Herz. v. Birken¬ 
feld 209, 215, 217, 218, 
219, 220, 221, 222, 223, 
224, 225, 226, 227, 228, 
229, 2?o, 231, 232, 233, 
234,235.236,237,238, 
239. 241, 244, 248, 249, 
250. 251, 252, 253. 


Wilhelm I., Kg. v. Württ. 
212. 

Winckelmann 107, 158. 
Windisch-Grätz Frh. v. 183. 
Winthir hl. 142, 143. 
Wisger Joh. Gg. 109, 159. 
Wittenbach 18, 23, 45. 
Wittmann 13. 

Wolf gang, Bischof 10. 
Wolfgang Wilhelm von Pf. 
Neub. 255, 256, 257, 259, 
261, 264, 265. 
Woronzow Romanowitscli 
232, 242. 

Wundisch 43, 53. 
Würdinger 46. 

Wurmser 56, 59, 75. 


Zacco Gf. 54. 

Zanchi 110, 159. 

Zaupser And. 101, 119, 155, 
161. 

Zeil und Trauchburg Fd. 

Christ. 81, 156. 

Zeuss 13. 

Zignani Carlo 110, 159. 
Zurlaube 53. 

Zwiedineck-Südenhorst 45. 


Berichtigungen zu den Anzeigen des ersten Heftes. 


S. 17 Z. 13 v. u. lies: 

S. 17 Z. 9 „ „ „ 

S. 17 Z. 8 „ „ „ 

S. 17 Z. 7 „ „ „ 

S. 17 Z. 6 „ „ „ 

S. 18 Z. 23 v. o. „ 

S. 18 Z. 29 „ „ „ 

S. 18 Z. 35 I» ?» M 

S. 18 Z. 40 „ „ „ 

S. 18 Z. 17 V. u. ,, 

S. 19 Z. 9 „ „ „ 

S. 19 Z. 6 ,, ,, ,, 


germanischen 

den 

Attila 

Rol andin 

verwoben 

Waffen 

ihr 

Ragino 

in Aquitanien heim, 
Regeta 
der 
v ol c 


statt germanisierten 
,, dem 
„ Attika 
„ Rolannt 
,, verraten 
„ Wappen 
„ hier 
„ Argino 

„ in Aquitanienheim 
„ Rigeta 
„ denen 
„ vole. 



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zur 

(Seschichte Jlayerns. 


Heraasgegeben 


( 

l- 


Karl von f^einhardstöttner.. 


^ VII. Band. 


Berlin. 

Verlag von Hugo Bermühler. 

1899-. 


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Alle Rechte Vorbehalten. 


Druck von Dr. Datterer & Cie.. <». in. l>. H.. München. 


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Inhaltsangabe. 

Seit« 

1. Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern und seine Ver¬ 
waltung im siebzehnten Jahrhundert. Von Haus Ockel, Dr. phil. in Mönchen i 

2. Sitfiitäts'wesen in der kurbayerischen Armee nach dem dreissigjährigen Kriege bis 
//um Tode des Kurfürsten Max Emanuel (1649— 1726). Von *j* Leonhard 

/Winkler, k. b. Major z. D. (im k. b. Kriegsarchiv) zu München . . . . 36 

3. Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentum Bayreuth über die Napoleo- 

nisclie Kriegskontribution und die anderen Kriegslasten. Von Ludwig Fahrm- 
bacher, kgl. Regierungsdirektor in Bayreuth .49 

4. Faschingsschlitteiifahrten bayerischer Studenten. Von Professor D r. Karl von 

Rein hardstoettner, Dozenten an der k. t. Hochschule zu München . . 37 

5. Bayerische Briefe III. Mitgeteilt von D r. Ludwig Geiger, Professor an der 

kgl. Universität Berlin .67 

6. Die Seidenzucht in Bayern. (Zweite Periode. Fortsetzung. München.) Von 

D r. Karl Otto Harz, o. ö. Professor an der tierärztlichen Hochschule in 
München . 102 

7. Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Ö x 1 . (I. Ausgewählte Aktenstücke.) Von 

Professor Dr. Michael Döberl, Privatdozenteu der Geschichte an der kgl. 
Universität M ü n cli e n .134 

S. Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. (1657—1659. Zwei Jahre 

reichsständischer Politik.) Von Karl Lory, Dr. phil. in München . . . . [65 

9. Hin unbekannter Brief Weste 11 rieders. Mitgeteilt von Dr. Karl Theodor 
von Heigel, o. ö. Professor an der kgl. Universität, I. Vorstande des histo¬ 
rischen Seminars, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München . 245 

10. Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. (II. Darstellung.) Von Professor 

1 ) r. Michael Döberl, Privatdozenteu an der kgl. Universität München . 247 

11. Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765. Von Dr. Karl 

Brunner, gr. Archivassessor am Generallandesarchiv in Karlsruhe . . . 301 

12. Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz. Von D r. K a rl 

Brunner, gr. Archivassessor am Generallandesarchiv in Karlsruhe . . . 309 

13. Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. Von Ludwig Fahrm- 

bacher, kgl. Regierungsdirektor in Bayreuth.314 

14. Kleinere Mitteilungen. 

Des Regensburger Rektors Zippelius Bemühungen für die deutsche Sprache. 

Von Dr. Karl von Rein hardstoettner. I. — Bayern und seine Haupt¬ 
stadt im Lichte von Reiseschilderungen und fremden Kundgebungen. VI. Von 
I) r. Karl von Rein hardstoettner. III. 


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Inhaltsangabe. 


15. Anzeigen und Besprechungen. 

H. Arnold, Unter General von der Tann. 6*. — Gg. Blössner, Geschichte 
der Georgskirche in Amberg. 8*. — F. J. Bronn er, Bayerisch Land und Volk. 
1 u. 2. 1*. — A. Dreselly, Marterln, Grab-u. Hausinschriften. 8*. —A. Dürr¬ 
wächter, Der Füssener Totentanz und sein Fortleben.' 11*. — J. Fried¬ 
rich, Ignaz von Döllinger. Erster Band. 7*. Zureiter Band 9*. — H. Haupt, 
Die alte Würzburger Burschenschaft 1817—33. 2*. -- Th. Henner, Altfränkische 
Bilder mit erläuterndem Text. 11*. — Th. Kolde, Beiträge zur bayerischen 
Kirchengeschichte. Vierter Band. i*. — J ahresbericht der Geographischen 
Gesellschaft in München für 1896 und 1897. 8*. — O. Kronseder, 
Christophorus Hoffmann, genannt Ostrofrankus. 10*. — j. Praun, Die Kaiser¬ 
gräber im Dome zu Speyer. 10*. — G. Ratzinger, Forschungen zur bayerischen 
Geschichte. 5*. — F. Stein, Die Urgeschichte der Frauken und die Gründung 
des Franken reiches durch Chlodwig. 6*. 

Erklärung von F. S. Rom stock. 2*. — Erwiderung von Dr. K. von Rein¬ 
hard s t o et tn er. 3*. 

B e r i c li t i g u n g e n. 12*. 

16. Register zu Band VII. 



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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern 
und seine Verwaltung im siebzehnten Jahrhundert. 


Von 

Hans Ockel. 

^jjjjCinen Beitrag zur Geschichte der inneren Politik des Kurfürsten 
Ferdinand Maria von Bayern durch die Darstellung seiner Salzhandels¬ 
politik zu liefern, klar zu legen, in wie weit Bestrebungen und Vorgänge auf 
wirtschaftlichem Gebiete die äussere Politik beeinflusst haben, w r ar die ur¬ 
sprüngliche Absicht des Verfassers. Allein bei der Ausführung stellten sich 
ihm mannigfache Schwierigkeiten entgegen. Erstens fühlte er sich nicht hin¬ 
reichend geübt, aus dem in reicher Fülle gebotenen, aber teilweise ungeordneten 
und oft in den Hauptpunkten lückenhaften Material der Münchener Archive 
das Wertvolle herauszufinden und zw r eckmässig zusammenzustellen. Sodann 
machte sich der Mangel jeglicher Vorarbeit fühlbar. 

Im Vergleiche mit der grossen historischen Bedeutung des Salzwesens 
— es sei hervorgehoben, dass nicht nur die Salzgewinnung zu den ältesten 
Lebensäusserungen unserer Volkswirtschaft gehört und die räumliche Ver¬ 
teilung der Produktionsstätten schon frühzeitig einen Handelsverkehr hervor- 
rufen musste, sondern auch die Entwickelung des Salzwesens vielfach typisch 
ist für die Gestaltung der wirtschaftlichen Zustände überhaupt — ist die 
Zahl der Arbeiten, die sich mit den einschlägigen bayerischen Verhältnissen 
beschäftigen, gering. Zum Teil sind es Einzeluntersuchungen, die nur spezielle 
Zw r eige behandeln, während die zusammenfassenderen Abhandlungen mehr 
oder minder ausschliesslich nur die Zeiten des Mittelalters berücksichtigen 
oder, wenn sie auch bis in die neuere Zeit hineinreichen, doch kein Bild der 
damals bestehenden Verhältnisse geben. 1 ) Die in Betracht kommenden Dar¬ 
stellungen der Handelsgeschichte 2 ) bringen, wie die einschlägigen staats¬ 
rechtlichen Werke, 8 ) nur kurze Notizen. Auch in Freybergs Geschichte der 
bayerischen Gesetzgebung und Staatsverwaltung 4 ) sind die das Salzwesen be¬ 
treffenden Abschnitte nur dürftig und nicht genügend. Die Entstehung des 
bayerischen Salzmonopols, sowie seine Bedeutung sow r ohl für das Salzwesen 
als für das gesamte staatliche Leben ist nirgends berücksichtigt worden. 

Dies bestimmte denn den Verfasser, seinen ursprünglichen Plan zu 
ändern. Der nun vorliegende Versuch w T ill als ein Beitrag zu der fast gänzlich 
vernachlässigten bayerischen Wirtschaftsgeschichte des 16. bis 18. Jahrhunderts 
die Grundlage für weitere Forschungen auf dem Gebiete des Salzwesens 
während jener Zeit schaffen, indem er die Entstehung des landesherrlichen 

Bayer. Forschungen VII, i i 


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2 


Hans Ockel 


Salzmonopols und die Grundzüge seiner Verwaltung im 17. Jahrhundert dar¬ 
zustellen unternimmt 

Das Quellenmaterial beschränkt sich, soweit es im Drucke vorliegt, im 
grossen und ganzen auf zwei Werke, die „Sammlung des baierischen Berg¬ 
rechts“ von Lori (München 1764) und die urkundlichen Beilagen der ge¬ 
legentlich eines Streites zwischen Bayern und Salzburg gewechselten Streit¬ 
schriften, die, 1758 und in den folgenden Jahren verfasst, 1761 in zwei Folio¬ 
bänden gedruckt erschienen. 5 ) Aus diesen beiden lässt sich die Entstehung 
des Salzmonopols zum grössten Teile verfolgen. Die Darstellung seiner Ver¬ 
waltung musste mehr auf archivalischem Material fussen. 6 ) 


I. 

Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern. 

I. Salzquellen und bayerische Absatzgebiete. 

Von den im Südosten der deutschen Lande gelegenen Salinen verdient 
Reichenhall sowohl wegen seines Alters als wegen seiner wirtschaftlichen 
Bedeutung die erste Stelle. Die Ausbeutung der dort vorhandenen Salzquellen, 
schon von den Römern betrieben, hatte die Stürme der Völkerwanderung über¬ 
dauert und unter der Regierung der bayerischen Herzoge aus dem Agilolfinger- 
stamme bereits eine über den Kreis der örtlichen Umgebung hinausreichende 
Bedeutung gewonnen. 7 ) Bei der Vermehrung und Erweiterung der Salz¬ 
produktion sstätteu während des 10. bis 12. Jahrhunderts 8 ) trat Reichenhall, 
wie es scheint, zwar etwas zurück, doch lässt die Hartnäckigkeit, mit welcher 
die Salzburger Erzbischöfe Bayern den Besitz dieser Saline streitig machten, 9 ) 
genugsam ihre Wichtigkeit erkennen. Das Reichenhaller Salz, wegen seines 
reichen Gehaltes auch das „reiche Salz“ genannt, das in alten Zeiten auch 
die Salzach und den Inn abwärts ausgeführt wurde, 10 ) errang sich im Laufe 
des späteren Mittelalters im heutigen Oberbayern, in Schwaben und am Ober¬ 
rhein ein festes Absatzgebiet, welches bis in das 19. Jahrhundert bestehen 
blieb. 11 ) 

Die in der Nähe gelegenen Salzbergwerke zu Hallein gehörten zu 
dem Erzbistum Salzburg. Mögen dieselben immerhin schon in den Zeiten 
der Karolinger in Betrieb gewesen sein, grösseren Aufschwung nahmen sie 
erst in den folgenden Jahrhunderten. Das dortselbst erzeugte Salz, zum 
Unterschiede von dem „reichen“ auch das „arme“ genannt, ging teils auf dem 
Landwege nach Steiermark und Kärnten, teils dem Laufe der Salzach und 
des Inn folgend W* also durch bayerisches Gebiet —- in das heutige Nieder¬ 
bayern, in die Oberpfalz, nach Franken und nach Böhmen. 12 ) 

Jüngeren Ursprungs ist die Ausbeutung der Salzlager bei Schellenberg 
im Gebiete des freien Reichsstiftes Berchtesgaden, die erst im 12. Jahrhundert 
entdeckt wurden. Die geographische Lage des Ortes wies die Ausfuhr dieses 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


3 


Salzes auf dieselbe Wasserstrasse, die für das Halleiner Salz benützt wurde. 
Es fehlte nicht an Versuchen Salzburgs, den Ausgang des Schellenberger 
Salzes ganz zu verhindern, doch gelang es ihm nur, denselben derart einzu¬ 
schränken, dass alles von Schellenberg zu Wasser ausgeführte Salz ganz unter 
das Halleiner gerechnet und mit demselben verkauft wurde. Ausserdem aber 
wurde Schellenberger Salz auf dem Landwege nach Oesterreich und nach 
Tirol gebracht. 13 ) 

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde im Berchtesgadischen die 
Salzquelle zu Fronreut entdeckt. 14 ) Wie Bayern sich derselben versicherte, 
wird im Laufe der Darstellung noch zu berühren sein. 

An allen den genannten Salinen war Bayern in höherem oder in 
minderem Masse interessiert Als Konsument musste es auf eine stete und 
und wohlfeile Versorgung mit Salz bedacht sein; der Salzhandel, teils zur 
Deckung des eigenen Bedarfs, teils Transithandel, war einer der wichtigsten 
Zweige seines nationalen Erwerbslebens, während der Besitz der Produktkms- 
stätte zu Reichenhall ihm ein Mittel grosser wirtschaftlicher Macht in die 
Hand gab. 

Seit dem 15. Jahrhundert wurde der bayerische Salzhandel mehr und 
mehr bedroht durch den Aufschwung der österreichischen Salinen im Traun¬ 
gebirge und dem Vordringen ihrer Produkte nach Böhmen. Im Norden traten 
ihm das sächsische und thüringische, im Westen das Schwäbisch-Haller, das 
lothringische und burgundische Salz entgegen. Eine gleich gefährliche 
Konkurrenz wie im Osten ging im Süden von dem Salzwerk zu Hall im 
Innthale aus, indem das dort erzeugte Salz neben dem Reichenhaller in den 
schwäbischen und oberrheinischen Gebieten verhandelt wurde. 16 ) Im II. Ab¬ 
schnitt wird darüber eingehender berichtet werden. 

2. Salzproduktion und Salzhandel in den Händen der Bürger und Städte. 

Die Verfassung der deutschen Salinen im früheren Mittelalter lässt 
sich bei dem Mangel an zusammenhängenden Nachrichten nur schwer im 
einzelnen feststellen. 18 ) Im allgemeinen erscheinen sie als Pertinenz von 
Grund und Boden im Eigentume eines Grundherrn. Das Bestehen eines 
Salzregals lässt sich in Bayern während dieser Zeit noch nicht nacliweisen. ,7 ) 
Indessen war zu Reichenhall tliatsächlich der Herzog Herr der Saline. Von 
diesem und neben ihm hatte eine Reihe anderer Grossgrundbesitzer des Landes, 
vor allem Klöster, Anteile am Salzbrunnen und den Salinenwerken eigen¬ 
tümlich sich erworben, um auf diese Weise — ein Handelsverkehr hatte sich 
noch nicht entwickelt — den Salzbezug für die Bedürfnisse ihrer Wirtschafts¬ 
gebiete sicher zu stellen. Eine dritte Art von Eigentum entstand dadurch, 
dass da, wo der Betrieb wieder weiteren Personen überlassen war, bestimmte 
Nutzungsrechte, Pfannen oder sonstige Werkanlagen in den Besitz dieser 
Sieder übergehen konnten. 

Die Produktion des Salzes wurde ursprünglich von den Grundherrn 
auf eigene Rechnung betrieben. Doch wie diese im Laufe des 10. bis 12. Jahr- 

1* 


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4 


Hans Ockel 


hunderts überall die Eigenwirtschaft aufgaben und sich mit Rentenbezug be¬ 
gnügten, so überliessen sie auch den Salinenbetrieb gegen feste Geld- und 
Naturalabgaben mehr und mehr ihren Arbeitern. Das Interesse, das diese 
nunmehr an dem Erfolge ihrer Arbeit gewannen, führte sie aus der vielfach 
zersplitterten Betriebsorganisation in einen genossenschaftlichen Verband zu¬ 
sammen, während zugleich ihr Zusammenschluss zur städtischen Gemeinde 
ihre soziale Unabhängigkeit begründete. 18 ) 19 ) 

Erst seit dem Ende des 13. Jahrhunderts gestattet eine fortlaufende 
Reihe überlieferter Nachrichten einen genaueren Einblick in die Entwickelung 
des bayerischen Salzwesens. 

Der Herzog galt als der oberste Herr der Saline zu Reichenhall. Wie 
die Nutzung anderer Regalien, so waren auch die Rechte, welche aus dem 
seit dem 11. Jahrhundert in Deutschland mehr und mehr zur Ausbildung ge¬ 
langten Salzregal entsprangen, auf ihn übergegangen. Worin diese aber be¬ 
standen ausser in der Anerkennung seiner mehr ideellen Oberhoheit, ob und 
welche Abgaben er deshalb bezog, ist nicht bekannt, jedenfalls dürften sie nur 
gering gewesen sein. 20 ) Die Anteilsrechte, welche einst die Grundherren des 
Landes besessen hatten, hatten mit der Entstehung und Ausbildung des 
Handels ihre Bedeutung verloren. Zur blossen Kapitalsanlage geworden, 
gingen sie von einer Hand in die andere über, bis sie schliesslich meist in 
den Besitz von Reiclienhaller Bürgern kamen. 21 ) So wurden diese faktisch 
Eigentümer des grössten Teiles der Salzwerke, nachdem sie den Betrieb der¬ 
selben schon lange vorher übernommen hatten. 

Die Bürger waren in der zweiten Hälfte des Mittelalters thatsächlich 
die Herren der Saline. Schon im 12. Jahrhundert fühlten sie sich so selbst¬ 
bewusst, dass sie dem Erzbischof von Salzburg einen schuldigen Zehnten 
verweigerten. 22 ) Das um das Jahr 1285 verfasste Urbar, in welchem die 
Rechte und Nutzungen, die der Herzog in Reichenhall besass, aufgezeichnet 
sind, stellte es ganz den Bürgern anheim, „wann sie arbeiten und sieden 
wollten.“ Die Befehle, mit welchen 1329 und 1337 die Herzoge von Nieder¬ 
bayern, 1341 Ludwig der Bayer der Ausbreitung des Halleiner Salzes ent¬ 
gegentraten, wurden ausdrücklich auf Bitten der Stadt Reichenhall erlassen, 
die sich durch die Konkurrenz in ihrem Erwerbe bedroht fühlte. 23 ) 

Die anfangs wohl gewählten, 24 ) später zu einem engen Kreise erb¬ 
rechtlich Privilegierter sich zusammenschliessenden Organe der vereinigten 
Sudgenossen und Leiter des Betriebes, die Sieder, oder wie sie im 15. Jahr¬ 
hundert heissen, die Sudherren, erscheinen als Mitglieder des Stadtrat^s. 
„Sieder und Gemeinde“ ist in Urkunden der Stadt Reichenhall gleichbedeutend 
mit „Rat und Gemeinde.“ Ein Schiedsspruch des Herzogs Heinrich des 
Reichen in einem 1452 ausgebrochenem Zwiste zwischen dem Rate und der 
Bürgerschaft in Reichenhall bestimmte, dass die Siedherm im Rate bleiben 
sollten, „als von alters Herkommen ist.“ 25 ) Nach einer Urkunde aus dem 
Jahre 1465 betrug die Zahl der Sudherren damals zwölf. 26 ) 

Wie die Produktion des Reichenhaller Salzes so lag auch der Handel 
mit demselben ganz in bürgerlichen Händen. Hatten früher die Grundherren 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 5 


das ihnen zustehende Salz durch ihre Leute in ihre Wirtschaftsgebiete bringen 
lassen, während Juden und andere Händler nur in geringem Umfange Salz 
selbständig verhandelten, 27 ) so hatte im späteren Mittelalter der Handels¬ 
verkehr durch die Städte eine feste Organisation erhalten. In den einzelnen 
Städten, welche infolge königlicher oder landesherrlicher Privilegien die Nieder¬ 
lagsgerechtigkeit besassen, musste alles dortselbst ein- und durchgehende Salz 
in dem gemeindlichen Salzstadel niedergelegt werden. Nur Bürger der Stadt 
durften den Salzhandel betreiben, aber auch sie waren gehalten, ihr Salz nicht 
nur an bestimmten anderen Legstätten zu holen, sondern auch nur auf be¬ 
stimmten Strassen durch das Land zu führen. 28 ) Traunstein, Wasserburg, 
Landshut, Ingolstadt, München, Landsberg, weiterhin Augsburg und Memmingen 
waren die Handelsplätze für das Reichenhaller Salz. 

Noch deutlicher lässt sich die bürgerliche Organisation beim Halleiner 
Salzhandel verfolgen. 99 ) Hier kommt nur der Handel in Betracht, der von 
Hallein aus nach und durch Bayern ging, die Wasserstrasse der Salzach und 
des Inn benützend. Der Mittelpunkt des Salzschiffahrtsverkehrs war die salz¬ 
burgische Stadt Laufen. Hier sassen die Schiffsherren, die durch das Privi¬ 
legium des Erzbischofs Ladislaus vom Jahre 1267 das Recht hatten, dass nur 
ihre Schiffe bei der Salzausfuhr gebraucht werden durften, 80 ) ferner die Ge¬ 
nossenschaften der „Ausfergen“, vierzig Laufener Bürger, welche durch das 
Privileg des Erzbischofs Friedrich II. vom Jahre 1278 allein berechtigt 
waren, das Salz auf den Schiffen der Schiffsherren zu verfrachten. Sie teilten 
sich in die „Erbausfergen“, die es von Hallein nach Laufen, und die „Erb- 
naufergen“, die es von da bis nach Passau brachten. 81 ) 

Der Handel selbst lag in Händen der Städte Hallein, Laufen, insbe¬ 
sondere aber Burghausen und Passau. Von Burghausen aus ging das Halleiner 
Salz über Land nach Oetting; 39 ) in regem Verkehr mit Passau stand Regens¬ 
burg. 38 ) Um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts wussten auch die 
Schärdinger, innere Wirren in Passau klug benützend, sich Anteil am Halleiner 
Salzhaudel zu erringen. 34 ) 

Ursprünglich scheinen einzelne Bürger, die sich in Zünfte aneinander¬ 
schlossen, den Handel auf eigenes Risiko betrieben zu haben. Mit der Zeit 
gerieten die einzelnen immer mehr in Abhängigkeit von den Zünften, die 
Zünfte unter den Einfluss der Stadtverwaltungen, bis diese im Laufe des 
15. und 16. Jahrhunderts den Salzhandel auf die Rechnung der Stadt über¬ 
nahmen. 85 ) 

Diejenigen Bürger, welche im Aufträge eines Einzelnen, der Zunft oder 
der Stadt die Spedition des Salzes von Hallein aus besorgten, hiessen „Fertiger.“ 
Als ständige Kommissionäre oder „bestellte Ausrichter“ in Laufen hatten sie 
sich dortige Bürger verpflichtet, die sogenannten „Meisterknechte. 36 ) 1441 er¬ 
scheinen zwölf Bürger von Passau und zwei von Burghausen als Fertiger in 
diesen Städten. 37 ) 

.Itn Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die ziemlich verwickelten Ge¬ 
bräuche und Ordnungen, welche sich im Salzhandels- und Schiffahrtsverkehr 
auf Salzach und Inn herausgebildet hatten, wiederholt aufgezeichnet Sie sind 


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Hans Ockel 


erhalten in dem Rezess von 1531 und den Schiffordnungen von 1569 und 
1581 88 ). Die Fertiger von Burghausen Hessen ihr Salz durch die Ausfergen 
in Scheibfahrteu ausführen, und zwar unter normalen Verhältnissen von Georgi 
bis gegen Weihnachten täglich deren fünf; im übrigen erfolgte die Ausfuhr 
„meisterweis“, d. i. in Hallfahrten, und zwar wechselten die Fertiger der ein¬ 
zelnen Städte mit der Spedition in ganz bestimmter Reihenfolge (im „ordent¬ 
lichen Umgang“) mit einander ab. 39 ) In der Schiffordnung von 1581 sind 
fünf Bürger von Hallein, zwei von Laufen und sieben von Passau als solche 
Fertiger aufgeführt. 

Das bürgerliche Element hatte dem Salz wesen seiner Zeit neues Leben 
eingehaucht. Die ehemals in viele Einzelbetriebe zersplitterte Produktion hatte 
durch die genossenschaftliche Vereinigung der Salzarbeiter die nötige Zen¬ 
tralisation erhalten. Aufs engste mit dem Salinenbetrieb verwachsen und mit 
ihrer Existenz au denselben geknüpft, hatten die bürgerlichen Salzsieder das 
grösste Interesse an der steten gedeihlichen Fortentwicklung der Werke. Die 
Städte verbreiteten das Produkt über den früher mehr oder minder beschränkten 
Kreis der lokalen Umgebung hinaus weit über das Land hin und verschafften 
ihm vermehrten und dauernden Absatz in den nunmehr sich bildenden festen 
Absatzgebieten. 

Neben den Vorzügen zeigte die bürgerliche Verfassung des Salzwesens 
aber auch nicht zu unterschätzende Mängel. Die Produktion, zwar einheitlich 
betrieben, entbehrte doch einer einheitlichen energischen Leitung; die städtischen 
Kommunen bedurften einer Gewalt, die sie in ihren Rechten schützte und mit 
kraftvoller Hand unterstützte, und das um so mehr, je mehr ihr Handel sich 
in fremde Gebiete erstreckte. Diesen Mängeln abzuhelfen war die während 
des 14. und 15. Jahrhunderts in stetem Ringen mit widerstrebenden Elementen 
erstarkende Macht der Landesherren berufen. 


3. Übergang der Salzproduktion zu Reichenhall und des Reichenhaller 
Salzhandels in die Hände des Herzogs. 

Die bayerischen Herzoge haben, wie oben bemerkt, auch zu den Zeiten 
der Blüte des Bürgertums ihr Obereigentumsrecht an der Saline zu Reichen¬ 
hall nie ganz aufgegeben und bezogen wohl auch noch Abgaben und Gefälle 
von derselben. 40 ) Als Inhaber der Maut- und Zollstätten hatten sie grosses 
Interesse an der Gestaltung des Salzhandelsverkehrs und waren daher stets 
bereit, die Salzproduktion und den Handel nach Kräften zu fördern. 

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts geriet das Reichenhaller Sudwerk 
immer mehr in Verfall. Eine Reihe von Faktoren wirkte zusammen dahin: 
die Landesteilungen und Bruderkriege der Herzoge, die Pest, allerlei Brand- 
und Wasserschäden, wohl auch Streitigkeiten innerhalb der städtischen Ge¬ 
meinde, 41 ) nicht minder aber die obenberührten Mängel der bürgerlich-genossen¬ 
schaftlichen Organisation. Wiederholt machten die Herzoge Versuche, durch 
Festsetzung des Salzpreises dem Übel zu steuern: 42 ) sie blieben ebenso ohne 


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Die Entstellung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


7 


nachhaltige Wirkung wie die 1404 erlassene höchst merkwürdige Verordnung, 
dass alle „Niderleg, Säz und Aynung von Salz wegen“ für zwei Jahre gänz¬ 
lich aufgehoben und der Handel mit Salz vollkommen frei sein sollten. 43 ) 
Immer mehr zeigte sich, dass die bürgerlichen Sudgenossen nicht mehr fähig 
waren, allein die notwendigen Verbesserungen am Brunnen und den Salinen¬ 
werken durchzuführen. So übernahm es denn auf ihr Ansuchen die herzog¬ 
liche Regierung, den salzburgischen Werkmeister Erhard Hann von Zabern 
für Reichenhall zu gewinnen, damit er dort eine von ihm erfundene Maschine 
erbaue, mittels welcher das salzige Wasser von dem eindringenden süssen 
gesondert und zu Tage gefördert werden sollte. 1440 war das Werk voll¬ 
endet, doch entsprach es auf die Dauer nicht ganz den Erwartungen, die 
man darauf gesetzt hatte. 44 ) 

Noch mehr benötigten die Reichenhaller die Hilfe ihrer Landesherren 
zur Abstellung eines weiteren Übelstandes, welcher auf die Salzerzeugung 
hemmend einwirkte, des Mangels an Brennmaterial. Die zum Sudw r esen ge¬ 
widmeten Waldungen lagen zum grossen Teil auf salzburgischem Gebiete. 
Wiederholt fällten erzstiftische Unterthanen in denselben unberechtigterweise 
Holz. 1412, 1431, 1441, 1487 wandten sich die Herzoge auf Bitten des Rates 
der Stadt mit entsprechenden Forderungen an den Erzbischof. 45 ) 

So hatte die landesherrliche Gewalt im Laufe des 15. Jahrhunderts 
wiederholt Gelegenheit, in das Reichenhaller Sudwesen einzugreifen. Dabei 
konnte sie allmählich zu der Einsicht kommen, dass die Rentabilität desselben 
durch eine straffe Zentralisation wesentlich gesteigert werden möchte, eine 
solche aber energisch und erfolgreich durchzuführen nur sie selbst imstande 
sei. Zugleich bot sich ihr die lockende Aussicht, damit eine hochbedeutende 
Quelle wirtschaftlicher Macht in ihren Besitz zu bekommen. 

Derartige Gedanken mussten damals gleichsam in der Luft liegen. 
Bis vor noch kurzer Zeit hatte in Hallein der herrschaftliche Salinen betrieb 
bestanden. 46 ) Die benachbarten habsburgischeu Herrscher, die schon immer 
dem Salzwesen grosse Aufmerksamkeit geschenkt hatten, kauften 1450 die 
Sudwerke zu Aussee in Steiermark an, womit, wie es scheint, nunmehr alle 
österreichischen Salinen herzogliches Kammergut geworden waren. 47 ) Im 
Norden Deutschlands versuchten einzelne Landesherren mit grösserem oder 
geringerem Erfolge ihren Einfluss auf die bereits bestehenden Salzproduktions- 
stätten auszudehnen, so der Erzbischof von Magdeburg in Halle, oder wie 
die sächsischen Fürsten eigene Salinen neu zu errichten. 48 ) Anderseits waren 
Heinrich und Ludwig die Reichen, zu deren Gebiet Reichenhall ge¬ 
hörte, stets darauf bedacht, alle Finanzquellen des Landes nicht nur nutzbar, 
sondern auch für sich selbst fruchtbar zu gestalten. 49 ) 

Als alle Versuche, den Rückgang des Sudwesens zu verhindern, ohne 
dauernden Erfolg geblieben und in den Jahren 1487 und 1488 zu Reichenhall 
so wenig Salz vorhanden war, dass man genötigt w r ar, Fuhrleute und Säiner 
nach Hallein zu schicken, sandte Herzog Georg der Reiche zwei Räte 
zur Untersuchung dieser Missstände ab. Es ergab sich, dass durch das Ein¬ 
dringen süsser Wasser in den Salzbrunnen die Sole allzusehr geringert wurde. 


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Hans Ockel 


Wohl fehlte es nicht an Plänen, wie das süsse Wasser abgeleitet werden 
könnte, doch erklärten die Sieder, nicht imstande zu sein, die dazu nötigen 
Summen aufzubringen. Zwar wurde ihnen noch einmal 1493 ein Preisauf¬ 
schlag bewilligt, doch schon im nächsten Jahre ging Herzog Georg daran, 
die einzelnen Gewerksanteile allmählich an sich zu bringen. 1493 und in 
den folgenden Jahren erwarb er durch Kauf fast alle Sieden oder wenigstens 
deren Nutzung. 50 ) 

Im Zusammenhang damit vollzog sich der Übergang des Betriebes aus 
den Händen der Bürger in die der Regierung. Bei dem Mangel an Nach¬ 
richten lässt sich dieser Prozess vorläufig nicht im einzelnen verfolgen. 
Sicher ist, dass Herzog Albrecht IV. eine das Sudwesen regelnde Ordnung 
erliess und unter ihm ein herzoglicher Salzmair den Betrieb leitete. 51 ) Im 
Jahre 1509 wurden sodann zur Aufsicht über die Holzungen der Saline ein 
herzoglicher Waldmeister und ein Holzschaffer aus den Bürgern von Reichen¬ 
hall bestellt, sowie eine ausführliche Wald- und Sudordnung erlassen. 52 ) 

Zugleich bemühten sich Georg der Reiche, Albrecht IV. und 
Wilhelm IV. eifrigst um die Verbesserung des Salzbrunnens und der Werke. 58 ) 
Unter der Regierung des zuletzt genannten wurde zur Ableitung des süssen 
Wassers 1524 bis 1532 der Grabenbach erbaut. Derselbe Fürst schloss auch 
1529 mit Salzburg und Berchtesgaden Verträge ab, in welchen die strittigen 
Holzschlagsrechte „auf ewig“ bestimmt wurden. Die Waldungen wurden in 
Waldbüchern genau beschrieben und ihre Grenzen mit Marksteinen versehen. 54 ) 
Schliesslich brachte er 1528 auch noch die letzte der Sieden an sich, indem 
er dieselbe dem Domkapitel von Salzburg und dem Kloster Salmansweiler um 
800 Gulden abkaufte. 55 ) 

So war unter Wilhelm IV. eine Entwickelung zum vorläufigen Ab¬ 
schluss gekommen, welche dem Landesherrn eine hervorragende Finanzquelle 
überlieferte. Sie ist das Produkt einer thatkräftigen, auf die Zusammenfassung 
aller Kräfte des Landes gerichteten Politik, wie sie Ludwig und Georg 
die Reichen in Niederbayern, Albrecht IV. in Oberbayern und später in 
dem geeinigten Herzogtume trieb. Auf einem einzelnen Gebiete zeigt sich 
hier eine Erscheinung, die sich im gesamten öffentlichen Leben jener Zeit 
überall in Deutschland erkennen lässt. 

Die Ansprüche der bayerischen Herzoge auf das Salzregal, das in der 
goldenen Bulle den Kurfürsten ausdrücklich zuerkannt worden und noch im 
Laufe des Mittelalters infolge gewohnheitsrechtlicher Übung 56 ) auf sämtliche 
Reichsfürsten übergegangen war, hatten nunmehr einen realen Untergrund 
erhalten. Aber auf der erreichten Stufe konnte die Entwickelung nicht stehen 
bleiben. Nachdem die Regierung die Produktion übernommen hatte, musste 
sie auch für den Absatz des Salzes in erhöhtem Masse Sorge tragen. Dem¬ 
entsprechend wurden die alten Salzausgangsordnungen alsbald durchgesehen, 
aufs neue eingeschärft und im Laufe des Jahrhunderts wiederholt erneuert. 57 ) 

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurde zu Froureut im Berchtes- 
gadischen eine neue Salzquelle und auch Steinsalz entdeckt. Um sich vor 
Konkurrenz zu schützen, versicherte sich die bayerische Regierung sofort dieser 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


Salzlager, indem sie am 15. November 1555 mit dem Stifte einen Vertrag 
abschloss, in welchem dieses sich verpflichtete, alles in der neu zu errichtenden 
Saline erzeugte Salz nur nach Reichenhall zu einem festgesetzten Preise zu 
verkaufen. 1564 wurde dieser Vertrag in einigen Punkten abgeändert und 
ergänzt, sowie eine Sudordnung vereinbart. 68 ) 

Es ist bekannt, dass im Laufe des 16. Jahrhunderts der bayerische 
Hof in immer wachsende finanzielle Schwierigkeiten geriet. Zur Regelung 
und Verwaltung der herzoglichen Finanzen wurde 1550 die Hofkammer ge¬ 
gründet. 69 ) Schon in der ersten Instruktion wurde ihr auch die Fürsorge 
für das Salzsudwesen in Reichenhall eindringlichst ein geschärft 60 ) Im Jahre 
1565 wurde sie weiter angewiesen, in den Kanzleien und Archiven sich auch 
über die rechtlichen Verhältnisse beim Salzhandel zu orientieren, sodann über 
die thatsächlichen Zustände sich zu unterrichten und zur Abstellung even¬ 
tueller Missstände thunliche Vorschläge zu machen. C1 ) Ebenso erhielten 1572 
die Räte Keck und Ligsalz, die ganz besonders sich mit der Reorgani¬ 
sation des Finanzwesens befassen sollten, auch den Auftrag, nachzudenken, 
ob und welche Verbesserungen im Salzwesen auf grund der bestehenden 
Rechtsverhältnisse vorgenommen werden könnten. 62 ) 1578 und 1579 wurden 
Instruktionen erlassen, welche den Absatz des Reichenhaller Salzes in den 
bayerischen Städten regelten. 63 ) 

Neue Veränderungen bereiteten sich allmählich vor. Um sie ins Leben 
treten zu lassen, bedurfte es des Druckes äusserer Verhältnisse und einer 
energischen Persönlichkeit. Beides fand sich bald. 

Die Finanznot der bayerischen Herzoge stieg immer mehr. Nicht 
bloss die Freigebigkeit, mit welcher Albrecht V. für künstlerische Be¬ 
strebungen, Wilhelm V. für kirchliche Zwecke grosse Summen verausgabten, 
nicht allein der Glanz der Hofhaltung war daran schuld: die Wurzel des 
Übels lag tiefer. Der Staat war in der Umbildung aus feudalen zu modernen 
Zuständen begriffen, Altes und Neues durchkreuzte und bekämpfte sich viel¬ 
fach; die Folge war Verwirrung und Unordnung auf allen Gebieten des 
staatlichen Lebens. Um Ordnung zu schaffen und zu halten, bedurfte es des 
klaren Blickes, der durchgreifenden Energie und der zähen Ausdauer eines 
Maximilian I. 64 ) Indessen schon in die Zeit Wilhelms V. fallen die 
Anfänge der Reform der bayerischen Finanzverwaltung; 66 ) die Neuorganisation 
des Salzwesens, die Errichtung des landesherrlichen Salzmonopols gehört so¬ 
gar noch ganz der Regierung dieses Fürsten an. Sie war das Werk des 
herzoglichen Kammermeisters Christoph Neuburger, der dasselbe trotz der 
Erbitterung, die er dadurch im Lande gegen sich hervorrief, und trotz der 
Launenhaftigkeit seines Herrn 66 ) zu Ende führte. 

Auch hier wurde nicht plötzlich etwas ganz Neues geschaffen. In 
Österreich hatte schon Friedrich IV. (III.) 1487 die Einfuhr von fremdem 
Salz untersagt; Ferdinand erneuerte dieses Verbot und dehnte es auch auf 
Steiermark und Kärnten aus. 67 ) Nur solches Salz, welches aus den fiskali¬ 
schen Salinen stammte, durfte verhandelt werden. 1562 übernahm er selbst 
den Salzhandel in Schlesien und liess ihn durch seine Kammer verwalten. 68 ) 


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IO 


Hans Ockel 


In Brandenburg wurde 1560 der Handel mit fremdem Salz verboten, 1583 
übernahm Kurfürst Georg die Versorgung seines Landes mit Salz von 
13 Niederlagern aus auf eigene Rechnung, 69 ) und auch der Kurfürst August 
von Sachsen war bestrebt, den grossen Gewinn, welchen der Salzhandel ab¬ 
warf, seiner landesherrlichen Kasse zukommeu zu lassen. 70 ) In gleicher Weise 
drängte in Bayern die angedeutete Entwickelung, die immer mehr hervor¬ 
tretende Einmischung der Herzoge schliesslich darauf hin, dass diese selbst 
den Salzhandel in die Hand nahmen, was um so leichter geschehen konnte, 
als derselbe in den einzelnen Städten bereits den Charakter eines obrigkeit¬ 
lichen Monopols hatte. 

Gegen das Ende der achtziger Jahre vollzog sich dieser Übergang. 
Fehlt es auch vorläufig noch an Material, den Prozess genau zu verfolgen, 
so lässt sich doch wenigstens so viel ersehen, dass die Niederlagsgerechtig- 
keiten den einzelnen Städten allmählich abgekauft wurden. Die städtischen 
Legstätten wurden in herzogliche Salzämter, die bürgerlichen Fertiger in fürst¬ 
liche Beamte umgewandelt. 1588 scheint der Reichenhaller Salzhandel bereits 
ganz im Besitze des Herzogs gewesen zu sein . 71 ) 

Zu gleicher Zeit suchte die bayerische Regierung den sehr bedeuten¬ 
den Salzhandel der freien Reichsstadt Augsburg von dort weg nach, dem 
neuen Salzamt Friedberg zu verlegen. Entsprach auch der Erfolg nicht den 
Erwartungen, so wurde doch die Lebensfähigkeit dieser neuen bayerischen 
Legstätte in der Nähe jenes alten Handelsplatzes gesichert. 72 ) Schliesslich 
tauchte nunmehr auch das Projekt auf, Bayern in der Salzversorgung vom 
Ausland unabhängig zu machen und das Reichenhaller Salz auch in die Ge¬ 
biete des Landes einzuführen, in denen bisher das Halleiner verhandelt wurde. 
Der Ausführung des Planes, wie das arme Salz allmählich ganz aus Bayern 
verdrängt werden möchte, näher zu treten, wurde die Hofkammer in der In¬ 
struktion vom 19. August 1591 besonders angewiesen. 73 ) Indessen mag sich 
die Regierung bald von den Schwierigkeiten eines derartigen Unternehmens 
überzeugt und wohl gerne damit begnügt haben, wenigstens die freie 
Verfügung über das nach und durch Bayern gehende Halleiner Salz zu er¬ 
halten. Dies geschah durch den baverisch-salzburgischen Vertrag von 1594. 
Vor Besprechung desselben aber ist es nötig zu sehen, wie auch im Halleiner 
Salzhandel die bayerischen Herzoge ihren Einfluss immer mehr geltend zu 
machen wussten. 


4. Übergang des Halleiner Salzhandels in Bayern in die Hände des Herzogs. 

Hand in Hand mit der Erwerbung der Reichenhaller Saline ging eine 
stärkere Einmischung der Herzoge in das Halleiner Salzwesen. Den Anlass 
dazu boten die von Salzburg erhobenen Aufschläge. Nachdem das Erzstift 
1458 zur Erhebung eines Salzzolles ein kaiserliches Privilegium erhalten hatte, 
erwirkte es sich im Jahre 1485 ein neues, wodurch der Preis des Halleiner 
Salzes abermals verteuert wurde. 74 ) Da der Handel zu stocken anfing, ver¬ 
langten die Herzoge Georg von Niederbayem und Albrecht von Ober- 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmouopols in Bayern etc. 11 


bayern sofort von dem damaligen Administrator des Erzstiftes Johann Gran * 
die Beseitigung des Aufschlages, der ihnen selbst merklichen Schaden an 
Mauten und Zöllen verursache und ihren Unterthanen sehr beschwerlich sei. 
Aber erst als Georg mit Gewaltmassregeln vorging und die salzburgische 
Exklave Mühldorf besetzte, liess sich jener zu einer Verständigung herbei. 
Gegen eine Geldentschädigung gab sodann der Herzog seine Einwilligung zur 
Erhebung des Aufschlags, doch nur für Lebzeiten des Administrators. 75 ) Die 
Interessen seiner Unterthanen wahrte er dadurch, dass er auf dem Tage von 
Braunau im Jahre 1488 durchsetzte, dass zur Beratung einer neuen Sudordnung 
für Hallein auch bayerische Räte zu gezogen wurden, 70 ) wie er auch 1493 auf 
einer zu Neumarkt gehaltenen Abrede durch seine Abgesandten fordern liess, 
dass der Erzbischof den Burghausern 16 seiner Schiffe für die Salzausfuhr 
zur Verfügung stelle. 77 ) Die thatkräftige, durchgreifende Politik eines Georg 
des Reichen und Albrecht IV. offenbart sich wie, im Reichenhaller Salz- 
wesen so auch hier. 

Der ersten sogenannten Aufschlagsirrung folgten bald weitere. 78 ) Inte¬ 
ressant ist zu beobachten, wie dabei die bayerische Regierung immer mehr 
an Einfluss gewann und ihre Position befestigte. 

Als 1508 das Erzstift durch zwei Überschwemmungen stark geschädigt 
worden war und der Erzbischof abermals einen Aufschlag erheben wollte, 
setzte die bayerische Regierung es wiederum durch, dass ihre Zustimmung 
eiugeholt wurde. 79 ) Zwar versuchte man zu Salzburg ohne Vorwissen und 
das Einverständnis Bayerns den Salzpreis noch mehr zu erhöhen, doch erhob 
nunmehr auch die damals zu grosser Macht gekommene bayerische Landschaft 
dagegen Beschwerde. Auf ihr Betreiben protestierten die Herzoge Wilhelm 
und Ludwig 1516 in Salzburg, 80 ) allein erst 1525 wurde der Konflikt bei- 
gelegt, indem Bayern gegen anderweitige Entschädigungen seine Einwilligung 
gab. 81 ) Im Jahre 1529 suchte Erzbischof Matthäus aufs neue um die Zu¬ 
stimmung Bayerns zur Erhebung eines Salzaufschlages nach. Erst nach 
längeren Unterhandlungen fand sich dieses dazu bereit und nicht anders als 
gegen die Ausstellung eines Reverses, in welchem Erzbischof und Domkapitel 
ausdrücklich bekannten, dass die Bewilligung nur auf Widerruf vonseiten der 
Herzoge und ihrer Nachkommen gestellt sei. 82 ) Solche Reverse musste 
Salzburg in der Folgezeit bei Einführung jedes neuen Aufschlags wieder 
ausstellen. 88 ) 

Indem Bayern auf solche Weise jedesmal sich zu sichern wusste, bildete 
sich die Anschauung von einem Rechte der bayerischen Herzoge, den Salzpreis 
in Hallein mitzubestimmen. Während man in Salzburg behauptete, denselben 
nach eigenem Ermessen festsetzen zu können, machten jene geltend, weil das 
Halleiner Salz besonders durch Bayern ausgeführt werde, dürfe ohne ihr Vor¬ 
wissen und ihren Willen eine Änderung im Preise desselben nicht vorgenommen 
werden. 84 ) Durch die Schriften der folgenden Jahrhunderte zieht sich der Streit 
um dieses Recht hindurch. Für dasselbe lässt sich lediglich das eine anführen, 
dass in einer Reihe von Fällen thatsächlich die Erhöhung des Salzpreises 
im Einverständnis mit Bayern erfolgte. Dass nur in der gewohnheitsmässigeu 


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Haus Ockel 


I 2 


Ausübung der Grund des Rechtes zu suchen ist, geht daraus hervor, dass in 
den ersten Fällen die Herzoge sich niemals auf Rechtstitel beriefen, sondern 
nur von praktischen Rücksichten sich leiten Hessen. Vor allem wollten sie 
keine Minderung ihrer Zolleinkünfte; daneben machten sie auch das Wohl 
ihrer Unterthanen geltend. Auch erinnerten sie wohl das Erzstift an die 
Pflicht der Dankbarkeit: von den Herzogen begründet und reich begabt, dürfe 
es diesen nicht Schaden zufügen. 85 ) 

In Salzburg empfand man es schwer, dass Bayern in der angedeuteten 
Weise seinen Einfluss auf das Salzwesen ausdehnte. Jeder Erzbischof musste 
sich vor seiner Wahl verpflichten, die Rückgabe des Reverses von 1529 zu 
erwirken. 86 ) Ein Konflikt war unvermeidlich, als den erzbischöflichen Stuhl 
Wolf Dietrich von Raittenau bestieg, ein Mann, der, die Erhöhung 
seiner Kammereinkünfte rücksichtslos betreibend, kein Mittel und keinen 
Widerstand in der Verfolgung seiner Ziele scheute. 87 ) 

Nachdem er noch 1588 die Einwilligung des Herzogs Wilhelm zu 
eiuer Erhöhung des Salzpreises eingeholt und darüber einen Revers ausgestellt 
hatte, versuchte er im folgenden Jahre eigenmächtig einen Aufschlag vor¬ 
zunehmen. Wohl musste er am 12. September 1589 abermals einen Revers 
unterzeichnen, doch erhöhte er sofort wieder den Preis über das von Bayern 
bewilligte Mass. Ein neuer Streit zwischen Bayern und Salzburg brach aus 
der schliesslich durch die am 19. und 20. Dezember geschlossenen zwei 
Verträge bei gelegt wurde. 88 ) 

In dem ersten gab Herzog Wilhelm V. seine Ansprüche auf, indem 
er ausdrücklich anerkannte, dass ihm keinerlei Rechte bei dem Halleiner 
Salzwesen zustünden, sondern allein der Erzbischof befugt sei, den Preis des 
Salzes zu bestimmen. Jedoch war daran die Klausel gefügt, dass solches 
zuvor dem Herzog mitzuteilen sei. Was man aber darunter verstand, geht 
daraus hervor, dass man eine Konferenz von Räten beider Parteien, eventuell 
ein Schiedsgericht, vorsah für den Fall, dass „beide mit ihren Bedenken nicht 
zusammenkämen“ und sich nicht einigen könnten. Von salzburgischer Seite 
wurde ferner zugestanden, dass die Erträgnisse aller Aufschläge, welche der 
Erzbischof in Zukunft vornehmen würde, zur Hälfte au Bayern fallen sollten. 

Der am folgenden Tage geschlossene Vertrag enthielt neben der Ein¬ 
willigung des Herzogs zur Erhebung des strittig gewesenen Aufschlags und 
weiteren weniger bedeutenden Festsetzungen folgende höchst wichtige, bisher 
noch gar nicht beachtete Bestimmung: Sollten die Herzoge über das Salz, 
welches gewöhnlich durch die Bürger von Burghausen ausgeführt wird, täglich 
eine, zwei oder drei Scheibfahrten aüsführen wollen, so sollten sie solche 
nach Möglichkeit gegen bare Bezahlung erhalten und „nach Gelegenheit und 
durch wen sie wollen“, jedoch in der herkömmlichen Ordnung ausführen 
lassen können. 

Die neuen Momente, welche sich aus diesen zwei Verträgen vom 
Dezember 1589 für die Entwickelung des bayerischen Salzweseus ergeben, 
sind folgende: Bayern gab zwar seine Rechtsansprüche bei der Halleiuer 
Saline, deren Geltendmachung immer auf den Widerstand Salzburgs gestossen 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


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war, auf, hielt sich aber doch durch die angeführte Klausel die Möglichkeit 
offen, in der Praxis bei Aufschlägen, die ihm gefährlich oder schädlich er¬ 
scheinen mochten, seine Interessen zu wahren. Indem es die Hälfte der aus 
den Aufschlägen fliessenden Einnahmen zugesprochen erhielt, wurde es für 
einen etwaigen Ausfall an seinen Zoll- und Mauteinkünften entschädigt Was 
aber jene Bestimmung betrifft, welche dem Herzog die Freiheit gewährte, sich 
selbst am Salzhandel zu beteiligen, so steht diese in engem Zusammenhang 
mit den damaligen Plänen der Regierung. Sie wollte nicht nur den ganzen 
Salzhandel im Inlande in ihre Hand bekommen, sondern war auch darauf 
bedacht, wie den Salzhandel Augsburgs nach Friedberg zu ziehen, 89 ) so auch 
wenigstens einen Teil des grossen Gewinnes, welchen Regensburg und Passau 
aus dem Salzhandel nach Böhmen hatten, an sich zu bringen. 90 ) St Nikolaus 
vor Passau und Vilshofen sollten die Ausgangspunkte für den neuen Salz¬ 
handelsverkehr nach Böhmen werden. Der angeführte Artikel sollte die Durch¬ 
führung dieser Pläne ermöglichen. 

Das im Anfänge der neunziger Jahre auftauchende Projekt, das Halleiner 
Salz ganz aus Bayern zu verdrängen, wurde bald wieder fallen gelassen. Man 
konnte mit den bestehenden, durch altes Herkommen fest gegründeten Ver¬ 
hältnissen nicht brechen; auch floss mit der im Vertrag von 1589 Bayern 
zugesprochenen Hälfte der Aufschläge jährlich eine nicht unbeträchtliche 
Summe der Staatskasse zu. 91 ) Als aber trotzdem die Geldnot stieg und 
neue Steuern notwendig wurden, forderte 1593 die Regierung von der Land¬ 
schaft deren Zustimmung, von jeder Scheibe Salz, die im Lande verbraucht 
werde, einen Aufschlag von 24 Kreuzer erheben zu dürfen, ähnlich wie seit 
1543 der Konsum einiger anderer Lebensmittel besteuert wurde. Die Stände 
gaben auch ihre Einwilligung, jedoch mit dem Vorbehalt, dass, wenn nach 
12 Jahren sich zeigen werde, dass dieser Aufschlag 100000 Gulden nicht 
ertrage oder zu beschwerlich sei, man sich über andere Mittel vergleiche. 92 ) 

Die Einführung dieses Aufschlags gab Anlass zu neuen Zwistigkeiten 
mit Salzburg, welches nunmehr auf grund des Vertrages von 1589 betreffs 
der Teilung der Aufschläge die Hälfte der Erträgnisse beanspruchte, während 
Bayern mit Recht behauptete, dass jener Vertrag nur von den „bei der Wurzen“ 
vorgenommenen Aufschlägen gelte. 

Nach lebhaften Auseinandersetzungen 93 ) einigte man sich endlich am 
22. November 1594 zu einem neuen Vertrage, der einen Hauptmarkstein in 
der Geschichte des bayerischen Salzwesens bildet. 94 ) In demselben übertrug 
Erzbischof Wolf Dietrich für sich und seine Nachfolger den ganzen Handel 
des liällingischen Salzes zu Wasser, wie ihn bisher der Herzog, sowie die 
Städte Burghausen, Schärding und Passau gehabt, dem Herzog und seinen 
Nachkommen. Dieser verpflichtete sich, alles Salz, das bisher die genannten 
Städte abgenommeu, in der herkömmlichen, in einzelnen Punkten näher spezi¬ 
fizierten Weise auszuführen. Ein bestimmter Kaufpreis von 86 Gulden für 
die Hallfahrt, 88 Gulden für die Scheibfahrt wurde vereinbart; eine Steigerung 
sollte der Erzbischof nur dann vornehmen dürfen, wenn das österreichische 


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Hans Ockel 


Salz im Preise stiege, aber auch daun nur bis zur Hälfte des österreichischen 
Aufschlags. Der Handel zu Land verblieb dem Erzstift. 

Mit diesem Vertrage gewann die herzogliche Regierung eine ähnliche 
Stellung wie seiner Zeit durch die Übernahme der Salzproduktion in Reichen¬ 
hall, insofern sie nämlich die Verfügung über das nach und durch Bayern 
kommende Salz erhielt. 

Es ist nicht zu leugnen, dass damit ein Eingriff in fremde Rechte ge¬ 
schah, indem die bisherigen ersten Abnehmer des Halleiner Salzes plötzlich 
vom Handel ausgeschlossen wurden. So erhoben denn auch Passau und das 
mit demselben in engsten Verkehrsbeziehungen stehende Regensburg sofort 
Beschwerde beim Reichskammergericht. Doch da bei dem schwerfälligen 
Geschäftsgang dieses Gerichtshofes die Entscheidung allzu lange auf sich 
warten liess, zogen die genannten Städte es vor, 1608, beziehungsweise 1615, 
sich gütlich mit Bayern zu vergleichen. 95 ) 

Auch mit den eigenen Städten, welche bisher den Handel mit Halleiner 
Salz betrieben hatten, insbesondere mit Burghausen, musste sich die bayerische 
Regierung auseinandersetzen. Was sie schon sechs Jahre früher geplant hatte, 
wie den Reichenhaller so auch den Halleiner. Salzhandel den Städten abzu¬ 
nehmen und an sich zu bringen, 96 ) kam jetzt durch den Hofkammermeister 
Christoph Neuburger zur Ausführung. Die Handelsgerechtigkeiten wurden den 
bisherigen Inhabern allmählich abgekauft. So erhielt Burghausen dafür eine 
jährliche Rente von 400 Gulden; der Stadt Schärding wurden 300 Gulden 
jährlich und einige andere Vorteile zu gesichert. 9 ') 

Mit dem Ende des 16. Jahrhunderts war der ganze bayerische Salz¬ 
handel dank der Thätigkeit Neuburgers in die Hände des Landesherrn 
übergegangen. 98 ) Die Einfuhr und der Verkauf von fremdem, nicht von der 
herzoglichen Regierung geliefertem Salz wurde aufs strengste verboten: 90 ) das 
landesherrliche Salzmonopol war begründet. 

Was in Bayern nach dem Vorbilde Österreichs noch im 16. Jahrhundert 
durchgeführt wurde, fand im folgenden Jahrhundert auch in den norddeutschen 
Staaten allmählich Eingang. Indem so nicht nur die Salzproduktion, sondern 
auch der Salzhandel an die Fürsten überging, erfuhr der Begriff des Salz¬ 
regals dahin eine Erweiterung, dass man auch ein ausschliessliches Recht der 
Obrigkeit, Salz zu verkaufen, darunter verstand. 100 ) 

Die Entwickelung des landesherrlichen Salzmonopols ist nicht nur für 
die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Bedeutung, .sie ist auch 
von allgemeinem historischen Interesse als ein typischer Fall, wie die landes¬ 
herrliche Macht, anfangs politisch und wirtschaftlich schwach und besonders 
von den bürgerlichen Elementen zurückgedrängt, die Mängel des allmählich 
sich auslebenden Bürgertums klug benützend, auf allen Gebieten des öffent¬ 
lichen Lebens Schritt für Schritt vorwärts ging und die zersplitterten Kräfte 
des Landes in ihre erstarkende Hand zusammenfasste, bis sie wie politisch 
so auch wirtschaftlich zur uneingeschränkten Herrschaft gelangte. 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


15 


II. 

Die Verwaltung des bayerischen Salzmonopols 
im 17. Jahrhundert. 

I. Verwaltungsbehörden, insbesondere die Hofkammer. Bedeutung des Salz¬ 
monopols für den gesamten Staatshaushalt. Aufschläge. 

Das Salz gehörte zu den fürstlichen Kamraergütern. Unter diesen 
sind im Gegensatz zu den Kabinettsgütern, dem Privatbesitz des Fürsten, 
nach Kreittmayrs Definition jene Güter zu verstehen, „welche der Landes¬ 
herr nicht titulo vel jure privato, sondern publico und als Landesherr zu 
seinem und seines Hofes Unterhalt“ besass. 101 ) Ihre Verwaltung wie ihre 
Verwendung war im Gegensatz zu den Steuern, welche von der Landschaft 
erhoben, verwaltet und ihren Zwecken zugeführt wurden, l02 ) lediglich Sache 
des Landesherrn. 

Im 16. Jahrhundert war zur Leitung des herzoglichen Finanzwesens 
eine eigene Behörde, die Hofkammer, gegründet worden. Schon in der ersten 
Instruktion vom 18. Oktober 1550 wurde sie angewiesen, auch dem Salz¬ 
sieden zu Reichenhall besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die Rechnungen 
der Salzmair zu revidieren und vor allem auch die zum Sudwesen gewidmeten 
Waldungen zu überwachen. 108 ) Die Grundlage für die Verwaltung des Salz¬ 
monopols im 17. Jahrhundert bildet die Hofkammerordnung Maximilians I. 
vom 12. Dezember 1608, auf welcher auch die weiteren Instruktionen von 1617 
und 1640 beruhen. 104 ) 

Der Hofkammer wurde darin das „Prinzipal- und Hauptdirektoriura“ 
des ganzen Salzwesens ausdrücklich zugesprochen. 106 ) Fast mit denselben 
Worten wie in den früheren Instruktionen 106 ) wurde den Räten die Be¬ 
förderung des Sudwesens in Reichenhall, die Fürsorge für die Waldungen 
daselbst, die Kontrolle der Rechungen und die Aufsicht über die Beamten 
eingeschärft Nicht geringeren Fleiss und Sorgfalt sollten sie auf das 
Halleiner und Schellenberger Salzwesen verwenden, damit alles in guter 
Ordnung erhalten, eventuelle Mängel rechtzeitig entdeckt und verhütet und 
der Handel thunlichst befördert würde. 

Um zu verhindern, dass bei der grossen Geschäftslast der Hofkammer 
die Fürsorge für diesen wichtigen Zweig der Staatswirtschaft leide, wurden 
drei Räte als eigene Referenten dafür aufgestellt, welche alle einlaufendeu 
Berichte, Akte und Schreiben, die das Salzwesen betrafen, zuerst für sich 
„absonderlich der anderen Kammerrät auf der Salzstuben, doch soviel immer 
möglich und ohne Vernachteilung geschehen kann, ausser der gewöhnlichen 
Ratszeit“ durchsehen, prüfen und darüber sich beraten sollten. Wenn sie 
ein Gutachten untereinander vereinbart hätten, sollte die Sache unverzüglich 
im Kollegium des Hofkammerrates „mit allen Umständen“ referiert werden, 
wo sodann die endgiltige Beschlussfassung erfolgte. 


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Hans Ockel 


Für die Akten, welche das Salzwesen betrafen, wurde eine eigene 
„Salzregistratur“ bei der Hofkammer errichtet 107 ) 

Die Hofkammer konnte aber nur die laufenden Geschäfte selbständig 
erledigen. Alle wichtigeren Sachen hatte der Herzog, bezw\ Kurfürst bei der 
Bedeutung des Salzmonopols für den Staatshaushalt seiner eigenen Ent¬ 
scheidung Vorbehalten. Insbesondere gehörte dazu die Einführung neuer 
Aufschläge, die Aufhebung bereits bestehender, die Verhandlungen mit dem 
Ausland, die Abschliessung von Handelsverträgen. In solchen Fällen hatte 
die Hofkammer lediglich auf Verlangen Gutachten abzugeben, während die 
Entscheidungen im geheimen Rat stattfanden, 108 ) jener obersten Behörde, 
welche als der unmittelbare Rat des Fürsten meist unter dessen persön¬ 
lichem Vorsitz wie eine Art Oberministerium die letzten Entscheidungen 
nicht nur in Fragen der äusseren Politik, sondern auch der inneren Ver¬ 
waltung traf. 109 ) 

Wie im Laufe des 17. Jahrhunderts in der Leitung der äusseren 
Politik der geheime Rat allmählich von der nur aus wenigen Vertrauten des 
Kurfürsten gebildeten geheimen Konferenz verdrängt wurde, so machte sich 
auch in der inneren Staatsverwaltung eine ähnliche absolutistische Entwicke¬ 
lung bemerkbar. Unter Ferdinand Maria ging die Entscheidung über 
die letzten Direktiven vielfach ganz in die Hände des Kurfürsten, bezw. des 
allmächtigen Vizekanzlers Kaspar von Schmid über. Dieser unterhandelte 
selbst mit den auswärtigen Händlern und Gesandten und schloss mit ihnen 
Verträge ab. 110 ) Im Jahre 1673 wurde die Einführung eines Salzaufschlages 
in einer Konferenz beschlossen, an welcher nur Schmid, der Hofkammer¬ 
präsident und Hofkammerrat Hei gl teilnahmen. Wie die Einführung, so 
wurde auch die weitere Behandlung der Geschäfte nur wenigen Vertrauten 
überlassen. 11 ') 

So blieben der Hofkammer mehr die administrativen Geschäfte, die 
Direktive lag beim Kurfürsten selbst. 

Unter der Hofkammer standen die Rentämter, welche an den Sitzen 
der Regierungen zu Landshut, Straubing und Burghausen die Finanzen, also 
auch die Salzsachen, dieser Bezirke als Mittelbehörden verwalteten; im Rent- 
amte München besorgte diese Geschäfte die Hofkammer selbst. Aussen- 
behörden waren die Salzmairämter, welche die Produktion des Salzes leiteten, 
und die Salzämter, welche den Verschleiss besorgten. 

Die Erträgnisse des Salzmonopols wurden wie alle landesherrlichen 
Einkünfte an die unter der Hofkammer stehende Staatskassa, das Hof zahl- 
amt, abgeführt. 

Eine „ansehnliche Gottesgabe und nicht das wenigste Einkommen 
unseres Fürstentums“ nennt Maximilian I. in der Hofkammer-Instruktion 
von 1608 das Reichenhaller Salzwesen. 112 ) In den Jahren 1650—63 betrug 
der Gewinn, den dasselbe abwarf, durchschnittlich 97500 Gulden im Jahr. 113 ) 
Eine genaue Berechnung der Einkünfte aus dem Salzmonopol und des Ver¬ 
hältnisses derselben zu den gesamten Staatseinnahmen ist bei dem bisher 
zur Verfügung stehenden Material vorläufig nicht möglich. Nach den Hof- 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols*in Bayern etc. 


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zahlamtsrechnungeti betrugen zur Zeit Ferdinand Marias — also zu einer 
Zeit, wo einerseits das Salzmonopol schon vollkommen ausgebildet war, 
anderseits nicht Kriege oder sonstige Unternehmungen die Finanzen be¬ 
sonders in Anspruch nahmen — die Salzeinnahmen ungefähr den dritten 
bis vierten Teil der Gesamteinnahmen, die Ausgaben für das Salzwesen un¬ 
gefähr den fünften bis siebenten Teil der Gesamtausgaben. Dabei ist aber 
zu berücksichtigen, dass die erwähnten Hofzahlamtsrechnungen nur ein sehr 
mangelhaftes Bild des Staatshaushaltes geben, und dass ferner einige Salz¬ 
ämter zunächst mit ihren Vorgesetzten Rentämtern abrechneten und diese 
nur die Überschüsse, die sich aus ihrer Gesamtabrechnung ergaben, an das 
Hof zahlamt ablieferten. 1 u ) 

Eine grosse Rolle spielten die Aufschläge. Da unter diesen Begriff 
verschiedenartige Dinge befasst wurden, sei auf dieselben näher eingegangen. 

Aufschlag bezeichnet im allgemeinen eine Erhöhung des durch das 
Herkommen oder sonst wie fixierten Preises. Eine solche konnte aber zwie¬ 
fachen Ursprungs sein: entweder steigerte der Verkäufer den Preis seiner 
Ware infolge erhöhter Produktions- und Transportkosten oder auch zur Er¬ 
zielung eines grösseren Gewinnes, oder es wurde von Obrigkeitswegen zur 
Bestreitung öffentlicher Bedürfnisse eine indirekte Steuer auf eine Ware gelegt. 

Letztere Art von Aufschlägen, Aufschläge im staatsrechtlichen Sinne, 
bestanden, wie bereits erwähnt, seit 1543 in Bayern. Zu ihrer Erhebung war 
die Regierung an die Zustimmung der Landstände gebunden. So wurde 
auch der 1593 zur Verbesserung des herzoglichen Kammerguts eingeführte 
Salzaufschlag von 24 Kreuzer pro Scheibe mit Bewilligung der Landschaft 
erhoben. 116 ) 

Nachdem im Jahre 1594 das Salzmonopol in Bayern begründet worden 
war, nahmen die Salzaufschläge den Charakter einfacher, auf kaufmännischer 
Spekulation beruhender Preissteigerungen an, indem die Regierung, wie jeder 
Verkäufer unter Berücksichtigung gewisser Verhältnisse den Preis seiner Ware 
festsetzt, so den Preis des von ihr selbst auf den Markt gebrachten Salzes be¬ 
stimmte. 11C ) Dass sie dabei immer massvoll vorging und nicht, ihre Macht 
benützend, die Unterthanen ausbeutete, war wohl weniger in ihrer Fürsorge 
für dieselben als vielmehr darin begründet, dass sie für einen .grossen Teil 
ihres Salzes auf den Absatz im Ausland angewiesen war, wo die Konkurrenz 
fremder Salze den Preis herabdrückte. So .stellte Maximilian, als er be¬ 
sonders bei Beginn des dreissigjährigen Krieges wiederholt Aufschläge vor¬ 
nehmen musste, sowohl den Verordneten der Landschaft, welche darüber 
klagten, als dem Erzbischof von Salzburg vor, dass er solches nur gethan 
habe, um bei der eingerissenen Unordnung im Münzwesen, der allgemeinen 
Steigerung der Lebensmittelpreise, der Erhöhung der Transportkosten etc. 
keinen Schaden zu leiden. 117 ) Ebenso setzte die bayerische Regierung jeder 
Zeit, sobald es möglich war, den Salzpreis wieder herab. Nur unter Ferdi¬ 
nand Maria wurde im Jahre 1673 wieder ein Aufschlag vorgenommen, der 
als indirekte Steuer anzusehen ist, indem zur Bestreitung der „extraordinari 
Bayer. Forschungen VII, 1. 2 


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Hans Ockel 


Kriegsunkosten“ von jeder Scheibe und Kufe, die im Inland konsumiert 
wurde, V* Gulden erhoben wurde. 118 ) 

Im allgemeinen wurden die Aufschläge an allen Orten und von allen 
Käufern gleichmässig erhoben. Doch kam es auch vor, dass man je nach 
den lokalen Verhältnissen an einem Orte mit einem geringeren Aufschlag 
sich begnügen musste, während man an anderen mehr erheben konnte. 119 ) 
Von sehr zweifelhaftem Werte war die Massregel, dass man gelegentlich bei 
Erhebung des Aufschlags zwischen Inländern und Auländern zu Lasten der 
ersteren 'Unterschiede machte. Die Folge war, dass der Schleichhandel mit 
Salz, das „Salzschwärzeu“, in ganz besonderem Masse zunahm. 120 ) 

Über die Ansprüche Salzburgs, an den Erträgnissen der Aufschläge 
auf das Halleiner Salz zu partizipieren, sowie über die damit zusammen¬ 
hängende Unterscheidung von ordinari- und extraordinari-Aufschlägen wird 
unten bei der Übernahme des Halleiner Salzes gehandelt werden. 

2. Die Salzproduktion zu Reichenhall und die Übernahme von Halleiner und 

Berchtesgadener Salz. 


Das von der bayerischen Regierung zum Verkauf gebrachte Salz war 
von ihr teils selbst produziert, teils von auswärtigen Staaten auf grund ge¬ 
wisser Verträge übernommen worden. 

Die Erzeugung des Salzes geschah an den Salzmairäintern zu Reichen - 
hall und Traunstein. Von diesen war das erstere um die Wende des 15. und 
16. Jahrhunderts mit dem Übergang der Saline aus den Händen der Bürger 
an den Herzog entstanden. Das letztere wurde erst im Jahre 1618 errichtet, 
nachdem die neue Solenleitung von Reichenhall nach Traunstein vollendet war. 

Es ist bekannt, welche Gründe die Erbauung dieses Werkes ver- 
anlassten. 121 ) Das in Reichenhall znr Verfügung stehende Holz reichte, zumal 
nachdem noch 1613 eine neue Quelle entdeckt worden war, nicht mehr aus, 
die ganze Sole zu versieden; aus ferner gelegenen Waldungen Holz herbei¬ 
zuschaffen, war zu kostspielig. Durch die von ReiffenStuhl 1616 bis 1618 
erbaute Leitung wurde nun die Hälfte des Salzwassers nach dem von Wäldern 
umgebenen Traunstein geführt. 

Über die Gewinnung dieser Sole zu Reichenhall und die Art der Salz¬ 
bereitung sei kurz folgendes bemerkt 122 ) 

Die Salzquellen waren in einen Brunnenschacht zusammengefasst, aus 
dem sie mittels eines Paternosterwerkes zu Tage gefördert wurden. In grossen 
Behältern, Wasserstuben genannt, wurde sodann die Sole aufbewahrt und, um 
sie siedewürdig zu machen, durch Zusatz von vorher erzeugtem, aber nicht 
gedörrtem Salz — teilweise wurde auch Fronreuter Salz dazu verwendet — 
„gereichert.“ Erst diese konzentrierte Sole wurde auf die Sudpfannen, deren es 
in Reichenhall fünf, in Traunstein vier gab, abgelassen und auf denselben 
versotten. Das nach dem Verdampfen des Wassers zurückgebliebene Salz 
wurde nunmehr in hölzerne kegelförmige Gefässe gepresst, ,2n ) sodass es 
deren Form annahm. Die nach Abnahme derselben sich ergebenden kegel- 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salznionopols in Bayern etc. 


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förmigen Salzstöcke waren die „Fuder“. l24 ) Sie wurden noch in den Härt¬ 
häusern „gepfieselt“, d. i. am Feuer ausgedörrt und gehärtet, und dann teils 
so, wie sie waren, verkauft, meist aber auf der Stossstatt gestossen und in 
„Scheiben“, deren eine 3 Fuder fasste, gepresst. Diese Scheiben bildeten das 
Normalmass für den Verschleiss des Reichenhaller Salzes. Bisweilen wurden 
auch drei Scheiben in ein Fass gestossen. 

Nach einer erhaltenen Berechnung aus dem Jahre 1670 beliefen sich 
damals die Erzeugungskosten in Reichenhall und Traunstein auf ungefähr 
50 Kreuzer pro Scheibe. 125 ) 

Die Salzproduktion zu überwachen und die für dieselben nötigen An¬ 
ordnungen zu treffen, war Aufgabe des Salzmairs. Er war der Vorgesetzte 
aller beim Sudwesen beschäftigten Beamten (Salz-Offiziere) und Arbeiter und 
hatte die niedere Gerichtsbarkeit (sogenannte Hofmarksgerichtbarkeit) über die¬ 
selben. I2e ) Die Löhnung der Arbeiter erfolgte zum Teil durch Lieferung von 
Getreide, wofür der Salzmairaints-Kastner zu sorgen hatte. Die Aufsicht über 
die zum Sudwesen gehörigen Waldungen hatte ein Waldmeister. Ausserdem 
waren an einem Salzmairamt noch als Beamte augestellt ein Salzmairamts- 
gegenschreiber, ein Salzbeamter, wohl derjenige Beamte, welcher den Verschleiss 
das Salzes unter sich hatte, wie die Salzbeamten an den unten genannten 
Salzämtern, ein Sud- und Fuderschreiber, ein Pfieselschreiber, ein Salzfertiger, 
welcher die Abfertigung und Spedition des für die einzelnen Salzämter be¬ 
stimmten Salzes besorgte, und ein Kufen verwalten ,,T ) 

Die Übernahme des Halleiner Salzes gründete sich auf die zwei bay¬ 
erisch - salzburgischen Hauptverträge vom 22. November 1594 und 22. De¬ 
zember 1611, die bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Geltung 
blieben. Eine Ergänzung dazu bietet die 1616 vereinbarte Schiff Ordnung. 128 ) 

Im Jahre 1594 hatte der Herzog den ganzen Halleiner Salzhandel zu 
Wasser, wie ihn bislang die Städte gehabt, auf sich genommen. Dies wurde 
1611 aufs neue bestätigt und weiter ausgeführt, dass weder der Herzog ein 
anderes fremdes Salz neben dem Halleiner an sich bringen, noch der Erz¬ 
bischof einem anderen die Ausfuhr des Salzes zu Wasser überlassen oder über¬ 
haupt anderer Gestalt, als seit alters Herkommen, bewilligen dürfe. Der Salz¬ 
handel zu Land blieb, soweit er dem Verschleiss auf dem Wasser nicht nachteilig 
sein würde, in Händen des Erzbischofs. 

Das Quantum des jährlich von Bayern auszuführenden Salzes wurde 
1611 auf 1100 Pfund Kufen, in Hallfahrten geteilt, 129 ) festgesetzt. Sollte der 
Herzog mehr absetzen können, war der Erzbischof verbunden, solches Mehr, 
wenn es möglich und früh genug vorher angekündigt war, zu verabfolgen. 
Auch sollte er dafür sorgen, dass das Salz „in gebührender Mass und Qua¬ 
lität“ geliefert werde, damit es ein „gewährlich Kaufmannsgut“ sei. 

In den früheren Zeiten hatten die städtischen Fertiger das Recht ge¬ 
habt, bei der Salzbereitung in Hallein selbst anwesend zu sein oder dieselbe 
durch einen Diener überwachen zu lassen. In dieses Recht war mit Über¬ 
nahme des Handels der Herzog eingetreten. Mit der Ausübung desselben 
wurde ein Beamter betraut, der nunmehr für ständig und nur für diesen 


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Zweck aufgestellt war: der bayerische Oberau sch aff er zu Hallein. ,80 ) Zu 
seiner Unterstützung waren ihm einige Adjunkten bei gegeben. 

Das Normalmass für den Handel mit dem Halleiner Salz war die Kufe, 
welche der Reichenhaller Scheibe an Inhalt und Gewicht so ziemlich gleich 
kam. ,31 ) Die Halleiner Fuder waren bedeutend grösser als die zu Reichenhall 
üblichen. Die Ausfuhr zu Wasser erfolgte in Hallfahrten. Für eine solche 
wurden 244 Fuder bestimmt: 211 wurden in 186 Kufen gestossen, die üb¬ 
rigen 33 gingen, nur mit Spänen zusammengehalten, als „Setzfuder“ mit Sie 
wurden an den Salzämtern zur „Ein- oder Nachfüll“ verwendet, da es häufig 
vorkam, dass beim Transport die Kufen Schaden litten und der Inhalt auslief 
oder durch Nässe verdorben wurde. 

Die Spedition des Salzes, welche ehedem den städtischen Fertigern 
und deren Meisterknechten obgelegen, war einem weiteren herzoglichen Be¬ 
amten übertragen, dem Salzfertiger, der seinen Sitz in Laufen, dem Mittel¬ 
punkte des SchiffahrtsVerkehrs hatte. ,32 ) Er hatte die Fahrt von Laufen 
abwärts zu überwachen, für die Instandhaltung der Schiffe zu sorgen und 
war überhaupt der Vertreter der bayerischen Interessen beim Transport des Salzes. 

Zu Anfang jeden Jahres teilte der Herzog, bezw. Kurfürst dem Erz¬ 
bischof mit, wie viel Salz er im kommenden Jahre abzunehmen gedenke. ,88 ) 
Die Ausfuhr selbst fand von Georgi bis gegen Weihnachten statt Der alte, 
umständliche, auf Privilegien verschiedenster Art gegründete Betrieb wurde 
beibehalten. Der Herzog musste sein Salz auf den erzbischöflichen Schiffen 
durch die Erbaus- und Erbuaufergen befördern lassen. ,88 ‘) Auch das alte 
salzburgische Schiffsgericht in Laufen musste Herzog Maximilian, wenn 
auch mit Widerstreben, für kompetent anerkennen in allem, „was sich auf 
denen zum Salzwesen gehörigen Salzschiffen ausser der Malefiz und Vizdom- 
wändel zwischen oder unter den Schiffleuten und Salzarbeitern allein auf dem 
Wasser und gedachten Salzschiffen in des Herzogs von Bayern Landen begibt 
oder zuträgt“. 184 ) Bis nach Passau erstreckte sich die Polizeihoheit des Erz¬ 
bischofs in Sachen der Salzschiffahrt. 

Im Februar oder März jeden Jahres fand zu Laufen die „Sankt Nikolaus- 
Gotteshaus-Rechnung“ statt. Nicht wegen der Abrechnung über die fromme 
Stiftung, um die es sich dabei handelte, ist dieselbe bemerkenswert, sondern 
deshalb, weil nach altem Herkommen an diesem Tage die „Wasserseher“ und 
alle anderen Schiff arbeiter auf genommen und vereidigt, eventuelle Lohn- 
steigerung mit den Arbeitern vereinbart wurden und überhaupt alles, was auf 
die Schiffahrt und die Salzübernahme Bezug hatte und abzustellen oder zu 
verbessern war, von den bayerischen und salzburgischen Abgeordneten zur 
Sprache gebracht wurde. ,36 ) 

Von grosser Wichtigkeit wurde folgende Bestimmung des Vertrages 
von 1611: Sollte der Salzverschleiss durch „Krieg, anderes Salz auch ander 
casus insolitos et improvisos, wie die vermög geschriebener gemeiner Recht, 
keine ausgenommen, sein können“, ohne Verschulden der Herzoge gehemmt 
werden und die 1100 Pfund nicht verkauft werden können, so sollte den 
Herzogen nicht zugemutet werden, mehr Salz anzunehmen, als sie zu ver- 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salznionopols in Bayern etc. 


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schleissen imstande wären. Umgekehrt war auch der Erzbischof nicht ver¬ 
pflichtet, eine Entschädigung zu geben, wenn er wegen unverschuldeter Un¬ 
fälle die noo Pfund nicht liefern könnte. 186 ) 

Jm Jahre 1618 verlangte nun Maximilian unter Berufung auf die 
durch die Unruhen in Böhmen verursachte Hemmung des Handels nur 800 
Pfund. m ) Im Laufe des dreissigjährigen Krieges, insbesondere seit dem 
Jahre 1632, sank das Quantum dessen, was Bayern an Salz von Hallein aus¬ 
führte immer mehr, bis es gegen das Ende des Krieges auf 3—400 Pfund 
sich belief. Auch nach dem Friedensschlüsse zeigte sich nicht so schnell 
eine Besserung. Nur langsam kam es unter Ferdinand Maria wieder dahin, 
dass gegen Ende der siebziger Jahre die vertragsmässige Quantität wiederum 
fast vollständig übernommen wurde. Während nun 1619 und 1620 Erz¬ 
bischof Marx Sittich die Gründe, mit denen Maximilian diese Minderung 
motivierte, anerkannt hatte, 188 ) gab man später in Salzburg sich damit nicht 
zufrieden, sondern verlangte, dass man bayerischerseits genau nachweise, in 
wie weit die im Vortrage erwähnten Casus insoliti, besonders Krieg und fremdes 
Salz — nämlich das nach Böhmen eindringende österreichische Salz — den 
Rückgang des Verschleisses verursacht hätten, und behauptete, dass die bayerische 
Regierung in ihrem eigenen Lande den Absatz von Reichenhaller Salz zum 
Schaden des Halleiner in Unrechter Weise begünstige. Eine Konferenz 
bayerischer und salzburgischer Räte zu Neuötting im Jahre 1656, welche 
diese und andere Streitfragen durch gütliche Vereinbarung erledigen sollte, ver¬ 
lief bei der Hartnäckigkeit, mit welcher beide Parteien ihren Standpunkt be¬ 
haupteten, völlig resultatlos. 189 ) Zwar wiederholten die Erzbischöfe ihre Proteste 
und Ansprüche auf Entschädigung gelegentlich immer wieder, doch erst als 
1755 wegen der Münze es zu neuen Streitigkeiten zwischen Bayern und Salz¬ 
burg kam, wurden auch diese Ansprüche wiederum energisch geltend ge¬ 
macht. 14 °) 1766 wurden die Zwistigkeiten durch einen neuen bayerisch-salz- 

burgischen Vertrag beseitigt. 141 ) 

Sehr wichtig wurde auch die 1611 getroffene Bestimmung betreffs der 
Aufschläge. Es wurde festgesetzt. 142 ) dass solche in Zukunft nur mit „beider 
Fürsten Vorwissen und mit gemeiner Einwilligung“ vorgenommen werden 
dürften. Für den Fall, dass man sich nicht einigen könnte, wurde ein Schieds¬ 
gericht vorgesehen. Über eine Teilung der Aufschläge, wie sie 1589 verein¬ 
bart worden war, wurde nichts bestimmt; doch liess Maximilian, als er von 
1620 an wiederholt Preissteigerungen vornehmen musste, die Hälfte des Er¬ 
trags derselben anfangs mit dem Kaufschilling zusammen monatlich, später 
quartalsweise an Salzburg auszahlen. ,48 ) Bei dieser Praxis blieb es im allge¬ 
meinen das ganze Jahrhundert hindurch, nur drei Fälle bilden eine Ausnahme. 
Als nach dem Einfalle der Schweden in Bayern Maximilian, um den ins 
Stocken geratenen Verkehr wieder in Gang zu bringen, die vom Feinde zer¬ 
störten Schiffe und Geräte mit grossen Kosten hatte wiederherstellen lassen, 
erhob er 1634 bis 38 einen Aufschlag, diesmal jedoch ohne die Zustimmung 
des Erzbischofs eingeholt zu haben oder ihm irgendwelchen Anteil am Ertrag 
zu gewähren. Erst 1639 machte dieser seine Ansprüche geltend, der Kur- 


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Hans Ockel 


fürst aber wies dieselben zurück mit der Begründung, der gedachte Aufschlag, 
der nur zur Deckung der lediglich ihm allein erwachsenen extraordinari-Un¬ 
kosten gedient hätte, sei als ein „extraordinär-Aufschlag“ zu betrachten. l44 ) 
Salzburg erhob dagegen Protest. Auch diese Streitfrage blieb bis 1766 unerledigt. 

In gleicher Weise bezeichnete Ferdinand Maria den bereits er¬ 
wähnten Aufschlag von 1673 als extraordinari-Aufschlag, bei dem weder die 
Einwilligung des Erzbischofs nötig noch dessen Ansprüche auf Mitgenuss 
berechtigt seien. I45 ) Im Jahre 1691 wurde abermals von Bayern ein Auf¬ 
schlag ohne Zustimmung des Erzbischofs erhoben, doch schon im nächsten 
Jahre wieder beseitigt 

Was die Übernahme des Fronreuter Salzes von Berchtesgaden betrifft, 
so wurde bereits berichtet, wie Bayern sich desselben gleich nach Entdeckung 
der Salzlager versicherte. Die Verträge 1555 und 1564 blieben bis zum Jahre 
1795 die Grundlage dieser Verhältnisse. 146 ) Alles in Fronreut bereitete Salz, 
und zwar sollte jährlich nicht unter 20 Wochen gesotten werden, sollte nur 
durch den Hallturm nach Reichenhall gefertigt werden. Als Preis wurde ein 
für allemal „ohne einige fernere Steigerung“ 14 Kreuzer pro Säm festgesetzt. 147 ) 
An Aufschlägen sollte Berchtesgaden nur dann teilhaben, wenn es infolge von 
Unfällen oder Steigerung der Produktionskosten ohne Schaden nicht mehr 
sieden könnte. Schon 1589 wurde der Kaufpreis erhöht, ,48 ) 1609 wurde er 
auf 17 1 '2 Kreuzer pro Säm festgesetzt. Zugleich erklärte sich Bayern damals 
bereit, bei günstigen Absatz Verhältnissen über die 20 Wochensude noch ein, 
zwei, drei oder vier weitere annehmen zu wollen. 149 ) 

Im Handel ging das Fronreuter Salz ganz mit dem Reichenhaller zu¬ 
sammen und unter dessen Namen. 

Das Schellenberger Salz wurde zu Wasser mit dem Halleiner zusammen 
ausgeführt. Lange Zeit war der Salzausgang vonseiten des Erzstifts gesperrt, 
bis 1613 ein Interimsvertrag dem Stifte die Ausfuhr von jährlich 33 Pfund 
Kufen bewilligt. Dabei blieb es bis 1624. 1B0 ) Die folgenden Jahre wurde 
der Salzausgang abermals gesperrt, bis 1628 festgesetzt wurde, dass ausser 
10 Pfund Kufen „Freiung“ unter 100 Pfund, die von Hallein ausgeführt 
werden, 5 Pfund Schellenberger Salz ausgehen sollten. 15 ') 

Für das Quantum einer Hallfahrt wurden von Bayern an Berchtes¬ 
gaden anfangs 127 Gulden, von 1618 an 144 Gulden 22*2 Kreuzer bezahlt; 
1622 wurde dieser Preis verdoppelt, 1629 aber wieder auf 144 Gulden 22 1 2 
Kreuzer herabgesetzt. Mit den Aufschlägen wurde es gehalten wie bei Salzburg. 

Schellenberger Salz wurde auch auf dem Landwege durch bayerisches 
Gebiet nach Tirol geführt, durfte aber nach dem Vertrage von 1609 nirgends 
in Bayern verkauft werden. Iö2 ) 

Neben dem von der Regierung gelieferten Salz durfte kein anderes 
im Lande verhandelt werden. Wiederholte Mandate verboten aufs strengste 
die Einfuhr von fremdem Salz und bedrohten die „Salzkauderer“ und „Salz¬ 
schwärzer“ mit Konfiskation ihrer Ware. 158 ) 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 23 


3. Der Absatz des Salzes. 

Der Absatz des der Regierung gehörigen Salzes war, soweit er im 
Inland stattfand, den Salzämtern übertragen. Wie man in anderen Dingen 
an dem alten Herkommen festhielt, so blieben auch die alten Absatzgebiete 
im allgemeinen bestehen: das reiche Salz wurde an den Salzämtern zu 
Wasserburg, Rosenheim, München, Tölz, Laudsberg und Friedberg, das arme 
zu Burghausen, S. Nikolaus bei Passau, Vilshofen, Straubing, Stadtamhof 
verkauft. Die Ämter Landshut und Ingolstadt hatten beide Salze im Ver- 
schleiss, zu Donauwörth wurde bis 1670 Reichenhaller, von da an Halleiner 
Salz abgegeben. 154 ) 

Abnehmer des an den Salzämtern zum Verkauf gebrachten Salzes waren 
zunächst die Einwohner des Ortes und der näheren Umgebung, sodann Händler 
aus anderen Städten und Märkten, an denen sich kein Salzamt befand. Sie 
kauften das Salz in grösseren Quantitäten und gaben es zuhause im Klein - 
verkauf, jedoch auch nur zu bestimmten Preisen, wieder ab. 156 ) Auf dem 
Lande wurde Salz meist von herumziehenden Händlern feilgeboteu, die es bei 
den Salzämtern oder bei der „Wurzen“ zu Reichenhall und Traunstein 
kauften. 166 ) So hatte der kurfürstliche „Amtsverschleiss“ das bürgerliche 
Element im Handel zwar bedeutend eingeschränkt, aber doch nicht ganz 
verdrängt. 

Der Absatz war an den einzelnen Salzämtern natürlich sehr verschieden. 
Der Preis des Salzes war nicht ein und derselbe für das ganze Land, sondern 
änderte sich je nach der Entfernung des einzelnen Amtes von der Produktions¬ 
stätte und den dadurch sich ergebenden Transportkosten. So wurde eine 
Scheibe Reichenhaller Salz zu München um 1 Gulden 31 Kreuzer, zu Donau- 
wörtli um 2 Gulden 5 Kreuzer verkauft. 167 ) 

Das Halleiner Salz wurde zu Wasser nach Burghausen, St. Nikolaus 
vor Passau, dann die Donau aufwärts bis nach Donauwörth transportiert, das 
Reichenhaller Salz mittels Achse befördert. 

In der Regel war an einem Salzamte ein Salzbeamter und ein Salz- 
gegenschreiber angestellt Kleinere Ämter wurden zum Teil von solchen 
Beamten geführt, die schon ein anderes verwalteten; so waren zu Burghausen 
und Stadtamhof die Mautner zugleich Salzbeamte. 168 ) 

Die Salzbeamten hatten den Verschleiss zu Übemachen und zu regeln, 
über die Kasse, sowie den Salzvorrat genau Buch zu führen und alle vierzehn 
Tage einen Auszug aus den Wocheurechnungen (sog. Salz-Wochen-Extrakte), 
alle Vierteljahre die Quartalsabschlüsse an die Hofkammer einzusenden. 159 ) 
Sie mussten dafür sorgen, dass auch der „gemeine Mann“ sein Gut „wolil- 
gewährlich“ bekam, anderseits aber auch darauf achten, dass bei der Ein¬ 
füll nicht zu viel Salz verschwendet wurde. 160 ) Ihnen oblag es darüber 
zu wachen, dass immer genügender Vorrat vorhanden sei und, falls sie 
glaubten, dass irgendwie die landesherrlichen Kammereinkünfte Schaden litten, 
darüber Bericht zu erstatten. 


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24 


Hans Ockel 


Nach anderen Gesichtspunkten als der Verschleiss im Inlande musste der 
auswärtige Handel dirigiert werden. 

Bayerische Unterthanen, welche als Sämer oder Fuhrleute Salz ins 
Ausland verhandelten, scheint es in grösserer Anzahl nur im bayerischen 
Walde an der böhmischen Grenze gegeben zu haben. 161 ) Mehr kamen aus¬ 
ländische Fuhrleute an die bayerischen Salzämter, um dort Salz zu kaufen 
und in die Heimat zu bringen. Um diesen entgegenzukommen, waren ihnen 
wohl einzelne Begünstigungen eingeräumt. So erhielten die Weinfuhrleute, 
welche nach Friedberg, München und Landshut kamen, wenn sie zur Rück¬ 
fracht Salz verluden, die Scheibe um einige Kreuzer billiger. 162 ) In welchem 
Umfange diese Art des Handels stattfand, lässt sich nicht ermitteln. 

In besonderer Weise war die bayerische Regierung darauf bedacht, 
grössere Absatzgebiete sich dauernd zu sichern und sowohl mit Privatunter¬ 
nehmern als mit einzelnen Staaten Verträge abzuschliessen, welche diese zu 
regelmässiger Abnahme grösserer Quantitäten verpflichteten. Hier traten 
äussere und innere, wirtschaftliche Politik in enge Beziehung und Wechsel¬ 
wirkung. 

Es w r urde bereits erwähnt, dass die zwei Haupthandelsplätze des Halleiner 
Salzes, Regensburg und Passau, gegen den salzburgisch-bayerischen Vertrag 
vcn 1594 beim Reichskammergericht Einspruch erhoben, dann aber sich güt¬ 
lich mit Bayern auseinandersetzten. 

Im Jahre 1608 verpflichtete sich die Stadt Passau, alles Salz, was sie 
verschleissen zu können vermeint, von Bayern zu kaufen, während dieses 
dasselbe, wie es von der Stossstätte kommt, zu liefern versprach. Zum Ver¬ 
schleiss wurde für Passau das Gebiet der böhmischen Städte Prachaditz, 
Winterberg, Berg Reichenstein und Schüttenhofen bestimmt. 168 ) Der Verkaufs¬ 
preis richtete sich in Passau nach dem von Vilshofen, wobei zur Deckung 
der Unkosten und als Gewinn der Stadt 6 Kreuzer verblieben. Die Auf¬ 
schläge wurden von den Passauern ebenso wie von den bayerischen Salz¬ 
ämtern erhoben und der Ertrag dem Salzbeamten von St Nikolaus erstattet. 

In gleicher Weise kam 1615 Regensburg mit Bayern überein. 164 ) Die 
Stadt behielt den Salzhandel nach Franken, in die Oberpfalz und nach Böhmen, 
verpflichtete sich dagegen alles Salz, und zwar jährlich mindestens 500 Pfund 
Kufen, von Bayern anzunehmen und nur 6 Kreuzer zur Deckung der Un¬ 
kosten und Erzielung eines Gewinns auf den Einkaufspreis zu schlagen. 
Als im Jahre 1633 sich Differenzen zwischen der Stadt und Bayern erhoben, 
sperrte Maximilian die Salzabgabe und errichtete in Stadtamhof eine Interims¬ 
legstätte. Nach dem Friedensschluss wurde die alte Ordnung wieder her¬ 
gestellt. 

Ein Hauptabsatzgebiet des Halleiner Salzes war, wie erwähnt, Böhmen. 165 ) 
Nach der politischen Vereinigung dieses Landes mit den österreichischen Erb¬ 
landen versuchten die Habsburger, wie hier im 15. und 16. Jahrhundert be¬ 
reits geschehen, so auch aus ihrem neuerworbenen Gebiete das Halleiner Salz 
zu gunsten ihres eigenen zu verdrängen. 1564 und 1566 wurden entsprechende 
Verordnungen erlassen; ein Protest Bayerns und Salzburgs, die sich auf das 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 25 


alte Herkommen beriefen, hatte keinen wesentlichen Erfolg. Sobald der Herzog 
selbst den Handel übernommen hatte, versuchte er aufs neue Böhmen für den 
Absatz des Halleiner-Salzes zu sichern; allein der 1597 entworfene, für Bayern 
vorteilhafte Vertrag erhielt nicht die kaiserliche Ratifikation, ja Erzbischof 
Wolf Dietrich trat sogar in einem 1600 zu Pilsen geschlossenen Geheim¬ 
vertrage an den Kaiser gewisse salzburgische Waldungen für das Ischeler 
Sud werk ab. 166 ) 

Kaiser Ferdinand II. belegte alles nach Böhmen gehende Halleiner Salz 
mit einem Eingangszoll, indem er von jeder Kufe erst 45 Kreuzer, dann 
1 Gulden erheben liess. Im Jahre 1629 benützte Kurfürst Maximilian die 
günstige Gelegenheit, die ihm der pfandweise Besitz Österreichs und der 
österreichischen Salinen bot, um auf den Kaiser einen Druck auszuüben. 
Nach längeren Verhandlungen einigte man sich am 4. November 1630 dahin, 
dass der Kaiser zwar einen Aufschlag von 50 Kreuzer auf.die Kufe erheben 
dürfe, dagegen gehalten sein solle, nicht nur in gleichem Masse mit dem 
Preise seines österreichischen Salzes aufzuschlagen, sondern auch den freien 
Verschleiss des Halleiner Salzes in ganz Böhmen wieder zu gestatten. 167 ) 
Bis 1639 wurde dieser Vertrag beachtet, dann aber wurde ein neuer Aufschlag 
eingeführt, der 1645 noch erhöht wurde. Wiederholt begehrte in den folgenden 
Jahren die bayerische Regierung die Aufhebung dieser Massregeln. Lange 
wurde sie mit leeren Versprechungen hingehalten, bis endlich im Oktober 1654 
eine Konferenz bayerischer und österreichischer Räte zustande kam; doch 
verlief dieselbe ebenso wie weitere von dem bayerischen geheimen Rate 
Schmid von Oktober 1658 bis April 1659 in Wien geführte Unterhand¬ 
lungen völlig resultatlos. Vom Oktober 1666 bis September 1667 wurde im 
Zusammenhang mit Besprechungen über die Gründung grosser kommerzieller 
Unternehmungen auch die Aufhebung des böhmischen Salzaufschlages von 
den bayerischen Räten Lei dl und Barbier in Wien betrieben. 168 ) Das Ende 
der grossangelegten Verhandlungen war lediglich das, dass Österreich die 
Hälfte des Aufschlags dem Kurfürsten von Bayern auf zehn Jahre überliess. 
1678 und 1688 wurde dieser Vertrag erneuert. Den Zwistigkeiten, die sich 
1698 aufs neue ergaben, folgten bald bedeutendere politische Zerwürfnisse und 
der spanische Erbfolgekrieg. Im Jahre 1706 erliess Kaiser Joseph, seinen 
Sieg im Felde auch zur Stärkung seiner wirtschaftlichen Position benützend, 
ein Mandat, welches dem Verschleisse des Halleiner Salzes in Böhmen für 
immer ein Ende machte. 169 ) 

Im Absatzgebiete des Reichenhaller Salzes hatte schon Wilhelm V. 
versucht, den Handel Augsburgs nach Friedberg zu ziehen. Maximilian ging 
einen Schritt weiter. Er vertrug sich 1615 mit der Stadt dahin, 170 ) dass die 
Augsburger Fertiger mit dem Preise des Salzes sich nach dem zu Friedberg 
richten sollten und nur 13 Kreuzer auf die Scheibe zur Deckung der Un¬ 
kosten und Erzielung eines Gewinnes schlagen dürften. Schwäbische Fuhr¬ 
leute, die nicht mehr als 3 Meilen von Augsburg weg wohnen und Lebens¬ 
mittel dahin bringen, sollten, wenn sie zur Rückfracht Salz verladen wollten, 
solches in Augsburg, nicht in Friedberg bekommen, die übrigen aber unge- 


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Hans Ockel 


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hindert nach dem bayerischen Salzamt fahren dürfen. Im Jahre 1624 wurde 
dieser Vertrag erneuert. Der 1615 bewilligte Gewinn von 13 Kreuzer pro 
Scheibe wurde „wegen der teueren Zeiten“ auf 17 Kreuzer erhöht und fest¬ 
gesetzt, dass zu Augsburg immer ein Vorrat von 2400 Scheiben sein sollte. 

Der Salzhandel im südlichen Schwaben, am Oberrhein und in der 
Schweiz lag zum grossen Teil in Händen einiger Privatunternehmer, so der 
Wächter in Memmiugen, der Räder in Lindau und des Stainer in Basel. 171 ) 
Diese schlossen mit der Regierung Kontrakte, jährlich eine gewisse Anzahl, 
meist mehrere tausend Fass anzunehmen, die sie teils auf eigene Rechnung 
absetzten, teils auf Konto einer Stadt oder Gemeinde an diese lieferten. 178 ) 
Sehr bedeutend war in diesen Gebieten die Konkurrenz des Tiroler Salzes. 
Die Grosshändler wussten daraus manche Vorteile zu ziehen zum Schaden 
Bayerns und Tirols. Deshalb einigten 1649 sich beide Regierungen zu ge¬ 
meinsamen Vorgehen. 178 ) Es wurden die Preise festgesetzt, zu welchen das 
Salz abgegeben werden sollte, sowie bestimmt, dass beide Teile beim Abschluss 
von Salzkontrakten ihre Kontrahenten verpflichten würden, ein Viertel der 
Kaufsumme sofort bar zu erlegen und die übrigen drei Viertel an den nächst¬ 
folgenden drei Bozen er Märkten, die jährlich viermal stattfanden, ratenweise 
daselbst in Bozen gut zu machen. Vorteile „wie Zugeben, langes Borgen“ 
sollten nicht gewährt werden. Dieser Vertrag, der nur auf zwei Jahre abge¬ 
schlossen worden war, wurde in den folgenden Jahren immer wieder erneuert, 
doch fehlte es nicht au Versuchen beider Teile, die Händler durch irgend¬ 
welche Vergünstigungen mehr an sich zu ziehen. 

In der westlichen Schweiz wurde vielfach das burgundische Salz ver¬ 
kauft. Um mit diesem konkurrieren zu können, wurde 1651 von Bayern und 
Tirol vereinbart, dass alles Salz, „was über Bern, Basel und Solothurn weiter¬ 
hinein nach Burgund und Lothringen geht“, um 30 Kreuzer pro Fass unter 
dem festgesetzten Preise abgegeben werden dürfe. Doch sollten für diesen 
Fall Bescheinigungen der betreffenden Städte vor gelegt werden, dass das Salz 
wirklich in die bezeichneten Gebiete gegangen sei. 174 ) 

Im Jahre 1674 wurde der bayerische Hofkammerrat Franz Widmann 
in die Schweiz geschickt, um daselbst die einzelnen Kantone für eine regel¬ 
mässige Abnahme von Reichenhaller Salz zu gewinnen. In der That scheinen 
auch 1675 wirklich solche Verträge zu stände gekommen zu sein, wenn sie 
selbst auch nicht mehr auffindbar sind. 175 ) 

Der Aufschwung, welchen der bayerische Salzhandel im Südwesten 
nahm, entschädigte die Regierung einigermassen für den Rückgang des Ab¬ 
satzes in Böhmen. Sie konnte sogar daran denken, Halleiner Salz in Gebiete 
einzuführen, in denen bis dahin nur das Reichenhaller Salz verkauft worden 
war, um auf diese Weise die vertragsmässigen 1100 Pfund Kufen von Salz¬ 
burg w r ieder abnehmen zu können. 176 ) 

Kaum ein Menschenalter nach Beendigung des dreissigjährigen Krieges 
hatte der bayerische Salzhandel wieder jenen Umfang gewonnen, den er vor 
Beginn desselben hatte. Hätten die Städte solches zu vollbringen vermocht ? 
Wenn sie auch immer wieder die Rückgabe des Salzhandels forderten, 177 ) so 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 27 


darf man doch daran zweifeln, dass sie'je dasselbe hätte leisten können, wie 
die von Wilhelm V. begründete, von Maximilian befestigte Einrichtung, 
welche die gewaltigen Stürme des dreissigjährigen Krieges so weit überstand, 
dass die von den besten Absichten und redlichem Fleisse beseelte, freilich 
mitunter der nötigen Thatkraft entbehrende Regierung Ferdinand Marias 
in verhältnismässig kurzer Zeit die Wunden heilen konnte. 

Der Absolutismus war keineswegs der „Krebsschaden aller späteren 
Gestaltung deutschen Lebens“. 178 ) Konnte bei der Darstellung der Ent¬ 
stehung des bayerischen Salzmonopols angedeutet werden, wie die fürstliche 
Macht mit Notwendigkeit da eintrat, wo das Bürgertum seine Kräfte ver¬ 
braucht hatte, so darf die Darstellung der Verwaltung dieses Monopols mit 
dem Hinweise schliessen, dass auch die uneingeschränkte Herrschaft des 
Landesherrn zu ihrer Zeit viel Gutes gewirkt hat. 


Quellennachweise. 


t) Flurl, Ältere Geschichte der Saline zu Reichenhall, vorzüglich in technischer 
Hinsicht. München 1809 (Akad. Festrede). 

Gemeiner, Darstellung des alten Regensburger und Passauer Salzhandels 1810. 

Koch-Sternfeld, Die teutschen, insbesondere die bayerischen und öster¬ 
reichischen Salzwerke, zunächst im Mittelalter. München 1836. 

v. Inama-Sternegg, Zur Verfassungsgeschichte der deutschen Salinen im 
Mittelalter, in den Sitzungs-Berichten der Kais. Akademie der Wiss. in Wien, philos.- 
hist. Kl. Band m (I885) 569 f., wozu zu vergleichen desselben Deutsche Wirtschafts¬ 
geschichte II, 338—362. 

Lori, Sammlung des baierischen Bergrechts. München 1764. Einleitung. 

2) Zirngibl, Geschichte des bayerischen Handels, in den Abhandlungen der 
Münchener Akademie Bd. IV, (1817) 281—799 i n den §95 und 96 des ersten Teils (p. 448—454.) 
Im zweiten Teil, der eine pragmatische Geschichte des Handels giebt, setzt die Darstellung 
gerade für die Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts wegen Mangel an Material aus. 

Manfred Mayer, Bayerns Handel im Mittelalter und in der Neuzeit, 1893, bringt 
viel dankenswerte Hinweise auf neues Material, aber keine Verarbeitung desselben. 

3) (Krei ttm ayr), Grundriss des Allgemeinen, Deutsch- und Bayerischen Staats¬ 
rechtes, Frankfurt und Leipzig 1769, p. 368—372. 

Einzinger von Einzing, Politischer Abriss des heutigen Churfürstentums 
Bayern. 1777. p. 398—401. 

4) Freyberg, Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung und Staats¬ 
verwaltung seit den Zeiten Maximilians I. Bd. II, 141—146, 267—269. 

5) Die erste derselben führt den Titel: „Kurzgefasst-, doch gründlich- und acten- 
mässige Geschiclitserzehlung von der urspringlichen Beschaffenheit des alt befreyten 
Halleinischen Salz-Weesens.“ Sie werden zitiert im Folgenden mit „Streitschriften“ 


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Hans Ockel 


6) Es wird zitiert werden: K. A. M. -- Kgl. Kreisarchiv zu München, A. R. A. — 
Kgl. Allgemeines Bayerisches Reichsarchiv, G. St. A. = Kgl. Geheimes Staatsarchiv 
zu München. 

7) Inama-Sternegg, 569 f. 

8) Ibid. 572. 

9) Riezler, Geschichte Bayerns II, 26 f., 32 f.; Lori, Einleitung VIII—XII; 
Zauner, Chronik von Salzburg II, 223 f.; 338; Koch-Sternfeld I, 43. II, 128—133; 135. 

10) Stapelplatz war Laufen. Koch-Sternfeld II, 303. Riezler I, 275. 

11) Koch-Sternfeld I, 39; s. auch unten, sowie M. Mayer, Bayerns Handel, 25. 

12) Koch-Stern feld I, 71 ff.; 1 11 am a-Sternegg, 572; M. Mayer, 1 . c. 

13) Koch-Sternfeld I, 77—80. Lori, EinL an versch. Orten. 

14) Koch-Sternfeld I, 80—84. Lori, EinL LVIII. 

15) Koch-Sternfeld I, 60; 47—52. 

16) Die folgende Darstellung beruht auf der angeführten Abhandlung von Inama- 
Sternegg, deren Resultate auch Schm oll er in seinen Studien zur wirtschaftlichen 
Politik Friedrichs d. Gr. (Jahrbücher für Gesetzgebung, Verwaltung nnd Volkswirtschaft 
N. F. VIII—XII, hier XI, 841) im allgemeinen angenommen hat 

17) Über das Salzregal vergleiche Schroeder, Deutsche Rechtsgesch . 9 192, 206 f., 
520 f., 525, 579 und die daselbst verzeichnete Literatur, insb. Waitz, Dtsch. Verf.-Gesch. 
und Inama-Sternegg, 1 . c. 575, 577 f., 602. 

Wenn Ludwig der Deutsche 837 dem Abt von Kempten (Mon. Boic. XXXI, 1. 79) 
bewilligt, jährlich 6 Wagen Salz für den Bedarf des Klosters aus Hall holen zu lassen, und 
dass diese von allen Zöllen und Mauten befreit sein sollen, so ist damit noch nicht gesagt, 
dass solche Abgaben auf grund eines Regulitätsrechtes erhoben worden wären. Ebenso 
ist in der von Ludwig d. K. 908 für Salzburg ausgestellten Urkunde nur von solchen 
Salzzinsen die Rede, welche die dem Erzstifte übergebene königliche Domäne Salzburg¬ 
hofen — vielleicht auf grund privatrechtlicher Verhältnisse — von Reichenhall bezog. 
Streitschriften Beil. Lit A; Koch-Sternfeld I, 37; II, 129 (daselbst falsche Deutung 
des Namens Hall). Im Jahre 1007 schenkt Heinrich II. lediglich seinen Anteil an der 
Saline zu R. dem Stifte Bamberg. Stumpf, Reichskanzler II, Nr. 1476. 

Einen Aufsatz zur Geltendmachung eines Regals kann man vielleicht in der 937 
von Otto I. ausgestellten Urkunde erblicken, in welcher er der Witwe seines Bruders 
Heinrich, Judith, „quandam nostri juris salinam, quod vulgo Hai dicitur“, überlässt 
Mon. Germ. DipL I, 584. 

18) Reichenhall erhielt um 1150 das Stadtrecht Herr mann, Topographische 
Geschichte der Stadt Reichenhall und ihrer Umgebung, im Oberbayer. Archiv XIX, 95. 

19) Auch die Frage nach der Stellung der Hallgrafeu ist bis jetzt noch dunkel und 
wird es bei dem Mangel an Quellen wohl auch bleiben. Riezler I, 864; Inama- 
Sternegg, 578. Anm. 3. 

20) Die Herzoge nennen die Saline zu R. immer „unser Aerzt“; Lori 8; 11 u. a. m. 
Das Urbar von 1285 sagt, dass der Herzog zu Hall „rechter Herr und Vogt“ sei. Lori 3. 

21) Beispiele bei Flurl, 5; 17 f.; Streitschr. Beil. 65 „Registratur über die er¬ 
kauften Sieden.“ 

22) Inama-Sternegg, 600, Anm. 2; Koch - Stern feld I, 43; R i ezler II, 26 f. 

23) Lori, 3; 8; 10; 11. 

24) Inama-Sternegg, 600. 

25) Lori, 16; 29; 35 f. § II. 

26) Streitschr. Beil. M 4, 

27) Inama-Sternegg 597; s. auch die oben Anm. 17 zitierte Urkunde Ludwigs 
des Deutschen für,den Abt von Kempten vom Jahre 837. 

28) Lori 9. Goldene Bulle der Stadt München v. 1332; ibid 12 f.; ferner Lerchen¬ 
feld, Die altbayerischen landständischen Freibriefe, 23. Freibrief. 

29) Die Produktion in Hallein blieb dagegen bis 1423 in Händen des Erzbischofs. 
Koch-Sternfeld II, 301; Lori, 24. 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


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30) Streitschr. Beil. Nn; Tt; Koch-Sternfeld I, 73; II, 303. Mit der Zeit zogen 
die Erzbischöfe diese Schiffshermrechte zu ihrer Kammer ein, bis sie im 15. Jahrhundert 
alle in ihrer Hand vereinigt hatten. Unpartheiische Abhandlung von dem Staate . . . 
Salzburg (1770) 284 f. 

31) Das Amt der ersteren wurde im 15. Jahrhundert in ein adeliges liehen ver¬ 
wandelt, die letzteren blieben bis in das 19. Jahrhundert ordentliche Bürger von Laufen. 
Unpartheiische Abhandlung 286 f.; Koch-Stern feld II, 303; Schiffordnung von 1581 bei 
Lori, 313—316. 

32) Lori, 10 f. 

33) Gemeiner, passim, 
x 34) Ibid. 25—28. 

35) Für Regensburg hat diese Entwickelung nachgewiesen, für Passau nur ange¬ 
deutet Gemeiner in der zitierten Abhandlung. 

36) Schiffordnung von 1581 bei Lori, 3251; s. auch Vertrag von 1594, Lori, 360, § 11 . 

37) Lori, 30. 

38) Lori, 295—304; 307 — 335 * 

39) Eine Scheibfahrt enthielt 6 Schilling 7 Kufen = 187 Kufen, eine Hallfahrt 
6 Schilling 6 Kufen = 186 Kufen. Lori, 296. 

40) S. Anm. 20. 

41) 1381 „Sterbens und anderer Sach wegen“ Lori 15; 1404 „sonderlich von Brechens 
wegen“ Lori 17; ferner Koch-Stern feld I, 45, II, 137. Oberbayer. Arch. XIX, 99; 101. 

42) 1328, 1329, 1332, 1368, 1381: Flurl, 7; Lori, 16. 

43) Lori, 17. 

44) Ibid. 29; Flurl, 12 f. 

45) Lori, 22; 38 (wo das Datum falsch); 123; Zauner, Chronik von Salz¬ 
burg III, 27; 66; 70; Streitschriften Beil. 142; 143. 

46) S. Anm. 29. 

47) Koch-Sternfeld I, 63; II, 221; 257. 

48) Fürsen, Geschichte des kursächsischen Salzwesens bis 1786 (Leipziger Studien 
aus dem Gebiet der Geschichte IV, 3) p. 29; Hertzberg, Geschichte der Stadt Halle 
an der Saale I, 441—452; 479 ff.; 491 ff.; 504 f. 

49) Riezler III, 3 6 4 ; 456 . 

50) Flurl, 16—18; Lori, 125; Streitschr. Beil. 65; Öberbayer. Arch. XIX, 126. 

51) Lori, 139 § XXXI; 141 § XLVI. 

52) Lori, 133—141. 

53) Flurl, 19—29. 

54) Lori, 187—194; Einl. XLIX; Koch-Sternfeld I, 46. 

55) S. Anm. 50. Allerdings war noch ein Anteilsrecht in fremdem Besitze, nämlich 
des Klosters St. Zeno. Da dieses Kloster jedoch seine Siede selbst auf eigene Rechnung 
betrieb, so hatte dies keinen Einfluss auf die geschilderte Entwickelung. 1616 kam auch 
dieser Anteil an die bayerische Regierung. Koch-Sternfeld II, 160; Flurl 6; Lori, 134 
§ VII und 139 § XXIX. 

56) Schroeder, Dtsch. Rechts-G.® 579. 

57 ) 1507- Streitschr. Beil. 210; 1513 Lori 144 f., 1520, 1533, 1535, 1545, 1558: 
Mf. Mayer, Anm. 163. 

58) Lori, Einl. LVIII f.; Koch-Sternfeld I, 80—84; Lori, 287 f.; 290 ff. 
1589 wurde von Wilhelm V. eine Preiserhöhung zugestanden, ibid. 337. 

59) Mf. Mayer, Quellen zur Behördengeschichte Bayerns, 52 f. 

60) Ibid. 175—286. Seite 280 . . sonderlich sollten sy auf unsere salzsieden in 
unser statt Reichenhall getreulich aufmerckhen haben, die rechnungen, so vil an abpruch 
der notturft beschehen mag, mit abschneidung ubrichs unchostens von den salzmairn 
ordenlich erfordern, daneben auf die wäld, so in unserm fürstenthumb gelegen, auch 
andere, daran man vermög der vertrag holz zum salzsieden nimbt, mit vleiss sehen lassn, 


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Hans Ockel 


darmit nit mangl erscheine oder mit der zeit entstee, und genzlich in allem, womit sy 
unsere aigne Chamergueter gefel und eiiicliomen zu mererm nuz richten mugen.“ 

61) Ibid. 305 f. . . das sy . . bei unserm gewelb und canzlei alle alte brieflich 
urkliunden, Schriften, vertrag und freyhaiten den ausgang und niderlag des reichen und 
armen salzs auf wasser und land betreffend mit vleis durchsehen und darauf erfarung 
einziehen, wo und welcher orten denselben zuwider in und ausser uusers lands einiche 
beschwerliche neuerung mit niderlegung, vertigung, Sperrung oder eindringung anderer 
salz furgenommen worden sey; alsdann, was dagegen zu handeln und wie es abzustellen, 
bedenkhen und uns mit gueter gelegenheit untertheniglicli anbringen und berichten. 

62) Ibid. 339 . . Zum zehenten sollen sy die salzordnungen, instructionen, briefliche 
urhkhunden, verträg, Schriften und freyheiten so wol des siedens, verfüerens, als das bp\z 
der ambtleuth und was zu dem ganzen salzhandl gehörig mit vleiss ersehen und bedenkhen, 
ob und w r ie diser handl gebessert und zu merer furderung und nuz auch dahin gerichtet 
mög werden, das der hinfüran bestendig erhalten und beleihen mög. 

63) Mf. Mayer. Bayerns Handel 30. 

64) Stieve, Die Politik Bayerns 1591—1607 I (Briefe und Akten zur Geschichte 
des dreissigjährigen Krieges IV 419). 

65) Stieve, Zur Geschichte des Finanzwesens und der Staatswirtschaft in Bayern 
unter den Herzogen Wilhelm V. und Maximilian I., in den Sitz.-Ber. d. K. Akad. d. W. 
in München, hist Kl. 1881. p. 19—49. 

66) In der Hofkammer-Instruktion von 1591 verspricht der Herzog seinen Räten 
seinen Schutz, da er erfahren, „dass sonderbar neu Ding vil hass und Widerwärtigkeit auf 
ihm trägt.“ Stieve, Sitz.-Ber. 33. — 1595 Juni 16 berichtet Neuburger dem Herzog 
Maximilian „was man im salzwesen E. Dt. zu mereren nuz Irer järlichen intrade anfachen 
und sich bemüen thuet, das ist bei den maisten personen gift und aiter, ja kombt nit 
mit schlechter meiner beschwer, spot und Verachtung dahin, das sich schier niemand 
scheucht davon schimpflich zu reden, das zu verachten und zu verwerfen, so höchst ge¬ 
dachter E. Dt . . vater nit mit den geringesten, sondern besten iren räten wie verstanden 
oft und reuf beratschlagt, resolvirt und verhoffentlich, wann sich auch die ganze Welt 
darwider leget, mit höchsten nuz und wohlfart erfaren.“ A. R. A. Salzburg (Erzstift) 
Nr. I42, pars VII, Folio 470 b. — 1697 berichtet Neuburger an Maximilian, dass er in 
3 Jahren zweimal Kammerpräsident gewesen und zweimal abgesetzt worden sei. Stieve, 
Sitz.-B. 28. cfr. dazu die Anmerkung. 

67) Buchholtz, F. G. von, Geschichte der Regierung Ferdinand I., VIII, 241 f. 

68) Wutke, Die Salzerechliessungsvereuche in Schlesien in vorpreussischer Zeit, 
in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens XXVIII, 115 f. 

69) Schm oller in Jahrbücher für Gesetzgebung, Verw. u. Volksw. N. F. XI, 865. 

70) Fürsen, Geschichte des kursächsischeu Salzwesens bis 1586, besonders p. 71. 

71) Dies ergiebt sich aus Akten, welche das Halleiner Salzwesen betreffen. 1588, 
Mai 7 wird vom Hofkammerpräsidenten den Burghausern mitgeteilt, der Herzog sei ent¬ 
schlossen, den Salzhandel dortselbst, „wie anderer orten bescliehen, zu sich ze nemen“. 
A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 142 pars VI, f. 19. Dass man langsam und nicht schroff 
vorging, geht u. a. aus der Relation Neuburgers v. 18. Juni 1588 hervor: Der Herzog 
möge zunächst den Handel derjenigen Städte, „die den handel nit vermögen oder deren 
die davon absterben oder weckh kommen zu sich nemen und also gar gemach unter 
sich bringen“, ibid. f. 29. 

72) Paul von Stetten, Geschichte von Augsburg I, 708. Der Herzog erlangt 
das Zugeständnis, dass bayerische Unterthanen, die Salz durch Augsburg führten, das¬ 
selbe dort nicht niederzulegen brauchten. 

73) In Burghausen befand sich schon 1589 ein herzoglicher Salzfaktor bei dem 
reichen Salz. Streitschr. Beil. 201, 202, 203. 

Stieve, Sitz.-Ber. 36, Hofkammer-Instruktion von 1591: „Könde es nun seinen 
fueg haben, plaz und statt finden, das unser reichenhallerische salz ... in unser lant 
und weitter oder besser hinab gebracht, verfurt und vertriben werden möchte, so wern 


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3i 


Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


unsere erachtens damit nit wenig vortl erhalten. Zu welchem fal. . feit uns zu gemuet... 
ob nit mit dem hällischen unser salz von Reichenhall aus . . auf dem wasser in Salzach 
und von dannen in den In in unser niderlant Baim gebracht werden könde, item ob nit 
ratsam die sach dahin ze richten, das in unserem lant bei der menig unseres reichen 
salzes (wie one das dem unfurdenclichen gebrauch nach herkommen, wo reichs vor¬ 
handen, das arme salz weichen mues) allain unser und kain ander salz versalzen wurde.“ 

74) Lori, 50; 120; Streitschriften Beil. G; H.; Zauner III, 108 f.; 195—199; 
205-209; Lori, Einl. XXXIX f. 

75) Er starb am 15. Dezember 1489. Zauner III, 215. 

76) Lori, 124; Einl. XXXVIII; Streitschr. Beil. 5 u. 148; Zauner III, 214. 

77) Lori, 126; Zauner III, 228. Siehe auch Anm. 30. 

78) Für das Folgende Lori, Einl. XLIX ff. 

79) Streitschr. Beil. 127; 129; Zauner IV, 268 f. 

80) Streitschr. Beil. 56; 128; Zauner, IV, 297 f. 

81) Zauner IV, 443 f. Streitschr. Beil. 6. 

82) Lori 194—197. Streitschr. Beil. 7; 162; 165; 152. Zauner V, 130 ff. 

83) 1555, 1569, 1589: Streitschr. Beil. 8; 10; 11; Lori, 304; 338. 

84) So Wilhelm V. S. Vertrag von 1589, Lori, 338. 

85) Siehe oben; ferner Lori, Einl. L; Streitschr. Beil. 656, p. 5. 

86) Auszug aus den Wahlkapitulationen? Streitschr. Beil. Zz. 

87) Mayr-Deisinger, Wolf Dietrich von Raittenau, 22. 

88) Am genauesten darüber Mayr-Deisinger, 52—58. Der Text der Verträge 
bei Lori, 338 f.;' 341 f.; Streitschr. Beil. 12 u. 13. 

89) Siehe oben S. 10. 

90) Die Passauer schlugen 1588 über die 3 Kreuzer Salzburger Mehrung noch 
18 Pfennige aufs Stück beim weiteren Verkauf. Streitschr. Beil. 190. -- Mayr-Deisinger, 
69 f. Koch-Sternfeld II, 204. 

91) Siehe oben. Bayern erhielt an Aufschlägen 1592 u. 1593 8970 bezw. 9740 Gulden. 
Streitschr. Beil. 166 u. 167. 

92) Büchner, Geschichte von Bayern VIII, 281; Freyberg, Pragm. Gesch. I, 3 f. 

93) Mayr-Deisinger, 67—70. 

94) Lori, 359—362; Streitschr. Beil. 17. 

95) Lori, 378 ff.; 397 ff.; Einl. LXIII f.; LXXIX f. 

96) Siehe Anm. 71. 

97) J 595 wurde Neuburger zur Ordnung des Salzwesens nach Burghausen geschickt, 
wohin auch die Direktion des Reichenhaller Salzwesens verlegt wurde. Stieve, Sitz.- 
Ber. 68, Anm. 1. 

1595 J un i 16. Relation Neuburgers: Er hat mit allen Städten Vereinbarung ge¬ 
troffen ausser mit Ingolstadt, woselbst der Handel nicht von der Stadt, sondern von 
Privatpersonen betrieben wird. „Also haben I. f. Dt. nunmals ausser ainigen orts Ingol¬ 
stadt mit Irem reichen und dem armen hällingischen salz alle hauptniederlagen und das 
ganze salzwesen zu Irer frayen disposition und nuz in händen.“ A. R. A. Erzstift Salz¬ 
burg Nr. 142, pars VII, f. 467. — Freyberg II, 142. 

98) Wolf Dietrich von Salzburg urteilt über das Werk Neuburgers: „Und da 
Neuburger dem hauss Bayru keinen andern, als allein diese zween than hat (nämlich 
Dienste; gemeint ist die Erwerbung des Reicheuhaller und des Halleiner Salzhandels), 
hat er doch meines erachtens mehr als genug getlian.“ Summarischer Discure über 
etliche fürnehme Puncten den Salzhandel in Bayrn betreffend. Streitschr. Beil. 40. 

99) Freyberg II, 141. 

100) Fürsen, 105. Seydel, Bayer. Staatsrecht II 2 524. 

101) Staatsrecht 368; 405. 

102) Ibid. 378. 

103) S. oben u. Anm. 60. 


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32 


Haus Ockel 


104) Mf. Mayer, Quellen zur Behördengeschichte Bayerns, 344 -371; 387—418; 
425-448. 

105) Ibid. 350 „Ob wür d^nn gleichwol unserer cammer vor disem über unser 
Reichenhallisches sowohl als hällingisches salzwesen und also über diesen ganzen liandl 
das principal und hauptdirectorium darbey wir es nochmahlen allerdings bewenden lassen, 
anbeolchen . . 

106) I558, 1565, 1572 bei Mf. Mayer, Quellen, 1591 bei Stieve, Sitz.-B*r. 36. 

107) Mf. Mayer, 349— 35 i- 

108) So gab z. B. die Hofkammer mehrere Gutachten ab, als 1666—1668 die Räte 
Leidl und Barbier in Wien über den böhmischen Salzaufschlag unterhandelten. (Siehe 
unten.) G. St. A. Kasten schwarz 6/3, 4, 5, Nr. 56, ad 53, ad 93, ad io 4 , ad 124, 133. 
Ferner wurde im geheimen Rat behandelt 1666 eine Sache bf. Augsburger Salzfertigung, 
wobei ebenfalls ein Gutachten der Hofkammer. K. A. M., F. M. A. fsc. 260 Nr. 145. — 
Gutachten der Hofkammer d. d. 1655 Aug. 31 und 1656 Okt. 30 bf. Unterhdl. mit Salz¬ 
burg: A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 t V. und 142 pars XXI f. 570 -596. — 1660 Mai 6 
d. d. Schleissheim, rügt der Churfürst, dass der Hofkammerpräsident durch blossen Kammer¬ 
befehl den Rentmeister von Straubing beauftragt habe, die Halleiner Salzgefälle nach 
Burghausen zu schicken, „welches zwar wie J. k. Dt. selbst wissen, ein notturft ist, aber 
sich ohne J. k. Dt. vorwissen und aigenhändige underschreibung des befelchs . . Iren 
decreten zuwider nit gebürt hat“ K. A. M. Generalien Salin. Wsu. fsc. 3 Nr. 5. — Vielfach 
tragen die eingelaufenen Berichte etc. den Vermerk „causa domini“. Die Aufschläge fallen 
schon wegen der Beteiligung Salzburgs (s. unten) nnter die Kompetenz des geheimen Rates. 

109) Kreittmayr, Staatsrecht 354. 

110) 1674 Aug 8. vSchmid an Huber: hat diesen Tag mit 3 Parteien bf. des Salz¬ 
wesens unterhandelt: den Innsbrucker Gesandten, dem Wächter und Räder, dem Stainer. 
K. A. M. Gen. Sahn. Wsn. frc 3 Nr. 5. 

111) 1673 Okt. 12. „. . so wellen J. k. Dt. . . dass die sach nit weiter unter die 
kammerrät gebracht, sondern von dem kammerdirector und dem Heugl allein dirigiert 
und so viel als möglich in der eng und geheim gehalten werden.“ A. R. A. Erzst. Salz¬ 
burg Nr. 142 pars XXII f. 163. 

112) Mf. Mayer, 349. 

113) K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7 Extract, was das Reichenhaller salz in 
folgenden jaren an gewann und Überschuss ertragen: 

1650: 63840 fl. 56 Kr. 6 Heller 

1651: 71 912 „ 41 „ — „ 

1657: 76332 ii 27 „ 6 „ 

1658: 151 158 „ — „ — , 

1662: 115664 „ 40 „ 3 „ 

1163: 106594 „ 51 „ 3 „ 

114) Über die Zuverlässigkeit der Hofzahlamtsrechnungen: Stieve, Sitz. B. 24—27. 
Deshalb wurde bei den Gesamteinnahmen der „Zahlmeisterrest“ nicht berücksichtigt. Ver¬ 
gleiche Beilage I. 

115) Siehe oben. 1605 wurde dieser Aufschlag wieder beseitigt, da er einerseits 
sehr missbeliebt war, anderseits dem Herzog statt der veranschlagten 100000 fl. nur 
30000 fl. einbrachte. Freyberg I 13; 19. 

116) Der angeführte Unterschied bemerkt von Kreittmayr, Staats-R. 393. 

117) Streitschr. Beil. Zzz: Kurtz und Actenmässige Erzehlung und Ausführung der 
von Baym nach dem Reces de anno 1611 das erstemal bei denen Legstätten vorgenommenen 
Auf- und Abschlägen, dann hiervon dem Erzstift zur Helffte geleisteten Participation“ 
sowie Beil. 196 „Churbayrische Beantwortung etc.“ Ferner A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 142 
pars XXI f. 250—260 u. 261—278: „Kurze information und Beschreibung yber das häl- 

lingische salzwesen.“ d. d. 1645 April 15. Bayern zahlte an Salzburg für eine 

Hallfahrt 1594: 86 fl., 1611: 165 fl„ 1623: 351 fl. (incL der Hälfte der Aufschläge). — 
Von Januar 1620 bis Juni 1622 wurde der Preis einer Halleiner Kufe durch 5 Aufschläge 


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Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 33 


um 2 fl. erhöht. Die Rechtfertigung Maximilians gegenüber dem Erzbischof s. Streitschr. 
Beil. Lzz, insb. p. 107, gegenüber der Landschaft: Freyberg I, 57; 67. — 1650 und 1651 
wurde der Salzpreis herabgesetzt, ebenso 1657. A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. V. 
1650 Aug. 8., 1651 Sept. 15., 1657 Okt. 26. — Im Jahre 1662 erfolgte wiederum ein Auf¬ 
schlag infolge der Steigerung der Getreidepreise, ibid. tom. V. fol. 312. 

118) S. oben und Anm.: m, sowie Streitschr. Beil. Zzz. p. 129. — 1680 wurde dieser 
Aufschlag auf Betreiben der Landstände wieder beseitigt. Freyb erg, I, 202. A. R. A. 
Erzst Salzburg Nr. 141. tom. VI. 1680 Apr. 9. 

119) Streitschr. Beil. Zzz., p. 113 u. 114. 

120) Dies lässt sich besonders bei dem Aufschlag von 1673 verfolgen. A. R. A. 
Erzst Salzbsrg Nr. 141. tom. VI. 

121) Von den vielen Darstellungen ist die von Flurl 37—42 wohl die beste. 

122) Flurl an versch. O. Ferner zu vergl. Wald- und Sudordnung v. 1509: Lori, 
133 —Mi- 

123) Man nennt diesen Vorgang „peren (bären)“, daher die Gefässe ,Perkufen (Bär¬ 
kufen)“ heissen. Vgl. Schmeller-Frommann, Bayer. Wört-B. I, 258. 

124) Das Gewicht eines „weichen“ (noch nicht gedörrten) Fuders betrug ungefähr 
50 Pfund. 

125) K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7. 

126) Lori 404; 406; 414; 416; 420; 472; 483; 513; bes. 421. — Ein Saizmair stand 
dem Range nach unter einem Hauptpfleger, aber über einem Pflegschaftsverwalter. Lori 
422; 424. 

127) Lori 424. 

128) Lori 359—363; 385 -388; Streitschriften Beil. M u. Q; Beil. 17 u. 18. Ferner 
Lori 388 f. Streitschr. Beil. R u. 29. — Text der Schiffordnung: Lori 484 —510. Vergl. 
zu dem Folgenden auch die Anm. 117 zitierte „Kurze Information etc.“ 

129) 1 Pfund = 240 Stück. Eine Hallfahrt enthielt 186 Kufen. 

130) Lori, 298 § II. — Instruktion für den bayerischen Oberanschaffer in Hallein 
d. d. 14. Feb. 1614 bei Lori, 389—397. 

131) Eine Kufe wog 130—140 Pfund (Lori 642), ein Fuder 115 Pfund (ibid 641.) 
Die Kufe ist nicht zu verwechseln mit der Bärkufe. 

132) Lori, 504 § XXVII. 

133) Derartige Schreiben mehrfach im A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. V. u. 142, 
pars XXI u. XXII. 

133a) S. Anm. 30. u. 31. 

134) Lori, 484 § I. 

135) Lori, 509. A. R. R. Erzst. Salzburg Nr. 142, pars XXI enthält Berichte über 
diese Abrechnungen in den Jahren 1645—1649. 

136) Lori, 387 § I. 

137) Streitschr. Beil. B. 6.: „Summarischer Extract . . . was und um wie viel von 
S. chf. Dt. in Baym . . an denen jährlich pactirten 1100 Pfund Salz . . in hernachstehenden 
Jahren zu wenig ausgeführt worden ist.“ 

138) Streitschr. Beil. 182; 183. 

139) Protokolle und Berichte über die Konferenz: A. R. A. Erzstift Salzburg Nr. 142 
pars XXI und Nr. 141. tom V. — Ein Salzvertrag (s. M. Mayer, Bayerns Handel, 46) 
wurde damals nicht abgeschlossen. 

140) Diese Frage bildet einen Gegenstand der vielzitierten Streitschriften. 

141) Zauner XI, 56; 58; 78 f. 

142) Lori, 387 § III. 

143) S. die Anm. 117 zitierten Schriften. 

144) Streitschr. Beil. Zzz., p. 123—128. 

145) Ibid. p. 129 f. 

146) Lori, 287 f.; 290—292; Einl. LIX. Ko ch-Sternfeld I, 83. 

147) Ei 11 Säm war 1564 gleich 2 Halleiner Fuder. 

Bayer. Forschungen VII, 1. 3 


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34 


Hans Ockel 


148) Lori, 337. 

149) Lori, 382—384, 

150) Für das Folgende s. auch die Anm. 117 zitierte „Ktirze Information“ Abschnitt 
„Das Salzwesen zu Schölnperg betreffend.“ — Lori, 407. 

151) Lori, 411—413. 

152) Lori, 383. 

153) Freyberg II, 141 f. 

154) Diese Absatzgebiete bestanden auch im 18. Jahrhundert. Einzinger von 
Einzing, Polit. Abriss des Chrfstm. Bayru, 400. Ferner die der bayerischen Quadruplik in 
den Streitschriften beigegebene Karte. — Btf. Don au wörth K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 5 Nr. 7- 

155) So i n Cham und Furth. A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom V. 1674 Feb. 10 
und Sept. 13. 

156) Ibid. 1674 März 15 wird aus Rottenbuch berichtet, dass alles Salz nur von 
München, Landsberg oder den Reichenhaller Särnem genommen werde. Ferner ibid. 
Febr. 4., März 20., 30. — Zogen die Händler mit Saumtieren umher, hiessen sie Sämer, 
zogen sie mit Wagen, Salzwägler oder Salzkarrer. Ihr Salz hiess auch „Bruchsalz“ oder 
„Plachensalz“ (von den über den Wagen gespannten Plahen). 

1 57) Vergl. Beilage II. 

158) A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141 tom. VI. 1673 Okt 25. 

159) Solche Extrakte mehrfach im A. R. A. Erzst. Salzburg Nr. 141. tom. V u. IV, 
Nr. 142 pars XXII. 

160) K. A. M. Gen. Sal. W. fsc. 3 Nr. 5. Bericht btf. Inquisition bei dem Salz¬ 
amt Landsberg d. d. 1672 Okt. 30. 

161) So handelten die Fragner (Krämer) zu Cham nach Böhmen, wozu ihrer zwei 
sich Pferde hielten, während die anderen das Salz durch die Gerichtsuntertlianen ausführen 
liessen. Pfleger von Cham an den Rentmeister von Straubing, 1673 Dez. 9. A. R. A. Erzst 
Salzburg 141 tom. VI. 

162) Landtagsverhandlungen von 1669 p. 154. Die Stände beschweren sich, dass 
an einzelnen Legstätten die Fremden vor den Inwohnern bei Abgabe des Salzes befördert 
würden, ibid. p. 192. Über Weinfuhrleute s. auch den Anm. 160 zitierten Bericht. 

163) Lori 378—382. Ferner die Anm. 117 zitierte „Kurze Information“ Abschnitt. 
„Passauer Salz-Legstatt betr.“ 

164) Ibid. Abschnitt „Regensburger Salz-Niederlag betr.“ Ferner Lori, 398—404. 

165) Lori, Einl. LII; LVI; LXXVII f.. Ferner „Actenmässige Erzählung wegen 
des vorhin in das Königreich Böhmen frei und ungehindert ausgegangenen hällingischen 
und Schellenberger Salzes.“ K. A. M. Gen. Sal. Wsn. fsc. 4 Nr. 7. 

r66) M ay r-D eisi n ger, 71—77; Lori, ^62 f.; 369—371. 

167) Lori, 414 f. 

168) G. St. A. Kasten schwarz 6/3, 4, 5. 

169) Streitschr. Beil. 39. 

170) P. v. Stetten, Geschichte von Augsburg I. 817; 854. 

171) K. A. M„ F. M. A. fsc. 252 Nr. 54 Bericht des Hofkammerrates Widmann über 
eine Reise in die Schweiz in Salzhandlungssachen d. d. 1674 Juni 30. 

172) 1657. Okt. */i8 Johannes und Gabriel Wächter an das Salzamt Landsberg: Sie 
wollen für die Stadt Schaffhausen und für ihr Konto 4000 Fass ausführen lassen. A. R. A. 
Erzst. Salzburg Nr. 141, tom V. 

173) 1649 Aug. 5: „Nachdem Maximilian .. und Ferdinand Karl . . bei etlichen 
jaren wargenommen, dass diejenigen Handelsleuth, so mit dem Reichenhaller und Tiroler 
salz in vassen nach dem Bodensee und auch gegen dem Schweizerland traffiziert, in ein- 
kaufung desselben . . allerhand beschwerliche ringerung in der tax und zugaben, lange 
porg und vörtl gesucht, wodurch die beiderseitigen kammergefäll nicht befördert werden 
könen, sondern denen kaufleuten der gewinn zugangen ist .. . .“ Dieser und die weiteren 
Verträge A. R. A. Tirol (fürstl. Grafschaft) 19. fsc. 


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35 


Die Entstehung des landesherrlichen Salzmonopols in Bayern etc. 


174) Man nannte dieses Absatzgebiet auch das „extraordinari Debit“, das dorthin 
gehende Salz „extra-Salz“. 

175) S. Anm. 171. — Das Kreisarchiv in Landshut bewahrt Fragmente einer land¬ 
schaftlichen Korrespondenz, die Salzerzeuguug zu Reichenhall und den Salzhandel nach 
der Schweiz betr. (1670—1675.) 

176) So nach Donauwörth, s. o. u. Anm. 154. Auch wollte Bayern, als es 1671 einen 
Extrakontrakt über 15000 Fass mit Stainer abgeschlossen hatte, dem Erzstift Anteil 
an dieser Lieferung gewähren. Da der Erzbischof aber auf die Bedingungen nicht ein- 
gehen wollte, zerschlugen sich die Verhandlungen. S. die auf die Absendung Kramers 
nach Salzburg bezüglichen Aktenstücke im A. R. A. Erzst. Salzburg N. 142 pars XXII. — 
K. A. M, Gen. Sal. W. fsc. 5 Nr. 7 enthält einen aus den siebziger Jahren stammenden 
„Entwurf, was ein hällingisches Fass von der Wurzen bis Landsberg kosten würde“. 

177) Freyberg I, 28, 41, II, 142. 

178) Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes I, p. IX. 


Beilage I: Auszüge aus Hofzahlamtsrechnungen. 

i65o i65i 



insgesamt: 

Salzwesen: 

insgesamt: 

Salzwesen: 

Einnahmen: 

1 632 812 fl. 

264175 fl. 

1039431 fl- 

271 232 fl. 

Ausgaben: 

1377462 „ 

192 170 „ 

1048 407 „ 

167230 „ 


1657 

1662 

Einnahmen: 

1 039431 fl. 

217369 fl- 

1341960 fi. 

332102 fi. 

Ausgaben: 

1 048 407 „ 

151804 „ 

1389138 „ 

131780 „ 


1667 

1668 

Einnahmen: 

1314310 fl- 

302535 fl- 

1507913 fi. 

490444 «• 

Ausgaben: 

774072 „ 

191 266 „ 

1550586 „ 

143147 .. 


1671 

1672 

Einnahmen: 

1189941 fi. 

378373 fl- 

1 327 108 fl. 

442 824 fi. 

Ausgaben: 

1488756 „ 

181899 „ 

906998 ,, 

149306 „ 


1678 

1679 

Einnahmen: 

1874431 fl- 

422499 n. 

1545571 fl- 

488049 fl. 

Ausgaben: 

1132643 „ 

163158 „ 

1140230,. 

197090 „ 


S. Anm. 114. Der „Zahlmeisterrest“ wurde aus den Einnahmen fortgelassen; 
die Kreuzer und Heller wurden nicht berücksichtigt. Man beachte die Steigerung der 
Einnahmen unter Ferdinand Maria, wobei bemerkt sei, dass die Erträgnisse des Aufschlags 
von 1673 nicht an das Hofzahlamt, sondern an das Hofkriegzahlamt abgeführt wurden. 


Beilage II: Fuhrlöhne für die Beförderung von Salz 

(nach Fragmenten im K. A. M. Gen. Salin. Wsu. Fsc. 5 Nr. 7). 

Von Reicheuhall nach Traunstein: pro Scheibe 14 kr. 

„ Reichenhall „ Wasserburg: „ „ 29 „ 

,, Traunstein „ Wasserburg „ „ 17 „ 

„ Wasserburg ,, München: „ „ 18 „ 

„ München „ Landsberg: ,, „ 18 „ 

Von Burghausen nach Regensburg (zu Wasser): pro Kufe 19 kr. 

„ Regensburg „ Donauwörth „ „ „ ,, 13 ,, 1 dl. 

Einzelne Salzpreise (aus den siebziger Jahren). 

1 reiche Scheibe kommt in München auf 1 fl. 31 kr. 2 dl., wird dort verkauft um 2 fl. 28 kr. 

1 „ „ , 

1 


1 häll. Kufe 


„ Donauwörth „ 2 „ 5 „ 3 „ 

„ Landsberg „ 1 „ 49 „ 2 „ 

„ Donauwörth „ 1 „ 50 ,, 1 „ 


3 1. 5 , 
3 „ 24 , 
2 45 


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Sanitätswesen in der kurbayerischen Armee 
nach dem dreissigjährigen Kriege bis zum Tode des Kurfürsten 
Max Emanuel (1649—1726). 

Von 

Leonhard Winkler. 

I. Unter Kurfürst Ferdinand Maria. 

HEI^as Sanitätswesen war zur Zeit des Kurfürsten Ferdinand Maria 
nach dem dreissigjährigen Kriege sowohl im Heilverfahren wie im Heilmittel¬ 
schatze noch recht kläglich bestellt und wohl der am meisten vernachlässigte 
Teil der Armeeverwaltung. 

Zwar besass jede Kompagnie sowohl zu Fuss als zu Pferd einen Feld¬ 
scherer, welcher einen „Veldtkasten“ d. h. Handapotheke auf des Hauptmanns 
(Rittmeisters) Kosten führte, *) allein die Kompagnien lagen in dieser Zeit in 
so kleinen Abteilungen in Städten und Ortschaften zerstreut, dass der Feld¬ 
scherer, welcher seinen Sitz beim Kompagniekommando hatte, selten dazu 
kam, die nötige ärztliche Hilfe zu leisten.” In der Regel rief man den nächsten 
Landarzt oder Bader gegen geringe Vergütung zur Heilung herbei. Und da 
es noch keine Militärlazarette gab, so blieb der Soldat in seinem Bürger¬ 
quartier. Nur in sehr schweren Krankheitsfällen fand Überführung in das 
nächstgelegene Bürgerspital statt. In solchen Fällen durften „medicus und 
medicin“ d. h. der einsichtsvollere Stadtarzt und die besser gefüllte Stadt¬ 
apotheke gebraucht werden. 2 ) 

Diese Kosten trug die kurfürstliche Kassa, während jene für die Heilung 
der leichteren Fälle zu Lasten der Kompagnie gingen. Die Akten enthalten mannig¬ 
fache Verantwortungen wegen des geforderten Rückersatzes von Kurkosten aus 
der Staatskassa, und noch häufiger die Klagen der nicht bezahlten Ärzte. 

Die Feldscherer stunden im Rang eines Unteroffiziers und besassen 
das minimale Wissen eines Barbiers. Für ihre Dienstleistungen erhielten sie 
das sogenannte „Bekkengeld“, welches sich „uinb des Balbirens und Haylung 
schlechter — d. h. einfacher — Beschädigung willen verstand“. 8 ) 

„Purgieren, Schwitzen, Aderlässen und Klistieren“ gehörten zum eisernen 
Bestand ihrer ärztlichen Anordnungen; Latwergen, Pflaster, Wasserüberschläge, 
hauptsächlich über Kopf und Herz, Schwitzmäntel, Salben, Kraftwasser (Schlag¬ 
wasser) , Schlagbalsam zum gewöhnlichen Heilmittelschatz. 4 ) Der galante 
„morbus gallicus“ bildet in den Akten eine stehende Rubrik. 


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Sauitätswesen in der kurbayer. Armee nach dein dreißigjährigen Kriege etc. 37 


Die Regimentsfeldscherer als Aufsichtsorgane über die Kompagniefeld¬ 
scherer kamen erst unter Max Emanuel auf. 6 ) Wir sehen also in dieser 
Zeit nirgends die Spur einer Zentralleitung des Sanitätsdienstes. 

Zu den Pflichten des Fähnrichs und des Führers gehörte es, für die 
richtige Wart und Pflege der Kranken in den Quartieren zu sorgen. 6 ) 

In grösseren Garnisonen oder auch bei Konzentrierung verschiedener 
Truppenteile wurden zur Pflege der Kranken und zur Aufsicht der soldati¬ 
schen Krankenwärter Unteroffiziere bestimmt, wenn das gewöhnliche Personal 
in den bürgerlichen Spitälern nicht ausreichte. Im Frühjahr 1658 traten in 
Amberg sehr viele hitzige Erkrankungen auf, weshalb die Regierung dem 
Kriegsrate die Errichtung eines Feldspitals, ähnlich wie es im 30jährigen 
Kriege gewesen sei, 7 ) in Vorschlag brachte. Der Kriegsrat ging aber auf diese 
Idee nicht ein, war vielmehr der Ansicht, dass die „medici“, Krankenwärter 
und Krankenwärterinnen im Amberger Bürgerspital wohl ausreichen. Dagegen 
verstand er sich zur Zahlung der Kosten. 

Das Jahr 1672 brachte der Ingolstädter Garnison viele und schwierige 
kontagiöse Krankheiten. Statthalter Berlo liess die kranken Soldaten in das 
bürgerliche Spital bringen und berief den Stadtphysikus Dr. Schoenfelder 
zum ärztlichen Dienste dortselbst. 

Als dieser nicht kam, liess er ihn verhaften. Aus der Verantwortung 
Schoenfelders geht hervor, dass in Ingolstadt ein Professor der Univer¬ 
sität mit 100 fl. Besoldung als Arzt für die Soldaten augestellt war. 

Kranke Offiziere erhielten Urlaub, meist mit ganzer Gage, um Bäder 
gebrauchen zu können. Sehr besucht von bayerischen Offizieren war damals 
das heute noch berühmte Karlsbad. 8 ) 

Oberst Mackay erwirkte sich 1677 auf 3 Monate Urlaub nach Padua, 
„um seine Leibesschäden dort herstellen zu lassen“, bezog während dieser 
Zelt Gage und Servis, durfte zu seinem Knechte noch einen Reiter mitnehmen 
und den Regimentssekretär bei seinem Hauswesen in Schärding lassen. 

Ausnahmsweise bekamen auch Unteroffiziere die Erlaubnis zu Badereisen 
— in der Regel nach Gastein — um dort ihre Rheumatismen oder Glieder¬ 
sucht heilen zu können. Die Unteroffiziere baten in solchen Fällen um einen 
grösseren Soldvorschuss, was darauf hindeutet, dass ihnen Unterstützungen 
zu Badereisen nicht bewilligt wurden. Im Jahre 1672, also gleichzeitig mit 
der beabsichtigten Heeresvermehrung, scheint der Gedanke, in München ein 
besonderes Krankenhaus für das Militär bauen zu lassen, zum ersten Male im 
Geiste Ferdinand Marias Wurzel gefasst zu haben. Mit dieser Idee dürfte 
wohl jener Fassadenplan im Staatsarchiv in unmittelbaren Zusammenhang 
gebracht werden, welcher den Entwurf des Krankenhauses im Barackenstil 
zeigt. 9 ) Ob dieser Plan wirklich zur Ausführung kam, oder ob er nur Pro¬ 
jekt geblieben, dies zu eruieren, wäre eine schöne Aufgabe für die Münchener 
Lokalforschung. 10 ) 

Als Thatsache registrieren wir, dass Oberstlieutenant Flemming, welcher 
mit seiner Kompagnie 1673 von Savoyen nach München kam, den Befehl 


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3» 


Leonhard Winkler 


erhielt, seine Kranken nicht in die Stadt mitzunehmen, sondern „draussen“ 
(in der Au) im Scheffersehen Hause zu lassen. 11 ) 

Ebenso wurden 1677 21 Soldaten in das ,,Schäfer“sche (Scheffersche) 
Krankenhaus in der Au geschickt. 12 ) 

Bei den in der Regieruugsperiode Ferdinand Marias notwendig 
gewordenen Aufstellungen und Ausmärschen kam es nie zur Etablierung 
eines kurbayerischen Feldspitals, 13 ) und es war den Regimentern, welche nach 
Ungarn, Kandia, Venedig und Köln marschierten, weder ein Feldmedikus 
noch ein Feldapotheker beigegeben. Was den Kompagniefeldscherern nicht 
an vertraut werden konnte, kam, wenn von den fremden Souveränen Feld¬ 
spitäler errichtet waren, wie z. B. in Ungarn und auf Kandia, in diese, 
ausserdem in die nächstgelegeuen Landesspitäler. 

Bei grossem Kranken-(Verwundeten-)stand kommandierte der Kriegs¬ 
kommissär im Einverständnisse mit dem kurbayerischen Kommandeur die zur 
Pflege notwendigen Feldscherer, Führer, Krankenwärter und „exemplarische“ 
Geistliche in die Krankenhäuser. 

Dem General Puech in Ungarn war zufolge der Instruktion sogar er¬ 
laubt, im Notfall einen eigenen Arzt, sowie einen Kommissär zu den Kranken 
abzuordnen, welche beide darüber wachen sollten, „damit die arme Krankhe 
weder an geistlicher noch leiblicher Warth kheinen mangel leiden.“ 14 ) 

Für die Nachführung der Leichtkranken (Revierkranken) war 1 Wagen 
zulässig. 

Der Bericht des kurbayerischen Residenten Stoiberer in Wien vom 
17. 20. September i 66.4 1& ) an den Kurfürsten zeigt aber, dass trotz der Masse 
von Kranken — hauptsächlich an roter Ruhr und hitzigen Fiebern — ein 
eigener kurbayerischer Arzt nicht beordert worden ist. Dagegen war im 
Jahre 1664 in Wien eine kurbayerische Feldapotheke — aber ohne Apotheker 
— in Bereitschaft gestellt, 16 ) bezüglich deren Stoiberer kurz vor Schluss des 
Feldzuges beim Kurfürsten anfragte, „ob sie zu den Kranken zu bringen be¬ 
fohlen werde.“ Ein eigener Feldapotheker wag en existierte jedoch nicht. 
Die Eigenschaft der Bayern als Kreistruppen und die daraus resultierende 
Verrechnung der Kosten auf Kreisfouds scheint, wie in so vielen anderen 
Dingen, auch in sanitärer Richtung manchen Mangel für die kurbayerischen 
Truppen im Gefolge gehabt zu haben. 17 ) 

Dem Oberst Bürhen, welcher sein Regiment nach Kandia führte, 
wurden 91 fl. 50 kr. für ein „Apothekerkästel“ bewilligt, jedoch so, dass 
er die „Nothdurft auch den Soldaten geben solle.“ Ausserdem hatte der 
Kommissär Federl den Auftrag, in Venedig eine Feldapotheke zusammen¬ 
zustellen, „welche für die kranken Soldaten zu verwenden ist.“ I8 ) Ähnliche 
Vorsorge bezüglich der Heilmittel war auch bei dem Regiment Beltin und 
Culer in Savoyen und Köln getroffen. Die Leichtkranken und Leichtver¬ 
wundeten wurden auf einem der beiden Kompagniewagen mitgeführt. Strenge 
wachten die Kommissäre darüber, dass die Rekonvaleszenten der Spitäler 
zeitig bei ihren Kompagnien einrückten. 

Zur Verhütung des Eindringens der zu Pressburg in Ungarn und der 


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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjälirigen Kriege etc. 39 

Stadt Wien 1679 „grassierenden gefährlichen Krankheiten und Contagion“ 
(Pest) liess der Administrator, Herzog Maximilian Philipp, an östlicher 
und südlicher Grenze Bayerns einen militärischen „Cordon“ einrichten . 19 ) 
Die drohende Gefahr veranlasste auch in den Garnisonsorten, besonders in 
München, verschärfte Massregelu, strengstes Überwachen der „Passanten“. In 
der Residenz wurden sogar die Unteroffiziers wachen mit Offizieren besetzt. 
Die „Examination“ der Reisenden durfte nicht mehr wie bisher innerhalb 
des Einlasses, sondern ausserhalb der Brücke stattfinden. 20 ) 

Bei der Abdankung der Armee erhielt jeder Entlassene ausser seinem 
Abschiede noch eine sogenannte „Fede“ als Zeugnis mit, dass der Ort, von 
wo er komme, von jeder Ansteckung frei sei. 21 ) 


II. Unter Kurfürst Max Emanuel. 

Die Regierungsperiode Max Emanuels weist gegen jene seines Vor¬ 
gängers auf dem Gebiete des Sanitätswesens einen bemerkenswerten Fortschritt 
auf, welcher zweifellos mit der Neugestaltung des Heeres d. h. mit der Ge¬ 
winnung fester und ständiger Heeresformationen im engsten Zusammenhang 
steht. Dieser Fortschritt bestund einmal in der Aufstellung eines „collegium 
sanitatis“, auch „consilium sanitatis“ oder „medicoruin“ genannt, als Zentral¬ 
aufsichtsbehörde über das gesamte Sanitätswesen, welche dem Hofrate attachiert 
war und hauptsächlich in den Zeiten der damals öfters vorkommenden Epi¬ 
demien segensreiche Massregeln ins Leben rief. 22 ) 

Zugleich bildete dieses Kollegium auch die oberste Instanz für Ent¬ 
scheidung der Differenzen und Beschwerden zwischen Truppen und Sanitäts¬ 
personal. 

Zum anderen bestund der Fortschritt in der Verwendung von wirklichen 
approbierten Ärzten bei den Feldarmeen, in der Einführung von Feldapotheker¬ 
wagen und der Vermehrung des Sanitätspersonals überhaupt. 25 ) Hierher zählt 
besonders auch die Aufstellung eines chirurgisch gebildeten Stabsfeldscherers, 
welcher mit den Ärzten und den Apothekern zum Hauptquartier bezw. zum 
kleinen Generalstab des Heeres zählte, und sämtliche Regiments- und Kom¬ 
pagniefeldscherer unter sich hatte. 24 ) 

Auch die Regimentsfeldscherer im Stabe der Regimenter als Kontrolle 
der Kompagniefeldscherer bilden eine Neuschöpfung dieser Zeit gegenübei 
der Periode Ferdinand Marias, welche nur Kompagniefeldschererkannte. 25 ) 

Ein weiterer Punkt fortschreitender Besserung lässt sich in der regel¬ 
mässigen Einstellung eines Geldpostens von 8000 fl. in den jährlichen 
Heeresetat „für Feldspital und kranke Soldaten“ erkennen. 26 ) Dazu kommt 
noch die Erbauung von besonderen Häusern in München, Ingolstadt und 
anderen grösseren Garnisonen, welche lediglich für kranke und verwundete 
Soldaten als Spitäler eingerichtet wurden, und die bessere Ausgestaltung in 
sachlicher und personeller Beziehung der bereits für militärische Krauken- 


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Leonhard Winkler 


zwecke bisher verwendeten Gebäude. Hand in Hand damit geht die Etablie¬ 
rung von eigenen Krankenzimmern in den damals neu erbauten Kasernen der 
grösseren Garnisonen zur Aufnahme von Leichtkranken, welche jetzt „Revier¬ 
kranke“ genannt werden. 

Die Aufnahme der kranken Soldaten in die bürgerlichen Spitäler stiess 
gar oft auf das Widerstreben der städtischen Behörden. Jede Garnison hatte 
ihren Garnisonsmedikus in der Person eines Zivilarztes, da es eigene Militär¬ 
ärzte wie heute noch nicht gab. In grösseren Garnisonen, wie in München, 
war unter ihm noch ein oder der andere Arzt in den Spitälern thätig. 

Sie allein ordinierten in den Spitälern. Der Garnisonsfeldscherer, auch 
eine neue Chargenbildung dieser Zeit, galt als Unterorgan des Gamisons- 
medikus. 27 ) Als ausschliessliches Soldatenspital für Mann, Weib und Kind 
wurde unter Max Emanuel in München das vor dem Sendlingerthor gelegene 
bürgerliche Brech- oder Pesthaus eingerichtet, während zu gleicher Zeit auch 
das Scheffersche Haus in der Au, das Fennebergersche in Obergiesing 38 ) 
und das Spital auf dem Angerplatz, das spätere Seidenhaus, als militärische 
Krankenhäuser, aber nicht in ausschliesslicher Weise für Militär allein mit¬ 
benützt werden. 29 ) Neben diesen werden auch ab und zu die bürgerlichen 
Hospitäler auf dem Kreuz, das St. Joseph-Spital und das Herzogspital genannt. 

Im Jahre 1692 wurde nächst Giesing ein neues Krankenhaus für mili¬ 
tärische Zwecke erbaut, welches 2865 fl. kostete.*' 10 ) Die Akten lassen erkennen, 
dass die mit ansteckenden Krankheiten behafteten Leute stets in das Kranken¬ 
haus nach Giesing kamen, und erst im Jahre 1717 musste Doktor Pichler 
auch im Krankenhaus vor dem Sendlinger Thor ein Zimmer für solche Leute 
einrichten. 

* Sollte dieser Bau die erste Verwirklichung des schon von Ferdinand 
Maria im Jahre 1672 gefassten Gedankens der Erbauung eines Militärspitals sein? 

In Ingolstadt, Braunau, Landshut, Straubing, Rosenheim 31 ) etc. finden 
sich ähnliche Häuser und Spitäler nur in militärischer Verwendung, und es 
tritt daraus deutlich das Bestreben hervor, die Bürgerquartiere von der Kranken¬ 
aufnahme zu entlasten und sie auf diese Weise vor den ansteckenden Krank¬ 
heiten, welche die Soldaten aus den Feldzügen mitbrachten, möglichst zu be¬ 
schützen. Denn jetzt galt es als Hauptgrundsatz, Leichtkranke in den Kasernen 
unterzubringen und die Schw r erkranken, insbesondere die mit ansteckenden 
Krankheiten behafteten, in die Soldatenspitäler zu verweisen. 82 ) 

Der Krankendienst in den Spitälern war gut geregelt, und es fehlte 
nirgends an dem nötigen Wärterpersonal, welches in der Regel aus einem 
Feldscherer oder Bader, einem Schaffner, der nötigen Anzahl von Kranken¬ 
wärtern und einer Köchin mit ihrer Zuhelferin bestund. 88 ) 

Zu Zeiten erhöhten Krankenstandes, besonders bei Epidemien, wurden 
Feldscherer und Unteroffiziere der Truppen zur Aushilfe kommandiert, von 
welch letzteren meist die capitaines d’armes in Verwendung kamen. 

Der Besuch des Medicus sollte täglich erfolgen und täglich schriftlicher 
Rapport über die Standesbewegung und den Verlauf der Krankheiten an die 
Hofkammer geschehen. 34 ) 


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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 41 


Besonders gut geregelte Verhältnisse in dieser Richtung traten nach 
der Rückkehr des Heeres vom Jahre 1715 ab in sofern ein, als die Vorsteher 
der neuen Kasernenämter, die Kasernenverwalter, als unmittelbare Aufsichts¬ 
behörden über die Soldatenkrankenhäuser in ökonomischer Beziehung gesetzt 
wurden 85 ). Auch sie hatten monatlich genaue ärztlich bestätigte Verzeichnisse 
über Zu- nnd Abgang der Kranken an die ihnen Vorgesetzten Kriegskommissäre 
einzusenden, welche die staatlichen Interessen nach der finanziellen Seite wahren, 
d. h. in erster Linie die Soldabzüge der im Krankenhaus verpflegten Miliz 
bethätigen mussten. Bei einbrechenden Epidemien wuchs die Kompetenz der 
Kommissäre, welche in solchen Zeiten auch für den Gamisousarzt und seine 
Berichte als Zwischeninstanz zur Hofkammer galten, zu welcher das gesamte 
Kasern- und Spital wesen ressortierte. 

Die Kommissäre hatten das Recht und sogar die Pflicht, Visitationen 
in den Spitälern vorzunehmen, und im Jahre 1718 wurde diese Visitation von 
der Hofkammer geradezu gefordert. Auch von den Kasern Verwaltern und 
Kasernoberverwaltem sollte hie und da Visitation bewerkstelligt werden. Ausser 
den täglichen Rapporten an die Hofkammer musste der Gamisonsmedicus 
auch wöchentliche Berichte, „WochenZettel“, über die Standesbewegung der 
Kranken zur Kriegsdeputation des Hofkriegsrates einsenden 86 ). Für die Natural¬ 
verpflegung im Krankenhause passierten täglich 8 kr. und nur bei hohen 
Materialpreisen ausnahmsweise 10 kr. Die Hälfte davon wurde einbehalten, 
die andere bekam der Kranke zu seiner Rekonvaleszenz ausbezahlt. Kommiss¬ 
brot wurde im Krankenhaus nicht verabreicht 37 ). 

Im Jahre 1715 plädiert der Gamisonsmedicus Doktor Pichler für 
Verabreichung einer passenden Krankenkost, wie dies schon vor dem spanischen 
Erbfolgekrieg gewesen sei, was auch mit dem Bemerken genehmigt wurde, 
dass die Krankenkost den Preis von 10 kr. nicht überschreiten dürfte. 

Statt der harten Strohsäcke bewilligt die Hofkammer im Jahre 1721 für 
das Krankenhaus vor dem Seudlinger Thor kleine einfache Matratzen, „aber 
nicht für ansteckende Krankheiten.“ Der Statthalter von Ingolstadt verlangt 
im Jahre 1720 von dem dortigen Gamisonsmedicus mündlichen Rapport über 
den Krankenstand, worauf ein allerhöchstes Signat ihn unterrichtet, dass der 
dortige Gamisonsmedicus, zugleich Professor an der Universität, dem Statt¬ 
halter weder früher „unterworfen“ war, noch es jetzt ist. „Es müsse ihm der 
mündliche Rapport des „Chirurgen“ — hier jedenfalls Garnisonsfeldscherers — 
genügen, der ja stets den Krankenbesuch zugleich mit dem Medicus mache“. 88 ) 

Auch für die religiöse Pflege war in den Spitälern gut gesorgt. Die 
„heiligen Paulaner in der Au“ empfingen z. B. für die „functiones spirituales“ 
und die Administrierung des heiligen Sakramentes in der Garnison München 
wöchentlich 4 fl.. Die Ärzte erhielten für die gleiche Zeit 2—4 fl. Wartegeld. 
Auch die Leichtkranken in den Kasernen empfingen ärztlichen Besuch, 89 ) und 
den Feldscherern war es strenge verboten, den Soldaten Medizin zu ver¬ 
schreiben, dieselbe selbst zu fertigen und sich innerliche wie äusserliche Kuren 
anzumassen 40 ). Wäre uns über die Thätigkeit und den Wirkungskreis der 
Feldscherer sonst nichts bekannt, dieses Verbot allein würde die Unfähigkeit 


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42 Leonhard Winkler 


und den beschränkten Wirkungskreis derselben, der sich auch jetzt noch nicht 
über das Niveau eines Baders oder Balbierers erhob, auf das treffendste kenn¬ 
zeichnen. Das schon in früherer Zeit für dieselben normierte Beckengeld be¬ 
stund noch fort 41 ). Dagegen hatte der Garnisonsarzt den strikten Befehl, den 
Revierkranken ohne Autopsie kein Arzneimittel zu verschreiben 42 ). 

Die Kosten für die Arzneimittel der Leichtkranken fielen den Kompagnien 
zur Last. Mit besonderer Schärfe ging man nach der Rückkehr des Heeres 
im Jahre 1715 gegen die mit galanten Krankheiten behafteten Soldaten vor. 
Das kurfürstliche Generale vom 30. August 1719 bestimmte nämlich, dass alle 
jene, welche künftighin mit dem „morbo gallico“ infiziert sind, von den Regimentern 
„cum infamia und ohne Abschied zu stossen seien“. 43 ) Die Akten lehren uns 
aber, dass dieser streng lautende Befehl in der mildesten Weise gehandhabt 
wurde. Selbst der schon länger geltende Grundsatz, dass diese Krankheit auf 
eigene Kosten geheilt werden sollte, wurde auch jetzt noch nicht immer auf¬ 
recht erhalten, soferne gar nicht selten die Auslagen vom Staate ersetzt wurden 44 ). 

Die von Zeit zu Zeit erlassenen Verordnungen auf dem Gebiete der 
Militärgesundheitspflege können als Beweis dienen, dass die staatliche Für¬ 
sorge für die Kranken und Verwundeten stets lebendig war. 45 ) Aber der 
gute Wille des Staates wurde öfters durch die damals herrschende Geldnot 
beeinträchtigt; denn die schlechte Ernährung der Mannschaft, die starke Be¬ 
legung der Kasernen, sowie der Mangel an besseren Medikamenten war zu 
Zeiten ganz vorschriftswidrig. 46 ) 

Auch bei den Märschen ins Ausland, in den Feldzügen in Ungarn, 
am Rhein, in Piemont, in den Niederlanden wie in Spanien, zeigt sich das 
rege Bestreben des Staates, jenen Anforderungen, welche zu damaliger Zeit 
auf dem Gebiete militärischer Gesundheitspflege im Felde an die oberste 
Leitung gestellt wurden, nach Möglichkeit gerecht zu werden. Die Vorbe¬ 
reitungen hiezu, welche sich mit der Aufstellung der Feldmedici und der Feld¬ 
apotheker, sowie der Füllung der Feldapothekerkästeu befassten, wurden 
immer rechtzeitig getroffen, und die kommandierenden Generale wurden in den 
ihnen erteilten Feldzugsinstruktionen stets angewiesen, die Kranken und Ver¬ 
wundeten jederzeit „mit der notwendigen Alimentation“ zu versehen. 47 ) 

Auch die Feldscherer waren beordert, „Heil- und Wundarzneien und 
nicht allein „Vomitien“ mitzunehmen. Eine gute Errungenschaft bildete be¬ 
sonders die Einführung eigener Apothekerwagen, welche den Truppenkorps 
überall hin folgen konnten. 48 ) Bei den Truppen im Felde wurden in den 
nächstgelegenen Städten und Ortschaften in der Regel Feldspitäler etabliert, 
welche von den Ärzten, welche sich im Stabe des Hauptquartiers befanden, 
d. h. von den sogenannten Generalstabsmedicis 49 ) gebildet wurden und sich 
infolge der häufigen Praxis in einem erträglichen Stande befanden. In diese 
Feldspitäler kamen alle jene, welche die auch in chirurgischen Dingen 
kenntnisarmen Kompagniefeldscherer unter Aufsicht des Regimentsfeldscherers, 
welcher ein guter Chirurg sein sollte, nicht heilen konnten. Bei gewöhnlichem 
Krankenstände reichte wohl das normierte Personal an Ärzten, Chirurgen, 
Apothekern und Krankenwärtern aus, aber in aussergewöhnlichen Fällen von 


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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 43 


epidemischen Krankheiten und bei grossen Gefechts Verlusten, wie sie besonders 
in den ungarischen Felzügeu öfters vorkamen, versagte der normale Apparat, 
und eine Menge von Leuten ging aus Mangel an rascher ärztlicher Hilfe 
und oft noch mehr infolge schlechter und mangelhafter Verpflegung in den 
Feldspitälern zu gründe, trotzdem in solchen Fällen Truppenfeldscherer und 
Unteroffiziere 60 ) zur Aushilfe dahin kommandiert wurden. Auch die Weiber 
der verheirateten Soldaten machten vielfach Kraukenwärterdienste. Die Reini¬ 
gung der Spitalwäsche oblag ihnen allein. B1 ) Als Blessierten träger fungierten 
neben den Soldaten auch die Fourierschützen, die Gehilfen der Fouriers beim 
Quartiermachen. Auch die Fähnriche waren wie früher immer noch Aufsichts¬ 
organe für die Kranken. Es gab eigene Krankenkommissäre in der Person 
von Proviautoffizieren, welchen die administrative und ökonomische Führung 
der Feldspitäler an vertraut war. Die Oberaufsicht führten die Kriegskommissäre. 
Die Leichtkranken und Leichtblessierten blieben immer beim Regiment, und 
was nicht gehen konnte, durfte durch Landesvorspann nachgefahren werden, 
wie früher. 

Wegen der vielen im Jahre 1683 in Ungarn bei der Armee herrschenden 
Krankheiten 52 ) verfügte der Hofkriegsrat nach der anfangs Februar 1684 er¬ 
folgten Heimkehr der Truppen „an den Grenzen und Confinen“ des Landes 
Quarantänequartiere, welche erst anfangs April wieder aufgehoben wurden. 
Den Offizieren war insbesondere der Besuch von München bei Vermeidung 
der Kassation untersagt 53 ) Eine gleiche Massregel scheint nach dem Türken¬ 
kriege 1717/18 beim Heimmarsch der Truppen nicht mehr für nötig befunden 
worden zu sein, trotzdem das kurbayerische Subsidienkorps unter vielen In¬ 
fektionskrankheiten zu leiden hatte. 64 ) 

Der militärische Grenzkordon, welcher schon 1679 gegen die Pest¬ 
ansteckung durch Aufstellung von „Confinwächter“ und „Contagionswachten“ 
gegen Osten und Süden aufgestellt worden war, wurde im Jahre 1682 auch 
gegen Westen und Norden am Lech und an der Donau zur Abhaltung der 
gleichen Gefahr ins Leben gerufen. BB ) Eine ähnliche Sperre erfolgte auch im 
Jahre 1691 an den westlichen Grenzen Bayerns gegen die Pestepidemie der 
Armee am Rhein. 66 ) Wie bereits früher bemerkt, gingen diese sanitären Mass- 
regeln aus dem Schoss des „officium sanitatis“ hervor. 

Während der Feldzüge in Piemont 1691/96 'war das Sanitäts- und 
Lazarettwesen auf das beste geregelt, 57 ) aber der grosse Prozentsatz der Ge¬ 
storbenen — in manchen Jahren fast die Hälfte der Kranken — lehrt uns, 
wie mangelhaft damals die ärztliche Wissenschaft war. Auch hier bildeten 
hitzige Fieber und Dysenterien das Hauptkontigent der Krankheiten, wie in 
Ungarn. Bei der Diversion nach Südfrankreich in die Dauphine begleitete 
der Stabsmedicus Eder sowie der Apotheker die Truppen. Die Feldapotheke 
wurde auf Maultieren transportiert. Inzwischen versahen das Hauptfeldspital 
in Turin Turiner Ärzte. Auch hier w r ar für die Seelsorge der Kranken gut 
gesorgt. In den Niederlanden gab es keine besonderen kurbayerischen Feld¬ 
spitäler; hier wrurden die Kranken und Blessierten in den französischen Feld¬ 
spitälern oder in den niederländisch-spanischen bürgerlichen Spitälern unter - 


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44 


Leonhard Winkler 


gebracht Die jeweiligen kurbayerischen Feldapotheker linferten die Medika¬ 
mente, und der kurbayerische Feldmedicus nahm öfters auf seinen Rundreisen 
Visitationen und Ordinationen vor. „Viel Branntwain und alte Leinwand“ 
war zum Verbinden nötig. 65 ) Die Kranken und Verwundeten des Regiments 
Tattenbach in Spanien fanden im Madrider Bürgerspital ihre Unterkunft, 
soweit sie nicht der Regiments- und die Kompagniefeldscherer gesund machen 
konnten. 59 ) Reglementäre Spitalordnungen, wie sie schon im 30jährigen Kriege 
existierten und später wieder aufkamen, gab es in dieser Zeit weder für die 
Garnison, noch für das Feld. Die Führung der Lazarette war Sache der 
Praxis, die ab und zu durch Erlasse des Hofkriegsrates auf grund der ärzt¬ 
lichen Berichterstattung theoretische Bereicherung erfuhr. 60 ) 

Urlaub für Rekonvaleszenten und Badereisen für kranke Offiziere und 
Soldaten wurden öfters bewilligt. Als bemerkenswert gilt, dass die Rekon¬ 
valeszenten der Stadtkompagnien, wenn sie Luftveränderung nötig hatten, zu 
den auf dem Lande liegenden Kompagnien versetzt wurden. 

Eine höchst erfreuliche Wahrnehmung ist, dass das Hofkriegszahlamt 
im Jahre 1715 die Kur- und Medikamentenkosten, welche einzelne Soldaten 
noch in diesem Jahre nach ihrer Heimkehr aus den Niederlanden für Heilung 
ihrer bei Höchstädt im Jahre 1704 empfangenen Wunden liquidierten, ohne 
jeden Anstand zu bezahlen, angewiesen wurde. 

Die wissenschaftliche Ausbildung der Ärzte erfolgte auf der Landes¬ 
universität Ingolstadt und fand in seltenen Fällen Vertiefung und Bereicherung 
durch zeitweises Studium an fremden Universitäten, wie z. B. in Bologna. 
Die ärztliche Kunst entsprach dem Stande der medizinischen Wissenschaft 
dieser Zeit. Zum Stabsfeldscherer, auch Generalstabsfeldscherer oder General¬ 
stabsbarbier genannt, wie auch zum Regimentsfeldscherer wurden in der 
Regel chirurgisch gebildete bürgerliche Wundärzte ernannt. Der Aufnahme 
pflegte eine theoretische wie praktische Prüfung durch einen kurfürstlichen 
Leibchirurgen in München voranzugehen, 61 ) welcher das Zeugnis der Appro¬ 
bation ausstellte. 

Während die Anstellung des Stabsfeldscherers durch kurfürstliches 
Dekret erfolgte, lag jene der Regiments- und Kompagniefeldscherer im Be¬ 
lieben der Regimentsinhaber, bezw. Kompagniekommandanten. Von einer 
systematischen Ausbildung dieses niederen Sanitätspersonals durch theoretische 
oder praktische Schulung lässt sich in den Akten nirgends eine Spur finden. 
Was den Arzneimittelschatz betrifft, so findet sich in unseren Akten vielfach 
zerstreut auch ein Teil jener Mittel angegeben, welche in den Denkschriften 
des berühmten Philosophen Leibnitz dieser Zeit enthalten sind: „infusio tabaci, 
antimonalia, antimonalische Vomitien. Wein mit Zucker und Kaneel oder 
präparierter Zucker mit Zitronensaft; als Präservativ ein wenig Branntwein 
mit Wachholderkörnern; den Durst zu löschen sal prunellae, „item was aus 
Limonien bereitet, deren acidum contra malignas febres trefflich.“ 62 ) 

Leitmotiv für die Heeresverwaltung war möglichste Billigkeit der Arznei¬ 
mittel, und die Anwendung von sogenannten „pretiosa“ wird oft verpönt und 
oft gerügt. 


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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 45 


Der Garnisonsdoktor wandte in der Regel keine Medizin an, die 
einen höheren Preis als 6 kr. hatte. 68 ) Eigene Militärapotheken gab es in 
den Garnisonen nicht. Das Medikamenten wesen zeigte dieselbe Unvollkommen¬ 
heit, wie das Heilverfahren, war aber trotz aller SparsamkeitsVorschriften be¬ 
sonders im Ausland sehr kostspielig. Eine stehende Rubrik in den Bean¬ 
standungen der Musterungsberichte bildeten die hohen Apothekerkontos. 64 ) 
Hier mag noch Erwähnung finden, dass die Hauptgrundsätze, auf denen unsere 
moderne Genfer Konvention beruht, in den Verträgen zwischen den Krieg- 
führenden sich schon seit Ende des 16. Jahrhunderts mit Sicherheit nach- 
weisen lassen. Aber erst in der Zeitperiode Max Emanuels — 1689 — 
werden die Kranken und Verwundeten selbst in den Kartells erwähnt und 
eigentlich geschützt. 6B ) 


Quellennachweise. 


1) Die Feldmedikamentenkasten waren in den 1670er Jahren bei allen Kompagnien 
eingeführt. Der Kriegsrat verbot, dass zum Füllen derselben ein Teil des Becken geldes 
(s. S. 36) verwendet wurde. 

2) Prinzip war, dass der Soldat nur in ganz schlimmen Fällen den Medikus ge¬ 
brauchen sollte. f 

3) Kriegsarchiv A. V. 1 Konzept-Protokoll 1679. 

4) Staatsarchiv. Käst. schw. 21811. 

5) Die Listen über die Stäbe der Regimenter Puch, Bürhen etc. enthalten keinen 
Regimentsfeldscherer. Entsprach der Feldscherer nicht einmal den an ihn gestellten An¬ 
forderungen, so musste et^ wieder als Gemeiner die Muskete oder Pike tragen. 

6) Daher die Bezeichnung des Fähnrichs als Mutter der Kompagnie. 

7) Die Feldspitäler im 30jährigen Krieg siehe bei Heilmann, Kriegsgeschichte 

11 Bd. S. 1025. Im Jahre 1620 wurde für das bayerisch-ligistische Heer ,,ein Kriegsfeld¬ 
spital“ errichtet. Am 14. Februar erschien „Ordnung und Instruktion“ über dieses Spital. 

8) Ein Lieutenant erhielt statt der für seine kranke Frau erbetenen Medikamente 

12 fl. „semel pro semper“. 

9) Käst. schw. 218,11 ohne Angabe des Orts und derZeit, aber im Zusammenhalt 
mit den anderen Schriftstücken zweifellos aus dem Jahre 1672. Vergl. auch Staudingers 
Regimentsgeschichte. I. S. 9. 

10) Weder Lipowsky in seiner Geschichte der Vorstadt Au, München 1816, und 
in seiner Urgeschichte Münchens 1815, noch Hübner in der Beschreibung Münchens 1815 
bringen hierüber Aufklärung. 

11) Kriegsarchiv. A. V. 1. Expedit. Protok. 1673. 

12) K. A. A. V. 1. Exped. Protok. 1677 Fol. 169. Morawitzky bringt in seiner 
Materialiensammlung Ser. II, Bd. 3, S. 19 folgenden quellenlosen Rechnungsextrakt: „Es 
bestund zu dieser Zeit (1677) ein Krankenhaus für Militärs, worin viele von denen aus 
Savoyen zurückgekehrten Soldaten lagen, bis zu 40 Mann.“ So bestimmt auch diese Notiz 


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46 


Leonhard Winkler 


lautet, bei der Unzuverlässigkeit Morawitzkys möchten wir das „M i 1 i tärkrankenhaus“ 
doch nicht so ohne weiteres als geschichtliche Thatsache annehmen. Er meint jedenfalls 
das „Scheffersche.“ 

13) Nach den Akten des Staatsarchives war im Jahre 1674 in Amberg wiegen des 
grossen Krankenstandes der oberpfälzischen Truppen „ein Feldspital“ eingerichtet, 
über dessen Wirksamkeit die Regierung alle 8 Tage an den Kriegsrat in München be¬ 
richten musste. Nach anderen Notizen kann aber angenommen werden, dass unter diesem 
Feldspital kein eigentliches neu eingerichtetes Feld spital, sondern das dortige Bürger¬ 
spital zu verstehen ist. Staatsarchiv K. schw. 21811 Kriegsexped. 1674. 

14) Kr. A. Handschr. Slg. Nr. 18 Sext VI, Beil. 22. 

15; Kr. A. B. Türkenkriege 1661/64. 

16) Diese Apotheke war mit 1000 fl. aus der Kriegskasse dotiert. 

17) Die Medikamente sollten in Ungarn nur den gemeinen Offizieren, = Unter¬ 
offizieren und Soldaten gratis verabreicht werden, den vornehmen Offizieren d. h. Ober¬ 
offizieren nur gegen billigen Preis. 

18) Kr. A. Handschr. Slg. Nr. 18, Sext. VI, Beil. 12. 

19) Der Cordon setzte sich aus stabilen Wachen, Wachposten und Patrouillen des 
Fnssvolks und besonders der Reiterei zusammen. Es wurden eigene Wachthütten ge¬ 
baut. Das Generale vom 16. September 1679 empfiehlt ein einheitliches Zusammenwirken 
der Beamten und der Offiziere. Kr. A. Konz. Prot. 1679. Fol. 281. 

20) Kr. A. A. V. 1. Konzeptprot. 1679. 

21) Kopie davon siehe Konz. Protok. 1679 Fol. 444. Die „Fede“, ,,Fed“ — die 
Bürgschaft, Versicherung, Versicherungsurkunde (Sch meller-Frommann I, 690). 

22) Kriegsarchiv A. XII. Gesundheitspflege 1646/1836 und A. XII. 8. 1722—1759. 
Friedrich Wilhelm I. von Preussen führte 1713 die Anatomiekammer und 1724 das 
Collegium medico-chirurgicum ein. Jäh ns, Geschichte der Kriegswissenschaften. München 
1889 II 1586. 

23) Kriegsarchiv Handschrift No. 156 Jahr 1700, Handschrift No. 168, Serie II, 3 
S. 65. Im Jahre 1693 gab es 2 Feldmedici, die Doktoren Eder und Elsässer, den 
Stabsfeldscherer Bischof, 2 Apotheker und 3 Apothekergesellen. 

24) Bei jeder Kompagnie befand sich 1 Feldscherer. fDie Reduktionen der Jahre 
1699/1700 brachten die Beschränkung auf 1 Feldscherer für je 2 Kompagnien, bei den 
niederländischen Regimentern jedoch nur auf kurze Zeit. Staudinger a. a. O. II 134. 

25) Erscheinen erst nach dem Jahre 1683 in den Listen sowohl bei der Infanterie 
wie der Kavallerie. 

26) Kriegsarchiv Handschrift No. 19 Sext II Beilage 

27) Nur in grösseren Garnisonen wie z. B. in München und Ingolstadt. 

28) Das Haus gehörte dem Hofkammerrat und Kastengegenschreiber Fenneberger. 

29) Lipowsky, Urgeschichten von München II, 303 u. 499. 

30) Kriegsarchiv A. VII. 8. Garnisonslazarette 1704—1721. 

31) 1702 wurde in Rosenheim ein Blessur- und Krankenhaus am Inn erbaut, um 
nicht die kranken oder verwundeten Soldaten in die Häuser der Bürger lassen zu müssen. 
Hefner, Chronik von Roseuheim S. 149. 

32) Kriegsarchiv Handschrift No. 156 Jahr 1684. Ordre zum kurfürstlichen Officium 
sanitatis. „Das churfürstliche Collegium Sanitatis hat dafür zu sorgen, dass die kranken 
Soldaten aus den Münchner Kasernen in das Haus, so bisher für die kranken Soldaten 
verordnet war, verlegt werden, um die Ansteckung der Gesunden zu verhütefl“. 

33) Schaffner wöchentlich . . 1 fl. 30 kr. 

Krankenwärter wöchentlich 1 „ 12 „ 

„.. , . neben voller \ erpflegung. 

Kochin wöchentlich . . . 1 „ 12 „ 0 

Zuhelferin.1 „ — „ 

Kriegsarchiv A. VII. 8. Garnisonslazarett 1704 —1721. 

34) Ebenda. 


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Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 47 


35) Die Kraukenkosten wurden vom Jahre 1715 ab aus der Serviskasse bezahlt 
und von den Kasern Verwaltungen verrechnet. Siehe zwei solche Rechnungen im Kriegs¬ 
archiv A. VII. 8. Garnisonslazarette 1704—1721. 

36) Kriegsarchiv A. VII. 8. 1722—1759. 

37) Kriegsarchiv A. VII. 8. 1722—1759. Über Verpflegung kranker Soldaten und 
ihrer Weiber und Kinder siehe auch Mayrs Verordnungensammlung IV, 907. Signat 
vom 19. Juni 1694. 

38) Kriegsarchiv A. XII. 1646—1836. 

39) „Die kleinen Fieber und die kleinen Alterationen sollen in den Kasernen kuriert 
und dem Regimentsfeldscherer immer die nöthigen medicamenta gegeben werden.“ 

40) Staudinger a. a. O. II 897. 

41) Wie langsam die Fürsorge, auch für innere Erkrankung Hilfe und zweck¬ 
mässige Behandlung bei den Abteilungen selbst sicher zu stellen, Ausdruck gewonnen, 
geht daraus hervor, dass es noch im Jahre 1769 den Feldscherern wiederholt verboten 
wurde, innere Kuren vorzunehmen. Kriegsarchiv A. V. 1, Konzept Protokoll 1769 Folio 547, 
Gerneth „Geschichte des 5. Infanterie-Regts.“ I, 40. 

42) Es kam öfters vor, dass die Feldscherer vom Arzt, „auf blosses Vorbringen hin“ 
Arzneien verlangten. Allerhöchstes Verbot vom 28. März 1725 an alle Regimenter. Kriegs¬ 
archiv A. XII, 1646— 1836. 

43) Kriegsarchiv. Ebenda. 

44) Vergl. Staudinger a. a. O. II 767, wo schon 1715 solche Leute mit simpler 
Attestation weggejagt werden sollten. 

45) Vergl. Staudinger a. a. O. II 857, Kriegsarchiv A. XII. 1636—1836 und 
A. VII. 8. 

46) Siehe Staudiuger a. a. O. II 769 und 783. Zustände in Ingolstadt. 

47) Kriegsarchiv A XII 1646—1836. Ebenda Handschrift Nr. 168, Ser. II 3 S. 22 
und Staudinger a. a. O. II 793. Instruktion für General Degenfeld 1683 und Maffei 1717. 

48) Es waren hiefür 4 Pferde normiert Die Feldapotheker mussten für Wagen, 
Pferde, Geschirr und Knechte sorgen und bekamen hiefür das Geld. Kriegsarchiv Hand¬ 
schrift Nr. 156 Jahr 1709. 

In Piemont wurden beim Einfall in die Dauphin^ Tragpferde verrechnet. 

Im Jahre 1706 ging bei Ramillies die Feldapotheke zu gründe. Ihre Wieder- 
anschaffung kostete 1227 a / 3 fl. S t a u d i n g e r a. a. II 577. 

49) Auf jedem Kriegsschauplätze mindestens einer. 

50) Gerneths „Geschichte des 5. Infanterie-Regiments“ I, 12 u. 26. Staudinger 
a. a. O. I 89, II 685. 

51) Vergl. Hoyer, Geschichte der Kriegskunst. Göttingen 1799 Band III 587. 

52) Hauptsächlich Fieber, weisse und rote Ruhr, Dysenterie und Skorbut oder 
Scharbock. 

53) Kriegsarchiv Handschrift Nr. 19 Serie II 37 und Staudinger a. a. O. I. 89. 

54) Ebenda II 804, 827, 847. 

55) Kriegsarchiv A. V. 1, Konzeptprotokoll 1682. Gegen die in Lyon, Paris und 
Strassburg sowie in Sachsen herrschenden Krankheiten. 

56) Staudinger a. a. Cb II 227. 

57) Doktor Eder als Arzt, ein Apotheker, ein Apothekergeselle, sowie ein Oberfeld¬ 
scherer = Stabsfeldscherer. (Hauptfeldspital in Turin, Feldspitäler in Demonte und Coni.) 

Näheres hierüber siehe bei Winkler „Die Feldzüge in Piemont“ I 43, II 27, 73, 
88, 98 u. 115. In Piemont bezogen die Kranken zur Naturalverpflegung den ganzen Sold. 

58) Darstellungen aus der bayer. Kriegs- und Heeresgeschichte. München 1892. 
Heft 1. „Das kurbayerische Prinz Philipp Karabiniers-Regiment zu Pferd“ 1704—1710 von 
Winkler Seite 95. 

59) Siehe „Das kurbayerische Regiment zu Fuss Graf Tattenbach in Spanien 
1695—1701 von Winkler. München 1890. 

60) Die erste Spitalorduung datiert in den Akten vom 5. April 1755. Kriegsarchiv 


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48 Sanitätswesen in der kurbayer. Armee nach dem dreissigjährigen Kriege etc. 


A. VII. Garnisonslazarette 1722 1759. In anderen Armeen gab es solche Reglements schon 
früher. Friedrich Wilhelm I. erliess 1734 eine Feldlazarettinstruktion für sein Truppenkorps 
am Rhein. Interessant ist, dass schon der grosse Türen ne seinen Denkwürdigkeiten eine 
Abhandlung über die Feldlazarette angehängt hat Die Litteratur der damaligen Zeit be¬ 
schäftigte sich vielfach mit den Krankheiten der Soldaten und ihrer Heilung. 

Jäh ns, Geschichte der Kriegs Wissenschaften. II 1280. 

61) Siehe Staudinger a. a. O. II 790, wo sich ein solches Qualifikationsattest 
findet Der Generalstabsfeldscherer hatte dieselben Geldbezüge wie der Feldmedicus, 75 fl., 
sowie 6 Mundportionen und 5 Pferderationen, während der Arzt nur 3 bezw. 2 bezog. 

Ebenda 68 Anlage 38. 

62) Jälins a. a. O. II 1278 ff. Leibnitz ist auch der Vater der Lazarettbaracke, ver¬ 
meintlich eine Errungenschaft der neuesten Zeit Ebenda 1279. 

63) von Hoff mann „Geschichte des 4. Infanterie-Regiments“ S. 161. 

64) Staudinger a. a. O. II 262 und 769. 

65) J äh ns a. a. O. II 1191. Kurbayerische Kartells fanden sich in den Akten nicht. 


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Die beiden landständischen Rezesse 
im Fürstentume Bayreuth über die Napoleonische Kriegs¬ 
kontribution und die anderen Kriegslasten. 

Von 

Ludwig Fahrmbacher. 

Oktober 1806, als die Beziehungen zwischen Frankreich und 
Preussen immer schwieriger wurden, besetzten die Franzosen ohne Kriegs¬ 
erklärung, aber auch ohne Widerstand das mit Preussen in Personalunion 
verbundene Fürstentum Bayreuth, und schon am 15. November 1806 legte 
der Kaiser Napoleon dem Lande eine Kontribution von 2500000 frcs. auf, 
welche ohne allen Verzug bar bezahlt werden sollte. Die Landesregierung, 
d. h. die in Bayreuth befindliche Kriegs- und Domänenkammer, welche zugleich 
Landschaftsdirektorium war, traf sofort vorsorgliche Massregeln, konnte aber 
eine solche Summe nur mit Hilfe der Landstände aufbringen. Sie berief 
daher den Landschaftsausschuss rasch zusammen und vereinbarte mit ihm die 
notwendigen finanziellen Massnahmen. Darüber wurde dann am 26. Februar 
1807 folgender Landtagsabschied ausgefertigt. 


I. Recess der Kriegs- und Domänen-Cammer und Landschaftskollegii des Fürsten- 
thums Baireuth mit den löblichen Landständen in Betreff der französischen Kriegs- 
Contribution von 2,500,000 frcs. oder 1,160,541'/4 fl. rhein. 26. Febr. 1807. 

Zu wissen seye hiermit allen denen es zu wissen erforderlich ist: 

Da bei dem jezigen Krieg, welcher seit dem Anfänge des Octbr. v. J. 
auf das Fürstenthum Baireuth traf, demselben am 15. Novbr. desselben Jahres 
im Namen Sr. Majestät Napoleons Kaisers der Franzosen und Königs von 
Italien durch den Kaiserlich französischen Herrn Auditeur au conseil d’Etat 
und Intendanten des Fürstenthums Baireuth, deTournon, eine Kriegs-Contri- 
bution von zwei Millionen fünfmal hundert Tausend Francs oder 1*160,541 l ;4 fl. 
rhein., welche ohne allen Verzug baar zu bezahlen sei, aufgelegt, und zugleich 
von dem gedachten Herrn Intendanten die hiesige Kriegs- und Domänen- 
Bayer. Forschungen VII, 1. 4 


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50 


Ludwig Fahrmbacher 


Cammer zu deren Beitreibung beauftragt wurde, so hat letztere zwar sofort 
dagegen bei dem Herrn de Touruon die dringendsten Vorstellungen der 
gänzlichen Erschöpfung der überdies seitdem unter Kaiserl. französischen 
Sequester gelegten Landes-Cassen und der bereits von der hiesigen Provinz 
erlittenen Kriegslasten und andern Unfälle gemacht; es fanden aber solche 
bei dem bestimmten Willen seines Souverains keinen Eingang. 

Nach dieser Lage der Umstände und bei der damaligen und noch 
dauernden gänzlichen Unterbrechung aller Verbindung des hiesigen Landes 
mit des Königs von Preussen Majestät und den hohen Departements in Berlin 
wurde daher von der hiesigen Cammer und Landschaftscollegio beschlossen, 

1. wegen der ausserordentlichen Eile, wonach das erste Drittel der 
Kriegs-Contribution schon am ersten Decbr. v. J. baar erlegt werden sollte, 
einen Ausschlag der Summe von 400000 fl. rhein. auf alle Unterthanen und 
Staatsdiener iu der Art zu machen, dass ein sechsfacher Servis erhoben 
werde, und des Endes alle Grundstücke, Gewerbe und Einkommen, welche 
sonst gewöhnlich von dieser Anlage frei sind, für diesen Fall, wobei Niemand 
auszuschliessen, verhältnissmässig gleichfalls damit angelegt würden, 

2. Die Landstände des Fürstenthums Baireuth in einen Ausschus 
schleunigst einzuberufen und sie über die vorläufig ausgeschlagene Kriegs- 
contribution und eines Theiles der Entschädigungssumme für die von Seiten 
des kaiserl. französischen Militärs geschehenen Requisitionen an Pferden, 
Rindvieh, Getreide und Fourage, desgleichen die fortlaufenden allgemeinen 
Kriegskosten, an Tafelgeldern, Lazarethkosten und dergleichen, in Kentniss 
zu setzen und zugleich mit denselben wegen Aufbringung der übrigen Summen 
Deliberation zu pflegen, und die hiebei gewählten Maasregeln ohne den ge¬ 
ringsten Aufsschub in Vollziehung zu setzen. Auf das Namens der hiesigen 
Kriegs- und Domäneu-Cammer als Landeshoheits-Collegium am 15. Nov. v. J. 
erlassene Convocationsschreiben, worin der ausdrückliche Vorbehalt aller hiebei 
sowohl für den allerhöchsten Landesherrn als die löblichen Stände überhaupt 
zu beobachtenden Rücksichten und besonders wegen der Formalien, da der 
ausserordentliche Fall nicht zur Consequenz gezogen werden könne, beigesetzt 
ist, erschienen die Deputierten der 6 Haupt- und 2 Nebenstädte, ingleichen 
des Marktes Ipsheim, ferner auf die besondere Citation der Kriegsrath Russ 
aus Wunsiedel Namens des Bauernstandes, welcher auch vor Eröffnung der 
Verhandlungen von jenen Deputirten zum Syndico communi erwählt und 
bestätigt worden. 

Die über diese Verhandlung abgehaltenen Protokolle vom 28. und 
29. Novbr., 3. Decbr. a. pr. dann 16, 18, 21 und 26. d. M. liegen hier bei, aus 
welchen folgendes als das Haupt-Resultat in diese Urkunde übergetragen wurde. 

I. 

Die unterschriebeneu sämmtlichen Landständischen Deputierten und 
Syndici, in der gänzlichen Überzeugung der unbedingten Nothwendigkeit 
des Falls, erkannten einstimmig die von der hiesigen Cammer und Land- 


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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentume Bayreuth etc. 51 


schafts-Collegio getroffene Maasregel in Absicht auf die Beschliessung des 
Ausschlags der 400,000 fl. rh. zur Zahlung des ersten Drittels der Kriegs- 
Contribution und Entschädigung für die oben bemerkten Requisitionen als 
zum Besten aller Unterthanen und Einwohner des Fürstenthums Baireuth 
und um von demselben grösseres Unglück abzuwenden, vollkommen zw’eck- 
mässig an. 

Da aber die eben erwähnte Summe die einzelnen Unterthanen schon 
zu sehr mitgenommen hat, wie bei dem weiteren Ausschlag nur des dritten 
Theils von dem zweiten Dritteil der ganzen Contribution sich erwies, und 
augenblickliche Zahlungen in baarem Gel de das Land von allem Numerär 
entblössen und dadurch unberechenbare Stockungen in allen Gewerben ver¬ 
anlassen würden, so wurde 


II. 

von der Cammer und Landschafts-Collegio in völliger Übereinstimmung 
mit den unterschriebenen sämmtlicher Landständischen Deputirten und Syndicis 
beschlossen, die übrige Summe zu der Kriegs-Contribution mit circa inclus. 
der provision 800000 fl. rh., soweit hieran durch die an Sr. Majestät den 
Kaiser Napoleon unmittelbar abgeschickte und zur Zeit noch im Haupt¬ 
quartier zu Warschau aussenseyende Landständische Deputation kein Nach¬ 
lass zu bewirken sey, 

a) auf die Landesherrlichen Domänen des Fürsten thums Baireuth und 

b) das steuerbare Vermögen der Unterthanen desselben 

so viel möglich vom Auslande aufzunehmen und interim nothgedrungen durch 
Zwangsanleihen im Lande aufzubringen, den weiteren Ausschlag von einem 
zweifachen Servis aber nicht mit Strenge und nur successive zu erheben und 
zur allgemeinen Entschädigungskasse zu verwenden, sowie auch den Ertrag 
von der beschlossenen Abgabe von Capitalien. Über diese ganze Operation 
in Absicht auf die Vertheilung der Summe von 800000 fl. auf die Landes¬ 
herrlichen Domänen und das steuerbare Vermögen der Unterthanen, die 
Sicherheit der Verpfändung, die Partial-Schuldverschreibungen, die Zinsen 
des Capitals, die Zurückzahlung desselben und überhaupt alles, was den 
Gegenstand der Beschliessung des bei dieser Veranlassung abgehaltenen Land¬ 
tags betrifft, sprechen die vorhin berührten unter dem Buchstaben A bei¬ 
liegenden Protokolle, auf welche sich hier allenthalben, als wenn sie dieser 
Urkunde eingerückt wären, ausdrücklich bezogen wird. 

Zu desseu Urkunde ist gegenwärtiger Recess niedergeschrieben und 
von selbem das gleichlautende Exemplar mit Beidruckung des grossen Inn- 
siegels der hiesigen Kriegs- und Domänen-Cammer II Senats, als Landes- 
hoheits-Collegii, von den Landesherrlichen Commissarien eigenhändig vollzogen^ 
dann von den sämmtlichen Landständischen Deputirten und Syndico communi 
ebenfalls eigenhändig subscribirt und besiegelt und das eine Exemplar zu 
dem geheimen Landesarchiv, das zweite der Cammer und Landschaftsregistratur 
und das dritte den Landständen abgegeben und behändigt worden. 

So geschehen Baireuth den 26. Februar 1807. 

4 * 


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52 


Ludwig Fahrmbacher 


Schuchmann. von Dörnberg. Wipprecht. Barth. 

Magistrat zu Baireuth Pöhlmann, Eisenbeiss. (L.-S.) 

„ „ Hof Knoch. Franck. (L.-S.) 

„ „ Neustadt aA. Hummel. Emmert. (L.-S.) 

„ „ Kreussen Wiesend. Schmidt. (L.-S.) 

„ „ Kulmbach Schenk. Dill in g. (L.-S.) 

„ „ Wunsiedel Carner. Zeitler. (L.-S.) 

„ „ Erlangen Fleischmann. Fahre. (L.-S.) 

„ „ Münchberg Can zier. Meyer. (L.-S.) 

Syndikat 
der Land- 
Stände des 
Fürstenth. 

Baireuth. 

^ R U S S. 

Der Friede zu Tilsit (7. Juli 1807) machte zwar dem unglücklichen 
Kriege Preussens mit Frankreich ein Ende, indem der König von Preussen 
alle seine Länder westlich der Elbe, darunter auch das Fürstentum Bayreuth 
an Napoleon abtrat. Aber damit kehrte noch nicht Friede und Ruhe in 
dieses unglückliche Land zurück. Die Kriegskontribution von 2V2 Mill. frcs. 
war nur ein geringer Theil der Lasten gewesen. Die fortdauernden Lieferungen, 
Vorspann, Einquartierungen waren weit drückender. Insbesondere verursachten 
letztere sehr grosse Barauslagen, teils für Unterstützung der Quartierträger, 
teils für Natural Verpflegung der Generalität, Tafelgelder, Lazarettkosten, 
Garnisonierung in den Kasernen. Die Requisitionen an Vieh, Montierungs¬ 
stücken, wovon ein Teil wenigstens bar bezahlt werden musste, waren ein 
sehr bedeutender Gegenstand. Obwohl nun zwar nach dem ersten, zur Tilgung 
eines Drittels der Kontribution bestimmten Steuerausschlages noch zwei Aus¬ 
schläge nach demselben Steuerfusse gemacht wurden, woraus eine besondere 
Kriegsentschädigungskasse gebildet wurde, so war doch das, was darauf wirk¬ 
lich einging, nicht hinreichend, alle Zahlungen zu leisten. Allmählich wurde 
zwar das V. französische Armeekorps aus der Provinz zurükgezogen; allein 
es verblieb dort bis Herbst 1808 noch eine Division Kürassiere, sowie das 
Gouvernement und ein Lazarett; auch hörten die Durchmärsche nicht auf. 
Alles dies machte die Aufbringung neuer Zahlungsmittel notwendig. Da¬ 
durch entstand für die Kriegs- und Domänenkammer als Regierung des Landes 
die Notwendigkeit, die Landstände abermals zusammenzurufen, und es ge¬ 
schah dies in einem Ausschreiben vom 6. Oktober 1808 an den Ausschuss der 
löblichen Landstände des Fürstentums Bayreuth, d. h. an die Städte Bay¬ 
reuth, Culmbach, Hof, Wunsiedel, Neustadt, Erlangen, Creusseu, Münchberg, 
Windsheim und Iphofen, dann die Marktgemeinde Ipsheim, sowie an die löb¬ 
liche Ritterschaft des Fürstentums Bayreuth. Als Beratungsgegenstände waren 
bezeichnet, 

1) wie dem dringenden Geldbedürfnisse für den Augenblick abge¬ 
holfen werden könnte, — unter Andeutung von Vorleihen —, 


Bayreuth er 
Kriegs- u. 
Dom&nen- 
€ immer 
U Senat 


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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentu me Bayreuth etc. 


2) nach welchem Fuss die Fonds zur Bezahlung dieser neuen Vor¬ 
leihen nebst Zinsen und zur Bestreitung der weiteren Ausgaben 
aufgebracht werden könnten. 

Es wurden drei Sitzungen gehalten und dann der nachfolgende Land- 
tagsabschied erlassen. 


II. Recess der Kriegs- und Domänen-Kammer und Landschaft zu Baireuth mit den 
löblichen Landständen in Betreff der ausserordentlichen Auflagen zu Bestreitung 
der Ausgaben für die Kriegsmolestien. 29. OkL 1808. 

Zu wissen seye hiemit allen, denen es zu wissen erforderlich ist: 

Da seit Abschliessung des landständischen Recesses vom 26. Febr. 1807 
das Fürstenthum Baireuth in den Folgen des Kriegs eine Reihe von neuen 
Unfällen gelitten hat, welche mannchfaltige gemeinschaftliche ausserordentliche 
Ausgaben aller Unterthanen und Einwohner des Landes dringend nothwendig 
machten, so sah sich die hiesige Kriegs- und Domänen-Kammer in den Fall 
gesetzt, in dem Laufe der Jahre 1807 und 1808 zwei weitere Geldausschläge 
auf die ganze Provinz umzulegen. 

Die Eigenschaft des Falles gestattete durchaus keine vorläufige Rück¬ 
sprache mit den löblichen Landständen, um hierüber ihre förmliche Bewilligung 
alsbald zu erhalten. Sie sind aber durch öffentliche Bekanntmachungen in 
den Landeszeitungen von der Veranlassung dieser Maassregeln mit der Ver¬ 
sicherung unterrichtet worden, dass sie von der zweckmässigen Verwendung 
der auf jene Weise eingegangenen Gelder noch näher überzeugt werden sollten. 

Die Kriegs- und Domänen-Kammer durfte bei ihrem Anspruch auf das 
Vertrauen der Unterthanen und Einwohner des Landes, welches sie bei allen 
Gelegenheiten zu gewinnen gesucht hat, sich der Hoffnung überlassen, dass 
die Beiseitesetzung von Formen, die auf die gewöhnliche Ordnung der Ver¬ 
hältnisse berechnet sind, in der jetzigen Lage des Landes keinen Eindruck 
machen konnte. 

So theilnehmend übrigens die Kriegs- und Domänen-Kammer mit den 
Unterthanen und Einwohnern des Landes den Wunsch gehegt hat, dass den 
ausserordentlichen Ausgaben, welche die Zeiten herbeigeführt haben, baldigst 
ein Ziel gesetzt werden könnte, so wenig war es abzuwenden, dass bei den 
theils fortdauernden, tlieils neuen Gelegenheiten zu dergleichen Ausgaben der 
durch die gedachten Ausschläge gesammelte Geldvorrath nicht nur ganz er¬ 
schöpft wurde, sondern es auch an fonds fehlte, die bereits assignirten Aus¬ 
gaben zu bezahlen. 

Die dunkle Aussicht in die Zukunft erforderte unbedingt, dass auch 
für sie vorläufige Vorsorge getroffen werden musste. In dieser Lage der 
Umstände wurde daher von der Kriegs- und Domänen-Kammer, nachdem 
hievon das Kaiserlich französische Gouvernement und Intendantur der Pro¬ 
vinz in Kenntniss gesetzt waren, beschlossen, die löblichen Landstände des 
Fürstenthums Baireuth einzuberufen, um ihnen den Zustand der Sache, wie 


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54 


Ludwig Fahrnibacher 


er sich seit dem Februar 1807 entwickelt hat, und wie er jetzt ist, näher vor 
Augen zu legen und mit ihnen gemeinschaftlich zu berathen, wie die schleu¬ 
nigste Hülfe geschafft werden könnte. 

Auf die Namens der Kriegs- und Domänen-Kammer als Landeshoheits- 
Collegii und Landschaft erlassenen Convocationsschreiben vom 6, 16 und 18. 
Oktober d. J. erschienen der Besitzer der Herrschaft Thumau, Herr Carl 
Graf von Giech, die Deputirten der Ritterschaft des Fürstenthums Baireuth, 
Herr Major Ludwig Christian von Dobeneck, Herr Kammerherr 0 11o 
Ludwig von Plotho und Herr Rittmeister Wilhelm von Falkenhauseil, 
nach der Assecurazions-Akte über die Herrschaft Thumau von 1796 § V und 
nach der Ritterschaftlichen Declaration vom 10. August 1801 § I, dann die 
Unterzeichneten Deputirten der Hauptstädte, der Nebonstädte und des Marktes 
Ipsheim sowie auch die Deputirten der zum erstenmale einberufenen Städte 
Windsheim und Iphofen, ingleichen auf besondere Citation der Kriegsrath 
Russ als Syndicus communis jener löblichen Stände und als auch bei dieser 
Landständischen Versammlung auf gestellter Syndicus des Bauernstandes. 

Die über die von den von Seite der Kriegs- und Domänen-Kammer er¬ 
nannten Kommissarien geschehene Propositionen und über sämmtliche andere 
in ihrer Gegenwart gepflogenen Verhandlungen abgehaltene Protokolle vom 
20., 24. und 27. dies, liegen hier bei, aus welchen folgendes als die Haupt¬ 
resultate der Berathungen und Bewilligungen in diese Urkunde übergetragen wurde. 

I. 

Haben sich die sämmtlichen Landstände von der NothWendigkeit der 
Veranlassung der vorhin bemerkten zwei weitere Geldausschläge und deren 
Verwendung im Allgemeinen, ebenso als davon überzeugt, dass die Umstände 
eine neue Geldhülfe aller Unterthanen und Einwohner unlossprechlich gebieten. 


II. 

Soll daher zur schleunigsten Beischaffuug eines Geldvorrates zur Be¬ 
richtigung der vorliegenden Assignationen und zur Bestreitung der weiter 
nötigen Current-Ausgaben ein unverzinslicher Vorschuss von 

203000 fl. (zweimal hundert und drey tausend Gulden rheinisch)*) 


*) Die 203 000 fl. Zwangsanleihe sollten in folgender Weise laut Protokolles vom 


24. Oktoker 1808 ausgeschlagen werden: 

Stadt Baireuth.21 000 fl. 

„ Culmbach.5 000 ,, 

„ Hof.18 000 ,, 

,, Wunsiedel.5 000 „ 

„ Neustadt a/Aiseh.4 000 ,, 

„ Erlangen.12000 „ 

,, Windsheim.4 000 ,, 

Herrschaft Thumau ...... 4 000 ,, 


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Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentunie Bayreuth etc. 


55 


auf die Unterthanen und Einwohner des ganzen Landes, welche ihn auf zu - 
bringen vermögen, ausgeschlagen, dann 

30000 fl. (dreissig tausend Gulden rhein.) 
aus den paratesten Geldern der Kirchen- und anderen milden Stiftungskassen 
der Provinz auf genommen werden. 


III. 

Solle zu Abtragung dieser Geldvorschüsse im Jahr 1809 und zu Be¬ 
sorgung der weiter erforderlichen Ausgaben unverzüglich neue Ausschläge 
auf das Grundvermögen, Capitalien, Gewerbe und Besoldungen des ganzen 
Landes als ausserordentliche Beiträge zur Hülfe im gemeinen Mitleiden aus¬ 
geschrieben werden, wobei der bisherige Massstab nach Servismassen wieder 
angenommen und die Beiträge von Capitalien und Gewerben erhöht werden. 

Übrigens ergibt sich das Nähere über die obenerwähnten drey Haupt¬ 
gegenstände sowohl als auch über alles, was rücksichtlich der andern hieher 
gehörigen verschiedenen Gegenstände auf die Vergangenheit und Zukunft 
verabredet, beschlossen uud vertragen worden, aus den obenbemerkten bei¬ 
liegenden Protokollen, auf welche sich hier allenthalben, als wenn sie dieser 
Urkunde wörtlich eingeruckt wären, ausdrücklich bezogen wird. 

Zu dessen Urkunde wurde gegenwärtiger Recess niedergeschrieben und 
von solchen drey gleichlautende Exemplare mit Bei druck des grösseren In¬ 
siegels der hiesigen Kriegs- und Domänen-Kammer II. Senats als Landes- 
hoheits-Colegii von den von Seite der Kammer bestellten Commissarien eigen¬ 
händig vollzogen, dann von den sämmtlichen löblichen Landständen und 
Syndico communi ebenfalls eigenhändig subscribirt und besiegelt uud das eine 
Exemplar zu dem geheimen Landes-Archiv, das zweite zur Kammer- und 
Landschaftsregistratur, und das dritte den löblichen Landständen abgegeben 
und behändigt. 

So geschehen Baireuth, den 29. Oktober 1808. 


Bayreuther 
Kriege* und 
Domänen- 
Kammer. 


Dörnberg. Wipprecht. Grupen. Barth. 


Schwarzkopf. 


Baireuther Kreis inkl. der Rittergüter 

14000 fl. 

Culmbacher „ 

16 000 „ 

Wunsiedler „ ,, „ „ 

20 000 „ 

Erlanger 

20000 „ 

Neustädter ,, ,, „ „ 

40000 „ 

Höfer ,, exkl. „ 

10000 „ 

Die Rittergüter des Höfer Kreises 

10000 „ 


203 000 fl. rhein. 

Sie sollten als Vorschüsse behandelt und mit 6 Prozent verzinst werden. 


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56 L. Fahrmbacher, Die beiden landständischen Rezesse im Fürstentume Bayreuth etc. 


(L.-S.) Karl v. Giech. (L.-S) v. Dobeneck. (L.-S.) v. Plotho. 
(L.-S.) Falkenhausen. 


Hof 


(L. 
(L.-S.) 

bQ, Eisen beiss 
'C_ S Pöllmann 

Franck 
Widmann 

/ Hummel 

Neustadt 

V._✓ Emmert 

Drittler 
V*._y Roth 

Riedel 

Münchberg 

_ S Meyer 

i phofe n Hanselmann 


Schenk 

Culmbach 

V._y Milling 

JO. Sum scher 
v*._ S Wunder 

^ Winkler 

Erlangen 

V_ S Fleischmann 

jC ^ Wiesendt 

Creussen 

V._ S Schmidt 

ipsheün Gehauf 

Syndikat der 

Landstände des p 11C(1 
Fürstenthums -K-USS. 
Baireuth. 


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Faschingssohlittenfahrten bayerischer Studenten. 

Von 

Karl von Reinhardstöttner. 

/>- 

fu den ältesten Vergnügungen der altbayerischen Städte, voran natürlich 
der Residenz, zählen die jährlichen Schlittenfahrten, die mit mehr oder weniger 
Gepränge, mit Maskeraden und fröhlichem Mummenschanz die Herrschaft des 
Winters begrüssten. Westenrieder hat in seinen „Beyträgen“ 1 ; alte Erlasse 
gesammelt, welche „das jährliche Schlittenfahren des Magistrats 
von München“ betreffen. Im Jahre 1592 hat Herzog Wilhelm der 
Fünfte von Bayern „von seiner fürstl. Dtl. lieben vnnd getrewen Bürger 
Maister vnnd Innerem Rath allhie mitt nitt geringem befrembden vernommen, 
das sy Sr. fürstl. Dtl. mitt ausdrückenlichen Worten zuschreiben, wie sy die 
von München das gewehnlich vmbfahren, so, Irem angeben nach, etwan 
andere Jare beschechen, einzestellen Vorhabens seyen.“ 2 ) Sie erhalten Befehl, 
morgen „wie gebreichig, veblich vnnd würcglich herkhomen“ die Um¬ 
fahrt auszuführen. 

Der Bürgermeister und der innere Rat berufen sich darauf, dass bisher 
noch kein Schnee gefallen sei, fiele ein solcher, so wollten sie Sonntag über 
acht Tage „gern herum fahren“. Aber am 12. Januar desselben Jahres geschehen 
Schritte, „die Vngelegenheit dess Vmbfahrens an zu bringen, das nemblich 
khein schnevngewitter, etlicher Haussfrawen geschwangers leibs vnnd derowegen 
in gefahr, vnd das es also auf dem Plossen Pflaster herumb zufham, Vn- 
bequemblich“ 8 ) sei. Die Bürgerschaft ersucht, „aus oberzelten Vrsachen, 
Vnnser, Vnnserer Hausfrauen, vnd Töchter, auch dissmal genedigist verschonen 
lassen“ 4 ) zu wollen. 

Auch an Maximilian I. wandte sich am 18. Januar 1604 die Bürger¬ 
schaft, weil ihr befohlen worden war, „auf nechsten Sontag, es schneye 
oder nit, herumb zefahren.“ 5 ) Es werden längere Schreiben gewechselt, 
bis den Bürgern angeordnet wird, morgen Sonntag zu fahren; „denn sollte 
sich das Wetter hernach verändern vnd sie also noch vor Fassnacht nit mehr 
schlitten Weg haben khünden, würden sie Inen selbs die schuld zue zu messen 
wissen, wann sie alssdann auf den stainen herumb fahren müssen.“ 6 ) 

Heftig wehrt sich die Bürgerschaft, welche Gefahr die Umfahrt für 
ihre Weiber hätte, dass „etliche vnser Frawen in der Kündelpöth 7 ), vnd thails 
sonsten ybel auf“ 8 ) seien; auch fühlen sie sich sonst durch diese Auffahrten 
beschwert, weil es schon oft vorgekommen sei, „das man nit allain gemainc- 
licli vnter dem Pöfel, 9 ) sonder auch wol an ander orthen dauon spöttlich 


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5 $ Karl von Reinliardstöttuer 


geredt, alls gescheche es vns, vud den Geschlechts verwohnten zu sonderem 
spott, vnd wegen ainer vor alters verschuldter straff.“ 10 ) 

Dankbar preisen darum Bürgermeister und Rat den Herzog im Jahre 1608, 
da er ihnen „des Jhärlichen Herumbfahrens mit gnaden erlassen,“ 11 ) wodurch, 
wie es scheint, der Fürst und die Massen des Volkes um ein beliebtes, den 
Beteiligten freilich lästiges Schauspiel kamen. 

Aber auch der glänzende Hof der Kurfürstin Adelheid, der prunk¬ 
vollen Tochter des Südens, Hess sich die zierlichen Schlittenfahrten des 
rauheren nördlichen Klimas bei seinen tausendfältigen, mit Raffiniertheit er¬ 
sonnenen Festen nicht entgehen. Sie spielen in die prächtigen „giostre“*) ,2 ) 
herein, deren erfindungsreiche Pracht Adelheid ihre schöne Heimat ver¬ 
gessen lassen sollte. Solch eine üppige Schlittenfahrt hat der Italiener 
Domenico Gisberti 18 ) in eine seiner giostre verlegt, die er „I trionfi 
di virtuosa Belleza“ nennt — ein glänzendes Bild, obwohl „rigida la 
Stagione, e gelata la Neve.“ 

Eine Meerschnecke als Schlitten, von einem geflügelten Renner gezogen, 
denkt sich Gisberti als den Sitz der Schönheit (Bellezza); das Knabenalter 
(Pueritia) wünscht er dargestellt von der kleinen Prinzessin Marian na, die 
damals acht Jahre zählte, 16 ) der nachmaligen Gattin des Sohnes Ludwigs 
des Vierzehnten, Ludwig Dauphin de Viennois, die Jugend (Gioventü) 
selbst aber hatte er der Kurfürstin Adelheid zugedacht; aber ungleich 
grossartiger als die Phantasie des Dichters das Fest entwarf, gestaltete es der 
Prunk der kurfürstlichen Herrschaften, die „slittata“ wurde ein „fortuna- 
tissimo giorno.“ 

Auf der weiten schneebedeckten Fläche zwischen dem Zeughause und 
der Residenz zu München fand die wunderbare Schlittenfahrt statt; der erste 
Schlitten ein Kranich, der zweite ein Delphin mit Musik, der dritte ein 
Schwan, der vierte ein Pfau, der fünfte ein Storch, der sechste ein Phönix, 
der siebente ein Truthahn, der achte ein Adler; zahllose einfache Schlitten 
folgten. Der hohe Adel des Landes nahm lebhaften Anteil; fast alle Namen 
der Grossen des damaligen Hofes begegnen uns: Spettacolo era questo per 
vua Giostra di SLITTE, per vna SLITTATA da Giostra; mä tanto erudito, 
che mille fauole, mille Historie tacitamente insegnaua; castigandosi dallo 
Scalpello Maestro le fintioni di Poetica Penna, col ridurre sotto Metamorfosi 
di sauio Intaglio Huomini giä trasforinati in Arbori in tanti Alati nell’ otto 
Prime, in tanti Quadrupedi nell’ otto seconde, e nelle terze in tauti Segni del 
Zodiaco, in tante Deitä Celestiali, berichtet begeistert (13) Gisberti. 

Doch lassen wir diese prunkvollen Festlichkeiten, welche die Grossen 
der Erde nur für sich begingen, und welche gewinnsüchtige Ausländer 
ersannen, die sich zwischen Fürst und Volk drängten, um jene Belusti¬ 
gungen zu verfolgen, welche die Söhne des Bürgers der Stadt zum besten 
gaben, jene witzigen Faschingsschlittenfahrten der altbayerischen Studenten. 


*) Giostra (frz. joute, mild, tjost von juxta) = Zusammentreffen, Turnier. 
(F. Diez, Etym. Wörterbuch S. 168.) 


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Faschingsschlittenfalirten bayerischer Studenten. 


59 


Wie sehr das altbayerische Volk an Schaustellungen seit alten Tagen hing, 
ist allbekannt; 16 ) wo kein Theater bestand, thaten sich die Bürger einzelner 
Städte zu Aufführungen zusammen. 17 ) Vor allem aber ersetzte das Schau¬ 
spiel der Jesuiten reichlich dem Volke eine glänzende Bühne. 18 ) 

Mit den Aufführungen ihrer Schulkomödien, ihren Medi¬ 
tationen und Affixionen, ihren Umgangsspielen hängt auch die 
heitere Schlittenfahrt der Studierenden soweit zusammen, dass der 
Geschichtschreiber des Jesuitendramas und der jesuitischen 
Schuldisziplin auch diesen Äusserungen des Humors, der doch 
daheim im Jesuitenkolleg seine Geburtsstätte hatte, sein Augen¬ 
merk zuwenden muss. Auch hier erblicken wir jenes beabsichtigte Wirken 
auf die breiten Volksmassen, jenes Entgegenkommen dem Volke gegenüber, 
jenes Herabsteigen zu seinem Empfinden neben dem oder trotz des etwas 
scholastischen Witzes, dem wir in den Schlittenfahrten ebenso wie in den 
wenigen heiteren Stücken des Jesuitentheaters 19 ) begegnen. 

So wie wir zahlreiche Perioclien — Inhaltsangaben der Stücke der 
Jesuiten — besitzen, so fehlt es auch an Programmen zu diesen Schlitten¬ 
fahrten nicht, 20 ) aus denen der biedere Bürger entnehmen konnte, was ungefähr 
die Absicht der Musensöhne bei ihren Aufzügen sein mochte. Wie heutigen 
Tages so spielt auch dort ein fernes Phantasieland, ein fabelhafter Vorgang, 
ein Ereignis der letzten Zeiten, ein allen mehr oder minder bekannter Vorfall. 
Die Studenten spassen wohl auch über sich und ihre Lehrer, ihre Fächer 
und ihre Vertreter; das moderne Schlaraffenland ersetzt in jenen Tagen 
meistenteils Utopia. 

„Zu Utopia, einer Lappländischen gegen Fastnacht, ohnweit des un¬ 
sinnigen Meeres gelegenen Stadt“, beginnt das Programm von 1749, unwill¬ 
kürlich und ohne es zu ahnen den alten Petrus Aegidius 21 ) ergänzend, 32 ) 
„ereignete sich vor nit allzuvilen Jahren ein recht seltsamer Streich.“ Dorthin 
kamen „drei auswendige Forestiers“, „um denen hiesigen vor allen anderen 
berühmten Carnevals-Lustbarkeiten beyzuwohnen. Sie nennten sich Don 
Solpitios Severos, ein Spannier, welcher von Morgen, Monsieur de la Courtoisie, 
ein Frantzoss, welcher von Abend, Herr Vitelius Lauterwein, ein Teutscher, 
der von Mittag anlaugte.“ Man beschloss, „selbige durch einen prächtigen 
Einzug in die Stadt zu führen.“ Ein grosser Teil der Einwohner hatte, um 
einstweilen auszuruhen, bis alle Vorbereitungen zu dem festlichen Empfange 
vollendet wären, „ihre Köpff in etwas zu Ruhe zu legen“ sich gestattet. Da 
kamen zu rasch die Forestiers, auf dem Rathause schlug man Sturm, „ein jeder 
griffe geschwind nach dem Kopff, und weillen es noch ziemlich dun ekel, auch 
keiner sehen kunte, wohin er in der Finstere griffe, geschähe es, dass in dem 
Eilen alle Köpff verrücket, und fast ein jedwederer einen frembden bekommen. 
Zu allem Glück erhielte der Thorwarth den Kopf des Herrn Schultheissen 
deme dann alsogleich eingefallen, die Stadt-Porten so lang gesperrt zu halten, 
biss der gantze Zug in vollkommene Ordnung gesetzt worden.“ Und nun naht 
die Schlittenfahrt: „Die Verrückte Köpff“, die unwillkürlich an Frz. von 
Gau dys reizende Venetianische Novelle erinnert. 


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6o Karl von Reiiihardstöttner 


Die Musikanten haben ihre Köpfe, „alldieweilen sie selbe niemahls 
beyseits oder zur Ruhe geleget“ haben. Alle Andern aber ziehen mit ihren 
verkehrten Köpfen heran, der Schultheiss mit einem wilden Türkenkopf, der 
Pastor „mit einem pur auf den Wucher bedachten Juden-Kopff“, der „Ambts 
cammerer mit einem Kaminkehrerskopf“, und so folgt eine Reihe anzüglicher 
Persönlichkeiten aus dem Bürgerstande. 

Auch die Schlittenfahrt des nächsten Jahres u750) handelt „zu Utopia, 
einer allgemeinen Zuflucht-Stadt aller verrückten Köpfen“. Es ist die Ge¬ 
schichte von der „verwegenen heisshungerigen Bestie (es wäre aber, da unter 
uns geredet, nur ein Haass.)“ Der Zug scheint weit umfangreicher als im 
Vorjahre gewesen zu sein. Die Gemeinde von Utopia, „Ihro Tieffsinnigkeit 
der Herr Stadt-Syndicus“, die „Utopianiche Schull-Jugend“ „unter Obsorg 
des Grund-Gelehrten, und Schnee-weisen Herrn Doctors Immerlustig“, die 
Zünfte mit neununddreissig Schlitten bilden den ersten Teil. Diesen 
folgten die „Lands-Beamten“, der „Stadthalter von Wenighertz“, zahlreiche 
Beamte und ein zahlreicher Adel sind vertreten. Überall ertönt Musik. Den 
Zug schliessen die Helden. „Es bestünde selbiger nur alleinig aus denen sieben 
glorreichen Helden und Überwindern. Die sechs Herren Raths-Verwandte be¬ 
fanden sich zu Pferd noch in der völligen Armlire, oder Ausrüstung, wie sie 
bey der Bataille erschienen: Ihro Hoch-Achtbarkeit der Chef aber, wurde in 
einem prächtigen Triumph-Wagen geführet. Vor sich hatte er in einem 
Keffig die glücklich besiegte Bestie, welcher er dann wiederholter massen gross- 
müthig insultirte.“ 

Wieder auf Utopia, und zwar auf den dortigen Jahrmarkt, griff die 
Schlittenfahrt von 1753 zurück. „Utopia ist die Haupt-Stadt in der Provintz 
gleichen Nahmens, von welcher der günstige Leser eine unumständlichere 
Känutniss bey Didaco Bernardino 24 ) einholen kan, der dieselbe in einer 
genauen Geographischen Tabelle entworffen.“ Dort wird alljährlich der Jahr¬ 
markt mit gewaltigem Pompe gefeiert. 

„Einige Herrn Aderlässer, welche honoris causa die Segnieurs Marchands 
ein- und auszuführen beorderet worden,“ eröffnen den Zug mit einer Bande 
„Musicauten in bundschäckichter Uniform“. Die Kaufleute selbst bringen 
nun ein reiches Lager schwindelhafter Artikel, der „Jubilier“ handelt „mit 
lauter fein Brillianten Feursteinen“, andere verkaufen „Barometra und Thermo- 
metra von sonders ehrbahren Alter. Sie zeigen noch, wie das Wetter vor 
vilen Jahren gewesen; und steigen oder fallen nach dero Befehl“. „Die 
zweyte Colon“ handelt' mit Esswaren. Da findet man „Stain alte Hühner- 
Ayer, und an der Sonne hibsch gebleichte Butter“ u. a. Die dritte Colon 
verlegt sich auf Kleidungsstücke, die vierte endlich „bestünde auss lauter derley 
Seltsamigkeiteu, die eintweders zur Gesundheit dess kräncklichen Leibes, oder 
zur Aussheuterung des finsteren Gemüthes gedeyen“, — Steinöl und Balsam, 
Wurmzeltl und Stütze aus Krauewitbeer u. ä. 

Nochmal ist Utopia im Jahre 1735 Schauplatz und zwar diesmal 
der Rückzug der Kaufleute von der grossen Messe. Der „Vortrapp“ und die 


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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten. 6 t 


vier Kolonnen sind mit viel Witz zusammen gestellt und haben an Umfang 
gegen früher bereits stark gewonnen. 

Nicht mit Utopia beschäftigte sich die Schlittenfahrt von 1751, da in 
damals beliebter Allegorie die Fleischmannische Garnison aus der Zitadelle 
Kuchenburg zog. 25 ) Da sahen die Münchener viel „Munition“, die ihnen das 
Wasser im Munde zusammenlaufen liess, „mit Speck gefüllte Knödel-Bomben“ 
„die so lustigen Girauderl, oder so-genannte Spanfercklein“, an Stelle von Lust¬ 
kugeln „gebratene Gäns“, „Reh-Schlögl“, „Wild-Enden“, Geflügel aller Art. 

Dem notwendigen „allseitigen Glauben und Vertrauen“ galt die Schlitten¬ 
fahrt von 1752 mit ihren zahlreichen Figuren. Da treffen wir die Vertreter 
aller Weine, „Ihro Theurigkeiten Fürst von Gotrodini, Herr Herr aller roth- 
und weissen Weinen, Ihro Süssigkeiten, Fürsten von Muscat, Sanqueduc, 
Ihro Acerbitäten, die Frey-Herrn von roth- und weissen Bayr-Wein; dann 
jene der Liköre, sowie die Muliebrische Herrn von weissen und braunen 
Möth“, 26 ) dann die verschiedenen Biere. Die zweite Colonne enthält die 
„spiehlerische Zunfft, den Herren von Pango und Mariarsch, 27 ) Labetten 28 ) 
und Terockn, Quadrill und Pamperl, Comettn und Trapelier und zahlreiche 
Spiele jener Zeit, sowie eine Anzahl Karten, Könige, Ober, Unter und zuletzt 
die „4 Edle gefrässige und gronnende Herrn von Schelln, Aichl, Hertz, und 
Grass-Sau.“ Den Schluss machen verschiedene Tabaksorten jener Tage, und 
der „Credit in einen mit allerhand ohne Gelt zu kauffenden Waaren gezierten 
Triumpff-W'aagen“. Der Maskenzug entrollt ein kulturhistorisch sehr inte¬ 
ressantes Bild jener Tage. 

Elf Jahre — bis 1766 — sah München keine Schlittenfahrt der Studenten 
mehr; der 4. Februar brachte wieder eine solche; sie ist ohne leitenden Ge¬ 
danken, bringt vielmehr nur eine Reihe von 116 Bildern. „Jeder wählte sich 
das, was nach seinem Geschmacke war. Ein deutsches Spriichgen, eine Fabel, 
eine Kleidung, die er nicht weit herholen durfte, mit einem Worte, was ihm 
sein Herz rieth, das wird er auf ein paar Stunden seyn“. 

So treffen wir denn ein buntes Allerlei: Kalt und Warm, Wahrheit 
und Falschheit, Lieben und Hassen, Krieg und Friede, die zwölf Monate, die 
Tage der Woche, eine mondsüchtige Kompagnie, Nationaltrachten; Courage 
Monsieur! Das Podagra von einem Seiltänzer geführt; Mein Liebstes, die 
Tabakspfeife von einem Türken geführt; Nur nicht in der Synagoge. Ein 
Hamburger Jude mit Westphälisehen Schünken, und so manches, was wir 
heute noch ebenso zu sehen bekommen. 

Wieder ein einheitliches Bild brachte nach dem Intelligenzblatte 29 ) das 
Jahr 1780: „Das Stadt- und Landleben auf Schlitten von den Herrn 
Studenten des Churfürstl. Schulhauses in München zur Faschingszeit aufge¬ 
führt.“ Einhundertzehn Schlitten waren es, die sich in Bewegung setzten. 
„Das prächtige München vom Isarstrom geführt, das schöne Mannheim unter 
dem Schutz des Rheinstroms“, „die Vernunft geführt von der Fassnacht“, 
„die Freyheit als Dragoner, und die Schmähsucht als Betschwester“ u. dgl. 
brachte er zur Entfaltung. Die Jesuiten waren aber in jener Zeit nicht mehr 
Lenker der Schulen, ihre Bühne lag bereits verödet 


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Karl von Reinhardstöttner 


62 


Indessen beschränken sich die Schlittenfahrten keineswegs auf die 
Münchener Studenten. 85 ) Die Freisinger sind nicht minder thätig auf 
diesem Gebiete. Die „Schlittade“ vom 30. Januar 1758 versinnlicht die Ehe 
der alten und neuen WeltWeisheit; sie soll zeigen, „wie nach beyder- 
seits vorhin beschehener Ausmusterung der sowohl uralten Schulfuxereien, 
als gar zu neuen auf Schraufen 80 ) gestellten Spitzfindigkeiten die alte Philosophia 
die neue als eine Beysitzerin erkennet, und in so weit einen Vergleich mit 
dieser eingegangen, dass sie eines weiteren Obergewalts sich nicht mehr an- 
massen därffe.“ Gewiss ein seltsamer Vorwurf für eine Faschingsschlitten¬ 
fahrt! Da beratschlagten sich denn in einem Schlitten „ein Aristotelisch und 
Wolfianischer 80 ) Herr Doctor“ über Verbesserung der Studien. Auch an 
Polemik fehlt es nicht. Im vierten Schlitten sehen wir: „die neue Galanterie 
Dialectic in einem Academischen Wort-Trescher von Altdorff vorgestellet, 
säubert das Gute von dem unnutzlichen Schuel-Streitt-Wesen durch eine 
Windmühl ab.“ Den Schluss des acht und dreissig Schlitten umfassenden 
Zuges machen einzelne Wissenschaften in allegorischen Gewändern, die 
Geographie mit einem mit Landkarten behenckten Vorreuther und ähnliches. 
„Den Nachtrab der ganzen Schlittade machen sehr viele hintennach lauffende 
Maulaffen, welche die Narren-Kappen zu erwischen mit einander in die Wette 
streiten“, während auf dem letzten Schlitten die alte und neue Philosophie 
„durch öffters embrassiren Kennzeichen des neu-getroffenen Connubii oder 
Vergleichs“ geben. 

An Sebastian Brants 82 ) „Narrenschiff“ erinnert der Gedanke der 
Freisinger Schlittenfahrt vom 22. Januar 1766, die in vierzig Schlitten 
den „Auszug der grössten Weltnarren“ darstellt. Da treffen wir den 
Büchernarren, den verliebten Narren, den Baunarren, den Eifersüchtigen, den 
Schulfuchsennarren, alle mit deutschen und lateinischen Sinnsprüchen. Die 
ganze Schlittade hat einen etwas literarischen Charakter. 

Ähnlich ist die Schlittenfahrt zu Freising vom Jahre 1777, 38 ) die 
eine lebende Bibliothek darstellt, oft in seltsamer Auswahl. Unter den 
juristischen Büchern erscheinen: „Kurzer Unterricht für neue Rechtsgelehrte“; 
„Theoretische Abhandlung von Juristensprüngeu“; unter den historischen die 
„Lebensbeschreibung eines reisenden Tanzbären“ u. ä. 

Auch die Landshuter Studenten brachten im Jahre 1755 in ihrem 
„Narren-Concurs“ eine Faschingsschlittenfahrt, die, wie jene zu Freising 
von 1766, im allgemeinen an das Narrenschiff gemahnt In fünfzig Nummern 
marschieren die Narren „vom ersten Califer“, „von mittlerer Fortun“ und die 
„um ein Loth ringer“, auf, der Weibernarr und Kleidernarr, der Tobacknarr und 
Tanznarr, der Jagdnarr und Katzennarr, und wie sie alle heissen. Das Post- 
scriptum w'arnt Zuschauer und Zuschauerinnen, den Mund nicht offen zu 
lassen; „denn ihre Sucht ist erblich.“ 

Dass die „Collegen zu Freysing und Augspurg ihre Masken mit 
sonderbarem Beyfalle aufgeführet hätten“, bestimmte die Münchener Studenten 
im Jahre 1766, ihre Spiele wieder aufzunehmen. Auch die Augspurgischen Herren 
Studenten huldigten dem Faschings vergnügen der Schlittenfahrten. So führten 


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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten 


63 


sie im Jahre 1754 den „Lappländischen Calender“ auf, ein Gemisch 
von zwei und sechzig Nummern. Darunter befinden sich neben Gottheiten 
aller Art, die fünf Sinne, die vier Temperamente, aber auch der „Nasen¬ 
witzige Ober-Aufseher Machiavellus“, „eine Bande Indifferentisten und Frey- 
Geister, welche in die Diphtheram oder Schreib-Tafel des Jupiters so tief ein¬ 
gesehen, dass sie glauben, eine jede Religion mache seelig“, „zwei Freymaurer, 
so mit ihrer Mertel-Kellen die Weisheit pfundweis etc. etc.“, „ein Mode-Philosoph 
mit der so sehr angefochtenen Madame Materia Prima“ und ähnlichem auf 
die Zeitgeschichte Gemünzten. 

In den weitaus meisten Programmen dieser fröhlichen Fahrten, die sich 
der ungeheuren Teilnahme des städtischen Publikums erfreuten, das ja, wie 
es mit allen lokalen Anspielungen geht, trotz der manchmal scholastischen 
Form den Kern des Witzes doch verstand, und manches würdigte, was uns 
heute entgeht, sind die Namen der Mitspielenden bei jeder Figur getreulich 
verzeichnet. Unter den bürgerlichen Studierenden, welche die überwiegende 
Mehrzahl der Darstellenden ausmachte, findet sich doch auch mancher Name 
des Adels, mancher, der später in der Geschichte der Wissenschaft mit Ehren 
genannt wurde. Bei der „Redoute auf Schlitten“ des Jahres 1766 er¬ 
scheint im 115. Bilde „Das Grab der Fastnacht, wobey die Scherze 
im Boy 84 ) mit nassen Tüchern erscheinen“, als erster D. Laurent 
Westenrieder, Phys., damals ein achtzehnjähriger Jüngling der Schule, die 
er später nicht am besten zeichnete. Fünf Jahre nachher erhielt er die 
Priesterweihe. 

Es gelingt einer flüchtigen Darstellung dieser bei der Bevölkerung so 
überaus beliebten Schlittenfahrten natürlich nicht, auch nur im entferntesten 
ein Bild dessen zu geben, was sie waren. Wie bemerkt, entgeht uns neben 
dem lokalen Witze auch das Verständnis für vieles, was der akademischen 
Jugend, ihren Leitern und Gönnern damals als der Satire wert erschien. 

Die Studierenden hatten an den häuslichen Aufführungen ihrer Meister 
Prunk und Pracht gelernt und dieselben ohne Zweifel auf ihre Schlittenfahrten 
auf die Strasse übertragen. Wir gehen nicht irre, wenn wir uns dieselben 
mit allen Reizen ausgestattet denken, von allen Künsten unterstützt vorstellen. 
Die Kosten scheinen hiebei eine ganz untergeordnete Rolle gespielt zu haben. 
Nahmen sie einmal etwas in die Hand, so war es verblüffend durch die Gross¬ 
artigkeit der Ausstattung, in welcher die Jesuiten und ihre Schüler Meister waren. 

Wenn wir heute ähnliche Bestrebungen unserer Tage und die Be¬ 
mühungen, unsern Maskenzügen stets eine neue leitende Idee beizulegen und 
neue Bilder für dieselben zu schaffen, betrachten, so können wir, wenn wir 
sie mit den Bestrebungen der Jesuitenschüler vor anderthalb Jahrhunderten ver- 
vergleichen, dem alten Satz nicht widersprechen, dass alles schon einmal da¬ 
gewesen ist. 


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Quellennachweise, 


1) Beyträge zur vaterländischen Historie, Geographie, Rtaatistik etc. Siebenter 
Band, S. 281—306. (München 1803.) 

2) Ebenda S. 281. 

3) Ebenda S. 283. 

4) Ebenda S. 284. 

5 ) Ebenda S. 285. 

6) Ebenda S. 294. 

7) — Kindel = Kindlpett (Bett) s. Schmeller-Frommann, Bayer. Wörterb. 
I. 303 und 1261. 

8) Westenrieder, a. a. O. S. 292. 

9) = Pöfel, Pofel = Gesindel. Schmeller-Frommann I, 384. 

10) Westen rieder, a. a. O. S. 300. 

ir) Ebenda S. 304. 

12) Vgl. hierüber Jahrbuch für Münchener Geschichte. I. Band (1887) 
S. 110. in. 

13) Siehe über ihn J ahrbuch a. a. O. I. 113—119; 128, 135, 136, 137, 162—166; 
III. 367; IV. 189, 203. 

14) I TRIONFI | Di | VIRTVOSA | BELLEZZA. | Giostra triplicata | DI | SLITTE. | 
Fräle | MUTE RICREATIONI j Deila | SERENISS: CORTE ELETTORALE | Di BAUIERA. | 
CORSA FESTOSA. | Per dare il Buon Capo d’ Anno all’ Inuerno | M. DC. LXVIII. | Per 
GIOVANNI JAECKUNO Stampatore Elettorale. (24 S.) — Jahrbuch, a. a. O. I. 162 (Nr. 8.) 

15) Gest zu Versailles am 20. April 1690. 

16) Vergleiche hierüber Jahrbuch, a. a. O. I. S. 195 (269); III. 67. 

17) Forschungen, Bd. VI. (1898) S. 127. 

18) Jahrbuch, a. a. O. III. 53—177. 

19) Jahrbuch, a. a. O. III. 68, 69, 93. 

20) Der Sammelband der k. b. Hof- und Staatsbibliothek zu München (4 0 
Bavar. 2198. I. 1—21) enthält an Programmen: 

a) München: 

1749. Die | Verrückte Köpff | Ju | einer öffentlichen | Schlittenfahrt | Zur | Fastnacht- 
Zeit | Vorges teilet/ Von | Denen Herrn Studenten | in München/ M.DCCXLIX. 
Gedruckt und zu finden bey Johann Jacob Vötter, Chur- | fürstl. Hof- und 
Gern. Löbl. Landschafft-Buchdruck er. (8 S.) 

1750. Triumphirlicher | Einzug | Jener Schröck-vollen j Siben Helden | Nach der | Be¬ 
rühmten BATAILLE | Zwischen Zaghafft /' und Forchtheiin | an dem Kalten- 
Schweiss-Strohm. | Nunmehro in einer | Schlitten-Fahrt | zur Fastnacht-Zeit | Von 
denen | Herren Studenten zu München 1750 | vorgestellt. | Allda gedruckt und 
zu finden bei Johann Jacob Vötter, Churfürstl. Hof- | und Landschaffts- 

Buchdrucker. (16 S.) 

1751. Honorabler | Abzug | Der zahlreichen Fleischmannischen | GARNISON | Aus der I 
Citadelle Kuchenburg; | Da selbe | Au die Trouppen des (Titl.) Herrn | General 
Wallersee | Und | Dessen hohe Alliirte per Accord übergangen. | Zur | Fast-Nacht- 
Zeit | Jn einer | Schlittenfahrt | Von denen | Herren Studenten zu München | vor- 
gestellet Anno 1751. | Allda gedruckt bey Frantz Joseph Thuille, und zu 


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Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten. 65 


finden bey I Gottfrid Stöhr Buchbinder auf dem Anger. (20 S.) (Vergl. 
Forschungen I, 43, 66. 

1752. Einzug des | Ganz neu zum Leben erweckten j Edlen Credits, | Nach | Von allen 
vier Welt-Theilen eilige- ! nomineller schuldiger Ehr-Bezeigung. J J11 einer l Schlitten¬ 
fahrt | Von denen Herren Studenten zu München | vorgestellet Anno 1752 I Mit 
Erlaubnuss der Oberen. (16 S.) 

1753. Utopianisclier | Jahr-Marekt. | Jn einer Schlittenfahrt , Zur Fassnacht-Zeit | Von 
denen | Herren Studenten zu München | vorgestellet Anno 1753. I Allda gedruckt, 
und zu finden bey Frantz Joseph Tliuille, wohnhafft in | der Prangers- 
Gassen. (15 S.) 

1755. Ordentliche | Retirade | der sich | Zu Land und Wasser | auf Schlitten | zurück - 

ziehenden | Utopischen Käuferen. I Zur Fassnacht Zeit | Von den Herrn Studenten 

vorgestellt | zu München j im Jahr 1755. | Gedruckt bey Job. Jacob Vötter, 
Churfl. Hof- und Landschaft-Buclidr. (18 S.) 

1766. Redoute | auf | Schlitten | von | den Herren Studenten | des | Churfürstl. Lyc. 

und Gymn. | zu München | den 4. Hornung aufgeführt. | 1766. \ Gedruckt bey 

Maria Magdalena M ay r i 11, verw. Stadt-Buchdr. (12 S.) 

b) Freisi 11 g: 

1758. VETERIS | ET NO VAi | PHILOSOPHIE | CONNUBIUM, | das ist / | Zwischen 
der alt und neuen j Welt-Weissheit | getroffener j Vergleich ; J11 einer Fasstnachts j 
SCHLITTADE i von | Denen Herren Studenten in Freysing | vorgestellet. | den 
30. Jenner Anno 1758. j FREYSING,/ | gedruckt/ bey Philipp Ludwig Bock, / 
Hof- und Lyceischen Buchdrucker. (8 S.) 

1766. Non, mihi si centum liuquae | sint oraque centum, | Omnia stultorum percur- | 
rere noinina possem. | Auszug | der | grössten Weltnarren | in | einer Schlitten¬ 
fahrt | von den Herren Schülern | des j Hochfürstlich. Freysi 11 gischen Lyceum | 
vorgestellet | den 22. Jenner im Jahre 1766. | Verfasset von A. N. der Welt- 
weisslieit Schüler. | (9 S.) 

c) La n dsli u t: 

1755. Narren-CONCURS | Da | Eine Importante | CHARGE | Vacierend geworden | Jn 
einer | Fassnacht-Schlittenfahrt | Vorgestellt | Von denen Herrn Studenten | Zu 
Landshut 1755. I (Gedruckt bey Joseph David Schallnkam mer allda. (8 S.) 

d) Augsburg: 

1754. Lappländischer | Calender | von | JUPITER | verbesseret/' ] Von denen | Augs- 
purgischen Herrn Studenten | in einer | Schlittenfahrt zur erlaubten 1 Zeitvertreib 
vorgestellt | Jm Jahr 1754. | Augspurg, gedruckt und zu finden bey Joseph 
A11 ton i Labhart, Hochfürstl. | Bischöflichen Buchdrucker. (12 S.) 

21) Aa, A. J. vander, Biographisch Wordenboek der Nederlanden (Haarlem 1852). 
I. 99. Peter Gillis, ein Freund des Erasmus. „De groote Desiderius Eras 111 us hield 
eene zoo naauwe vriendschep tuet hem, dat hij hem ergens zijnen Pylades noemt.“ 

22) Zur Sache siehe Victor Michels und Theobald Ziegler, Thomas Morus 
Vtopia. (Lateinische Literaturdenkmäler, Bd. 11). Berlin 1895. S. XL ff. 

23) 1800—1840. Allgem. Deutsche Biogr. VIII, 419. 

24) (Didacus) Beinardinus, ein Anagramm für (Jakob) Bi d ermann. Er 

schrieb: Vtopia Didaci Bemardini seu Jacobi Bidermanni e Societate Jesu Sales Musici. 
Dillitigen 1640. (396 S.) Bei C. Sommervogel, Bibliotheque de la Compagnie de 

Jesus. Bd. I. S. 1453. No. 41. — Über Bidermann (1577—1639) s. Jahrbuch f. M. G., 
a. a. O. III, 88 ff. 

25) Vgl. Forschungen, Bd. I. S. 43. 66. 

26) Alid. metu. Süsses Getränke. Sch ni eller-Front ni an 11 I, 1688. 

27) Beliebtes Kartenspiel. 

28) Von la bete (faire la bete). S chm eller-Fromm an n I, 1402. 

29) No. 5 vom 5. Februar, auf S. 57. 58. 

30) = Schraufen, Schrauben. Schmeller-Frommann II, 598. 

Bayer. Forschungen, VII, i. 5 


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66 Karl von Reinhardstöttner, Faschingsschlittenfahrten bayerischer Studenten. 

30 Christ. Frh. von Wolff (1679—1754. Allg. 1 ). Biogr. Bd. 44 S. 12 ff.). Über 
den Einfluss Wolffs auf die bayerischen Schulen s. Kluckhohn, Über Lorenz von 
Westenrieders Leben und Schriften. Bamberg 1890. S. 4. (Bayerische Bibliothek, Bd. XII.) 

32) 1458—1521. Allg. I). Biogr. III, 256. 

33) Galantliomnis | öffentliche Bibliotheck. | Eine | Schlittenfahrt | von | den H. H. 
Studenten | in | Freysing. | Den 27. Jänner 1777. ! Gedruckt bey Sebastian Mössmer, Hoch- 
fürstl. Bischöfl. und Lyceischen | Buchdruckern / dann Churbaieris, privilegirten Buch¬ 
händlern. (4 S.) 

34) Boy = Gesimse; im Boy — in compedibus. Schm eil er- Fromm an n I, 226. 

35) Kleinstäuber, Geschichte der Stud. Aust, in Regensb 11 rg (18S0), erwähnt 
(S. 143) ausdrücklich die solennen Schlittenfahrten der Studierenden des katho¬ 
lischen Gymnasiums St. Paul, welche die protestantische Poetenschule nicht abhielt. 


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Bayerische Briefe. 

Mitgeteilt von 

Ludwig Geiger. 

III*) 

Briefe von Karl Heinrich von Lang an Therese Huber, nebst je einem Briefe 
der letzteren und Heinrich Zschokkes an Lang. 

jl^arl Heinrich von Lang, 1 ) (geboren am 7. Juli 1764 zu Balz¬ 
heim bei Nördlingen, gestorben am 26. März 1835) war ein unmittelbarer Zeit¬ 
genosse Therese Hubers, völlig gleichalterig mit ihr und trotz mancher 
Verschiedenheiten durch viele Züge seiner Natur mit ihr verwandt. Wodurch 
er mit Theresen bekannt wurde, ist aus den vorliegenden Briefen nicht er¬ 
sichtlich. Aus Göttingen kann die Bekanntschaft nicht stammen. Dort war 
Lang erst 1792 (vgl. Memoiren [Neudr.J I, 191 ff.), also zu einer Zeit, da 
Therese ihre Vaterstadt verlassen hatte, ja gerade zu einer Epoche, da durch 
ihre Stellung zu Förster, zu dem Vater Heyne ganz besondere Zuneigung 
hegte, ihr Name in dem Hause des Vaters wohl überhaupt nicht, gewiss 
aber nicht mit Liebe genannt wurde. Auch Heyne trat Lang nicht be¬ 
sonders nahe; seiner Preisschrift (1793) wurde von Heyne ein ,sermo satis purus‘ 
nachgerühmt Bei der Erwähnung dieses Urteils (Mem. I, 199) sagt Lang: 
„Jetzt erst erlangte ich von dem alten Mann flüchtige Antworten und freund¬ 
liche Blicke.“ — Aber unsere Briefe weisen auf eine spätere Zeit und enthalten 
keine Reminiszenzen an eine so lange Verbindung. Bestimmtes lässt sich 
also über den Anfang der Bekanntschaft beider Korrespondenten nicht an¬ 
geben. Wahrscheinlich ist es, dass während der Zeit, da Lang in oder bei 
München lebte, er die Aufmerksamkeit Theresens erregte, die selbst mehr¬ 
fach in München war und mit der höheren bayerischen Beamtenwelt sehr nahe 
Beziehungen unterhielt. Ist die Zeitbestimmung in dem (unten Anhang II) 
mitgeteilten Briefe wörtlich zu nehmen, so muss die Bekanntschaft, jedenfalls 
der intimere Verkehr, 1814 entstanden sein. Therese könnte es gewesen sein, 
die den ihr als Menschen wie als Schriftsteller gleich interessanten Mann zu 
einem Briefwechsel veranlasste. Gemeinsam war beiden die Ansicht über die 
Reformation, dass durch die Kirchenspaltung zugleich eine unheilvolle und 
unnötige Trennung und Zerklüftung der Nation eingetreteu sei, ferner die 
Abneigung gegen das damals sich vordrängende Deutschtum. Auch die 
Spottlust war ein beiden gemeinsamer Zug, nur dass er sich bei Therese 

*) Vergleiche I und II in „Forschungen“ (1897) Band 5. S. 1—35. 


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68 Ludwig Geiger 


nur im Gespräch und in Briefen, bei Lang sowohl in diesen, als in grösseren 
Werken äusserte. Doch muss zu dieser geistigen Beziehung auch eine persön¬ 
liche Bekanntschaft getreten sein. Dids geht aus mancherlei Anspielungen 
Längs hervor, besonders auch aus seinen häufigen Erwähnungen von 
Theresens Tochter, Luise, die ihm, wie mauchem anderen älteren männ¬ 
lichen Korrespondenten Theresens als Inbegriff der Lieblichkeit erschien 
und stets mit besonders herzlichem Grusse bedacht wurde. Sie ist, wie nur 
kurz angemerkt werden soll, eine Tochter Theresens aus ihrer zweiten Ehe 
mit Huber. Sie wurde 1796 geboren, verheiratete sich 1815 mit Emil von 
Herder, wurde von ihm 1816 getrennt, verheiratete sich mit ihm 1822 aufs 
neue und lebte seitdem mit ihm in glücklichster Ehe. 

Auf Therese Huber, die Bedeutung ihrer Persönlichkeit und den 
Wert ihrer Briefe habe ich schon einmal in diesen Blättern aufmerksam ge¬ 
macht, als ich einige Bruchstücke ihrer, die Münchener akademischen Ver¬ 
hältnisse schildernden Schreiben veröffentlichen durfte.*) Dort waren schon 
ihre Briefe an Paul Usteri, den Züricher Staatsrat und vielseitigen Schrift¬ 
steller, erwähnt und als eine der wichtigeren Quellen für die Erkenntnis 
ihres Wesens bezeichnet. I11 einem dieser Briefe nun, 18. März 1816, ent¬ 
wirft sie folgende Schilderung von Längs Wesen, die recht gut die Ein¬ 
leitung dieser „Mitteilungen“ abgeben kann. 

Günzburg, 18. März 16. 

Da sprech ich viel lieber von Lang. Das ist hübsch dass er das 
Buch Latein schrieb. 2 ) Lang ist einer der reichhaltigsten Menschen den ich 
kenne. Weich, verschlossen, und aus diesem Widerstreit goguenard und bourru 
durch Studium der Alten mit dem Schönsten vertraut. Durch das Leben in 
der Welt, durch und mit ihr, von ihrem Geschwäz über das Schöne gesättigt, 
ist er zuweilen fast cynisch, besonders wenn er spotten will, und Spott ist 
sein gewohnter Ton so bald er Albernheiten sieht. Da habe ich ihn denn 
aber auch schon mit einer Sorglosigkeit die Leute mit Spott vernichten sehen 
wobei ich vor Lustigkeit und Verwunderung recht innig das Leben des Geistes 
fühlte. Ich hörte ihn eines Tages in München unter einem Kreis ultra Ger¬ 
manen der Academie des Fürsten von Wallerstein erste patriotische Pro¬ 
klamation analysireu — Sie kannten Kästner? 3 ) Lang hat seine Figur 
und Witz und Lebhaftigkeit, aber statt meines alten Lehrers und Erziehers 
steif geregelter Äusserlichkeit und Convenieuz, hat er eine Art Genialitet. Er 
machte eine Darstellung dieses Proklams bei der man sich todtlachen musste! 
stand vor dem Theetisch, sah zerstreut lustig rund herum den Leuten ins 
Gesicht, den verduzten Schlichtegroll, 4 ) den verwunderten Häs 11 lein, 5 ) 

*) Als vierter Abschnitt dieser „Mitteilungen“ ist eine Zusammenstellung aller der 
vStellen aus Theresens Briefen geplant die sich auf bayerische Verhältnisse beziehen. 
Da Therese von 1805—1816 in einem bayerischen Landstädtchen, in Günzburg, 1823—1829 
in Augsburg, manche Abstecher abgerechnet, die sie nach Bayreuth machte, lebte, so war 
sie für diese 18 Jahre Angehörige des bayerischen Staates und sah manches mit eigenen 
Augen an. Aber auch in den Jahren 1816—23, die sie in Stuttgart zubrachte, unterhielt 
sie mit Bayern nahe Beziehungen und erfuhr manches, das nicht alle Welt wusste. 


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Bayerische Briefe. 


69 


ein paar giftige Kammerherrli und einige Damen die so wenig sich ahnden 
Hessen dass man eine solche Frechheit haben könnte dass sie ihren Ohren 
nicht trauten und den sorglosen Schwäzer ansahen wie die Enten den Bliz. 
Lang spielte auf dem Theetisch, sprang voll Lebhaftigkeit auf seinem Pläz- 
chen und fragte die ernsthaftesten Gesichter: ob dem nicht so wäre? Er war 
Alles — ein verwaister Pachterssohn der auf das Unabhängigste im Innern 
seines Gemüths, die abhängigste Lage erduldete, ganz allein Sprachen lernte, 
ohne zu studiren eine Welt von Wissenschaften sammelte, kapriziös wie ein 
Romanen Engländer seinen Verwandten weglief, den Fürsten von Waller¬ 
stein die Stirn bot, und endlich erst im 24—25 Jahr Mittel fand nach 
Göttingen zu gehen und allein zu studieren, meist ohne die Professoren. Dann 
gerieth er zu Hardenberg dessen Geschäftsmann er auf dem Schloss Harden¬ 
berg, bei Göttingen ward, und so weiter ward er Archivar in Ansbach — da 
schrieb er seine Geschichte von Bayreuth ganz nach Aktenstücken — ohne 
historischen Styl aber mit einem Reichthum darstellender Züge und oft inniger 
Wärme. Er war Mann zweier schöner, wohlhabender Weiber, die er nur ein, 
zwei Jahre besass, das lezte war Schopfs Wittwe, des Gesandten Hälmleins 
Schwester, nachher soll er noch eine pr. Ehe mit einer Magd geführt haben. 
Nach der Baverschen Besiznahme wollte er von Cauzlei Direktor was er war, 
Kraisdirektor werden, das ging nicht; er ward Archivar und Referent beim 
Herolden Amt und bekam Geheimrathsrang, Orden und dgl. Einmal zankte 
er sich mit der Reg. forderte seinen Abschied und reiste, ohne ihn abzu¬ 
warten fort. Man bat ihn zurück und erfüllte seine billigen Geschäftsforde- 
rungen. Er hat in den Adelsbestimmungen mit Mongelas den Adel nur auf 
den ältesten Sohn forterbend festsetzen wollen, die jiingern in die Bürger¬ 
klasse zurücktretend. Es ward so dagegen gesclirien dass der Vorschlag nicht 
einmal erörtert ward. Voriges Jahr wollte er abermals seinen Abschied um 
sein übriges Leben in Göttingen zu privatisiren. Ich schrieb ihm: er sezte 
sich in die Nesseln — wie die Sache sich machte, weiss ich nicht — genug 
er blieb, ward Finanzdirektor in Anspach und wird dort geliebt für seine 
Amtsführung, gefürchtet für sein Gottloses Maul. In der Zeit wo er seinen 
Abschied fordern wollte, (wie er mir schrieb) sagte er einst ä täble d’höte: 
„München sei eine grosse Taubstummen Anstalt“. Seine Lebhaftigkeit ist 
ganz erstaunlich. Mitten im Park iiberfiels ihm indem er von Sömmering 
sprach, ihn unwillkührlich nachzusprechen und zu gestikuliren. Wir fanden 
ihn oft beim Sonnenuntergang mit Kinderheiterkeit die Möven anseheu, die 
zu vielen 100 über die Isar flattern. Wenn er bei mir und Luise allein 
war, so belehrte er uns wie ein guter Vater, (er ist so alt wie Sie oder ich, 
sieht aber älter aus) über Sprache, Geschichte, Rechte. Luise hatte er sehr 
lieb — er sah ihre schöne, anmuthige Jugend mit Wohlgefallen und humori¬ 
stischer Theilnahme au ihren damaligen Schmerz über die offentl. Angelegen¬ 
heit über die wir in Gesellschaft nie ein Wort verloren. Aus dem allen 
sezen Sie sich einen Menschen zusammen der mehr durch Fantasie und Laune 
als durch Vernunft und Grundsäze regiert ist; dessen überlegner Verstand 
ihn beim Guten festhält; der aber die Welt zu gut kennen lernte um sich 


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70 


Ludwig Geiger 


für die Götzen der Zeit, welche sie sein mögen, zu enthusiasmiren. Ich traue 
ihm Hass und Rache zu; aber sie würde, begegnete man ihr edel, leicht 
weichen. 

Ich habe von den wunderlichen alten Menschen eine recht Menge 
Worte gemacht.“ 

Auch anderen Menschen gegenüber machte Therese aus ihrer Zu¬ 
neigung für Lang kein Hehl. In ihren Briefen an Karoline Woltmann 
(Deutsche Briefe, Lpz. 1834), die sehr merkwürdig sind, findet sich (S. 108, 
1820) die folgende Stelle: „Ritter von Lang, der mir gar lieb und werth 
ist, mehr als der wunderliche Heilige es brauchen kann.“ 

Die mancherlei Irrtümer dieser Schilderung brauchen nicht im ein¬ 
zelnen hervorgehoben zu werden. Zum Verständnis des Biographischen, das 
in diesem Charakterbild und in unseren Briefen erwähnt wird, genügen die 
folgenden kurzen Bemerkungen. 

Lang war von 1797 bis 1806 in preussischen Diensten, stand unmittel¬ 
bar unter dem preussischen Staatskanzler Hardenberg, dessen Verwaltung 
er in einer besonderen Schrift verherrlichte. 1806 ging er, da Ansbach zu 
Bayern geschlagen wurde, in bayerische Dienste über. Er wurde Direktor der 
Kriegs- und Domänenkammer in Ansbach, erhielt 1808 das Verdienstkreuz 
und den damit verbundenen Adel, wurde aber, da er sich mit seinen höheren 
Vorgesetzten nicht gut zu stellen vermochte, 1808 als erster Archivar nach 
München versetzt. Er weigerte sich, die Stelle anzunehmen, lebte eine Zeit 
lang grollend in Erlangen, erschien dann wieder in München, wurde dort 
Mitglied der Akademie und erhielt 1812 die Stellung eines Chefs des Herolden - 
amts und die Direktion des Reichsarchivs. Aber selbst in diesen Stellen aller¬ 
ersten Ranges hielt er es nicht lange aus. Schon 1815 wurde er auf seinen 
Wunsch in seine alte Stellung als Kreisdirektor in Ansbach zurückversetzt, 
erhielt aber bereits 1817 wiederum auf sein Ansuchen den Abschied. Er 
entfaltete namentlich in diesen letzten Jahren seines amtlichen Wirkens eine 
ausserordentlich vielseitige literarische Thätigkfcit, veröffentlichte historische, 
statistische, politische und kritische Arbeiten, wodurch er viele Gegner zum 
Schweigen brachte, aber mindestens eben so viele neue gegen sich erregte. 

Sein neuester Biograph geht sehr streng mit ihm ins Gericht. Er 
tadelt aufs schärfste seine Schmähsucht und Unwahrheit, er lehnt den Ver¬ 
gleich Längs mit Fischart und Rabelais ab, weil jene nicht bloss Spott 
und Hohn auf ihre Opfer häuften, sondern von Idealismus erfüllt, religiöse 
und politische Tugenden priesen und deren Zerrbilder höhnten, während 
Lang ausschliesslich bestrebt gewesen sei, alles in den Staub zu ziehen und 
nichts Hohes gelten zu lassen. 

Gewiss ist, dass es Lang nicht in erster Linie um Wahrheit zu thun 
war, sondern, dass er in seinen ungelehrten, für das grosse Publikum be¬ 
stimmten Arbeiten „Memoiren“ und „Hammelburger Reisen“ bestrebt 
war, Aufsehen zu machen und Lachen zu erregen. Aus seinem Leben mit 
dem Staatskanzler Hardenberg erzählt er selbst, dass er einen Hausknecht 
zum Gegenstand des Studiums machte, der das Talent besass, „mit zwei oder 


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Bayerische Briefe. 7 I 


drei geschickten Schlagwörteru, die er oft nur gähnend auf seiner Ofenbank 
fallen liess, eine ganze Stube lachen zu machen“. Nach dieser Mitteilung 
fährt Lang fort: „Ich fing hierauf an, auch die grösseren Angelegenheiten 
dieser Welt aus dem Gesichtspunkte dieses Hausknechts zu betrachten, und 
fand dann, dass es mir niemals an Lachern fehlte.“ (Die Stelle findet sich 
im Neudruck der Memoiren I, S. 207). 

Aber Heigel zeigt auch, dass Lang in manchen seiner geschicht¬ 
lichen Nachrichten die Freiheit der Phantasie walten oder gewisse Tendenzen, 
die mit der Wahrheit der geschichtlichen Darstellung nichts zu thun haben, 
klar hervortreten liess. Denn vieles von dem, was er berichtet, lässt sich 
mit archivalischen Mitteilungen nicht vereinigen. Ein von ihm mitgeteilter 
Brief Napoleons an Wrede (1809) z. B. ist entweder von ihm selbst er¬ 
funden oder wurde ihm von jemand zugesteckt, der Lang zu düpieren suchte. 
Seine Erzählung über das Zustandekommen des bayerischen Konkordats ist 
vollkommen falsch und wertlos. 

Auch als Beamter war er untreu und unzuverlässig — in den Urkunden, 
die in den „Monumenta boica“ veröffentlicht werden sollten, strich er unter 
den Zeugen die Namen der ihm missliebigen Adelsgeschlechter in den ihm 
vorliegenden Abschriften einfach aus —. Auch als Mensch zeigte er sich 
keineswegs als ein Ideal. Er, der die Jämmerlichkeit und Begehrlichkeit 
geisselte, weist in seinen Immediatgesuchen neben einer starken Selbstüber¬ 
hebung auch in sehr widriger Weise ungemessene Geldgier auf. 

Nachdem er angeblich aus Liebe zur ungestörten wissenschaftlichen 
Arbeit 1817 in den Ruhestand getreten war und sich förmlich gelobt hatte, 
nie wieder in öffentlicher Wirksamkeit aufzugehen, erbat er 1819 die Stelle 
eines politischen Agenten in Wien, die er nicht erhielt. 

Nach diesen Beispielen, die, wie noch einmal ausdrücklich hervor¬ 
gehoben werden soll, alle aus Heigels Ausführungen entnommen sind, kann 
nicht geleugnet werden, dass Lang eine unerfreuliche Erscheinung ist. Heigel, 
der im wesentlichen als bayerischer Historiker Längs Werke auf ihren Quellen¬ 
wert und inneren Gehalt prüft, kann daher den Mann, dem seine Forschung 
zugewendet ist, nicht stark genug verdammen. Er schliesst seine Beurteilung 
der „Memoiren“ mit den Worten: „Und was er hinterlassen — wenn wir 
Deutschen ehrlich ein einig Volk von Brüdern sein wollen, verschmähend, 
mit geheimer Freude auf Makel und Schaden des Anderen zu blicken, und 
wenn wir ehrlich die Wahrheit lieben wollen, treten wir diese Erbschaft 
nicht an.“ 

Eine solche Meinung wäre ja wohl geeignet, eine Beschäftigung mit 
einem also charakterisierten Manne überhaupt abzulehnen und ebenso wie 
seine Werke auch seine Briefe nicht zu beachten. Doch scheint mir ein solcher 
Grundsatz im allgemeinen historischen Dokumenten gegenüber bedenklich, 
besonders für Briefe aber nicht massgebend. Denn diese Briefe zeigen einen 
immerhin interessanten Menschen von manchen bisher nicht völlig aufgeklärten 
Seiten. Sie werfen Streiflichter auf öffentliche und private Zustände, sie lehren 
das Verhältnis interessanter Menschen kennen. 


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72 


Ludwig Geiger 


Mir liegt die Tendenz, eine Rettung Längs zu versuchen, völlig fern 
und eben so fern die Lust, Lachen zu erregen und spottlustige Ausdrücke 
zu verbreiten. Die Mitteilung dieser Briefe soll nur dazu dienen, Unbekanntes 
ans Licht zu fördern und vielleicht in einzelnen kleinen Beziehungen die 
Wahrheit zu verbreiten. 

Die Briefe folgen hier in chronologischer Reihenfolge, nur mit wenigen 
Anmerkungen begleitet. 

München, den 27. Aug. 1815. 

Verehrteste Frau! 

Bei allen Ihren Yortrefflichkeiten haben Sie recht viel Bösartiges, indem 
Sie, wie die Welt einem versprochenen Mädchen den Bräutigam, so mir meine 
Fee Göttingen leid zu machen gesucht. — Sie sollens nun auch zu ver¬ 
antworten haben, wenn ich mich nun eines andern besonnen, und da ich ohne¬ 
dem meinen Abschied nicht herauspressen konnte, am nächsten October dafür 
nach Ansbach gehe, mit Beibehaltung meiner ganzen hiessigen Bestellung, 
wieder als Kreisdirector an die Stelle Bavards, 6 ) den Sie vielleicht auch ge¬ 
kannt haben, und dessen Tod, den ich nicht herbei gerufen, wie ein Maschinen 
Gott darzwischen gekommen. — Ich denke nun, weil Sie das Nördliche 
meines Lebens Plans nicht haben erfassen wollen, auf eine südliche Art als 
ein südlicher Dom Probst zu leben. Die Alletnania 7 ) haben Sie wohl auch 
nur aus dero Hang vertheidigt, um mir in allem Widerpart zu halten, und 
auf mich, wie der Commandant von Hünningen, los zu bombardieren, wenn 
alle Welt schon die weisse Fahne aufgesteckt hat. Durch dieses viele an 
mir verübte Böse hätten Sie wohl verdient, dass Ihnen aufgegeben würde, 
sich 30 Meilen weit von Günzburg 8 ) entfernt zu halten und Ansbach zum 
Exil und Surveillans Ort zu nehmen, ja dass Sie sogar bis ins erste und 
zweite Glied nach dem milden Codex des Himmels, bestraft und die Gütiz- 
burger Ober Försterey in eine Ansbacher Forst Inspection, andern zur Warnung 
um gewandelt würde. 

Hierzu kann alles nicht helfen, dass ich die Grtisse von Ihrem geistlichen 
Herrn Rath Keller 9 ) empfangen. Er soll sie Ihnen wieder bringeu, wenn 
er von Rom als Bischof zurückkommt, welches ich aus den Zügen seiner 
Hand wahrgesagt. 

Alles dieses wird und muss so kommen — ich habs gedacht und 
dem lieben alten Herr Gott, als meinem Agenten, Amanuensis und Schrift¬ 
setzer zugesandt, dass er es izt also lenken und ins Reine setzen soll. — 

Bevor Napoleon in St. Helena angelangt 10 ) werde ich in Ansbach 
eingetroffen seyn; und sofern auch Sie mir dahin keine Episteln nachschicken 
wollen, so werde doch ich Ihnen melden, welche Antritts Predigt ich daselbst 
gehalten, und dass ich an der Rezat (einen Bach, den ich erst im 30. Jahr 
meines Lebens habe nennen hören und ihm die Ambition ein General Kreis 
Fluss zu werden nicht zugetraut) wie an der Isar, die noch immer gegen 
den Herrn v. Wiebeking 11 ) die Spröde macht bis ans Ende meines Lebens, 
oder bis ich einen bessern Schluss Perioden machen gelernt, seyn werde 

Ihr Freund und Verehrer 
Laug. 


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Bayerische' Briefe. 


73 


Postscriptum eines Mannes: Frau von Liebeskin d 12 ) ist noch immer 
nicht hieher. Sie soll ein Bad gebrauchen. 


Ansbach, 26. May 1817. 

Verehrteste Frau, 

Unter dessen haben sich so viele Veränderungen an unserm Rezatstand 
ergeben, dass wenn Sie hier ankommen würden, Sie glauben könnten, es 
habe ein wahrer ChriStoff Columbus bei uns gelandet. Für Dörnberg 
der nach Regensb. wandern musste, kam Drechsel aus München, vorher 
General Postdirector hier an. Feuerbach wurde Präsident. Bever kam 
von München wieder als Finanz Director hieher. Ein Herr v. Mulzer aus 
Aschaffeuburg wurde Vize Präsident und Creis Director (izt heissts Regierungs- 
Director) der Zahl der neuen ein gewanderten und abberufenen Rathe (wozu 
dieses Spiel ? mag ein anderer deduziren) ungerechnet. Aber wo bleiben denn 
Sie? werden Sie endlich fragen? Ja sehen Sie, das haben Sie nicht gut ge¬ 
macht, wenn Sie mich noch in den Charten suchten, denn ich habe den itzigen 
grossen Trümpfen nicht getraut und meinen Pacat in den Skat gelegt. Da 
ich mich weigerte, den Herrn v. Widder*) als Vize Präsidenten wie als bis¬ 
herigen ersten Director versetzen zu lassen, so ist dieser Herr v. Widder 
vors erste zwar ausgeblieben (izt auch in Regensburg) zuletzt aber haben sich 
meine gnädigen Obern doch ermannt, einen neuen Vize Präsidenten hieher 
gesandt und mir meine auf diesen Fall selbst gebettene Entlassung mit vollem 
Gehalt gegeben. Darüber sollt ich nun freylich böse seyn: 

„Wäre ich nicht, der ich bin“ 

Was mir wohl thut ist, dass ich selbst beim Untergang von zahlreichen 
Häusern, besonders Unterthauen Lebewohl und Bedauern mit mir bekommen, 
zu einer Zeit, wo diese engherzige egoistische Welt immer nur ihr Haupt 
gegen die aufgehenden Sonnen neigt als wahre Orientalisten, die sich immer 
nur mit dem Orient beschäftigen. Klügere Leute hingegen als ich bin, und 
diese brauchen nicht gross zu seyn, also noch kleinere Leute als ich und die 
am Eispol wohnen, werfen mir aber vor, dass ich kein ächter Deutscher sey, 
dass ich am 18. Oct. nicht genug Holz auf die Berge getragen, dass ich, 
wenn im Casino das Bundestags Protokoll verlesen wird, zur Thür hinaus¬ 
gegangen, dass ich vor einem todten Löwen den Hut abgezogen, dass ich 
an einem Jesuiten respectswidrig vorbei gerumpelt und ihn pudrig gemacht; 
dass ich mit so heiligen Reliquien wie Adelsbriefe sind, in meinem Adelsbuch 18 ) 
Spass getrieben, und nicht lieber wie ein Mezger zu jedem Schlegel panigyristisch 
noch einen Kalbskopf zugewogen, dass ich überhaupt meine Zunge, die mir 
Gott zum Schlicken und Schmecken gegeben, und durch Kultur zum Lecken 
hätte gebracht werden können, durch unnatürliches Spitzen zum Stechen miss¬ 
braucht, und dass ich auf eine falsarische Weise mit dem Gänsekiel Sachen 
aufs Papier geschrieben, woran die ehrlichen und gutgesinnten Gänse wirklich 
gar nicht gedacht. Um für alles dieses Busse zu thun, habe ich nun eine 
Wallfahrt beschlossen, die am 15. Juni anfangen soll nach Jena, Weimar, 

*) Gabriel von Widder, noch 1819 Vizepräsident der Kreisregierung München 


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74 


Ludwig Geiger 


Dresden (dort etliche Wochen zu bleiben) Halle, Göttingen (auf etliche Wochen) 
zurück über Gotha, Würzburg. Haben Sie mir Aufträge zu geben, so senden 
sie mir solche zu, wenigstens Ihren Segen. Ich will dafür für Luischens Ge¬ 
sundheit und Zufriedenheit den Göttern Opfer bringen, damit Sie mich einmal 
auf meinem prophetisch also benannten Heimweg dahier einmal besuchen können, 
bevor ich selber zu Ihnen nach Stuttgart komme, welches vielleicht izt schon 
geschehen, wenn ich nicht Aergernis vermeiden müsste, weil einfältige Menschen, 
welche glauben ein Mensch ohne Staatsdienst könne so wenig leben wie ein 
Frosch unter der Luftpumpe, von mir ausgebreitet, ich wolle in Würtemberger 
Dienste treten. Ich werde freilich noch dienen, aber der ganzen Welt über¬ 
haupt, dem was ich am Abend meines Lebens als Nützlich, Schön, Tröstlich, 
geprüft und erkannt habe, Menschen, die keine Kronen tragen, und die ich 
Freund nennen darf; Einen grossen Herrn aber nehm ich aus, der gewöhn¬ 
lich auch ein lachendes Gesicht macht, wenn er mir mit seinem Szepter winkt, 
den guten Freund Hain, der schon wissen wird, wohin er den für seine neue 
Welt zu bringen hat, der auf dieser alten nie seinen rechten Platz gefunden, 
nicht einmal jemand neben sich. Schlichtegroll 14 ) soll sehr ärgerlich seyn, 
über die Selbstbiographieeu die bei Brokhaussen erscheinen und dem Treib¬ 
werk seines Nekrologen das Wasser abschneiden. Er glaubt auch jenes Werk 
lasse sich an diplomatischer Wahrheit mit seinem nicht vergleichen. Denn dass 
ein Homer, ein Ossian, ein Sanchuniathon, ein Anacharsis, ein Mem- 
non der nicht einmal ein Journal oder ein Taschenbuch geschrieben, sondern 
blos die Buchstaben erfunden, dass ferner die Akademiker in München u. s. w. 
wirklich auf der Welt gelebt, werde ewig bezweifelt werden können, aber der 
geistige und leibliche Tod dieser Herren, in Praesenti, Perfecto und Futuro 
liege durch seine Nekrologen klar an Tag. Es wäre nun zu wünschen ge¬ 
wesen, dass auch unter den Gelehrten eine Leipziger Schlacht stattgefunden, 
dann würde sein Nekrolog zu einem kollossalen National Monument, ja einer 
erhabenen Versinnlichung des Hamletischen Seyns und Nicht Seyns empor¬ 
gestiegen seyn. Aber leider wollten diese Herren nicht anbeissen, obgleich 
so viele klagten, dass sie nichts zu beissen hätten. 

Die Liebeskind in München gibt in zwanglosen Heften Leichenreden 
auf Kammer Jungfern heraus. — General-Commissar v. Dreschei wünschte 
eine teutsche Gouvernante möglichst bald zu finden. Können Sie eine 
empfehlen ? Sie sehen, ich kann nicht nur Briefe, sondern auch Intelligenz¬ 
blätter schreiben. 

Ihr Freund und Verehrer 
Lang. 

Ansbach, 14. Sept 1817. 

Verehrteste Frau! 

Meine Reise über Nürnberg, Bamberg, Koburg, Jena, Weimar, Dresden, 
Leipzig, Halle, Göttingen, Kassel, Fulda, Würzburg wurde in der Zeit vom 
16. Juni bis 1. Sept. glücklich vollführt; zu Dresden weilte ich 4 Wochen 
fast ausschliessend im Genuss der Bilder Gallerie und des antiken Museums, 


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Bayerische Briefe. 75 


zu Göttingen 15 ) etwas über 3 Wochen meist auf der Bibliothek beschäftigt 
In Dresden habe ich viel schöne Kunst und Natur, aber keinen Sachsen 
lachen gesehen. Bötticher 16 ) hat mir viele Liebesdienste gethan und sich 
umständlicher nach Ihnen erkundigt. Er ist der wahre Gelehrte Lohn Lakai 
der Dressdner, in der Kunst ein Sophist, ein Tafel Dilettant und bereitwilliger 
Schmeichler, der mich priess, dass ich mich selbst zu einem Freiherrn erhoben, 
und im nemlichen Augenblick den Prinzen Hofmeister von Mecklenburg, 
weil der Mensch unfähig sey, den reinen Becher der Freiheit zu schlürfen, 
und erst im momentanen Ausruhn vom Geschäftszwang und besonders im 
Joch des Hof Lebens die Kostbarkeit der Zwischen stunden auf eine einzige 
süsse Weise empfunden würden; so dass ich seiner Beschreibung nach würklich 
den Hund zu beneiden anfing der bei Tag an der Kette liegt, und Nachts 
das eigene einzige Vergnügen geniesst, fessellos im Hof laufen zu dürfen. 
Leben für immer möcht ich nun doch in Göttingen nicht. Die alten Bekannten 
sind unterdessen alle viel gelehrter und vornehmer geworden. In Heeren 17 ) 
entwickelt sich etwas ungemein graziöses Ministerielles. Er, Hugo 18 ) und 
Planck 19 ) sind bemüht, das gebietende Triumvirat zu bilden. Die Universität, 
über 1200, ist zu gross, um die Milde und Stille ihrer alten Sitten ganz rein 
bewahren zu können. 400 Studenten, die alle Offiziere waren und sich in 
dem Augenblick noch als solche fühlen, geben eine eigene Mischung 90 ) Das 
Drängen, schleunigst das Viel Versäumte nachzuholen und so Gott will eine 
Civil Versorgung zu eijagen bestimmt eine vorherrschende Tendenz zum 
Brod Studium. Unter den Professoren selbst findet wenig Ideentausch im 
Umgang statt, viele literarisch ganz unbekannte, z. E. Heisse 91 ) schwelgen 
in einem unbeschreiblichen Purschen Applaus und die Bibliothek selbst hat 
durch neue Manipulationen und Formen bei der Abgabe an der leichten Be¬ 
wegung verlohren und scheint auch den Geist eines Oberbibliothekars zu 
vermissen. Ihren Sohn") hab ich bei Reuss 23 ) und Ihrer Frau Schwester 
gesehen, aber nicht so heimlich machen können, dass er mich besucht hätte. 
Er wird in seinem Studium gelobt; auch sein Aeusseres spricht nicht gegen 
ihn; seine gewählte Laufbahn scheint mir ihm recht passend. 

Ich habe zu Göttingen über das Alt teutsche berühmte Eine Media 
Vita eine kleine Nachricht aufgesetzt und eine poetische Uebersetzung ver¬ 
sucht. Vielleicht könnten Sie den Aufsatz in der Morgen Zeitung 24 ) gebrauchen. 

Noch lege ich Ihnen ein paar Bogen einer an gefangenen humoristischen 
Beschreibung einer Reise 96 ) bey. Ich suchte darein schäkernd Dinge zu legen 
und überzutragen, über die ich gerne meine Meinung sagen möchte und die 
zum Theil fast immer in etwas wahr nur geflissentlich etwas lächerlich ver- 
staltet sind. Ich wünsche sehr zu wissen, was Sie davon urtheilen? ob Sie 
es gerathen finden, es drucken zu lassen (das überschickte möchte ungefähr 
das Sechstheil oder Achttheil vom Ganzen seyn) ob sichs schikte für die 
Morgen zeitung ? ob Sie mir einen Drucker davor schaffen wollten ? w r as ja 
an Honorar zu gewinnen wäre, wollte ich Ihnen für Mühe Gevatterschaft 
und helfende Mitteilung überlassen. Die Fortsetzung enthält unter andrem 
auch in der nemlich nicht sichtbar ernsthaften Faseley eine Parallelle der 


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Ludwig Geiger 


Schiksale Napoleons und Bajazets, Th es es die ich zu Koburg gegen 
das Lutherische Papstthum und das Reformations Fest angeschlagen, ein 
Colloquium über den neuen Bairischen (Jesuitischen) Studium Plan u. s. w. 
Ich erwarte hierüber Ihre freymüthige ungebogene Erklärung, und das Mspt. 
zurück, wenn Sie es nicht gebrauchen können. — Was macht Louischen ? — 
Ein Leben in Tharander Bad bei Dresden wäre einmal ein schöner Traum! 
Merkwürdig ists, dass ich es in Dresden und selbst in Göttingen allerwenigstens 
um die Hälfte wohlfeiler, als hier gefunden. Verehrungsvoll 

Lang. 

Ansbach, 12. Oct. 1817. 

Liebe Frau! 

Auch mit dem kleinen Korb 26 ) hat mich Ihr Brief erfreut. Ich habe 
wohl selbst gez.weifelt, ob die Sache gewöhnlicher Ladengusto seyn würde, 
und vielmehr aus Misstrauen auf mich selbst bei Ihnen in die Büsche klopfen 
wollen, ob Sie nicht allenfalls wieder schreiben würden: Um Gottes Willen, 
lassen Sie das Ding seyn, es ist zu platt u. s. w. Ich lass es nun selbst 
drucken. 500 Ex. Sind vor der Hand nur ein paar Hundert verstellt oder in 
Saldo, dann kann die Censur hinter her laufen. Ihnen die gebetteilen Frag¬ 
mente mitzutheilen, hat allerdings Schwierigkeiten, einmal weil sich aus einer 
kleinen Flugschrift, ohne ihren Debit selbst zu schaden, zum Voraus nicht 
viel mittheilen oder abschöpfen lässt und dann zweitens, weil ich fürchte, 
als abgerissenes Ding steht es im falschen Lichte da; das abgerissene lautet 
zu ernsthaft und dann zu wenig gelehrt — im Ganzen aber war es auf einen 
gewissen Ton der Frivolität und der springenden Oberflächlichkeit berechnet, 
denn mit der Gründlichkeit macht mau niemand lachen. 

Inzwischen theile ich Ihnen einen ganz trokenen Auszug die Theses 
mit; denn es wäre doch gut, wenn diese noch vor 31. Oct. erschienen. Aber 
ich sorge, sorge, selbst diese werden Wehe und Aengsten erregen. Schalten 
Sie damit wie Sie wollen, versilbern Sie und machen feinere Pillen daraus 
nach Belieben. Einzig damit man nicht glaube, ich habe das Morgenblatt 
ausgeschrieben, wünschte ich erwähnt, dass es Fragment einer nächstens zu 
erscheinenden, oder meinetwegen schon erschienenen Reisebeschreibung sey. 
Sie können die Sätze wiederlegen mit Gründen oder Ausrufungszeichen; Ver¬ 
wunderungen, Absprechungen u. s. w. 

Den Bajazeth aber werden Sie nächstens selber lesen. Noch lege ich 
ein kleines Blättchen bei über die angebliche Wuchertheuerung, im Fall 
Sie davon Gebrauch machen können; ausserdem schicken Sie mir es zurück. 
Versteht sich, wenn ich Ihnen die Sache gebe, können Sie es mit der Form 
halten, wie Sie wollen. 

Verehrungsvoll Ihr Freund 
Lang. 

Ich habe Ihnen letzthin Herrn Stadt Pfarrer Görs von Baiersdorf bei 
Erlang, Vater des Kabinetssekretär geschikt. Er ist sehr bezaubert von Ihrer 
Aufnahme und vom schönen Louischen, die er seiner Versicherung nach wohl 
getroffen. 


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Bayerische Briefe. 


77 


Ausbach, 7. Dezember 1817. 

Liebe Frau. 

Stolz, wie eine Katze, die man nicht ins Zimmer lassen wollte, trage 
ich Ihnen gleichwohl mein Junges in der Schuautze vor. Es ist vorläufig 
nur ein Korrectur Bogen B (A kennen Sie schon schriftlich) desswegen be¬ 
schleunigt Ihnen zugestellt, weil er die bewusste Parallelle enthält und den 
Schluss übers Reformationsfest, um Sie zu versichern, dass keine neue bösen 
Anspielungen hinzugekommen sind. Es freut mich, dass ich die Brenn-Ex- 
perimente schon vorausgesehen habe. Dürfte ich denn, wenn das Schriftlein 
fertig seyu wird, nicht eine Anzahl Exemplare zur Verbreitung und Sicherung 
an Ritter Cotta senden ? — 

Die Frankfurter Rede Ihres Schützlings Wan gen heim hat mir doch 
gar nicht gefallen wollen. Wieder eine Schul-Peroration. Wenn nur die 
Herren versuchten, und übersetzten ihre Sachen vorher ins Lateinische oder 
Französische, dann würden sie finden, dass wenn man ihre originale deutsche 
Wortkramereyen hinweg nimmt, gar keine Gedanken, am allerwenigsten 
|neue übrigbleiben.]*) 

Ansbach. 12. Juli 1818. 

Verehrteste Frau. 

Also auf das Kapitol ist meine Hammelburger Reise gekommen? Das 
heisst, wie früher schon der rohe Brenne oder der Vandale! Dort pflegen 
aber lange schon nicht mehr die Gänse zu schreyen, sondern die genistelten 
Hummel zu stechen. Mit dem geziertesten Dank eines erschrecklich gekützelten 
Autors erhalten Sie hier ein neues Exemplar. — Allerdings car teile est le 
plaisir du Peuple wird bald ein dritter Theil folgen, wo ich zu Schilderung 
des adelichen Unfugs meistens in der Staberls Rolle eines Bairischen Ober¬ 
schreibers auf zu treten gedenke. — 

Was ich über die Konstitution* 7 ) denke, finden Sie in den bei liegenden 
Exemplaren des Merkurs ausgedrückt. Sie hat beschworen werden müssen, 
ohne dass man noch die Feudal Pfeiler der Beilagen kannte. In diesen erst 
nach gekommenen Beilagen aber haben wir dazu erhalten : Die Gleichheit des 
Adels in der Besteurung dahin erklärt, dass zwar auch dieser die volle 
Steuer in die Kasse einliefern, dagegen aber \a baar daraus wieder zurück 
ersta11et erhalten soll — ferner das Koncordat in allen und jeden seinen 
Puncteil (so lautet es ausdrücklich) bestätigt und zur genauesten Beobach¬ 
tung vorgeschrieben; (wie ist nur diese Doppel züugigkeit der Konstitution in 
ihrem Text und in ihren Beilagen gegen eine Hildebrandinische Clerisay zu 
lösen ?) endlich ist die Feudalität in allen und jeden Stücken, so wie sie bei 
uns im Jahr 1806 war, hergestellt. Alle adelige Gerichtsbarkeit und Zwing- 

*) Das Folgende ist weggeschnitten; die in eckigen Klammem stehenden Worte dem 
Sinne nach ergänzt. — Die Rede Wan gen hei ms des ehemaligen Ministers, damaligen 
Landtagsgesandten Württembergs, ist, wohl dieselbe, wie die neuerdings analysierte Rede 
Ws. in Verfassungsangelegenheiten (Stern, Geschichte Europas I., 336 f.); freilich steht 
dort das Datum 18. Dezember. — W. war mit Therese sehr befreundet und wurde von 
ihr in Gesprächen wohl manchmal gegen Längs Angriffe in Schutz genommen. 


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73 


Ludwig Geiger 


Herrschaft soll bis zum i. Jan. 1820 auf den Zustand vor 1806 zurükgeführt 
werden; alles, was in dieser Zwischenzeit zu ihrer Tilgung von den Partheyen 
freiwillig vertragen worden, wird als null und nichtig aufgehoben. In 
12 gauzen Jahren sollen wir also nichtein Pünctchen weiter gekommen seyn. 
Täglich seh ich nun von den geschäftigen Ultras der Verwaltung das in die 
Wette einreissen, was ich seit 1806 als Director dahier in Kulturs- Stiftungs- 
Erziehungsgegenständen gewürkt habe, blos aus dem Grund, weil es nach 
1806 geschehen. Man möchte mir selbst meine Bäume und Blumen zerreissen. 
Wer weiss, was noch geschieht. Mir meine Anlagen ab- und mich selbst da¬ 
durch w e gzukaufen hat man schon versucht. Es gehört gewiss viele Stärke 
dazu, wenn man bei allem dem, was mau izt sieht und empfindet, noch so 
den Lachenden machen kann, dass die andern mitlachen müssen. Vielleicht 
ist Ihnen die weitere Beilage aus der Mergentheimer Geschichte, nicht un¬ 
interessant. Den V. finden Sie in der Beilage B. bezeichnet. 

Wär es vielleicht nicht gut, wenn Sie izt unter den Erscheinungen der 
Zeit, etwa von München her datirt, das Leben und die Tendenz der Hammelb. 
Reise in Ihrem Morgenblatt etwas mit bezeichneten ? Sie dürften mich als 
ehemaligen Kreisdirector (nicht geh. Rath) N. N. zu Ansbach, vorher Reichs- 
archivdirektor in München, izt privatisirend, nennen. Ich kann izt rechnen, 
dass von iedem Teil (mit Inbegriff der 2 Nachdrücke) 6000 Ex. im Umlauf 
sind. Das ist das,- was diejenigen Excellenzen und After Excellenzen mit 
ihren Suppen Freunden am meisten ärgert, welche das Werk als dummen 
faden Spass, oder als Product eines bösen Willens hätten stempeln mögen. 
Und diesen Debit habe ich selbst gemacht — (was hätte ein Buchhändler, 
wie Cotta wirken können). Aber solche Spässe sind nicht adelig. Auf die 
schöne Frau Zenker haben Sie nun auch den schönen Herrn Kiefhaber 
gesehn! 28 ) Wie mag sich wohl bei dieser Besuchung oder Versuchung 
das Cherubims und Raphaels Köpflein von Louisclien ausgenommen haben ? 

L. 

Würde Ihr lieber Herr Sohn über Ansb. kommen, so könnte er wohl 
bei mir zusprechen. Aber so zahm ist wohl das Zugvögelchen noch nicht. 

Ansbach, 21. Dezember 1818. 

Verehrteste Frau. 

Heute, am kürzesten Tag, sollte man freilich an den Altären des 
Morgens und des Morgenblattes nicht überlästig fallen. Aber Ihr bisheriges 
langes Schweigen ist mir eine entsetzliche lange Nacht, die mich mit bos¬ 
haften Träumen ängstigt, dass vielleicht gar Sie oder Ihr schönes Neben- 
gestirn Louisclien sich nicht Wohlbefinden, sofern sich anders Sterne übel be¬ 
finden können, und nicht uns vielmehr Uebel bringen dadurch, dass sie sich 
uns nicht mehr sehen lassen. 

Und nun dazu noch unsere immer länger werdende Nacht der Aben¬ 
teuerlichkeit, und Schwärmerev, in Mahlerey und Kunst eben so altväterisch 
und geschmacklos als wie in Reim und Rede. So wirds ungefähr nach ein 
paar hundert Jahren dem Amerikaner seyn, wenn man ihn auf das äclit alte 


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Bayerische Briefe. 



Canibalisch Schöne zurückführen will. Doch Sie, auf Ihren Morgen und 
Titansbahnen, was kümmern Sie die schwarzen Wolken unter Ihnen? Sie er¬ 
freut es, Kaiser und Kaiserinnen auf Zauberwagen durch die Lüfte fliegen zu 
sehen, die Freude guter Kinder über die Neujahrsgeschenke der Konstitutionen 
mit zu fühlen, den Koloss der deutschen Freiheit anzustaunen, den lieblichen 
Kämpfen unserer olympischen Turner Beifall herabzuwinken, und durch Ihre 
Mitarbeiter, d. i. Ihre hinunter tauchende Sklaven aus dem Meer der Weisheit 
Charaden und Räthsel heraufholen zu lassen. 

Und doch in aller dieser Herrlichkeit, wie werden Sie sich still darüber 
grämen, dass Sie keine Baierin sind, wenn Sie nun in den Zeitschriften lesen, 
dass die Münchner Athenienser, unsere neue politische Institute die Englischen, 
unser Hammelburg das edle Abdera ist Die dritte Farth werden sie doch 
erhalten haben? Ich fürchte, der juristische Kampf mit Kreitmayr 39 ) hat Sie 
weniger an gesprochen. Aber es war ein schneller Nothschrey nötig, weil man 
eilen will, uns dieses schwarze Buch als allgemeines Sklavengesetz aufzudringen. 

Graf Törring 80 ) durch einen seiner Burgschreiber hat für die vor¬ 
läufige Landtagsverhandlungen eine Schrift verbreiten lassen: Was wollen 
Wir? Ach! wenn wir das immer wüssten. Seine Excellenz beschränken 
sich übrigens massiger Weise nur darauf, alle Sachen auf den Zustand vor 
der Sündfluth zurückzuführen lind die Adeligen als übernatürliche Heroswesen 
anerkennen zu lassen. 

Der Heimeram 31 ) in München soll ein erbärmliches Stük seyn. Es 
war Pfaffen Intrike, geleitet von einem Pfaff, Spät 82 ) als Censor, dass ein Pfaff 
den Preiss erhalten und den Günthner-, 38 ) Westenrieder- 84 )und Zirngibel- 36 ) 
Lehrsatz bestätigen sollte, dass alles, was in Bayern Grosses erschienen, von 
Pfaffen hervorgegangen. Sehr übel hat man Dozen die Behauptung genommen, 
dass Bayern keine Dichter habe. Dir. Streber zeugte sich erstaunt dar¬ 
über; er sey versichert, wenn man nur recht nachsuche, werde man doch 
deren finden. Zum Trost hätte ich ihm den Jesuiten Balde 36 ) in Neuburg, 
einen ächten Nachahmer des Horaz (wie wohl von Geburt einen Elsässer) 
und Brunners 87 ) Fischergedichte (ebenfalls ein Neuburger) nennen können. 
Unveränderlich 

Ihr 

Freund und Verehrer 
Lang. 


Verehrteste Frau. 


Etwas schmollend schik ich Ihnen hier eine Hammelburger Fahrt, die 
siebente; ich werde künftig meine Jahre darnach rechnen, wie die Römer nach 
ihren Consulaten, aber lieber hätt ich Ihnen das Nürnberger Anzeigblättlein 
schiken sollen, um sich daraus zu ersehen, wie man in Nürnberg alle Quartal 
wenn man auszieht, sich der alten Nachbarschaft empfiehlt, und dann in nächster 
Woche der neuen. Sie aber wischen mir von einem Königreich ins andere, 
mir nichts, Dir nichts, geben keinen Laut von sich, laden mich auch nicht 
ein; was mich auch fast verdrossen hat. Bis nun das kleine Hammelburger 
Kind geboren ist: wo ich wieder gut seyn will, der Gevatterschaft wegen. 


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8 o 


Ludwig Geiger 


Also wird man doch aus dieser allerhöflichsten Veranlassung vielleicht 
erfahren können, ob, wo, und wie Sie sich gehaben und Wohlbefinden? — 
Das schlimmste ist, dass izt wohl gar Ihr Baireuther Flug nicht mehr über 
Ansbach geht. 

Was mich betrift, ich bau, wühl und grab noch in meinem Garten 
herum, den ich mir auch mit dem daran stossenden Wirthshaus und neu an¬ 
gelegten Wirtshaus Garten und Stallung erweitert habe. — 

Dies und das ganz elende Wetter war Ursache, dass ich diesen Sommer 
alles Reisen unterlass. Mein Leben geht dabei so still und einfach dahin, 
wie auf einer Insel der Südsee; und dabei bin ich allen Narren herzlich gut, 
besonders denen, die sich etwas von mir hänseln lassen. 

Das merkwürdigste, was sich auf hiessigem Berg (neben den sonstigen, unni- 
versalen Jubiläums-Vermählungs-Landwirthschafts-Bürgermeister Wahl und Ma- 
nöuver Festen) ereignet, ist, dass mein Kanarien Vogel durchgegaugen (durch¬ 
geflogen) nach ein paar Tagen Umtrieben im Garten aber wieder eingefangen 
worden und die Nachtigall hat ihre Mause glücklich überstanden und werden 
keine Bülletins mehr ausgegeben, der Schnudy aber befindet sich wohl und em¬ 
pfiehlt sich den Damen. Seine Freundin, die Katz, ist über den Raub eines jungen 
Hasen ertappt und zur Satisfaction aller anderen Hasen erschossen worden. 

Diese Dinge verlohnen sich wohl, dass Sie einmal wieder persönlich 
davon Einsicht nehmen; oder warum haben Sie mich nicht nach Nürnberg 
bestellt? denn ich höre, Sie seyen durchgefahren und hätten den schönen 
Bronn sehen wollen, der aber noch nicht fertig war. Am 12. Oct. aber haben 
sie ihn aufgedeckt, mit Schiessen, Trommeln, Singen, Segen sprechen, katho¬ 
lischer und lutherischer Seits, mit Reden, Gratulationen, Kränze winden, 
Tafel toasts, und wie das izt bei allen Tritten und Schritten sein muss und 
Brauch und bei den steifen, vier ekigten, kurz sylbigten Deutschen lieblich 
anzuschauen ist. Halt auch das Papier hat ein End, wo bring ich nun meine 
deutsch ceremonieuse Phnpfehlung hin ? Etc. Etc. Etc. Etc. 

Lang. 

Ansbach, 28. Juni 1819. 

Verehrte Frau. 

Diesesmal mag ich wohl etwas schulmeisterisch aussehen, wenn ich 
Ihnen eine Geschichte der Jesuiten 38 ) und noch dazu mit vielen lateinischen 
Brocken untermischt, zusende. Es thäte noth, dass ich dazu doch auch so 
ein schönes Brieflein schreiben könnte, wie Plinius, als er seinem Freund ein 
noch viel wertheres Geschenk, ein wildes Schwein, übersandte. 39 ) Inzwischen 
das hochgelehrte Werk muss nicht gelesen werden; etwa doch hier und da, 
ein Anekdötchen witternd, durchblättert, und was ich besonders wünsche, 
Freunden und Kennern des Fachs, wie etwa Werkmeistern, 40 ) zum Urteil mit- 
geteilt. Ihnen sey es auf alle Fälle ein neues Zeichen meines unvergäng¬ 
lichen Angedenkeus. 

Dabey arbeit ich fleissiger, als die Jesuiten an ihrem Bau heimlich, an 
meinem Garten und Landhaus öffentlich. Wenn Sie doch nur kämen, um zu 


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Bayerische Briefe. 81 


sehen; bald könnte ich Sie selber bewirten. Ich zähle alle Augenblike, um 
in meinen Büschen versteckt leben und Pfeile abschiessen zu können. Dann 
die Leute hier werden immer alberner und boshafter, besonders eine gewisse 
Pseudo Excellenz, der Herr Graf Drexel, 41 ) dem ich aber den Wein seines 
Lebens sauer machen will. — Dass doch die lächerlichen Menschen das 
Lachen am wenigsten vertragen können. — • In kurzem schik ich Ihnen ein 
neues Conversations Lexikon — nämlich ein Hammelburger. 42 ) 

Seit dem unsere Herren Minister das Spiel mit den Ständen gelernt 
und einstudiert, wo man den Leuten weiss macht, sie wären freye Grosbrit- 
tanier, scheint mir unsere Knechtschaft immer ärger zu werden. — Bisher 
habe ich aus dem Wesen aller noch wenig gelernt. So wirds nicht gut thun. 

Weh liats mir gethan, dass ich hören musste, es seyen in Württemberg 
Ihre blühenden Gärten und Berge erfroren. Seit wann ist es denn bey Ihnen 
kälter, als bei uns, wo alles herrlich steht? Vielleicht w r ar es auch nur ein 
Schreck? — 

Glüklich sind Sie, so lauge der Himmel Ihnen Ihre ewig grüne 
Morgenlaube und Louischens Blüthe beschirmt. Und so w'ill auch ich noch, 
so lang es gut thut, bey Ihnen stehen bleiben, als ein alter Feldbaum, der 
sich über sich donnern und krächzen lässt, und sich die Zeit vertreibt, um 
den Zeitgeist der jungen Heerde zu betrachten, die sich unter ihm tummelt. 

Verehrungsvoll Ihr steter Freund Lang. 

N: S: 

Ich habe mit Bleistift gezeichnet, was Ihnen allenfalls interessant seyn 

könnte. 


Ansbach, 17. Juli 1819. 

Sie, vielerfahrene, liebevolle, fromm deutsche Frau — wie Sie in Herrn 
Franz Horns neuesten Umrissen 43 ) mit Recht an gesprochen werden, haben 
mich durch Ihre Superiorität bereits zu einer solchen Altsachsen Tributbar - 
keit und Unterwürfigkeit gew r öhnt, dass ich nicht säume, Ihnen abermals ein 
Lämmlein 44 ) von meiner Heerde, oder möcht es nicht auch ein Böcklein sevn, 
zum Opfer darzustellen. Hamtnelburg ist nun einmal die Firma und Dotation, 
Majorat u. s. w. das ich mir erworben habe uud zwar, wie es in allen Glücks¬ 
sachen geht, ziemlich im Schlaf. 

Sollt ich mich einmal unter eigenem Namen klar über etwas auszu¬ 
sprechen haben, so werde ich von H. Cottas 45 ) angebottenen ungesperrten 
Sitz auf seiner Tribüne Gebrauch machen. Die Einladungen zu solchen ge¬ 
lehrten Pikeniks sind freilich izt so häufig, dass man sie selten zu honoriren 
vermag. 

Die Schilderung des herrlichen Goldkäfer lebens in Stuttgart hat mich 
als wahr und ergötzlich sehr angesprochen, sintemal ich es auch kenne aus 
vielem gastlichen Aufenthalt und näher noch, da selbst meine Mutter eine 
Württembergerin war, aber keine dichtende, oder nachher deklamirende, sondern 
eine spinnende, gesprächige, gern gebende, oder vielmehr wegwerfende Schwäbin. 
Aber dieser Würtemberger kleinliche und doch kriegerische Familiengeist, 
Bayer. Forschungen, VII. 2 . 6 


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82 


Ludwig Geiger 


diese bewundernde Anbetung und Hingebung in alles was von Stuakert und 
vom Herzig kam, und die abscheuliche Gelehrsamkeit, die aus den Kloster- 
mauem von Blaubeuren hindurch bis in meine Dorfhaken bliess, machten mir 
ein solches gastliches Walten daselbst sehr ungemuthlich. Als nun der Oheim 
nach an gestellter Prüfung über meine rohe Unwissenheit in Philosophicis 
mit aufgehobenen Händen ein trostloses, Schwester, Eltern und Grosseltern 
anklagendes, mir ein zeitliches und ewiges Verderben ankündigendes Weh- 
geschrey erhob, und sich anschikte, mir von morgen Früh bis zum Betgeläute 
BiIfingers 46 ) Logik einzutrichtern, nahm ich bereits am 3. Tag dieser Kata¬ 
strophe auf einem Färbergaul die Flucht aus diesen allemanischen Gauen, und 
glaubte immer noch, mit bergausteilenden Haaren, alle Syllogismen in Barbara 
und Cellarent 41 ) hinter mehr her trotten zu hören. Solches davon laufen 
ohne weiters, wo es einem durchaus nicht gefiel, ist mir nach der Hand noch 
einigemal sehr gut bekommen. Aber wohin izt? — Ich komme nun in die 
Zeit des alten Faustrechts zurük und suche mich in meinen eigenen Mauern 
vor allen Bösen zu verschanzen, — auf die reissenden Narren aber Ausfälle 
zu machen. — 

Doch denk ich, dass Sie, als meine Sinnesverwandte und Bundesgenosse, 
mich auf solcher Burg einmal heimsuchen werden. Die Fallbrüke soll mit 
grossem Jubel herabgelassen werden. 

Ewig Ihr Freund und Verehrer Lang. 

Ansbach 30. Sept. 1819. 

Verehrteste Frau! 

Ob Sie sich gleich, wie der Kurfürst von Hessen den Titel der Kur¬ 
fürstlichen Durchlaucht, so den Namen der verehrtesten Frau verbeten; so 
werden Sie mich doch bei meiner alten und steifen Kanzley Praxis, die 
es blos mit der Freundin und Frau zu thun hat, günstig belassen. 

Weil Sie, wie ein gutes Kind, das seine Spielsachen andern schenkt, 
auch mein Conversationslexikon weggegeben; so folgt hier ein anderes, mit dem 
Wunsch, dass Sie es selbst kosten möchten. Ich erinnere mich nicht, dass 
Sie aus meiner Jesuiten Gallerie etwas in Ihrem Morgenblatt aufgestellt. 48 ) 
Viele erwarteten, dass die Gemählde grässlich ausfallen sollten. 

Leist 49 ), der Glükliche, der Sie in Stuttgardt besuchte, war ein 
Jugendfreund, obgleich etliche Jahre iünger, von mir, den ich viel zu reitzen, 
zu treiben, anzublasen und flattern zu machen versuchte. Er ist ein wahrer 
geistiger Parvenü, für den die natürliche Geburt gar nichts gethan, der sich aber 
mit einer ächten holländischen Geduld und Erwerbsamkeit zu einem ansehn¬ 
lichen gelehrten Wohlstand und Waaren Vorrath aufgeschwungen. — Von 
H. Hobhause 60 ) hab ich leider noch nichts gelesen; geben Sie denn nichts 
davon im Morgenblatt? aber das sind vermuthlich Nachtschatten, die nicht 
in den Rahmen passen. Glauben Sie ja nicht, dass es bei Uns in Ansbach 
weniger grün gewesen und noch sey, als in Ihrem Remsthal, Deutschland, 
dieses grüne Vorgebürg lauter ewiger Hofnung ist ia von ielier das gute 
Ländlein Immergrün, das uns aber bald ein böser Saud 51 ) verdorben hätte. 


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Bayerische Briefe. 83 


Welthistorisch betrachtet bin ich mir würklich weit weniger grosser 
Ereignisse und Folgen vermuthend, als andere. Ich nehme Italien, dieses 
Stiefschwesterland des alten heil. Röm. Reichs, ins Auge, von dem wir unsere 
Freiheitlichen Institute geborgt, und das mit uns derselben Zerstückelung und 
denselben Regierungsformen unterliegt. Aus solch einer geronnenen Milch 
wird nie eine Butter; und wenn wir vielleicht noch ein 1000 Jährchen warten; 
so stehen wir etwa noch auf dem nemlichen Punct, wie izt der Italiener. Ich 
bin wahrhaftig wie der Teufel in der Hölle; ich lach über die Verdammten, 
ohne daran zu denken, sie erlösseir zu wollen; ich bemitleide die Kranken, ohne 
mich verbunden zu halten, sie selbst zu klystieren oder zu schröpfen; Wenn 
es würklich geschäftige Demagogen und Umtreiber (eigentlich Danaidische 
Fasswälzer) gibt, so sollten sie bedenken, was Thucydides sagt: dass nichts 
gefährlicher ist, als Menschen frey machen zu wollen, die nicht frey seyn 
wollen. 52 ) Nicht einmal einen witzigen Gedanken kann ich hervorbringen, 
sobald ich mich darauf besinne, noch weniger erfolgt etwas Grosses aus Ratli- 
schlägen und Heimlichkeiten; alles thut der Zufall, das Schiksal, dieses 
Schiksal hat in Bonaparte, dem närrisch gewordenen Nebucadnezar, ein 
grosses Experiment verunglüken lassen; und solche kostbare Praeparate gibt 
man nicht alle Tag. 

Noch nicht gar lange bin ich von einer Fussreise, 120 Stunden weit 
zurük, die ich in dem sogenannten Bairischen Wald über Amberg, Cham 
u. s. w. unerkannt mit vielen kleinen Abentlieuern gemacht, die sich nach 
Hammelburger Manier werden modeln lassen. Künftiges Jahr geht es an 
Bodensee, und wenn ich damit, nicht auf päbstliche Weise meinen Füssen 
die freilich das meiste dabei thun müssen, sondern mir selbst Freundes Kuss 
und ächten Willkomm erwerben dürfte; so liess es sich vielleicht machen, 
mein Gespann auch über Stuttgardt streifen zu lassen. Unterdessen sollen Sie 
und Louischen, Louischen und Sie sich wohl gehaben. 

Verehrungsvoll Lang. 

Ansbach 7. April 1820. 

Verehrteste Frau, 

Im Begriff einen kleinen Wanderzug abermals zu beginnen, kann ichs 
nicht unterlassen, Ihnen vorher noch einen kleinen Laut von mir zu geben. 
Es darf Ihnen doch nicht ganz gleichgültig seyn, wie es auch ausserhalb Ihren 
Kreisen geht. Wir leben hier wie in so mancher Stadt, wo zwar das Mouden- 
licht hochgepriessener Verfassung und Liberalität im Kalender steht, gleich¬ 
wohl aber auf der Gasse die dikste Finsternis herrscht, in welcher Hunde 
und Katzen heulen, und übermüthige Pursche noch überdem Licht aus! 
schreyen. Durch stille Verordnungen wird bei Uns die Censur so weit ge¬ 
trieben, dass die Buchhändler selbst nicht einmal mehr Büchertitel in ihre 
Katalogen setzen dürfen, bevor sie alles, inn- oder ausländisch, den Regierungs- 
Commissären zur Einsicht vorgelegt haben, davon Einer nicht einmal ein 
Studierter vom Handwerk sondern ein gelernter Orgelmacher und Mass- 
holder Tabakskopfschneider ist. An meine Hammelburger Schnurren ist bei 

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8 4 


Ludwig Geiger 


solchen Pelzmützen gar nicht zu denken; aber mystischen Unsinn, besonders 
von Erlang 58 ) aus, Lobgesänge auf die Machthaber, und dabei wieder hinter¬ 
listige, verstekte Apologien der deutschen Knaben lässt man passiren. 

Mir selbst haben die Herren Ministerialen in Sachen gegen den edelu 
Mann D rech sei gerichtliche Anklagen an den Hals hängen wollen, aus denen 
ich aber triumphirend hervorgegangen, jedoch den Entschluss gefasst, meinen 
Stab weiter zu setzen und wohin denken Sie wohl? Gottes Wege sind wunder¬ 
lich — nach Wien. 54 ) Als Archivar hab ich die Regel gelernt bei verschie¬ 
denen Lesearten müsse man die schwerste vorziehen, weil es anzunehmen, 
dass der erste gemeine Abschreiber gerade diese, als ihm am unverständlichsten, 
verballhornisirt habe. Und so will ich denn in den Codex meines Lebens 
statt der gemeinen Phrase München oder Ansbach kek setzen: Wien, vor der 
Hand auf ein paar Monate, und seh ich, dass es geht, wie früher (ich war 
in meiner Jugend schon 3 Jahre lang dort) dann vielleicht vom nächsten Jahr 
an auf immer. Dieses mal komm ich zu Ende July wieder zurück, und gehe 
über München, mit Anfang Mais. Kann ich Ihnen in Wien was dienen, so 
dürfen Sie nur Ihre Briefe durch die Württemberger Gesandschaft an die 
Bairische abgebeu lassen. Selbst Stuttgardt, oder die Schweitz stand oder 
steht noch auf der Wahl; aber die Entscheidung für Wien schien mir im 
Anfang epigrammatischer, und obgleich selbst ein gebohrener Schwabe, so 
kommt mir doch izt die Rede meiner lieben Landsleute so ultra - ehrlich 
vor, dass ich fürchte, wie der Königssohn von Otahiti, nicht mehr einge- 
wohnen zu können. — 

Herr Prof. List 55 ) lernte ich auf seiner Durchreisse nach Wien kennen, 
als Executor testamenti des verstorbenen deutschen Handels. Ich habe diese 
gute alte Mama, die von dem Doctor Douane so ungeschickt behandelt 
worden ist, herzlich bedauert, ob ich mich gleich sonst in dieser Welt An¬ 
gelegenheiten, wenig mehr mische, nachdem ich alle Systeme, vom phantasie¬ 
reichen Cosmopolitismus bis izt zur moralischer Despotie des Egoismus durch- 
gelaufen habe. Selbst von den vielen Landtagsverhandlungen, weiss ich nichts 
und less ich nichts. Die Herren hoff ich werdens nun ohne mich besser rechts 
machen, denn ich thu leider alles links. Eben weil der deutsche Verstand 
immer alles recht thut, so braucht man bei Uns keine linke Seite. 

Leben Sie wohl — Leben Sie wohl — Sie — Louischen — Alles 
was Ihnen angehört — die Wasser werden mich bald weiter tragen und ich 
hoffe auf neue Szenen für mein altes Gilblas Leben. 

Ewig 

Ihr Freund und Verehrer. 

Lang. 

Ansbach, 31. Aug. 1820. 

Verehrteste Frau, 

Ich habe in dem mir vorgestekten Ziel der 3 Monate meine Reise 
nach Wien zu Wasser und zurück über Prag und Karlsbad vollendet. Ich habe, 
was würklicli selten ist, diese Stadt, meine alte Geliebte, noch so schön, wie 


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Bayerische Briefe. 


vor 30 Jahren und mich bei ihr, verjüngt und lebensfreudig gefunden. Be¬ 
reichert mit einem Schatz schöner historischer Funde bin ich, von meinen 
Angelegenheiten zurückgerufen, nach Hause gekehrt und denke meine Jasons- 
farth im nächsten Jahr wieder zu beginnen. Hoffentlich werden Sie sich 
in gleicher jugendlicher Stimmung erfreuen, dass indessen der Storch wieder 
da ist. — Die Herren Oestreicher haben besonders vom Hammelburger mehr 
gewusst, als ich mir schmeicheln durfte. Sie drangen in mich, fort zu faseln, 
und unter dem Schein, als ob es Baiern gelte, auch nach Osten auszuhauen. 
Die Neapolitanische Episode 86 ) verdirbt vor der Hand die Sachen noch mehr. 
Es ist, als wenn man einen Kranken zornig macht. Das Lieblingsstück ist 
izt überall: der Teufel ist los, 87 ) worinn die naivsten Rollen immer die¬ 
jenigen spielen, die ihn fangen wollen. 

Die Frau v. Pichler 08 ) hab ich einmal besucht. Es schien, dass sie 
nicht recht wusste, wohin sie mich classifizieren sollte, und ich fand die Auf¬ 
gabe schwer, ihren bedächtigen Ernst mit meinem Kasperlstemperament ver¬ 
wandt zu werden. Ausserdem trennte uns eine Entfernung von wenigstens 
1 Stunde. Noch eine Frau lernte ich in Prag kennen, die Frau v. Wolt- 
mann, 59 ) in einem einsamen Garten weit ausser der Stadt, ohne alle weitere 
Umgebung, bewacht von 20 Hunden, die sich nicht zu gefallen scheinen, 
und zwischen Folianten der Bibliotheken von Radschin, Krakow und Wischerad. 
Ein äusserst gemütlicher, sich vom innersten aussprechender Mann ist v. Ham¬ 
mer, 60 ) Verfasser der Fundgruben und der Tempelherren-Geschichte. Er hat 
etwas iüdisch orientalisches an sich, und ist ein Schwiegersohn des Banquier 
Honig ss tein. Die Einbildungskraft rennt manchmal mit ihm davon, und 
ich mit meinem hölzernen Säbel dazu, haben der Sprünge viel gemacht. Bei¬ 
nahe melancholisch ernst sieht Hormayr, 61 ) dabei ein feiner höfischer Mann, 
der mir aber falsche Wege einzuschlagen scheint, um wieder zur verlohrenen 
Gnade zu kommen. In diesem Stück halt ich meine Brutalität für conse- 
quenter. Das Wörtlein Gnade ist überhaupt ein sonderbarer Laut Eh man 
noch die 2 ersten Buchstaben beinahe auf die Lippen bringt, heissen die 
andern schon wieder Ade! Sie sehen daraus, dass ich die Wiener Kapuziner 
Predigten mit Nutzen besucht habe. Wern ern 62 ) hörte ich über den Text, 
dass der Johannes im Leib der Elisabeth gesprungen, eine Christ katho¬ 
lische Rede halten: „von der christlichen Eilfertigkeit.“ Die Ambraser Samm¬ 
lung (unter Primisser, C8 ) einem wakeren Männchen) ist im Grund ein 
Pantheon für die ausgestopften Erzherzoglichen Pferdte und eine Schmetter¬ 
lingssammlung alter Rüstungen, aus welchen die Raupen schon längstens aus¬ 
gekrochen. Als wahrer Pallast steht das polytechnische Institut, oder eigent¬ 
lich gelehrte Reitschul da, unter dem Direktor Prechtl, 64 ) einem Würzburger. 
Es gehört izt zum Ton unserer babylonischen Zeit alles nur auf Abrichten 
und Eintrichteru zu berechnen. Ein Abbe Dobrowsky 65 ) eröfnet Sub¬ 
scriptionen für diejenigen Leute, die nach dem Tod von ihm wieder aufer- 
wekt seyn wollen. Ein anderer Herr hat sich auf 3 Tage eine Gouvernante 
aus Frankreich kommen lassen, oder reiner erzählt, nachdem sie da war, hat 
ihr die Polizei nur auf soviel Zeit eine Aufenthalts charte gegeben. Zu Prag 


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Ludwig Geiger 


ist ein Herr Schiessler 66 ) Kriegskommissar, Theaterdichter, Topograph, 
Zeitungsschreiber und Epigrammatist; in lezter Eigenschaft hat er sehr mit 
Kotzebue gefehdet, der seine Stachel nicht acht erkennen wollte. In unsern 
bösen Zeiten sollte es überhaupt die Spottvögel spottwohlfeil geben; und muss 
ich einmal gar mein Kramlädelein gänzlich sperren, so rechne ich auf ein 
mildes Almosen von Ihuen und dem lieben Louischen. 

Verehrungvoll Lang. 

beautw. 23. 3. 21. Ansbach 12. März 1821. 

Verehrteste Frau, 

„Nun ia! Du, Luischen, komm auch her, das ist wieder was vom Lang!“ 

Allerdings, so wie ichs unter gegenwärtigen Umständen glaubte in 
halber Maske wagen zu können; und will iezt erwarten, wies den gestrengen 
Herren gefällt, und ob sie den bösen Jungen nicht aus dem Garten hinaus- 
iagen wollen; aber zu spät, nachdem er ihnen schon tüchtig in die Beete 
gesprungen. — 

Da alle unsere Cougresse auf Ach! Ach! und Au! lauten (Ach-en, 
Laib-ach, Tropp-au) so wird man die Legitimität meiner Gesinnungen, die 
auch aus einem Ansb-ach! kommen, nicht misskennen. Ich werde izt den 
Vorschlag machen, statt der ewigen Theater Chroniken unsere schönen Blätter 
mit stehenden Landtags Notizen auszustatten. Die deutsche Annehmlichkeit 
und Grossmüthigkeit gibt sich darinn gar herrlich zu erkennen. Erfreulich 
war es, mit welcher Erbaulichkeit bei Ihnen der alt lutherische Kirchen Choral 
angestimmt worden: „Man braucht bei Uns kein arge List.“ 

I11 Zeit von 14 Tagen bezieh ich mein neues Landhaus, das einzige 
kleine Ding, was ich in einem halben Jahrhundert voller Mühen, Träume und 
Plagen zu einer Würklichkeit habe bringen können, gleichsam das Ey, in 
das ich mich vor meiner letzten Verwandlung so eben einzuspinnen gesonnen 
bin. Können Sie einmal Ihren Sonnenwagen des Morgeublatts mit dem 
angespannten drei köpfigen Cerberus oder Höllenbraten der Kunst, der Litteratur, 
und der Intelligenz 07 ) verlassen, so kehren Sie mit Psyche Louischen doch 
einmal am äthiopischen Horizont von Ansbach ein, zweifeln Sie ia nicht, dass 
bei Uns grosse Dinge zu sehen sind, ein Frauen verein, ein musikalischer 
Verein, ein Industrieverein, ein Landwirthschaftsverein, ein Aussteuerverein, 
ein Armenverein, ein Leseverein, ein Hofgartenverein; in die hätt ich können 
alle hinein, aber ich nahm meinen Bündel und schrie Nein ! Nein! Nein! — 
Diesen Sommer denk ich eine Fussreise nach Lindau zu machen. — Könnte 
man da sich nicht begegnen ? — und dann in vergnügten Stunden des Wieder¬ 
sehens den östreichischen Beobachter 08 ) lesen? 

Verehrungsvoll Lang. 

Ansbach 12 Juli 1821. 

Verehrte Frau, 

Da schik ich Ihnen einen Mann mit einem Bart 69 ). Er ist zu gelehrt, 
als dass er Ihnen recht behagen könnte. Mustern Sie flüchtig seinen alten 


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Bayerische Briefe. 87 


Anzug, vielleicht doch etwas zum Lachen, durch, und lassen dann, wenns 
thunlich ist, auf der Kanzel Ihres Litteratur Blatts einen kleinen Hochzeits¬ 
spruch über ihn machen. 

Demnäclistens werde ich eine kleine Fussreise nach Lindau und an die 
Schweitzer Grenze antreten. Ich möchte wohl über Stuttgart lenken, aber 
auf solchen Zügen mag ich nicht gern Königs Residenzen berühren. Für 
solche Fractur hat mein kleines Wanderbüchlein keinen Raum. — Sollt es, 
ungeachtet der neuen Konstitution 70 ), bei Ihnen uoch Blinde und Lahme 
geben, so schicken Sie solche nach Würzburg und Bamberg, wo ein junger 
geistlicher Prinz, Schillingsfürst, sie mit Erlaubniss der Obern kurirt. 71 ) 
Es gehört nur ein Glauben dazu, und wenn ein Blinder glaubt, dass er sähe, 
wie das täglich geschieht, so ist sich über ein solches Wunder gar nicht zu 
verwundern. Blieb es nur dabei — aber leider geschehen heut zu Tag ganz 
andere wunderlichere Wunder, hörende Leute werden taub, sehende blind, aus 
blosem Eigennutz, der teuflische Versucher bietet keine Länder mehr an, 
sondern will selber noch mehr haben, die heiligen 3 Könige kommen nicht, 
utn das Kindlein anzubeten, sondern wollen selber angebetet seyu, dem Herodes 
Gesetze vorschreiben und den Pontius Pilatus zum Censor und Com- 
missarius machen; auch werden die unschuldigen Kindlein nicht mehr um¬ 
gebracht, sondern stechen selber die vSchriftgelehrten und Pharisäer todt. 

Was halten Sie denn von den Griechen. 72 ) Ich leider nicht viel. Ein 
Erzbischof von Athen, ein Kloster auf dem Olymp, eine Maut Station 
bei Thermopylae — ein Mazedonischer Geheimer Rath, — ein Jonischer 
Lord und ein Syrakusaniseher K. K. Oestreichischer Kammerherr --- ist 
denn das Griechisch? — oder nicht vielmehr der Einband eines alten 
Griechischen Buchs für einen Eulenspiegel. Vielleicht empfehl ich mich damit 
bey Ihnen — bei Aspasia Louischen ev. sehr übel. Auf diesen Fall will 
ich Abbitte thun und Strafe leiden. Immer 

Ihr alter Freund und Verehrer 
Lan g. 

Ansbach 1. Juli 1826. 

Verehrteste Frau, 

Wir sind ja w r ohl zwei Sternlein am Himmel, die man nur die kurze 
Zeit neben eiuander stehen sieht, so oft eine neue Hammelburger Reise 
erscheint, davon Sie hier eine Spezies in natura sehen. Wie ich an dieser 
Himmelskugel heisse, ob grosser oder kleiner Hund, oder Schlange, weiss ich 
nicht; ich werde aber in wenig Wochen eine neue Irrbahn durchlaufen nach 
Würzburg, Aschaffenburg, Frankfurt, Kassel, Göttingen, zu diesen alten Pro¬ 
fessoren, die Sie so wenig lieben, und dann gar nach Hannover. — Sollten 
auch die climatischen Puncte aber nicht sehr lokend seyn, so thu ichs doch 
wegen des gelehrten Wallfisch-Fangs. 

Mathison 73 ) hat mich auf einem Lauf, im Vorbeifahreu besucht — 
und viel von Ihnen gesprochen, von Ihren Leiden und Freuden. 

Es ist uns die Ankunft des Königs, mit Befehl die höchsten Anstalten, 


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Ludwig Geiger 


iedoch ohne Kosten der Staatskassen zu treffen, kund gethan — aber nicht 
wo ? Dazu werden iezt provisorisch in allen und jeden Orten Lichter bestellt, 
die Uniformen ausgeklopft und Triumphsbogen in Vorrath gezimmert. Ich 
hatte mir vorgestellt, damit solls einmal ein Ende seyu, aber von dem was 
ich mir vorstelle, vermuthlich weil es nie das gescheuteste ist, geschieht immer- 
das Gegentheil. — 

Mir kommts vor, dieses Gepauk, Geschell, Illuminir- und Deklamir 
Wesen widersagt ganz dem deutschen Gemüth und Geist, dem das Reisen 
eines Joseph II. eines Friedrichs weit anders zugesagt. 

Sollten Sie iedoch auch zu denen gehören, die nicht meines Geschmaks 
sind; so kommen Sie gleichwohl unverzagt; es soll gerührt werden, was zu 
rühren ist 

Seine Heiligkeit in Rom haben den Bainberger Katechismus, nach dem 
schon seit 14 Jahren gelehrt wird, unter die verbotenen Bücher gesezt — 
daraus schliess ich, dass Allerhöchst dieselben im Begriff sind, lutherisch zu 
werden, und mit Seiner Königl. Majest. in Preussen die berühmte Lesung 
der symbolischen Bücher zu wiederholen. 

Der gute Schäzler 74 ) hat einmal ein schlechtes Geschäft gemacht, 
dass er gestorben ist. Hätte doch Eine der Anzeigen seines Todes den 
Schmerzensschrey unterdrükt, dass er ohne Orden verstorben.!! — Ein 
solcher Aberglauben au diese Art Staats-Amulette hätte ich ausser Israel nicht 
gesucht. — 

Aber was war das für ein gelehrter Schnupfen in München? — Yelin. 
— Spix — Reichenbach — Frauenhofer — Weiler 76 ) — Wenn ich 
noch in München wär, bät ich mir eine akademische Kontumaz Anstalt aus. — 

Gott erhalte Sie — und wenns ihm nicht zu sehr aus dem Weg liegt, 
auch mich. Ihren alten Freund und Verehrer 

Lang. 

Ansbach 14. April 1827. 

Verehrteste Freundin und Frau. 

Dank sey es dem Brief schreiben der alten Frau Herzogin von Orleans, 
durch welches ich zu einem Brieflein von Ihnen gekommen: Schade nur, dass 
ich wenig Erspriesliches für Ihren Clienten in Paris erwiedern kann. Die 
Briefe der alten Frau Herzogin 76 ) sind mir freilich schon seit langer Zeit in 
deutscher Sprache bekannt, und wahrscheinlich hat ihr derber Ton und 
Inhalt den erstaunten Franzosen Verdacht erregt, ob so etwas aus der Feder 
einer Fürstlichen Frau hätte fliessen können, und nicht vielmehr ein anti- 
bourbonischer Spuk der Liberalen sey? In München hab ich aber von 
Originalien derselben oder ähnlicher Briefe keine Spur gefunden. In München 
selbst könnten sie nicht wohl seyn, weil eine Erbschaft dieser Prinzessin, so- 
ferne eine hätte stattfinden können, nicht an die Bairische Linie in 
München, sondern an die Pfälzische in Heidelberg oder Manheim hätte 
fallen müssen. Das Archiv der Pfälzischen Linie in Neuburg, dessen Reper¬ 
torium ich ehtnals genau durchgangen, gaben mir darüber gleichfalls keinen 


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Bayerische Briefe. 89 


Wink; wie es denn überhaupt in der Natur der Sache liegt, dass Original 
Briefe nicht da, woher sie gekommen, sondern wohin sie gegangen, zu suchen 
sind. Das Reichs Archiv, dafür setze ich meinen Kopf zum Pfand, enthält 
davon nichts, gewiss Nichts. Sollte Ihr Freund demohnerachtet an einer 
glücklichen Durchfahrt in den Münchner Eisbergen nicht verzweifeln, so 
müsste er allenfalls seine Richtung an das Staatsarchiv, (ist wieder verschieden 
vom Reichsarchiv) unter Herrn Ministerial Rath v. Fink 77 ) nehmen, der jedoch, 
wie ich fürchte, wenig Interesse für diese Art Forschung beweisen wird; und 
dann stünde noch sehr dahin, ob der König eine solche Mittheilung an einen 
Franzosen erlauben wird? Im alleräussersten Fall könnte sich etwa auch an 
Herrn Consistorial Rath Heintze 78 ) in München gewendet werden, einen Mann 
der „von unnen heruf“ izt nach oben heruf versetzt worden ist, ein gewaltger 
Liebhaber aller Geschichts Raritäten von unnen heruf, der vielleicht noch ein 
und anderes anzugeben im Stand seyn könnte. 

Ihr Herr Cotta wäre mein Mann nicht — der kommt mir vor wie 
ein geadelter Jud. — Es ist mir interessant zu wissen, dass Ihr Herr Sohn 
die Geschichte studiert. Der Baum blüht nur gewöhnlich etwas spät, wenn 
man der Geschichte genug an sich selbst erfahren, die poetischen Hoffnungen 
und den eiteln Glauben an die Menschheit auf gegeben und den jammervollen 
Blick in die leere schwarze Tiefe gethan hat; wo man hernach die Wahl hat, 
in Companie des Teufels lieber noch darüber zu lachen als zu weinen. 

Ich lasse eben auf meinen Feldern einen hohen Thurm, oder vielmehr 
eine hölzerne hohe Warte, unten mit einem Häuschen bauen, um nicht wie 
Diogenes die Menschen mit der Laterne, sondern ä la Grui thuy sseu 79 ) 
mit dem Gukrohr zu suchen. Das verdiente doch von Ihnen in Augenschein 
genommen zu werden und sich mit mir zu freuen, wie ich die Sachen immer 
höher treibe. Eja! Thun Sie das. 

Also haben Sie doch das Renn- und Elendthier, das bei Ihnen in 
Augsburg angekommen ist, auch schon gesehen? Es hat grosse Lust nach 
den Augsburger Zürbelniissen bezeigt: ist im Grund ein dummes Thier, stosst 
aber gern. Das Weibleiu ist unschädlicher, aber kränklicht und einfältig. 
Haben Sie kein Eintritts Billet in die Menagerie erhalten, so kümmern Sie 
sich dessen nicht viel. Wie mag man solche Thiere füttern, und sich dann 
gar einbilden, dass man damit audern edeln Rossen, oder selbst auch nur 
Maulthiere, versehen? könne? — 

Leben Sie wohl, verehrteste Frau, und geniessen das bischen Leben, 
das uns noch übrig ist, und daran wir wenigstens die schulgerechten 5. Auf¬ 
züge vollendet haben, nun in lustiger Anschauung der als Nachspiel darinn 
gegebenen Hanswurstiaden. Haben wir uns dann genug ergözt, so bietet 
Ihnen zum Heimgehn den Arm 

Ihr alter Freund und Verehrer 
Lang. 


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Ludwig Geiger 


Ansbach 28. Juli 1828. 

Verehrteste Frau. 

Wo Sie izt auch wandeln mögen, vielleicht in Baireuth, Stuttgardt u. s. w, 
mein kleines klaffendes und bissiges Hammelburger Hundlein, nun bereits 
das neunte Nesthökchen, soll Sie aufsuchen und mit den Pfötchen an Ihrer 
Thur kratzen. 

Wie leben Sie denn, verehrteste Frau, und haben Sie denn noch einen 
Antheil, und welchen, an dem Morgenblatt? Fast hätt ich Sie im vorigen 
Winter aufgesucht, da ich etliche Monate als aufgebotener Hof Publizist gegen 
Baden in der Residenz, Gott weis, wie ungern, verweilen musste, wenn mir 
nicht die Rüge und Gegenwart des Tropfen, des Drechsels, angeekelt 
hätte. Nun sind Sie dieses Pinsels und heimtückischen Kerls, und Pseudo- 
Liberalen, Gott sey dafür, los. Am Wallerstein haben Sie einen wahrhaft 
genialen vielseitig gebildeten, schönen, stattlichen Mann, für eins, einen ganz 
zerfezten Haushälter, Schmeichler, Plauderer, und lauernden Stachelmann auf 
der andern Seite. Seine Frau, ohne schöne Bildung, ist brav, verständig klug- 
gewandt in ihrer Lage, und möchte die Haushaltung wahren. Sehen Sie, das 
ist der Sohn meines ehemaligen Landesherrn, damit Sie doch an uns die guten, 
die ehrlichen Schwaben erkennen lernen. 

Ich hab unterdessen auf meinem Wasen eine Menge neuer Maulwurf - 
hiigel aufgepflanzt — ein neues Wirthshaus mit einem amphitheatralischen 
Keller, einen hohen Thurm; nun solls an einen Bauernhof gehen, — und 
dann? — und dann? — Dann wollen wir uns ein schönes Grab ausliölen 
unter einem Nussbaum. 

Mad. Liebeski 11 d auf der Reise nach Wiesbaden soll das Unglück 
gehabt haben, durch einen Wagensturz das Bein zu brechen und liegt izt in 
Darmstadt, hinter der Bairischen Zoll Linie. Soll einem da nicht die Lust 
zum Reisen vergehen? Ich hab die Exemplarien in meiner Narrensammlung 
beisammen und fühle seither wenig Lust mehr dazu. 

Hätten aber Sie Lust, mich mit Ihrem Microscop noch etwas näher 
zu beschauen, so thäten Sie wohl, sich wieder einmal hieher zu begeben, 
ich meine nicht vorbeizufahren; in meinem Garten bin ich izt täglich 
zu fangen. 

Auf alle Fälle freut es mich, nachdem ich Sie mit einem Schriftlein 
begrüsst, dass Sie mir doch auch wieder einen kleinen Donner entgegen 
schicken müssen. Ich will fleissig lauschen und zählen, wie viel? — 

Haben Sie denn auch noch Leute bei sich, an die man einen Gruss 
mit beipaketi kann? Zur Vorsorge und auf Risico leg ich eine Parthie hier bei. 

Da aber meine Wünsche nirgend eintreffen, vom Tajo an, bis ans 
schwarze Meer (was diesen Punkt betrifft, so bin ich aus Osmanien, weil für 
diese nicht gesammelt wird, ein Türk); so will ich mich wohl für alle Wünschen 
hüten, die hernach gerade nicht eintreffen würden. 

Wie man aber einen Brief ohne Wünsche enden kann, das sag mir einer! 

Geben wir Uns also schweigend die Hand, wir verstehen uns doch! 

Laug. 


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Bayerische Briefe. 


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Anhang I. 

Als Anhang zu oben (S. 70 ff.) mag folgender Brief Hch. Zschokkes an 
Lang folgen, den ich der Güte des Herrn Oberstleutnant Honig in München 
verdanke. Bei der Gelegenheit sei erwähnt, dass ich mir viele, aber bisher 
stets vergebliche Mühe gegeben habe, den Verbleib des Lang sehen Nach¬ 
lasses, der ehemals im Künze Ischen Besitze gewesen ist, festzustellen. Et¬ 
waige Mitteilungen, die mich auf die richtige Spur leiten und mir die Be¬ 
nutzung oder den Erwerb dieser Papiere ermöglichen, würde ich mit grossem 
Dank entgegennehmen. Der Brief bezieht sich auf das schon erwähnte Werk 
L an gs, Geschichte der Jesuiten in Baiern, Nürnberg 1819, ein, wie Fz. Muncker 
urteilt, stofflich wertvolles, parteilos und sachlich gehaltenes Buch. Der 
Verfasser wollte nur durch den Stoff wirken und verzichtete auf Urteil und 
kunstvolle Darstellung. Hch. Zschokke (1771 — 1848), der Romanschriftsteller, 
Populartheologe, hatte um so mehr Veranlassung, sich über das Buch zu 
äussern, als er selbst die antijesuitische Stellung Längs billigte und vor¬ 
nehmlich bayerische Geschichten 6 Bücher 1813—18 geschrieben und dadurch 
den Zorn katholischer Theologen hervorgerufen hatte (Gödeke a. A. III, 671). 
— Der in dem Briefe erwähnte Bücher, Ant. ist gest. 8. Jan. 1817. Nach 
seinem Tode gab J. v. Kl es sing seine sämtlichen Werke (München 1819) 
heraus, davon der erste Band: „Die Jesuiten in Bayern vor und nach ihrer 
Aufhebung“ enthielt. 

Zschokke an Herrn Ritter von Lang. 

Aarau 29. Heuni. 1819. 

Ihre Jesuiten kamen zu mir, mein hochachtungswürdiger Freund, als 
ich im Begriff war, mit meinen beiden ältern Knaben eine Reise durch die 
vaterländischen Alpen zu machen. Aber durchlesen ward das ganze Buch 
noch vor dem Aufbruch. Die Erscheinung ward mir so imposant, dass sie 
mich über die rhätischen Alpen bis zu den borromäischen Inseln und von 
da über den verwitternden Gipfel des St Gotthard heim, begleiten musste. 
Ich hatte beschlossen, Ihnen meinen Dank, meine Freude, meinen Beifall von 
einer jener Alpenhöhen zu schreiben, aber nicht berechnet, dass müde Füsse 
auch müden Kopf machen. — Bei der Heimkunft vorgestern fand ich nun 
auch Ihr Probeheft des Conversationslexicous von Hammelburg, aus dem ich 
in der That schon mehr als aus dem dickbändigen Leipziger Neues gelernt habe. 

Sie sind von Natur, von Haus und Wiege aus, ein gediegener Oppo¬ 
sitionsmann, nicht wie einer aus der gemeinen Oppositionsmenge, zu der auch 
ich nur gehöre, die sich aus Liebe zum gesunden Menschenverstand den be¬ 
kannten menschlichen Thorheiteu widersezt. Sondern Sie gehören zu der 
kleinen Zahl der Führer, deren schärferer Blik mehr entdekt, als der unsrige 
und selbst die vermeinten Lichtmäuner au die Flekkeu ihrer augebeteten 
Sonne mahnt. 

Ihre Geschichte giebt mir eine neue, grössere Ansicht des merkwürdigen 
Ordens. Aus der Vegetation eines Zweiges haben Sie mir das Leben des 


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Iyiulwig Geiger 


Ganzen hell gemacht. Besonders Ihre Darstellung des ursprünglichen Zwecks, 
wie Sie ihn, — kein andrer zuvor so bestimmt und überhaupt nicht — aus 
den ersten Mitteln erkannten und mit den auffallendsten dictis probant. be¬ 
währten, wird die unvergänglichste Idee Ihres Werkes bleiben und in alle 
künftige Geschichten des Ordens übergehen müssen. 

Diejenigen welche von Ihrem Werke mehr Satyre, als Geschichte, er¬ 
warteten, wussten wohl nicht, worin Würde und Macht der Historie beruhe. 
Das wird Sie nicht irren; so wenig als wenn binnen Jahr und Tag ein 
furioser Anti-Dang erscheint, um Sie mit dem Mühlstein am Hals von 
Passau nach Ulm schwimmen zu lassen, oder wenn Hormayr gegen Sie 
österreichert. (Was er in der Wiener Litt. Zeit, gegen mich geschrieben, hab’ 
ich noch nicht gelesen, belehrend wird es aber in jedem Fall sein.) 

Nur eins bitt’ ich Sie. Ihre Geschichte wird früher oder später, gewis 
immer, eine neue Ausgabe erleben; — dann weniger Selbstverleugnung! 

— Ihre Thatsaehen stehen fest und ruhig, wie Felsen da; das ist sicher. 
Aber in der Mitte Ihres Werks stehn sie kalt und ohne alle Vegetation da, weil 
Ihr Geist sie nicht anleuchtet. Und grade ein einziger Gedanke aus dem 
Schatz Ihrer Weltkenntnis und Erfahrung ist mehr werth, als ein ganzes Re¬ 
gister von Zuwachs der jesuitischen kleinen Besitzungen mit allen Details. 
Ich weiss wohl, unsre Kritiker machen es dem Geschichtschreiber zur schweren 
Sünde, wenn er sich Reflexionen über das Geschehene erlaubt, und Sie scheinen 
mir selbst viel zu viel Ehrfurcht für dies erschlichne Gesez zu haben, und daher 
mit aller Verläugnung Ihres herrlichen Selbstes sich zu begnügen, die dürren 
Thatsaehen an einander zu reihen. Das soll nicht sein. Eben Sie sollen es 
nicht! Man führe uns nicht den marmorkalten Thucydides zum Vorbild 
auf. Er wikkelte seine Gedanken nur in die Reden seiner Helden künstlich 
ein. Und was gehn einen Geist wie den Ihrigen, Autoritäten an? Sie sind 
selbstständig. Ihr Werk würde, weit über die Linie von Süddeutschland 
hinaus zahlreichere Leser finden, d. i. noch mächtiger auf Lebende und 
Künftige ein wirken. Und das ist doch jedes Schöpfers Zweck bei seinem Werk. 

Ober Ihren Hammelburger Satyr sag ich Ihnen kein Wort als: Ich 
habe gelacht und gelernt. Ich mögte wie der Kardinal zum Ariost sagen: 
Wo, Teufels, nehmen Sie auch alle die Einfälle her? Ihr Reichstag mag sich 
am Artikel „Hypotheken-Ordnung“ halten, ich muss mich an Nr. 5 des Artikels 
„Lüge“ halten; wir haben allsamt daran genug zu kauen und zu verdauen. 
Ihre Hammelburgiaden laufen in Aarau umher; ich habe noch die ersten Hefte 
nicht wieder. Mit dem Conversationslexicon bereit ich meinen Freunden ein 
neues Fest. Vergessen Sie nur nicht Ihre Verlieissung, die Sie gleich auf 
der ersten Seite gegeben haben, der Welt die vom Reichstag verworfnen 
Hammelburger Gravamina vorzulegen; ohne Zweifel haben die guten Leute 
ein neues Kloster, wo nicht eine Abtei, — Confiscation aller Druckerpressen 

— Repräsentation des Landes durch Prälaten und Ritter — stärkeres Militair 
und mehr Garnison — ein Stück Leibeigenschaft aus der alten, guten Zeit — 
Proscription der Geschichtsrevoluzer — Erlaubnis sich mit Haus und Hof, 
Magd und Vieh dem heil. Ignatz oder Benedikt zu übergeben — u. dgl. m. verlangt- 


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Bayerische Briefe. 


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Werden Sie nicht müde. Sie wiegen eine Akademie auf. War’ ich 
Ihnen nur halb so werth und lieb, als Sie sind Ihrem 

Zschokke. 

Buchers Gesch. der Jesuiten hat mich weniger erbaut, als ich erwartete. 
Hat Ihr obscurer Präsident neue Bolzen gegen Sie gedrechselt? Sie 
können wahrlich dazu lachen, da Sie nun schon Mann der öffentlichen Meinung 
geworden sind. 


Anhang II. 

Therese Huber an Ritter v. Lang. 

Der Nachlass Längs ist mir, wie oben S. 91 erwähnt, nicht zu¬ 
gänglich gewesen. Doch kann ich noch ein anderes, jedenfalls aus diesem 
Nachlasse stammendes Stück hier mitteileu, dessen Besitz ich der^Freundschaft 
von K. E. Franzos verdanke. — Zum Verständnis des Briefes braucht nur 
daran erinnert zu werden, dass Therese von Augsburg, wo sie seit 1824 
lebte — in einer Art von Verbannung, die Cotta ihr bereitet hatte, vielleicht 
mit der geheimen Absicht, sie vom „Morgenblatt“ zu entfernen, das sie bisher 
geleitet hatte — und wo sie den Umgang mit ihrer zweiten Tochter Claire, 
geb. Förster, seit 1805 verheiratet mit dem Forstmeister v. Greyerz genoss 
mehrfach ihre dritte Tochter Luise v. Herder geb. Huber (vgl. oben S. 68) in 
Bayreuth besuchte. Dort lebte bekanntlich auch Jean Paul, sodass seine Er¬ 
wähnung an dieser Stelle nahe lag, zumal er auch zu den Besuchern des Herder¬ 
schen Hauses gehörte. — Mit einem Worte sei noch daran erinnert, dass Lady 
Craven, die manchen als Urbild der Lady Milford in „Kabale und Liebe“ 
gilt, ihre Memoiren englisch in 2 Bänden (London 1825) herausgegeben hatte; 
sie erschienen in demselben Jahre zu Stuttgart in deutscher Uebersetzung. — 

Bayreuth, 25. 7. 26. 

Werther Herr, darin sind wir vor zwei Jahren übereingekommen, dass 
Anspach nicht auf dem Weg von Augsburg nach Bayreuth liegt, und es also, 
wenn ich hierher reiss ohne Sie zu besuchen nicht meine Schuld, sondern 
mein Leidwesen ist. Nun bin ich aber seit fast zwei Monaten hier und habe 
nicht nur hundert mal an Sie gedacht, sondern Ihnen immer schreiben wollen, 
und habe Sie gelesen — prächtig! im Grünen, in der Eremitage, wo man 
vollen Raum hatte zu lachen, und auf die Diskretion der Umstehenden, 
d. h. der alten Linden und Birken, rechnen kann denn diese haben da an 
ihrer Stelle schon von mancher Albernheit gehört, und rauschten gewiss 
beim Anhören des Hammelburgers immer die Bemerkungen uns zu: So war’s 
von je, so war’s von je! — Aber Glück wünsche ich Ihnen und uns wegen 
der Frische Ihrer Laune, und der Herrschaft, die Sie über Ihren reichen 
Witz haben, grade nur immer das Rechte, nur immer genug zu sagen. Es 
las uns Jemand vor, der Jean Pauls Witz bewundert, und nun auch den 
Hammelburger, und ich gestehe, ich musste ihn fragen: Sagt mir Herr, wie 
könnt ihr das beides? 

Meine Tochter Greyerz schreibt mir von Augsburg, es sei ein kleines 


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Ludwig Geiger 


Päckchen an mich angelangt, das scheine von Geh. Lang zu sein*) Da 
denke ich nun es ist dieses letzte exellente Heft Hammelburg. Also bis ich 
nach Hause komme sage ich nichts, aber dann, mein werther Herr, danke 
ich, oder bettle, - — wir wollen sehen welches. Bis dahin danke ich aber 
doch für den Genuss des Geistes den Sie mir gaben, und für jeden blauen 
Fleck den Ihre Geissei etwa den right houuorabl mens anbringt. 

Das war also die eine Beschäftigung mit Ihnen, werther Herr — die 
andre aber betrifft eine Anklage auf Strang und Schwerd und eine Zumuthung 
an Sie dass Sie sollen das Wehe schrein — nicht über Adelheide von 
Weisslingen, aber eine ähnliche und noch schlimmer verrufene Weibsperson, 
Hexe und Sünderin die Lady Craven auch Markgräfin von Anspach, wegen 
ihrer impertinenten Mefmoirjen und über deren ehrvergessenen Rezensenten 
in dem Ehrbaaren Litt. Bltt. des Wochnbltts., welches diese Mein, lobt und 
diese Frau J>reisst. Sie kennen die Verhältnisse der sauberen Lady in 
Anspach, was sie war und wirkte, und obschon wie ich glaube nicht mehr 
Augenzeuge, müssten Ihnen eine Menge ihr persönliche Notizen Ihnen zu 
Gebot stehen. — Nun wünschte ich vom ersten Moment, wo ich dieses Mem. 
Geschmier las, Sie möchten Ihre Geissei über dieselben schwingen; aber seit 
ich jene Rezension las, wünsche ichs noch viel mehr und bitte Sie gewaltig 
sehr: schenken Sie dem Gegenstand eine Stunde, und züchtigen Sie das 
Weib, den Rezensenten und das schaafzahme Publ. das solches Futter frisst! 
Brock haus leckt alle zehn Finger für so einen Aufsatz! Und das ist so 
hübsch, dass man ä propos der Materie links und rechts hauen kann, und 
immer trifft. — Nun bester Geheimrat, thun Sie das! hätte ich Notizen so 
würde ich etwas sehr mittelmässiges sagen — Sie haben jedes Mittel, und 
können etwas Vortreffliches, heilsames sagen — bitte! bitte! 

Mitte Augusts bin ich wieder zu Hause. Ich wollte ich könnte über 
Anspach gehen — aber unser eins muss immer den kürzesten Weg machen. 
Ich fragte vielerlei Leute nach Ihnen, und hörte zu meiner herzlichen Freude 
dass Sie wohl sind. Luise griisst sie noch wie vor 12 Jahren, herzlich und 
voll Achtung! Luise ist ein engelliebes, verdienstvolles Weib. Leben Sie 
wohl! Unverändert und mit lebhafter Verehrung 

Therese Huber. 

*) Wohl in Begleitung des oben (S. 87) abgedruckten Briefes vom 1. Juli 1826. 


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Quellennachweise, 


i ) VgL über ihn Muncker, Allg. D. Biogr. XVII., 606—613, und einen sehr scharfen 
den „Memoiren“ gewidmeten Artikel Heigels, einen Vortrag, der aus der Allgemeinen 
Zeitung 14/15. Mai 1S78 in Heigels Buch „Aus drei Jahrhunderten, Vorträge aus der neue¬ 
sten deutschen Geschichte“, Wien 1881, S. 214—233, übergegangen ist. — Ich bin Herrn 
Professor Dr. von Heigel für die Übersendung seines Buches zu bestem Danke ver¬ 
pflichtet. Seitdem habe ich es selbst erworben. — Über Therese Huber (1764—1829) 
s. u. a. Forschungen V, 15. 

2) Bei Meusel finde ich unter Tangs Schriften (oder Editionen) nur folgende 
lateinische verzeichnet: R. P. Jacobi Marelli, L. I. amores. München 1875. Auch 
die k. b. Hof- u. Staatsbibliothek zu München weist ausser den Regesta sive rerum boi- 
carum autographa (Mch. 1822 ff.) nichts auf. 

3) Abraham Gotthelf Kästner (1719— 1800. A. D. B. XV, 439), der bekannte 
Mathematiker und Dichter in Göttingen, den als Kollegen ihres Vaters Th. schon als 
ihren Lehrer bezeichnen konnte. 

4) Der bekannte Nekrologist (1765—1822), einer der 1807 nach München berufenen 
Norddeutschen, der aber bis zu seinem Tode in der bayerischen Hauptstadt lebte, in hoch¬ 
angesehener Stellung und in vielfältiger Beschäftigung (Forschungen V, 34. A. 27). 

5) So steht im Text. Gemeint ist aber wohl, dann müsste Th. spottweise den 
Namen verwandelt haben, H. K. A. B. H an lein, gest. 16. März 1829, seit 1808 Ober¬ 
schulrat zu München. 

6) Bayard Joseph du Terraill, Direktor des Generalkommissariats des 
Rezatkreises. 

7) Die „Allem an ia.“ Für Recht und Wahrheit (geleitet von J. Clir. A. M. v. 
Aretin (vgl. Forschungen V, 31. A. 7) und Hörmann) erschien neunzehn Monate lang 
in 40 Heften oder 7 Bänden (I—V, 1815; V—VII. 1816) und schloss am 15. Aug. 1816 
mit der Ankündigung einer neuen Allemania, die „weniger polemisirend als vermittelnd 
seyn“ sollte, ob sie auch „politische Verkezerungen und Autodafe’s“ nicht beirren würden. 
Die „Neue Allemania“ begann im September 1816 und brachte es auf einen Band 
von 304 Seiten und ein Heft zum zweiten Band (112 S.), um im Dezember 1816 zu schliessen. 
Die Zeitschrift, welche eine stattliche Reihe historisch politischer Aufsätze brachte, wurde 
in ihrer ersten Gestalt zu München im Komptoir der Nationalzeitung, die „Neue 
Allemania“ in Sulzbach bei Seydel verkauft. Die Schrift „Die Familie Aretin“ (Alten¬ 
burg 1825) sagt (S. 48 No. 38) von der Allemania: „Die meisten Aufsätze in dieser Zeit¬ 
schrift sind von seiner (Aretins) Feder. Der Zweck derselben war, dem damals zur Mode 
gewordenen Schimpfen gegen Baieni (im rheinischen Mercur, deutschen Blättern etc.), 
sowie den von Arndt und anderen verkündeten Grundsätzen über Teutschheit u. d. m. 
Schranken zu setzen. 

8) Günzburg, die oben S. 68*) genannte bayerische Stadt (Schwaben), in der 
Therese seit 1805 mit ihrem Schwiegersohn von Greyerz und dessen Kamilie lebte 
(Forschungen V, 15). 

9) Keller gehörte zu Th eres e n s Freundeskreis. Sie hoffte, dass er auf seiner 
Romreise die Möglichkeit der Scheidung Louisens (diese war, wie ihr Vater, katholisch) 
durchsetzen werde. Weder, wie es scheint, Georg Viktor K., noch Joh. Bapt K. (A. D. B. 
18, 579 » 582), beide hervorragende katholische Theologen jener Zeit. 

10) Napoleon kam am 16. Okt. 1815 nach St. Helena, erst am 15. Juli hatte er 
sich auf das Schiff Bellerophon begeben, wo er den Befehl der Mächte erhielt, nach 
jener Insel zu gehen. 


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Ludwig Geiger 


n) Wiebeking Karl Friedr. von, geb. 1762 in Pommern, gest. 1842 in München, 
wohin er (1805) von Wien gerufen wurde (Poggendorff, Biogr. litt. Handwörterbuch 
zur Geschichte der exakten Wissenschaften 1863 II, 1316), noch 1819 kgl. geh. Rat, Aka¬ 
demiker, Konservator am polytechnischen Kabinett; er war ein überaus thätiger Schrift¬ 
steller auf dem Gebiete des Staats-Wasser- und Strassenbaus. Auch die Allemania (s. 
A. 7) beschäftigt sich (VII, 66 ff.) eingehend mit seinen Arbeiten. 

12) Frau Dorothea Margaretha von Liebeskind (vgl. oben S. 74) gehört 
zu den Intimen Theresens. Sie selbst eine Tochter des Göttinger Professors Wede- 
kind, geb. 22. Febr. 1765, also wenige Monate jünger als Therese, (gest.?) zuerst mit dem 
Musikdirektor Forkel verheiratet, von diesem, der bis 1818 lebte, getrennt, seit 1794 mit 
I. H. Liebeskind in Königsberg, dann in Ansbach, seit 1808 in München, verheiratet, 
einem hervorragenden Juristen und Verwaltungsbeamten. Früher war sie in die Mainzer 
Revolutionsaffäre verwickelt gewesen (sie lebte dort wohl bei ihrem Bruder vgl. A. D. B. 
42, 396 f.) Goedeke V, 475 zitiert nur eine Erzählung von ihr aus dem J. 1784. Sie war 
auch mit Caroline befreundet, vgl. bei Waitz, Caroline II, 262 ff., sehr merkwürdige Briefe Cs. 

13) Adelsbuch des Königreichs Bayern. München 1815. — Über dies Buch, die 
Zscliokkesche Geschichte und einzelne andere Arbeiten, speziell den Plan Längs zu 
seinen Memoiren berichtete Lang in 3 merkwürdigen Briefen an Woltmann (1815—17), die 
dessen Gattin Karoline in den deutschen Briefen 1834 veröffentlichte. 

14) Schlichtegroll, vgl. oben S. 95 A. 3, hatte 1791 den Nekrolog der Deutschen 
begonnen; Brockhaus liess seit 1816, gewiss unter der Redaktion von Koetlie, die „Zeit¬ 
genossen“ erscheinen, zu denen ihm Schlichtegrolls Werk teilweise den Anlass gegeben 
hatte. Der Hauptunterschied war, dass in den Zeitgenossen auch Lebende selbst zu Wort 
kamen, oder von anderen geschildert wurden. Das Werk erschien bis 1841 und brachte 
manche bedeutsame, Aufsehen erregende Artikel. Dass Schl, über das Erscheinen des 
neuen Unternehmens ärgerlich war, ist wenig wahrscheinlich, da er schon 1806 das seinige 
aufgegeben hatte. Vgl. Ed, Brock haus, F. A. Brockhaus, Lpz. 1876 II. S. 202 f. 

15) Göttingen war Lang wert wegen seines Aufenthalts das. 1792, wo sich die 
Beziehung mit Hardenberg aufthat und dadurch die günstige Wendung seines Schick¬ 
sals ein trat. 

16) Richtig: Böttiger. Gemeint ist K. A. B. (Forschungen V. 2) der Archäologe 
und Journalist. Er stand mit Therese seit 1805 bis zu ihrem Tode 1829 in sehr intimem 
Briefwechsel. Von den Briefen Theresens sind einzelne aus dem Jahre 1812 über ihre 
Jugend und ihre Familien Verhältnisse in dem Aufsatze „Aus Therese Hubers Herzensleben“ 
(Westermanns Monatshefte 1897) benutzt; die übrigen, litterarisch und menschlich sehr 
interessant, sollen in grösserem Zusammenhang verwertet werden. — Die Charakteristik 
Bs. ist einseitig, zeichnet aber die eine schwache Seite seines Charakters sehr gut. — 
Ganz lustig ist auch die Stelle Längs in den „Hammelburger Reisen“ (Neudruck S. 25) 
über B., „Die Dienstfertigkeit und Emsigkeit des wackeren Hofraths geht über alle Be¬ 
griffe und man sieht ihm ordentlich au, wie leid es ihm thue, dass seine Statuen zu ihrer 
übrigen Schönheit nicht auch noch lebendig seien, damit er dieser vornehmen Gesellschaft 
auch mündlich seine Verehrung versichern und gelegentlich mit einer oder der andern 
eine Sommerreise in die Heimat machen könnte.“ 

j7) Heeren, ebenso wie der unten genannte Reuss ein Schwager T h e resens 
doch stand, ihr Frau Heeren unendlich viel näher als die andere Schwester. H. A. L. H., 
auch Biograph seines Schwiegervaters Heyne, als Historiker, Schriftsteller und Lehrer, 
zu seiner Zeit hochberühmt (1760—1842). Seit 1779 lebte er in Göttingen, wurde 1784 
Dozent, 1787 ausserordentlicher, 1794 ordentlicher Professor ohne bestimmtes Fach, 1801 
Lehrer der Geschichte. Seine Stellung in G. war, namentlich nach dem Tode seines 
Schwiegervaters, ausserordentlich einflussreich. 

18) Gustav Hugo, geb. 1764, berühmter Jurist, Stifter der sog. historischen 
Rechtsschule, studierte in Göttingen 1782—85, wo er durch Spittler bes. angeregt und 
gefesselt, seit 1788 ausserordentl., seit 1792 ordentl. Prof, der Rechte, gest. 1844. Auch er 


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Bayerische Briefe. 97 


gehörte* fast seine ganze Lebenszeit Göttingen an. Er war weniger als Schriftsteller (fast 
nur Kompendien seiner Vorlesungen, die freilich mit der Zeit sehr ausführlich wurden, 
sind von ihm erschienen) denn als Forscher und Lehrer thätig. Für Göttingen war er Jahr¬ 
zehnte lang eine Hauptstütze und grosse Zierde. 

19) Gottl. Jak. Planck, protestantischer Theologe und Kirchenhistoriker (1751 bis 
1833). Auch er gehörte den grössten Teil seines Lebens, von 1784, Göttingen an, zuerst 
als dritter Ordinarius, seit 1796 als Primarius und entwickelte dort eine ungemein geschätzte 
Thätigkeit. Von seinen grösseren wissenschaftlichen Werken wurden die „Geschichte des 
protestantischen Lehrbegriffs“ und die „Geschichte der Kirchen Verfassung“ besonders berühmt. 

20) Über die damaligen Studentenverhältnisse in Göttingen, bes. die Unruhen (1818), 
die gerade durch dieses Vorwiegen des militärischen Elements mit veranlasst wurden, vgl. 
Elvers, V. A. Huber (unten A. 22) I, 125 f. 

21) G. Arm. Heise, 1778-1851, verdient Längs Charakteristik höchstens dadurch, 
dass er wenig und in der zweiten Göttinger Zeit gar nichts schrieb. Sein Ruf als Lehrer 
war ausserordentlich. Nachdem er schon 1803—5 in Göttingen gelehrt hatte, wurde er 
1814 wiederum dorthin berufen, blieb aber, des unwissenschaftlichen Charakters der Stu¬ 
dierenden wegen, nur bis 1818, seit 1820 w r ar er in hervorragendster richterlicher Stellung 
thätig. — Ein kleiner Spott gegen Heise auch in der Hammelb. Reise (Neudr.) S. 32. 

22) Victor Aime Huber, 1800—1869, Sohn Theresens, seit 1816 Stud. der 
Medizin in Göttin gen. 

23) Jer. Dav. Reuss, vgl. A. 17, 1750—1837, Philologe, seit 1782 bez. 1785 Prof, 
der Gelehrtengeschichte in Göttingen, seit 1815 Oberbibliothekar, an geistiger Bedeutung 
mit der keines der Genannten irgendwie zu vergleichen. (Allg. D. Biogr. XIII, 249) 

24) Gemeint ist ebenso wie unten das „Morgenblatt für gebildete Leser“, dessen 
Redakteurin Therese seit 1816 war. Ob dieser Beitrag — was gemeint ist, ist nicht 
klar — ins M.-Bl. aufgenommen ist, konnte ich nicht feststellen. 

25) Sicher wurde, wie aus dem Anfang des nächsten Briefes hervorgeht, dieses 
Stück nicht in das M.-Bl. aufgenommen. Es handelt sich um die s. g. „Hannnelburger 
Reise“, die stückweise in „9 Fahrten“ 1817 und 1818 erschienen, die erste u. d. T. „Merk¬ 
würdige Reise durch Erlangen, Dresden, Cassel und Fulda nach Hammelburg“. Neudruck, 
München o. J. [1882], die Stelle über Bajazeth das. S. 16, Tlieses in Coburg S. 17 f. 

26) Vgl. Anmerkung 25. 

27) Der ganze Brief, der im einzelnen nicht kommentiert werden kann, bezieht sich 
auf die neue bayerische Verfassung vom 25. Mai 1818. Die beiden Punkte, auf die Lang 
besonders eingeht, geistliche und Adelsverhältnisse, waren durch das Konkordat vom 
5. Juni 1817, das im Anschluss an die Verfassung publiziert wurde, und durch ein Adels¬ 
edikt geregelt. Der neueste Historiker (Stern, Geschichte Europas I, 379 ff.) bemerkt, 
dass unter dem Eindruck der Verf. der Tadel schwieg. In welchem „Merkur“ wurden 
Längs Bemerkungen niedergelegt? Der „teutsche“ und „neue teutsche“ waren längst zu 
gründe gegangen, aber auch Görres’ „rheinischer“ hatte am 10. Jan. 1816 zu erscheinen 
aufgehört. Die Versuche Mongelas’, die Zeitschrift in Bayern wieder zu beleben (Galland, 
Görres S. 205) hätten ihn gerade zur Aufnahme solcher verfassungsfeindlicher Äusserungen 
nicht geeignet gemacht. 

28) Frau Zenker wohl die Frau des Ministers; J. K. S. Kiefhaber, 1762—1837, 
seit 1812 Adjunkt am Reichsarchiv in München, 1818 wirklicher Rat Er war Historiker, 
als Schriftsteller vielfach thätig, 1826 Honorarprofessor der hist. Hilfswissenschaften und 
der Diplomatik an der Münchener Universität. 

29) Gemeint ist W. A. Frhr. v. Kreittmayr, 1705—1790, der Begründer einer 
neuen bayerischen Gesetzgebung, der Verfasser des Strafkodex, der Gerichtsordnung, des 
Landrechts, die 1751, 53, 56 publiziert wurden. Gemeint sind in der Hammelburger 
Reise die Stellen (neue Ausg.) S. 162 f. 

30) Offenbar J. A. Graf von Törring 1753—1826; 1807 Staatsminister und Prä¬ 
sident des Staatsrats. Die ihm gewidmeten biogr. Artikel beschäftigen sich mehr mit den 
dichterischen Arbeiten seiner Jugendzeit, als den politischen Schriften seines Alters. 

Bayer. Forschungen, VII. 2. 7 


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Ludwig Geiger 


31) Ein zu München gegen Ludwig U h la n d s „Ludwig der Bayer“ u. a. 
preisgekröntes Stück, das 1819 bei J. J. Lentner in München (Heimeran. Ein Trauer¬ 
spiel in 5 Aufzügen. 191 S.) erschien. Dem Stücke ist „Das Heiligthum, ein Vorspiel, 
verfertigt für die Eröffnung des neuen Theaters in München am Nahraenstag Sr. Majestät 
des Königs“ (12. Oktober) beigedruckt (26 S.\ das mit der Tragödie in keinem Zusammen¬ 
hang steht. Der Verfasser Dr. Andreas Erhard (geh. 1790 zu Botzen, gest 1846 zu 
München, vgl. Allg. D. Biogr. VI, 196; Prantl, Gesch. der Univ. II, 534) war übrigens 
kein Priester. Er hatte das Klerikalseminar verlassen, Philologie studiert und war seit 
1837 Professor der Moralphilosophie an der Universität München. Einige Stellen seiner 
Vorrede (An meine Freunde z. B. VII) gedenken wohl seiner früheren theologischen 
Studien. Kehrein (Biogr. litt. Lexikon I, 90) tadelt mit Recht am „Heimeran“ die ge¬ 
häuften und gedehnten Monologe. (Vgl. auch Goedeke, Grundriss III, 866. No. 51 1.) 
Aus dem Jahre 1831 stammt eine weitere Tragödie Erhards „Wallace“ (Stuttg.). 

32) Bei der grossen Verbreitung des Namens Späth in Bayern kämen mehrere 
Persönlichkeiten (wie z. B. der Hofpriester Balthasar Sp„ Mai 1818) in betracht. Wenn 
es der vielseitig thätige b. Hofrat Johann Leonhard Sp. (1759 — 1842 Poggendorff, 
Biogr. litter. Handwörterbuch zur Gesch. d. exakt. Wissensch. 1863. II, 966; Prantl, 
Univ.-Gesch. II, 533) war, der seit der Aufhebung der Universität Altdorf (1809) in 
München am Lyzeum und seit 1826 an der Universität wirkte, so ist es überraschend, 
dass seine gesprächige Selbstbiographie (kurze Darstellung des sechzigjährigen Wirkens 
des k. b. Hofrats J. L. Sp., München, bei Georg Franz 1838. 27 S.) nicht erwähnt, dass 
er auch als Preisrichter bei der Hoftheaterintendanz tliätig war. 

33) Seb. Günthner, 1773 — 1820, Priester, bayr. Historiker, Verf. eines Werkes: 
Was hat Bayern für Wissenschaft und Kunst getlian. Er war wiederholt gegen Längs 
Bekämpfung der Mon. boica aufgetreten. 

34) Lor. v. Westenrieder, 1748-1829, Verf. der Gesch. d. bayer. Akademie. 

35) W\ war auch der Biograph Zirngibls, 1740—1816, eines kath. Geistlichen 
und bayerischen Historikers, der 1814 mit Lang zusammen eine geschichtliche Unter¬ 
suchung veröffentlicht hatte. 

36) Balde, bekannter Jesuit (1603—1668), deutscher, namentlich lateinischer Dichter, 
dessen Dichtungen durch H erders Verdeutschungen bekannt und vielfach eingeführt wurden. 

37) Welcher? Die verschiedenen bei Goedeke II, III (n. Ausg.J auch in der A. D. B. 
genannten Dichter dieses Namens können nicht gemeint sein. 

38) Nürnberg 1819. Vgl. oben Anhang I. 

39) Plinius schreibt einmal an Tacitus, dass er apros tres et quidem pulcher- 
rimos gefangen habe. 

40) B. M. L. v. Werkmeister, 1745—1823, katholischer Theologe, in Württemberg 
in hoher Stellung und grossen Ehren, für Aufklärung epochemachend thätig, gerade 
damals (seit 1816) für neue Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche bemüht. 

41) D rech sei, Karl Jos. Graf von, Präsident des Rezatkreises (Ansbach). 

42) Hammelburger Conversations-Lexikon. Ankündigung und erstes Probeheft 
Hammelburg bei Elias Springer 1819. 

43) Frz. Horn, Umriss zur Geschichte und Kritik der schönen Literatur Deutsch¬ 
lands während der Jahre 1790—1818, Berlin 1819. Die Stelle über Therese Huber findet 
sich das., drittes Buch, I. 89/90, S. 238—240. Der 2. Paragraph handelt über Th. als Re¬ 
dakteurin des Morgenblattes. Die Hauptsätze des ersten, in denen auch die von Lang 
angeführten Worte Vorkommen, lauten: 

„Was sie und ihn auszeichnete, ist eine gewisse innere Wohlhabenheit, Liebe und 
Kenntniss der Menschen und ihrer Verhältnisse, und jene Phantasie, die durch ein bedeut¬ 
sames Leben erworben wird. Was wir beklagen, ist der nur zu starke Anhauch von 
französischer Bildung, die nun einmal der starken und tiefen deutschen Natur nicht zusagt, 
und die deshalb bei ihr und ihrem Gatten nur wie ein erworbenes Gewand erscheint, das, 
so heiter und leicht sie es auch tragen, dennoch die Mühe des Erwerbens nicht belohnt. 
Wenn Therese Huber die vielerfahrene, liebevolle, fromme deutsche Frau mit köstlich 


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Bayerische Briefe. 


99 


geselligem und charakterisierendem Talent, als solche redet, der französischen Bildung 
ganz vergessend, nur dann kann sie eines sehr erfreulichen Eindrucks stets gewiss sein, 
und gern setzen wir hinzu, dass in dem, w’as sie bisher geleistet, manches dieser Art zu 
finden sei.“ 

44) Die Hammelburger Reise erschien in einzelnen Fahrten. Nach Goedekes 
Verzeichnis gehören die ersten 3 den Jahren 1817/18 an, die 4. erst dem J. 1821, sodass 
unserem Jahre nur die schon im vorigen Brief erwähnte Probe des Conv.-J.ex. entstammt. 

45) Ein neues Blatt unternahm Cotta wohl damals nicht (oder doch die .,Annaleu“?). 
Vermutlich hatte der unternehmende (wenn auch politisch vorsichtige) Buchhändler, ge¬ 
lockt durch den zunehmenden Ruf des politischen Satirikers, ihn für seine vielfachen 
alten journalistischen Unternehmungen zu gewinnen gesucht 

46) Gemeint ist jedenfalls der vielseitige Philosoph und Staatsmann G. B. Bilfinger, 
1693—1750, der auch als Philosoph verbreitete Werke geschrieben hat; ein bestimmtes 
Buch über Logik finde ich nicht erwähnt, ausser der doch nicht von ihm herrührenden 
Schrift: Praecepta logica cum ipsius quadam oratione de praecipuis discendi regulis [diese 
ursprünglich 1739 erschienen]; curante C. F. Veilnagel. 1742. — Wie Laug in seiner 
Jugend von einem alten Verwandten mit Bilfingers Logik geplagt wurde, erzählt er selbst 
Memoiren (Neudr.) I, 51 f. Die daselbst folgende sehr niedliche Geschichte, wie er, statt 
Logik zu lernen, mit einem in demselben Zimmer arbeitenden Nähmädchen einen Liebes- 
handel anfing, wurde ganz neuerdings (ich glaube in der „Lesehalle“ des Berl. Tagbl.) 
novellistisch bearbeitet. 

47) Barbara Celarent sind zwei der mittelalterlichen Formeln der Logik. 

48) Therese brachte gern Auszüge aus neuen Büchern im Morgenblatt; ob auch 
aus L a ti g ? 

49) Vielleicht Just. Christ. Leist, bekannnter Jurist und (nicht immer glücklicher) 
Diplomat. Auf ihn passt, dass er jünger als Lang war (geh. 1770, gest. 1858), „hollän¬ 
dische Geduld“ könnte man uneigentlich mit Bezug auf seinen nordhantiöverschen Ursprung 
ihm uachrühmen; 1819 konnte er auf seiner Rückreise von Rom durch Stuttgart kommen. 
In den Briefen Theresens finde ich ihn nicht erwähnt. 

50) Hobhouse, eig. Lord John Cam Broughton (1786—T869), britischer Staats¬ 
mann. Reisebeschreibungen und Parteischriften für Napoleon sind von ihm bekannt ; ver¬ 
mutlich ist eine der letzteren gemeint, die gerade 1819 viel genannt wurde. (Dictionary 
of National Biography. Bd. 27 (1891) S. 47—50. 

51) Sand in der Bedeutung: unfruchtbarer Boden und Anspielung auf den be¬ 
kannten Mörder Kotzehues. 

52) Auch mit Hilfe gelehrter Freunde konnte ich diese Stelle nicht nachweisen. 

53) Erlang ist natürlich: die Universität Erlangen. Mit „deutschen Knaben“ 
müssen die deutsch- oder teutschthümlichen Versuche gemeint sein, die freilich damals 
schon infolge der Karlsbader Beschlüsse bei den Oberen nicht beliebt waren. 

54) Über diesen Aufenthalt in Wien handeln sehr hübsche Abschnitte in den 
Memoiren (Neudruck) I, 75 ff., 130 ff., 163 ff. Dort fand Lang sich ausserordentlich behaglich, 
und sein Entzücken über die Stadt, gegen die er freilich nach seiner Art manche »Satiren 
vorbringt, äussert sich z. B. auch darin, dass er die Donau über den Rhein stellt, mehr¬ 
fach z. B. S. 151 f. 

55) List, der berühmte Nationalökouom (1789 — 1846, Allg. D. Biogr. Bd. 18 S. 761), 
der damals 1820 seine Tübinger Professur niedergelegt hatte und als Abgeordneter thätig war. 

56) Gemeint ist die Revolution Neapels, die am 2. Juli begann und eigentlich erst 
im Oktober ihr Ende erreichte. Vgl A. Stern, Geschichte Europas, Bd. 2, S. 103—117. 

57) Anspielung auf die Operette „Der Teufel ist los“, erschienen 1743. 

58) Karoline von Pichler, geb Greiner, eine Freundin Theresens, Wiener 
Schriftstellerin (1769 — 1843, A. D. B. XXVI 106), die gerade damals auf dem Höhe¬ 
punkt ihres Schaffens und ihrer Berühmtheit stand; im Jahre 1820 begann gerade die 
erste Gesamtausgabe ihrer Schriften zu erscheinen. 

59) Karoline von Woltmann s. oben S. 70. 

7 * 


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IOO 


Ludwig Geiger. 


60) Der berühmte Orientalist, Historiker und Diplomat Joseph Freiherr von 
Hammer-Purgstall (1774—1856, Allg. D. Biogr. X, 482). Seine bedeutendsten Werke 
fallen in eine spätere Zeit. Die hier erwähnten „Fundgruben des Orients“ waren eine 
mehrbändige Zeitschrift, deren erster Band 1809 veröffentlicht wurde. 

61) Hornlay r Jos. v. (1782—1848, A. D. B. XIII, 131), von 1803 - 1828 in Wien, 
seitdem in München oder als bayerischer Gesandter in deutschen Staaten thätig, ein un¬ 
gemein fruchtbarer, fast ausschliesslich für österreichische Geschichte thätiger Historiker. 

62) Natürlich Zach. Werner, (1768—1823, Allg. D. Biogr. XLII, 66) der bekannte 
Schicksalsdichter, der seit 1814 als Priester in Wien lebte. Da er, nach dem Berichte 
mancher, Kapuzinaden im Tone des Abraham a Santa Clara liebte, so mag er eine 
ähnliche wie die erwähnte Predigt gehalten haben, wenn auch das Ganze recht w’ohl eine 
Langsche Erfindung sein kann. 

63) Joli. Bapt. (nicht zu verwechseln mit Joh. Fiedr. Prim. vgl. Goedeke 6, 658 f.) 

64) J. J. Prechtl, geh. zu Bischofsheim im Würzburgischen 1778, seit 1818 Di¬ 
rektor des polytechnischen Instituts in Wien, wo er seit 1811 als Lehrer und Professor 
wirkte, seit 1819 gab er Jahrbücher dieses Instituts heraus; starb 1854 (A. D. B. XXVI, 539), 

65) Etwa Vinz. Dobrowsky, Physiker, Goedeke 6, 788. 

66) Seb. Wilib. Schiessler (vgl. Goedeke a. A. III, 582 und 11. A. VI, 681 (1789 
bis 1867). Seine Epigramme erschienen erst 1824 gesammelt; doch hatte er schon 1818 
ein Taschenbuch des Scherzes und der guten Laune herausgegeben. 

67) Gemeint sind die drei oft erscheinenden Beigaben des Morgeublatts: das Literatur- 
Kunst- und Intelligenz-Blatt. Mit dem letztem, als einem rein geschäftlichen Teil, hatte 
Therese nie etwas zu thun, auch die beiden anderen Beiblätter wurden, um ihnen 
grössere Selbständigkeit zu geben, besonderen Redakteuren unterstellt. 

68) Natürlich auch hier wieder ein Spott gegen das offiziöse von Gentz inspirierte 
Organ, das nicht gerade als eine Quelle ergötzlicher Unterhaltung galt. 

69) Auf eines der Hefte der „Hammelburger Reise“ bezüglich? 

70) Die neue württembergische Konstitution von 1822, die manche frühere liberale 
Bestimmung aufgehoben und viele Unzufriedene im Lande gemacht hatte. 

71) Gemeint ist jedenfalls der Prinz Alexander Hohenlohe (1794—1849, A. D. B. 
XII, 6S3), über dessen Predigten und Wuuderkuren in Just Kerners Briefwechsel, 2 Bde., 
Stuttgart 1897, merkwürdige Mitteilungen zu finden sind. 

72) Auf die hier erwähnten Einzelheiten des bekannten griechischen Aufstandes, 
wenn die erwähnten Dinge nicht etwa, wie man auch annehmen könnte, Langsche Er¬ 
findungen sind, kann nicht eingegangen werden. Es sei nur hervorgehoben, dass im 
Gegensatz zu Lang, der trotz sonstiger liberaler Gesinnung diesen Freiheitskampf miss¬ 
billigte, Therese durchaus zu den Philhellenisten gehörte und diese Zugehörigkeit durch 
Wort und That bewies. Für Ersteres liegt mir manches merkwürdige Zeugnis vor. 

73) Der bekannte Dichter Fr. v. Matthisson, 1761—1831, der in der Zeit von 
Theresens Aufenthalt in Stuttgart ihr nahe stand, wofür manche ungedruckte Zeugnisse 
beigebracht werden könnten. Er vertauschte erst 1829 definitiv Stuttgart mit Dessau, 
besuchte aber seine Heimat häufiger und mag bei einer solchen Reise Lang „auf einem 
Lauf“ — auf eine kurze Zeit (sonst bei Grimm, d. Wb. nicht bezeugt) oder „auf dem 
Wege“ besucht haben. „Leiden“ bezogen sich wohl auf Theresens gezwungene Über¬ 
siedlung nach Augsburg und ihr Augenleiden, „Freuden“ auf das Zusammenleben mit 
einer ihrer Töchter und deren Kindern. 

74) Schätzler, Lor. Joh., Kgl. Finanzrat und Bankier in Augsburg, 1819 Abge¬ 
ordneter der 2. Kammer. Seine Familie war mit der Huberschen bekannt, eine Tochter 
war bei Therese in Pension. Über seinen Tod (Selbstmord?) enthalten die Briefe Theresens 
manches Detail. 

75) Die hier genannten Gelehrten sind alle Münchener Akademiker, die, wie es 
scheint, alle im Laufe des Jahres 1826 starben: Velin Jul. Konr., (P'orschungen III, 151) 
Konservator der matliem.-physik. Sammlung, gest. 20. Jan. 1826, Spix Joh. Bapt. von. 
Konservator der ethnographischen Sammlung, geh. 1781, besonders bekannt durch seine 


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Bayerische Briefe. IOI 


1817—1820 in Brasilien unternommene Reise, die dem „Hammelburger“ Gelegenheit zu 
manchen Spöttereien gab. — Weiller Kajetan (A. D. B. XLI, 494), war geb. 1761, seit 
1799 Prof- der Philosophie in München, seit 1S23 Geh. Rat und Gen. Sekretär der Akademie 
der Wissenschaften, Nachfolger Sch li ch tegrolls, dessen Biogr. er schrieb, wie er über¬ 
haupt einer der eifrigsten Beitragenden zu den Akademieschriften war, gest. 1826. — 
Fraunhofer, der berühmte Optiker, 1787 bis 7. Juni 1826 (A. D. B. VII, 323). — 
Reiche 11 bach Georg von, Ingenieur und Mechaniker, der grösste bayerische Techniker 
seinerzeit, geb. 1772, seit 1820 nach dem früher genannten Wiebeking Direktor des Zentral¬ 
bureaus für Strassen- und Wasserbau, während er schon früher Oberst-Berg- lind Salinenrat 
gewesen war. Mitglied der Akademie war er seit 18r 1, erstarb Mai 1826 (A. D. B. XXVII, 656). 

76) Elisabeth Charlotte von Orleans (Liselotte), die Schwägerin Lud¬ 
wigs XIV., die Schreiberin der köstlichen Briefe, die in neuerer Zeit von Holland, 
Ranke, Bo den mann, in einer Auswahl auch von mir lierausgegeben wurden. Die 
Briefe waren damals höchstens in Auszügen gedruckt; vielleicht waren sie Lang bei seinen 
archivalischen Forschungen zugänglich geworden. 

77 ) Joseph v. F., Ministerialrat im Ministerium des Äussern, seit 1817 Ritter des 
Zivilverdienstordens, zugleich Vorstand des k. b. Haus- und Staatsarchives. 

78) Philipp Kasimir Heintz (nicht Heintze), vorerst Pfarrer und Professor 
am Gymnasium zu Zweibrücken, kam am 23. Januar 1819 als (4. geistl.) Oberkousi- 
storialrat nach München, wo er Schulinspektor und Mitglied der Akademie war. 

79) Gruitliuiseu Franz v. Paula (1774—1852, A. D. B. X, 6, Prantl, U.-G. II, 
547) Naturforscher und Astronom, seit 1826 Professor der Astronomie in München. 


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Die Seidenzucht in Bayern.*) 

Zweite Periode. 

(Achtzehntes Jahrhundert. Fortsetzung. München und Umgebung.) 

Nach archivalischen 1 ) Quellen. 

Von 

Karl Otto Harz. 

Wou allen benachbarten Ländern, so namentlich von Tirol, Italien, 

w 

Frankreich gelangten Nachrichten zu uns, denen zufolge sich die Seidenzucht 
überall ausserordentlich lohnend gestaltete. Auch in Preussen wurden 
auf Befehl des grossen Friedrich derartige Versuche mit Geschick und 
Glück begonnen. In der Nachbarschaft führte der Augsburger Patrizier 
Christian von Münch") und in Würzburg der Fürstbischof Karl 
Philipp Heinrich von Greifen klau 8 ) Seidenbauversuche ein. Überall 
war man besteht, teils mit Zwang, teils mit Güte, diesen neuen Industriezweig 
„zum Nutzen der Unterthanen und zum Wohl des aerarii“ einzuführen und 
möglichst zu unterstützen. So verstand es sich für den klugen und kunst¬ 
sinnigen Kurfürsten Maximilian III. Joseph (1745 —1777) von selbst, 
auch in Bayern diesbezügliche Versuche durchzuführen und pekuniäre Opfer 
zu diesem Zwecke nicht zu scheuen. 

Die dazu verwendeten Persönlichkeiten sollten vor allem schon Kennt¬ 
nisse in der Seidenzucht und in der Kultur des Maulbeerbaumes mitbringen, 
und da solche im Lande nicht vorhanden waren, sah man sich genötigt, 
sie vom Auslande kommen zu lassen. Es war wohl unvermeidlich, dass 
manche Ungeeignete sich unter den Berufenen befanden, die, anstatt die 
Sache gediegen zu fördern, sich selbst möglichst zu nützen trachteten. Der¬ 
artige Persönlichkeiten, und ebenso viele Sanguiniker, scheuten sich nicht, 
auch dann die Zucht des Maulbeerbaumes als vorteilhaft hinzustellen, wenn 
sie bereits selbst überzeugt waren, dass Boden und Klima für diesen etwas 
verwöhnten Ansiedler bei uns nicht geeignet erschienen. Es kaun ja der 
Maulbeerbaum auch um München noch kultiviert werden und ein ziemlich 
hohes Alter erreichen, wie wir z. B. an jetzt noch vorhandenen Exemplaren 
im Dachauer Hofgarten ersehen können. Aber das Wachstum dieses Baumes, 
vor allem die Blattbildung ist eine total verschiedene von der in südlicheren 
Ländern, z. B. in Tirol kultivierten. Dort kann man den Maulbeerbaum 
im Frühjahr und Sommeranfang bis auf den Hauptstamm und die dicksten 

*) Vgl. Forschungen II, 30—45; III, 152 — 171. 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


103 


Äste zurückschneiden, also all seiner Blätter berauben (ähnlich etwa wie bei 
uns die Weiden behandelt werden), ohne ihn zu schädigen; denn er treibt 
alsbald wieder zahlreiche, kräftige reichbelaubte Zweige, die genügende Reserve¬ 
nahrung für das kommende Jahr bereiten. Würde bei uns in Bayern aber 
ein Maulbeerbaum in dieser Weise behandelt, so ginge er sicher nach 1 bis 
2 Jahren zu gründe. Dazu kommt ferner, dass die bei uns erzeugten Blätter 
bedeutend kleiner, trockener und härter sind, als die im Süden gebildeten, 
und dass, dem Klima entsprechend, die gesamte Entwickelung gegenüber den 
italienischen, französischen etc. Pflanzen bedeutend zurücksteht. 

Die ersten in den Archivalien niedergelegten Nachrichten über den Be¬ 
ginn der Seidenzucht in dieser Periode bestehen in einem kurfürstlichen 
Dekret vom 14. Januar 1754, welches dem kurfürstlichen Hofgärtner Anton 
Häussler zu Lustheimb „für ihn und seine Ehewürthiu und Erben“ ein 
Privilegium zur Errichtung einer Seidenmanufaktur in den Bayerichen Landen 
erteilte. Im Jahre 1758 kam, wie es scheint ungerufen, die Maria Klara 
Wallen reiberin aus Bozen behufs „Seidenwurmzucht“ nach München 
und bat unter dem 19. Mai 1759 um eine „angemessene Anstellung in der 
Seidenzucht“, welche ihr auch im Jahre 1760 bei einem Jahresgehalte von 
180 Gulden gewährt wurde. Im Jahre 1778 wurde sie pensioniert; über ihre 
Thätigkeit und etwaigen Erfolge konnte ich nichts ermitteln. Ausserdem 
scheinen aber seit Beginn der 50er Jahre ziemlich viel Unterthanen, wenn 
nicht gerade mit Seidenzucht, so doch mit der Kultur des Maulbeerbaumes 
sich beschäftigt zu haben. Der Kurfürst ernannte, um diesen Industriezweig 
zu fördern, eine eigene Kommission, liess Maulbeer-Samen und Pflanzen an 
Interessenten abgeben und erliess unter dem 24. März 1762 4 ) folgendes 
Reskript: 

„Wird uns sonders lieb zu vernehmen sein, wann man die bereits hier und an 
verschiedenen Orten im Lande mit gar guten Erfolg zu pflanzen angefangene Maul¬ 
beerbäume noch ferner fleissig fortsetzen, und unter obvermeldeten neuen Heckenzaun 
zu pflanzen sich angelegen seyn lasst, wozu Wir den Samen auf Anmelden unentgeltlich 
abfolgen, annebens auch die Art und Weiss, wie diese Plantage zu unterhalten, und 
nützlich zu gebrauchen sev, gleichfalls durch öffentlichen Druck bekannt machen lassen 
werden. Wir gedenken in dem Vollzug dieser Unser gnädigst und landesväterlichen 
Verordnung niemand über die Kräften und Möglichkeit zu treiben, wollen auch eben 
darum sowohl über den Fortgang der Execution, als die sich hierunter ergebende 
Schwierigkeiten und Anstände durch die Beamte und Obrigkeiten von Zeit zu Zeit mit 
allen Umständen gehorsamst berichtet seyn, und obwohl bereits eine eigne Commission 
von Ministris und Rätlien angeordnet ist, allwo dergleichen Bericht in Ueberlegen und 
Erledigung genommen werden sollen, so sind doch solche allezeit gleich unmittelbar zu 
unserm geheimen Rath selbst einzuschicken, welches auch hinführo in all ander Sachen 
geschehen soll, so das Landesverbesserungswesen überhaupt, sonderbar aber die Cultivirung 
öder Gründen, Vermehrung der Mayrscliaften, Beförderug des Credits, Nahrungsstandes 
und Geldcirculation, wie auch die Errichtung nützlicher Manufacturen und Fabriquen, 
nebst der hiernach zu reguliren kommenden Veraccisir- oder Ausfuhrverwilligung in 
ländisch roher Producten betreffen, müssen Wir hiermit alle jene, welche in jetzt benannten 
und andern dahin einschlagenden Objectis etwas anzubringen oder einzuberichten haben, 
an erwehnte Commission und mit der schriftlichen Ueberreichung an Unsern geheimen 
Rath gnädigst angewiesen haben wollen. Datum in Unserer Residenzstadt München 
den 24. März 1762. 


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104 


Karl Otto Harz 


Gleichzeitig wurde die Kultur von Maulbeerbäumen vom Kurfürsten 
befohlen und laut Schreiben der Commission in deput. oecon. vom 29. März 1768 
damit der Gärtner Jakob Kobustull vom laufenden Jahre an auf 6 Jahre 
mit 104 Gulden Jahresgehalt, und alle 2 Jahre 25 Gulden zu einem Kleid, 
damit betraut und diese Anstellung laut Schreiben vom 11. März 1774 wieder 
bis zum Jahre 1779 verlängert. Unter dem 9. Februar 1774 berichtete 
Kobustull dem Kurfürsten, dass er bis jetzt auf dem Rampart und in der 
Residenzstadt 520 Bäume und auf der Bombasin-Bleiche 250 Bäume, somit 
770 Stück in und um München gepflanzt habe. Er macht aber den Vorschlag, 
man möchte — weil der Boden auf dem Rampart zu schlecht, auch die Blätter 
der Bäume allzuleicht dem ungezählten Entwenden ausgesetzt seien — eine 
Pflanzschule auf dem kurfürstlichen Schlossanger zu Berg am Laim errichten; 
was nach seinen Berechnungen leicht mit 485 fl. 20 Kreuzern und zum 
Nutzen kurfürstlichen aerarii geschehen könnte. Dieser Vorschlag scheint 
indessen die allerhöchste Genehmigung nicht erhalten zu haben. 

Um das Jahr 1770 macht sich der Schön- und Seidenfärber Simon 
Josef Holzer aus Roveredo in München bemerkbar, der sich sehr für 
Seidenzucht und Seidenindustrie überhaupt zu interessieren schien. Er er¬ 
hielt 1775 das Münchener Bürgerrecht; gleichwohl versagte ihm der Magistrat 
die Benützung der Mang. Er veranlasste im Jahre 1776 den Kurfürsten, den 
Hieronymus Trentini aus Roveredo mit einem Jahresgehalt von 
300 Gulden zur Förderung der Seidenzucht in München anzustellen. Der¬ 
selbe lieferte 17000 Stück Maulbeerbäume aus Tirol, welche zum teil in den 
Hasengarten nach Nymphenburg, zum teil nach Landshut kamen. Nach 
zweijähriger Anwesenheit in München wurde Girolamo Trentini aufge¬ 
fordert, seine Liegenschaften sammt Haus in Roveredo zu veräussern und 
mit seiner ganzen Familie hielier zu ziehen. Jedoch kaum hatte er den 
Verkauf bewerkstelligt, so gelangte unter dem 9. Februar 1778 an Holz 11er 
ein Schreiben, er möge dem Trentini mitteilen, dass er sich im heurigen 
Jahre wegen der vorgegangenen Abänderung „der höchsten Landesregierung“ 
keineswegs hieher nach München bemühen möge. Das seit Oktober 1877 
bezogene Gehalt von 300 Gulden sei gestrichen. Holzner, der inzwischen 
kurfürstlicher Schön- und Seidenfärber geworden war, erfreute sich wegen 
seines Eifers in Seidenbausachen auch der Gunst des neuen Kurfürsten 
Karl Theodor. 5 ) Er stellte unter dem 2. Februar 1778 den submissesten 
Antrag, Mittel zur Beschaffung von Maulbeerbäumen zu erhalten und schlug 
vor, die Cocons aus Italien für das Münchener Filatorium vorläufig so 
lange kommen zu lassen, bis im Lande selbst genügend Seide erzeugt 
werde. Hiernach würde das Pfund Seide 4'Gulden billiger kommen, als 
bei der aus Italien bezogenen Seide. — Es wurden ihm auch zunächst 
3000 Gulden bewilligt, für Beschaffung von Maulbeerbäumen aus Italien. 
Auch der Hofgärtner Starck kam am 29. März 1778 mit einer Eingabe 
und der Bitte, ihm etwas Geld zum Versetzen der Mori anzuweisen, „weil es 
höchste Zeit dazu sei, und sonst Alles bisher geleistete wieder dem Ruin ent¬ 
gegengehe.“ Er allein könne das Versetzen, Bearbeiten u. s. w. nicht be- 


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Die Seiden/.ucht in Bayern. 105 


sorgen, dazu müsse er eine Hilfe haben. Schon am 8. April 1778 liess 
ihm der Kurfürst Karl Theodor sofort 100 Gulden dazu an weisen. 

Die Kultur der Maulbeerbäume im Hopfen- und Hasen garten war dem 
Gärtner Johann Bartholomäus Kolb übertragen worden, indessen scheint 
derselbe mehr auf eigene Vorteile gesehen zu haben. Er benützte die Ge¬ 
legenheit, hier eine kleine Wirtschaft zu errichten, anstatt die Pflanzungen zu 
bedienen. Am 8. Mai 1779 lief eine schriftliche Anzeige ein, „dass der 
J. B. Kolb sich unterstanden habe, an verschiedene Personen sowohl weisses 
als braunes Bier auszuzapfen und gleichsam eine Bierschenke ganz unerlaubt 
aufzurichten“, was ihm sofort strengstens untersagt wurde. — Man begnügte 
sich jedoch nicht, vorerst die Erfolge der Seidenzucht abzuwarten, wie auch 
bisher von irgendwelchen diesbezüglichen Resultaten in den Akten nichts zu 
finden ist. Wohl auf Veranlassung Holzers gelangte eine Eingabe des 
Johann Baptist Ben venu ti zu Trient d. d. 12. Februar 1779 nach Mün¬ 
chen, infolge deren er nach München „beliufs Seidenfärberei und zur Hebung 
der Zucht überhaupt“ berufen wurde. Man gab ihm u. a. 3000 Gulden in bar 
für Beschaffung von Maulbeerbäumen und Seide, wofür denn auch von seinem 
Bruder aus Trient für 1500 Gulden rohe Seide, ferner 2000 Stück grosse und 
15000 Stück kleine Maulbeerbäume in München ein trafen. Ein Teil dieser 
Pflanzungen gelangte nach Landshut. 

Holzer erlaubte sich auch noch anderweitige kleine Scherze auf Kosten 
der derzeitigen günstigen Stimmung für Seidenbauauslagen. So kamen auf 
seine Einladung am 30. September 1781 zwei Familien aus Italien (Tirol), 
bestehend aus 8 Personen, in München an, waren bis zum 4. Oktober beim 
Weingastgeber zum Storchen in Kost und Logis und verzehrten, nach 
Holzers Versicherung mit Fug und Recht, auf Kosten der kurfürstl. Kasse 
41 fl. 15 kr. Erst im September 1782 wurde die Rechnung eingereicht und 
sodann eine Untersuchung darüber augestellt, ob, wann und wo solche Fa¬ 
milien hier waren, und ob solche in der Fabrik F A r au ken th al, wie sie an- 
gaben, beschäftigt worden seien. Die zwei Familien blieben verschollen, d. h. 
sie waren wieder nachhause gereist; der Weinwirt aber erhielt schliesslich 
sein Geld aus der Kasse Serenissimi. In einer Eingabe an das Kommerz¬ 
kollegium beschwerte sich Holzner unter dem 11. September 1779 darüber, 
dass er nunmehr 3 1 2 Jahre Mühe und Zeit für die Seidenzucht verbracht 
und nichts dafür bekommen habe. Die Herrichtung des ganz verwahrlosten 
Hasengartens habe 10 Wochen lang Tagwerker erfordert und er dafür 60 Gulden 
aus eigener Tasche verausgabt. Er hätte sich niemals zur Seidenzucht nach 
Bayern begeben, wenn er gewusst hätte, dass der Staat planlos jährlich über 
1000 Gulden verausgabe, ohnedass bis jetzt ein Kreuzer Nutzen dabei heraus¬ 
komme. Er klagt darüber, dass bereits ein Rückgang der Seidenkultur in 
Bayern zu konstatieren sei, und lässt durchblicken, dass eine einheitliche 
Leitung erforderlich und er geneigt wäre, die Oberaufsicht über die in den 
kurfürstlichen Landen gepflanzten Mori zu übernehmen. Eine um diese Zeit 
vorgenommene Zählung, bez. Mitteilung der mit der Zucht der Bäume be¬ 
trauten Gärtner ergab, dass im Hasen- und Hopfengarten zu Nymphenburg, 


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106 Karl Otto Harz 


sodann im Schlossgarten zu Trausnitz bei Landshut 40000 Stück Mori ge¬ 
setzt seien und Holzner noch weitere 40000 versetzbare vorrätig habe. 
Nicht überall zeigte sich jedoch ein Verständnis oder Wohlwollen für den 
neuen, das „Wohl der Unterthanen und den Nutzen des Aerarii“ fördern 
sollenden Industriezweig. Am 27. September 1781 musste Simon Joseph 
Holzner beim Kurfürsten darüber Beschwerde führen, dass man den Hof¬ 
garten in Nymphenburg, der momentan über 4000 grosse und kleine Maul¬ 
beerbäume enthalte, in einen Hirscheinfang verwandeln wolle. Diese Absicht 
wurde infolgedessen vereitelt, dem Holzner laut Dekret vom 28. Oktober 1781 
„alle Recht der Münchener Bürger und Seidenfärber und Seidenfabrikanten“ 
verliehen, womit namentlich auch die ihm bisher verweigerte Benützung der 
Mang verbunden war. Unter dem 6. November 1781 wurde Holzner zum 
Direktor der bayerischen Seidenplantagen mit einem Gehalt von jährlich 
300 Gulden ernaunt. Die Oberaufsicht des Ganzen aber wurde dem Geheimen Rat 
von Goldhagen 6 ) und dein Hofkam 111 errat Liniprun 7 ) übertragen. Die Pflan¬ 
zungen in Nymphenburg scheinen jedoch keine reiche Blätterausbeute für 
die Seidenzucht geliefert zu haben, denn am 10. Mai 1781 reichte Holzner 
ein Gesuch ein, dass man ihm gestatten möge, die in München vorhandenen 
Mori zu entblättern. Es erfolgte hierauf ein Erlass Serenissimi München 
d. d. 29. Mai 1791, der dem Münchener Kunst-, Schön- und Seidenfärber 
Holzner die Ablaubung der meisten Maulbeerbäume sowohl im Hasengarten, 
als im sogen. Hopfen- und nunmaligen Maulbeerbaumgarten nächst Nymphen¬ 
burg und der sonst auf kurfürstl. Kosten gepflanzten Bäume erlaubt. Die Zahl 
der gezüchteten Raupen mag immerhin eine stattliche gewesen sein, denn 
laut Ausweis bezog er vom 2. Juni bis zum 14. Juni 2177 Pfund Blätter. 
Zur Förderung der Seidenzucht wurde nun eine besondere Maulbeerbaum- 
plantage und Seidenzuchtdirektion 8 ) angeordnet, indem durch gnädigstes 
Reskript vom 28. November 1781 Seine kurfürstliche Durchlaucht befahlen, 
in Ihren Landen den Seidenbau einzuführen, und ernannten hierzu eine eigene 
Direktion, wofür ein jährlicher Fond von 3000 Gulden aus der Landesökonomie¬ 
kasse bestimmt wurde, wozu sich noch kleinere Einnahmen, wohl haupt¬ 
sächlich aus dem Verkaufe von Maulbeerbäumen, gesellten. Am 25. Januar 
1782 wurden die 3000 Gulden jährlichen Zuschusses abermals bestätigt. 

Im April 1782 finden wir den Seidenfabrikanten Joseph Holzner in 
Mannheim, wohin ihm die „gnädigst an geordnete Seidenplantagen-Direktion“ zu 
München den Auftrag erteilte, dass er „einen Mann und eine Weibsperson zum 
Behuf des Seyden-Baues aus Italien, auf München, beschreiben solle,“ was 
Holzner in einem Briefe d. Mannheim d. 28. April 1782 brieflich besorgte. 
Es kamen ein Bruder und zwei Schwestern Galli aus Tirol, welchen der 
Kurfürst jährlich 500 Gulden Pension für später zusicherte, wie aus Eingaben 
der Galli d. d. 12. Februar 1782 und 13. August 1783 sich ergiebt Er 
selbst wird zum 4. Mai 1782 nach München zurückbefohlen, welchem Befehl 
er am 24. Mai auch entspricht. Jedoch im August entwich der Schwindler 
laut aufgenommenen Protokolls vom 25. August 1782 unter Hinterlassung 
einer grossen Schuldenlast. Auch kam von Goldhagen, Mitglied der 


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Die Seidenzuclit in Bayern. 


107 


Seidenbaudirektion, noch mit einer Nachforderu 11g, indem er angab, er habe 
aus seiner Privatpflanzung an den Holzner für 2103 Gulden Maulbeer¬ 
bäume abgegeben, wovon nur 1153 Gulden und 5 Kreuzer abbezahlt 
worden, somit ein Rest von 949 Gulden 45 Kreuzer verbliebe. Die 
Entschädigung wurde jedoch nur dahin gewährt, dass ihm vier Monate des 
Jahresgehaltes des Holzer ausgefertigt wurden. An seine Stelle wurde^ laut 
geheimer Ratsresolution d. d. 12. September 1782 ein gewisser Lorenz 
Seyfried als „Seidenwürmwarther“ mit jährlich 300 Gulden Gehalt in 
München an gestellt. Auch Maulbeerbäumchen wurden an die Untertlianen 
gegen Bezahlung abgegeben (— so erhielt nach den Akten der Beamte Spizeler 
zu Miesbach 42 Stück Mori ä 6 Kreuzer von der Seidenbaukommission —) 
oder umgekehrt Pflanzen an das Ärar abzusetzen gesucht. So liinterliess der 
kurfürstl. Hofkammer-Münz- und Bergrat v. Linbrunn bei seinem 1787 
erfolgten Tode eine Forderung für Maulbeerbäume, welche er in der grossen 
Plantage Laufzorn auf eigene Kosten gezogen hatte, und die dann bei Er¬ 
richtung der Landshuter Plantage durch Zachow dahin geholt worden waren. 
Die von den Relikten am 20. Juli 1782 eingereichte Rechnung belief sich 
auf die für die damalige Zeit ziemlich grosse Summe von 653 fl. 10 kr. Viele 
Private versuchten die Seidenzucht auszuführen und holten sich die Blätter 
von den kurfürstlichen Bäumen, ohne hierzu Erlaubnis erhalten zu haben. 
So machte man im Jahre 1782 die unangenehme Beobachtung, dass die 
auf dem Rampart stehenden „und mit viellen Kosten gepflanzeten“ Maulbeer¬ 
bäume von solchen, die „gerne Bubenstück ausieben und besonders von dem 
liederlich Gesindl und Kind sehr sträflich mit der Beschädigung, dann un¬ 
erlaubter Belaubung ruiniert und angefochten worden/ 4 Es folgte daher der 
durchlauchtigste Befehl, dass niemand ohne schriftliches Zeugnis, mit dem 
darauf gedrückten Wappen von der kurfürstl. Seidendirektion, Blätter ab¬ 
nehmen dürfe und, dass die ohnedem da und dort vorhandenen Schild wachen 
hierauf zu achten haben.*) 

Den 2. Juni 1783 erging zu ähnlichem Zwecke ein Schreiben der 
gnädigst angeordneten Seidenbau-Kommission an die kurfürstl. lobl. Komman- 
dantschaft München, wornach die für die Baumentlaubung angemeldeten 
Seidenzücliter diese früh morgens zwischen 7 und 8 Uhr und abends von 5 
bis 7 Uhr zu vollziehen haben. Baumfrevler u. dgl. solle mau sofort arrestierlich 
anhalten und anzeigen lassen. Es wurden 241 nummerierte Bäume dabei 
verwendet und den 35 Liebhabern etc. der Zahl ihrer Würmer gemäss nach 
Nummern zugeteilt. Die meisten bekamen 2-8 Bäume, einige wenige mehr. 
Durchlaucht die Frau Herzogin hatte 10, ein Herr von Reindl 25, ein Herr 
von Mässenhausen 26 Bäume zur Disposition. Zufolge Auftrages reichte im 

*) Im Jahre 1782 waren zu diesem Zwecke nur 7 Erlaubniszettel ausgegeben: 1. Für 
die Schneiderin aus der Au, auf die Bombasin-Bleich. 2. H. Ganghofer, nächst Sr. Ex- 
cellenz von Goldhagen Garten. 3. Freiherr v. Wal ln er: 4 Bäume hinter der Prinz 
Maxischen Kaserne. 4. Mauthrechnungs-Justificant, auf 3 Bäume 1 Zettel. 5. Frau Se- 
cretär Müllerin auf 3 Bäume. 6. Der Wirth „bei der Arch-Noej“ nächst seiner Logis. 
7. Für die HH. Cadetten bei Iliro Durchlaucht der Frau Herzogin. 


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Karl Otto Harz 


Jahre 1782 oder 1783 der Gärtner Kobustu 11 nachstehendes Verzeichnis 
der in Bayern befindlichen Maulbeerbäume ein, wornach 23819 Stück dieser 
Pflanzungen vorhanden waren. 


Vorhandene Maulbörbäume. 

In dem Hof garten Trausnitz zu Lands* 
liut sind 30 Stück alte Maulbörbäum. 


Von liier aus wurde über die Sr. Exc. 
Herrn Kamnierdirector für H. B. v. Dir- 
nitz abgegeben 25 Stück aus dem Haasen- 
garten nacher Landshut abgeschickt 
575 Stück. 

Und in Hofgarten zu Landshut sind 
an derley Bäume gleiche alters und qualitet 
Vorhände, so versetzt und abgegeben werden 
können. 

280 Stück. 


855 Stück. 

Zu Laufzorn sind Bäume von 4jährige 
alter Vorhände, so nacher Landshut zu 
transportire komme 

20000 Stück. 

Und in Hofgarte zu Landshut sind 
Bäum von gleiche 4. bis 6. jährige alter, 
so unmittelbar versetzt werde müsse. 

2220 Stück. 

22220 Stück. 

Der Schönfärber Holzer hat aus 
Welschlaud kommen lassen 
500 Stück, 
per se 

Voriger Holzer hat weitters an junge 
erzigclte Bäume zwischen 60 bis 100 Stück. 


Wie solche vertheilt und verwendet werde. 

Diese werde nit besorgt, soitdr bleibe 
in ihre placz stehen, und w'erde lieur zu 
einen lot körner Saamen mit ihre Blätter 
benutzt. 

Hiervon werde abgeben an Sr. Exz. 
H. Baron v. Daxperg 

500 vStück. 


Und in Wämpelgraben sind nach des 
Zachow’s Ber. präs. f. d. 4. Marti 1782 zum 
seczen erforderlich 

310 Stück. 

Übrig bleiben, so jedoch der Zachow 
im Wämpelgraben auch placiren will, 

45 Stück. 

855 Stück. 

Diese 2 Gattungen w r erde in den 
Wämpelgarte zu Landshut nach des Za- 
chow’s Plan, welcher mit junge und alte 
Bäume 63882 Stück gemacht ist, in Ab¬ 
schlag placiert, id est 

22220 Stück. 


per se 

Die komme auch nach Landshut in 
Wümpelgarte, id est in anständige Pläcze 
500 Stück, 
per se 

All diese Bäum komme nach Lands¬ 
hut und werde theils an anständige pläcz, 
theils aber spälliermässig besorgt. 


Volgen nun die Münchener Bäum. Nach des KobuStuhls Speci 
fication sind Vorhände: 


Vom Isar bis zum Sendlinger Thor 123 St. 
Vom Sendlinger bis zum Neuhauser 

Thor.26 „ 

Vom Neuliauser bis zum Schwö- 

biuger Thor.85 „ 

Vom Schwöbinger bis zum Isarthor 193 ,, 
Uni die Bomasin Blaicli .... 200 „ 
Summa 627 St. 


Auszubessern sind.19 St. 

Auszubessern sind. 44 „ 

Auszubessern sind.24 „ 

Auszubessern sind.20 „ 

Auszubessern sind.— ,, 


117 St. 


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109 


Die Seidenzucht in Bayern. 


Noch wenn die Ausbesserung ge- Zur Ausbesserung sind die hoch- 

schehe.117 St. stämmige Bäum aus der Galli Gartten her- 

Thurbedeposten.744 St. zunehmen. 

so als dan hier herumstehn. 

Im Januar 1783 erfolgte ein Rundschreiben der „Kurfürstlich gnädigst 
angeordneten Seidendirektion“ in München zur Hebung und Aufmunterung 
der Seidenzucht, nachfolgenden Inhaltes: 

Se. Churfürtl. Durchlaucht haben sich zu entschliessen geruhet, dass die Seiden¬ 
zucht in Höchst dero heroberen Landen eben massig emporgebracht und allgemein ver¬ 
breitet werden solle. Zu diesem Ende haben Höchst selbe bereits unterm 28. Dezember 
1781 eine besondere Maulbeerbaum-Plantage- und Seidenzucht-Direction gnädigst ange¬ 
ordnet. Wie nun die hierzu nöthig und nützliche Anstalten bereits getroffen, und dahier 
sowohl, als zu Landshut, Egglkofen, und Armstorf, geräumige Maulbeerbaum-Plantagen ange¬ 
legt, auch die Seidenwurmzucht von der angeordneten Direktion sowohl, als verschiedenen 
Privatpersonen auf bestem Erfolg in verschiedenen Jahre vorgenommen worden: als wird 
zu mehrerer Aufmunterung hiemit allgemein bekannt gemacht, dass 1. diejenigen, welche 
mit Halt- und Erzieglung der Seideuwürmer sich abgeben wollen, in Zeiten, und zwar 
für dieses Jahr längstens bis Ende des Märzmonats bey der gnädigst angeordneten Seiden- 
zuchts-Direction sich melden, den bereits gesammelten Wurmsaanien allda anzeigen, oder 
bey Ermanglung dessen um Abfolglassung dergleichen geziememls ansuchen können, 
wornach man von den um die hiesige Stadt herumgepflanzten Maulbeerbäumen jedem 
nach Verliältniss dcss vorräthigen Wurmsamens so viele Bäume zur heurigen Belaubung 
gegen einen sehr leidlichen Preis an weisen, und überlassen wird, als zur Fütterung der 
Würmer erforderlich sind. Wobey man sich jedoch versiehet, dass die Belaubung mit 
Bescheidenheit vorgenonimeu, und andurcli kein Baum beschädiget, oder zum ferneren 
Wachsthum unbrauchbar werde gemacht werden. 2. Wird man durch eine besondere ge¬ 
druckte Anweisung die Art, wie die Würmer gefüttert, gesund erzogen und erhalten 
werden können, nicht nur bekannt machen, und auf Verlangen erfolgen lassen, sondern 
es ist auch 3. der in dem sogenannten Sch äfferischen Churfürstl. Plantagehaus in der Au 
w'olinende, und zu Besorgung der Seidenzucht angestellte Seidenstrümpfwdrker Lorenz 
Seyfried angewiesen, und beordert, dass er zu jenen, welche Seidenwürmer zu halten 
verlangen, ohne geringste Bezahlung von Zeit zu Zeit in das Haus gehen, und die Mani¬ 
pulation, wie mit verstandenen Würmern umgegangen werden muss, an die Hand geben 
solle. 4. Wenn die Würmer in die Coucons oder Seidenhäuslein sich wirklich eingesponnen 
haben, so stehet jedem zu Belieben, ob er solche der Direction gegen baarer Bezahlung 
überlassen, oder aber für sich selbst abhaspeln lassen wolle. Welch letzteres, da zu 
solcher Manipulation nicht jeder hergerichtet seyn, oder damit umgehen kann, durch die 
Direction dergestallt ward veranstaltet werden, dass die Abhasplung in Beyseyn jeden 
Eigenthiuners der Coucons geschehen solle. Für die an die Direction abgebende Coucons 
wird das Pfund mit 40. bis 45. kr. bezahlt: für die Abhaspelung aber zahlt jeder Eigen- 
thümer für das Pfund Seiden mit 2 fl. es ist jedoch ein- als andenvegs wohl zu merken, 
dass die Coucons vorher nach der oben angemerkten Anweisung getrocknet, und die 
darin befindlichen Würmer getödet sevn müssen. Damit aber 5. die Seidenzucht im 
ganzen Lande geschwinde und ohne grossen Kostenaufwand allgemein verbreitet werde, 
so hat man von Directionswegen die Fürsehung getroffen, dass bey den obenbenannten 
Churfürstl. Plantagen junge sowohl, als schon erwachsene Maulbeerbäume um einen sehr 
geringen Preis, und zwar von den ein- und zweijährigen das hundert per 2 fl. von den 
drey- und vierjährigen das Stück per 6 kr. und in der Folge von den 6- 8- und iojähri- 
gen das Stück per 12. und 15. kr. jährlich zu gehöriger Zeit, das ist, im Frühjahr, niassen 
die Herbstzeit hierzu nicht dienlich ist, an Liebhaber abgegeben w r erden können. 6. Die 
Spalier oder Hecken, zu deren Anlegung die ein- und zweyjährigen Bäumein gebraucht 
w'erden, sind zur P'rzieglung der Seidenwürmer von darum sehr dienlich, weil an selben 
das Blatt fruhezeitiger, als an den hochstämmigen Bäumen hervorkömmt, folgsam die 


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I IO 


Karl Otto Harz 


Würmer anfänglich ganz leicht damit ernährt, und so lang fortgebracht werden können, 
bis nachhin das Laub der hochstämmigen Bäume zu einer mehreren Vollkommenheit, 
und Kräften kommt, denn ohne habende Spalierlauben ist man allzeit bemüssiget, die 
Seidenw'iirmer um 8. bis 14. Täg später, als es sonst seyn könnte, ausgehen zu lassen, 
nichts zu melden, dass man in Ermanglung der besonders bev jungen zu schonenden 
hochstämmigen Bäumen öfters au geniiglicher Fütterung der Würmer Noth leidet. Es 
können demnach 7. Alle und jede, welche in ihren Gärten oder angehörigen Gründen 
einige Maulbeerspalier und Bäume einzusetzen die Gelegenheit haben, und andurcli zu 
baldiger Erzieglung der Seidenwürmer das Verlangen tragen, bey dem von der Direetion 
des Endes angestellten Churfürstl. Hofzahlamts-Officiauten Herr G rösch in der Hofsattlers¬ 
behausung am Ecke des Hofgrabens, oder respective der Residenz-Scliwabingergassen über 
3. Stiegen wohnhaft, sich in Zeiten melden, und all erforderliche Auskunft erholen, wor- 
nacli man ohnentstehen wird, die an verlangenden Bäume entweder aus hiesiger, oder nach 
Gelegenheit der Liebhaber aus den unterländischen Plantagen anweisen, und ausfolgen 
zu lassen. Aus diesen wird jedermann von selbst einsehen, dass die Seidenzucht ohne 
mindeste Beschwerde der Unterthanen empor gebracht werde: folgsam jedem frey stehen 
solle, mittels geringer Mühe, und nichtsbedeutendem Aufwand einen in der Folge be¬ 
trächtlichen Gewinn sich zu erwerben. 

Actum den 26. Jänner 1783. 

Churfürstl. gnädigst angeordnete Seideu-Direktion in München. 

Infolge ihrer angestrengten Thätigkeit erbaten sich die Mitglieder 
der kurfürstlich gnädigst an geordneten Seiden-Direktion vom Kurfürsten eine 
Erhöhung ihres Gehaltes, welche aber nur in naturalibus genehmigt wurde. 
Laut kurfürstl. Ordonnanz vom 30. Nov. 1783 bekamen nämlich die Mitglieder 
der gnädigst angeordneten Seidenbaukommission, „von Goldhagen, v. Kretz und 
Nepotn. v. Stubenrauch, 1 °) sowie der Aktuar und Kassier desselben Amts, 
Grosch, anstatt eines Recompens, der ihnen unterm 28. Novbr. 1781 mit 
Gnädigsten Decrets für die bei dem Seiden bau wesen leistende Verrichtungen 
in Geld gnädigst zugesagt w r orden, je 10 Klafter Buchentriftholz mit An¬ 
fang des 1783^« Jahrs gegen Ersatz des Geldbetrags ä 7 fl aus der Seiden- 
zuchtdirektions Kassa gnädigst bewilligtermassen jährlich zu genössen.“ 
Unter dem 10. Sept. 1783 wurde der Seidendirektion München noch der 
laufende Seidenwarenaccis für Seidenzuchtzwecke gnädigst bewilligt. Von 
dem 5492 Gulden betragenden Accis nimmt die Seidenbaukommission laut 
Bericht vom 3. März 1784 jedoch nur 3000 Gulden an. Zum Präsidenten der 
Generalseidenzuchtdirektiou in München war Graf Törri 11 g-G ron sf eld er¬ 
nannt und jährlich 6000 Gulden (den Zollerträgnissen auf Import fremder 
Seide entnommen) eingestellt. Ein gewisser Seyfried wurde als Filateur 
angestellt. 1 *) — Wie es scheint, wurden die frevelhaften Beschädigungen der 
Maulbeerbäume fortgesetzt, was nachstehenden „Verruf“ bedingte: 

Verruf. Es ist zwar aus der in offenen Druck gelegten kurfürstl. höchsten Ver¬ 
ordnung vom 6 tw » Hornung 1781 vorhin jedermann bekannt, was für Strafen auf die Frev¬ 
ler der auf öffentlichen Strassen, so andern Orten gepflanzten All£e-Bäume gesetzt sind: 
Da aber gemäss eingelaufenen Berichte dessen ungeachtet solche Baumfrevel schon öfters 
sträflichst unternommen worden, ohne dass die eigentlichen Tliäter ausfindig gemacht 
werden konnten. So geht die weitere gnädigste Willensmeynung dahin, dass, um die¬ 
selben desto eher in Erfahrung bringen, und nach obig gnädigsten Gesetz behandeln 
lassen zu können, einem jeden Aufbringer solcher Frevler nach gründlich gemachter An¬ 
zeige nebst Verschweigung seines Namen ein Recompens von 30 fl. verreicht werden, und 
also selber sich hierum bey der Ortsobrigkeit melden solle, welche hiemit angewiesen 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


111 


wird, diessfalls in geheim behörig untertänigsten Bericht zur kurfürstl. oberen Landes¬ 
regierung zu erstatten. Uebrigens ist gegenwärtiger Verruf aller Orten publiciren, und 
affigieren zu lassen. Gegeben in der Kurfürstl. Haupt- und Residenzstadt München 
den 23^0 Decembris 1783. 

Kurpfalzbaierische obere Landesregierung 

Johann Georg Kroiss. 

Nach einer 1784 vorgenommeuen Zählung waren nachfolgende Maul¬ 
beerbaum stocke in und utn München vorhanden: 

Auf dem Rainpart. 291 Stück 

Auf dem Obermayr Graben bei Neuhaus. 76 „ 

Auf der Kattunbleich. 52 „ 

Zur Disposition der Seidenbaukommission zu Nymphenburg: 

a) Hochstämmige. 75 ,, 

b) Spalierbäume.2000 „ 

in Summa 2494 Stück 

Die früher angeblich vorhandenen grossen Bestände waren sonach schon 
bedeutend reduziert; im Jahre vorher befanden sich (bez. waren auf dem Papier 
vorhanden) auf dem Rampart noch 1947 Stück Mori. Es waren sonach inner¬ 
halb eiues Jahres 1656 Stück abhanden gekommen. Ungewohntes kaltes 
Klima, übermässige Entlaubungen und mutwillige Beschädigungen können 
allerdings auch wesentliche Opfer verlangt haben. Schon im Frühjahr 1783 
waren 104 Stück ersetzt (u ach gepflanzt) worden; auch scheinen die bei den 
Kulturen angestellten Gärtner mehr auf ihren Vorteil, als auf den des Staates 
bedacht gewesen zu sein. Ueber Trunkenheit wurde allgemein geklagt. Der 
Gärtner Am and E varist Prillsauer, kaum bei der Plantage angestellt, 
reichte im März 1784 ein Bittgesuch ein, mau möge ihm erlauben, „in der 
ihm angewiesenen Wohnung, in der auch ein Keller sich befinde, darin so 
viel Wein einlegen zu dürfen, dass er, im Fall einige Personen zur Besichtigung 
der Plantage von Zeit zu Zeit verkehren würden, dieselben damit bedienen 
köunte.“ Das Gesuch wurde d. d. 17. April 1784 einfach abgewiesen. Im 
gleichen Monate (30. IV. 1784) macht die Seidenbaudirektion der Kommaii- 
dantschaft abermals die Anzeige, dass heuer wiederum nur die mit einem 
Billett versehenen Individuen Laub holen dürfen, und bittet, doch ja alle 
Baumfrevler durch die wachhabenden Soldaten in Arrest nehmen zu lassen. 

Ein ganze Reihe von Akten aus diesem und dem folgenden Jahre be¬ 
schäftigen sich mit der Bepflanzung des Rampart mit Maulbeerbäumen. Die 
damit betrauten Gärtner setzten die Bäume nach Gutdünken an die von ihnen 
beliebten Plätze. Die Kommandautschaft aber liess die ihr unbequem ge¬ 
setzten wieder entfernen bez. herausreissen, wobei selbstverständlich die Soldaten 
da und dort auch nicht Erforderliches leisteten. Die Kommandantschaft 
(Platz Hauptmanu Adam Nagel) setzte es, um die Streitigkeiten aus dem 
Wege zu räumen endlich durch, dass zum Setzen „künftighin“ ein Ingenieur 
beigegeben wurde, welcher die Plätze zu bezeichnen hatte, an welche die, 
auch dem Militär unbequem gewordenen, Bäume gesetzt werden durften. Am 
i7 ten Februar 1784 wurde auch das vor dem Neuhauser Thor gelegene 4 Tag¬ 
werk grosse, dem Sekretär Auerbach gehörende Anwesen: Haus, Garten 


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I 12 


Karl Otto Harz 


und Zubehör für 7300 Gulden zur Errichtung einer Seidenplantage ange¬ 
kauft. Der dazu erforderliche Zaun kostete 304 Gulden 24 Kreuzer; noch ge¬ 
nehmigte der Kurfürst allergnädigst im Sept. 1784 einen Steften, im Juni des 
folgenden Jahres noch weitere 3 Steften Wasser für diese Anlage. Inzwischen 
war die Zahl der um das Wohl der Würmer und Pflanzen besorgten und be¬ 
schäftigten Personen sehr stattlich geworden. Zunächst die Seidenbaukomniission 
aus Präsidenten und hohen Räten nebst dem deren Befehle vermittelnden 
Aktuar Grosch. Letzterer und das ganze abwärts rangierende Personal hatte 
natürlich freie Dienstwohnung und andere Nutzniessungen in den Plantagen. 
Zu diesen niederen gehörten: Zur Fütterung der Seidenwürmer Lorenz 
Seyfried, als Spinnmeisterin Violetin, als Gärtner Prillsauer und dessen 
Weib, ein Tagwerker Lang und dessen Weib. 

Diese wurden vor dem Neuhauser und Sendlinger Thor auch vom 
„Spörr-Geld frey“gehalten. — Sodann Gärtner JakobKobustull in der Ere¬ 
mitage. Gärtner Johann Reber auf dem Rampart und der Cotton-Bleich. 
Gärtner Wolf gang Reitlimayr in Both. Im Unterland befanden sich: 
S. Excellenz Joh. Nepom. Reichsfreiherr v. Dacksberg, Vicedom zu Lands¬ 
hut qua Oberinspektor. Friedrich Zachow Seidenzucht-Inspektor zu Lands¬ 
hut, und Revier., ferner 2 Tagwerker und drei Gärtner: Friedrich Karl 
Schneider Gärtner zu Burghausen, Ignaz Dirr Gärtner zu Egglkofen, 
Georg Weigl, Gärtner zu Eggeufelden. Endlich findet sich noch vom 
Jahre 1784 ein Memorial, ohne Unterschrift, an die hochlöbliche Landschaft, 
in dem hervorgehoben wird, dass die Maulbeer- und Seidenzucht in Bayern 
möglich und gewinnbringend sei; es fehle aber immer noch an der Haupt¬ 
sache, am Futter, welchem Uebelstande man abzuhelfen sich erbiete. Petent 
ersucht um 2000 Gulden zur Anlage einer Maulbeerplantage, die ihn selbst 
5000 Gulden kosten werde. — Ueber das Schicksal dieser Schrift und deren 
Autorschaft war nichts zu ermitteln. In diesem Jahr 1784 wurde zu München 
das im kurfürstlichen Höf garten stehende Filatorium-Gebäude repariert und 
ein Incanatorium errichtet und beides unter Leitung des Seidenfabrikanten 
Bartholomeus Grappai gestellt. Es sollte daselbst für die Kaufmann¬ 
schaft und die Posamentierer gearbeitet werden. Ein Mann musste dazu ver¬ 
schrieben und ihm jährlich 200 Gulden Gehalt aus der Seidendirektionskassa 
bezahlt werden. Dem Grappai wurden für die Direktion Recompensen aus 
den jährlichen Einkünften in Aussicht gestellt. Der daselbst wohnende Hof¬ 
kammerrat und Galerieinspektor Dorn er 12 ) musste die dazu erforderlichen 
Räume abtreten (und schliesslich, am 8. April 1786 ganz räumen). Grappai 
betrieb jedoch die Sache schlecht, d. h. nur zum eigenen Vorteil, und gründete 
eine „Seidentüclielfabrik“ auf Aktien. 

Im Jahr 1785 erteilte der Kurfürst zur Förderung der Seidenindustrie 
diesem von Tirol ein gewanderten Seidenweber Grappai ein Privilegium auf 
die Herstellung seidener Taschen- und Halstücher, womit auch die steuer¬ 
freie Einführung von Rohseide und steuerfreie Ausfuhr der von Grappai 
fabrizierten und gestempelten Hals- und Taschentücher verbunden war. Dieses 
Dekret lautet: 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


* 113 


Höchst-landeslierrliche Verordnung. 

Nachdem Seine Churfürstl. Durclil. zu Pfalzbaieru etc. etc. dem untertliäuigst 
eingelangten Bart hol me Grappai, Höchst dero aufgestellten Seideu-Filatoriumsmeister 
allhier in Rücksicht seiner angerühmt auch bereits bewiesenen grossen Fähigkeit, und 
besitzend sonderbaren Kenntniss ein Privilegium zu Fabricirung der seidenen Hals- und 
Sacktücher zu ertheilen mildest geruhet; So haben Höchst dieselben zu nöthiger Be¬ 
günstigung dieser von ihm Grappai neu anlegenden Fabrique nachfolgend landesherrl. 
Verordnung zu jedermanns Wissenschaft, und gehorsamster Nachahmung in Druck zu 
legen gnädigst befohlen, und zwar I1110 sollte auch in Zukunft noch zwar die Einfuhr 
fremd seidener Hals- und Sacktüchern jedermann unverwehrt sein: doch müssen diese 
2do bey keiner andern Station als bey dem Gränz-Mautamt Friedberg eingeführt, und 
von da aus zum Hauptmautamte München überliefert werden, wesswegen all anderweite 
Einfuhr und Abstoss sub poena Confiscationis hiemit verbothen wird. 3tio Von dieser 
einführend fremden seidenen Hals- und Sacktüchern hat gehörtes Haupt-Mautamt Mün¬ 
chen sechs Gulden zur Consumo-Accis-Gebühr pr. Pf. jederzeit baar einzubringen, auch 
zu jed solch vomehmender Behandlung ihn Grappai vorzuladen, welcher sodann oder 
persönlich, oder mittelst eines Abgeordneten der Auspack- und Abwägung, wie auch der 
Bezahlung der Accisgebiihr behörig beyzuwohnen: die Waaren neben dem Mautämtlichen 
— auch mit seinem Fabrique — Stempel zu bezeichnen: Die Accis-Polleten zu Contra- 
signiren, und über alle solche Behandlungen ein besonders Manual zu führen hat. 
4to Mag mit sothauen fremden seidenen Hals- und Sacktüchern in Zukunft kein Markt 
mehr in den Landen zu Baiern auf Losung gebauet werden, sondern es ist von denen- 
jenigen, welche einen dergleichen Markt mit sothanen Waaren beziehen wollen, neben 
Beobachtung dessen, was aber § 2 wegen der Einfuhr verordnet worden, die treffende 
Constnno-Accisgebühr ohne Nachborg, auch ohne zu hoffenden Rückzoll hievon gleich 
baar zu entrichten. 5to Müssen zu Vermeidung besorglicher Unterschleife alle bey denen 
in den Landen zu Baiern ansessigen Handelsleuten und Krümmern vorhandene ausländische 
seidene Hals- und Sacktücher in Zeit 14 Tagen a Dato Publicationis gegenwärtig gnädigster 
Verordnung, auf das allhiesige Hauptmautamt gebracht werden, von welchem, wie auch von 
dem Grappai oder dessen Abgeordneten in Gemässheit obig §. 3. ordentlich zu plom- 
biren, respective zu Contraplombiren, folglich jene aus solchen, welche ohne dieser Plombir- 
und Contraplombirung in Zukunft erscheinen werden, für eingeschwärzt anzusehen und 
ohne weiters zu coufisciren sind. Endlich und 6to wollen mehrgedacht Se. Churfl. Durchl. 
etc. etc. ihm Grappai die zu dieser seiner Fabrikatur benöthigt rohe Seide frey herein: 
ebenso auch dessen hieraus fabricirt und mit dessen Fabriquen-Stempel bezeichnete seidene 
Hals- und Sacktücher Essito-Accis frey ausser Lands passiren lassen, versehen sich aber 
beyuebeus gnädigst, dass er Grappai keine andere als Zugseide herein bringen, und 
dessen Bearbeitung Höchst dero hier etabliren Filatorium zu wenden: folglichen sich bey 
Hereinbriugung sothaner Seide von Beypackung all anderer Waaren sub poena Confiscationis 
enthalten werde. Gegeben in der Churfürstl. Haupt- und Residenstadt München am 
2S t «‘» Monatstag Jutiy im Jahre 1785. 

Ex comissione sereniss. Dni. Dni. 

Ducis et Electoris speciali. 

Lic. Ignaz Josef Wäger, 
kurpfalz-baierische obere Landesregierungssekret. 

Mau hatte schon hin und wieder die Beobachtung gemacht, dass in¬ 
folge von Kälte und unverständiger Entlaubung die Maulbeerbäume ausser¬ 
ordentlich Schaden gelitten, daher erliess die Generalseideuzuchtdirektion 
München für das folgende Jahr nachstehende Verordnung: 

Nachdeme man anheur verfiegt, dass sammentliche Maulbeer-Bäuine auf dem 
Rampart wegen der einige Jar — hero durch die Kälte erlithenen Beschädigung pro 1786 
mit der Belaubung verschont bleibe, damit sie sich widerum erhoben, und auf ferner 
Bayer. Forschungen VII, 2 8 


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114’ Karl Otto Harz 


Jahr destomehr nutzbar gemacht werden können, so ist eben der Wunsch, dass auch 
Iliro Durchlaucht die verwittibte Frau Frau Kurherzogin in Bayern mit denen bisher 
auf den Kapuziner Graben vorbehalteuen Maul beer-Bäu men ein gleiches zu verfiegen 
Gnädigst geruhen möchten. 

Act. ißten November 1785 Kurfürstl. Gnädigst Verordnete 

General-Seidenzucht-Direktion München. 

Daneben findet sich folgende, die damaligen Zustände wohl charakte¬ 
risierende Randbemerkung der Kurfürstin-Witwe Maria Anna (f 1797) zu 
München: 

„Nachdem ich mich bey dem Churfürst selbsten angefragt und von Seiner 
Durchlaucht erfahren, dass dieses mandat ihnen nicht allein gänzlich unbekannt wäre, 
sondern sehr befremdete, auch niemals gehört hätte, dass bäume ausrasten; also werde 
ich wie sonsten die blätter benutzen, bevor selbe dürr vom bäum abfallen, doch mit der 
behutsamkeit, dass kein ast letirt wirdt.“ 

den 23. December 1785. Maria Anna. 

Von Privatimtemehmungen in der Seidenzuclit ist nur ein Fall zu 
verzeichnen. Es weisen nämlich die Akten des bayerischen Generalkomites 
eine Seidenzuchtrechnung der frei herrlichen Lerchenfeld sehen Guts¬ 
herrschaft zu Ammerland, Hofmarken Aham und Greilsberg, vom Jahre 1785 
auf, welche von dem damaligen Hofmarksgerichts- und Oekonoinie-Verwalter 
Joseph Benedikt Rein hardstöttner 13 ) gestellt worden ist. Es wurden 
für 200 hochstämmige und 2000 Charmillen-Bäume von München 50 fl. aus¬ 
gelegt. Ein gewisser Zimmer wurde zur Erlernung der Seideuzucht zweimal 
nach Landshut geschickt, und erhielt dieser 36 + 40 Kreuzer = 1 fl. 16. kr. 
Der Kurfürstl. Seideninspektor Zachow wurde zur Besichtigung dieser 
Lerchenfeldsehen Seidenplantage gebeten und erhielt dafür ein Douceur 
von 7 Gulden 20 Kreuzer. In den Hofmarken Aham und Greilsberg wurden 
im ganzen 120 fl. 19 kr. für Maulbeerpflanzung ausgegeben. Von Eiern oder 
von irgend welchen Zuchtresultateu ist jedoch der Nachwelt nichts über¬ 
kommen. 1786 erliess die Generaldirektion an ihre an den kurfürstlichen 
Maulbeerplantagen Angestellten eine General-Instruktion über die An¬ 
legung der Saatbeete, das Aussäen der Samen, die Anlage der Plantagen, 
die Behandlung der Maulbeerbäume; den Schnitt der Hochstämme, im ersten, 
zweiten und dritten Jahre; über die Pflanzung, Wartung und das Schneiden 
der Maulbeerbaumhecken in den drei ersten Jahren. Auch erliess diese 
Seidenzuchtdirektion abermals eine Mitteilung, der zufolge die Schonung 
der Maulbeerbäume als dringend notwendig hingestellt wurde. Dieselbe lautete: 

„Avertissement.“ 

„Mau findet sich in die notliwencligkeit versetzt, denen Liebhabern der Seiden¬ 
zucht anniit erörtern zu lassen, dass in dem bevorstehent 1786ist Jar kein auf dem Ratn- 
part stehend Maulbeerbaum zur Belaubung gelassen werden kann. Die 2. Jare nach 
einand gefolgte strenge Kälte ist die Ursach und jeder einsichtsvolle wird selbst erkennen, 
dass die Bäumen beschädigt worden und deren Kräfte wieder zu erhöhen Zeit haben 
müssen, in dem sogar im Ausland, wenn auch die Kälte keinen schaden hieran verursacht 
indem auch der Maulbeerbaum nicht allejahre zur Benuzung genohmen, sondern bis auf 
ein ßtes verschonet wird in der Seidenzucht. Die Liebhaber mögen sich daher hiernach 
achten und ihre allenfalls in dem I785ten Jar erzeugten Wurmsaam der Direktion einlifern, 
wogegen man sye versichert, dass der Entlaubung der Bäume auf das I787te Jahr sicher 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


115 


vorgesehen wird, sye auch der liehmlichen Quantität und Güte der eingelieferten Samen 
entgegen gratis versehen werden sollen.“ 

Die Seidenzucht-Direction 

4 mahl dem Zeituugsblatt gez. v. Stubenrauch. 

zu inserieren, und zwar im 
Monat Jäner 

Febr. 

Merz 

April 1786. 

Inzwischen hatten die Gärtner sich fortgesetzt bei der Generalseiden- 
kommission über ihre geringen Bezüge und die viele Arbeitsüberbürdung be¬ 
klagt, sodass dieselbe sich veranlasst sah an den Kurfürsten zu berichten, 
dass sie „die Wehemu th und Armseligkeit der an gestellten Seidenbaugärtner 
nicht mehr bergen könne; sie können mit Weib und Kind von den 150 Gulden 
Jahresgehalt nicht existiren.“ Die Kommission ersuchte, denen in München 
jährlich 4 Klafter, denen in Landshut und Bogenhausen jährlich 3 Klafter 
gewöhnliches Ländholz zu gewähren. — Infolge dieser Eingabe bekamen die 
beiden Gärtner zu München von Sr. Durchlaucht jährlich vom Jahre 1786 ab 
,jeder 4 Maas feiclitenes Triftholz, und die zu Landshut und Burghausen 
jeder 3 Klafter gewöhnliches derlei Ländholz, zur ferneren Aufmunterung 
und besseren Subsistenz mildest verwilligt.“ 

Unter den Maulbeergärtnern war namentlich Amandus Prillsauer 
der Unordentlichsten einer. Am 21. Juli 1786 berichtete die Generalseidenbau- 
kommission an den Kurfürsten, dass sie demselben schon viele Ermahnungen etc. 
habe zukoinmeu lassen müssen. „Täglich gibt es mit ihm Tumulte, Schimpfungen, 
Subordinationswidrige Führung, beständige Trunkenheit.“ Sie bittet, ihn zu 
entlassen. Am 5. August 1786 wird von Serenissimo der Kommission auf¬ 
tragen, den Prillsauer zum letzten Male zu verwarnen. Solches geschah 
denn auch am 26ten August. — Eine Zählung der Bäume ergiebt zu Ende des 
Jahres in der kurfürstlichen Plantage vor dem Neuhauser Thor 31600 Stück 
Maulbeerpflanzen, und Gärtner Prillsauer spricht von 20000 Stück Pflanzen, 
die er abgebeu könne. Im Frühjahr 1787 ergaben sich, wie es scheint, auch 
schon in früheren Jahren, Schwierigkeiten im Pflücken der Maulbeerblätter. 
Es ist nämlich von besonderer Wichtigkeit, dass dieselben möglichst frisch 
und trocken, in nicht zu grosser Menge auf einmal gepflückt werden. Am 
besten ist es, die zur Raupeufütterung erforderlichen Quantitäten in zwei bis 
drei Tagesrationen je frisch zu holen. Nun wollten aber die Gärtner nicht 
erlauben, dass die „Wurmfütterin“ selbständig und nach Bedarf die Blätter 
hole, sondern nur sie allein hätten das Recht, die Blätter zu pflücken, und 
meinten, auf einmal und vielleicht schon Tags vorher sei es vollkommen 
genügend, w r enn das Futtermaterial geliefert werde. Auch kam es vor, dass 
einmal einen halben oder ganzen Tag gar keine Blätter geliefert wurden und 
die Raupen inzwischen hungern mussten. Einige erlaubten sich auch, das 
kurfürstliche Laub zu eigener Seidenraupenzucht zu benützen. Infolge dessen 
erschien im Mai 1787 eine Nota der Generalseidendirektion an den Gärtner 
Johann Röber folgenden Inhaltes: 

8 * 


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116 Karl Otto Harz 


Zur heurigen Seidenzucht und hiermit verbundenen Baum belaubung ist folgente 
Ordnung, bei Vermeydung der Dienstentsagung unveränderlich und pünktlich zu halten 
bestimmt. 

1. mo korat durch die 2. Gärttner-jungen, dass Laub, und am mindesten durch 
eine ander Persohn zu pflicken zu ihrem Verdienst giebt man denen selben solang solche 
arbeit andauert täglichen Lohn 18 kr. und zu ihrer Legitimation und Vorzeigung bei 
denen ausgestellten Wachtposten jedem ein Pilliet, welches bey der Direction zu morgen 
jeden tags von ihnen abgehollt, und zu abents wieder dahin eingeliefert werden muss. 

2. do. Die Laub sollen jedesmall zur Plantage directe nicht nass oder staubig, 
und auch in der neml. Quantität geliefert werden, wie es von Tag zu Tag erforderlich wird, 

3. tio. Ist dem'Gärttner eigene Würm zu halten gänzlich verboten, und so auch 

4 to. Am allerwenigsten erlaubt, iemand ander heimlicher weis einiges Laub zu 

überlassen, oder selbst zu liefern. Act. den 19. Mai 1787. 

Die Gen. Direktion. 

Eine Note der Generalseidendirektion hebt hervor, dass das Seiden - 
zuchtfixum jährlich nicht mehr als 6000 fl. betrage; hievon sollen alle Aus¬ 
gaben; Besoldungen, Stiftgelder, Kapitalsfristen, Taglöhner, Reparatur der 
Filatorii und incanatorii, Wurmzucht etc. zu München, bei der Plantage, 
Ranipart, Landshut, Rhain und Burghausen bestritten werden. Die Direktion 
bittet unter dem 15. Febr., sowie d. 24. April 1787 um Erhöhung des Fonds 
auf weitere 2000 fl., also auf 8000 fl. im ganzen. Diese gewünschten 2000 fl. 
werden laut Dekret Serenissimi vom 20. Juni 1787 auf 6 Jahre hin aus dem 
Tobacs Certificaten Fond genehmigt. — Die beständigen, z. Z. ohne Genehmigung 
Serenissimi getroffenen Erweiterungen und Kostenvermehrungen, Streitigkeiten 
des Personals u. dgl. scheinen aber dem Kurfürsten allmählich zu bunt ge¬ 
worden zu sein, zumal die Seidenerträge, wofern von solchen überhaupt ge¬ 
redet werden kann, sich auf ein Minimum beschränkten. Daher befahlen 
Serenissimus in einem Schreiben vom 20. Juni 1787 der General sei den- 
direktion ernstgemessenst, „dass dieses Institut im geringsten nicht mehr 
erweitert, sohin weder durch Errichtung einer ferneren Plantage, noch Auf- 
nehmung eines weiteren personals ohne vorläufig höchster Beguehmigung zu 
grösseren Koste, Aufwand mehr Anlass gegeben werde, und gebe anbei dem 
Ermessen gedachter Direktion lediglich anheim, wie der mit dem Tit. Grafen 
von B er ehern in Burghausen getroffene Stifts-Contrakt bei ohnehin uner¬ 
füllte Bedingnissen abzuändern oder gänzlich zu annuliren seyn möge.“ Mau 
suchte namentlich Klöster, Adelige und sonstige grössere Grundbesitzer für 
die Seidenzucht zu engagieren, jedoch trotz aller Ermahnungen und „Auf¬ 
munterungen“ mit sehr geringem Erfolge. Man behauptete höheren Ortes, dass 
es doch gleich sei, ob die Klosterherrn und andere Geistliche unter Maulbeer¬ 
bäumen oder unter anderen Bäumen spazieren gehen, und da wäre es doch ange¬ 
zeigter, jene zu setzen, zumal sich später eine so grosse Rente durch Seidenzucht 
ergeben würde. — In Wirklichkeit war es jedoch zunächst nur darauf abgesehen, 
durch den Verkauf möglichst zalilzeicher Maulbeerpflanzen, Gelder einzunehmen. 
Aus Zusammenstellungen der Jahre 1783 bis 1790 ergiebt sich, dass Freiherr 
Joseph von Franken auf Dürckensee, Langenfeld und Inzing im Herbst 1787 
30 Stück, im Frühjahr 1788 24 Stück und 1790 50 Stück Maulbeerbäume 
(aus Landshut) einpflanzen Hess. Die ganze Ausbeute bestand darin, dass er 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


117 


im Jahre 1790 am 20. Februar an eine „wohllöblich Patriotisch Oeconomische 
Gesellschaft“ in München 2 Strähne selbstgewonnener Seide zur Ansicht 
schicken konnte. — Im Jahr 1783 wurden aus der Münchener Plantage an 


31 Liebhaber, Klöster und Institute abgegeben: 

6 und 8jährige Maulbeerbäume ä 12 —15 kr. 32 Stück 

3 und 4 „ „ ä 6 kr. 55 1 

1 und 2 „ „ das Hundert zu 2 fl. . 2850 „ 

in Summa 3433 Stück, 


wofür 119 Gulden 6 Kreuzer erlöst wurden. Hauptabnehmer der jungen, 
selbst geziegelten Bäume blieben immer die kurfürstlichen Plantagen selbst. 
So wurden aus den Pflanzschulen im Jahre 1785 angeblich 10000 Stück 
hochstämmige und 100000 Stück Spalierbäume an jene abgeliefert. Für das 
Jahr 1786 hatten die Gärtner 20000 Hochstämme und 200000 Spalierbäume 
und für das Jahr 1787 sogar 40000 Hochstämme und 400000 Spalierbäume 
(natürlich nur auf dem Papier) sicher abzugeben. Unter dem 11. September 1787 
wurden folgende Maulbeergärtner und Seidenbeflissene nebst Bezügen auf¬ 
geführt : 

Heinrich Zachow, Seidenzucht- und Strassen-Inspektor, bisher in München, 
kommt jetzt in gleicher Eigenschaft nach Arnberg. Er bezog anfangs 300 Gulden, seit 


dem 10. September 1783 aber 600 Gulden Jahresgehalt. Sodann 

1. Röber, Rampart Gärtner. Gehalt nebst Logis.250 fl. 

2. Plantage Gärt. Prillsauer, hier. Gehalt nebst Logis .200 „ 

3. „ „ Schneider, Burghausen. Gehalt nebst Logis . . . 200 „ 

4 - „ „ Dürr, Landshut. Gehalt nebst Logis.200 „ 

5. „ „ Rhain (ledig). Gehalt nebst Logis.180 „ 

6. Erste Spinnmeisterin .— „ 

7. Zweite Spinnmeisterin, Hesse rin zu Landshut jährlich.48 „ 


Ein Wurmfutterer Seyfried wird d. 26. 6. 1784 auch mit 50 fl. Jahresgehalt 
notiert. 

8. Die Spinnmeisterin Violetin bezog von 1786, Sept. an, jährl. 300 fl. nebst 
freier Wohnung, die sie hier oder in Landshut beziehen kann. 

9. Seidenzeugmacher Grappaj im Filatorium d. d. 4. August 1784. 


Die Gesamtkosten der Seidenbauversuche betrugen' nach einer Zu¬ 
sammenstellung vom Jahre 1787, von 1782 bis 1786 für Landshut und München, 
samt Filatorium, Dienerschaft etc., wie folgt: 


Einnahmen d. h. vom Chur¬ 
fürsten bewilligte Gelder: 


1782 . 4548 fl. 18 kr. 

1783 . 5446 „ 38 l l * „ 

1784 sammt Rest von 1783. 11073 „ 53 1 /« „ 

1785 .. » 12047 „ 4U/4 „ 

1786 „ 8900 „ 47* „ 


Ausgaben: 

4735 fl- 257* kr. 
3492 „ 41 7 * n 
9940 „ 44 V« „ 
10236 „ 42 

8478 „ 58 


42016 fl. 35V« kr. 32884 fl. 31 7i kr. 


Diesen Ausgaben gegenüber stehen die Resultate, d. h. die gewonnene 
Seide in keinem günstigen Zusammenhänge, wie nachfolgende Zusammen¬ 
stellung des Generalseidenkommissionssekretärs Grosch ersehen lässt, welche 
er Serenissimo submissest zu unterbreiten hatte. Sie lautet: 


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Karl Otto Harz 


118 

Anzeige 

der in den Jahren 1782 bis 1787 in Bayern erzigleten Seiden: 

Zugseide ' Floretseide 


1782 die Zugseide siehe 1783 

.— 

Pfd. 

— Loth 

1 

Pfd. 

14 Eoth 

1783. 

. 9 

„ 

— „ 

6 

n 

16 „ 

1784. 

. 8 

n 

30 „ 

1 

>» 

26 

1785 . 

. 4 


17 >> 

2 

*> 

9 v. „ 

1786 . 

. 4 

u 

27 

5 


6 '/« „ 

1787. 

.— 


20 „ 

— 

>> 

J» 


Summa 27 

"PfdT 

30 Eoth 

17 

T‘fdT 

8 Eoth 


Dazu folgt nachstehende 

„Anmerkung. 4 Pfd. 27 Lotli feine Seide sind 1786 zu Führhäng in der Gloriet 
zu Eandshut für die Frau Prinzessin umgearbeitet worden, welche 40 Ellen Taffet gegeben 
haben, und so ist weiters bewusst, dass für Seine Churfürstliche Durchlaucht zwey Dutzent 
seidene Schnupftücher von vorspecificirter Seide gemacht Worten.“ 

Not: 13. Aug. 1788 Secr. Grosch. 

Für das Jahr 1788 wurde von Serenissimo abermals eine Kostenüber¬ 
sicht von der Generalseidenkommissiou verlangt. Dieselbe wurde in nach¬ 
folgender Weise geliefert: 

I. Jährlicher Bond: 


Aus der Eandesökonomiekasse.3000 fl. 

Aus dem Hofzahlamt.3000 „ 


Aus den Tabaks Certificatis, die aber noch nicht flüssig . 2000 „ 

Also vorläufig noch 6000 fl. 


II. Ausgaben: 

Die drei Rätlie.420 fl. 

Der Secretär.230 „ 

Wurmfutterer.300 „ 

Hauszins.50 ,, 

Erste Spinnmeisterin.300 ,, 

Zweite „ .48 » 

Inspektor Zachow Sold.326 „ 15 kr. 

Gärtner zu Eandshut.200 „ 

Filatroriimeister.200 ,, 

Gärtner K obustu 11 emeritus.248 „ 

Für Holz . . . . .-. 8 „ 

Von 2. zu 2 Jahr Kleidergeld 25 fl. 12 „ 30 kr. 

Rampartgärtner Röber Sold.250 ,, 

„ „ Hauszins. 45 .. 

Plautagegärtuer Sold (ist von 1788 an cassirt).200 „ 

,, zu Rhain (ist von 17S8 an cassirt) . . . 180 „ 

„ „ Burghausen.200 ,, 

Both Reithmayer Sold . . . . ._24 _ 

Summa der Besoldungen 3241 fl. 45 kr. 

Jährl. Kapitalziusen etc. 5 10 » 48 kr. 

„ Stiftgelder.190 „ 

Arbeitslöhne auf dem Rampart München.670 ,, 

„ Münchener Plantage incl. Häuser etc. Repa¬ 
raturen .7 11 » 

„ Laudshuter Plantage.360 „ 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


119 


Arbeitslöhne Burghausen ..1500 ,, 

„ Plantage Rhain.600 „ 

Filatorium mit Maulbeer- und Wurnisamen.136 ,, 

Reisekosten. joo „ 

Gemeine Ausgaben etc.40 ,, 


Summa Summarum 5799 fl. 33 kr. 

Endlich sei noch bemerkt, dass am 19. Oktober 1787 ein Befehl Sere¬ 
nissimi erschien, gegen die Trunkenheit der Maulbeergärtner mit aller Strenge 
vorzugehen und ihnen nochmals zu bedeuten, dass sie bei erstmaliger Wieder¬ 
holung unnachsichtlich aus Gehalt und Dienst entlassen werden. Einer der¬ 
selben, Amandus Prillsauer, Maulbeergärtner an der Plantage vor dem 
Neuhauser Thor war bereits am 17. September d. J. wegen Trunkenheit» 
Faulheit und vielseitiger anderer Unregelmässigkeiten ohne Pension wegge¬ 
schickt worden. In der Motivierung vom 1. Oktober 1788 an den Kur¬ 
fürsten heisst es: „als incorrigibler Mann, wegen vielfacher Berauschung, ist 
des öfteren schon mündlich und schriftlich früher gewarnt und ermahnt worden; 
hat den Seidenzuchts-Directions-Secretair tit. Grosch (seinen direkten Vor¬ 
gesetzten) zu Nachtzeit angegriffen und subordinationswidrig gemisshandelt.“ 
Indessen wird in demselben Berichte wieder zu seinen Gunsten beim Kur¬ 
fürsten interveniert, indem es heisst: „Da er nun ein eralteter, armer und zum 
ferneren Arbeiten untauglicher Tropf ist, dürfte er doch, um nicht im Elend, 
gar zu verhungern, des gnädigsten Mitleides zu einem resp. jährlichen Almosen 
würdig werden.“ Es wurden ihm sodann allergnädigst jährlich 15 Gulden 
vom Kurfürsten bewilligt. 14 ) — Unter dem 23. November 1788 erschien ein 
Dekret Serenissimi, wornach alle Unkosten, auch die der Gärtner, aus einem 
der Seidenzuchtdirektion überwiesenen fundo zu bestreiten seien. Mit Ende 
des Jahres sollen auch die bisherigen Naturalbrennholzabgaben an die Maul¬ 
beerplantagengärtner abgeschafft sein. [Sie hatten bisher 200 bis 250 Gulden, 
4 Maas Fichten triftholz (Dekret vom 23. Okt. 1788 u. 17. Febr. 1789) und 
alle zwei Jahre eine Kleidung.] 15 ) — Unter dem 5. April 1788 stellt die Ge¬ 
neralseidendirektion dem Kurfürsten submissest vor, dass sie mit 6000 Gulden 
die Plantagen nicht im gehörigen und wünschenswerten Stand halten könne, 
und dass bereits eine Überschreitung von 4021 Gulden vorliege. Auch führt 
die Generalseidenbaudirektion den 11. April 1788 bei der Kommandantschaft 
Klage, dass fortgesetzt Maulbeerbäume auf dem Rampart beschädiget werden, 
trotzdem die Wachen überall ausgestellt wären, und bittet um Verschärfung 
der Befehle. Endlich fühlte sich in diesem Jahre noch ein Herr D’Erouvray 
bemüssigt, an den Kurfürsten und an den Finanzminister von Oberndorff 
mehrere Memoirien über Seidenbau zu richten; wohl in der Erwartung, seine 
Kenntnisse über Seidenzucht in Bayern lohnend verwerten zu können. Er 
meinte, dass es vorderhand mit den beiden Plantagen München und Landes¬ 
hut genügend sei; denn schon in der letzteren allein könne man 20000 Bäum- 
gut unterbringen. Seine Vorstellungen scheinen keinen Erfolg gehabt zu 
haben. — Im September 1788 bestimmte die Generalseidendirektion, dass Maul¬ 
beersamen ausgesäet werden sollen in Landshut 6 Pfund, Straubing 2 Pfund, 


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120 


Karl Otto Harz 


München 4 Pfund 9 Loth, Summa 12 Pfund 9 Loth. An Exzellenz Graf 
Seefeld-Törring wurden im April 1788 aus der Münchener Plantage 
7000 Stück zweijährige Maul beerpflanzen abgeliefert. Was die in diesem Jahre 
erhaltene Seide betrifft, so scheinen von Privaten 8 Pfund 28 Loth derselben, 
teils Strangseide, treils Trama, teils Pedelotte gewonnen worden zu sein. Die 
Ernte der kurfürstlichen Plantage betrug in toto 12 Pfund 31®/* Loth Rein¬ 
seide und 6 Pfund 15 Loth Floretseide, wie nachfolgende, vom Sekretär 
Grosch hergestellte Übersicht ergiebt: 

1788 lieferte 

Wurmfutterer Seyfried 60 Pfund Cocons.60 Pfd. 

Davon wurden 2000 Stück im Gewicht von 9 Pfd. 12 Loth zur Eierge- 

winnung verwendet.ab 9 Pfd. 12 Loth 

Restiren sonach 50 Pfd. 20 Loth 

Diese gaben beim Abhaspeln 46 Stränge im Gewicht von 3 Pfd. 7*/« Loth Reine 
Seide, sowie 2 Pfd. 31 Loth Floretseide. 

Da im selben Jahre in Landshut 9 Pfd. 24 Loth Seide und 3 Pfd. 16 Loth Floret¬ 
seide gewonnen wurden, so hat ganz Bayern gezigelt 12 Pfd. 31 */♦ Loth Reine Seide und 
6 Pfd. 15 Loth Floretseide. 

Die Beteiligung der Unterthanen an den Bestrebungen des Kurfürsten 
zur Hebung der Seidenzucht war bisher eine ganz unerfreulich geringe. Man 
hatte Seidenspinner und Seidenhaspler, Seidenfärber und Seidenweber im Lande, 
aber keine einheimische Seide. Trotz aller Aufmunterungen wollte niemand 
an die Hebung der neu introduzierten Industrie schreiten. Weder Adel noch 
Klöster oder Pfarrer, noch Bürger oder Bauer schickten sich an, auch nur 
für die Grundlage des Seidenbaues, den Maulbeerbaum, besorgt zu sein, und 
doch standen hunderttausende dieser wertvollen Pflanzen (wenigstens nach 
Angabe der Gärtner) in den kurfürstlichen Plantagen und harrten des Ab¬ 
satzes gegen mässigen Preis. Hohe und niedere Herren wollten immer noch 
nicht daran, anstatt der bisherigen Allee- und Luxusbäume, Maulbeerbäume 
zu setzen, um später unter ihrem Schatten Kurzweil, Betrachtungen oder 
Studien zu üben. Da erschien zur Aufmunterung der Unterthanen im Ja¬ 
nuar 1789 folgender Erlass des Kurfürsten: 

Serenissimus Elector. 

„Seine Churfürstliche Durchlaucht haben zwar, um die von dero Regierungs-Vor¬ 
fahren nach dem Beyspiel anderer deutschen Reichsstaaten in Bayern und der obern 
Pfalz schon vor mehrern Jahren angefangenen Seidenzucht zu befördern, die darzu er¬ 
forderlichen Pflanzschulen von weissen Maulbeer Bäumen mit grossem Kosten-Aufwand 
blos in der Absicht anlegen lassen, damit diese, dem ganzen Lande, und fürnämlich dem 
armen Unterthann zum Nuzen und sicheren Verdienst gereichende Industrie allgemein 
ausgebreitet, somit die zeitliero von auswärts erhohlte Seidenwaaren durch geuügliclie 
Erzielung des rohen Materialis auch inner Landes verarbeitet, somit dem beträchtlichen 
Geld-Ausfluss so viel möglich gesteuert werden möge. 

Die Erfahrung aber hat bewiesen, dass ungeachtet in sothaneu kostspieligen 
Pflanz-Schulen eine Menge der schönsten Setzlingen gezogen, und unterhalten worden, 
es doch immer noch an dem Ernst und Eifer, nicht nur der mit Vorurtheilen befangener 
Bauersleuthen, sondern sogar derjenigen Innwohnerscliaft gebreche, von welcher eine 
mehrere Aufklärung, und der wahre Begriff dieser heilsamen Veranstaltung, folglich auch 
ein nachahmliches Beyspiel zu gewarten stünde, mit welchem selbige den übrigen Vor¬ 
gehen sollte, indem der in den Plantagen sich befindende grosse Vorrath junger Maul- 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


I 2 I 


beer-Bäumeii ohne mindeste Nachfrage belassen, solchem die zeitliche Verpflanzung der¬ 
selben, und damit die Emporbringung der ganzen Seidenzucht vernachlässiget zu 
werden beginnt 

Je gewisser und Höchstgedacht Seine Churfürstliche Durchlaucht sich versehen 
hatten, dass sich die mit häufigen Gründen begabte, und mehrere dienstbaren Persohnen 
zur Hand habende Klöster, Pfarrer, Beamte Dero landesväterliche Absicht zu unterstützen, 
und zwar einsmahligeh Einführung solch liüzlichen Nahrungszweiges alles beyzutragen, 
sich vorzüglich bestreben würden, desto befremdlicher ist die Ihro geschehene Anzeige 
gewesen, dass noch zur Zeit die wenigsten mit diesem Geschäft abzugeben, oder auch nur 
ihre Untergebene dazu aufzumuntern sich bequemet haben. Daher hat die in dem Maul¬ 
beerbaum-Plantage- und Seidenzuchtw f esen gnädigst angeordnete Directiou sämmentliche 
begüterte Klöster, Pfarrer, und Beamte sowohl in Bayern, als der Oberen Pfalz anzufrischen, 
damit selbige sich auf sothaue Maulbeerbaum-Pflanzung, und Seidenzucht verlegen, des 
Endes von den vorräthlichen Setzlingen von drey- bis sechsjährigen Alters eine erkleck¬ 
liche Anzahl in den bestimmten leidentlichen Preisen zur weitern Verpflanzung übernehmen, 
ihre Haussgenossen, und Unterthaneu in Behandlung der Bäumen eben so wie des Saamens 
und der Würmer nach den gedeudeten Anleitungen belehren, folglich selbigen eine ge¬ 
ringe Mühe erfordernde, gleichwohl sehr einträgliche Beschäftigung durch eigenes gutes 
Beyspiel an Hand geben möge, indem Seine Churfürstliche Durchlaucht diejenigen, welche 
sich hierunter mit patriotischer Thätigkeit aus zu zeichnen beweisen, bey jeder Gelegenheit 
besondere Vorzüge angedeihen zu lassen gedenken, wobey gedachte Direction zu be¬ 
obachten wissen wird, dass der aus dem Verkauf dieser w r ie all übrigen Baumsetzlingen 
erlösende Betrag nicht mit dem Ordinari fond vermischet, sondern lediglich zum Abtrag 
der für die erkaufte Plantagen aufgenommener Capitalien verwendet werde. München 
den 12^ Jänner 1789. 

Auf Seiner Churfürstlichen Durchlaucht 
Gnädigsten Spezialbefehl 
gez. von Oberndorff. 

Der Erfolg blieb jedoch hinter allen Erwartungen zurück. Der Handels¬ 
mann Muss in an zu Rosenheim bezog im April 1789 180 Stück hoch¬ 

stämmige Maulbeerbäume, für die er 36 Gulden erlegen musste. Er meldete 
am 22. Mai 1789 der kurfürstlichen Generalseidendirektion, dass ihm „allein 
anstadt freidt, immer Verdruss gemacht wird, massen mir einige völig abge- 
schniten worden sendt, auch Aester abgeschlagen und abgerissen worden sendt.“ 

Der erzbischöfliche Hofrat Söldner erbittet am 21. Juli 1789 zwei Loth 
Maulbeersamen. Er möchte mehr Blätter bekommen, denn wegen des »jetzt 
noch wenig Blätterbesitzes“ hat er im vorigen Jahre 1788 nur 19 Loth Cocons 
und heuer 45 V« Loth Cocons gewonnen. Er hofft im nächsten Jahre mehr 
zu erhalten. Der Rats- und Haudelsmann Ignatius Hepp zu München 
erbittet unter dem 29. Mai 1789 pro 1789 ca. zwanzig Zentner Maulbeer¬ 
blätter, was ihm die Seideubaugeneralkommission das Pfund pro 2 Pfennig 
genehmigt. Andere Abnehmer scheinen sich nicht gefunden zu haben; 
wenigstens findet sich im Aktenmaterial nichts verzeichnet. In den Mün¬ 
chener Plantagen wurden in diesem Jahre 10 Loth Eier „ausgebrütet“ und 
4 Loth an Unterthanen verkauft. Da die Generalseidenbaukommission der 
Meinung war, dass vielleicht der etwas hohe Preis der Maulbeerbäume eine 
reichliche und allgemeine Abnahme derselben verhindere, so beschloss man 
diesen herunterzusetzen und noch einmal einen Aufruf an die Unterthanen 
zu erlassen, was in nachstehender Weise geschah: 


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122 


Karl Otto Harz 


Avertissement. 

Noch ist dem im heurigen Jare zue anhang der Münchener Zeitung ddo. 2i ten 
Febr. N. 30 im Druck gegebenen höchst-händig gnädigsten Rescript sehr wenig entsprochen 
worden, vermög welch Sr. Churfürstl. Durchl. Höchstlandesväterliche Absicht zur Industrie 
mit abnahm und Verpflanzung der in höchst dero Plantagen zu München, und Landshut 
zahlreich, und vom schönsten Wuchs dastehenden Maulbeer-Bäumen, vorzüglich dass die 
Klöster, Pfärrer und Beamte bezichlet werden möchte, wodurch in der Folge den niüssig- 
gehenden eine Beschäftigung, und dem Staat der nuz zugehen würde, dürfte vielleicht 
dieser höchsten Entsprechung der preyss der Bäumen noch im Wege stehen, so will man 
auch diess der höchsten willens meynung gemäss minder, sofort hochstämmigen Maul- 
ber-Bäume mit Kronen von 4. und 5. Jaren statt 15 kr das Stück auf 9 kr. Die 2. und 
3.jährigen ad 1: kr und die einjährigen pr. 2 Pf. zum Verkauf setzen, auch die abgab 
wie sie aus jeden Stück unter einander stehen aus denen Plantagen nach Verlang im 
künftig frühjahr Bis medio aprill für jeden zur Zufriedenheit veranstalten. Nicht Lieb¬ 
haber, sondern jeder und auch mit vorurtheil Befangene dürfte diesen so nützlichen zweige 
entgegen eyllen: da man ganz ausser der Frage sein kann, ob der Maulbeer-Baum im 
hierländischen Clima seinen Wuchs habe: oder nicht nun auch die erzeigende Seyden der 
ausländisch in der güte und feinheit auch vollkommener überzeigung gleich gesetzt 
werden darf. 

Act. den 19*©» September 1789 

Cuhrfürstl. General-Seydenzuclit- 
Direction München. 

Am 30. März 1789 reichten die Aktionäre der von # Grappai s. Z. ge¬ 
gründeten „Seidentfichelfabrik“ gegen den Entrepreneur Grappai Klage bei 
der kurfürstlichen Hofkammer mit der Bitte, „diesen Grappei sanimt seiner 
famille und Anhängern von der Fabrik und den Gebäuden allsogleicli zu 
entfernen. Die Grappai’schen Effekten sollten unter Beiziehung der Chur¬ 
fürstlichen Seidenzuchts-Deputation obsigniret, und dann das Filatorium sammt 
den Churfürstlichen Gebäuden bis auf Näheres, sammt dem inventarisirteu 
Grappai’schen Entreprise Gehörenden, einstweilen den besagten Actionären 
zum Fortbetriebe übermittelt werden. Und Sorge tragen zu lassen, dass die 
hiesigen Actionären ihr in die Fabrik eingelegtes Geld wieder bekommen 
können.“ Grappai verschwand infolge dieser Vorgänge, und an seine 
Stelle kam nach einiger Zeit der Seidenfabrikant Lang. Im Jahre 1790 war 
die Beteiligung des Publikums an den Seidenbaubestrebungen eine noch ge¬ 
ringere, als im vorigen Jahre. Am 11. März 1790 bittet Mussinan in Rosen¬ 
heim die Geueralseidenbaukommission abermals um 75 Stück Maulbeer¬ 
bäume für eine Viehweide. Die Bäume müssen aber mindestens 8—9 Fuss 
hoch sein, damit das Vieh die Blätter nicht abfresse. Vom Grafen Baum¬ 
garten aber hörte man (laut Bericht vom 14. Mai 1790), dass er dem Lande 
den Seidennutzen wieder entziehen und sein Seidenhaus in ein Militärlazarett 
verwandeln wolle. „Er war in seiner Oekonomie verhechset und musste einer 
geistlichen Benediction von 26000 Gulden Gotteshausgeldern als ein Vorlehen 
gebrauchen.“ — Am 16. März 1790 erliess die Generalseidenbaudirektion ein 
Schreiben, worauf sich die Samen und Blätter wünschenden Liebhaber inner¬ 
halb 4 Wochen zu melden hatten. Maulbeerbäume mit Kronen werden pro 
Stück zu 9 kr., 2- u. 3jährige zu 1 kr., 1 jährige zu 2 Pfennig aus der Münchener 
Plantage offeriert. Den 24. Novbr. 1790 macht Graf de Thompson 16 ) der 


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Die Seidenzucht in Ravern. 


123 


Generalseidendirektion den Vorschlag, untentgeltlich Maulbeerbäume für die 
Miiitärgärten abzugeben. Im Laufe des Jahres erliess die Generalseiden¬ 
baukommission abermals eine Bekanntmachung und Einladung zur Abnahme 
von Maulbeerbäumen, mit dem Versprechen, die Namen der Abnehmer seiner 
Durchlaucht direkt mit Namen, Stand und Wohnort bekannt zu geben. Die¬ 
selbe lautete: 

Avertissement. Seine Churfürtl. Durchlaucht haben nur allein aus purer Vater¬ 
landes-Diebe mit grossen Kosten zur Jntroduction des Seidengeschäftes die herrlichsten 
Seiden-Plantagen in München, Landshut und Rhain anlegen lassen; es ist so weit ge¬ 
kommen, dass man Baierische Seide ziehet, welche weder an Güte, noch Feine weder der 
italienischen, noch französischen weichet. Doch müssen Höchstdieselbe missfälligst ver¬ 
nehmen, dass sich Höchstdero Stände, und Klerus nicht besser beeifern, dem Publikum 
mit ihrem Beispiele vorzugehen, auch dass es an dem Eifer seiner Selbsteigenen Beamten 
gebricht, also versehen sich dieselbe gnädigst, dass mau von hien an mit aller Thätigkeit 
in dieses sehr nützliche Geschäft greifen und mit Plantirung der Seiden-Bäume werkthätig 
anfangen werde. Daher haben sich die Liebhaber entweder bei der Churfürstlichen 
Direction in München, oder bei der Oberinspektion in Landshut im Monat März oder An¬ 
fangs April zu melden, wie auch beide befehliget sind, die Liebhaber in ein Verzeichniss 
zu bringen, damit solche in einem Konspect Seiner Churfürstlichen Durchlaucht zum 
grössten Wohlgefallen können vorgelegt werden. 

In diesem Jahre versuchte noch die kurfürstliche Generalseidenzucht¬ 
direktion, einen bisher aufbewahrteu Vorrat „selbtgezigelter Seide“ von 25 Pfund 
25 3 /4 Loth zu verwerten, wie sich aus nachfolgender Note ergiebt: 

Nota. 

„Nachdem die Cliurfstl. Hofkammerey-Commission dahier zum Beliufe des höchsten 
Dienstes des Jahres mehrere PfundSeide von dem Auslande beyzu kaufen hat ; so wollte 
man desselben hiemit erinnerlich machen, dass bey nachgesetztem Orte von der Erzeugung 
Sr. Churfürstl. Durch! eigenen Landes-Produkte 25 Pfund 25*/♦ Lotli weisse und gelbe Zug¬ 
seide von bester Qualität zum Verkaufe stehe. Ob nun dieselbe hiezu vorzüglichen Bedacht 
zum Erkaufe nehmen möge, will mau in Antwort vernehmen von der 
Churfürstl. General-Seidenzucht-Direction München.“ 

not: löte« März 1790. Secr. Grosch. 

Wie die Antwort gelautet, ist in den Akten nicht enthalten. Indessen 
scheint die Verarbeitung der selbst gewonnenen Seide noch manches zu 
wünschen übrig gelassen zu haben. Denn am 29. April 1790 übergab die General¬ 
seidenzuchtdirektion eine Probe der gewonnenen Seide dem kurfürstl. Seiden¬ 
fabrikanten Ignaz Lang zur Beurteilung. Derselbe sagte darüber aus, „dass 
diese Seiden zu nichts, als zu Brocadelle, welche aber äusserst selten Vor¬ 
kommen, brauchbar seye, mit der Bemerkung, dass r s zu Trama, und 2 3 zu 
Orgenzino gemacht seyn müsse. Zu Damast, oder Tafent wäre solche zu 
grob, und also unbrauchbar.“ Sie müsste also behufs Vorwurfs besser ver¬ 
arbeitet werden. — Am 9. Aug. 1790 übergab die Generalseldenbaudirektion. 
der kurfürstl. Hauskammerey 28 $ 1^4 Loth „Roh- und Zug-Seiden, so erst 
am filatorio bearbeitet werden muss.“ Endlich wird erwähnt, dass die „wohl¬ 
feile“ Moratelin zu München mit geringen Kosten aus 3 Loth Eiern über 
9 reine Seide im Jahre 1790 „erzigelt“ habe. Auch möge noch erwähnt 
sein, dass Ende November 1790 der, in seiner Thätigkeit, wie es scheint, nie 
beanstandete Maulbeerplantagegärtner Kobustull 86 Jahre alt verstarb 


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124 


Karl Otto Harz 


Das Jahr 1791 weist eine noch geringere Beteiligung der Unterthanen bei der 
Seidenzucht, als bisher, auf. Ein Handelsmann Anton Th aller in München 
bittet unter dem 11. März 1791 den Kurfürsten um Gratisabgabe von Maul¬ 
beerlaub, da er voriges Jahr um teueres Geld nur schlechtes bekommen, 
daher ein grosser Teil seiner Würmer zu gründe gegangen sei. Nichtsdesto¬ 
weniger habe er die meiste Seide bekommen. Im Februar setzt die General¬ 
seidenbaukommission den Preis für die Maulbeerpflanzen abermals herunter, 
wie sich aus Nachstehendem ergiebt: 

Avertissement. Bisher hat man aus den Cliurfstl. Maulber-Baum-Plantagen Mün¬ 
chen und Landshut, die hochstämmigen Maulbeer-Bäume von 5. und 6. Jahren, das Stück 
in ersteren Jahren zu 15. und ein zeither zu 9 kr verkäuflichen angelassen; Es soll aber 
nunmehr der Prevss von dieser Gattung das Stück auf 6 kr. zu stehen haben. Kenner 
einer gemeinnüzigen Sache, unter welchen Besonders die lobl. Stifte und Klöster, auch 
adelige Stände, und vermöglicher mit Gründen versehene Particuliers nicht erst dazu 
dürfen aufgerufen werden. Hatten zwar schon einige Jahre her eine ziemliche Zahl an 
sich gebracht, nun aber sich diessfals mit mehrere, und auch mehr zum Besten ihrer Unter¬ 
thanen Bedienen zu können, ist der Preyss nochmals gemindert worden. 

Am 24^n Febr. 1791. 

Churf. General-Seidenzucht-Direction München. 

Jedoch erwies sich auch die neue Preisherabsetzung als vergebliches 
Aufmunterungsmittel. Dagegen mehrten sich allenthalben die mutwilligen Be¬ 
schädigungen der Maulbeerpflanzen, weshalb der folgende „Verruf“ im Sep¬ 
tember 1791 erschien. 

Verruf. „Seiner Churfiirstl. Durchlaucht etc. etc. haben missfähligst vernohmen, 
dass die zum Besten des Staates mit viellen Kosten pflanzende Maulbeer-Bäume sowohl 
in als äussere Rainparts durch muthwillige Leute theils ausgerissen, theils abgeschnitten, 
und weckgehauen worden. Höchst dieselben finden sich also mehrmals veranlasset, die 
in Betref der Baumfrevler bereits unterm 6 ten Febr. 1781 und 23^*11 Dec. 1783 ausgefertigte 
Verruf antnit nachdrücklich zu wiederhollen, sofort jedermann bekannt machen zu lassen, 
dass derjenige, welcher einem Baumfrevler an denen Allee; Strasse und Rumpart Maul¬ 
beer und andere zur Zier der Strässen ausgesetzten Bäumen zur Anzeige gründlich bringt, 
nicht nur mit 30 fl. Reconpens auf der Stehle begabt, sondern auch sein Namme sicher 
und für immer verschwiegen gehalten werden solle.“ 

Gegeben in der Haubt- und Residenz Stadt München 

den 28t«? Sept. 1791. 

Die Beschädigungen und Vernichtungen der Pflanzen hörten nicht auf 
und waren so ausgedehnt, dass im Oktober 1792 auf dem Rampart allein 
466 Löcher zur Wiederergänzung von eben so vielen abgeschnittenen oder heraus¬ 
gerissenen Bäumen gemacht werden mussten. — Der Wurmfütterer Lorenz 
Seyfried Burger musste im März 1791 wegen verschiedener Unregel- 
mässigkeiten entlassen werden, und an dessen Stelle kam sofort die Spinn¬ 
meisterin Anna Violettiu. — Da die Beteiligung, trotz der herabgesetzten 
Preise für die Maulbeerpflanzen, nicht vorwärts gehen wollte, so wurden im 
Juni 1792 die Pflanzen gratis offeriert, wie folgende Bekanntmachung zeigt 

Avertissement. Man glaubte bisher, es dürften die Vortheile, welche Se. kurfürstl. 
Durchlaucht durch Anlegung kostbarer Maulbeerbäum-Plantagen den dreien Ständen der 
geistlich- adelig- und bürgerlichen Klassen zur Einführung des Seidenbaues verschafft 
haben, hinreichen; wenn hieraus die nötliigen Spalier- und hochstämmigen Bäume um 
einen gegen den aufgewandten Kosten gar nicht verliältnissmässig geringen Werth zu der 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


125 


in der Folge gewiss gemeinnüzigen Absicht des zu verhindernden Geldausflusses abge¬ 
langt werden könnten. Nachdem aber diesem Wunsche der höchsten Intention gemäss 
bisher durch Abnahme solcher Bäume nur von sehr wenigen entsprochen worden; so wird 
man, um den Zweck zu erreichen, für künftiges Frühjahr 1793 aus den Münchner- und 
Landshuter Plantagen die hochstämmigen- und andere Maulbeerbäume, jedoch vorzüglich 
an Städte und Märkte, dann die daruntergehörigen Bürger und Unterthanen ganz unent¬ 
geltlich abgeben. Es wird daher solche Entschliessung den Liebhabern des Seidenbaues 
zu dem Ende öffentlich kund gethan, damit sich jeder nach Gelegenheit seines Wohn¬ 
ortes bei hiesiger oder der Landshuter Plantage entweder selbst, oder die Unterthanen 
bei ihrer Ortsobrigkeit mit Anzeigung ihres Namens, und der Zahl der an verlangenden 
Bäume in Zeiten, und zwar längst bis Ende Septembers laufenden Jahres melden, und 
ein so anderes zur hiesigen Generals-Seidenzuchtsdirekzion eingeschickt werden könne, 
wo sodann die Zubereitung der Baumgruben, im Spätherbst veranstaltet, auch der nötliige 
Unterricht hiezu an Händen, und im künftigen Frühjahre die anverlangten Bäume ab¬ 
gegeben werden können. 

München den 30. Juni 1792. 

Kurfürstl. General-Seiden-Direkzion. 

I. A. Graf von Törring-Gronsfeld. 

Sekretär G r o s c h. 

Die schenkweise Abgabe der Pflanzen scheint eine grössere Nachfrage 
für das kommende Jahr 1793 bewirkt zu haben. Es wurden aus den Plan¬ 
tagen München und Landsberg zusammen pro nächstes Frühjahr 1754 Stück 
Hochstämme, und 3780 Stück Setzlinge bestellt. Nach Angabe des Gärtners 
Röber waren am 19. Oktober 1792 in dessen Münchener Plantage vorhan¬ 
den 1200 Stück 5jährige, 8000 Stück 4jährige und 30000 Stück 2jährige. 

Es erklärte sich daher Herr von Goldhagen bereit, dem Tit. Zachow 
auf dessen Bitte 1000 Stück Hochstämme und 18000—19000 Stück Setzlinge 
nach Amberg zu schicken. Im übrigen waren wieder zahllose Klagen über 
die Nachlässigkeiten der Gärtner eingelaufen, welche die Plantagen vernach¬ 
lässigten und, anstatt der Maulbeerbäume, ihren Kohl und sonstiges Gemüse 
pflegten. Die Generalseidenbaukommission schrieb daher sub 13. Juli 1792 
an den Gärtner Johann Röber: 

Nachdem in der Churfürstl. Maulbeerbaum-Plantage daliier, von dem Gärtner mehr¬ 
mals, mehr Kräutelwerk ausgesetzter wahmimmt, als beinahe Maulbeerbäume vorhanden 
sind, und Überhaupts wohl der 4*5 Theil des Gartens zur eigenen Benützung des Gärtners 
mit Ärgernis eines jeden Fremden dastünde, dies unerlaubte Verfahren demselben schon 
mehrfach verboten worden ist, ohne dass derselbe mehr Rücksicht nimmt, die Direktions¬ 
befehle zu befolgen. Dies sei jetzt sofort abzustellen, widrigenfalls der p. p. Röber sofort 
unter Einziehung seines Gehaltes unwiderruflich cassiert würde. 

Auch der Gärtner Fr. Karl Schneider, der die Saaten auf einem 
Grundstücke auf dem Rampart und der Cottonbleiche zu besorgen hatte, pflegte 
mehr Kräutelwerk als Maulbeerpflanzen. Auch liess er alles verwahrlosen. 
Die losen Bäume wurden nicht mehr festgebunden u. dgl. Er erhielt daher 
gleichzeitig denselben Verweis. Der sehr eifrige Handelsmann Th aller in 
München erzielte im Jahre 1792 13 7 8 Pfd. Seide, 1793 8 Pfd. 12 Lot Seide, 
also mehr, als die beiden Plantagen Landshut und München, welche in beiden 
Jahren nicht mehr als je 8 Pfd. Seide produzierten. Man erlaubte ihm im 
April 1793, alle Hochstämme auf der Cotton-Bleiche für seine Raupen¬ 
fütterungen zu verwenden. Der Kurat und Schulinspektor Bauthauser zu 


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Karl Otto Harz 


Ellenbach erbat unter dem 30. Juli 1792 Maulbeerbäume gratis, und der 
Mainzer Hofrat Johann Niklas Herrtlin zu Regensburg erhielt im Frühjahr 
1793 aus Landshut 3680 Stück Setzlinge und 154 Stück Hochstämme. Im 
Januar und Februar d. J. erschienen abermals Einladungen, Bäume und Eier 
rechtzeitig zu bestellen, wie folgt: 

Avertissement. 

Die Maulbeerbäume, welche sich die Liebhaber des dem Lande nüzlichen Seiden¬ 
baues auf das im fertigen Jahre in den Zeitungen sub dato ßosten Juni eingerückte 
Avertissement bestellt haben, stehen nun nach Belieben zur Abnahme in dem künftigen 
April-Monat in den kurfürstl. Plantagen München, und zu Landshut bereit. Man wird 
sie sogleich unentgeltlich abfolgen lassen, sobald sich hierum eigens, oder durch Bothen 
gemeldet werden wird. Actum den 3osten Jäner 1793. 

Kurfürstl. General-Seidenzucht-Direktion Sekretär Grosch. 

Diejenigen, welche sich heuer abermal mit der Seidenwurmzucht beschäftigen, 
belieben den selbst habenden, oder noch zu erkaufen gedenkenden Wurmsaam zeitlich dies- 
orts anzugeben, damit man hiernach die Laubabgabe bemessen könne. 

(Anhang zur Münchner Zeitung No. XIX. Samstag den 2. Hornung [Februar.] 1793.) 

Interessant ist es auch zu sehen, mit welcher Bequemlichkeit oder 
vielmehr Faulheit in dem kurfürstlichen Filatorium gearbeitet wurde. Laut 
Bericht vom 5. September 1793 der Generalseidenbaukommission wurden 
heuer 7 Pfund 20 Loth im Filatorium von Lang verarbeitet. Hierbei arbeitete 
derselbe mit 6 anderen Nichtsthuern 13 Wochen lang an der Filierung. Es 
gewinnt oft den Anschein, als ob das gesamte Seidenzuchtpersonal mit wenigen 
Ausnahmen sich aus einem Konsortium von Tagdieben und Betrügern zu 
deren eigenem Nutzen und Wohl und zum Schaden des aerarii rekrutiert hätte. 
Laut diversen Schriften vom 19. Sept., 15. Nov. und 4. Dezbr. 1792 wünschte 
sich die „Churfürstliche Seidenspinnerin und Wurmfutterin Anna Violetin“ 
zu verheiraten. Dies geschah auch zu Anfang 1763 „mit dem Georg Lern¬ 
bacher, bekannt als einem in dem Fache der Schreiberei geübten Münchener“. 
Sie verblieb aber trotzdem noch bei ihrer bisherigen Funktion als „Wurm- 
futterin und Seidenspinnerin“. — Das Jahr 1794 war ein der Seidenzucht im 
allgemeinen ziemlich günstiges. Zunächst zeigten sich bereits die Folgen der 
Gratisabgaben der Maulbeerpflanzeu darin, dass von zahlreichen Privaten Eier 
aus den kurfürstlichen Plantagen bezogen wurden. Nämlich für das Jahr 1794 
haben folgende Particuliers Eier, das Lot zu 2 fl., bezogen oder verwendet: 

Frau Gräfin Sei ns heim selbst 2 */• Loth, H. Registrator Fux selbst 2 Loth, Gold- 
arbeiter W i 111 m er erkauft */* Loth (1 fl. 30 kr.) Chirurg G u g ge n b e r ger erkauft '/* Loth 
(45 kr.), Frau Postsekretär Ch a ve ri n erkauft ’/a Loth (1 fl.), Geistl. Herrns Jungfer Stalt- 
mayrin selbst 1 Loth, Frau Gräfin Rechberg Exc. selbst ’/* Loth, Geistl. Rath Utz 
erkauft 'j* Loth (30 kr.), Pfarrer zu Ebersberg gratis */♦ Loth, Secr. Grosch selbst '/* Loth, 
Archivarin Hohen-Aicliuerin selbst 1 Loth. 

In München wurden 1794 3 Lot Eier ausgelegt und der Anna Violetin 
und Lernbacher übergeben. Sie ergaben 112 Pfd. Cocons. Der Blätterbedarf 
war 2177 Pfd. 1600 Stück Cocons wurden zur Nachzucht verwendet und 
gaben 10 Lot Eier. Man bekam 8 Pfd, 4 Lot Reinseide und 5 Pfd. Floretseide. 
1 Pfd. Seide ä 12 fl. = 97 fl. 30 kr. 1 Pfd. Floretseide ä 1 fl. = 5 fl. 10 Lot 
Eier ä 4 fl. ~ 40 fl. Summa 142 fl. 30 kr. Einnahmen. Unkosten gehen ab 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


127 


61 fl. 56 kr. für Laubpflücken etc. laut Manual, somit 80 fl. 34 kr. Gewinn. 
Private erzielten nach einer Zusammenstellung der Generalseidenbaukom¬ 
mission : 


Pro Memoria. geben Seide 

Mad. Tavernierc 6 Pf. Sonn ged. Galet.— Pfd. 20 Loth 

Mad. Goppenberger 9*/« Pfd. S. g. Gal.1 ,, 16 „ 

Mad. de Hohenaichner io 1 /« Pfd. Ofen geb. Gal. 1 „ 18 ,, 

Mad. la B n * de Rechberg 1 l /a Pfd. S. g. Gal.— ,, 20 „ 

Mad. la B« de Bruglach 1 */« Pfd. S. g. Gal.— „ 7 „ 

Mad. la B e Griesenbeck 4'/• Pfd. G. S. g.— „ 18 „ 

M. le B. Daxberg 48 Pfd. O. g. Gal. NB. v. Landshut . . 4 „ 7 „ 

D.t« v. Egglkofen 18 Pfd. O. g. Gal.2 „ 25 „ 

H. Wimmer, Goldarbeiter, 9*/* Pfd O. g. Gal. 1 „ 20 ,, 

Kostjungfer Stallmayrin 18 Pfd. O. g. Gal.3 „ 8 „ 

(Ti) B. v. Prilmayr 20 Pfd. O. g. Gal. 2 „ 13 ,, 

H. Reber 1»/. Pfd. Gal.— „ 5 */ # „ 

H. Musinan 2 Pfd. G.— „ 8 „ 

Madame Groscli 3 Pfd. 12 Loth G. . . •.— „ 28 „ 


Summ. 148 Pfd. 28 Loth (Gal.) Cocons gaben 20 Pfd. 21 */• Loth Seide. 


Durch eine abermalige Bekanntmachung wird das Publikum auch heuer 
wieder auf den Nutzen des Seidenbaues und auf die Gelegenheit aufmerksam 
gemacht, Maulbeerpflanzen unentgeltlich aus den kurfürstlichen Plantagen be¬ 
ziehen zu können. Sie lautete: 

Avertissement. 

Wenn Liebhaber der Maulbeerbaum- und Seidenzucht sich jener Orte im Aus¬ 
lande erinnern mögen, wo solche mit der grössten Nutzbarkeit betrieben und nun sehr 
ruinös gemacht worden; so dürften dieselben der diesfalsig Aufmerksamkeit willen die 
weise Vorkehr des Magistrats der Stadt Landsberg (wovon das heurig 24.^ Stück des 
Münchener Intelligenz Blates melireres spricht) nachahmen: umsomehr als nach der 
Höchsten Willensmeynung noch für jeden Liebhaber, aus denen Maulbeer-Baum-Plan tagen 
München, und Landshut die unentgeltliche Erhaltung der Bäume offen steht. 

Es wird dieses zu dem end wiederholter gemeldet, damit mit Zubereithung der 
Baumgruben im heurigen Herbst die Vorkehr getroffen, und im Frühjahr des März¬ 
monats 1795. die Bäume gross und kleiner Gathuug abgelangt und gesezt werden können. 

Act. den 11^“ August 1794. 

Churfürst. General-Seidenzucht-Direction 
3mall in denen Zeitung, und Sekr. Grosch. 

Wochenblätter, und eben so oft in dem 
Intelligenz Blatt zu widerholl. 


Manche benützten auch die günstige Gelegenheit, um unter dem Vor¬ 
wände, sich für die Seidenzucht zu interessieren, Ländereien oder Grund¬ 
stücke billig oder unentgeltlich zu erhalten. So machte im Frühjahr 1794 
der aus Italien gebürtige, jetzt als Bürger in München ansässige Franz 
Anton Thaller dem Kurfürsten den Vorschlag, ihm mit i2jährigem Kon¬ 
trakt und mit der jährlichen Assignation von 6300 fl. die beiden Plantagen 
Landshut und München ganz zu übergeben, und will er innerhalb dieser Zeit 
jährlich 80 Pfund reine Seide liefern. Auch will er jährlich Waisenkinder — 24 
in Landshut und 24 in München — 3 Jahre nach einander, somit 144 Waisen¬ 
kinder unentgeltlich in der Seidenzucht unterrichten. Dieses Anerbieten wurde 


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Karl Otto Harz 


aber nicht angenommen. Joseph Ludwig Wolf, Hofkammerrat zu 
München, erhielt laut Dekret vom 22. August 1794 und 5. September dess. 
Jahres ein Grundstück vis-a-vis der Gemäldegalerie zwischen dem tit. 
v. Burgero und P. P. Theati 11 er-Garten bis an den Bach und äusserste 
Bastions-Spitze gelegenen Rampart, auf bodenziusiges Eigentum zur An¬ 
legung eines Gartens huldreichst verliehen, doch mit dem Beding, in diesem 
Garten für immer 47 Stück Maulbeerbäume je und allzeit auf seine Kosten 
zu ziehen und nutzen. So gelobte er und versprach für sich und all seine 
Erben und Nachkommen. (München, den 29. Sept. 1794.) Hofkammerrat 
V. Kreuner, 17 ) sowie Hofschauspieler Heigel 18 ) bekamen beide huldreichst 
ansehnliche Grundstücke auf dem Rampart im Jahre 1793 verliehen, wofür sie 
nur die Verpflichtung hatten, für sich, ihre Erben und Nachkommen eine 
bestimmte Anzahl von Maulbeerbäumen auf eigene Kosten zu unterhalten. 
Sonach Unterzeichnete v. Krenner den 17. März 1794 einen Revers, in dem 
er sich zur Haltung von 57 Stück Maulbeerbäumen verpflichtete. Aber auch 
einige unangenehme Ereignisse kamen in diesem Jahre vor. So wurden die 
Pflanzungen des Johann Baptist Musinan zu Rosenheim im Juli 1794 
mutwillig total zerstört. Ferner wurden am 28. Juni 1794 im Filatorium 
nach Anzeige des Seidenfabrikanten L a n g sämtliche Fenster eingeworfen und 
am 20. Oktober 1794 sogar Feuer gelegt, jedoch der dazu zwischen Holz ge¬ 
legte angebrannte Lappen noch im richtigen Moment aufgefunden. Am 
13. August 1794 erklärte der Seidenfabrikaut Lang, dass er die Direktion 
wegen allzugrosser persönlicher Opfer an Zeit und Auslagen niederlegen 
wolle. Nachdem sofort Inventar aufgenommen und richtig befunden worden, 
wurde die Enthebung genehmigt und das Filatorium geschlossen. Franz 
Altmutter, Seidenzeug- und Seidenbaud-Fabrikant betrieb hierauf laut Dekret 
d. 2. Jan. 1795 die Sache auf eigene Regie, d. h. er durfte im Filatorium 
wohnen und bekam am Feigengarten einen Platz geschenkt zur Erbauung 
einer eigenen Fabrik. — Das Jahr 1795 bringt nichts ausser der Mitteilung, dass 
Inspektor Zachow die ihm s. Z. im Münzgebäude gnädigst angewiesene 
Wohnung, für die er seit einigen Jahren auch 25 Gulden Miete zahlen musste, 
wieder zu räumen genötigt war. Auch erlässt die Generalseidenbaukommission in 
gewohnter Weise wieder einen Aufruf an die Interessenten, rechtzeitig Pflanzen 
und Eier zu bestellen. Im folgenden Jahre 1796 beginnen wieder Klagen gegen 
einen nachlässigen Gärtner. Es wird nämlich am 17. März 1796 der Seidenober¬ 
direktion zu München vom Sekr. Grosch die „gehorsamste Anzeige“ gemacht, 
dass trotz mehrfach vorangegangener mündlicher Ermahnung der Maulbeer¬ 
plantagegärtner Reber in der Maulbeerplantage nichts mehr leiste. Seit 
Oktober 1795 habe er die Maulbeerpflanzeu nicht angesehen, und seine Haupt¬ 
beschäftigung sei, „eigenes Interesse zu befördern, nähmlich botanische Pflanzen 
zu ziegein (das sind Wirschich, Kolrabi, Salat und dergleichen mehr), die 
Spalier zu kassieren, um Holz zu bekommen, wie ausser dem von ihm schon 
alle Baumstangen, Spalier Geländ, und Steken zusammengerafft und verbrennt 
worden.“ „Die Tagwerker müssen nicht nur für ihn täglich in seinen Müst- 
bethern, Kreidlwerke, sondern auch die Obstbaum zögligeti: ist ja sogar in 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


129 


fremden Gärten auf mehrere Stunden mit dem Plantage Schanzzeig arbeiten, 
welcher dermal nicht mehr nach dem Inhalt des Infentary zum 4. Teil vor¬ 
handen: sondern ganz zusammen gerakert ist.“ „Da nun meine hundertfach 
vorausgemachte Wahrnemungen und Weisungen von ihm Gärtner nur ver¬ 
höhnt, verlacht und verspottet worden, und er im übrigen treibt was er will, 
auch ganz ohne Scheu weisslich spricht, dass in der Plantage nichts mehr 
wachsen, sondern alles verderben soll, und er vielmehr mit Respek, auf alles 
sch . . . ., so bin ich gezwungen, auch diese Punkten noch weiters unter¬ 
tänigst anzuzeigen“ u. s. w. München, den 17. May 1796. Grosch. 

Zu diesen Mitteilungen dürften weitere Kommentare überflüssig sein. 
Diesen Verhältnissen entsprechen auch die Zustände der Plantagen. Den 17. Juni 
1796 übergiebt das H. Direktorium für Seidenzucht dem Kameral-Präsidio eine 
Zustellung über den schlechten Zustand der Maulbeerbaumplantage. Ein den 
9. April 1796 abgeschickter Kommissar konstatierte bereits, dass der grösste 
Teil der Spaliermaulbeerbäume total erfroren, die übrigen durch Frost sehr 
stark gelitten haben. Den 17. Juni 1796 macht Grosch den Vorschlag, auf 
die Plantage nichts mehr zu verwenden, da alles Geld dafür hinausgeworfen 
sei. Eine am 15. Juli seitens des Gen.-Direkt.-Sekr. Grosch vorgenommene 
Visitation ergab: 1. Die Spaliere und Hochstämme waren nicht gereinigt, meist 
abgestanden. 2. Alle „Stück“ (Beete) waren voll Disteln. 3. Befanden sich in 
den Bosquets, anstatt der Maulbeerbäume, Obstbäume gesetzt. 4. Hatte der 
Gärtner seinen ihm zugewiesenen Grund zu seinem Nutzen eigenmächtig ver- 
grössert. 5. Es war ein unerlaubtes Glashaus vorhanden. 6. Vor dem Haus 
waren 4 (für die Maulbeerzucht bestimmte Beete) Stuck unbesetzt, u. s. w. 
Die Folgen dieser Visitation zeigten sich in nachstehender Nota. 

Bei heutig gemachter Unterschrift der Wochenzettel ist mir von Sr. Kxcellenz Herrn 
Präsidenten aufgetragen worden, die ferneren Arbeiten auf dem Rampart sowohl, als auch 
in der Plantage gänzlich eiuzustellen, sohin sämtliche Tagwerker abzudanken. 

Welches hieinit denen titl. H. H. Excellenzien und Gnadeu auch zur Wissen¬ 
schaft gehorsamst vortragt. 

München den 30^“ Juli 1796. Grosch, Secr. 

Goldhagen, 
v. Kretz. 

In diesem Jahre hatte auch der früher schon mehrfach als guter Züchter 
erwähnte, aus Italien eingewanderte Fr. Antonius Tha 11 er, bürgerlicher 
Handelsmann, zum fünften Male eine Eingabe an den Kurfürsten gerichtet, 
um ihn aufmerksam zu machen, „dass trotz einer Ausgabe von jährlich 
6300 fl. in München und Landshut nur 3—4, höchstens 6 Pfund Seide er¬ 
halten werden. Das könnte er fast nimmer mit ansehen“. Er meint, diese 
Resultate können auf Particuliers wenig Reiz ausübeu, die Sache selbst zu 
beginnen. Das Beste wäre, wenn man ihm die 6300 fl. für 12 Jahre zur 
Verfügung stellte, wofür er jährlich 80 Pfund Seide zur höchsten Disposition 
einzuliefern vermöge, und alle 3 Jahr in München 24 und zu Landshut auch 
24, mithin in 12 Jahren 192 arme christliche Kinder zur Seidenzucht abzu¬ 
richten. Er meinte, seine kurfürstl. Gnaden müssten mindestens 1000 fl. ge¬ 
winnen und die grosse Freude haben, dass so viele arme Kinder ihre Unter- 
Bayer. Forschungen, VII, 2 9 


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130 


Karl Otto Harz 


kunft durch Seidenbau gewinnen. Das Gesuch wird abermals abgelehnt, da 
man doch einsah, dass 80 Pfund Seide und der Unterricht während 6 Wochen 
an arme Kinder für 6300 fl. zu teuer erkauft wäre. Vom Jahre 1797 
ist nachfolgende Rechnungszusammenstelluug erhalten, wobei unter „Ein¬ 
nahmen“ nicht etwa Bezüge aus verkaufter Seide oder der Erlös aus Pflanzen, 
sondern die vom Kurfürsten genehmigten ärarischen Gelder verstanden 
sein wollen. Eine Rechnungszusammenstellung der „churfürstl. gnädigst an- 
geordneten Seidenzucht und Maulbeer-Baum Plantage Directions Cassa-Rechnung 


de anno 1797“ ergiebt u. a. Folgendes: 

Kinn ah men. 

Rest vom vorigen Jahr.1056 fl. 7 kr. 1 Pf. 

Jährlich bestimmt.3000 „ 

Seit 1783 gnädigst aus dem Ertrag der accise ein 

jährliches Aversum von.3000 „ 

Für Maulbeerbäume, welche jetzt nach gnädigster 

Willensmeinung gratis abgegeben .... Nihil 

Für Maulbeersamen.Nihil 

An verkauften Wurmsamen. 8 „ 30 „ 

Für erzieglet und verkaufte Seiden.Nihil 

Von der Landsliuter Plantage.Nihil 

7064 fl. 37 kr. 1 Pf. 

Ausgaben (Besoldungen). 

Rcchnungsführer mit 70 fl. Zulage.230 fl. 

Spinnmeisterin Lern ba eher in 300 fl. Gehalt nebst 

Zulagen.350 „ 

Johanna Feserin, Spinnmeisterin, zu Landshut . 150 „ 

Friedrich Zachow zu Amberg.326 „ 15 kr. 

Ignaz Dürr, Gärtner der Plantage Landshut . . . . 331 „ 10 „ 

Johann Röber, Plantage München.353 „ 40 „ 

Fried. Schneider, Rampart Gärtner.376 „ 10 „ 

Bot Wolfg. Reithmayr.2 4 „ — „ 

2141 fl. 15 kr. 

Taglöhner in der vor dem Neuliauser Thor belegenen 

Plantage.243 fl. 21 kr. 

Gebäudeunterhalt.73 „ 39 „ 

Rampart u. Cotton-Bleich-Taglöhner.133 „ 22 „ 

Gebäude der Plantage Landshut.224 „ 48 „ 

Erziegluug der Seidenwürmer München und Abhaspeln 

der Seide.12 „ 14 „ 

Filatorium und Incanatorium.Nihil 

Landshuter Seidenzucht.Nihil 

Erkaufte Maulbeersamen.Nihil 

Erkaufte Wurmsamen.Nihil 

Jährliche recompens- und Reis-Deputate. 

Kanzler v. Goldliagen.140 fl. 

Al. v. Hofstetten, geh. Rath (t 1797).210 „ 

(Derselbe in diesem Jahr zuviel erhalten, auticipirt etc.) 

Hofkammerrath v. Kretz .140 „ 

Sekr. Grosch.70 ,, 


Summa der Recompens 560 fl. 


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Die Seidenzucht in Bayern. 


131 


Ablösungs-Zinsen, Abzahlungen u. s. w.2720 fl. 48 kr. 

und endlich sonderbare Ausgaben . 47 „ 33 „ 

Somit Gesammteinnahmen ....... 7064 fl. 37 kr. 

Somit Gesamintausgaben.6157 „ — ,, 

Somit Restieren 907 fl. 37kr. 


Sehr bezeichnend für die damaligen verlotterten Zustände ist auch der 
folgende Vorfall. Sekretär Grosch wohnte von 1786 an im kurfürstl. Maul¬ 
beerbaumgarten und hatte dabei die Aufsicht sowohl über diesen, als die 
darin befiudlichen kurfürstl. Gebäude zu führen. Im April 1797 verliess er 
diese Wohnung, um sie mit einer in der Stadt gelegenen zu vertauschen. 
Die Plantagewohuung wurde jetzt dem Zahlschreiber Nacht mann zuge¬ 
sichert. Zuvor aber zog rasch Gärtner Reber in die Groschsche Wohnung, 
ohne Erlaubnis erholt zu haben. Laut Direktionsschreiben vom 12. Mai 1797 
musste er sie aber sofort wieder dem Nacht 111 an 11 einräumen. — Das bisher 
geringe Interesse für die Seidenzucht ist im Jahre 1798 ganz erkaltet. Die 
schweren Kriegsjahre machen sich auch nach dieser Richtung hin geltend. 
Nur der kurfürstliche Salzamtskoutroleur Pachmayr zu Landsberg bittet 
um 50 Stück wenigstens 7 Fuss hoher Maulbeerbäume gegen Bezahlung; 
und am 3. Oktober 1798 macht der Gärtner Röber bei der Generaldirekton die 
„gehorsamste Anzeig, dass von denen 3 Passeing (Bassins) in der Plantage 
die Bleyerne w r asser Rohr nebst den Medallern Aufsäzlen in der gestrigen 
Nacht abgedräht und entwendet werden seyen, eine Begebenheit die sehr 
auffahlent und viel zu denken übrig lässt!“ — Im Jahre 1799 entschied sich 
endlich das Schicksal der Seidenzucht in Bayern für das 18. Jahrhundert. 
Eine in sich unmögliche Sache, noch gehemmt durch grossenteils unfähiges, 
dabei noch lässiges, träges, gewinnsüchtiges Personal und alle möglichen 
unzweckmässigen Anordnungen, Einrichtungen u. dgl. mussten sie endlich 
zu Fall bringen. Am 8. Januar 1799 stellte Oberst Hallberg vom kur¬ 
pfalzbayerischen Artillerieregiment an den Hofkammerpräsidenten, Reichs¬ 
grafen Exc. J. Aug. von Törring und Gronsfeld, zu Jettenbacli etc. das 
Ansuchen, einen Teil des im Hof garten gebäude befindlichen Filatoriums zu 
Schulzwecken füf das Regiment zu räumen. Diesem Gesuch wurde alsbald 
entsprochen. Unter dem 27. März 1799 erschien endlich das längst erwartete 
höchste Reskript: 

„Da die in Bayern mit grossen Kosten errichtete Seidenzuchtanstalt den erwarteten 
Erfolg keines wegs gehabt hat, so haben Seine Kurfürstl. Durchlaucht gnädigst befohlen, 
diese Anstalt gänzlich aufzuheben und noch zur Zeit blos die ausserhalb dem Rampart 
nächst der Kasernen befindliche kleine Plantage nebst den um die Stadt herumstehenden 
hochstämmigen Maulbeerbäumen zu behalten. Die zwei grossen Gärten hier und zu 
Landshut aber ohne weiteres verkaufen zu lassen.“ 

Die kurfürstl. Hofkammer befahl alsbald de dato 5. April 1799 die 
Münchener und Landshutischen Maulbeerbaum gärten durch öffentliche Ver¬ 
steigerungen Kaufliebhabern zu überlassen, w r omit auch die auf erstem liegenden 
5325 fl. zu 4 Prozent vorhandenen Kapitalien zur Übernahme bestimmt an¬ 
offeriert worden sind. 

9 " 


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132 


Karl Otto Harz 


In einem Aktenstück vom Jahre 1806 wird darauf hingewiesen, dass 
nunmehr in Bayern von den früheren vielen Bäumen nur noch einzelne ziemlich 
grosse Mori auf den Wällen von L,andshut und München vorhanden, die aber 
ohne Pflege und Benützung sich selbst überlassen, also sehr verwahrlost sind. 
Als eines der letzten Inventarstücke aus der zweiten bayerischen Seidenperiode 
figuriert in den Akten noch der Gärtner Friedr. Karl Schneider. Er 
wurde 1755 angestellt, kam 1785 nach München in die Maulbeerplantage, 
dann nach Burghausen, von dort nach Rhaiu bei Straubing in die dortige 
Plantage und schliesslich wieder zurück nach München. Am 27. März 1799 
nach 2 7jähriger Dienszeit entzog man ihm die bis dahin bewilligten Holz-, 
Zins- und Kleidergelder per Jahr 76 fl. 10 kr. von 1799 aufangend, dieser 
Verlust ist, wie er in einer Eingabe an den Kurfürsten d. d. 7. Dezbr. 1801 
sagt Jetzt bei dermalig unverinesslich theurer Zeiten um so empfindlicher, 
als selbst die Beylage weiset, dass ich mit meiner Familie nach der strengst¬ 
und eiugezogensten Wirthschaft und ohne nötiger Kleidung mit denen noch 
geuiesseuden jährl. 300 fl. doch unmöglich aus langen, viel weniger meine 
Schulden bezahlen könne.“ Er fügt seiner Eingabe bei eine 


Specification Unentbehrlich täglicher Ausgaben. 


Für Fleisch . . 

Brod . . . 

Gemüss . . 

Grünes . . 

Schmalz . . 

Mehl . . . 

Salz . . . 

Milch . . . 

Bier . . . 

Schuupftobak 
Rassieren 
Licht . . . 

Hauszins . . 

Holz . . . 


— fl. 


14 kr. 
6 


5 

1 

3 
12 

2 

2 

8 

5 


Pfg. — Hell. 


Pf 


Summa 1 fl. 2 kr. 2 
Hier ist also noch keine Kleidungsstück dabey und beläuft sich die Summa 
jährlich auf 380 fl. 58 kr. 


1 Hell. 


Hierauf erfolgt Bescheid: Supplicant hat sich mit der ihm bewilligten 
Pension von 300 fl. zu begnügen. München d. 16. Dezbr. 1801. 


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Quellennachweise. 


1) Die sämtlichen Archivalien stammen aus dem kgl. Kreisarchiv zu 
München. 

2) S. über ihn Forschungen III, 152. 

3) S. über ihn ebenda III, 154. 

4) Mayr, Generaliensammlung. München 1771. § 23. S. 457. 

5) Unter seiner Regierung kam die Seidenzucht in besondere Gunst. Vgl. dies¬ 
bezügliche Erlasse im Intelligenzblatte 1778 (No. 23), 1783 (No. 7), 1784 (No. 27), 1786 
(No 40), 1787 (S. 389), 1791 (No. 19), 1792 (No. 31), 1794 (No. 43), 1798 (No. 35) u. a. 

6) Wohl der Jesuit Hermann von G. (1718—1794. Allg. D. Biog. IX, 333). 

7) Joh. Gg. Dominikus L. 1714—1787. (Allg. D. Biog. XVIII, 659). 

8) Zirtigibl, Geschichte des Bayer. Handels. 4. 1817; in Mayrs Gen.-Samml. 
Bd. III No. 39 u. 41. Doch ist hier der 28. Dezember angeführt. 

9) M a y r G. K. Sammlung der Kurpfalzbaierischen allg. u. besond. Landesver¬ 
ordnungeil. Münch. 1788 III, 448. 449. — Münchener Intelligenz-Blatt 1783 (No. VII. 

S. 61. 62. 8. Febr.). 

10) Vergl. Forschungen VI., 81, 84. 86. 117. 

11) Die Landwirtschaft in Bayern. Münch. 1860 S. 801. 

12) Johann Jakob D. (1741 —1813), gefeierter Maler. (Allg. D. Biogr. V, 354). 

13) Seit 1. Februar 1797 Hofmarksherr und Gutsbesitzer auf Lixenried und 
Bogen (B.-A. Waldmünchen), wo sein (bereits am 22. Mai 1798 erfolgter) Tod und die 
Ungunst des Klimas die von ihm geplante Seidenzucht unmöglich machte. 

14) Nach wiederholten Eingaben und Bittschriften erhielt Prillsauer laut Dekret 
vom 10. Febr. 1S04 „vom Januar 1804 an ein jährlich Almosen von 36 Gulden aus dem 
Hofalmosenariatsfond. — ist 76 Jahre alt.“ 

15) Am 25. August 1791 werden den Gärtnern noch 45 Gulden Zins und 18 Gulden 
40 Kreuzer allergnädigst gewährt, — und im Mai 1793 werden denselben „wegen des 
seit einigen Jahren beträclilich steigenden Holzpreises“ jährlich noch 30 Gulden Holzgeld 
bewilligt. 

16) Rumford, der (1789) den englischen Garten anlegte. (1753 —1814). Vgl. 
Jahrbuch für Münchener Geschichte III, 41. Anni. 8 u. S. 52. — Pleickliard Stumpf. 
Denkwürdige Bayern. Münch. (1865) S. 294—296. — Allg. D. Biogr. XXIX, 643—655. 

17) S. Forschungen III, 150. A. 189. 

18) S. Forschungen V, 200, 203. A. 22. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl. 

Von 

Michael Döberl. 

I. Ausgewählte Aktenstücke.*) 

I. Wien 1666 Oktober 6. Kaiser Leopold I. an öxl. 

ff^ieber Öxl. Mir ist aus Eurem allerunterthänigsten memorial re- 
ferirt worden, wasmassen mich Ihr allergehorsambist erünnert und angelangt, 
das diploma wegen Euer und der Eurigen erhebung in den ritterlichen reichs¬ 
adelstand, dessen ich Euch zu Frankfurt bei meiner erwöhlung durch ein 
aigenes haudbriefl vertröstet, gehöriger massen ausfertigen zu lassen. 

Gleichwie ich nun, was ich mich gegen Euch damalen erklärt habe, 
ganz wol erünnere, also solte es auch an der expedition des berürten diplo- 
matis nicht ermanglen. Demnach ich aber in fernere consideration gezogen, 
welcher gestalt Ir nicht allein in derienigen treuisten devotion, die Ihr 
gegen mir und mein erzhaus, ingleichen gegen meines freundlichen lieben 
vetters des churfürsten in Bayern L d und dero churhaus, sonderlich bei au- 
gedentem Wahltag erwiesen, bishero beständig und rhumblich continuirt, sondern 
auch Euch seit der zeit umb das gemeine reichswesen mit Euren erspriesslichen 
cousiliis, aufrichtigen actiouibus und vilfeltigen grossen bemuehungen noch 
weiters in vil weg sonders wol verdient gemacht: als hab ich mich ferner 
aus aigener bewögnus von Selbsten entschlossen, zu bezeugung meiner gegen 
Euch tragender beharrlicher genedigsten gewogenheit, Euch, Eure eheliche leibs¬ 
erben und naclikommen noch mehrers zu begnaden und in den reichsfreiliemi- 
stand zu erheben. Allermassen hiemit in craft dis beschicht, will auch die Verord¬ 
nung thuen, damit hierüber das gehörige diploma in bester formb nach Euerem 
belieben aus meiner kais. reichshofcanzlei förderlich ausgefertiget und Euch 
hernegst zuegestelt werde. Mich wol versichereud, dass besagt meines vettern 
des churfürsten L (1 solches Euch als dero und ihres hauses altem getreuen 
diener umb sovil mehr gern gönnen und zu gefallen aufnemen werden, weilen 
es ihrer L d selbst zu respect und ehren geraicht und von mir auch genedigst 
gemeint ist. Welches ich Euch entzwischen zu Eurer nachricht und Versicherung 

*) Ich schicke aus äusseren wie inneren Gründen diese ausgewählten Aktenstücke 
der Darstellung voraus. Letztere folgt als zweiter Teil. — Die Aktenstücke sind, soweit 
sie nicht einen besonderen Vermerk tragen, den Personalakten Öxls im Münchener Kreis- 
arcliiv H. R. f. 250, nr. 446 entnommen. Ihre Veröffentlichung erschien mir um so dringen¬ 
der, als sie zum teil in einem sehr schadhaften Zustande sich befinden. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


135 


hiemit zu wissen machen wollen. Bin und verbleibe Euch anneben noch für- 
ders und iederzeit mit beharrlichen kaiserlichen gnaden sonders wol gewogen. 
Geben in meiner residenzstatt Wien den 6. Octobris a 1666. 

Leopold. 


2. Wien 1666 Nov. 4. Obersthofmarschall Hermann Egon von Fürstenberg an 

Vizekanzler Kaspar Schmid. 

Wohledler, hochgelehrter, insonderst vilgeehrter, geliebter herr vicecanzler. 

Was der bischof v. Strasspurg für eine abschrift des bischofen v. Frey¬ 
sing an Churcöln abgangenen schreiben communicirt, gibt die beilag. Und 
demnach ain und anderer passus darinnen, die wohl zue merken und des 
bischofen v. Strasspurg mainung nach ich und er darunder verstanden, ich 
aber mainen heim vicecanzlern nit gar auch darvon exempt halten thue: als 
consoliert mich gleichwohlen dises, dass in aller diser Überlassung bewusster 
stücken nichts anders gethan als was Churcöln nuzen erfordert und meines 
g. herni intention gewest ist, mich auch die Freysingische gnad oder ungnad 
so vil nit anfechten thuet. Man sicht gleichwohlen, dass leit vorhanden, die 
so guet sein könden ain und anderen in Unglück zue pringen und zue deni- 
griren sich befleissen, nit wissend, ob diser brief eben von demienigen Ursprung 
körnen möhte, von welchem mir der Curcölnische caminerdirector Widtman 
apertur gethan. 

Alliier spilet unser h. Öxel ain andere comedie. Und als ich den 
sambstag alhier angelangt, bin ich alsobalden den sontag danif von h. prob- 
sten v. Andrimont mit mehrern berichtet worden, wasgestalten D r Öxel 
dreimal bei ihro ks. Mt audienz gehabt und zuem andermal zue dero berufen 
worden, dabei er dan sowohl mit mereren mündlich, dan auch hernegst schrift¬ 
lich, nit weniger hernach beim Fürsten v. Lobkowiz angepracht, wasgestalten 
ich alhie, ingleichen D r Barbier und Leydele (!) in kurzen anlangen 
werden, man werde zwar underschidliche Sachen anpringen, die er erzehlt, so 
guet ers gewust hette, dises aber seie nur für ain schain und spiegelfehtuug. 
Das rehte secretum seie, dass man auf aller weis und weeg die landesfürstl. 
obrigkeit über die grafschaft Neuburg am Inn haben wolle. Item k. Mt und 
der first v. Lobkowiz hette sich bei Waldthuru sain lebtag nit zue ver¬ 
sichern, sonderen seie allain pro forma beschehen, als man beede obligiren wolte. 
Die resolution und gegebenen bescheid hat er, nit weniger alle zwischen h. 
probsteu v. Andrimont und meinem h. vicecanzler gethane schreiben, die er 
mehrenteils copeilich sambt dem protocoll der gehabten conferenz beigelegt, 
und alles ganz sinistre und malitiose glossirt. Hingegen zur erzeigung seines 
gegen i. ks. Mt und dem firsten v. Lobkowiz tragenden eifers und treu 
ain schriftliche instruction aufgesezt, wie die Bömische canzlei und i. ks. Mt 
selbsten ihre iura wegen Waldthurn zue manuteuiren. Ja er hat sogar die 
formalia, die i. ks. Mt schriftlich an meinen g. herrn abgehen lassen möchten, 
vorgeschriben. 

Unser hof und ministri seind von ihm durchgehend i. ks. Mt describirt 


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136 


Michael Döberl 


und dabei meiner und des h. vicecanzler dises bedacht worden, dass wir die 
ergeste Widersacher des löbl. haus Österreich weren. Er hab auch sogar 
mit weinenden äugen i. ks. M t geklagt, dass er allain dessentwegen bei 
i. kf. Dt nichts gelte und von hof persequirt werde, weilen er gar zue sehr 
und zue guet kaiserisch, und was dergleichen mehr seind und ich nit alles 
erfahren können. 

Dises alles hat h. probst Andrimont mich avisirt und vermeldet, dass 
er seine schriftliche relation und instruction, wie oben gemeldet, selbsten in 
handen gehabt und gelesen, dem firsten v. Eobkowiz aber wider restituiren 
müessen. 

Wie sehr nun mich dise sach erfreuet, ist leichtlich zu erachten. 
Und gleichwie mit Überlassung Waldthurn man nichts anderes gesucht als 
i. ks. Mt und den fürsten v. Eobköwiz zu obligiren, also hat diser böse 
pflichtvergessene gesell gesuecht mit seiner malitiosen relation alles zu ver- 
dunklen und aufzueheben. Nit weniger wird der cammerpresident, dessen 
man doch aniezt wegen des salzwesen am maisten von nöten, högstens offen- 
dirt, dass man ihm mit gewalt die grafsschaft Neuburg abtrucken und die 
landesfürstl. obrigkeit haben wolle. Drausen wohl zu schliessen, was dise sach 
für affcct gehabt und wie es die gemüeter disponirt habe. 

Das nägste, was ich iezt thue, ist allain, dass dises imprimirte concept 
als ain erdichte falschheit wider mit gueter mauier den ministris benommen 
werde. Bei dem fürsten v. Lobkowiz hab ich schon mein intent erhalten, 
der ihn dan gegen mir mit dem titel aines erzschelmen zweimal verehrt und 
gemeldet hat, er könte ihn uf seine actiones von Regenspurg und Frankfurt 
hero gar zu wohl, ueme ihn wunder, dass man denselben hiehero gelassen, 
man solte solchen auf eine pfleg im laud von Bayern thuen und sehen, dass 
er keinesfals hin wegen könte, sonsten er böse händel anfangen möchte. Weiters 
hab ich nit mehr aus dem firsten dermalen pringen köndten. 

Wie ich nun auch durch den anderen puncten i. ks. Mt recommen- 
diret worden, indem es von ainem Churbayerischen geheimben ratscanzier und 
mit solcher emphasi beschehen, was ich darvon für nuzen oder schaden in 
meinen particularis zue empfangen, nit weniger wi hoch i. kf. Dt guete dienst 
bei hiesigem hof zue leisten bei meiner anwesenheit accredirt worden, ist 
leichtlich zue ermessen. 

Mich verwundert aber solches desto weniger, als er es unsern g. herrn 
selbsten nit besser gemacht, weilen dieselbe beim dritten puncten ex conse- 
quentia nit fir guet kaiserisch ausgeschrieben worden, indem er als guet kai¬ 
serisch nit geachtet sein solle. Ich hab von diseu leichtfertigen vorgeben zu 
Frankfurt schon mit meinen hegsten schaden vil persecutiones leiden müessen, 
deren ich mich aber ferners zu underwerfen nit mehr gesint, und verhoffe, 
i. kf. Dt werde hierin mir solhe pilliche satisfaction geben lassen, damit ich 
und ain anderer ehrlicher man in diensten verpleiben kann. 

Ich hoffe und hab Vertröstung, dass der Andrimont mir des Öxels 
aigtie hand und Schriften zue wegen pringen werde, so ich gleich mitpringe 
und überschicke, alsdan er desto besser convincirt und vernommen wird werden 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 137 


köndten. Das ist auch köstlich gewesen, dass er von i. ks. Mt begert, man 
solte den probst v. Andrimont von hier wochen 4 oder 5 hinwegschicken 
oder doch ex officio silentium itnponiren, so i. ks. Mt Selbsten uit gefallen, 
aber sein lamentiren und weinen gleichwohlen so vil verkosart hat, dass es 
böse impressiones gemacht und zue thun haben wird durch ministris, wie es 
zum teil beschehen, selbige wider zue divertiren. Es heisst „calumniare au- 
dacter; semper aliquid haeret.“ 

Der first v. Eobkowiz und alle, die davon wissen, haben sich recht 
über dies maus untreu formalisirt, indeme er gegen saines herrn interesse und 
seine pflicht so weit öffentlich und schriftlich herausgelassen. Und hat der 
first dem Andrimont befohlen dem Öxel zu verstehen zue geben, man 
höre zwar die spiones an, aber für ihre personen seien darumben nit desto 
lieber. Mir ist nur umb i. ks. Mt (?) und camerpresident, die disen vögele nit 
reht können und für einen ehrlichen man halten, also ihro gewohnheit nach 
die impressiones sinistras nit gern fallen lassen möchten. 

Er Öxel gibt vor, dass er künftigen montag oder erchtag von hier 
verreisen werde. Ich aber zweifle sehr daran, derowegen nit bös were, wan 
i. kf. D fc denselben avocirten; dan sonsten ainmahl dero interesse darunder 
leiden wird. Das schreiben könte h. Barbier uberschickt und entweder, wann 
er noch hier, ihme vom selbigen aingehändiget oder, wan er verreist, wider 
zurückgeschickt werden. 

Ich hab mich in meinem schreiben au i. kf. Dt auf Deroselben referirt, 
hette Dero die sach in substantia vorzupringen, weilen dises schreiben in 
hegster eil und confusion verfertiget und propter iudignitatem rei sine motu 
animi nit vil darvon melden kan. In dem salzwesen hab ich guete hoffnung 
und könte mehr melden, wan dise lumpenhändel nit darzwischen kotnen. 

Wien den 4. Nov. 1666. 

Verpleibe etc. Herman Egon v. Fürstenberg. 

PS. Wan i. kf. Dt das vicethumbatnt zue Straubing ersezen wollen, 
wüsste ich in meinem gewissen auf dem ganzen land keinen tauglichem als 
den gf. v. Preysing im Mooss. 

3. Wien 1666 Nov. 4. Kanzler der Regierung Landshut Dr. Johann German 
Barbier an Vizekanzler Kaspar Schmid. 

Wohledler und gestrenger hochgeehrtister herr vicecanzler. 

Was der Öxel vor sauber händel alhier angericht und gesuecht unsere 
negotiation auf alle mitl und weg zu hindern, werden i. Excell. der h. gf. 
v. Fürstenberg sowohl i. kf. Dt als meinem hohen g. herrn überschreiben. 
Weil aber derselbe etwas kurz dardurch gehen 4 missen, hab ich die parti- 
cularia berichten wollen, weliche ich von hohgedachten h. gf. v. Fürsten¬ 
berg vernomen. 

J. kf. Mt hat er Öxel in gehabter Audienz mit weinenden äugen ge¬ 
klagt, dass er bei i. kf. Dt allein der Ursachen nit wol angesehen und in 
gnaden stehe, weil er gar zu guet kaiserisch seie, dahingegen der h. gf. 


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138 


Michael Döberl 


v. Fürstenberg und mein hoher g. herr, weliche ihue am meisten perse- 
quiren, der Französischen faction ergeben seien. Dem v. Lobcowiz hat er 
vergebilt, die gnad, so ihme wegen Waltthurn beschehen, seie ein lauter 
spiglfechtung; dan, weilen in diser cession seiner person allein gedacht worden, 
köne man dieselbe nach seinem tod pro libitu retractiren und zurucknemben. 
Dem camerpresident hat er vorgesagt, i. kf. Dt seien genzlich resolvirt die 
landesfürstl. hohe obrigkeit bei Neuburg durchgehend zu behaubten. Man solle 
uns zweien nit trauen, weil wür arge vögl, ja er soll sogar schriftlich von sich 
gegeben haben, wie uns in unsern pretensionibus zu begegnen sein mehte. . 

Wan nun dises sich also wahr sein befündet, würd der Öxl ein schwere 
Verantwortung haben; ich hab mir leicht einbilden können, dass er uns werde 
tricas machen. Dass er aber sich so weit vergessen und ex professo wider 
i. kf. D fc interesse agiren sollte, were mir nie zu sinnen körnen. Scheint, 
dass ihne gott der almechtige villeicht aus verdienter straf wegen seiner 
gegen iederman practicirten falschheit fallen lassen. Das seint rehte schelmen- 
stück, die einem geheimen ratscanzier, welicher erst iüngstlich von meinem 
g. herrn so vil gnaden empfangen, gar wohl ansteheu. 

I. Excell. gf. v. Fürstenberg haben genueg zu thun, dass sye 
i. ks. und dero ministris das ungleiche concept benemben, zumal sye durch 
den Öxel recht alien und perplex gemacht worden. Das beste ist, dass die 
ks. hohe ministri seinen genium ziinblich kennen. Dixerunt, sye hören die 
Spionen zwar gern, ihn thuens aber hassen. Der von Lobcowiz hat ihm 
das praedicat geben, er seie ein schelm in der haut. 

Mich hat er vorgestert mit einem rausch besucht und gesagt, dass er 
bei i. ks. Mt drei Sachen negotirt habe: wie das diploma wegen des adelsstand, 
damit er der von i. kf. Dt gegebenen edlmansfreiheit genüessen kone; 2. pri- 
mas preces uf ein canonicat vor seinen iüngsten sohn; 3. kaiserlichen dienst 
vor seiner iüngsten tohter liebsten, weil sich dieselbe in Bayern nit verheu- 
raten wolle. Sonst hat er imerdar gesprochen, dass man seine dienst als 
eines 38iahrigen dieners so gar nit mehr achte, es seie auiezo eine rehte zeit 
beim ks. hof pretensiones zu stöllen. Dan weil i. ks. Mt voller freid, werde 
es gleich heissen: fiat. Ich hab ihm darauf nichts geantwort, auch noh nie¬ 
mals besucht, thues auch noh nit gedenken. Nunmehr ist er mir ganz fail, 
weil er so gar untreu gegen meinen g. hern ist. 

Bei solicher beschaffenheit könte kein ehrlicher man etwas nuzlichs 
negotireu. Es ist des h. graven anwesenheit wol unser grosses glick. Dan 
sonsten wurden wür von allen über zwerch angesehen worden sein, unwissend, 
wo es herkome. 

Wegen unser Unterhaltung erwarten wür wol mit verlangen die g. re- 
solution. Es ist nit zu besthreiben, wie alles so teuer ist. In einem würt- 
haus wurde uns das monat leichtlich 1000 fl aufgehen, wür doh dannoch so 
stattlich nit tractirt werden. In Eil. 

Wien den 4. Novembris Meines hochgeehrten lierru 

gehorsamer diener 
Barbier. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


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4. Wien 1666 Nov. 4. Hermann Egon von Fürstenberg an den Kurfürsten. 

Durchleichtigster churfirst, 
gnedigster herr. 

Demnach ich vergangenen sambstag alhie gottlob glücklich augelangt, 
hab ich nit underlassen gleich bald darauf die gelegenheit zue suchen mit 
ainem und andern ks. ministro mich zue besprechen und E. kf. Dt interesse 
besterinassen zue recommendiren. Was ich aber anfenglich gleich und zwar 
den dritten tag verwenden müessen, hab ich Dero geheimen ratsvicecanzlern 
mit mehrern ubescriben. Darauf ich mich gehorsamblich beziehe und Dem¬ 
selben mit verdriesslicher widerholung nit molest sein will. Gewiss aber ist 
es, dass ain woche und mehrers allein an wenden muess den ks. ministris 
die aingegebene impressiones wider zu benemeu, gleich bei teilen, bevorab 
fürsten v. Lobkowiz beregtes beschehen. Und solcher gestalten verhoffe, Dero 
negociutn anoch zue g. satisfaction ausschlagen werde. Mich damit zue Dero 
beharlichen churfirstlichen gnaden undertheuigst empfehlend 

E. kf. Dt 

München (!) den 4. November undertheuigst gehorsambster 

1666. H. Egon v. Fürstenberg. 

5. München 1667 März I. Kaspar Schmid an öxl. 

Hochgeehrter herr gehaimber ratscanzier. 

Demselben thue ich in vertrauen nit verhalten, dass i. kf. D 1 mein g. 
herr noch Vorhabens sein ihre reis in Italien nacher Padua in begleitung ihrer 
geinahlin meiner g. fraueu zu der eingeratenen badcur bald nach Ostern fort- 
zusezen. Dieweilen dan höchstgedacht s. kf. Di zue besagter rais dero ge- 
haimben rat den Mayr zue gebrauchen, vorhero aber mit meinem hoch¬ 
geehrten herrn gehaimben ratscanzier conferieren zue lassen gedenken, was 
in ihrer abweseuheit in reichssachen zu beobachten die notdurft erfordern 
möchte: also ist i. er kf. Dt g. will, dass er sich, so bald es immer möglich, 
dan ein kurze zeit ohne das mehr übrig und in lezten wochen als der heiligen 
zeit nichts zu negotieren ist, auf den weg begebe und alhier einfinde. Dessen 
sich i. kf. Dt verlassen, und ich verbleibe nechst dienstlicher recommendation 
iederzeit 

meines hochgeehrten herrn canzlers 

bereitwilligster diener 
Casp. Schmidt. 

6. München 1667 April 10. öxl an den Kurfürsten Ferdinand Maria. 

Durchlauchtigister churfürst, gnädigister herr. 

Demnach ich durch die gnaden gottes nunmehr das 62. iahr meines 
alters erraicht und darunder 38 in E. er kf. Dt und Dero höchstlöblichisten 
churhauses diensten. sonderlich auch die lestere 18 iahr (ohne was vorhero 


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Michael Döberl 


beschehen) fast continuirlich in reichscommissionen zugebracht habe, mit dem 
alter aber und durch die ausgestandene travaglien und Ungelegenheiten zu¬ 
gleich auch allerhand leibszueständ auf mich kommen, dass ich meinen diensten 
und bishero gehabten Verrichtungen solcher gestalt nicht mehr vorstehen kan: 
als gelangt an E. kf. Dt mein uuderthenigiste bitt, Dieselbe geruhen ge- 
nädist mich meiner würklichen dienstpflicht und obhabenden Commissionen in 
kf. gnaden zu entlassen, damit ich die übrige kurze zeit meines lebens in 
leibs und gemieths ruhe an einem gelegenlichen ort verzehren, auch mithin 
gott dem allmechtigen desto vollkommener dienen möge. 

Damit ich aber meiner so lang getragener schwerer dienerschaft in 
meinem alter zue ehren und nuzen noch fürders genüessen möge, thue E. 
kf. Dt ich nicht wenigers demüetigist bitten, Dieselbe wollen mir den ge- 
heimben ratscanzlerstitul sambt meiner bisherigen besoldung und was deren 
weiters beigelegt ist, die ijoch gar wenige zeit, so mich gott leben lassen 
möchte, gnädigst zuegönnen, auch zuverwilligen, wann ich etwan ein oder 
andersmal von E. kf. Dt erfordert werden oder in meinen angelegenen Privat¬ 
geschäft von selbst alhero khommen solte, dass ich zu begebender concurrenz 
den rank under den geheimben räten, wie bis dato, behalten möge. Dic- 
weiln ich auch mit meiner hausfrauen zue Regenspurg der Memingerin, 
iezo Syrothin, pactiren müessen, wann ich das quartier endern oder quittieren 
wolle, dass ich solches ein monatsfrisst vorhero aufkinden solle, leb ich der 
underthenigisten hoffnung, E. kf. Dt werden kein bedenken haben, dass ich 
besagtes quartier under der benambsten zeit, da ohne das der züns noch 
daraus geraicht werden muess, vollends genüesse, und mir die gewöhnliche 
deputat- und underhaltungsgelter wenigist noch disen monat passirt werden, 
damit ich meine Sachen anderwerts desto fueglicher anstellen kände. 

Die pfleg Tei spach betreffend, weiln E. kf. Dt mir hiebevor die gnad 
gethan und vermög Dero den 14. August negst vergangenen 66. iahrs ergangenen 
gnedigsten decreti, davon ein extract hiebei liegt, erklärt, dass Dieselbe nicht 
ungeuaigt seien, auf meinen tötlichen hintritt gedachte pfleg uund was even- 
tualiter wegen zuelegung des castenambts darbei enthalten, einem meiner söhn, 
der hierzu qualificirt sein und den ich hierzue benennen werde, zu verlassen, 
und es nun zue solchem meinem tödlichen hintritt gar nicht weit mehr 
ist, ich auch also zue reden ohne das schon civiliter mortuus bin, solchem 
nach ist an E. kf. Dt mein gehorsambstes anlangen, Dieselbe wollen mir 
gnädigst erlauben, dass ich die pfleg meinem öltisten sohn Conrad Bartholme, 
welcher bereits bei 8 jahren i. er hochfstl. Eminenz des herrn erzbischofen 
zue Salzburg würkliclier cammerrat und von deroselben under wehrenden 
reichstag zugleich in publicis neg.ociis mit sonderbaren gueten satisfaction ge¬ 
braucht worden, auch hoffentlich zue solchem ambt genuegsamb qualificirt 
ist, dergestalt resignieren, dass er selbige negst künftigen St. Michaelis würk- 
lich beziehen möge, zumaln ohne dass E. kf. Dt nichts daran gelegen, ob die 
pfleg er oder ich bis zu meinem tod genüessen thue: wie ich dann auch 
underthenigist verhoffe, E. kf. Dt werden ilime meinem sohn, was wegen seiner 
dienstsaccomodation in angezogenem decret begriffen, seinem verlangen nach 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 14 1 


ebenmessig gedeien lassen, damit E. kf. Dt er anstatt meiner zu Dero diensten 
gehorsambist auffzuwarten und sich zu einem noch mehrern capace zu machen 
gelegenheit erlange. Deroselben mich zu hocheu kf. gnaden underthenigst 
befehlend 

Den io. April a. 1667. 

E. kf. Dt 

underthönigster gehorsamster 
und treuister diener 

J. G. Oexl. 

(Das Konzept befindet sich im Müuchener Kreisarchiv H. R. f. 301, nr. 216.) 

7. Kurfürstliches Dekret vom 13. April 1667. 

I. kf. Dt in Bayrn unser g. herr haben aus dero geheimbeu ratscanzlern 
Johan Georg Öxels übergebnen underthenigsten meinorial mit mehrerm 
ersehen, welcher gestalten und aus was Ursachen derselbe bitten thuet, ihne 
seiner pflicht und dienst in kf. gnaden zue geben, iedoch den geheimben rats- 
canzlerstitl und gang, auch die besoldung und was demselben weiters beige¬ 
legt ist, die zeit seines lebens zue lassen und zue bewilligen, dass ihme das 
deputat wegen der Regenspurg. gesaudtschaft bis zue ausgang dises monats 
verreicht und das underkommen in der Memingerischen behausung zue Regens¬ 
purg noch uf ein inonat verstattet, auch sein älterer sohn Conrad Bartolme 
zue der pfleg Deispach gelassen werden möchte. 

Gleichwie nun i. kf. Dt ermelt dero geheimben ratscanzlers resignation 
aus denen von ihme angeführten Ursachen in gnaden an- und aufnehmen, 
auch ihne hiemit seiner dienst und pflicht entlassen, also thuen sie auch g. 
bewilligen, dass ihme in ansehung seiner langwürigen und müehsamben diener- 
schaft die bisherige geheimbe ratscanzlers besoldung und, was derselben bei¬ 
gelegt gewesen, neben dem titl und gang die zeit seines lebens verbleiben, wie 
nit weniger das Regenspurgische deputat und underkomen in der Memingeri¬ 
schen behausung bis zue ausgang dises monats, auch seinem eiteren sohn 
Conrad Bartolme die pfleg Deispach gelassen und ihme, bis sich mit der 
zeit eine gelegenheit zue seiner accomodation in würkliche ratsdienst eraignet, 
der ratstitl erteilt werde. Jedoch hat ermelter geheimbe ratscanzier hingegen 
höchstgedacht seiner kf. Dt dergleichen revers under seiner aignen hand- 
underschrift und fertigung anzueliefern, wie die beilag mehrers aus weiset. 
Welches alles i. kf. Dt öftergedacht dero geheimben ratscanzlern also in 
gnaden, mit denen sie ihme wolgewogen, anzuefiiegen befohlen. 

Den 13. April 1667. 

Konzept v. Schmid. 

8. öxls Revers, ausgestellt am 14. April 1667. 

Ich Johann Georg Öxel etc. urkunde und bekenne hiemit. Dem¬ 
nach mir der durchleuchtigste kf. die hohe kf. gnad gethan und uf mein 
underthenigste bitt mich nit allein meiner bishero gehabten pflicht und dienst 


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Michael Döberl 


in gnaden begeben, sondern auch die besoldung neben dem gang und titl 
eines geheimben ratscanzlers die zeit meines lebens, iedoch dergestalt bewilliget, 
dass ich in keine andere dienst treten noch hohen oder nidem Standspersonen 
in Sachen, so wider des hochlobl. haus Bayrn interesse directe oder indirecte 
sein, mit rat oder tat an die hand gehen, auch alles dasienige, was mir in zeit 
meiner langwürigen dienerschaft von des kf. haus gerechtsamben oder sonsten 
vertraut oder bekant worden, im geringsten nichts offenbaren, sondern vermög 
meiner vorigen pflicht bis in mein tod verschweigen, i. kf. D* und ihres 
hohen haus nuzen iederzeit befördern, allen schaden wenden und wahren, auch 
die in meinen handen habende documenta und schriftliche urkunden, acta 
publica und anders, so i. kf. D* zuegehörig, bona fide extradiren wolle. 
Als gelob und versprich ich hiemit und in kraft dises, deme allem getreulich 
nachzuekommen und darwider nit zue handlen, bei meinen wahren Worten, 
treu und glauben, zue dessen gezeuguus ich mich aigenhendig underschriben 
und disen revers mit meinem petschaft gefertiget, so geschehen 
den 14. April 1667. 

Konzept v. Schmid. 


9. München 1668 Januar 3. Kurfürst Ferdinand Maria an den bayerischen 
Residenten in Wien Dr. Stoiberer. 

Indeme wir auch vernommen, dass Dein schwehervater unser ge- 
haimber ratscanzier der Öxel sich zu Wien aufhalte, so hast Du ihme zu 
bedeuten, dass wür nit gedenken die demselben sonst ad dies vitae bewilligte 
besoldung ausser lands ausfolgen zu lassen, zumalen wir ihm dieselbe aus 
gnaden darumben bewilliget, dass er uns noch verpflichtet und verobligiert 
bleiben, auch in begebenden vorfallen mit der Information an die hand gehen, 
nit dass er erinelte besoldung anderwerts, wo er uns mehr schädlich als 
nuzlich ist, zu seiner gelegenheit vezehreti solle. Wollen wür Dir nit 
verhalten und sein Dir anbei mit gnaden gewogen. 

Dat. München den 3. Jener a. 1668. 

Ex speciali commissione 
serenissimi domini ducis electoris. 

Caspar Hueber. 


10. München 1668 Febr. 24. Kurfürst Ferdinand Maria an öxl. 

Lieber getreuer. Demnach uns gewisse und hochwichtige Sachen zu 
consultiren und überlegen zu lassen vorgefallen, darbei wir Deiner in person 
vonneten haben, als ist unser g. bevelch hiemit, das Du nach empfachung 
dis Dich gleich auf den weg machen und innerhalb 14 tagen alhier unfelbar 
einfinden sollest. Verlassen wür uns ohne einige eiitschuldiguug zu geschehen, 
und seint Dir anbei etc. 

München den 24. Febr. 1668. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 143 


II. Regensburg 1668 März 4. Johann Scherer an seinen Schwiegervater öxl. 

Hochgeehrtister herzliebster herr vater. 

J. hochfstl. Eminenz der herr Cardinal von Thun haben gesteren nach 
der tafel mich allein zurück behalten und in dero zimmer geführt, allwo sie 
remotis omnibus arbitris mir zu verneinen geben, welcher gestalt i. kf. 
Dt in Bayern jüngsthin dem herren vater zu verstehen geben lasen, das sie 
ihn ungern zu Wien, als in einem ort, da er ihro mehr schaden als nutzen 
thäte, sehen müssen, und auch aus solcher ursach ihmbe die Verabfolgung 
seiner besoldung verweigeren lasen; nachdeme aber s. kf. D* gesehen hetten, 
das dannoch der herr vater sich daran nit kehre und daselbsten noch lenger 
verwailen thue, als hetten sie zweifelsohn aus antrieb des herren vaters 
grösten missgönner eine andere resolution gefast, umb ihn von dem ks. 
hof zu pringen und ihn underem praetext, das sie in angelegenen Sachen 
seiner vonnöten hetten, nach München citirt. Es liesen aber höchstgedacht 
seine hochfstl. Eminenz den herrti vater Selbsten vernünftig erwegen, ob er 
solcher praetextirten citation glauben beimessen und sich der augenschein¬ 
lichen gefahr undergeben wolle, indeme ihmbe ja genugsamb wissend seie, 
dass diejenige, so dermalen bei dem Churbayrischen hof alles nach belieben 
regieren, die vornembste sein würden, welche zu vestmachung und Ver¬ 
sicherung seiner person alle ersinnliche anschläg geben würden, und besorg- 
lich, wann es uf das allergnädigste ablaufen möchte, ihmbe ad dies vitae die 
statt München würde angesezt werden, so sie doch nit glauben könten, 
sondern viel ehender, dass eine personalarrestirung und Verschaffung an einen 
wohlverwahrten sicheren ort, so extra commercium hominum sein dörfte 
(intelligenti satis) erfolgen möchte. Solchem nach wann sie dem herrn vatern 
als sein treuer und aufrichtiger freund raten solten, so solte er die comparation 
über alles, was ihmbe uf der weit lieb ist, flihen und ehender ioo ent- 
schuldigung suchen, als uf dise gefährliche citation das geringste sich ver¬ 
sicheren. Dabei sie dann diese wort gepraucht, das sich der herr vater auf 
seiner libertät bei leib nit geben und ehender alles fahren lassen solte. Ich 
solte dise ihre wohlgemeinte gnädigste warnung mit heütiger post, aber in 
zifferen dem herrn vater ausführlich überschreiben und zu wissen machen, 
und sie wolten ihn auch durch ihren Buechholtz treulich warnen lassen. 

Wie dises anpringeu mir müse sein Vorkommen, das kan der herr 
vater onschwehr ermessen, ich habe aber meines theils keine stund wollen ver¬ 
lieren, alles umbstendig zu berichten, und damit gleichwolen diser brief 
am sicheristen möge dem herren vater zuekommen, für das beste zu sein be¬ 
funden, dass ich solchen herrn hofcanzler Hoch er solchergestalt beischliese 
und recommendire, das er ihn nicht von handen gebe, bis der herr Schwager 
Franz Ignati sich darumb in namen des herrn vaters bei ihmbe an gebe; 
so ich vertraue sein richtiges haben werde und nit nöttig sein, dass ich mich 
der ziffer gebrauche. Was ich meines wenigen orts darzue sagen solle, stehe 
ich an, weilen der herr vater von so hohem ort zu seinem besten auf das 
treuiste gewarnet würt, ist mir aber beigefallen, was ich in den notis Justi 


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Michael Döberl 


Lipsii ad libros politicorum sive civilis doctrinae nit nur einmal gelesen, da 
er meldet: consentiunt reges: quicunque sub iis res magnas gessere, ad 
extremum aut in offensa aut in exigua gratia fuisse; darauf er von dem 
Alfonso Albuquerquio sagt: accusatus maioris spei et suspectus deuique 
revocatus in patriam est et morte opportuna fortasse ignominiis exemptus. 
Simile Pacieco, qui post magna merita in custodiam et vincla coniectus 
etiam fuit et in clara innocentia liberatus tandem, sed ut in paupertate 
senesceret. Und dann von dem Comniinaeo, nachdem er viel er- 
zehlt, was der könig Ludwig mit ihmbe geredet habe, sagt er praeclara 
omnia: sed age tu, Comminaee, qui haec scis et praecipis, satisne cavisti? 
Naturalis tua prudentia sepsit aut munivit ? Accepisti plagam, et in tua arena 
circumventus es ab aulicis, qui effecere calumniis, ut in carcerem condereris, 
per trienuium fere servareris, denique capitis causam ipse diceres, ne patro- 
cinari quidem quoquam auso. 

(Bene me monet gener meus, et Lipsius in proxime sequentibus notis 
plura talia exempla refert; addit denique: Non sic nostri Austriaci patientes 
ministrorum suorum ed ad extremum mites. Randbemerkung Öxls) 

NB.! Wann ich an das implacabile odium Fürstenbergiorum gedenke, 
wie der herr von Bluhm dem herrn vater gesagt, und das procedere con- 
siderire, das man mit dem herrn vater geprauht, wie man ihn nit mehr leiden 
und dulten, ja sehen wollen, und sehe, was jezo darauf folget, so schliesse ich 
bei mir, das seine malevolenten zum öfteren müse gerüheu haben, dass sie sich 
nicht seiner versichert und also ihn eschappieren haben lasen. Der liebe gott 
würt hoffentlich in ansehung des herrn vaters Unschuld ihmbe solche nütz¬ 
liche und zu seiner Sicherheit diensambe gedauken und anscliläg iuspiriren, 
das er allen disen bastant würt genugsamb gewachsen sein und begegnen 
können. 

Empfehle also hiemit denselben in desen göttlichen starken schlitz und 
verpleibe so lang ich lebe 

Meines hochgeehrtisten herzliebsten 
herren vaters 

treuer gehorsamber 
sohn 

Johann Scherer. 

Datum sigilli den 4. Martii 1668. 


12. Neustadt in Niederösterreich 1668 April 13. öxl an Kurfürst Ferdinand Maria. 

Durchleuchtigister gnädigister churfürst und herr. 

E. kf. Dt rat und resident an dem ks. hof der Dr. Stoiberer hat 
mir mündlich angezaigt und hernach auf mein ersuchen durch schriftlichen 
extract communicirt, was Dieselbe mir zu bedeuten im verschinen gnädigst 
anbefohlen haben, nemblich, indem E. kf. D* vernemen, dass ich mich zu 
Wien aufhalte, Sie nit gedenken, die mir sonst ad dies vitae bewilligte be- 
soldung ausser lands ausfolgen zu lassen; zumalen E. kf. Dt mir dieselbe aus 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


H5 


gnaden darumb bewilliget, dass Ihro ich noch verpflichtet unnd verobligirt 
bleiben, auch in begebender vorfallenheit mit der information an die liand gehen, 
nicht dass ich ermelte besoldung anderwerts, wo Deroselben ich mehrers 
schäd- als nützlich seie, zu meiner gelegenheit verzehren solle. Als ich nun 
eben im werk gewesen, E. kf. Dt hierüber meine durch den Stoiberer in 
antecessum vertröstete underthänigste erläuter- und erklärung zu überschreiben, 
ist mir freitags den 2. passato, als ich gleich hieher raisen und zue gutscheu 
sitzen wollen, Deroselben den 24. Februar an mich selbsten abgangener be- 
felch von besagten Stoiberer feraers gelüfert worden, inhalts dessen E. kf. 
Dt gnädigst begehren, demnach Ihro gewisse und hochwichtige Sachen zu 
consultirn und überlegen zu lassen vorgefallen, darbei Sye meiner in person 
vonnöten haben, dass ich mich gleich auf den weg machen und innerhalb 
14 tagen unfehlbar zu München einfinden solle. 

Soviel nun das erste betrifft, erinnern E. kf. Dt Sich gnädigist, dass 
bei Deroselben ich vor ainem iahr umb zwai Sachen uuderthänigst supplicando 
und zwar distiucte augehalten: 1. dass E. kf. Dt mich meiner dienstpflicht 
in gnaden entlassen, 2. mir den gehaimben ratscantzlerstitul sambt meiner be¬ 
soldung und, was deren weiters beigelegt ist, die noch wenig übrige Zeit 
meines lebens gnädigst gönnen wolten. Darauf auch E. kf. Dt Sich durch 
Dero den 13. Aprilis des vergangenen 67sten iahrs datirten, mir aber erst 
den 18. eiusdem nach Deroselben aufbruch in Italien von dem canzleipoten 
gelüfertes decret ebenergestalt distincte gegen mir gnädigist erklärt und mir 
in meinen primo petito allerdings simpliciter et absolute mit denen formalibus 
willfahret haben, dass E. kf. Dt meine resignation in gnaden an- und auf- 
nenien, auch mich hiemit meiner dienst und pflicht entlassen. Die andere 
petita haben Dieselbe mir zwar auch, iedoch, wie die formalia meines revers 
lauten, dergestalten (id est: bis conditionibus) bewilliget, dass ich in kaine 
andere Dienst treten wolle und was weiters hernach folget. Von deme aber, 
dass E. kf. Dt ich noch verpflichtet und obligirt bleiben, auch in begebenden 
vorfallenheiten mit der information an liand gehen und die angedeuter massen 
certis conditionibus verwilligte besoldung nit ausser lands zu meiner gelegenheit 
verzörn solle, ist weder in E. kf. Dt decreto noch in meinem revers mit 
ainigem wort nicht vermeldet, auch per ueccessariam consequentiam daraus 
dergleichen nicht zue eliciern, und thete ia einander diametraliter zuwider¬ 
laufen, der dienst und pflicht erlasseu oder, wie mein revers lautet, meiner 
bishero gehabten pflicht und dienst in gnaden begeben zue sein und dass 
ich darmit noch verpachtet und verobligirt bleiben solle. Es sind mir 
auch die vorberührte concessiones ad dies vitae nicht darumben, dass E. kf. 
Dt ich noch verpflichtet und verobligirt verbleiben solle, noch ex mera gratia, 
sondern, wie däs decret vermag, in ansehung meiner langwürigen und rnühe- 
samben dienerschaft, als pro remuneratione beschehen. Ebenso wenig seind 
selbige auf die längere dienstverpflichtung und obligationsverbleibung, sondern 
auf die von mir ad dies vitae verlangte und ausgebetene besoldung und 
gehaimben ratscanzlerstitul cum annexis conditionirt und diese, gar nicht 
aber die absolute concedirte dienstentlassung darumb und dergestalt bewilliget 
Bayer. Forschungen VII, 2. 10 


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146 


Michael Döberl 


worden, dass ich hingegen den mir zuegemueteten und vorgeschribenen revers 
ausslüfern solle, craft dessen ich in kain andere dienst treten noch hohe oder 
nider Stands personen in Sachen, so wider das hochlöbl. haus Bayrn interesse 
directe oder indirekte seind, mit rat oder that an die hand gehen, auch alles 
dasjenige, was mir in zeit meiner langwierigen dienerschafft von des kf. 
hauses gerechtsambe oder sonsten vertraut und bekant worden, im geringsten 
nichts offenbaren, sondern vermög meiner vorigen pflichts bis in mein tod 
verschweigen, E. kf. Dt und Ihres hochen hauses nuzen iederzeit befürdern, 
allen schaden wenden und wahren, auch die in meinen händen habende 
documenta und schriftliche urkunden, acta publica und anders, so E. kf. D t 
gehörig, bona fide extradirn wolle. 

Gleichwie nun E. kf. Dt verstandeuermassen meine resignation absolute 
ohne ainzige restriction oder bedingung in gnaden an- und aufgenommen und 
mich secundum tenorem et vigore decreti meiner dienst und pflieht darmit 
und ipso actu entlassen: also hab ich auch solche gnädigste puram dimissionem 
und unbeschrenkte entlassung mit underthänigstem dank acceptirt vnnd 
mich derselbigen publice, libere et licite gebraucht, lasse es auch annoch aller¬ 
dings darbei bewenden und werde E. kf. Dt die tag meines lebens das 
geringste nicht darwider zuemueten. 

Wass aber öfters geinelte meine andere petita betrifft, welche E. kf. Dt 
mir ad dies vitae, iedoch gegen dem mir zuegemueteten und vorgeschribenen 
revers bewilliget, hab ich solchen zue fertigen und auszuelüfem neben 
andern antringenden Ursachen umb so viel weuigers bedenken gehabt, weilen 
ich, wie ichs E. kf. Dt damals hinterlassenen gehaimben räten, dem herni 
obristcammerer freiherrn von Rechberg, gehaimben ratscanzlern Schmid 
und Dr. Marquarden, bei meinen von ihnen genommenen abschid mündlich 
an gezeugt und meine darbei geführte inten tion deutlich erklärt, für billich 
gehalten habe, dass wan und so lang ich dieser gnaden und vitalitii ge¬ 
messen, ich auch in keine andere dienst treten und dasienig, was obge¬ 
sagten inhalts der revers weiters vermag (darunder zwar Sachen begriffen, 
darzue ich mich ohne dergleichen Spezialobligation und verreversierung von 
selbst in croft meiner voriggehabten pflieht, soweit sich solche künftig er¬ 
strecken, iure naturali verbunden waiss) in gebührende obacht nemen wolle. 
Ich bin auch deme allem bishero aufrichtig, ehrlich, redlich unnd getreulich 
nachkomben, und wird kain mensch auf dieser weit mit wahrheitsgrund bei- 
bringen könden, dass ich im geringsten etwas darwider gehandelt habe. Dan 
dass E. kf. Dt mit falschen auf mich erdichten calumnien, wie vor diesem 
öfters, abermal hintergangen worden, als solte Demselben ich auderwerts (id 
est zu Wien, alwo ich mich aufgehalten) mehrers schäd- als nützlich sein; 
darmit beschicht mir vor gott und der weit das gröste, vor s. göttlichen 
Maiestät nimmermehr verantwortliches unrecht und gwalt, welches E. kf. Dt 
ich, ongeachtet niemand ad negativam probandam verbunden ist, mit vilen 
offenbaren und wissentlichen umbständen und andern hochen unverwerflichen 
gezeugnüssen gleich absobalt klar vor äugen stöllen könte, wan Demselben 
ich mit weitläufiger deduction nicht Verdruss machen würde, will aber solches 


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Der Sturz des kurbayerisehen Kanzlers Öxl. 


T 47 


neben den andern und vorigen mir von meinen Widersachern bei E. kf. Dt 
unbegründter und verleimbderischen weis aufgebürdeten falschen zuelagen 
gezimender massen abzuleiuen und mein innocenz offenbarlich zu demonstrirn 
und zu defendirn auf ein andere gelegenere zeit ausgestelt und mir Vor¬ 
behalten haben. Inmassen auch, dass ich mich dieser orten meiner gesund- 
heit halber begeben und nachgehends wegen meiner notorisch vier monatlichen 
stetigen schweren krankheit und gefährlichen leibszueständen so lange zeit 
wider mein intention und willen habe aufhalten müessen, darmit meinem 
revers, neben dem die not kain gesatz hat, nichts zugegen geschehen, 
weilen ich ia weder in demselbigen noch in E. kf. Dt resolutionsdecret an 
keine gewisse land und ort weder in Bayern noch anderswohin astringirt 
und confinirt, zumalen auch ganz nichts darinnen bedingt worden, das ich 
die mir ad dies vitae verwilligte besoldung allein in Bayern ge messen müeste 
und nicht anderwerts meiner gelegenheit nach verzeren dörfte, dan mir 
sonsten solche aussers lands nicht würde aussgefolgt werden. 

Ich habe mir auch umb so viel weniger derenthalben einige difficultät 
oder widrige gedanken einbilden köndeu. sintemalen E. kf. Dt dergleichen 
vitalitia und besoldungsgnaden ja andern, als dem bischof von Almir 
Dr. Den ich nach Augspurg und dem Cliurcölnischen obristen cammerer 
freiherrn von Metternich gar nach Bon, schon viel iahr richtig und 
unaufgehalten ausfolgen lassen. 

E. kf. Dt versichere ich auch bei der höchsten Wahrheit, wan mir 
dergleichen condition, dass ich nemblich in Dero landen verbleiben und die 
verwilligte besoldung sonst nirgend als daselbsten verzehren solte, zuegemutet 
worden, dass ichs nimmermehr eingaugen wäre, sondern ehender alles, was 
mir auf diser weit beliebet, verlassen bette. Dan ich vomehmblich, ia einig 
und allein umb der Ursachen willen meine dienst resigniert und E. kf Dt 
umb Dero entlassuug underthänigst gebeten (ob ich es schon ex moderatione 
animi und umb glimpfs willen in meiner supplication specialiter uit exprimirt, 
sondern under der generalauzaig meiner ausgestandenen travaglien und un- 
gel egen hei ten, welche mir, wie E. kf. Dt überflüssig bekant, sonderlich damalen 
von meinen Widersachern begegnet seind, verstanden habe), damit ich mich 
dardurch von ihren längers unerträglichen persequutionen, falschen delationen 
und usque ad sanguinein et extremum fere spiritum immerhin coutinnirten 
mortificationen ledig machen, auf freien fues stellen und mir anderwerts 
(zwar nicht eben allein diss orts, sondern wo es mich ein und anders mal 
am besten zu sein gedünken würde) dereneinst frid und Sicherheit vor ihnen 
schaffen, also mein übriges weniges leben vor ihrer immanitet licito modo 
erretten möge; welches ich nicht erlangt, wan ich in Bayern noch länger 
under ihrem ungerechten gewalt, Verfolgungen und pressurn bette verbleiben 
müessen. 

Wie ich dan dise mein intention gar nicht in gehaimb gehalten, 
sondern bekander massen ohne scheu öffentlich, verbis et factis, genugsamb 
an tag geben habe, dass man es an E. kf. Dt hof wohl gewüst. Und ist 

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Michael DÖberl 


148 


schon lang vor meiner resignation zwar ohne fuudament communis vox et 
fama gewesen, dass ich mich an den ks. hof zu begeben gedenke. Gleichwohl 
ist derentwegen nichts gegen mir geandet, weniger es mir auf einigerlei weis 
verboten worden, bis ich im December uechst verschinenen 67ten iahrs bei 
dem hofzalmeister Camerlohr die damalen ausständig geweste drei quartal 
sollicitiert habe. 

Demnach nun dises darauf erfolget, dass E. kf. Dt nicht gedenken, 
mehrangeregte mir ad dies vitae verwilligte besoldung aussers lands aus¬ 
folgen zu lassen, ich aber selbige in Dero landen zu verzehren niemalen in 
gedanken gehabt habe und noch nicht begehre: als will mir nit gebühren, 
E. kf. D fc disfalls etwas wider Dero willen zuezumuten, sondern gleichwie 
ich vorhero meine dienst Selbsten quittirt habe und quittirn könden, also 
thue E. kf. Dt ich auch dieses accessorium der besoldungsverwilligung gleicher 
gestalt in underthönigkeit resignirn. Wie ich dan ohne das nach meiner 
dienstsresignation mehrers nicht dan 400 fl. und zwar, wie mein quittung 
zu erkennen gibt, nicht eben in specie als ein besoldung, sondern allein in 
genere auf recliuung und in abschlag, weilen ich noch aiuige raiskosten dar- 
gegen zu praetendirn, empfangen. Gleichwohl hab ich underdessen zu Regenspurg 
mit Zusammenrichtung der vilen und gehäuften reichsacten in E. kf. Dt 
geschäften bei vier inonat zu egebrach t. Habe also die ganze zeithero aus 
meinen aigenen beutl nicht ohne grosse beschwärnus und nachtail zehren und 
leben müesseu. Damit nun auch meine malevolenten meiner vollkommenen 
privation aller von E. kf. Dt bishero gehabter gnaden desto grössers vergnüegen 
erlangen, thue ich zugleich das gehaimben rathscanzlers praedicat und was deme 
anhängig, sambt der vor disem mir zwar in amplissima forma (dergleichen vor 
und nach mir nie kainer gehabt) concedirte edlmansfreiheit allerdings widerumb 
zurückgeben, sicut quilibet favori pro se introducto renuntiare potest. Die pfleg 
Deispach hab ich bereits verschinenen Michaelis würcklich abgetreten. Kan 
solchem nach mit dem allwissenden gott bezeugen und sonuenclar erweisen, 
dass ich von meinem acht vnnd dreissigjährigen Churbayerischeu diensten, welche 
ich dis orts nicht herfürzuestreichen begehre, sondern andere unpassiouirte, 
ia die acta und registraturn selbsten darvon reden lassen will, nicht einen 
kreuzer oder kreuzers wert darvontrage, weilen ich alle die ganze lange zeit 
über empfangene besoldungs-, deputat- und geschenkte gnadengelter zu E. 
kf. Dt reputation, dienst und nutzen widerumbeu treuherzig an gewendet und 
wohl nichts, wie andere, in mein privatbeutl gesteckt. 

Anreichend nun E. kf. Dt an mich abgegangeuen citationsbefelch wiird 
der Dr. Stoiberer albereit zeitlich berichtet, dass ich mich der erscheinung 
halber entschuldigt, aber darneben erboten habe E. kf. Dt die Ursachen so 
fiirderlich als müglich mit umbständen selbsten gehorsambst zu hi 11 derbringen. 
Bitte diesem nach Dieselbe uuderthönigst, Sye wollen Ihro gnädigst belieben 
lassen, aus der beilag mit nr. 1 zu ersehen, was für ein eben dergleichen 
citationschreiben E. kf. Dt gehaimber ratsvicecanzler seinem vorgeben nach 
aus Deroselben befelch vor ainem jahr an mich nach Regenspurg ausgefertigt 
und den praetext gebraucht, dass E. kf. Dt vor Dero abrais in Italiam vor- 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


149 


hero mit mir conferiren zu lassen gedenken, was in Ihrer abwesenheit in reichs- 
sachen zu beobachten die noturft erfordern möchte, da doch hierzue kaiu 
einiger gedanken gewesen, sondern E. kf. Dt aus widriger delation unnd 
Suggestion meiner adversariorum albereit etlich wochen zuvor resolvirt ge¬ 
habt, mich nicht allein von meiner Regenspurgischen reichstagscommission 
mit Substituierung des Dr. Ernst an meine stöl zu amoviru, sondern gar 
meiner dienst zu entsetzen. Wie dan auf mein beschehene gehorsambste er¬ 
schein ung erfolgt ist, das nicht ain wort mit mir von den reichsnegotien 
conferirt, ia ich nicht einmal nur zu einer gemaineu gehaimben ratsver- 
samblung erfordert, sondern anstatt dessen mir alsobald bedeutet worden, was- 
massen E. kf. D fc eine grosse ungnad, misstrauen und bösen verdacht auf 
mich geworfen haben; derohalben mir am ratsambsten sein werd, meine 
dienst schleunig zu quittiern und nicht zu erwarten, dass E. kf. Dt die 
amotion selbsten auf eine mir sehr unbeliebige weis vornehmen thuen. Welchem 
advertiment, weilen ich vernommen, das es Deroselben intentiou gemäss seye, 
gestracks parirt und E. kf. Dt durch den obristen cammerer und Dero 
beichtvatern den Dr. Manzin allein dis underthönigst und eiferigst gebeten 
habe, das Dieselbe mir doch die wider mich angebrachte klag uinb meine 
billichmässige Verantwortung zuekommen lassen wolten. Als ich aber nicht 
erhalten künden, liab ich inständig urgirt, mir aufs wenigst zu eröffnen, was 
dan die ursach seie, derenthalb bei E. kf. Dt ich in so unverseliene offensam, 
diffidentiam et sinistram suspicionem geraten? Ich wusste mich ia keines 
ainigen Verbrechens schuldig. Es ist mir aber auch dieses versagt und an¬ 
gedeutet worden, E. kf. Dt hetten hierauf vermeltet, Sie begehren kain process 
mit mir auzufahen, stehe Ihro frey, einen diener ohne eröffnung der ursach 
nach Ihrem belieben zu behalten oder zu licentirn; ich hette mich nichts 
darwider zu beschwären, weilen Dieselbe gedacht seien, mir sowohl das ge¬ 
haimben ratscanzlers prädicat als die besoldung und andere accessoria zu 
lassen: allein wollen Sye mich in würklichen diensten weiter nicht gebrauchen. 
Endlich hab ich in die vierte wochen ganz diemüetigst und flehentlichst an¬ 
gehalten, dass E. kf. Dt mir doch diese hoche gnad noch erzeigen und mir 
nur so viel audienz gnädigst ertailen wolten, dass von Deroselben ich mich 
gehorsambst beurlauben möchte, mit dem underthönigsten erbieten, dass E. 
kf. Dt ich nichts unangenembes Vorbringen wolle. Darauf zwar und auf 
gar vilmaliges anmahnen des herrn obristcammerers E. kf. Dt mich fast von 
tag zu tag der gnädigsten admission vertrösten lassen; es haben aber meine 
adversanten auch dieses hintertriben und so lang rigl fürgeschoben, bis 
E. kf. Dt würklich abgeraist seind, ohne das Sye mich mit ainem einigen 
wort anhören oder nur mit ainem augenblück begnaden mögen. Wie schmerz¬ 
lich nun mir betagten ehrlichen man, der E. kf. Dt und Dero churfürstl. 
haus in die 38 jahr so redlich, treulich, eiferig, mühesamb und nüzlich, auch 
mit gefahr leibs und lebens gedient, dergleichen höchste betrübte leze zu 
herzen gestigen, kan ein iedes ehrliebendes gemüet leichtlich errachten, und 
ist ja nicht zu begreifen, dass in diesen ganzen werk meine capitales hostes 
zugleich meine accusatores, testes, judices und exequutores contra me gewesen 


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Michael Döberl 


150 


und ich zumalen inauditus et indefensus, imo nec significata quidem accu- 
sationis et putiitionis causa condemnirt worden. 

Wan ich nun all disen verlauf in frische gedächtnus und raife con- 
sideration ziehe und dargegen halte, dass obenvehnter massen E. kf. Dt von 
meinen Widersachern abermalen unbegründer weis berichtet und beredet werden, 
samb Deroselben ich diser orten mehrers schädlich als nützlich seie: so 
könden E. kf. Dt Selbsten die consequenz und Schluss machen, was ich von 
der iezigen citation (welche Deroselben ohne allen zweifei von meinen Wider¬ 
sachern darumben ein geraten worden, dass sye mich widerumben under ihre 
press bringen und mir die seel vollends aus dem leib trucken, also durch 
meinen tod oder doch vollkommene gänzliche ruin ihre ambierende höhere 
promotiones desto geschwinder erhalten mögen) vernünftiglich zu judicim 
und zue gewarten habe. 

Ich hielte es pro sumnio piaculo, wan ich in E er kf. Dt christliche 
sincerität, lioches fürstl. gemüet und löblichst gottselige actiones den ge¬ 
ringsten zweifei stellen wolte, hab auch an Deroselben bis auf die letzte 
persequution meiner feind ainen so gar gnädigsten, miltreichesten und ab¬ 
sonderlich bestgewognetsten churfürsten und herrn gehabt und im werk 
erfahren, dass iclis nicht genugsamb rühmen kan unnd ursach habe, Ihro 
bis in mein tod devot unnd dankbar darumb zu verbleiben. Aber es haben 
E. kf. Dt meine persequenten mit ihren unbegründen delationen und er¬ 
dichten calumnien wider mich dermassen obruirt unnd verwicklet, dass es 
scheinet, E. kf. Dt könden Sich Selbsten nicht mehr daraus extricieren noch 
mir mit einigen gnaden und gnädigsten vertrauen mehr gewogen werden. 

E. kf. Dt bitt ich umb gottes willen, Dieselbe wollen sich doch nur 
ein wenig reflectirn, woher sich dise mein Verfolgungen ursprünglich nemen 
thuen. Ex vindincta, aemulatione et invidia. Ex vindincta darumb, die- 
weilen ich bei der lezstern zue Frankfort vorgangenen ks. wähl auf E. kf. 
Dt gemessenen ernstlichen befelch etwelche grosse herrn unnd potentaten, 
auch andere grandes hoch habe offendirn und mich bei ihnen feindselig 
machen müessen, dessen ich noch bis auf heutigen tag entgelten thue. Mir 
ist damalen schon vorgangen, es werde mir einmal, wan sich der hofstatus 
endert, solche bittere früchten bringen, derenthalbeu ichs alsobalt E. kf. Dt 
underthönigst erinnert und umb verschonung gehorsambst gebeten, Dieselbe 
aber haben mich iederzeit gnädigist animirt und mir scharpf eingebunden, 
kainen respectum personarum zu tragen, sondern in meiner treue und eifer 
stark zu verfahren, mit der gnädigsten Versicherung und versprechen, dass 
Sye mich wider alle adversarios zue gnügen manutenirn unnd schützen wollen. 
Dessenthalben nicht allain verschaidene under Ihrem aigeueu handzeichen au 
mich immediate ausgefertigte rescripta, sondern auch noch mehrere von dem 
obristen landhofmeister herrn graf Kurzen sei. aus Dero special befelch mir 
zugethane schreiben vorhanden seind. Gestalten dan auch E. kf. Dt es so¬ 
wohl under wehrender wähl in underschidlichen vorfallenheiten als zumalen 
gleich nach solcher, wie i. kf. Dt zu Cöln aus verhezung anderer passio- 
nirten wider mich conspiri ereil den ein langes heftiges quereischreiben wider 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 15 1 


mich aigenhändig an E. kf. Dt abgehen lassen, im werk selbsten hochlöb- 
lichst erwisen lind darauf widerumb aigenhändig nach laut der beilag Nr. 2 
(welche mir selig gedachter obrist landhofmeister nach meiner zuruckkhunft 
von Frankfort selbsten communicirt) under andern mit disen formalibus ge¬ 
antwortet, dass E. kf. Dt Churcöln der warheit zur Steuer versichern müessen, 
dass mir mit dermaligen imputation so onrecht beschehen, als ich zu loben 
seie, dass ich in occasion der vergangenen Churfälzischen impertinenz fast 
allein gethan, was ain getreuer diener seinem herrn schuldig; dessenthalben 
dan auch E. kf. Dt ursach haben, mir gebührenden schütz zu halten und et 
postea. Ich hette meine Verfolger und leut, die alle meine actiones, thuen 
und lassen hässig ausdeuten, deren müess ich umb meiner treue willen ent¬ 
gelten. E. kf. Dt aber weilen diesselbe des widrigen versichert, geschehen 
lassen, was sie nicht wenden, gleichwolen aber weder mich noch andere umb 
Unschuld verdenken könten etc. etc. Gnädigster churfürst und herr, isti 
inimici mei adhuc vivunt et confirmati sunt super me (sie seind anitzo die 
vornembsten am brett) et multiplicati sunt (und haben noch andere mehr 
an sich gezogen), qui oderunt me inique! 

E. kf. Dt will ich dis orts mit ausführlicher remonstration nit be- 
hölligen. Was für weitere uubilliche bezüchtigungen bei E. kf. Dt mir nach 
der hand von zeit zu zeit zuegezogen und wie ich beschuldiget worden, ob 
hette ich wider E. kf. Dt intention und befelch mit Zurücksetzung ihrer 
hochfürstl. Dt herrn bischofeu zu Freising den nun in gott ruhenten herrn 
grafen Adam Lorenz von Dörring zum bistumb Regeuspurg befiirdern helfen 
und deshalben mit dem herrn erzbischofen zue Salzburg colludirt; dass ich 
mich vermessen, zwischen E. kf. Dt und Churpfalz eine engere verständnus 
und correspondenz auzustiften und zu solchem end eine persönliche Zu¬ 
sammenkunft vorzuschlagen; dass ich bei den Brandenburg - Culmbachischen 
tractaten der catholischen religion in der Obern Pfalz wider gewissen viel 
vergeben; dass ich in einer hochwichtigen sach E. kf. Dt meine particular- 
meinung für einen gemeinen Schluss der gesambten catholischen churfürstl. 
gesanten obtrudirt und Dieselbe dardurch zu intimidirn gesucht; dass ich 
mich bei dem reichstag zue Regenspurg in materia capitulationis suspect ge¬ 
macht und mehrere reflexiou auf ihrer kaiserl. Maiestät als E. kf. Dt intention 
gestelt, desswegen dan auch E. kf. Dt in solcher materi mir nichts mehr 
vertrauet, sondern alle instructiones und befelch an den Dr. Mayr a part 
ausgefertigt haben; und was dergleichen händl noch viel mehr seind etc. 

Dises allein thue ich hierbei mit wenigen anregen, dass meine E. kf. 
Dt wohlbekante aemuli und iuvidi bei dergleichen unerfündlichen angebungen 
sich dopfer gebraucht und ich dahero umb so viel mehr ursach gehabt habe, 
Deroselben ain und anders mal meine offenbare Unschuld klärlich vorzu¬ 
stellen und Dieselbe darbei öfters underthönigst und eifrigst zu bitten, dass 
doch E. kf. Dt dergleichen wider mich confingirten delationeu nicht so gleich 
glauben geben, sondern mich wenigst darüber vernemen und sich Dero 
obangedeuten manutenenz Versprechungen gnädigst erinnern wollen, welches 
Dieselbe mir zwar zu München unnd Dachau verschaidenlich vertröstet und 


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152 Michael Döberl 


versichert. Gleichwolen aber haben meine persequutores bei E. kf. Dt der¬ 
massen praevalirt, dass ich diser an sich Selbsten billichster zuesag, sonderlich 
in meiner lezten Verfolgung würklich nicht geniessen könden. 

Bei welcher wahren beschaffenheit und bewandnus E. kf. Dt ich 
allerunderthönigst bitte, mir nicht übel auszudeuten noch in Ungnaden zu 
vermerken, dass ich auf die beschehene citation nicht erkönden, daran auch 
Demselben wenig gelegen, weilen mir von den jezigen estats priucipien unnd 
affairen kain Wissenschaft beiwohnet, ich also zu der vorgehabten consultation 
gar nichts oder das wenigst und ungüldigst würde haben contribuirn könden. 
Wan aber E. kf. Dt ich ie in denen iezo de praesenti vorgefallenen oder 
künftig in denen bei vorigen Zeiten vorgangenen Sachen mit aiuigen taug- 
samen information und treu gehorsambste guetachten oder in andern negotien 
erspriesslich solte au hand gehen könden, bin ich des underthönigsten er- 
bietens, nicht allein solches auf weitern gnädigsten befelch, und da es E. 
kf. J)t gefällig, mit angelegnistern eifer und fleis von haus aus oder, wo ich 
mich ein und anders mals befänden werde, willigst zue leisten, sondern auch 
zue begebenden vorfallenheiten von selbsten E. kf. Dt und Dero hochlöb¬ 
lichstem churhausse reputation, interessi und gerechtsambe sowohl diser als 
anderer orten, ohne Demselben belohnung oder Vergeltung, nach meinen 
eusseristen kräften und vermögen, sovil nur immer gewissens und pflicht 
halber sein kan (darwider E. kf. Dt mir ohne das nichts zuemueten werden), 
zue beobachten und zu befürderu. 

E. kf. Dt mich damit zu hochen churfürstlichen gnaden in under- 
tliönigkheit diemüetigst befehlend. 

Datum Neustatt in Niderösterreich den 13. Aprilis a. 1668. 

E. kf. Dt etc. 

P o s t s c r i p t u m. 

Auch, gnädigster cliurfürst und herr. Bitt E. kf. Dt ich underthönigst 
in übelem und Ungnaden nicht zue vermerken, dass ich nicht zeitlicher auf 
Demselben citationschreiben haubtsächlich geantwortet und die durch den 
Stoiberer vertröstete entschuldigung mehrers befördert habe. Mein betrüebter, 
elender und verwürter zuestand macht mir mein verstand dermassen perplex 
und distract, dass ich fast nichts darvor thuen, auch was ich thue, selbst 
nicht recht urteilen kan. Habe dahero in diser schwärwichtigen nicht nur 
mein zeitliche, sondern auch wegen allerhand besorgenden bösen consequentien 
mein öwige Wohlfahrt betreffend sach auf viles und langes nachgedenken eben 
nicht gewust, was ich für ein eigentliche resolution fassen sollen. Mein guetes 
gewissen, aufrichtige redliche actiones und veste lioffnung zue gott haben 
mich zwar zue der erscheinung animirt. Hingegen aber haben mich die un¬ 
ersättliche coutinuirende Verfolgung meiner Widersacher, ihr arrogirte auctorität 
und nicht nur in Bayern, sondern in ganzen Rom. reich ruchbare grosse 
potenz, das mit mir vorhero selbst erst iüngst vorgenommenes exempel und 
so viler auch vornehmer grosser herrn und anderer meiner wohlgönner treu¬ 
herzige gewarnungen und bewägliche erinnerungen überwunden, dass ich der 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 153 


Vernunft stattgeben und nolens volens zue dieser resolution schreiten müessen. 
Wofern etwan auch E. kf. Dt darfür halten solten, dass ich in ainem oder 
andern passu etwas zue harts gangen were, wollen Dieselbe dargegen erwegen, 
dass im geringsten nichts wider E. kf. Dt, sondern alles allein wider meine 
Verfolger, so an meinem Unglück auch allein schuldig seind, gemaint und dass 
es gleichwohl der gründlichen Wahrheit gemäss, sich auch nicht zu verwundern 
seie, wan ich ex iustissimo dolore eben nicht alles so gelind machen kan, wan 
ich mit warnenden äugen und herzbrechenden Seufzern betrachte, dass ich aller 
meiner meriten, ehr und Wohlstands, welche ich bei E. kf. Dt und Dero höchst¬ 
löblichsten churhaus in acht und dreissig ganzer langer iahren mit so viler 
grosser mühe, arbeit, Sorgfalt, embsigkeit, treue, ia zueweilen mit gefahr leibs 
und lebens hartiglich erworben, auf einmal und zwar in meinem 63 jährigen 
alter, da ich derselbigen erst recht gemessen solte, beraubet und dargegen in 
offenen spot und schand, schaden und Verlust des meinigen und wegen der 
längers unerträglichen afflictionen immerzue entstehenden schwären leibs- und 
getnüetskrankheiten in gefahr meines armen lebens, ia fast der höchstbetriiebten 
seel selbsten gesezt worden. 


13. Wien 1668 April 16. 

In sonders vil geehrter und geliebter brueder. 

Meines vilgeliebten brueders undern dato 30. Martii iüngsthin an mich 
abgelassenes briefl, habe ich selbiges den 10. passato bei der post rechts er¬ 
halten und den inhalt daraus in einem und andern zue geniegen vernomen. 
Und obwolen ich zwar meiner Schuldigkeit nach dem brueder in der ver¬ 
langten Sache gern ehender parte geben haben wolte, so ist aber dises die 
ursach, indeine dieienige person, warauf ich mein reflexion gemacht, nicht 
zur stel, sondern in gewissen negotien verreist gewesen. Nachdeme aber der¬ 
selbe verschienenen sanibstag widerumben nacher haus gelangt, habe ich den¬ 
selben volgenden tags darauf zue mir zum mittagmal beruefen und mich von 
weiten, so lang er bei mir verharrt in einen discurs eingelassen, von welchen 
ich dises nachvolgentes vernomen: 

1. Dass dieienige bewuste person seit des Octobris Hingst verwichenen 
iahrs sich alhier befindet. 2. Die ursach dessen, dass derselbe mit iliro 
Excellenz herrn grafen von Fürstenberg, vornemblich aber, umbwillen er 
mit deroselbeti wegen einer uation gewissen strittigkeit wider das haus Öster¬ 
reich nit einstimen wollen, betragen können. 3. Were er bei i. kf. Dt unver¬ 
schuldeter dingen durch anstiftung seiner Verfolger in die höchste ungnad geraten, 
dass höchstgedacht i. kf. Dt, als sich dieselbe in Italia befunden, die zum finften- 
mal begehrte audienz, damit er sich genuegsamb hette purgiren könneu, ver- 
waigert worden; dahero er ursach nehmen müessen zu resigniren. 4. Aniezo 
aber und seit sich derselbe alhier aufhaltet, ist er zum öftern in höchster ge- 
heimb zur audienz beruefen worden. Was nun dessen anbringen oder Vor¬ 
haben seie, ist der zeit unmöglich solches in erfahrung zue bringen, sinte¬ 
malen umb dise sach mehrers nicht als 3 personen, welche ich für dismal zu 


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Michael Poberl 


benennen underlasse, darumben Wissenschaft tragen. 5. Diser zeit aber und 
seit die feursprunst alliier bei hof auskomeu, hat sich derselbe mit der hof¬ 
stat nacher der Neustadt movirt, alwo er sich noch de facto befindet. 6. Wegen 
eines under handen habenden werks, waran in die 8 Schreiber täglich laboriren 
solten, befindet sich selbiges vorgeben nicht also; dann solang als er alhie 
ist, mehrers nicht als seinen aignen Schreiber gehalten, allermassen ich dan 
in dem haus, ahvo er logirt, durch eine vertraute person (iedoch ohne ainig 
habenden argwohns) inquiriren lassen. 

Und w'eilen ich dan dem brueder für dismal ein mehrern bericht nicht 
zu erstatten weiss, als habe ich damit schliessen und uns dabei der göttlichen 
protection, ich mich aber in Dessen briiederlichen favor bestermassen bevehlen 
wollen, mit verbleibuug meines vilgeliebten brueders 

Wien den 16. April a. 1668. dienstobligirt 

(Name nicht mehr leserlich.) 

14. Johann Rottkäpls gewesten Schreibers bei herrn gehaimen rathscanzlern Oexl 
aussag über seines herrn noch in handen habende reichs- vnd andre acta. 

Nachdeme i. gnaden herr gehaimber ratsvicecanzler wegen herrn Oexls 
mich 11111b ein so anders befragt, als habe ich hierauf, sovil mir wissend ist, 
zu papier bringen und i. gnaden solches gehorsamblich überreichen wollen. 

Als herr Oexl vor zwei iahren alhier zu München gewest und i. kf. 
Dt umb licenz underthänigst ersuecht, dass er eine padcur zu Baaden vor¬ 
nemen dörfte, hat er alhier vom Martin Widl gewesten geheimben canzlei- 
registratore den Waldturuischen act begehrt und nicht allein von solchem, 
sondern auch aus dem zollsduplirungsact underschidliche Sachen durch mich 
extrahiren lassen, die er mit ime auf Wien genommen und mit selbigen 
uuderschidlich mal zu ihrer fürstl. Gnaden von Lobkowiz (bei denen er 
bisweilen über 2 stund lang sich aufgehalten) wie nit weniger auch zu 
dem herrn probst zu Antrimont gefahren. Zu was ende nun solches geschehen, 
ist mir unwissend, allein habe ich uuderschidliolnnaln von ime per discursum 
verstanden, dass ged. herr probst i. ks. M 1 und i. kf. Dt, auch i. fürstl. Gnaden 
von Lobkowiz, item herrn cammerpräsidenten zu Wien, auch i. Excellenz 
herrn grafen von Fürstenberg hette aneinander bringen können, dass eine 
sehr grosse feindschafft allerseits entstanden were; und so haben i. Mt i. 
fürstl. Gnaden von Lobkowiz 2 oder 3 mal verboten, dass sie dise sach 
bei ihnen in geheimb behalten sollen. 

Wie herr Oexl nun seine rais von Wien auf Regenspurg genomeu 
und der gesaudtschaft widerumben abgewartet haben, hat über eine zeitlang 
des Widls frau ine herrn Oexl ein schreiben überschickt, in welchem sye 
ihme alle formalia, absonderlich was E. gnaden in der Waldturuischen sach 
mit ihme Widl geredt und demselben vorgehalten haben, iiberschriben. 

Etliche wochen hernach, als E. gnaden ihne herrn Oexl aus gnädigster 
anbevelchung durch ein schreiben hieher citiert haben, habe ich von solchem 
alsogleich eine copiam machen müssen, die er neben noch aiuem aigenen 


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Der Stur/, des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


155 


handbriefl i. er ks. Mt überschickt hat. Und ist gleich von selbiger zeit an 
schier täglich, wann er nur wegen seiner unpässligkheit hat fortkommen 
können, in sein heruuders zinuner, alwo die mehriste acta gelegen, gangen 
und durch mich wie auch noch einen andern mann, namens Georg Jungi nger, 
ain zimblich grosse wie auch ein mittere und eine kleine, also 3 raistrüchen 
voller acta sowohl in folio als in quart und octav (welche fast alle schon zue- 
samben gebunden gewest waren) • einrichten vnnd verpitschieren lassen. Was 
dises nun für acta gewest sein, ist mir unbewusst, weilen ich selbige nit 
zusamenrichten dürfen, sondern nur bloss gebundner von uns beeden in 
beisein seiner in die 3 trüchen gelegt worden seint. Seit diser citation hat 
er ihme underschidliche gedanken gemacht und, wie ich zu verschidenen 
malen von ime verstanden, ist er allezeit in diser mainung gewest, es möchte 
under sein wehrender heraufrais nacher München herr geheimber rat von 
Mayer gnädigsten bevelch erhalten, in dessen abwesenheit seine acta zu 
Regenspurg zu visitiren, gestalten er dan zue dem ende die erste nacht, als 
er von Regenspurg abgeraist ist, obbemelte 3 raistrüchen seinem herrn tochter- 
maun in das quartier führen lassen, so ich mit disen personell, die es über- 
nomen und weckgeführt haben, beweisen will. 

Item so hat er auch a parte in einem klainen raistrüchel und dem 
canzleisack underschidliche brief und acta herausnemen wollen, wie er aber 
am heil. Josephabent zue mittag auf Büburg zu den h. h. Jesuitern kommen 
und von dem alhierigen h. p. rectore einen brief, in welchem ihme sein 
einkher, die er in dem collegio hier hat nemen wollen, mit einer guten manier 
ist abgeschriben worden, gefunden, ist er noch klainmüetiger worden und 
in disen gedanken gestanden, er möchte villeicht gar in arrest genommen 
werden, und hat zu dem ende etlich schreiben neben einem handbriefl durch 
einen poten, zue Regenspurg insgemein der Schönhäusl genant, seinem tochter¬ 
mann überschickt und solche brief in des poten cleider einmachen lassen. 

Indeme er nun das letztere nachtlöger zue Greinegg 4 meil von hier 
gehalten, hat er aldort abermaln etliche acta und schreiben, was verdächtig 
gewest ist, in den bei sich gehabten canzleisak gethan und selbige durch 
einen auch mit sich gehabten poten, namens Georg Pu ec her, verpitschierter 
mehrgemelt seinem tochtermann neben einem schreiben zuruck remittirt. 
Und wie er sich alliier etliche täg aufgehalten, auch wegen seiner unpässlig- 
keit zu haus halten müessen, hat er seine andere noch bei sich gehabte Schriften 
und brief durchgangen und etliche schreiben neben einem handbriefl mehroftged. 
seinem tochtermanu durch den hans Händl, salztragern zu Stattamhof, in 
dessen Kleider eingenähter überschickt. 

Nachdeme er widerumb auf Regenspurg kommen, ist er etliche täg zu 
haus verbliben und alsdan ain oder 2 mal zue den Churbrandenburg hh. 
gesandten gefahren und mich des andern tags darauf zue den herm von 
Marnholz und herrn Jena geschickt, mit diseni befelcli, dass zu beeden 
hh. gesandten ich Selbsten gehen und die bewusste Sachen, wie er vorhero 
mit ihnen geredt hat, verpitschierter abholen sollen, die mir es auch alsogleich 
aigenhendig zuegestelt haben. Des andern tags darauf befähle er mir, ich solte 


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Michael Döberl 


156 


diese zwei stuck in duplo in seinem zimmer abschreiben, und, sovil ich 
daraus ersechen habe, ist es ein proiect der ks. wahlcapitulation, in welchem 
der protestirenden mouita in margine gestanden, wie auch das protocoll darüber 
gewesen, so, wann mir recht ist, im Januario oder Februario 1667 in dem 
nebenzimmer vorgenomen worden ist. Von disen abschriften sowohl des 
proiects als protocolls hat er den daraufvolgenden postag neben einem hand- 
briefl i. ks. M* communication gethan und selbige an den herm Stoiberer 
addressirt, der es an sein gehör hat überlifern sollen, auf welches aber herr 
Stoiberer gleich geantwortet und seinen herrn schwehervater gebeten, ihne 
doch mit solchen Commissionen künftig zu verschonen, so auch beschehen, 
und seine brief, die er hinab gewexlet, dem h. p. Hilz, gewesten vice- 
rectori zue Regenspurg, durch mich überschicken lassen, der es in ihr der 

h. h. Jesuiter paget verschlossen und dem ks. beichtvater herrn P. Miller 
nacher besagten Wien remittirt hat. 

Als ich mich vor seiner Wiener rais, von welcher ich gewiss nicht 
einige nachricht gehabt, licentiert und hiehero auf München mir umb dienst 
zu vigilim begeben habe, hat er mir an i. Excellenz den herrn oberstcammerer 
alhier ein schreiben, in welchem er sich angefragt, dass, wann dieselbe für guet 
anseheten, er sich heraufbegeben und von i. kf. Dt beurlauben, zugestelt und 
des andern tags darauf einen aigenen poten, namens Georg Jun ginger, 
hernach alhero geschükt, die antwort von wohlged. i. Excellenz abzu- 
holeu. Weiln aber dieselbe dazumal nicht hier, sondern zue Höchen Cammer 
gewest seint, habe ich solches schreiben durch ihne poten aldahin remittirt, 
welcher von dort aus die antwort auf Regenspurg überbracht, aber ine h. 
Oexl nicht mehr angetroffeu hat. 

Sovil ich sonst gesehen, auch von andern verstanden habe, lassen 

i. hochfürstl. Eminenz zu Salzberg ihne h. Oexl fast alle postäg von 
allen relationen, so die Össterreich. gesandtschaft zue Regenspurg, item 
auch von den handbrieflen, welche erstged. i. Eminenz an i. ks. Mt a parte 
abgehen lassen, abschrift durch den herrn von Puechholz als Salzburgischen 
gesandten zue Wien communicirn und bisweilen etwas an gelt hinab über¬ 
schicken. 

Und weiln ich schliesslichen, in seiner abrais nacher Wienn, nicht 
mehr bei ihme, sondern alhier gewest bin, als kann ich nicht wissen, was 
er für trüchen und acta mit sich genomen, sovil ich aber von einer person, 
die mit ihme verreist ist, verstanden, solle er nur die grosse raisstruchen mit 
actis mit ihme genomen haben. Es müsste dane sein, dass die übrige trüchen 
die Frau Oexl in, als sye vor Martini hinab geraist ist, mit ihr aldahin 
gebracht hette, sintemal ich bei ihrer ankonft nicht mehr zu Wien, sondern 
auf der heraufrais nach Regenspurg begriffen gewest. 

Wie ich auch von seines herren tochtermanns Schreibern zue Regens¬ 
purg, welcher aniezo für ainen richter zue Priiell in der Cartaus angenomen 
werden solle und der auch obig anfangs benambste 3 trüchen nächtlicher weil 
aus des herrn Oexls in seines herrn tochtermans quartier überbringen 
helfen, verstanden, so sollen noch vil verschlagene küsten in dessen quartier 


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Der Sturz des kurbayerischeil Kanzlers Öxl. 157 

zu Regenspurg stehen. Ob nun acta darunder begriffen sein möchten, ist 
mir unbewust K er Gnaden mich underthening und gehorsamblich empfehlend. 

E er Gnaden 

underthenig gehorsamster diener 
Johannes Rottkäpl. 

15. Straubing 1669 April 24. öxl a. d. Kurfürsten. 

Ich habe mit höchstbestürztem gemüht verstanden, wasmassen E. kf. 
Dt mein vor einem iahr auf Dero mir damals nacher Wien zuegefertigten g. 
erfordernngsbevelch abgelassenes entschuldigungsschreiben zue ungnädigstem 
müsfallen und dahin empfündlich aufgenommen, das ich darmit die fines debitae 
modestiae et respectus überschritten und solches gar impertinenter eingerichtet, 
also bei E. kf. Dt noch grössere ungnad und offension verursacht habe. 

Gleichwie ich nun mit dem allwissenden gott und reinem gewissen 
bezeugen kan, dass in mein herz und gedanken niemalen kommen, E. kf. Dt 
darmit ungezümbter weis zu attaquiren oder Dero actiones vorrücklich zu 
tadlen und mich Irer bevelchen aus muetwilligem und fürsezlichem unge¬ 
horsam zu widersezen, inmasseu ich derenthalben in dem gedachten schreiben 
beigefügtem P. S. gleich alsbald damals ausführlich und deutlich contestirt 
habe: also ist mir das gröste herzlaid, dass es anderster ausgedeutet und 
E. kf. Dt hierdurch offendiret, auch zu noch mehrer ungnad gegen mir be¬ 
wegt worden 

Versichere Dieselbe underthänigist bei der höchsten warheit, wan ich 
in meiner damaligen eussersten perplexität und gemütsverstöning prudenter 
hette indiciren köudten, dass es einen solchen widrigen effect und üblen aus- 
schlag gewännen, dass ichs wohl uuderlassen und lieber alle beschwerlichkeit 
erlitten als E. kf. Dt zu solchem disgust, Widerwillen und risentiment würde 
ursach gegeben haben. Ich hab zumalen mir nicht eingebildet, dass dises 
schreiben so gar impertinent und exorbitant sein solte, weilen es auch am 
höchsten ort nicht also verstanden oder improbirt worden. 

Was derowegen darinnen zu hart, ungebührlich und wider den schuldigen 
respect, dessen ich mich sonsten gegen E. kf. Dt iederzeit höchstens beflissen, 
ein geschlichen sein möchte, das ist alles ex mera perturbatione animi, unbe¬ 
dachtsamer praecipitanz und mir von andern beigebrachten ungleichen bericht 
in der grössten ängstigkeit wider mein intention und willen beschechen, ver- 
hoffe auch, es werde darbei desto weniger bedenken Vorfällen, weil es iederzeit 
und bishero inter privatos parietes verbliben, uud solches schreiben keinem 
menschen auf diser weit als i. k. Mt, dero beichtvatern P. Mi 11 er 11 und 
hofcanzlern baron Hocherm under äugen kommen. Der fiirst v. Lobkowiz, 
wie er etwas darvon vernommen, hat es auch ad statum videndi von mir be- 
gert, aber allein umb zu sechen, ob nichts darin wider ihn gemeldt, uud hat 
es e vestigio restituirt. 

Dass auf bedeutes E. kf. Dt citationsschreiben ich nicht erschienen, 
hab ich die Ursachen damal schon etwas angeregt, und ist haubtsächlich 
und vornemblich dasienige daran verhinderlich gewesen, was i. Eminenz 


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Michael Döberl 


der herr Cardinal v. Thun sei. mir vermög des originalbeischlusses durch 
meinen tochtermann den Dr. Scherren aus Regensburg so eifrig und umb- 
ständlich überschriben und mich so gar operose gewarnen lassen, welchem 
ich desto leichter glauben beigemessen, weil i. Em. mich vorhero durch vil 
verschaidene aigenhändige schreiben der sonderbaren g. affection und sincerität 
aufs kreftigist versichert. Inmassen dann aus dem heiligenden original Selbsten 
zu ersehen, wie dieselbe mich noch kurz vor E. kf. Dt citation vergewisst, 
dass i. Em. nichts mehrers verlangen als mir in allen begebenheiten ire 
particularaffection zu contestiren und im werk Selbsten zu erweisen, dass sie, 
wie die demütigiste formalia lauten, di tutto cuore mein wohlaffectionirter, 
obligirter unverändlicher freund seien und bleiben. Ja sie haben mir noch 
vor meiner abrais nach Wien ultro iährlich aintausend ducaten besoldung neben 
andern gnaden mehr angeboten, wan ich mich in dero dienst begeben wolte. 
Was sonst sowol i. hochfürstl. Eminenz als andere mir weiters durch besagt 
meinen tochtermann den Scherer in simili zu entbieten und er an den 
Dr. Stoiberer gelangen lassen, hab ich dem geheimben ratsvicecanzlern 
Schmid überschickt. Und lasse nun E. k. Dt tanquam aequissimum et 
sapientissimum rerum arbitruin ich höchstvernünftig ermessen, ob nicht dises 
alles — anders dergleichen noch vil merers zu geschweigen — solche Sachen 
seien, welche mir iustissimum et vel inconstantissimum et innocentissimum 
virum cadentem metum et abhorrescentiam causirn könden. Indeme zumal 
alle, welche es gelesen, vorderist aber i. k. Mt selbsten, wie auch vorbenante 
dero beichtvater und liofcanzler, die ich hierumben umb rat und hilf an ge¬ 
sprochen, mir zu verstehen geben, dass bei so gestalten Sachen die erscheinung 
höchstgefährlich und mir keineswegs ratsamb seie. Hab ich mich nun der¬ 
selben und deren mir augetroten und so stark eingebildeten eussersten gefalir, 
not und elends entschütten und befreien wollen, bin ich ia höchstens ge¬ 
zwungen und getrungen gewesen, E. kf. Dt die mir hievor so g. und mild¬ 
reich conferirte gnaden, wardurch Sie mich Deroselben noch für obligirt und 
zu compariru schuldig erachtet, allzumal, wie ungern ich auch daran kommen, 
zu resignirn und mich dadurch in freiheit zu stellen. 

Bei welcher der Sachen wahren und dem allwissenden gott bekanten 
gründlichen beschaffenheit E. kf. Dt ich ganz underthäuigst, demütigst und 
flechentlichist bitte, Dieselbe wollen mir umb der liebe Christi und Mariae 
willen alles dasienige, was Sie Iro von mir in einem und andern zu müs- 
fallen und belaidigung gethan und geschriben zu sein vermeinen, aus Dero 
angeborner höchstrühmblichen kf. milte und barmherzigkeit g. verzeichen, 
mich deren keines entgelten, sondern zu vorigen hochen kf. g. affection und 
vertrauen, auch zu würklichem volkomenem genuss der vorher couferirten 
mehrfeltigeu gnaden quasi postliminio kommen zu lassen. 

Dargegeu bin ich des underthänigsteu erbietens E. kf. Dt bei ver- 
pfendung meines kopfs liquidissime darzuthuen, das ich wider meine reversales, 
auch vormals getragene pflicht nicht umb einen buchstaben gehandlet und 
verbrochen, dass meine anwesenheit zu Wien E. kf. Dt im geringsten nichts 
geschadet habe, sonder vilmehr zu Deroselben diensten nicht wenig nuzlich 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


159 


und erspriesslich sein könde, und dass alles, was ich widriges bezichtiget 
worden, lauter von passionirten und interessirten leuten herrühretide falsche 
unbegründete und erdichte auflagen, dargegen ich iederzeit in meiner E. kf. 
Dt schuldigen treue und devotion beständig und unversehrt verblieben seie. 
Darin ich auch noch fürters bis in mein tod zu verharren und, da es von 
uöten, mit meinem bluet zu bezeugen verlange. 

Damit ich nun solches alles desto förderlicher und besser ins werk 
richten möge, hab ich mich von Wien mit allem, was ich dahin gebracht — ausser 
was ich daselbst mit wenig tausend gülden wert eingebüest — hinweg und 
wider in E. kf. Dt landen hiehero nach Straubing begeben, alda ich ge- 
horsamst erwarten will, was Dieselbe mir in einem und andern g. bevelchen, 
deme ich dann alles vleises und eifers gehorsambst nachkommen werde, mich 
im übrigen auf mein an Dero geheimben vicecanzler Schmid bereits den 
17. verschinen monats Marti i aus Wien pro aliquali praevia informatione 
in antecessum abgangnes erleuterungs- und erbietungsschreiben beziehend 
und E. kf. Dt mich bevelcheud. 

Straubing den 24. Aprilis a. 1669. 

16. Straubing 1669 April 24. öxl an Hermann Egon von Fürstenberg. 

Ich stell in keinen zweifei, E. hochgeb. Excellenz werden meine 
ankuuft dahier und die ursach derselben albereit vernomen haben und aus 
meinem an i. kf. Dt unter heutigen dato abgehenden schreiben noch mehrers 
verneinen. Dieweilen mir nun wohl bewusst, dass E. Excellenz bei meiner 
reconciliationssach an ihrem hohen ort sehr viel zue befördern vermögen, als 
ersuche Dieselbe hiemit gehorsamblich, mich der vor diesem zue mir ge¬ 
tragenen gnädigen affection annoch gemessen zu lassen und nachtrückenlich 
zu cooperiren, dass i. kf. Dt sich über mein underthänigster anlangen gnedigst 
und mildreich und willfhärig erklären möchten, so umb E. Excellenz uud 
Dero gesambte hochloblichste familia mit meinen geringfuegigen diensten zu 
promeriren ich mich die tage meines lebens iederzeit eifrigst befleissen und 
im werk bezeigen werde. Was ich nebst meiner eifrigsten empfehlung wahr¬ 
haftig, seie und verbleibe etc. 

17. München 1669 Mai I. Kurfürst Ferdinand Maria an öxl. 

Liber getreuer. Wür haben Dein uutertenigstes deprecation- und ent¬ 
schuldigungschreiben vom 24. nechst abgewichenen monats Aprilis wol em¬ 
pfangen und daraus mit mehrerm ableseut vernommen, welchergestalten Du 
bitten thuest Dich in ansehung der angeführten Ursachen wider zue kf. 
gnaden aufzuenemen und zue volstendiger geuiessung dessen kommen zu 
lassen, was wür Dir hiebevor bei der in gnaden beschehner dimission Deiner 
dienst bewilliget haben. 

Nun ist zwar dasienige schreiben, so Du unterm 13. April vorigen 
iahrs aus Wien an uns abgehen lassen, mit solchen groben und impertinenten 
anzügen, deren die wenigste nit ist, dass Du sogar unseren hof yermessentlicli 
einer tyranei beschuldiget, angefüllt, dass wir gar nit ursach lieten, Dir mit 


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160 Michael DÖberl 


weiteren gnaden gewogen zu sein, bevorab weil uns nur gar zue wohl 
bewust, was Du in Deiner an Wesenheit zu Wien wider Deinen 
von hand gegebenen revers unseren dinsten zuegegen gethan. 
Dieweilen wür uns aber Deiner hiebevor uns und unserm churhaus geleister 
gueter dienst erinnern, so wollen wür in ausehung derselben auf Deine iezige 
deprecation in kf. gnaden bewilliget habeu, dass Dir iehrlich, so lang Du noch 
das leben haben würdest, zue Deinem underhalt tausend gülden verreicht 
werden, doch dass Du Deinem vorigen revers gemess in keinen andern dienst 
tretest, auch Dich nirgents anderst als zue Augspurg aufhaltest und auf iedes 
unser erfordern, weil wür iezuweilen Deiner in gewissen negotien von nöten 
haben möchten, gehorsambist einstellst. Massen wir derentwegen eines neuen 
revers gewertig sein und verbleiben Dir anbei mit gnaden.*) 

München den i. Mai a. 1669. 

Konzept v. Schmid. 

18. München 1671 Mai 18. Öxl an Kurfürst Ferdinand Maria. 

Durchleuchtigister churfürst, gnädigister herr. 

Als oft ich an E. kf. Dt gedenken thue, welches täglich vielmals ge¬ 
schieht, so oft betrüebt es mich im innersten grund meines herzens, ja in 
meiner seel, dass ich bei demjenigen grossen herren, bei deme ich vorhero in 
so mächtigen gnaden und sonderbarem credit gelebt, welche ich durch meine 
demselben, seinen hochloblichisten voreitern und ganzen kf. haus gelaistete 
langwüerige, zwar geringe, doch — ohne unzümbliche vorriieckung — getreuist 
und redlichiste dienst erworben, nunmehr bei 4 ganzer jahr in widriger 
ungnad und misstrauen gleichsamb erstorben und tot sein solle. Was ich 
linder solcher zeit vür januner, elend und widerwertigkeit an ehr, hab und 
guet, an leib und leben, ja gar an meiner armen, eusserist affligierteil seel 
Selbsten habe ausstehen müessen, ist fast nicht zue beschreiben. E. kf. Dt 
glauben meinen wahren Worten, die ich gegen Deroselben hiemit in angesicht 
des allwissenden gottes mit traurigistem herzen und bitterem schmerzen aus¬ 
giesse, dass ich dergestalt gelitten und gestritten, dass es ein unmenschliches 
herz erbarmen und einen harten felsen erwaichen möchte. Und wau er der 
grundgüetigiste gott neben seinen gerechtsten heimbsuechungen nicht zue- 
gleich sein allgewaltige hand so väterlich, barmherziglich und vestiglich ob 
mir gehalten, dass ich menschlicher weis au oberwentem allem hette gänzlich 
zue grund gehen muesseti. Ich hab auf dieser weit im gäistlichen und welt¬ 
lichen anfangen wollen, was nur immer sein könden, so ist mir E. kf. Dt un¬ 
gnad jederzeit im weg gestanden und hat mich dermassen zue boden geschlagen, 
dass ich mich nit rüehren, weniger über sich schwingen könden. Ich will 
nicht sagen von der grossen Verachtung, spott und vielfältigen höchst ehren- 
verlezlichen, aber unwahrhaften verklainerungen, so bishero über mich gangen 

*) Am 26. November 1669 bewilligte der Kurfürst eine weitere Zulage von 200 Gulden 
und den geheimen Ratskanzlertitel, auf erneute Vorstellung (s. Nr. 18) eine Zulage von 
300 Gulden und .wies Öxl entsprechend seinen Gesuchen anfangs Augsburg, später Ingol¬ 
stadt, zuletzt Landshut als Aufenthaltsort an. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. l6l 


und mich umb allen respect und meine bei so vielen hochen und nidern 
Standspersonen in allerlai vorgewesenen occurrentien so saur und teur er¬ 
worbene guete existimation und rüemblichen namen nuet wenig gebracht 
haben. Es ist so weit mit mir kommen, dass fast alle meine gehabte guete 
freund und patronen, ia sogar meine aigne kinder und tochtermänner sich 
meiner enteussert und zum teils mich gänzlich verlassen und einige noch 
darzue selbsten verfolget. 

So kan ichs specifice und urkundlich darthuen, dass ich in selbigem 
meinem statu exinanctionis und gleichsamb vierjährigem elend durch zuege- 
standene immerwehrende unglückseligkaiten und traversen über 16000 gülden 
— so wahr gott ist — paaren beisammen gehabten und härtiglich, ja tails mit 
gefahr leibs und lebens erworbenen gelts ohne alle ergözlichkait und reputation 
eingebüesst. Aller andern, sonderlich im herzogtumb Württenberg empfangener 
grosser und vielen Schäden, auch des inmittels verabsäumten lucri cessantis, 
warzue mir alle mittel abgeschnitten gewesen, gar nichts zu gedenken. Ich 
kan den teuren verlust meines lieben weibs, die sich über meine disgratia 
und widerwertigkait zu tod bekümert hat, nicht genuegsamb beherzigen, noch 
bis in mein grab verschmerzen. Meine aus lauter betrüebnus contrahierte und 
ausgestandene unterschidliche schwere und darunter zwai tötliche krankheiten 
seind bekannt. 

Welches unhail allzuemal ainig und alleinig von meinem aus Neustatt 
in Oesterreich au E. kf. Dt den 13. Aprilis a. 1668 leider unbedachtsamber 
weis abgangenen impertinenten resignationschreiben, dardurch ich Dieselbe 
neben ainigeu Dero vornemen ministem so hoch offendiert habe, ursprüng¬ 
lich hergeflossen. Dan ausser dessen waiss ich nach fleissigister erforschung 
meines gewissens nichts, was ich sonsten E. kf. D l zue nachteil oder disrepu- 
tation ungebüehrlich verhandelt oder malitiose delinquiert haben sollte. 

Gleichwie aber angeregtes unglückseliges resignationschreiben aus lauter 
üblen Information, eingejagten grossen schrecken und übereilter unbesonnen- 
hait herkommen, wie ichs in meiner darüeber gethanenen unterthänigisten de- 
precationsclirift umbständlicher ausgeführt habe, benebetis verhoffe, was ich 
darmit und etwan auch in andere weg E. kf. Dt zu ungnädigstem missfalleu 
verhandlet und verschuldt haben möchte, durch oberzehlte so manigfaltige 
schwäre und langwiierige trangsalen genuegsamb abgebüsst zu haben: also bitte 
ich E. kf. Dt unterthänigst fuessfallend, mich armen 42jährigen Churbayeri¬ 
schen diener nunmehr in meinem zimblichen hochen und 66jährigen alter zue 
vorigen kf. milten gnaden völlig gnädigist wieder an- und aufzuenemen, mehr- 
erwehntes ungezümbtes resignationschreiben sambt allem, was darin begriffen, 
gänzlich zue abolieren, was E. kf. Dt ich iemalen zuewider gethan, umb der 
liebe Jesu Christi willen mir gnädigist zu verzeicheu und in den abgrund 
ewiger Vergessenheit und amnistie zue versenken, auch mithin mich allerdings 
wieder in den gnadenstand, wie es E. kf. Dt den 13 Aprilis anno 1667 gnä¬ 
digist decretiert haben, aus kf. milte nnd güetigkait g. zu reponieren und 
fürters deren mir vormals conferierten gnaden und beneficien wirklich und 
völlig wieder gemessen zu lassen. Ich verpflichte mich hinwider gegen 
Bayer. Forschungen VII, 2. 11 


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Michael Döberl 


E. kf. Dt nicht allein dasjenige, was ich in meinen vormaligen reversalen 
versprochen, aufs treuist und fleissigist zu observieren, sondern auch die mir 
erneuerte hohe gnade mit allen meinen unterthänigisten diensten bis in mein 
grueb nach meinen eusseristen kräften und vermögen zue promerieren. 

Euer kf. Dt mich liieneben zue der alten hochen kf. gnaden und gnö- 
digistes vertrauen in tiefister demuet gehorsambst empfehlend. 

München, den 18. Mai 1671. 

E. kf. Dt etc. 

19. München 1673 Dezember I. Kurfürst Ferdinand Maria an den Viztum und 

Kanzler zu Landshut. 

Ferdinand Maria etc. 

Unser geheimer canzler der Öxl ist gleichwolen mit seinen Sachen 
und hauswesen also umbgangen, dass, anstatt dass er ihme und den seinigen 
einen ehrlichen Vorrat erhalten und iedermau also contentiren können, dass 
wir seinetwegen unangeloffen pleiben mögen, aniezo nichts als schulden und 
zwar solche vorhanden sein, deren entrichtung mit guetem gewissen nit kan 
differiert werden, massen beede origiualeinschlüssen ausweisen, dass neben 
andern praetendenten auch die lidlöhner, davon der eine als der gutschier 
noch würklich in seinen diensten ist, umb ihren lang verdienten sold pitten 
und suplicireu müssen. 

Dieweilen dan bei so gestalten Sachen und ihme Öxl seinem vorgeben 
nach allerdings entgangenen mittein das beste sein wird, dass er sich derieni- 
gen, so ihme nur das seinige ohn werden helfen, gänzlich entschlage und 
an ein solches ort begebe, wo er vordrist dem gottesdienst und seiner Seelen 
hail bei täglich zunehmendem alter und Schwachheit am besten und ruhigsten 
abzuwarten die gelegenheit habe und hierunder von demienigen, so wir ihme 
aus lautern gnaden verraicheu lassen, so vil erhalte, dass die in ihne tringen- 
de creditores, vordrist aber die armen lidlöhner nach und nach zu dem 
ihrigen gelangen: solchemnach ist unser g. befelch, dass Ihr ihme dieses wohl 
zu gemüt führet und benebens unser g. meinung dahin eröffnet, dass er sich zu 
den Dominicanern zu Landshuet in die kost begeben und mit euerm zutliuen 
gleichwohl mit denselben tractire, was er für sich und einen diener nach ge¬ 
stalt des ordinaritisch und trunks quartaliter geben solle, welches nach be- 
schehener Vergleichung und von ihme Öxl vorhandener anweisung also an¬ 
geschafft werden könte, dass die Dominikaner quartaliter das ihrige alliie zu 
erheben uud richtig einzunehmen hetten. Wir zweifeln nit, er Öxl werde 
Selbsten erkennen, dass auf diese weis er ihme, wan er nur will, wol sein lassen 
und die arme bediente ihres ausstands in kurzem werde befriedigen können. 

Dan sollte er sich wider versehen nach diser unser ihme zu seiner 
ewigen und zeitlichen wolfahrt zum besten gemainten intention nit bequemen 
und hingegen die creditores dasienige haben wollen, was ihnen nach ausweis 
der vorhandenen originalbekauntnüssen als verdienter lidlohn keinesweg länger 
vorenthalten werden kan, so gedenken wir den lauf der unparteiischen iustiz 
nit zu hemmen, sondern vielmehr die Verfügung zu thuen, dass derselben 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


163 


gemäss einem ieden zu dem seinigen verholfen werde. So aber auf obgedachten 
wohlgemeinten Vorschlag vermieden blibe und ihme Öxl weit besser als itzo, 
da alles eine vorhin verzehrte sach zu sein und nichts zu verbleiben scheinet, 
sein würde. Darüber wir nun Euers untertheiligsten umbstandigen berichts ge¬ 
wärtig sei n d. 

20. I67S März, öxl an den Kurfürsten Ferdinand Maria. 

Durchleichtigister Churfürst 
genedigister herr etc. 

E. kf. Dt thite ich einen alten kranken und notlaidenden bedler für 
Dero gnaden trohn allerunnderthönigst und diemiedigist vorlegen, durch gott 
flehendlist bitend, Dieselbe wollen sich aus lauter barmbherzigkheit meiner umb 
gotteswillen genedigst erbarmben. Ich bin alt und habe nunmehro das 68. 
jalir auf mir, darunder ich Deroselben und ihrem kf. haus 38 würklich und 
nunmehr 6 jahr als ein emeritus und zue gnaden wider angenommener diener, 
also in allem 44 jahr servieren tliue. So hat mich auch gott der allmöchtige 
an St. Jacobitag des verschiuen jahrs mit einer solchen schwären urpläzlichen 
und gefährlichen zuestand des laidigen schlags oder seines göttlichen gwalts 
väterlich haimbgesueclit, das glaicli damals mäniglich an meinem aufkommen 
desperiert, mich mit dem sacro viatico wie auch mit dem sacrament der lesten 
oelung versehen gehabt, weswegen ich die ganze zeithero an der rechten 
saiten grosse lähme, schmerzen und not leiden, auch ohne zweifei mit dem 
tod Selbsten bezahlen muessen, da mich seine göttliche allmacht nicht mira- 
culose erhalten hete. 

Wie armbselig, notdürftig und elend ich seie, ist mir inehrers mit 
haissen zähren zue bewainen als genuegsatub zue beschreiben und, ob ich 
wohl in E. kf. Dt diensten grosse gnaden und milthätigkeit empfangen, 
hab ich doch dermalen nichts mehr darvon übriges als 4000 fl. Capital und 
bishero darvon ausständig 2600 fl. interesse bei dem herzog von Württenberg, 
so E. kf. Dt mir lestmals ao. 1659 von dem kaiserl. Wahltag zue Frankfort 
widerumb zuruckommeu geschenkt und ich aus lauter guetherzigkeit von 
Dero obristen cammern und gehaimben rat freiherni von Haslang beraits 
vor 13 jahren an gekauft, aber über vilfältiges sollicitiern, auch aigeuem kostpar- 
lichen nachraiseu bishero weder an Capital noch interesse nichts darvon ge¬ 
nossen oder erhalten habe, sondern erst iezo mit kostparlichen process an 
dem ks. reichshofrat auswürken muess. Und ob ich wohl bei den Wür- 
tenbergischen underthoneu ein nambhafte summa zue suechen gehabt, so ist 
mir doch das selbige alles entgangen, indeme mir zwar E er kf. Dt frau mueter 
höchstseligen angedenkens a° 1655 zue einbringung solcher schulden mir die 
gnädigiste erlaubuus geben gehabt, dass ich auf dem deputationstag zue 
Frankfort, zue welchem ich neben ihrer landgräflichen Excellenz dem herm 
grafen von Fürstenberg und dem revisionsrat Dr. Wampl verordnet 
worden, zumalen mir underwegs gewesen, ich 6 wochen voran nacher 
Göppingen ziechen und daselbst meiner Sachen notturft verrichten möge. 
Als ich mich nun kautnb 14 täg daselbsten aufgehalteu und meine negocia 

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164 Michael Döberl, Der Sturz des kurbaverischen Kanzlers Öxl. 


ein wenig in ein Ordnung gericht, ist mir gnädigister befelch zuekonnnen, dass 
ich mich alsbald nach Nürnberg verfiegen und daselbst der Culmbacliischen 
acteninrotulation beiwohnen soll. Ehe und dan ich aber von dorten wide- 
rumb nach Göppingen gelangt, habe ich fernem gnädigisten befelch auf 
dem tisch gefunden, craft dessen ich gestracks nach gedachtem Frankfort fort- 
raisen müessen, weilen derWampl schon abgefertigt und bei ihrer landgräflichen 
Excellenz zue Hailichenberg ankommen war. Dahero ich alles widerumb in 
confusione einmachen und, zuemalen ich von selbiger zeit an continuierlich 
in publicis negociis bin gedrängt worden, die Sachen also hangen lassen und 
E. kf. Dt hochangelegene geschäft meinen privatis billig vorzieclien und diese 
bishero, wie man zu reden pflegt, an ein nagel hänken müessen, bis ich vor 
ungefähr drittlialb jaliren mit E. kf. Dt gnädigister erlaubnus mich widerumb 
nacher Göppingen begeben und meine seidhero gar in verwürung und zer- 
ritung geratene Sachen auszuemachen gesuecht habe. Da sich dan befunden, dass 
die underpfand dertweiln in die drite und vierte, ia wohl fünfte und sechste 
hand gelangt und gar verloren worden, das man uit mehr gewusst, wohin 
dieselben kommen seind. Danueuhero ich nit allein alle interesse nachlassen 
müessen, sondern auch an den capitalien Selbsten über die 10000 fl in Ver¬ 
lust geraten, wie die ordentliche extract des undervogts zue Göppingen Johan 
Phil ipp Sadlers und baumaisters Hanns Ulrich Helfrich, welche hierin 
underhändler und meine beiständer gewesen, beinebens ihren bei gelegten 
rechnungen, welche ich in meiner lestern amvesenheit zue München dem 
herrn gehaimben ratsvicecanzlern durch dero gehaimben expeditorn communi- 
ciert habe, ausfierlich zue vernemen geben. 

21. Inschrift auf dem Grabstein des Kanzlers öxl in der Frauenkapelle 

zu Landshut. 

Siste gradum viator et paulisper arbiträre, quam caduca sint omnia. 

Hic quiescit 

Illustris. ac generös. Dominus D. Joannes Georgius Öxl anno MDCVI Argen- 
torati in lucem editus, a. MDCXXVIII orthodoxae fidei lücem Dilingae amplexus 

Exinde publicis admotus officiis sereniss* 8 utriusque Bavariae ducibus 
S. R. I. electoribus Maximiliano et Ferdiuando Mariae XLVIII annos im- 
pendit ea fidelitate ac felicitate, ut intimus arcanorum cancellarius ad gra- 
viss ma reipubl. negotia, ad imperii Status conventus Noriinbergam, Fronko- 
furtum, Augustam, Ratisbonam pro legato mitteretur, sive pacis angel. sive 
iuris interpres, magno ubique plausu exceptus. Summa pontificum et cae- 
sarum commendatione regum et principum aestimatione communi omnium 
utilitate probatus certe Francofurti ob res praeclare gestas ab augustiss 0 Leo- 
poldo I novo tum caesare primum imperatoriae potestatis fructum prim 8 re- 
portavit nobilitaten. Baro dein esse iussus aucto etiam equestri dignitate hic 
vir hic tandem officis vitaque defunctus plenus dierum supremum diem obiit 
Landishuti A. MDCLXXV aetatis EXX Maii XXVII. Cuius funeri ac moerori 
ut grati parentarent filii filiaeque hoc posuerunt monumentum. 

Tu piis manibus bene precare et vale. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites*) 

(1657—1659). 

(Zwei Jahre reichsst&ndischer Politik.) 

Von 

Karl Lory. 


Einleitung. 

roi est mort, vive le roi! 

Im alten heiligen römischen Reiche hat man diesen Grundsatz, der in 
jedem modernen Staatsweseu monarchischer Verfassung zur Geltung gelangt 
ist, nie gekannt 1 ). Sorgfältig hielt man hier bis zum letzten Augenblick an 
den Traditionen des Mittelalters fest, lieber stritt man sich in endlosem Hader 
über Recht und Ursprung, über Sinn und Bedeutung längst unbrauchbar ge¬ 
wordener Einrichtungen, als dass man es gewagt hätte, an dem morschen Bau 
des Imperiums und seiner Verfassung zu rütteln. So nur war es möglich, 
dass die deutschen Politiker und Rechts gelehrten noch zu einer Zeit, da der 
eingangs citierte Satz jenseits der Vogesen längst schon zum Staatsgrundgesetz 
erhoben w r ar, ratlos vor dem Institute des sogenannten Reichsvikariats 2 ) stehen 
konnten. Ursprünglich bestimmt, die Schrecken einer kaiserlosen Zeit hint¬ 
anzuhalten, war dasselbe infolge des tiefen Dunkels, das über seinen Ursprung 
gebreitet war, doch nur zu sehr geeignet, die Wirren eines anfallenden Inter¬ 
regnums zu vermehren. Aber das Reichsvikariat war doch auch noch in 
den spätesten Zeiten des alten Reiches mehr als ein blosser staatsrechtlicher 
Anachronismus, der längst alles Interesse der Lebenden eingebüsst hatte. 
1648 beginnt vielmehr für die Geschichte desselben eine neue Periode, die 
erst nach der Thronbesteigung des letzten römischen Kaisers deutscher Nation 
ihren Abschluss findet. Und gerade die Geschichte des Reichsvikariats be¬ 
weist, dass man auch in späteren und spätesten Zeiten an einer Reform der 

*) Nach zwei Seiten hin scheint die vorliegende Arbeit dem Verfasser einer Recht¬ 
fertigung zu bedürfen: wegen der geringen Berücksichtigung der Vikariatshandlungen 
Karl Ludwigs, sowie wegen der umfänglichen Darstellung des Verhaltens der kleineren 
Reichsstände. Erstere war bedingt durch die Unauffindbarkeit des pfälzischen Akten¬ 
materials; zur zweiten bewog den Verfasser der Gedanke, dass der Vikariatsstreit als Folie 
für die Kaiserwahl von 1657 besonders geeignet erscheint, ein Stimmungsbild in weitem 
Umfange darzubieten. Von der älteren Litleratur fand hauptsächlich die zeitgenössische 
Berücksichtigung, ausserdem J. J. Mosers „Teutsches Staatsrecht“, dessen Darstellung 
zweifelsohne zum teil wenigstens auf handschriftlichem Material beruht; dagegen fanden 
namentlich die späteren Streitschriften, deren Kenntnisse über das Reichsvikariat von 1657 
fast ausnahmslos aus dem Theatrum Europaeum u. dgl. geschöpft sind, keine Verwendung. 

Bayer. Forschungen, VII, 3. 12 


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Karl Lory 


Reichsverfassung nicht ohne Eifer arbeitete; Berufene und allerdings auch 
viele Unberufene finden wir hier an der Arbeit, die Verfassung auszubauen 
und weiterzuführen, soweit es auf der einmal gegebenen schwankenden Grund¬ 
lage möglich war. Aber auch hier zeigte sich das Friedensinstrument von 
1648 in seiner Unzulänglichkeit und Zweideutigkeit: 1657, als Kaiser Ferdi¬ 
nand III. gestorben war und die Schwierigkeit der Successionsfrage ein 
längeres Interregnum zur Folge hatte, war das Iustrumentum pacis gerade gut 
genug, um der alten Rivalität zwischen der pfälzischen und bayerischen Linie 
des Hauses Wittelsbach neue Nahrung zu geben. Ferdinand Maria er¬ 
klärte das Reichsvikariat als ein mit dem Besitz der vierten Kur und speziell 
des Erztruchsessenamtes unauflöslich verbundenes Recht und nahm dasselbe 
als nunmehriger Inhaber dieser beiden Ämter für sich in Anspruch. Karl 
Ludwig von der Pfalz dagegen betrachtete das Vikariatsrecht als mit dem 
Pfalzgrafenamt verwachsen und forderte dasselbe für sich als Pfalzgraf bei 
Rhein und Besitzer der unteren Pfalz. Beide Parteien stützten sich dabei auf 
die goldene Bulle (Cap. 5: Quotiens insuper ut premittitur sacrum vacare 
continget imperium, illustris comes palatinus Reni sacri imperii archidapifer 
ad manus futuri regis Romanorum in partibus Reni et Suevie et in jure Fran¬ 
conico ratioue principatus seu comitatus palatiui privilegio esse debet provisor 
ipsius imperii etc.) und das Friedeusinstrument, dessen 4. Artikel dem Hause 
Bayern die Kurwürde, welche früher die Pfälzer innegehabt hatten, samt 
allen Regalien, Ämtern, Rechten und Zugehörigkeiten einschliesslich der obern 
Pfalz zuerkannte; die scheinbar einfachen und unzweideutigen Worte wurden 
durch eine Fülle bombastischer Gelehrsamkeit so verdunkelt und entstellt, 
dass es in der That unmöglich war, zwischen Recht und Irrtum zu scheiden. 

Heute untersteht es keinem Zweifel mehr, dass das Reichsvikariat mit 
der Kurwürde ursprünglich nichts zu thun hatte, sondern an das Pfalzgrafen¬ 
amt gebunden war. Und wenn auch die Zeit sowie die Art und Weise seiner 
Ausbildung vielfach unklar sind, soviel darf heutzutage als feststehend be¬ 
trachtet werden, dass die ersten nachweisbaren Beispiele eines pfälzischen 
Reichsvikariats in eine Zeit fallen, da das Kurfürstenkollegium erst an der 
Schwelle seiner Entwickelung angelangt war 8 ). Auch gewinnt immer mehr die 
Anschauung an Boden, dass sich das Reichsvikariatsrecht des Pfalzgrafen bei 
Rhein aus seiner Vikariatsgerichtsbarkeit, d. h. aus seiner Stellung als Richter 
eines im Falle der Thronerledigung von ihm zu besetzenden, die Stelle des 
königlichen Hofgerichts einnehmenden Gerichtshofes, entwickelt habe. „Vom 
Reichsvikariatsgericht zu dem vollen Reichsvikariate war nur ein Schritt 4 )/' 
Dem widerspricht auch nicht, dass man in neuester Zeit das Reichsvikariat 
ebenfalls mit der sehr bald schon notwendig gewordenen Stellvertretung des 
Königs bei der Bannleihe durch bestimmte Fürsten (nach einer Angabe des 
Schwaben Spiegels durch die drei herzoglichen Erzbeamten) in Zusammenhang 
brachte 5 ). 

Zu diesem Bild, das w r ir uns heute von dem Ursprung des Reichs¬ 
vikariats machen können, fehlte 1657 so gut wue alles. Es kann ja gewiss 
keinem Zweifel unterliegen, dass die beiden Parteien damals aus den ihnen 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 167 


erreichbaren Quellen alles hervorholten, was ihnen irgendwie zur Verteidigung 
ihrer Ansprüche dienlich erscheinen konnte; dass im Verlaufe des namentlich 
auch litterarisch geführten Streites die gesamte Kenntnis jener Zeit von dem 
Ursprung und der Geschichte des Reichsvikariats zutage trat. Aber wie 
kümmerlich, wie unzuverlässig war diese Kenntnis! Die pfälzische Partei 
konnte mit Bestimmtheit wenigstens kein einziges Reichsvikariat vor der 
goldenen Bulle namhaft machen, kein einziges, da der Reichsvikar nicht auch 
Kurfürst gewesen wäre; sie konnte nicht leugnen, dass das übliche Vikariats¬ 
wappen für ihre Ansprüche nichts, für die ihres Gegners sehr viel bewies; 
denn nicht das Abzeichen der Pfalzgrafenwürde (die beiden Schwerter), sondern 
jenes des mit der vierten Kur verbundenen Truchsessenamtes (der Reichsapfel) 
war darauf zu sehen. Anderseits mussten auch die Verteidiger des bayerischen 
Reichsvikariats zugeben, dass wohl in dem Lehensbrief von 1623 das Vikariat 
ausdrücklich erwähnt worden war, nicht mehr dagegen in jenem von 1652 6 ). 
Kurz, eine unanfechtbare rechtliche Entscheidung war bei dem damaligen 
Stande der verfassungsgeschichtlichen Kenntnisse überhaupt nicht möglich, 
und da Nachgiebigkeit nicht in dem Charakter der beiden Wittelsbacher lag, 
war ein Konflikt unvermeidlich. 

Kurbayern blieb mit seinen Ansprüchen auf das Reichsvikariat nur 

einer Politik treu, die es schon längst mit Hartnäckigkeit verfolgt hatte. Das 

Streben nach dem Reichsvikariat ist ja nur die logische Folgerung, welche 
* 

aus dem Streben nach der Kurwürde gezogen werden musste. Schon im 
16. Jahrhundert hatten die Bewerbungen Bayerns um den Kurhut Bündnisse 
sämtlicher pfälzischer Linien untereinander zur Erhaltung der pfälzischen Kur¬ 
würde veranlasst 7 ). Die Sorge um das Reichsvikariat selbst hatte ebenfalls 
schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1519) einen förmlichen Vertrag zwischen 
dem pfälzischen Kanzler und dem französischen Gesandten zur Folge gehabt 8 ). 
Ausdrücklichen Anspruch auf die Reichsverweserschaft erhob Bayern freilich 
fast ein Jahrhundert später zum erstenmal; es lässt sich jedoch kaum be¬ 
zweifeln, dass schon in den ca. 1544—1559 von Wilhelm IV. und Albrecht V # 
von Bayern offen erhobenen Ansprüchen auf die Kur (cfr. Riezler IV, 335, 
338 f., 341, 392, 438—441) der Anspruch auf das Vikariat inbegriffen war; 
denn bei der letzten Thronerledigung (1519) hatte Pfalz neben Sachsen unbe¬ 
stritten das Vikariat geübt (cfr. Deutsche Reichstagsakteu, Jüngere Reihe II, 
987, bes. 170), und 1551 legten die Pfälzer den Bayern zur Widerlegung ihrer 
Ansprüche auch die Briefe über das Vikariat vor (cfr. Muffat, Geschichte der 
bayer. und pfälzischen Kur, S. 302). Als 1612 die pfälzischen Patente nach 
München kamen, verweigerte Herzog Maximilian die Annahme, da die 
Reichsverweserschaft des Pfalzgrafen auf den bayerischen Kreis sich nicht 
erstrecke 9 ); der herzogliche Archivar Gewold aber wechselte in den Jahren 
1612—1614 viermal Streitschriften mit den Pfälzern, um nachzuweisen, dass 
der Herzog von Bayern als solcher Kurfürst, Verweser und Truchsess des 
Reiches sei 10 ). Genauer erörterte er den Gegenstand sodann in seinem 1616 
erschienenen Kommentar „De imperii septemviratu“, der fünf Jahre später zum 
zweitenmal und vermehrt herausgegeben wurde 11 ). Doch waren diese Versuche 

12* 


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Karl Lory 


Bayerns, die Kur und mit ihr die Reichsverweserschaft für sich zu ge¬ 
winnen, im buchstäblichen Sinne auf dem Papiere geblieben, und erst 1657 
wurde in München eine thatsächliche Ausübung der Vikariatsrechte ins 
Werk gesetzt. 

Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Pfalz Bayern gegenüber von vorne- 
herein im Nachteil war. Zeigt ja doch gerade der Vikariatsstreit in seinem 
Verlaufe deutlich, dass Bayern auf die Unterstützung fast sämtlicher Stände 
der alten Religion rechnen durfte; selbst Worms und Speier, die doch un¬ 
mittelbar vor dem Ausbruch des Streites durch ein Votum Dr. Öxls (in der 
Wildfangfrage) sich hätten gekränkt fühlen können, fielen ihm zu. Nicht 
aber durfte Karl Ludwig darauf rechnen, dass er die meisten oder auch nur 
die bedeutendsten Stände Augsburgischer Konfession (zu denen seit 1648 ja 
auch die Reformierten endgiltig zählten) hinter sich haben werde. Kursachsen 
z. B. war berüchtigt wegen seiner Gehässigkeit gegen die Reformierten; ein 
Sprössling der reformierten Linie Simmem hatte von dieser Seite kaum 
auf Unterstützung zu rechnen; eher war zu erwarten (wie es ja dann auch 
tliatsächlich geschah), dass mau in Dresden, vor die Wahl zwischen Katholisch 
und Reformiert gestellt, auch diesmal für ersteres sich entscheiden werde. 
Von Brandenburg aber, dessen Kraft und Interesse von den nordischen Ver¬ 
wickelungen vollständig in Anspruch genommen war, konnte sich Karl Ludwig 
eine entschiedene Stellungnahme in der rein internen Angelegenheit des 
Vikariatsstreites ebenfalls kaum versprechen, selbst damals nicht, als Branden¬ 
burgs Beziehungen zu Schweden noch keine Trübung erfahren hatten; denn 
wenn auch die schwedische Bundesgenossenschaft Friedrich Wilhelm der 
Pfalz hätte näher bringen können, so hatte er doch auch keinen Grund, es 
mit Ferdinand Maria zu verderben, der allgemein als nicht zu unter¬ 
schätzender Rivale der auch Brandenburg manchmal beunruhigenden habs¬ 
burgischen Politik galt. Und es traf sich für Bayern sehr günstig, dass die 
allmählich sich vollziehende Annäherung Friedrich Wilhelms sowohl als 
auch Ferdinand Marias an das Kaiserhaus fast-gleichen Schritt hielt — 
in dem gleichen Verhältnis trat auch der preussische Kurfürst aus seiner 
Neutralität heraus und auf die Seite Bayerns herüber. 

Karl Ludwig hatte zudem im Reiche zahlreiche erklärte Feinde 12 ). 
Um von dem Konflikte mit dem Hause seiner Gemahlin gar nicht zu sprechen, 
sei nur an die Händel mit den Kirchenfürsten von Worms und Speier wegen 
Ausübung des sogeuanuten Wildfangrechtes erinnert 13 ). Mit dem Wormser 
prozessierte er ausserdem wegen Restitution des Stiftes Neuhausen u ). Johann 
Philipp von Mainz war erbittert wegen des pfälzischen Widerstandes gegen 
die von ihm der Rheinschiffahrt auferlegteu Zölle und hatte wegen Verletzung 
seines Stapelrechtes auf dem Rhein und anderer Gerechtsamen beim Reichs¬ 
hofrat Klage erhoben 15 ). In dem Streit mit Christian August von Sulz¬ 
bach wegen Zurückziehung der pfälzischen Truppen aus Weiden und Parkstein 
war bereits eine kaiserliche Verordnung gegen den Pfalzgrafen ergangen 16 ). 
Eben um die Zeit, da Ferdinand III. starb, befand sich der Hof gerichtsrat 
Dr. Lingelsheim als pfälzischer Gesandter in Wien, um die Sache seines 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


169 


Kurfürsten sowohl in dem Streite wegen Weiden und Parkstein als auch in 
dem Konflikte mit Johann Philipp zu vertreten. 

In seinen Händeln mit den rheinischen Kirchenfürsten suchte sich 
Karl Ludwig auf die Städte zu stützen. Wandte sich der Mainzer an Kur- 
Köln, um eine gemeinsame Abwehr der pfälzischen Übergriffe anzuregen, so 
instruierte der Pfalzgraf sofort seinen Gesandten beim Frankfurter Deputations¬ 
tag (Dr Peil), den Städten Frankfurt und Köln begreiflich zu machen, dass 
ihr Interesse auf pfälzischer Seite liege 17 ). Und in der That traten während 
des Vikariatsstreites selbst innerhalb der rheinischen Städte wenigstens nicht 
selten unzweifelhafte Sympathien für den Pfalzgrafen zutage, die in erster 
Linie jedenfalls auf das konfessionelle Element zurückzuführen sind. 

Nichts aber liess noch unmittelbar vor dem Tode Ferdinands III. 
den Ausbruch eines Konfliktes zwischen Bayern und Pfalz erwarten. Ein 
Votum des bayerischen Gesandten Öxl beim Frankfurter Deputationstag in 
Sachen des Wildfangstreites veranlasste vielmehr Karl Ludwig noch am 
10./20. März 1657, Dr. Peil gegenüber seine Hoffnungen bezüglich eines dauern¬ 
den guten Einvernehmens „mit Churbayerns Lbd., als die aus einem Hause 
mit uns ursprünglich entsprossen“, auszusprechen ,8 ). Allerdings suchte auch 
der erbittertste Gegner des Pfalzgrafen, Erzbischof Johann Philipp von 
Schönborn, seit längerem schon eine Annäherung an den bayerischen Kur¬ 
fürsten. Am 7. März bat er Ferdinand Maria, derselbe möge ihm wegen 
der „an Chursachsen von Churbrandenburg wider Polen gesuchten assistenz“ 
seine „hiebey zu Gemüth gehende Gedanken“ eröffnen, indem er die Hoffnung 
aussprach, sie würden sich „einer Meinung vergleichen“. Öxl wurde darauf¬ 
hin um sein Gutachten gefragt und ihm zugleich der Entwurf einer Antwort 
an den Erzkanzler, datiert vom 21. März, nach Frankfurt geschickt 19 ). 

Ehe aber noch ein weiterer Schritt in dieser Angelegenheit gethan 
werden konnte, starb der Kaiser am 2. April, und die nächsten Ereignisse 
schon gaben dem Verfasser des Theatrum Europaeum Recht, der den Tod des 
Kaisers mit dem Sturze eines „starken und wohlbeasteten“ Baumes vergleicht, 
dessen Fall weithin vernommen w r ird*°). 


I. 

Vom Tode Ferdinands III. bis zum Zusammentritt des Wahltages 91 ). 

a) Bayerisch-pfälzischer Wettbewerb um die Anerkennung 

als Reichsvikar. 

Mehrere Reichsstände waren für die Kaiserkrone in Aussicht genommen: 
der Erzkanzler Johann Philipp von Schönborn begünstigte den Habs¬ 
burger Leopold Wilhelm 29 ), das habsburgische Haus selbst einigte sich 
auf König Leopold von Böhmen und Ungarn, Ferdinands III. minder¬ 
jährigen Sohn 28 ), Mazarin endlich bot alles auf, den bayerischen Kurfürsten 
auf den Thron zu bringen * 4 ). Das Reich in seiner Gesamtheit aber wurde 


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Karl Lory 


doch ohne Zweifel durch den Vikariatsstreit lebhafter beunruhigt, als durch 
die Uneinigkeit über die Person des zukünftigen Kaisers. Denn die Bemühungen 
für die verschiedenen Thronkandidaten waren Sache der hohen Politik und 
berührten die kleineren und kleinsten Reichsstände kaum, das doppelte Reichs¬ 
vikariat in den rheinischen, fränkischen und schwäbischen Landen aber erregte 
die verschiedensten Befürchtungen und Hoffnungen, vor allem bei denjenigen, 
die innerhalb der Machtsphäre der feindlichen Vettern sich befanden — die 
Frage der Kaiserwahl ward in diesen Kreisen darüber vielfach völlig vergessen 26 ). 

Ein merkwürdiges Spiel des Zufalls brachte es mit sich, dass auch in 
Italien um das (ständige) Reichsvikariat gestritten wurde, indem Modena dasselbe 
auf grund des Herkommens für sich beanspruchte, während Ferdinand III. 
es kurz vor seinem Tode den (habsburgisch gesinnten und mit Habsburg 
verwandten) Gonzagas verliehen hatte 26 ). Doch berührte der italienische 
Vikariatsstreit diesseits der Alpen vielleicht niemand ausser die Kurfürstin 
Adelaide, die von dem Reichsvikariat ihres Gatten Vorteile für das Haus, 
dem sie entsprossen war, erwartete 27 ), wie sie von der nächsten Wahlkonferenz 
die Krone Karl des Grossen für ihren Gatten erträumte; in jeder Hinsicht 
wurde sie bitter enttäuscht 28 ). Die Frage der Thronfolge und der bayerisch¬ 
pfälzische Vikariatsstreit dagegen Hessen damals weite Kreise im deutschen 
Volke sogar kriegerische Verwickelungen befürchten; denn Österreich that 
allerdings, als „prätendierte es die Krone nicht“, aber alle Welt war davon 
überzeugt, dass derjenige, der sie ihm rauben wolle, „Handschuhe anhaben 
und sich darum schlagen müsse“ 29 ); niemand auch zweifelte, dass die starken 
Rüstungen, die Bayern sofort nach Uebernahme des Vikariats vor aller Augen 
begann, dazu bestimmt waren, dem Anspruch auf die Reichsverweserschaft 
nötigen Falls mit den Waffen Nachdruck zu verleihen. Freilich ist es zu 
diesem Äussersten nicht gekommen; aber im Folgenden wird gezeigt werden, 
dass mehr als einmal eine kriegerische Lösung der obwaltenden Missverständnisse 
unausbleiblich scheinen musste. 

Schon am 9. April hatte Kurfürstin Adelaide triumphierend an ihre 
Mutter geschrieben: Monsieur lelectur et leletur de Saxe hauront le Vicariat 
et le soin de lempire 80 ). Man war eben in München von vornherein fest ent¬ 
schlossen, nicht nur den Versuch zu machen, das Vikariat zu beanspruchen, 
sondern auch unter allen Umständen dasselbe zu behaupten, und trat daher 
auch von Anfang an mit einer Sicherheit auf, als hätte die Ludwigsche Linie 
die Reichsverweserschaft von den Zeiten der goldenen Bulle an ununterbrochen 
innegehabt. In Wahrheit freilich war man in München seiner Sache durch¬ 
aus nicht so sicher, wie man sich den Anschein gab: von mehreren Rechts¬ 
gelehrten wurden Gutachten über die Rechte und Befugnisse des Reichsvikars 
eingeholt öl ), an mehrere Archive wegen des früheren Gebrauches bei Reichs¬ 
verweserschaf ten geschrieben 3 2 ), vom Reichskammergericht resp. vom Kanzlei¬ 
verwalter desselben, Dr. Albrecht von Lauter bürg, durch Vermittelung des 
kurkölnischen Gesandten auf dem Frankfurter Deputationstag, Aldenhofen, 
ein Titularbuch erbeten 88 ); vor allem aber wandte sich Ferdinand Maria 
an Johann Philipp von Mainz mit der Bitte um Unterstützung durch Rat 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 171 


und That, und ohne dieselbe, die ihm ja im weitesten Umfange zu teil wurde, 
dürfte er auch kaum einen geringen Bruchteil der Erfolge, deren er sich er¬ 
freuen konnte, errungen haben. 

Am 11. April teilte der Kurfürst seinem Gesandten beim Frankfurter 
Deputationstag, welcher zur Beendigung eines Teiles der auf dem Regens¬ 
burger Reichstag nicht erledigten Geschäfte seit 1654 versammelt war, dem 
Dr. Öxl, die Nachricht vom Hintritt des Kaisers mit „Uns liegt bei solch 
unverhofften emergenti neben dem gemeinen Reichswesen auch in particulari 
ob, was wir von eines röm. Reichsvikariats wegen, dessen wir sonderlich durch 
den jüngsten Friedensschluss berechtigt, haben in Acht zu nehmen, weil wir 
nit zweifeln, man werde sich an Seiten Kurpfalz, ohnerachtet des jetzt er¬ 
wähnten Friedensschlusses, äusserst bemühen, sich in das Vikariat einzu- 
drängen, und mit Hilfe anderwärtiger assistenz neue Trublen zu erwecken.“ 
Damit nun der Kurfürst seine Massnahmen treffen könne, sollte Öxl sich 
sofort zum Kurfürsten von Mainz, wo immer auch sich derselbe befände, be¬ 
geben ; er sollte sich bei demselben erkundigen, wie das Amt „seiner Wichtig¬ 
keit nach zu incaminiereu wäre“, auch ihn ersuchen, auf grund der Einsicht, 
die ihm die Reichsregistratur jeden Augenblick gebe, Ferdinand Maria 
Nachricht zukommen zu lassen, was insonderheit 1. beim Reichskammergericht 
zu thun wäre, 2. wie es mit Kursachsen zu halten sei, und was man unter 
den Landen des sächsischen Rechtes zu verstehen habe, 3. was an die aus¬ 
schreibenden Fürsten des rheinischen, schwäbischen und fränkischen Kreises 
gebracht werden müsse. Bei Fortsetzung der Verhandlungen in Frankfurt 
solle für Öxl der kurmainzische geheime Rat von Vorburg „ad referen- 
dum geben“, aber nicht votieren 34 ). Gleichzeitig wandte sich der Kurfürst 
in einem Schreiben selbst an Johann Philipp, indem er ihm mitteilte, dass 
er „als Erztruchsess und Kurfürst in Bayern“ das Vikariat beanspruche, es 
bereits übernommen, durch gedruckte Patente (ein solches, vom 12. datiert, 
lag bei) die Übernahme an gezeigt und auch schon daran gedacht habe, mit 
.seinem Convicarius, dem Kurfürsten von Sachsen, wegen des Siegels für das 
Kammergericht sich zu vergleichen, um dasselbe dann dem Herkommen ge¬ 
mäss Kur-Mainz „zur Beobachtung der weiteren Notdurft“ zuzusenden 35 ). 

Öxl wandte sich zunächst schriftlich an Boineburg, jedenfalls mit 
der Bitte, ihm bei Johann Philipp von Schönborn den Boden zu ebnen 86 ); 
Boineburg empfing schon am 15. Öxls Schreiben und trug es unverzüg¬ 
lich dem Kurfürsten vor. Am 17. traf Öxl selbst in Prozelten bei Johann 
Philipp ein und hatte eine kurze Audienz, kurz, wie es scheint, vor allem 
deshalb, weil Johann Philipp bereits mit Vorbereitungen zur Abreise be¬ 
schäftigt war. Er habe, schrieb Öxl von Würzburg aus „cursorie“ an einen 
ungenannten Freiherrn im Gefolge des Bischofs (an Boineburg?), den Kur¬ 
fürsten „auf der Reise und weil es schon spät gewesen“ billig nicht länger 
aufhalten dürfen; „zu meiner, geliebts Gott, ehisten Zurückkunft muss ich 
mein pensum vollends abhaspeln; unterdessen habe ich meinen hochgeehrten 
Herrn ganz dienstlich ersuchen wollen, bei Ihrer Churfstl. Gn. die ohnmass- 
gebliche Erinnerung zu thun, nicht allein den nächstgelegenen Postmeistern 


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Karl Lory 


zu Köln, Frankfurt, Würzburg und Nürnberg (vielleicht auch zu Augsburg 
und Strassburg) ernstlich anbefehlen zu lassen, dass sie von Churpfalz keine 
Vikariatsbefehle und dispositiones bei den Posten annehmen, oder denselben 
parieren lassen; sondern auch dem Herrn Generalreichspostmeister Grafen von 
Taxis die Notdurft selbstfürderlichst zuzuschreiben, weil das Postwesen von 
dem Churmainzischen Erzkanzellariat nicht wenig dependieret“; ferner wieder¬ 
holte er seine Bitte, der Kammerkanzlei in Speier gehörige „prohibitions- 
Befehle“ zuzustellen und „die vertröstete communication der Vikariatsakta“ zu 
beschleunigen 87 ). 

Nach der Audienz setzte Öxl unverzüglich seine Reise nach München 
fort 88 ), Johann Philipp begab sich nach Aschaffenburg, wo am über¬ 
nächsten Tage ein pfälzischer Gesandter eintraf — derselbe war zu spät ge¬ 
kommen! — 

Selbstverständlich war auch Karl Ludwig entschlossen, seinen An¬ 
spruch auf das Vikariat geltend zu machen; empfand er ja die Bestimmungen 
des Friedensinstrumentes ohnehin schon drückend genug, und die Erwerbung* 
des Vikariats bedeutete für Bayern die Krönung und Vollendung jener auf 
Kosten der Pfalz schon seit langem verfolgten Bestrebungen, die durch die 
Erwerbung des Kurhutes bereits den glänzendsten Erfolg errungen hatten. 

Dem Freiherm von Dallenberg, Marschall des Bischofs von Speier, 
gegenüber, der Anfang Mai nach Heidelberg kam, äusserte sich der Kurfürst, 
„er sei zwar dermalen nicht bei Mitteln, wolle aber gleichwohl seine äussersten 
Kräfte einsetzen, um sein Recht zu behaupten; man ziele ja doch nur dahin 
ab, ihn und das Kurhaus um alles zu bringen“ 89 ). Da man also auf keiner 
Seite irgendwie nachgeben wollte, so entstand auf Monate hinaus ein förm¬ 
licher Wettbewerb um die Anerkennung als „Reichsvikar in den Landen des 
Rheins, schwäbischen und fränkischen Rechtes“, ein Wettbewerb, bei dem 
Kurbayern, das vom Tode des Kaisers auch zuerst Kunde erhalten hatte, bald 
einen bedeutenden Vorsprung gewann 40 ). Die beiden Gegner überschwemmten 
die südwestliche Hälfte Deutschlands mit ihren Patenten, an wichtigeren Orten 
Hessen sie ihre Sache noch überdies durch eigene Gesandtschaften vertreten; 
sehr bald liess auch Karl Ludwig schon Vikariatsmünzen prägen, in Gold 
sowohl wie in Silber, „auf der einen Seite der Leu und oben herumb der 
gewöhnliche Titel, doch mit dem Zusatz Vicarius Imperii, auf der andern ein 
leeres Schiltel mit der Überschrift Dous Providebit“ 4 *). 

Schon mit Herausgabe der Patente, in welchen die Stände dem Her¬ 
kommen gemäss zu Ruhe und Frieden im Reiche ermahnt, bei vorkommen¬ 
den Streitigkeiten aber die Parteien vor den Richterstuhl des Reichsvikars 
geladen wurden 43 ), war Kurbayern zuvorgekommen: die pfälzischen (und 
sächsischen) Patente erschienen am 6. 16. April, als die bayerischen, vom 12. 
datiert, längst schon auf dem Wege waren, die Kunde von den Ansprüchen 
Ferdinand Marias den Reichsständen und teilweise auch dem Auslande 
zu bringen. An alle Stände des Vikariatsbezirkes nämlich wurden solche 
Patente meist in grösserer Anzahl (je nach der Ausdehnung des betreffenden 
Gebietes) übersandt mit der Weisung, dieselben „gehörigen Orts“ zu publizieren; 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


173 


aber auch an andere Stände des Reiches und — hauptsächlich von Kur¬ 
bayern 48 ) — auch an auswärtige Staaten wurden zahlreiche Patente verschickt, 
natürlich lediglich von einem Notifikationsschreiben begleitet. In München 
scheinen 44 ) drei Expeditionen von solchen „Vikariatsausschreiben“ stattgefunden 
zu haben: die meisten wurden am 12. April erledigt, mehrere, z. B. an Loth¬ 
ringen, nach Innsbruck, nach Prag, an die Schweiz, vielleicht erst am 23., 
am 29. endlich wurde noch an den Dogen von Venedig geschrieben. Am 
13. April verliessen ferner die bayerischen Hofratssekretäre B er ehern und 
Denkel mit je einem Stoss solcher Ausschreiben München, um bei den 
meisten Ständen des Vikariatssprengels die „Insinuation“ persönlich vorzu¬ 
nehmen. 

Grösste Eile war ihnen anempfohlen. Gleich nach ihrer Abfertigung 
mussten sie abreisen. Den Kurfürsten und Fürsten, den Prälaten und den 
Direktorien der freien Reichsritterschaft hatten sie verschlossene Schreiben zu 
übergeben, denen eine Anzahl von Patenten eingefügt waren; auf Antwort 
brauchten sie nicht zu warten, nur ein „recepisse“ sollten sie verlangen. Für 
jede Reichsstadt waren sie mit einem offenen Patent versehen, mit welchem 
sie sich bei dem Magistrat einzufinden hatten, um die Affigierung zu ver¬ 
langen; sollte der Magistrat die Publikation verweigern, so waren sie ange¬ 
wiesen, dieselbe persönlich vorzunehmen, doch „mit Behutsamkeit, dass Ihr. 
Churfstl. Dchl. kein Nachteil zugezogen wird“. Entdeckten sie irgendwo 
pfälzische Patente, so hatten die Gesandten deren Entfernung zu verlangen 48 ). 

Denkel entledigte sich seines Auftrages nicht eben glücklich. Er 
ging zunächst nach Augsburg 46 ) und Ulm, wo er sich auch seines Auftrages 
für Württemberg entledigte, dann südwärts nach Memmingen, Lindau, Über¬ 
lingen (wegen des Malteserordens), von da weiter nach Basel, Kolmar, zurück 
über Rotweil, Reuttlingen, Ravensburg, Ellwangen, Sigmaringen, um dann 
jetzt erst Kempten und Kaufbeuren zu besuchen 47 ), — bei seinem Eintreffen 
waren natürlich die pfälzischen Patente längst schon angeschlagen. 

Berchems Reise ging über Regensburg in den fränkischen Kreis: 
nach Nürnberg (wo er auch für Rottenburg, Windsheim und den Deutsch¬ 
meister in Mergentheim seiner Aufgabe sich entledigte), weiter nach Ansbach, 
Bayreuth, Bamberg, Fulda (fränkisches Ritterschaftsdirektorium), Frankfurt, 
Hagenau, Worms, Speier (zugleich auch wegen der beiden Baden) und Strass¬ 
burg, von wo aus er durch das Reichspostamt Zweibrücken und Kurpfalz 
die bayerischen Patente zustellen liess. Am 25. Mai war er wieder daheim. 

In München war die Regierung in den ersten Tagen des Mai um 
Berehern sehr besorgt; nachdem er nämlich zuletzt von Nürnberg aus Be¬ 
richt erstattet hatte, blieb man vierzehn Tage lang ohne jede Nachricht über 
ihn. Man besorgte, er möchte etwa von Kurpfalz selbst oder auf pfälzisches 
Anstiften hin von anderen mit seinen Patenten aufgehoben und „arrestiert“ 
worden sein, ja, man möchte ihm „noch wohl etwas Ärgeres, nach denen 
kurpfälzischen bekannten proceduren“, angethan haben 48 ). Vizekanzler Adlz- 
reiter schrieb nach Frankfurt an Aldenhofen (2. Mai), Öxl instruierte 
seinen Sohn, den er nebst dem Kanzlisten Angermiller zurückgelassen 


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174 


Karl Lory 


hatte, alles aufzubieten, um über Berchems Verbleib etwas zu erfahren, 
indem er die väterliche Mahnung daran knüpfte: „Du hast aber NB. über ihn 
oder seine actiones nicht zu schimpfen, sondern nudissime zu berichten, was 
und wie du seinethalben vernommen“ 49 ), — alles umsonst! Aldenhofen 
sowohl 50 ) wie Öxl junior 51 ) konnten über die Schicksale des Sekretärs nichts 
Näheres berichten, Aldenhofen schrieb sogar von einem Gerücht, welches 
von einem Unfälle, der ihm zugestossen, zu erzählen wisse. 

In München freilich dürfte man inzwischen bereits durch einen Brief 
Berchems selbst beruhigt worden sein. 

Karl Ludwig verzichtete darauf, in solch förmlicher Weise den 
Vikariatssprengel bereisen zu lassen; vielleicht war ihm das zu kostspielig. 
Bei den Gesandtschaften, die er aussandte, war es weniger der Reichsvikar, 
welcher die Erfüllung einer Pflicht forderte, sondern mehr der Pfalzgraf, der 
um ein Bündnis nachsuchte und häufig in fast demütigender Weise die ob¬ 
schwebenden Misshelligkeiten mit den betreffenden Reichsständen in den 
Hintergrund zu drängen bestrebt war; in den folgenden Abschnitten wird 
darauf mehrmals zurückzukommen sein. 

Auch sonst ging die Politik der beiden Konkurrenten von Anfang an 
auseinander. Bayern betrieb seine Rüstungen und Werbungen ganz offen¬ 
kundig, Kurpfalz dagegen that, als fehlten ihm alle Mittel, um an eine Ver¬ 
mehrung seiner Streitkräfte denken zu können; vortrefflich verstand es Karl 
Ludwig, aus der Not eine Tugend zu machen und seine geringeren Kräfte 
Bayern gegenüber als Trumpf auszuspielen. 

Wie ernst gemeint Bayerns Rüstungen waren, geht aus dem Briefe der 
Kurfürstin vom 18. April an ihre Mutter und an eine ihrer Schwestern 52 ) 
deutlich hervor. Bayerns Werbungen standen denn auch namentlich bei den 
rheinischen Kirchenfürsten in grossem Ansehen Ba ). Leicht freilich war es 
nicht, in den verödeten deutschen Landen noch neues Truppenmaterial auf¬ 
zutreiben; im Bambergischen z. B. wurde den Bayern wohl gestattet, die 
Werbetrommel zu rühren, doch zugleich bedeutet, es werde wahrscheinlich die 
Kosten nicht austragen 54 ). Erzherzog Ferdin and .von Tirol dagegen verbot 
in seinen Landen, die vom Kriege mehr verschont geblieben waren, die 
Werbung BB ). 

Je offenkundiger aber Kurbayern in dieser Hinsicht zu Werke ging, 
und je mehr von den bayerischen Rüstungen gesprochen wurde, desto sorg¬ 
fältiger gab sich Karl Ludwig den Anschein, nicht zu rüsten und über¬ 
haupt nicht rüsten zu können. Leibifing berichtete Anfang Mai ausführlich 
über die pfälzische Streitmacht nach München: dieselbe dürfe sich nur auf 
600 Mann belaufen, 150 stünden in Heidelberg, 200 in Frankenthal, die 
übrigen seien in anderen Garnisonen verteilt; von Werbungen aber könne 
man zur Zeit nicht das Geringste vernehmen, ja es verbreite 
sich die Ansicht, dass von Kurpfalz „ausser Behauptung und 
insinuation ihres vermeintlichen Rechtes weiter nichts sen- 
tiret werden soll“ 56 ). 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


175 


Im letzten Grunde ging diese Ansicht auf niemand Anderen zurück als 
auf Karl Ludwig selbst, der die Rüstungen seines Gegners zu einer Waffe 
gegen diesen selbst zu gestalten versuchte. Am 7.' 17. April bereits hatte er 
seinem Gesandten beim Deputationstag, dem Dr. Peil, geschrieben, „wenn die 
Katholischen mehr auf Bayerns Seite neigten, so solle er ihnen neben sonstigen 
argumenten auch in discours vermelden, dass. sie sich wohl erinnern würden, 
wie der jüngst abgeleibte Herzog in Bayern gegen das Reich .... sich be¬ 
zeuget; zu ihm aber könnten sie ein besseres Vertrauen haben, da er die 
Macht nicht habe wie Bayern, derentwegen sie soviel weniger jalousie von 
ihm haben könnten, etwas Unbilliges gegen sie vorzunehmen“ 147 ). In ähn¬ 
lichem Sinne wandte sich Karl Ludwig am 9./19. Juni selbst an den Bischof 
von Konstanz als ausschreibenden Fürsten des schwäbischen Kreises: Kur¬ 
bayerns Rüstungen könnten nicht allein dazu bestimmt sein, dessen Gebiet 
zu schützen, der Bischof solle den Kurfürsten mahnen, dass Ruhe und Friede 
im lieben Vaterlande aufrecht erhalten blieben“ 6 R ). 

In Wahrheit freilich suchte auch Karl Ludwig seine Truppen zu 
verstärken: Oberst May war in Aussicht genommen, 1000 Schweizer in 
6 Kompagnien zu werben 69 ); auf der Tagsatzung im Juli 1657 wurde mit 
den akatholischen Kantonen, hauptsächlich mit Zürich, wegen Überlassung 
von 4000 Mann unterhandelt 60 ), allerdings, wie es scheint, ohne Erfolg, wenigstens 
kam von Glarus abschlägige Antwort 61 ). Doch scheinen die pfälzischen 
Fahnen in den evangelischen Gegenden immerhin manchen Zuwachs bekommen 
zu haben 6a ). 

Was war nun der Erfolg der Anstrengungen 63 ), die man auf keiner 
Seite sparte? Vor allem: wie stellte .sich das Reich zu dem Vikariatsstreite? 

b) Die Wittelsbachischen Nebenlinien 64 ). 

Es wird sich im weiteren Verlaufe dieser Untersuchung an verschiedenen 
Stellen zeigen, in welche Verlegenheit und Ratlosigkeit der Vikariatsstreit 
gerade die kleineren und kleinsten Reichsstände manchmal versetzte. Am 
stärksten mag diese Verlegenheit bei den verschiedenen Linien des Hauses 
Wittelsbach selbst gewesen sein. Im kleinen bietet sich hier ein getreues 
Bild der Verwirrung des ganzen Reiches: auf der einen Seite vermied man 
es überhaupt, Stellung in der heikein Angelegenheit zu nehmen, auf der andern 
bekannte man sich zögernd und spät für einen der beiden Prätendenten, halb 
aus politischen Gründen, halb, weil man sich einzureden suchte, auf seiner 
Seite sei das Recht, an dritter Stelle endlich war die Haltung aus konfessio¬ 
nellen Gründen von Anfang an entschieden — kurz, genau die gleichen Ver¬ 
hältnisse, denen wir auch bei den übrigen (mittleren und kleineren) Reichs¬ 
ständen begegnen, nirgends eine Spur von Eintracht und Vermittlungsversuchen, 
nirgends auch nur der Gedanke, welch eigentümliches Licht der Streit der 
feindlichen Brüder auf die Zustände im Reiche überhaupt werfen müsse. 

Anfang Mai wandte sich Zweibrücken an Karl Ludwig mit der 
Frage, was es auf die Zusendung der bayerischen Patente hin beginnen solle. 


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Karl Lory 


Der Pfalzgraf antwortete am 12. 22. Mai, sein Rat gehe dahin, dieselben ganz 
unbeantwortet zu lassen, vor allem aber Ferdinand Maria nicht den Vikars¬ 
titel zu geben Ä5 ). In Zweibrucken hat man sich aller Wahrscheinlichkeit nach 
solches nicht zweimal sagen lassen, sondern das bayerische Notifikations¬ 
schreiben stillschweigend ad acta gelegt. Ob ! dasselbe mit den Patenten Karl 
Ludwigs geschah, darüber findet sich nirgends ein Anhaltspunkt, es wäre 
aber immerhin möglich; jedenfalls war Karl Ludwig am 22. Mai der An¬ 
erkennung seines Reichsvikariats durch die Linie Zweibrücken noch nicht 
sicher, da es sonst unverständlich wäre, wie er hätte besorgen können, man 
würde in Zweibrücken seinem Gegner den bestrittenen Titel erteilen. Über¬ 
haupt wird Zweibrücken während des ganzen Vikariatsstreites sonst nicht 
mehr erwähnt. 

An die Pfalz-Neuburgische Kanzlei hatte der geheime Rat Dr. Schmid 
bei Ausbruch des Streites um Übersendung dort befindlicher Vikariatsakten 
geschrieben, worauf am 12. April kurpfälzische Ausschreiben, Patente und 
sonstige Produkte von 1612 nach München geschickt wurden 66 ). Umsonst 
aber wartete man in München auf eine Beantwortung des kurbayerischen 
N otifikationsschreibens. Schon hatte * sich Ferdinand Maria aus diesem 
Grunde mit einer Anfrage nach Sulzbach gewandt 67 ), als endlich, vom 2. August 
datiert, aus Düsseldorf ein Schreiben in München eintraf, worin die Verspätung 
damit entschuldigt wurde, dass das Ausschreiben vom 12. April jetzt erst 
(nach fast 4 Monaten!) ein gelaufen wäre! Im übrigen erklärte sich Philipp 
Wilhelm bereit, den Reichssatzungen, speziell der goldenen Bulle, nachzu¬ 
kommen, und zwar um so lieber, je mehr ihn alles freue, was zum Auf¬ 
nehmen des Herrn Vetters und seines flauses beitrage 68 ). 

Dass dieses späte Besinnen auf die „Reichssatzungen“ durch die Nähe 
des Wahltages etwas beeinflusst worden sein dürfte, ist jedenfalls nicht aus¬ 
geschlossen. 

Sulzbach war seit Jahren schon der erklärte Feind des Pfalzgrafen; 
denn das Besatzungsrecht, welches Karl Ludwig auf grund des Friedens¬ 
schlusses in den Ämtern Weiden und Parkstein beanspruchte und auch that- 
sächlich ausübte, hatte schon längst zu Unverträglichkeiten aller Art Anlass 
gegeben 69 ). Der Vikariatsstreit verschärfte den Gegensatz: Das katholische 
Sulzbach erklärte sich natürlich für Ferdinand Maria und verbot die 
Affigierung der pfälzischen Patente, die pfälzischen Truppen aber erzwangen 
dieselbe an mehreren Orten, nicht zuletzt in der Hauptstadt des Ländchens 
selbst; um die Wiederabnahme der Patente zu verhüten, wurden dieselben 
überdies, in Hohen parkstein z. B., Tag und Nacht militärisch bewacht. 

Angesichts der bedrohlichen Nähe des Feindes befürchtete die bayerische 
Regierung sogar für das eigene Gebiet, vor allem für die neuerworbene Ober¬ 
pfalz. Mit grösster Strenge wurde selbst in den kleinsten Ortschaften auf 
die Publikation der bayerischen Patente gedrungen. Dieselbe geschah ent¬ 
weder durch den Orts Vorsteher, der, am liebsten an Markttagen, die Patente 
am Gemeindehaus anschlagen liess, nachdem der Inhalt derselben öffentlich 
verkündet worden war, oder durch den Pfarrer, der dieselben von der Kanzel 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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ablas und dann an der Kirchenthüre anheftete, in Filialdörfern endlich durch 
den Schulmeister. Der Regierung in Amberg war die grösste Wachsamkeit 
nachdrücklichst geboten; dieselbe bestellte den Oberstwachtmeister Schrenk 
zur Unterdrückung etwaiger gegnerischer Unternehmungen. Doch kamen 
solche so gut wie gar nicht vor, wohl aber gab der Vikariatsstreit manchen, 
wie z. B. dem Schultheiss Druckmüller von Neumarkt, willkommene Gelegen¬ 
heit, durch Übereifer im Aufsuchen und vielleicht sogar im Erdichten pfälzischer 
Umtriebe ihre Ergebenheit gegenüber der Regierung an den Tag zu legen. 

Die Sulzbachische Regierung suchte den Konflikt zwischen Ferdinand 
Maria und Karl Ludwig zu ihrem Vorteil auszunützen. Am 15. Mai kam 
als ihr Abgeordneter der Kanzler Hans Ernst von Ravenstein nach 
München, um wegen Aufnahme von Sulzbach in eine Allianz katholischer 
Stände, die man an dieser Stelle als bereits abgeschlossen oder deren Abschluss 
man wenigstens als bevorstehend vermutete, zu verhandeln; Ravenstein 
wies auf die Anfeindung hin, welche der Übertritt der Sulzbachischen Linie 
zum Katholizismus bei allen protestierenden Ständen derselben zugezogen 
habe, vor allem auch auf den verderblichen Einfluss pfälzischer Proselyten¬ 
macherei in ihrem Lande, welcher fast täglich neuen Abfall zum Protestantis¬ 
mus zur Folge habe. Ohne Zweifel hatte man in Sulzbach Kenntnis von den 
Verhandlungen, die zwischen Ferdinand Maria und Johann Philipp 
von Mainz gepflogen wurden, und hielt dieselben schon für weiter vor¬ 
geschritten als sie es wirklich waren. 

Der Herr von Ravenstein bekam zur Antwort, man wisse in 
München von einer Allianz katholischer Fürsten nichts. Dafür aber wurde ihm 
zu verstehen gegeben, dass man es gerne gesehen hätte, wenn seine Regierung 
sich an den Kurfürsten als derzeitigen Reichsvikar in dieser Angelegenheit 
gewandt hätte; wie denn Ferdinand Maria sehr bald schon, von Kur- 
'Mainz ermuntert 70 ), nicht als Bundesgenosse und Alliierter von Sulzbach, 
sondern eben in seiner Machtvollkommenheit als Reichsvikar, der nicht nur 
das Recht, sondern sogar die Pflicht habe, für den Vollzug kaiserlicher Ver¬ 
ordnungen zu sorgen, die „Evakuation“ der Ämter Weiden und Parkstein 
von den pfälzischen Truppen ins Werk setzte 71 ). 

Es kann nicht die Aufgabe der vorliegenden Abhandlung sein, auf den 
Streit um Weiden und Parkstein näher einzugehen. Dafür mag es erlaubt 
sein, ein Gegenstück zu dem, was über die Diensteifrigkeit von Leuten wie 
Druckmüller gesagt wurde, anzuführen, um die übertriebene Peinlichkeit 
der bayerischen Regierung in Wahrung ihrer Hoheitsrechte zu illustrieren. 

Die Rottenbergschen Ganerben hatten in ihrem Distrikt die Kuud- 
barmachung der Vikariatsübernahme durch Ferdinand Maria selbst in die 
Hand genommen. Eifrige Diener der bayerischen Regierung hatten davon 
sehr bald an zuständiger Stelle Mitteilung gemacht, und ein kurfürstliches 
Reskript wies den Statthalter in Amberg, Graf Wolfs egg, an, die Publikation 
der Patente nochmals vorzunehmen, denn die erste durch die Ganerben sei 
„vermutlich zu dem Ende angesehen, damit sie durch solche Kur-Bayern dem 
Schein nach gutgemeinte publication einen actum ihrer mit Unfug angemassten 


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Karl Lory 


immedietät exercirn möchten“. Nach einigem Hin- und Herschreiben fügten 
sich die Ganerben, und ihrem Beispiel folgte man in Waldthurn und überall 
sonst, wo ähnliche Verhältnisse bestanden 72 ). 


c) Der Vikariatsstreit und die kleineren Reichsstände. 

Der Vikariatsstreit dürfte nicht zuletzt deswegen von Interesse sein, 
weil er fast sämtliche Stände des Reiches nötigte, einer uralten Institution 
der Reichsverfassung gegenüber Stellung zu nehmen. 

Wichtig in dieser Hinsicht ist vor allem das Verhalten der Reichsstädte. 

Als Denkel, wie bereits erwähnt, Anfang Mai nach Kempten und 
Kaufbeuren kam, waren bereits die pfälzischen Patente angeschlagen. Bald 
kam auch von anderwärts die Nachricht nach München, da und dort sei das 
Gleiche geschehen. Namentlich aus dem schwäbischen Kreis kamen solche 
Botschaften in Fülle: ausser Kempten und Kaufbeuren hatten auch Ulm, 
Memmingen, Isny, Ravensburg, Heilbroun, Esslingen, Schwäbisch - Gmünd, 
selbst Lindau, welches doch nach München schrieb, „es werde in allem schul¬ 
digen Respekt leisten“ 78 ), die pfälzischen Patente neben den bayerischen an¬ 
genommen. Das Gleiche hatten Köln, Frankfurt, Speier und Wetzlar gethan^ 
auch in Worms waren beide Patente angeschlagen. 

Nun hatte man allerdings in München schon befürchtet, Kurpfalz könnte 
Bayern „in den unteren Kreisen ebenso zuvorkommen wie Bayern der Pfalz 
in den „oberen“ 74 ). Aber auch gerade die kleinen schwäbischen Reichsstädte 
mussten durch den Vikariatsstreit in die grösste Verlegenheit geraten: mitten 
zwischen den beiden Gegnern, von denen der eine in einer Weise rüstete, 
dass das ganze Reich davon sprach, der andere fortwährend mit der Assistenz 
der Kronen Frankreich und Schweden drohte, waren sie vor keinem sicher, * 
und es war das Nächstliegende, was sie thun konnten, beide Patente an¬ 
zunehmen. „Ihre Stadt sei zu gering, so hohen Kurfürsten irgend etwas an 
ihren Rechten zu präjudizieren“, schrieb Ravensburg an Ferdinand Maria, 
Heilbronn und andere äusserten sich ganz im gleichen Sinne 75 ). Ängstlich 
aber scheint in den meisten Fällen darüber gewacht worden zu sein, dass 
keiner Partei mehr verstattet wurde als der anderen; Ulm z. B. teilte Karl 
Ludwig mit, die bayerischen Patente seien auf Ansuchen hin angeschlagen 
worden, mit den pfälzischen werde ein Gleiches geschehen 76 ). Vielleicht hat 
allerdings auch das konfessionelle Moment in den genannten Städten da und 
dort für Karl Ludwig günstig gewirkt. 

Die bayerische Regierung machte aus der an sich herzlich unbedeuten¬ 
den Sache sofort eine Haupt- und Staatsaktion. Man muss ihr Verhalten, 
um es nicht ungerecht zu beurteilen, vom Standpunkt ihrer Zeit aus be¬ 
trachten, jener Zeit, die auf Titel und Etikette soviel gab und soviel wichtigere 
Dinge darüber versäumte. Denn was für ein Bild ist es, wenn wir Ferdinand 
Maria den ganzen Sommer 1657 hindurch Erlass um Erlass an seine Beamten 
in Wiesensteig und Mindelheim senden sehen, damit nur ja in keiner von 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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den schwäbischen Städten, und wäre dieselbe auch noch so klein gewesen, 
ein pfälzisches Patent wenigstens ohne feierlichen Protest von bayerischer 
Seite stehen blieb, damit nur ja die bayerischen Patente überall angeschlagen 
wurden und angeschlagen blieben 77 ); wenn er genauen Bericht erforderte über 
die unbedeutendsten Umstände, wie z. B. darauf Wert gelegt wurde, ob das 
bayerische Patent rechts und das pfälzische links gehangen, oder ob es um¬ 
gekehrt gewesen; was für ein Triumph war es dann, wenn der Rat einer 
solchen Stadt, zitternd vor der Rache des Pfälzers, „unterthänigst“ nach München 
berichtete, „es sei die Gebühr besorgt“! Aber der Vikariatsstreit war hier 
eben im letzten Grunde eine Machtprobe zwischen Bayern und Pfalz, und 
Bayern dürfte in den meisten Fällen (vielleicht schon seiner Hartnäckigkeit 
wegen) Sieger geblieben sein 78 ). 

Auch die rheinischen Städte (mit Ausnahme von Speier) befolgten 
dieselbe Taktik wie die genannten schwäbischen. In Wetzlar hatte Anger¬ 
miller von Frankfurt aus die „Insinuation“ vorgenommen, doch war ihm 
ein pfälzischer Abgesandter um eine Stunde zuvorgekommen. Die Stadt hatte 
dessen Patente angenommen und trotz AngermiIlers Drohung, man würde 
dieselben wieder abreissen, liess sie doch zwei davon neben den bayerischen 
anschlagen; mit der Affigierung des dritten aber wurde gewartet, bis auch 
von Bayern ein drittes Exemplar an gekommen wäre 79 ). 

Ganz ähnlich wie in Wetzlar lagen die Dinge in Köln. Am 25. April 
waren dort die bayerischen Patente in Beisein eines Notars und zweier Zeugen 
(wohl wegen der Bedeutung der Stadt) angeschlagen worden. Am 27. kam 
der Pfälzer Dr. Gerhard Schreiber in die Stadt und wandte sich sofort an 
den Rat, welcher ihm „ebenmässige affixion salvo jure utriusque“ gestattete 80 ). 
Alle Versuche, mehr zu erreichen, waren erfolglos; es blieb Schreiber nichts 
übrig, als sich ebenfalls um einen Notar 81 ) und zwei Zeugen umzusehen und 
an 7 verschiedenen Orten in der Stadt die Anschlagung selbst vorzunehmen 82 ). 
Ferdinand Maria freilich betrachtete die Affixion der gegnerischen Patente 
auch unter diesen Umständen „als ein ihm nachteiliges praejudicium“ 83 ); das 
bayerische Patent wurde überdies wieder abgerissen, schliesslich aber behielt 
es doch die Oberhand 84 ). 

Auch die Stadt Worms bekam von Ferdinand Maria ein „Ahndungs¬ 
schreiben“, worin sogar — wenigstens zwischen den Zeilen — mit der Acht 
gedroht war 85 ); die unmittelbare Nähe des stark gefährdeten Speier mag hier 
besonders in betracht gekommen sein. Auch scheint man in München ge¬ 
glaubt zu haben, die bayerischen Patente seien auf Anordnung des Rates hin 
abgerissen worden 86 ). Richtig war, dass der bayerische Abgesandte die 
Affigierung von der Stadt nicht hatte erlangen können; dieselbe war darauf¬ 
hin von ihm persönlich vorgenommen worden. Aber ebenso war es ohne 
Zweifel auch den Pfälzischen ergangen; und vergeblich hatte Karl Ludwig 
den Korporal Valentin Jäger von seiner Leibgarde nebst einem Reiter an 
den Rat gesandt, um die Abnahme der bayerischen Patente zu verlangen. Da 
die Stadt sich dessen weigerte, hatte Jäger die Patente selbst abgerissen 87 ) 
Die Stadt aber war ohne Schuld. 


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Nur eine Stadt nahm offen für Karl Ludwig Partei, nämlich Speier. 
Die dortigen Vorkommnisse können aber nur im Zusammenhang mit den Vor¬ 
gängen beim Kammergerichte behandelt werden, ebenso wie die Ereignisse in 
Frankfurt in Verbindung mit den Verhältnissen beim Deputationstag zur Dar¬ 
stellung kommen sollen. — 

Aus dem gleichen Grunde wie Speier für Karl Ludwig hatten sich 
mehrere katholische Städte von Anfang an für Ferdinand Maria ent¬ 
schieden: Überlingen hatte bei seiner Gratulation den Wunsch ausgesprochen, 
Gott möge den Kurfürsten „als eine vornehmbste Säul der katholischen 
Kirchen“ in glücklicher Regierung erhalten 88 ); Rottweil hatte sich sofort zur 
Anschlagung der Patente bereit erklärt und gebeten, ihre „gut katholische 
Stadt“ bei den alten Privilegien derselben zu schützen 89 ). 

Aber auch ausgesprochen oder wenigstens überwiegend evangelische 
Städte entschieden sich für Kurbayern, so vor allem Nürnberg, Augsburg und 
Regensburg. Adelaide scheint geneigt zu sein, diesen Erfolg dem Respekt 
vor den bayerischen Truppen zuzuschreiben 90 ), doch wahrscheinlich mit Un¬ 
recht. Nicht aus Angst handelte man hier, sondern aus Überzeugung: mehrere 
Reichsstädte der Augsburgischen Konfession, darunter Augsburg selbst (aller 
Wahrscheinlichkeit nach aber auch Nürnberg und Regensburg) hatten sich 
an ihren Agenten in Wien, den Dr. Gräss, gewandt um ein Gutachten, wie 
sie sich „der Vikariatspatente halber“ verhalten sollten; Dr. Gräss aber hatte 
sich für Bayern entschieden, welches bereits vom Kammergericht „pro Vicario 
traktiert werde“ und auch mit Sachsen als convicarius sich vereinbart hätte, 
und die Städte, wenigstens die genannten, scheinen sich darnach gerichtet 
zu haben 91 ). 

Es war immerhin ein nicht unbedeutender Erfolg für die bayerische 
Sache, dass diese drei altberühmten, angesehenen Reichsstädte offen für 
Ferdinand Maria sich erklärten, und die Freude über denselben war auch 
in München und sonst überall, wo Bayern Freunde hatte, nicht gering: „C’est 
qui est fort bon pour nous“, schrieb Kurfürstin Adelaide erfreut an ihre 
Mutter 98 ), triumphierend berichtete Öxl nach Frankfurt, dass Augsburg, 
Nürnberg und Regensburg „totaliter“ auf seines Herrn Seite stünden 93 ), und 
Heil an dt nannte es ein „egregium facinus“, dass die Nürnberger das pfälzische 
Ansuchen schlechterdings ab gewiesen hätten 94 ). — 

Wenn das konfessionelle Element schon bei den Reichsstädten eine 
gewisse Rolle spielte, so wird es nicht wunder nehmen, dass die geistlichen 
Stände, soweit sie sich überhaupt herbeiliessen, Stellung zum Vikariatsstreit 
zu nehmen, ausnahmslos Ferdinand Maria anerkannten. „Die Katholischen 
werden auf ihr interesse sehen müssen“, hatte Schnapauf in dem bereits 
erwähnten Briefe aus Bamberg an Dr. Öxl geschrieben. Im Stifte Kempten 
wurden nur die bayerischen Patente affigiert, die pfälzischen unterdrückt 96 ). 
Die Äbtissin von Buchau, die Äbte von Weissenau und Ochsenhausen, die 
Bischöfe von Konstanz, Brixen und Trient sandten Gratulations- und Ergeben¬ 
heitsschreiben; der Bischof von Konstanz schickte überdies alles, was ihm 
von Heidelberg aus zugegangen war, nach München 96 ). 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 181 


Gerade die benachbarten und die bedeutenderen geist¬ 
lichen Fürsten aber machten Schwierigkeiten wegen Annahme 
derVikariatspatente. 

Der Bischof von Freising z. B. erklärte, er sei jederzeit bereit, Bayern 
zu dienen, „obwohl er aber einigen Stand des Reiches auch nicht gerne be¬ 
leidigen wolle“. Da er sich des Vikarstitels überhaupt nicht bedient hatte, 
wurde ihm von München aus neuerdings energisch zu geschrieben, worauf 
dann ein förmliches Gratulationsschreiben einlief, welches zugleich die Mit¬ 
teilung enthielt, in Werdenfels und Burgrain sei die Affigierung bereits ge¬ 
schehen, in Freising selbst nur durch ein Versehen unterblieben, der Schuldige 
werde der Strafe dafür nicht entgehen 97 ). 

Scheint sich somit Freising wenigstens nachträglich zur Affigierung 
verstanden zu haben, so wurde dieselbe im Gebiete des Erzbischofs von Salz¬ 
burg sowie in den Diözesen Worms und Speier überhaupt niemals vollzogen. 

Vom Erzbischof Guidobald war auf eine Anfrage wegen der Patente 
hin eine so zuvorkommende Antwort eingelaufen, dass Ferdinand Maria 
sich veranlasst fühlte, ihm persönlich zu danken. Da kam vom Salzbeamten 
in Reichenhall der Bericht, nirgends im Salzburgischen seien die bayerischen 
Patente angeschlagen, dieselben seien nur bei den zuständigen Ämtern 
„insinuiert“ worden; auf seine Erkundigungen hin hatte man erklärt, „Salz¬ 
burg als ein getreuer Stand des Reiches werde der kaiserlichen Majestät und 
dem Kurfürsten ohnedies jederzeit beständig verbleiben, die Affixion der Patente 
aber habe man nicht für notwendig befunden“. Ferdinand Maria scheint 
sich auch damit begnügt zu haben, wenigstens verrät nichts in den Akten 98 ), 
dass er neuerdings auf die Anschlagung gedrungen habe, was ja doch aller 
Wahrscheinlichkeit nach ohne Erfolg geblieben wäre. 

Ganz ebenso wie Guidobald verhielt sich Hugo Eberhard von 
Worms. In Frankfurt vermutete man, Kurpfalz wäre bereit, demselben das 
strittige Stift Neuhausen anzubieten, wenn er die pfälzischen Patente acceptierte; 
doch tröstete sich die katholische Partei, „es sei bekannt, wie dieser Bischof 
so löblich pro religione catholica halte, und dass sich derselbe durch einige 
Vertröstungen und Versprechungen nicht werde inescirn lassen“ 99 ). In der 
That schrieb der Bischof an Ferdinand Maria ein tiefergebenes Gratu¬ 
lationsschreiben, in welchem er zugleich durchblicken liess, dass er von dem 
Vikariat desselben „Trost und Aufnehmen für sein hart bedrängtes Stift“ er¬ 
warte; aber auch er bat, dass es für diesmal ohne Affixion verbleiben möge, 
indem er auf die Gefahren hin wies, welche die unmittelbare Nachbarschaft des 
Pfälzers seinem Stifte drohe l0 °). 

Auch den Bischof von Speier suchte Karl Ludwig vergeblich durch 
Zugeständnisse zu Anerkennung seiner Vikariatswürde zu bestimmen 101 ). 

Zweimal kamen pfälzische Emissäre nach Speier: das erste Mal am 
19. April „ein welscher Minorit, oder wie sie auch sonsten genennt zu werden 
pflegen, Gaudent“ lüa ), dem der Bischof zuerst mit scharfen Worten zu ver¬ 
stehen gab, „es zieme sich für ihn sehr schlecht, zu Gunsten eines evangelischen 
Fürsten gegen einen katholischen Partei zu nehmen“, dem es aber doch 
Bayer. Forschungen VII, 3. 13 


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glückte, auch eine zweite Audienz zu erlangen, freilich ohne mehr als den 
mündlichen Bescheid zu erzielen, der Bischof wolle weder das Recht des einen 
noch des anderen der beiden Fürsten präjudizieren, er habe sich „nach seinem 
Metropolitano“ zu richten; eine schriftliche Resolution wurde ihm abgeschlagen 
mit der Bemerkung, wenn er mit dem erhaltenen Bescheid nicht zufrieden 
sei, werde ihm der Bischof denselben in Beisein einiger* seiner Canonici am 
Morgen des andern Tages wiederholen 103 ); am 25. April erschien „ein junger 
Adeliger aus dem Geschlechte derer von Friesen“; auf die Übersendung seines 
Kreditivs hin liess ihn der Fürst „in seiner sechsspännigen Leib - Carozza“ 
aus dem Wirtshaus abholen; doch händigte derselbe dem Bischof nur einige 
Patente ein, wegen Anschlagung derselben vermeldete er nichts; der Bischof 
antwortete mit Ausflüchten und Friesen selbst verzichtete auf ein Gegen - 
kredential, „wohlwissend, dass ihm der Vikariatstitel doch nicht bewilligt 
würde“ 104 ). Es ist wohl möglich, dass Karl Ludwig absichtlich auf eine 
Affigierung seiner Patente verzichtete, um dadurch den Bischof eher zur An¬ 
erkennung seines Rechtes zu bestimmen; und wenn ihm auch dieser Plan 
nicht glückte, die Genugthuung ward ihm doch, dass im Speierischen Gebiete 
auch die Patente seines Gegners nicht angeschlagen wurden: der Bischof liess 
Ferdinand Maria mitteilen, er habein seinem Archiv nachgeschlagen, aber 
nicht entdecken können, dass die Affigierung früher üblich gewesen sei 105 ). 

Unter diesen Umständen ist vielleicht der Zweifel berechtigt, ob in 
Freising wirklich nur ein Versehen die Affigierung verzögerte; in Worms und 
Speier war es ja doch gewiss nicht nur die Furcht vor der bedrohlichen Nähe 
des reizbaren Gegners, welche es dazu überhaupt nie kommen liess; in Freising 
wie in Worms und Speier 106 ) scheint man nach dem Vorbild der Metropolitane 
gehandelt zu haben; kam es ja doch den rheinischen Erzbischöfen ebenso¬ 
wenig wie dem Primas von Deutschland jemals in den Sinn, Vikariatspatente 
Ferdinand Marias in ihren Landen anschlagen zu lassen und dadurch 
eine wenn auch nur zeitweilige Überordnung des bayerischen Kurfürsten anzu¬ 
erkennen, eine Überordnung, die sie zweifellos mit ihrer Souveränität unver¬ 
einbar finden mochten. 

Nur im Bistum Eichstätt scheint man wirklich aus Ratlosigkeit gegen¬ 
über der Rechtsfrage mit der Affigierung gezögert zu haben. Als die pfälzi¬ 
schen Patente acht Tage nach den bayerischen einliefen, antwortete man mit 
dem Hinweis auf die von Kurbayern vor gebrachten Rechtsgründe, frug aber 
gleichw r ohl auch in München an, „ob man denn nun die Affixion in suspenso 
lassen solle“. Öxl beeilte sich daraufhin, dem Eichstättischen Kanzler 
Dr. Schüz zu schreiben, man nehme nicht au, dass die Anschlagung unter¬ 
lassen w r orden sei, fügte auch nochmals eine ausführliche Erläuterung der 
bayerischen Ansprüche und ihrer Gründe bei, die ihren Zweck nicht verfehlt 
haben dürfte 107 ). 

Unter den weltlichen Fürsten und Herren war die Spaltung 
gross: die westerwäldisehen Grafen nahmen die pfälzischen Patente an 108 ), die 
schwäbischen scheinen sich für Ferdinand Maria entschieden zu haben 109 ); 
auch die fränkische Ritterschaft zeigte guten Willen 110 ), die schwäbische 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 183 


dagegen scheint wiederholte Mahnungsschreiben bekommen zu haben 111 ); ein 
hübsches Bild der allgemeinen Verwirrung boten die Brüder Isenburg: Der 
ältere hatte die pfälzischen Patente publiziert, die drei jüngeren, welche ihm 
die Herrschaft streitig machten, suchte Bayern zu gewinnen, was auch ohne 
Zweifel gelungen sein dürfte 118 ). 

Von den Reichsfürsten lobte Karl Ludwig Baden-Durlach wegen 
„pura acceptio“ seiner Patente 118 ), auch Kulmbach und Ansbach rechnete er 
unter seine Anhänger 114 ). Letzteres hatte sich aber jedenfalls auch nur 
zögernd entschlossen, hatte man doch von Ansbach aus sich nach Eichstätt 
um Rat gewandt, da man Bedenken trage, für einen der beiden Prätendenten 
sich zu entscheiden 11B ). 

Überhaupt begegnen wir bei den weltlichen Fürsten des Reiches ge¬ 
ringerer Parteilichkeit wie bei den geistlichen, vielmehr dem Bestreben, das 
schon bei den Reichsstädten sich gezeigt hatte, keinem an seinem Rechte 
etwas zu „präjudizieren“, viel grösserer Ängstlichkeit, die Reichsverfassung zu 
verletzen; daneben freilich fehlt es auch bei ihnen nicht an Versuchen, der 
Affigierung sich zu entziehen. 

Gut lässt sich dies in dem Verhalten Herzog Eberhards von Württem¬ 
berg nachweisen. Anfangs scheint derselbe (aus konfessionellen Gründen?) 
auf Karl Ludwigs Seite sich geneigt zu haben 116 ), der durch eine eigene 
Gesandtschaft bei ihm zu wirken suchte. Später aber wurde er zweifelhaft: 
am 6./16. Mai schrieb er an Graf Kurz, bei diesem Werk „von nicht ge¬ 
ringer importanz“ habe jeder Fürst und Stand des Reiches Ursach, „hierin 
sorgfältig zu sein“; er müsse daher von einer offiziellen Beantwortung des 
bayerischen Notifikationsschreibens Abstand nehmen, ersuche aber den Grafen, 
den Kurfürsten „seiner guten confidenz“ zu versichern, nachdem auch der 
pfälzische Gesandte ohne Rekreditiv habe abziehen müssen, da er ein solches 
ohne den Vikariatstitel nicht habe annehmen wollen; was die Affigierung 
betreffe, so gehe aus den actis hervor, dass dieselbe weder 1612 noch 1619 
vollzogen worden sei 117 ). Es wird auch wohl ohne Erfolg geblieben sein, 
wenn Ferdinand Maria dem Herzog antworten liess, dass man in dem 
gegenwärtigen ausserordentlichen Falle auch mit einer ausserordentlichen 
Demonstration Vorgehen müsse 118 ). Übrigens war man in München schon 
sehr zufrieden, dass Württemberg und andere protestantische Stände Karl 
Ludwig wenigstens nicht unterstützten: dadurch hielt man eine Kriegs¬ 
gefahr für beseitigt 119 ). 

Bayern hatte, wenn es von evangelischen Ständen sprach, die auf seiner 
Seite stünden, jedenfalls die drei Landgrafen von Hessen im Auge 180 ). Gleich 
bei Ausbruch des Streites hatte Karl Ludwig den Peil nach Darmstadt 
geschickt 181 ); man sprach (und zwar nicht ohne Grund) sogar von einer 
Interposition, welche der Landgraf zwischen Heidelberg und Mainz vermitteln 
sollte. Peils Erfolge aber waren sehr gering: ausser leeren Abspeisungen 
hat derselbe, wenn wir Aid en h of en glauben.dürfen 188 ), nur „einen Rausch 
mitgebracht, dass er kaum wusste, wie er in die Kutsche kommen solle“. 
Auch vom Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel war man in Frankfurt 

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Karl Lory 


überzeugt, dass er Kurbayern „pro Vicario“ halte 128 ). Und nachdem Frei¬ 
herr von Groseck, der im Aufträge des Landgrafen Wilhelm nach Heidel¬ 
berg und Mainz ging, an letzterem Orte erfahren hatte, dass das Gerücht irrig 
sei, der Exkanzler des Reiches gebe keinem der beiden Kurfürsten das Prädikat 
Reichsvikar 124 ), nachdem Landgraf Georg von Darmstadt überdies noch von 
dem Kurfürsten von Sachsen eine ausführliche Widerlegung der pfälzischen 
Ansprüche zugegangen war 126 ), dürften in der That sämtliche Hessen sich 
für Bayern entschieden haben. Die Affigierung der Vikariatspatente scheint 
aber trotzdem nicht vorgenommen worden zu sein ,26 ). 

Nicht ohne tieferen Grund ist die vielleicht willkürlich erscheinende 
Nebeneinanderstellung der Reichsstädte, der geistlichen und weltlichen Stände 
gewählt worden: während die Reichsstädte wenigstens bereit waren, durch 
Anschlagung der Vikariatspatente ihre Unterordnung unter ein Institut der 
Reichs Verfassung zu erkennen zu geben, hielten die meisten und bedeutendsten 
geistlichen Fürsten es für überflüssig, diesen Akt der Pflichterfüllung gegen¬ 
über dem Reiche zu bethätigen; während sie aber doch noch (allerdings aus 
persönlichen Gründen) geschlossen für einen von den beiden Prätendenten 
eintraten, war unter den weltlichen Fürsten die Verwirrung vollends heillos. 
Freilich wäre es schwer zu sagen, wo die Unordnung grösser war; mit er¬ 
schreckender Unzweideutigkeit zeigte sich, dass bereits die kleinen und kleinsten 
Reichsstände zum Gehorsam gegen die Reichsverfassung sich nicht mehr 
verpflichtet fühlten. Nur der Bischof von Brixen hatte in seiner Er¬ 
widerung auf das bayerische Notifikationsschreiben erklärt, er werde gegebenen 
Falles den Rechtsschutz des Vikariatsgerichtes in Anspruch nehmen. Der¬ 
artige Bezeigungen guten Willens aber sind spärlichen Lichtpunkten gleich, 
welche die Schatten des Bildes nur um so schwärzer hervortreten lassen: 
nirgends Sicherheit gegenüber der Rechtsfrage, nirgends der Wille, seine 
persönlichen Vorteile der Verfassung zum Opfer zu bringen — das ist im 
allgemeinen das Verhalten des Reiches gegenüber dem Vikariatsstreit. 

d) Die Kurfürsten und das Ausland. 

Alle bis jetzt erwähnten Reichsstände werden uns im weiteren Verlaufe 
des Vikariatsstreites so gut wie nicht mehr begegnen: wie bei einem Stein¬ 
wurf in einen Teich zog derselbe im Reiche für einen Augenblick seine Kreise, 
bald, sehr bald aber schon glättete sich die Fläche wieder und, weit entfernt, 
den bayerisch-pfälzischen Konflikt als eine Angelegenheit des gesamten Reiches 
zu betrachten, war man froh, wenn man möglichst wenig damit zu thun hatte; 
das Reich liebte es nicht, in einen Streit, der möglicherweise die weittragendsten 
und ernstesten Folgen haben konnte, sich zu mischen, um eventuell einen 
schreienden Rechtsbruch zu verhindern, einen ohnehin schon schwer getroffenen 
Stand des Reiches nicht noch tiefer kränken zu lassen 127 ). Ferdinand 
Maria hatte auf keinen Widerstand zu rechnen, solange er nicht zum 
Äussersten schritt. „Sonsten finde ich gar wenig Freunde von Churpfalz“, 
schrieb Heiland am 24. April au Dr. Öxl, „ich vernehme auch nirgends, 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 185 


dass man die churbayerischen Werbungen übel deuten wolle, wenn die Arma 
nur in terminis terminantibus bleiben, und nicht etwa zu gänzlichem ruin 
und supprimirung des Herrn Churfürsten Pfalzgrafen missbraucht werden; 
denn solchen Falls verhoffe ich wohl, er werde nicht zwar ex amore ad causam 
eiusqüe justitiam, sondern mehr ex commiseratione, auch wohl ex invidia 
Freunde bekommen, die sonst still sein würden“ 128 ). 

Die Frage des Rechts kam im Grossen und Ganzen wenigstens über¬ 
haupt nicht in betracht; Ferdin and Maria war Sieger, sobald er in politischer 
Hinsicht glücklich war, und dazu bestand alle Aussicht. 

Die Entscheidung aber lag in dem Verhalten der Kurfürsten und des 
Auslandes. — 

Bei sämtlichen geistlichen Kurfürsten wiederholt sich das gleiche 
Schauspiel: Ferdinand Maria w r urde von ihnen anerkannt, und die Abge¬ 
sandten des Pfalzgrafen mussten mit leeren Händen abziehen. 

Nach Aschaffenburg kam Freiherr von der Li pp, genannt Hun. 
In seiner Audienz am 19. April erklärte er, man erwarte in Heidelberg, der 
Erzkanzler werde dem Herkommen entsprechend die pfälzischen Patente 
affigieren lassen; dafür erbiete sich der Pfalzgraf, während des Vikariats nichts 
ohne den Kurfürsten vorzunehmen, ja, wenn es gewünscht w T erde, jemand von 
Mainz bei sich in Heidelberg zu haben, um in allen Rechtssachen mit ihm 
und in seinem Beisein zu verhandeln. Aber man erwiderte ihm, es sei bereits 
vor zwei Tagen ein bayerischer Gesandter dagew r esen, man habe sich der 
pfälzischen Zumutung keineswegs versehen, vielmehr das Vikariat für eine 
im Friedensschluss ausgemachte Sache halten müssen, und verwundere sich, 
dass es nun noch Streit geben solle; das instrumentum pacis sei einmal da, 
und sei Kurbayem der Meinung, sibi deberi vicariatum tamquam annexum 
electoratus quarti, dieweil dieser cum omnibus pertinentiis im Frieden ihm 
gegeben sei. Und da Hun unter Hinweis auf die goldene Bulle das Vikariat 
als Anhang der Pfalzgrafen würde erklärte, wurde ihm „discursweis“ bedeutet, 
die goldene Bulle handle überhaupt nur von den geistlichen und weltlichen 
Fürsten „quatenus de numero electorum erant; und also sei auch des Pfalz¬ 
grafen, sub ratione terrae Palatinae, darin Meldung vorhanden, nämlich qua 
est elector, et in specie, quoad officium, archidapifer“. Man sieht, wie gut 
die Mainzische Diplomatie die bayerische Lektion eingelernt hatte. Dass Pfalz¬ 
grafen Reichsvikare waren, bevor sie oder wenn sie nicht zugleich Kurfürsten 
gewesen, wurde einfach bestritten; übrigens, wmrde Hun bedeutet, wäre es 
noch in Regensburg Zeit gewesen, vom Vikariat zu reden, vor allem aber 
hätte sich der Pfalzgraf in Münster desselben „vel protestando vel aliter“ 
reservieren sollen. 

Dies scheint gewiss unzweideutig gesprochen; aber man würde irren, 
wollte man glauben, Mainz hätte sich nicht für alle Fälle ein Hinterthürchen 
offen gelassen: die anderen Kurfürsten, erklärte man zuletzt, würden sich 
jedenfalls auch vernehmen lassen; würden diese das Friedensinstrument zu 
gunsten der Pfalz interpretieren, „so wollten sich Ihre Churfstl. Gnaden auch 
nicht davon separieren“. 


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Karl Lory 


Hun hat darauf „nichts Sonderliches mehr repliziert“, er vermeldete 
nur noch, sein Herr werde sich des Vikariats unter allen Umständen an¬ 
nehmen, er wolle hoffen, man werde ihm nichts präjudizieren. 

Am andern Tage erschien Hun nochmals, „um seine Abfertigung von 
Ihr. Churfstl. Gn. in dero Gemach Selbsten zu bekommen“ 129 ). Das Rekreditiv, 
welches den Vikariatstitel nicht enthielt, wollte er nicht annehmen und legte 
es wieder auf den Tisch. Ebenso wurden ihm die Vikariatspatente, die er 
Tags zuvor dahin gelegt hatte, zwei oder dreimal zugestellt, aber auch sie 
legte er stets wieder an ihren Platz zurück. Der Kurfürst rief daraufhin 
Boineburg zum Zeugen an, dass er sie zwar hier liegen lasse, aber niemals 
aufmache, es auch vor allem nicht „pro insinuato“ halten wolle. „Sie könntens 
Bayern nicht nehmen, Instrumentum pacis sei vor ihm“ 180 ). 

So reiste denn Hun buchstäblich mit leeren Händen wieder ab, und 
Öxl sandte ihm die spöttische Bemerkung nach, er habe in Aschaffenburg 
„wohl auch keine ova excludiret“. — 

Ganz ähnlich erging es Dr. Schreiber bei Maximilian Heinrich 
von Köln und einem dritten pfälzischen Gesandten bei Karl Kaspar von 
Trier: beide wurden mit leeren Höflichkeiten abgespeist, beide gaben das 
Rekredential zurück, weil dasselbe den Vikariatstitel nicht enthielt, und bei 
beiden nahm man daraus Veranlassung, ihnen auch die pfälzischen Patente 
wieder zustellen zu lassen 181 ). Karl Kaspar beeilte sich, Ferdinand 
Maria zu schreiben, er trage kein Bedenken, ihn als Reichsvikar anzuerkennen, 
Kurpfalz habe im Friedensschluss die achte Kurwürde „ohne einiges anhängiges 
regal“ bekommen 182 ); Maximilian Heinrich stand nicht an, Ferdinand 
Marias Bitte zu erfüllen 188 ) und Dr. Aldenhofen anzuweisen, alles Vor¬ 
gefallene von Frankfurt nach München zu berichten l84 ). 

Es dauerte ja nicht lange mehr, und man war in Mainz, Köln und 
Trier bereit, dem Kurfürsten von Bayern sogar die Kaiserkrone aufs Haupt 
zu setzen ,8B ). — 

Der schwerste Schlag aber, der Karl Ludwig treffen konnte, war, 
dass auch Kurfürst Johann Georg von Sachsen sich gegen ihn erklärte, 
doppelt schwer, weil derselbe als das Haupt der evangelischen Partei im Reiche 
galt 186 ), und demselben das zweite Reichsvikariat in den Landen des sächsischen 
Rechtes zustand. 

Der Pfalzgraf, wohl wissend, was auf dem Spiele stand, versuchte auf 
die verschiedenste Weise auf Johann Georg einzuwirken: nicht nur, dass 
er Dr. Peil nach Dresden abordnete, auch durch den schwedischen Residenten 
am kursächsischen Hofe liess er seine Sache vertreten 137 ), er scheint über¬ 
haupt jede Art von Einfluss, die er dort besass, benützt zu haben, um den 
Kurfürsten sich günstig zu stimmen ,88 ) — alles umsonst: diejenigen, die sich 
für Karl Ludwig verwandten, erhielten leere Abfertigungen, der Kurfürst 
hoffe, die Sache werde bald und friedlich bei gelegt werden, er könne nichts 
mehr machen, nachdem die Angelegenheit nicht mehr „res integra“ sei 189 ); 
am 28. April (8. Mai) schrieb der Kurfürst, wie bereits kurz erwähnt, an 
Landgraf Georg von Hessen, es sei ja reichskundig, was es mit dem pfälzischen 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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Hause vor dreissig und mehr Jahren für eine Bewandtnis gehabt habe, Stück 
für Stück die von Kurpfalz geltend gemachten Rechtsgründe ausführlich 
widerlegend 14 ®); und zw r ei Tage darauf erging an Karl Ludwig selbst jener 
sehr bald durchs ganze Reich verbreitete Brief, in welchem derselbe in nicht 
misszuverstehender Weise der Auflehnung gegen die klaren Bestimmungen 
des Friedensinstrumentes bezichtigt wurde, wodurch er einen Weg beschritten 
habe, auf dem ihm das allzeit reichs- und kaisertreue Sachsen nicht folgen 
könne 141 ). 

Mit dem Bekanntwerden dieses Schreibens war die Niederlage Karl 
Ludwigs auch in den Kreisen der protestantischen Reichsstände so gut wie 
entschieden. Sachsen selbst war nur einer längst geübten Politik treu ge¬ 
blieben, wenn der Hass gegen den Reformierten stärker gewesen als die Ab¬ 
neigung gegen den Katholiken. — 

Auch König Leopold von Böhmen (und mit ihm das ganze Habs¬ 
burgische Haus) hatte keinen Grund, Ferdinand Maria die Anerkennung 
zu versagen; befürchtete man doch in Prag und Wien längst vor Bekannt¬ 
werden von Mazarins Plan, dem bayerischen Kurfürsten die Kaiserkrone zu¬ 
zubringen, ja schon lange bevor die französischen Emissäre anfingen, bei den 
rheinischen Erzbischöfen dafür den Boden zu ebnen, in München könne man 
sich mit der Absicht tragen, dem Hause Habsburg die Krone streitig zu 
machen, wie man anderseits überzeugt war, wenn Bayern Leopold seine 
Stimme gebe, würden alle anderen Kurfürsten von selbst demselben zufallen l48 ). 
Wie gering die Aussichten für Karl Ludwig auch hier waren, erfuhr 
Dr. Lingelsheim, dessen Mission durch den Tod des Kaisers hinfällig ge¬ 
worden war, der aber vor seiner Abreise von Wien dort die Vikariatsange¬ 
legenheit betreiben sollte. Graf Auersperg versprach, Pfalz bei allen Ge¬ 
legenheiten zu dienen, des Vikariats aber gedachte er mit keinem Worte. Der 
Reichs Vizekanzler Graf Kurz meinte, er hätte geglaubt, was das Vikariat 
betreffe, wäre solches zu Münster, Osnabrück und Prag ausgemacht und auf 
Kurbayern transferiert worden; nachdem sich aber Kurpfalz desselben unter¬ 
zogen, werde das grosse „confusiones“ im Reiche verursachen; er freilich 
hielte dafür, die Herren Kurfürsten sollten sich darüber vergleichen. Reichs¬ 
hofratspräsident Fürst Öttingen erklärte, durch den Todesfall des Kaisers 
sei seine bisherige Charge erloschen, obw r ohl dieselbe überhaupt mit dieser 
Sache nichts zu thun hätte; er könne also nicht einsehen, warum Kurpfalz 
ihm solches kommunizieren Hesse; Lingelsheim erwiderte, es geschehe, damit 
er eine kurze Information aus der Sache habe, präsentierte auch zugleich ein 
gedrucktes Patent, welches der Fürst aber nicht annehmen wollte, indem er 
erklärte, es sei nicht nötig. Auch Reichshofrat und Vizepräsident Graf Not- 
hafft befürchtete „grosse difficulteten und confusiones“, zudem Kurbayern 
sein Recht mit gewappneter Hand behaupten werde; und, fügte er lachend 
hinzu, Kurbayern werde es wohl etliche Millionen mit Werbung und Unter¬ 
haltung der Völker kosten, hingegen werde es Kurpfalz mit Papier verfechten; 
er gab zu verstehen, dass er nichts mehr wünsche, als Kurpfalz zu dienen — 
der einzige, der sich dazu herbeiliess ,48 ). Und was von solchen Versprechungen 


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Karl Lory 


zu hoffen war, auch wenn dieselben als aufrichtig gemeint gelten konnten, 
erfuhr Lingelsheim nirgends drastischer als bei Reichshofrat Boss: derselbe 
gratulierte dem Pfalzgrafen, bat unter vielen feinen Sprüchen, seine Person 
bestens zu rekommandieren, erklärte aber doch gleich, dass er anstehen müsse, 
wie er sich zu verhalten habe, „im Falle von Kur-Bayern und Kur-Sachsen 
als angemassten (!) Vicariis imperii des Reichshofrats jurisdiction prorogirt 
und in den sessionibus fortzufahren anbefohlen werden sollte“; „das beste 
Mittel, niemand zu offendieren, würde sein, sich zu absentieren“ 144 ). 

Auf die Erfahrungen Lingelsheims hin dürfte man sich demnach 
in Heidelberg kaum besondere Hoffnungen gemacht haben; dieselben wären 
auch in der That völlig eitel gewesen — am 6. Juni konnte Ferdinand 
Maria, der es klug vermieden hatte, Habsburgs Ansprüche auf Exemption 
von der Machtvollkommenheit des Reichsvikars zu verletzen 146 ), Dr. Öxl 
nach Frankfurt berichten, dass vom König von Ungarn und Böhmen (wie 
auch von Erzherzog Leopold Wilhelm) der Vikarstitel „gebührendt“ erteilt 
werde 146 ). — 

Friedrich Wilhelm von Brandenburg war der einzige von 
sämtlichen Kurfürsten, der es verschmähte, Partei für einen der beiden Kon¬ 
kurrenten zu ergreifen. Auf das bayerische Notifikationsschreiben hin ant¬ 
wortete er unterm 17./27. April, er vernehme nur ungern, dass bei den gegen¬ 
wärtigen ohnedies irrigen Zeiten zwischen zwei Kurfürsten und vornehme 
Stände des heiligen röm. Reiches einiges Misstrauen erwachse und die Sache 
sich zu Weitläufigkeit und contradiction anschicken wolle; er werde an seinem 
Orte willig und gern alles thun, was nur immer zu gütlicher Vergleichung 
und Hebung dieses Werkes dienen möchte 147 ). Im Mai kam sodann Port¬ 
mann im Aufträge des Kurfürsten, welcher eine Verlängerung des Wahltermins 
wünschte, nach Heidelberg und nun wurde es vollends klar, dass Branden¬ 
burg nicht vorhatte, in den Vikariatsstreit sich einzumischen. Da in seinem 
Kreditiv der Vikariatstitel nicht enthalten war, konnte er eine Audienz nur 
durch Abgabe der schriftlichen Erklärung erlangen, bei Abgang seiner Kreditive 
sei das pfälzische Notifikationsschreiben noch nicht eingelangt gewesen; Karl 
Ludwig benützte die Gelegenheit, um sich über Kurbayerns gewaltthätiges 
Vorgehen auf grund seines angemassten Vikariatsrechtes zu beklagen — Port- 
mann hat sich aber zweifelsohne in dieser Hinsicht auf nichts eingelassen 148 ). 

Auch in München war die bevorstehende Ankunft eines branden- 
burgisclien Gesandten angezeigt worden, ohne dass das betreffende Schreiben 
den Vikarstitel enthalten hätte. Ferdinand Maria tröstete sich mit dem 
Gedanken, dass dasselbe vor Eintreffen der Vikariatspatente abgesandt sein 
könnte, war aber auf jeden Fall entschlossen, den Gesandten nicht vorzulassen, 
weun auch in seinem Kreditiv der fragliche Titel fehle 149 ). Dr. Öxl war 
anfangs der Meinung, es werde dem Gesandten die Audienz nicht zu ver¬ 
weigern sein, auch wenn der Titel fehle 160 ); da verbreitete sich in Frankfurt 
das Gerücht, auf der Post sei ein brandenburgisches Schreiben an Kurpfalz 
mit dem Vikarstitel gesehen worden, Öxl war voreilig genug, sofort nach 
München zu berichten, Friedrich Wilhelm gebe dem Pfalzgrafen das so 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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heiss umstrittene Prädikat, sein Brief mochte vielleicht gerade gleichzeitig mit 
Canstein in München eintreffen 151 ), jedenfalls war es zu spät, als Öxl 
zwei Tage später aufs neue schrieb, nachdem ihm Portmann versichert hatte, 
sein Herr habe vor, völlig freie Hand zu behalten 162 ) — Canstein war 
trotz aller Bemühungen und Beteuerungen resultatlos und schwer gekränkt 
von München abgereist, nachdem ihm nicht einmal eine Privataudienz be¬ 
willigt worden war 168 ); Ferdinand Maria hatte die Anwesenheit Can¬ 
steins in Heidelberg, die seinem Eintreffen in München vorausgegangen 
war, in Zusammenhalt mit Öxls Alarmnachricht für einen Beweis von der 
Richtigkeit der letzteren betrachtet und dementsprechend gehandelt 164 ). 

Eine Änderung in Friedrich Wilhelms neutraler Haltung gegen¬ 
über dem Vikariatsstreit konnte auch Cansteins verunglückte Mission nicht 
herbeiführen. — 

Karl Ludwig war also so gut wie von allen Seiten verlassen und 
preisgegeben. Er machte sich auch kein Hehl daraus, dass er vom Kur¬ 
fürstenkollegium nichts zu erwarten habe, indem „Chur-Maintz völlig die 
glanzendte Chur-Bayerische Waffen ansehe, Chur-Trier seine consilia fast 
täglich ändere, Chur-Köln zu Bayern der engste Vetter, Sachsen sich ziemlich 
bayrisch bezeiget, Chur-Brandenburg in anderweg okkupieret“ 15ß ); am schmerz¬ 
lichsten aber hat er vielleicht nicht die Haltung der Kurfürsten, sondern jene 
seiner evangelischen Nachbarstände empfunden 166 ). Auf jeden Fall aber hatte 
den leicht erregbaren Fürsten, der eben damals auch in seinem Familienleben 
tief unglücklich war, der Vikariatsstreit so heftig angegriffen, dass der schon 
erwähnte Dallenberg ihn kaum mehr erkannte ,57 ). Fast vom ganzen Reiche 
war er ohne Hilfe gelassen, sodass seine Lage wenigstens bis zu einem 
gewissen Grade an jene des grossen Kurfürsten vor dem Frieden von St. Ger- 
main erinnert — war es ein Wunder, wenn er nach dem gleichen Ausweg 
suchte, den auch Friedrich Wilhelm damals einschlug, wenn er sein 
Recht, das ihm vom Reiche verweigert wurde, vom Auslande erhoffte und 
erstrebte ? 

Karl Ludwig rechnete mit Bestimmtheit auf die Unterstützung der 
Kronen Frankreich und Schweden. Dass er sich an den schwedischen Ge¬ 
sandten am sächsischen Hofe wandte, haben wir bereits gesehen. D allen- 
berg gegenüber sprach er sich ganz offen aus, er sei gezwungen, seine Zu¬ 
flucht zu den Friedensgaranten zu nehmen 168 ). Aber Frankreich, welches die 
Erhebung seines Gegners zum römischen Könige betrieb, kam überhaupt nicht 
in betracht, wenn es sich um ein Vorgehen gegen Ferdinand Maria ge¬ 
handelt haben würde, und die Intervention Schwedens zu gunsten des Pfalz¬ 
grafen beschränkte sich, wie wir später sehen werden, auf eine wenig be¬ 
deutende Kundgebung des pommerischen Gesandten Snoilsky in Frankfurt 162 ). 

Ferdinand Maria hatte natürlich auch nicht versäumt, die Über¬ 
nahme des Reichsvikariats dem Ausland anzuzeigen. An den Papst, an 
Spanien, Frankreich, England, Dänemark, Schweden und Polen wurde ge¬ 
schrieben; dabei suchte mau überall vorsichtig zu vermeiden, was des einen 
oder anderen Ortes irgendwie Anstoss hätte erregen können: in dem Schreiben 


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Karl Lory 


an Spanien z. B. suchte man nach Ausdrücken des tiefsten Schmerzes über 
den Hingang des Habsburgers; in jenem an Frankreich dagegen zeigte sich 
keine Spur von einer Trauer, für welche man in Versailles jedenfalls kein 
Verständnis voraussetzte. Besondere Schwierigkeiten mochte das Notifikation - 
schreiben an den Papst verursachen; gründeten sich doch die bayerischen 
Ansprüche hauptsächlich auf jenes Friedensinstrument, das vom Papste nicht 
nur nicht anerkannt, gegen das vom hl. Stuhle sogar Protest eingelegt worden 
war. Man muss der kurfürstlichen Kanzlei aber zugestehen, dass sie sich 
mit vielem Anstand aus der Schlinge zu ziehen wusste: das Vikariat, schrieb 
man nach Rom, ein Annex des kurfürstlichen Truchsessenamtes, sei vom 
Kaiser dem Vater des Kurfürsten und der ganzen Ludwigschen Linie recht¬ 
mässig zuerkannt worden; da das Friedensinstrument doch nicht ganz zu 
umgehen war, nahm man wenigstens Veranlassung, die unsterblichen Verdienste 
des damaligen Nuntius, jetzigen Papstes Al ex an der s VII., in Münster und 
Osnabrück rühmend zu erwähnen, und sorgte dafür, dass das ganze Schreiben 
genau so klang, als sei der Kurfürst vollständig überzeugt, Kurhut und 
Reichsvikariat in erster Linie dem hl. Stuhle zu verdanken. Das Notifikations- 
sclireiben an den Papst kreuzte sich übrigens mit einem Briefe Alexanders VII., 
in welchem der Kurfürst in Anbetracht des Todes des Kaisers zur Sorge für 
Reich und Kirche ermahnt wurde. Der Kurfürst antwortete darauf in ziemlich 
allgemeinen Wendungen, während ein weiteres Schreiben der Kurie auch des 
Reichsvikariats keine Erwähnung that — so schlau man eben in München 
zu Werke gegangen war, eines scheint man hier nicht gewusst zu haben: 
dass der hl. Stuhl seit Alters her sede imperii vacante das Vikariat im Reiche 
für sich selbst in Anspruch nahm 160 ). Auch an die kleineren italienischen 
Staaten wurde geschrieben, an Toskana, Modena, Parma, Mirandola, dagegen 
nicht, wie es scheint, an Mantua 161 ). Im Laufe des Mai trafen von allen 
diesen mehr oder weniger förmliche und schwülstige Gratulationen ein, Mantua 
zeigte sein Vikariat au 162 ), nur Venedig liess auf sich warten 168 ), an welches 
ebenso wie au die Schweiz und die Generalstaaten ebenfalls Notifikations¬ 
schreiben abgegangen waren. Die letzteren erwiderten, sie wollten mit dem 
Reich und allen seinen Fürsten gute Freundschaft halten. Von den grösseren 
Staaten dürften nur Polen, und dieses ziemlich allgemein, Dänemark und 
Spanien geantwortet haben 164 ). 

Den Hinweis auf die spanisch - habsburgische Bundesgenossenschaft 
konnte man nun freilich in München vorerst der Drohung mit einer schwedisch¬ 
französischen Allianz nicht entgegensetzen, solange man sich über die Stellung, 
die mau in der Wahlfrage ein nehmen wollte, nicht klar geworden war. Ernst¬ 
lich freilich scheint man auch durch die umlaufenden Gerüchte 165 ) nicht be¬ 
ängstigt worden zu sein 166 ); vor allem aber ging die bayerische Politik dahin, 
innerhalb der durch den Friedensschluss gezogenen Grenzen zu bleiben und 
es dadurch von vorneherein unmöglich zu machen, dass Frankreich noch 
sonst eine Macht, und wäre es auch eine habsburgische, sich beschweren 
konnte 167 ). Innerhalb des Reiches aber hoffte man um so leichter alle 
Schwierigkeiten überwinden zu können, als zu allen übrigen Erfolgen sehr 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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bald noch ein weiterer sich gesellte, der Ferdinand Maria vollends den 
Besitz des schon zur Hälfte errungenen Vikariats zu sichern versprach — 
der Abschluss einer förmlichen Allianz mit dem Erzkanzler des Reiches. 

e) Die bayerisch-mainzische Allianz. 

% 

Zweifellos mit gutem Bescheid, wenn wir denselben auch nicht näher 
kennen, war Dr. Öxl nach seinem Besuche beim Erzkanzler des Reiches in 
München eingetroffen, und Ferdinand Maria beeilte sich, Johann Philipp 
für seine Bereitwilligkeit, Bayerns Sache zu unterstützen, bestens zu danken l68 ). 
Er erhielt die Antwort, der Erzbischof habe bereits beim Kammergericht im 
Interesse Bayerns die entsprechenden Schritte gethan, sich auch geweigert, 
dem Pfalzgrafen den Vikarstitel zu geben, „aller remonstration und beschehener 
vielfältiger Offerten ungeachtet“ 169 ). Inzwischen war überdies schon längst 
als Mainzischer Abgeordneter B 1 u m in München ein getroffen 17 °), weicherden 
Auftrag hatte, einer „Partikular-Allianz“ zwischen Bayern und Mainz den 
Boden zu ebnen: nachdem die unverhoffte „Reichsvakatur“ und insbesondere 
der Vikariatsstreit „leicht ein und andern motus“ besorgen lasse, erscheine 
dem Erzkanzler „zu mehrerer Befestigung des guten Vertrauens sowie 
zu Handhabung des Friedens und der Ruhe im Reiche“ eine auf das 
Friedensinstrument fundierte Partikularallianz zu gegenseitiger Unterstützung 
wünschenswert 171 ). 

Mit Blum waren die Hoffnungen aller Gegner des Pfalzgrafen auch 
in Speier, Worms und Frankfurt 172 ). Jetzt zeigte es sich, dass die Partei¬ 
nahme für Ferdinand Marias Reichsvikariat in Mainz und den erwähnten 
Orten nicht der Überzeugung von dessen Rechte entsprang, auch nicht einmal 
in erster Linie konfessionellen Gründen, sondern vor allem sehr materiellen 
Erwägungen und Hoffnungen: aufs neue war der Streit wegen der Wildfänge 
und der Rheinzölle entbrannt 178 ), und während die kleineren Fürsten, des 
Pfalzgrafen gewaltthätiges Temperament fürchtend, von Bayerns „glanzendteu 
Waffen“ Schutz und Hilfe sich erwarteten, mochte in Johann Philipp 
sogar der geheime Gedanke wohnen, der Bundesgenossenschaft Bayerns sich 
zu bedienen, um den auch von ihm für gefährlich gehaltenen Pfälzer wenn 
möglich unschädlich zu machen; auf jeden Fall steht fest, dass Johann 
Philipp ernstliche Verwickelungen befürchtete, und die Lage in dem Masse, da 
die Verhandlungen mit Bayern fortschritten, ernster und gefahrdrohender wurde. 

Der Bescheid, den Blum am ersten Mai erhielt, war überaus entgegen¬ 
kommend : der Kurfürst verlange selbst nichts Anderes, als mit dem Erzbischof 
„zu desto mehrerer Versicherung der beiderseitigen Rechte und Befugnisse“ 
eine Allianz zu schliessen; als Bedingung schlug Bayern gegenseitige Unter¬ 
stützung und Verteidigung vor, namentlich für den Fall, dass Karl Ludwig 
den Erzbischof des Vikariats wegen angreifen sollte, sowie gleichmässige Ver¬ 
teilung der beiderseitigen Kontingente (1000 Manu zu Fuss und 200 Reiter 174 ), 
— die Dauer der projektierten Allianz wurde dem Gutdünken des Erzkanzlers 
anheimgestellt 176 ). In Mainz war man mit Blums Erfolgen sehr zufrieden. 


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Karl Lory 


Am 6. Mai verliess derselbe München, und schon am n. berichtete er, man 
sei in Mainz sehr erfreut über den glücklichen Anfang, man erwarte die 
baldige Ankunft Öxls, um den Vertrag definitiv abzuschliessen l7B ). Ob 
man freilich auch in München so sehr befriedigt war, ist eine andere Frage; 
jedenfalls aber war man hier geneigt, in nebensächlichen Dingen sich nach¬ 
giebig zu zeigen, um nicht das Ganze zu gefährden ,77 ), und am 14. Mai trat 
Öxl seine Reise an 178 ). 

Am 19. (Pfingstsamstag) hatte er bereits wiederholte stundenlange 
Unterredungen mit dem Kurfürsten. Am Pfingstmontag wurde der Allianz¬ 
rezess zu Papier gebracht, am 23. erhielt Öxl denselben mit den vom Bischof 
vorgenommeneu Korrekturen ,79 ) zurück. Es bestand nur noch eine Schwierig¬ 
keit: Johann Philipp verlangte Erhöhung des bayerischen Kontingents, 
Öxl aber hatte für diesen Fall keine Instruktion. 

Verschiedene Umstände wirkten zusammen, um dem Erzkanzler die 
Lage als bedrohlich erscheinen zu lassen. Am 23. Mai war Freiherr von Hun 
bei ihm gewesen, hatte aber nichts erreichen können und unter Drohungen 
Mainz wieder verlassen. Freitag den 25. Morgens 3 Uhr kam der Mainzische 
Landrentmeister ins Schloss und brachte die Nachricht, die Vermittlungsver¬ 
suche Georgs von Hessen zwischen dem Erzkanzler und Karl Ludwig 
hätten sich nun vollends zerschlagen; das Gerücht war verbreitet, Kurpfalz 
ziehe bereits seine Völker zusammen, und Johann Philipp gab Befehl, die 
bedrohten Punkte sofort zu besetzen. 

Öxl hatte am 23. nach Huns Entlassung abermals eine Audienz; 
der Kurfürst führte ihn zu den Festungswerken, die er anlegen liess, und 
erzählte ihm dabei von Huns Anbringen. Als aber Öxl einen endgiltigen 
Bescheid erbat, erklärte er, er habe es nicht gerne, wenn derselbe gleich am 
andern Morgen wieder fortwolle, weil Donnerstag abend die Extraordinari- 
Post einlaufe und Neuigkeiten zu erwarten sein dürften. Ohne Zweifel hatte 
der Erzbischof schon Kunde von dem negativen Resultat des hessischen Ver¬ 
mittlungsversuches. Am Donnerstag wurde Öxl im Jesuitenkolleg und in 
der Akademie herumgeführt, mittags speiste er bei dem Kurfürsten, welcher 
ihm auftrug, noch bis abend zu verbleiben; da die „Extraordinari“ nichts 
brachte, sollte er am nächsten Tage abgefertigt werden. Als er um 8 Uhr 
erschien und um seine Entlassung bat, wurde er auf Mittag vertröstet, und 
erst abends konnte er nach einer nochmaligen längeren Audienz nach Frank¬ 
furt aufbrechen. Der Kurfürst hatte alles aufgeboten, Bayern die Erhöhung 
des Kontingents plausibel zu machen: die bayerischen Lande würden das 
Erzstift Mainz und Würzburg leicht aufwiegen, das Herzogtum Franken be¬ 
stehe „in nudo titulo absque vitulo“; der Kurfürst von Bayern habe vom 
weissen Bier allein mehr Einnahmen als mancher andere Stand vom Wein 
und dergl. Oft war er verstimmt und, wie es Öxl erschien, sogar betrübt 
gewesen, sodass dieser selbst den Vorschlag machte, in die geforderte Er¬ 
höhung zu willigen, um nicht das ganze Werk zu gefährden 180 ). 

Und Ferdinand Maria war bereit: am 26. hätte er bereits an Öxl 
geschrieben, er sei damit einverstanden, das Simplum auf 1200 Mann zu Fuss 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


und 400 zu Pferd zu erhöhen l8i ), und auf dieser Grundlage wurde dann auch 
der Vertrag, vom 1. Juni 1657 datiert, abgeschlossen: die Allianz sollte sich 
auf Mainz, Würzburg und Franken, sowie auf sämtliche bayerische Lande 
erstrecken, als Fundament derselben galt das instrumentum pacis; Mainz ver¬ 
pflichtete sich im Ernstfälle zur Stellung von 1000 Mann zu Fuss und 200 
zu Pferd, Bayern von 1200 bez. 400 Mann pro simplo; ausführliche Be¬ 
stimmungen waren über Oberbefehl und Verpflegung der Truppen getroffen, 
der Vertrag sollte vorläufig auf ein Jahr geschlossen sein und vollständig 
geheim gehalten werden 188 ). — 

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Johann Philipp damals, als er 
Öxl nicht aus Mainz lassen wollte, ohne wegen Erhöhung des bayerischen 
Kontingents eine bindende Zusage zu erhalten, daran dachte, den Konflikt 
wegen der Rheinzölle mit Gewalt zum Austrag zu bringen. Jedenfalls aber 
kam er von dem Gedanken wieder ab, wahrscheinlich weil er erwartete, 
Ferdinand Maria werde etwas in der Sache thun. Er hatte schon seit 
langem für die Anerkennung des bayerischen Vikariats beim Reichskammer- 
gericht unermüdlich gewirkt und fuhr fort, stets das Gleiche zu thun; er 
gestattete bayerische Werbungen in seinen Territorien 183 ), er willigte in die 
Affigierung der bayerischen Patente wenigstens in Würzburg und Aschaffen- 
bürg 184 ), obwohl kein anderer von den Erzbischöfen des Reiches 186 ), auch 
Worms und Speier nicht einmal in dieselbe willigten — und Ferdinand 
Maria? Er verjagte kraft seiner Machtvollkommenheit als Reichsvikar die 
pfälzischen Truppen aus Weiden und Parkstein, aber er vermied es, in der 
gleichen Eigenschaft wenigstens einen dem Erzbischof günstigen Schiedsspruch 
zu thun, indem er, wie es scheint, die Aufmunterung zu ersterem Schritte 
von Johann Philipps Seite nicht als das erkannte, was dieselbe ohne 
Zweifel sein wollte, eine indirekte Aufforderung, auch der rheinischen Zoll¬ 
frage als Reichsvikar sich anzunehmen. Ferdinand Maria mochte es von 
seinem Standpunkte aus immerhin als selbstverständlich betrachten, dass 
Johann Philipp in der Weise, wie es von demselben geschah, das bayerische 
Reichsvikariat beim Kammergericht förderte; er mochte darin nichts mehr 
sehen als eine blosse Pflichterfüllung des Erzkanzlers des Reiches — er ver- 
gass dabei, dass die Zeiten der Pflichterfüllung gegenüber der alten Reichs¬ 
verfassung vorbei waren, dass sein Anspruch auf das Reichsvikariat selbst 
kaum vor dem Richterstuhle strengster Unparteilichkeit bestehen konnte; er 
vergass, Johann Philipp die Gegendienste zu erweisen, die derselbe zweifel¬ 
los erwartete, er vergass, dass dies notwendigerweise trotz des Vertrages zu 
einer Erkältung des gegenseitigen guten Einvernehmens führen müsse. Und 
indem jener Vertrag vom 1. Juni 1657 in Johann Philipp Erwartungen 
erregen musste, um deren Erfüllung er sich am Ende betrogen sah, ist er 
gleichsam schon das erste Anzeichen eines nahenden Umschwungs, welcher 
dem bisherigen raschen Siegeslauf Ferdinand Marias eine unerwartete 
Wendung zu gunsten Karl Ludwigs folgen liess. 


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Karl Lory 


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f) Der Vikariatsstreit auf dem Frankfurter Depu tationstag. 

Die Verhandlungen auf dem Deputationstag wurden durch die Nach¬ 
richt vom Tode des Kaisers jäh unterbrochen, und es entstand die Frage, ob 
derselbe jetzt nicht überhaupt ganz aufgehört habe; verschiedene Gesandte 
waren der Ansicht, es sei dies der Fall, „weil praecipua pars iutegrans ab¬ 
gangen und der übrigen Kurfürsten und Stand Gesandten mandatum er¬ 
loschen“ 18 6 ). Öxl schickte seinen Sohn zur kaiserlichen Gesandtschaft und 
liess kondolieren, worauf die übrigen das Gleiche thaten 187 ); kurze Zeit darauf 
rief ein Befehl seines Kurfürsten ihn ab. 

Die Verfechtung der bayerischen Sache überliess er seinem Sohn, vor 
allem aber den Mainzischen Gesandten Meel und Vor bürg. Ein unzwei¬ 
deutiger Parteigänger Ferdinand Marias war auch Dr. Aid enhof en, 
welchen sein Prinzipal, wie bereits erwähnt, angewiesen hatte, über alle Vor¬ 
gänge in Frankfurt ausführlich nach München zu berichten. Ebenso waren 
Öxl befreundet der braunschweigische Gesandte Dr. Heiland und Het- 
tinger, Sekretär der Reichsritterschaft; als Öxl jun. sich einmal erlaubte, 
an dessen Aufrichtigkeit zu zweifeln, wurde er dafür von seinem Vater ziemlich 
unfreundlich augelassen. Alle diese, ebenso der vorübergehend anwesende 
Kammergerichtsfiskal Dr. Emmerich, berichteten Öxl über alle, selbst die 
unbedeutendsten Ereignisse, und ihre Briefe sind neben jenen Meels an den 
Mainzischen Geheimsekretär Berninger die wichtigste Quelle für die Ge¬ 
schichte des Vikariatsstreites. 

Nur. geringes Vertrauen schenkte Dr. Öxl dem österreichischen Ge¬ 
sandten Vol mar l88 ), ebenso den Brandenburgischen, Portmanu undHübener, 
in deren Versicherungen, sie könnten sich für keine Partei entscheiden, er 
mit Unrecht Zweifel setzte 189 ); Aldeuhofen scheint sein Misstrauen geteilt 
zu haben 190 ). Begreiflich ist dasselbe immerhin, wenn man erwägt, dass die 
brandeuburgische und pfälzische Politik gerade in der letzten Zeit vor dem 
Tode des Kaisers stets die gleichen Wege wenigstens bei den Verhandlungen 
des Deputationstages gegangen war 191 ). Entschiedene Anhänger des Pfalz¬ 
grafen waren jedoch in Frankfurt, von einigen ständischen Gesandten abge¬ 
sehen, nur Dr. Stengel, der Syndikus der Stadt, und Snoilski, der 
schwedisch-pommerische Bevollmächtigte. 

Zu ihnen gesellte sich bald nach Öxls Abreise schon Dr. Peil, 
welcher in Frankfurt die „Insinuation“ vorzuuehmen hatte. Er war zunächst 
an die Evaugelischen gewiesen, aber auch die Katholiken sollte er durch Hin¬ 
weis auf die (uotgedrungene) Friedfertigkeit des Pfalzgrafen, der auch kein 
Feind der Katholischen wäre, sondern dieselben in seinen Landen wohl trak¬ 
tiere, zu gewinnen suchen; würde dies nichts fruchten, so sollte er mit der 
schwedischen und französischen Bun des gen ossenschaft drohen; mit Snoilski 
und Gravell sollte er sich in Verbindung setzen und ohne den ersteren 
nichts Entscheidendes vornehmen 192 ). Thatsächlich scheint auch der Vikariats¬ 
streit vor Gravell gebracht worden zu sein 100 ), doch nirgends findet sich 
der geringste Anhaltspunkt, dass derselbe zu gunsten einer der beiden Parteien 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


195 


sich geäussert hätte. Wohl aber wurde eine solche Äusserung Snoilskis 
sehr bald schon verbreitet, ebenso eine Auslassung Stengels, „er sei dabei 
gewesen, und habe in seine Ohren hinein gehört, dass der verstorbene Kaiser 
zu dem Kurfürsten Pfalzgrafen folgende formalia gemelt habe: Euer Liebden 
Vorfahren sind Vicarii des Reichs gewesen, Euer Liebden sind es auch, und 
ich will dieselben dabei manutenieren“ 194 ). Öxl spottete darüber, „es sei 
wohl nicht üblich, dass Kaiser, wenn sie mit Kurfürsten des Reichs solch 
wichtige Sachen redeten, städtische syndicos dazu nähmen“ 196 ). An der Stelle 
aber, an der Stengels Worte gefallen waren, im Rat der Stadt, machten 
dieselben Eindruck, und ihnen war es zuzuschreiben, dass am Römer und an 
verschiedenen Thoren der Stadt, am Zeughaus u. s. w. die pfälzischen Patente 
angeschlagen wurden 196 ). Gleichzeitig ging das Gerücht, es sei Absicht der 
Protestanten, „Sachsen ob defectum investiturae Caesareae nicht ad vicariatum 
kommen zu lassen, sondern neben Pfalz Kurbrandeuburg dasselbe als primo 
in ordine zu übertragen, welche junctim Bayern wohl würden abhalten können, 
zumalen Brandenburg schon in armis stehe und leicht mit Polen sich ver¬ 
gleichen könnte“ 197 ). Für den 20. April war ein „Ratsgang“ anberaumt, und 
die Ratlosigkeit der Bayernfreunde, deren Führer (Aldenhofen) ohne jede 
Instruktion für einen solchen Fall war, kannte keine Grenzen 198 ). 

Da wurde in letzter Stunde der Ratsgang abgesagt: Volmar hatte 
sich entschuldigt, dass er noch nicht mit Trauerkleidern versehen sei 199 ). 
Die Anhänger Bayerns waren mit dem Schrecken davon gekommen. Ihre 
nächste Sorge war, eine Fortsetzung der Verhandlungen bis zum Eintreffen 
näherer Weisungen aus München zu verhindern, und Hettinger brach in 
Eile nach Aschaffenburg zu Johann Philipp auf, um persönlich mit dem¬ 
selben darüber zu verhandeln 200 ). Ausserdem trug sich Aldenhofen mit 
dem Gedanken, bei der Stadt wegen Affigierung der pfälzischen Patente Be¬ 
schwerde einzulegen, wovon ihm aber Volmar, Meel und Vorburg ab¬ 
rieten, umsomehr, als die bayerischen Patente noch immer nicht eingetroffen 
waren 201 ). Volmar interpellierte aber wenigstens Stengel in dieser Ange¬ 
legenheit, der sich jedoch entschuldigte, „man habe es eben geschehen lassen 
müssen“ 2 * 2 ). Im übrigen beschränkten sich die Freunde Bayerns darauf, 
Öxls Wunsch zu erfüllen 208 ) und dafür zu sorgen, dass die Ratsgänge 
eingestellt blieben; die Abreise verschiedener Gesandten und später die Nähe 
des Pfingstfestes kamen ihren Bestrebungen in dieser Beziehung zu statten. 

Nach Pfingsten kam Öxl wieder selbst nach Frankfurt Die Stadt 
hatte inzwischen auch die bayerischen Patente neben den pfälzischen affigiert 204 ); 
der Rat beobachtete eben hier das gleiche Verfahren wie fast alle übrigen Reichs¬ 
städte. Öxl aber war damit nicht zufrieden; schon von München aus hatte 
er in bezug auf die Haltung der Städter das Wort der Schrift gebraucht: 
Qui mecum non colligit, dispergit 206 ). Sofort nach seiner Rückkehr nun ver¬ 
langte er, die Stadt solle die pfälzischen Patente abnehmen lassen; natürlich 
wurde dem nicht willfahrt, im Gegenteil erklärten ihm mehrere Ratsherren, 
dass sie sich in den Vikariatshandel überhaupt nicht einmischen wollten. 
Öxl liess darauf die pfälzischen Patente selbst abreissen, dieselben wurden 


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Karl Lory 


aber stets wieder durch neue ersetzt 206 ). Die an sich unbedeutende Ange¬ 
legenheit scheint ihn über Gebühr aufgeregt zu haben: da bei diesem öfteren 
Anschlägen und Abreissen nichts weiter herauskäme als Stossen, Reissen, 
Schlagen und vielleicht noch gefährlichere Dinge, schrieb er am 12. Juni an 
den Kurfürsten, so halte er sich zur Abreise fertig und werde seinen Kanzlisten 
vorausschicken; der Kurfürst möge ihm eilig Geld zukommen lassen, „denn 
wenn ich ohne Bezahlung der Schuld mich sollte hinwegbegeben wollen, ist 
ohnschwer zu erachten, was es Ihr. Churfstl. Drchl. für einen respect machen 
und was für ein affrouto ich darüber zu gewärtigen haben würde“. In 
München freilich sah man in diesem Vorgehen Öxls. ein „bedenkliches 
Anmassen“ 207 ), und statt der erbetenen Geldsendung dürfte eine entsprechende 
Zurechtweisung nicht ausgeblieben sein; gewiss ist, dass Öxl Frankfurt 
nicht verliess. 

Inzwischen war die Frage der Verlängerung wieder brennend geworden. 
Kur-Mainz 208 ), Österreich, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Hessen - Kassel 
waren von Anfang an für dieselbe, auch von Trier erwartete man, „es werde 
sich nicht separieren“ 209 ). Der Antrag auf Verlängerung ging von Kur¬ 
sachsen aus. Am 19. Juni kamen die Katholischen bei den Karmelitern 
zusammen und beschlossen, diesen Antrag zu unterstützen 210 ); bayerischer- 
seits hatte man zur Bedingung gemacht, dass die kaiserlichen Kommissäre 
durch solche der Reichsvikare ersetzt werden müssten, widrigenfalls, erklärte 
Öxl, sei er instruiert, „auf die Suspension zu votieren“; Vor bürg und 
Meel waren angewiesen worden, sich nach Bayern und Sachsen, die beide 
sich mitsammen verglichen hatten, zu richten, und so drang Öxle durch 211 ). 
Am 20. dann geschah die sächsische Proposition, und ist „darauf in beiden 
collegiis beschlossen worden, dass diese ordinari-Deputation in statu quo und 
circa illas materias continuiren solle, welche in dem letzten Reichsabschied 
zu Regensburg dahin verwiesen worden“ 212 ). 

Meel fürchtete von der Ersetzung der kaiserlichen Kommissäre durch 
die der Reichsvikare einen Machtaufschwung der letzteren, welcher dem Erz¬ 
kanzler einmal gefährlich werden könnte 218 ). Doch tröstete er sich, „die 
inconvenientien, die daraus zu besorgen, würden verhoffentlich wohl können 
praeconirt werden“ 214 ). Seine Besorgnisse aber waren umsonst, es kam nie 
zur Aufstellung solcher Kommissäre. Gleich in den ersten Sitzungen — am 
20. und 22. Juni — ergaben sich endlose Schwierigkeiten, ob die Kommissäre 
ständig anwesend sein, oder ob „die Herren Reichsvikare erst eveniente casu 
desideratae executionis vel interpositionis um Administrierung der officia be¬ 
langt“ werden sollten; der kurpfälzische Gesandte nahm daraus Veranlassung, 
sich höchlichst zu beklagen, die fürstlichen Deputierten antworteten, sie hätten 
niemand in specie geuannt, schon bestand Gefahr, man würde zum Schluss 
weiter auseinander kommen als man anfangs gewesen, bis man sich endlich 
entschloss, „eins ums andere ad referendum zu nehmen und von seinen 
gnädigsten und gnädigen principalen weitere specialinstruction zu erwarten“ — 
damit war die Angelegenheit der Vikariatskomraissäre auf dem Deputatious- 
tage aller Wahrscheinlichkeit nach begraben 216 ). 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites, 


197 


g) Wirren in Speier und beim Reichskammergerichte. 

Am 13. April hatte Ferdinand Maria dem Reichskammergericht 
die Übernahme des Reichs vikariats au gezeigt 316 ) und gleichzeitig um Ver- 
haltungsmassregeln an Freiherrn Karl August von Leibifing, den dem 
bayerischen Hofe wohlgesinnten Kämmerer des Speierer Bischofs, sich ge¬ 
wandt 211 ). Johann Georg von Sachsen teilte dem Gericht neben der Noti¬ 
fikation der Vikariatsübernahme am 6./16. April mit, dass er sich mit 
Ferdinand Maria wegen des Insiegels vergleichen werde 318 ). Zuletzt, vom 
14./24. datiert, traf auch von Karl Ludwig eine ausführliche Begründung 
seines Rechtes nebst Konfirmation des Gerichtes und Mitteilung eines 
zu gebrauchenden Titels ein 319 ), nachdem schon zuvor jener Minorit, 
welcher beim Bischof die Insinuation vorzunehmen hatte, ohne einen Erfolg 
auch beim Kammergericht bemüht gewesen war 220 ). 

Ehe er weggegangen, hatte er das Erscheinen zweier weiterer pfälzischer 
Gesandten in Aussicht gestellt. Sofort beeilte sich der Kammergerichtsfiskal 
Dr. Emmerich, den wir bereits als Freund der bayerischen Sache kennen, 
bei den Katholischen zu „unterbauen“, und mit ihrer Hilfe gelang es, dass 
am 10./20. April das Kammergericht an Ferdinand Maria 931 ) und an 
Johann Georg 222 ) ein Dankschreiben richtete und darin die Benützung des 
in Aussicht gestellten Insiegels versprach 328 ). Gleichzeitig beeilte sich die 
bayerische Partei in Speier, Ferdinand Maria die gewünschten Ratschläge 
zukommen zu lassen: Leibifing berichtete, die Vikariatssiegel seien früher 
durch die Reichsverweser dem Erzkanzler zugestellt worden, welcher sie daun 
an den Kanzlei Verwalter gelangen liess, die Prozesse seien „unangesehen der 
in aurea bulla vorgesehenen Abtheilung und einen jeden aus den Herren Vicariis 
zugelegten Landen communi utriusque nomine sigillo ausgefertigt worden“ 334 ); 
der Bischof selbst liess in den vorhandenen Akten nachschlagen und durch 
Leibifing mitteilen, man habe sich 1612 vor allem daran gestossen, dass 
die Reichsverweser den Titel „Vikariatskammergericht“ gebrauchten 32 B ), 
Dr. Emmerich schrieb sogar, Ferdinand Maria möge selbst schleunigst nach 
Speier kommen 236 ). Diesen Wunsch erfüllte ihm der Kurfürst allerdings nicht, 
ein neues Schreiben aus München vom 25. April aber bestätigte das Kammer¬ 
gericht in seinem vollen Umfang, stellte den Schutz des Reichsvikars in Aus¬ 
sicht und berichtete von den mit Sachsen wegen des Siegels unternommenen 
Schritten, der anstössige Titel „Vikariatskammergericht“ aber war sorgfältig 
vermieden und wurde überhaupt während des ganzen Interregnums nicht gehört. 

Ende April traf einer der in Aussicht gestellten pfälzischen Gesandten, 
Vizekanzler Mieg, in Speier ein, er nahm die „Insinuation“ der Patente beim 
Gericht vor und „prätendierte bei solchem actus die erste Stelle“ 237 ), fand aber 
damit wenig Anklang: „per deputatos assessores“ wurde ihm vorgehalten, man 
habe beim Kammergericht selbst über das Reichsvikariat keine andere Nach¬ 
richt, „als dass bei vacatur des Reiches Kurpfalz und Kursachsen ein gemein¬ 
sames sigillum zu verfertigen (darauf ausser dem Reichsadler der Reichsapfel 
und die zwei Schwerter gestochen) und dieses sigillum Kurmainz zukommen 

Bayer. Forschungen, VII, 3. 14 


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Karl Lory 


zu lassen pflegten; dieses schicke sie dann zur Benutzung au das Kammergericht; 
jedoch und weil vermöge des Friedensschlusses das hiebevorige kurpfälzische 
insiegel des Reichsapfels auf Kurbayern transferiret wäre, so könnte das 
Kammergericht nicht anders als bei dieser uralten obseruanz zu inhaeriren 
um des vermeldten sigilli zu erwarten, könnten also dem kurpfälzischen An¬ 
suchen nicht statt geben“ 228 ). Am 18. Mai erhielt der Kanzlei Verwalter 
Lauterburg die sächsisch - bayerischen Siegel — das Kammergericht war 
für Karl Ludwig verloren. 

Seit dem 16. April waren dort keine Urteile mehr ausgefertigt worden 229 ); 
der Kurfürst von Mainz hatte Lauterburg aufgefordert, die alten kaiser¬ 
lichen Siegel nach Mainz zu bringen, für den Fall aber, dass sich jemand 
„während des Interregnums bei der Kanzlei einige direction unterm Schein 
des Vikariats anmassen wollte“, als Erzkanzler des Reiches demselben be¬ 
fohlen, darauf nicht zu achten, sondern lediglich seinen, des Kurfürsten, An¬ 
ordnungen nachzukommen 230 ). Lauterburg aber zögerte, denn der Fiskal, 
welcher für den Fall seiner Abwesenheit den pfälzischen Einfluss bei den 
übrigen Kanzleibediensteten fürchtete, hatte ihn ängstlich gemacht 281 ), und trotz 
erneuten Befehles 282 ) brach er erst nach Mainz auf, als von dort die offizielle 
Mitteilung von der Ankunft der Vikariatssiegel 2 8 3 ) eingetroffen war 234 ); am 
18. kam er nach Mainz und lieferte morgens zwischen 8 und 9 Uhr die alten 
Siegel an Johann Philipp ab 285 ), der Kurfürst Hess dieselben in sein 
Zimmer bringen und in Anwesenheit mehrerer Zeugen, darunter Boineburg, 
Vor bürg, Blum, durch den Hofschlosser zerschlagen, und die Stücke dem 
Kanzlei Verwalter nebst den neuen Vikariatssiegelu 280 ) wieder zustellen 287 ). 
Am gleichen Tage noch teilte Johann Philipp den Reichsvikaren die Über¬ 
antwortung ihres Siegels mit 258 ), und zwei Tage darauf schrieb Lauterburg 
an Adlzreiter, er sei eben beschäftigt, Prozesse mit demselben auszufertigen 239 ). 

Karl Ludwig, schon dadurch, dass man seinen Gesandten beim 
Gericht überhaupt nicht vorgelassen hatte, aufs höchste erbittert, antwortete 
alsbald mit Drohungen und endlich sogar mit Gewalt auf die Annahme der 
bayerisch-sächsischen Siegel. Ja schon vorher hatte er sich in diesem Sinne 
ausgelassen. Anfang Mai war der badische Hofjunker Herr von Plitters¬ 
dorf nach Heidelberg gekommen; ihm gegenüber hatte der Pfalzgraf ge- 
äussert, wegen der paar Monate sei es gar nicht der Mühe wert, dass Bayern 
sich in eine so gefährliche Sache einlasse, er für seinen Teil strebe mit Hand 
und Fuss nach Erwählung eines neuen Kaisers, der Vikariatsstreit aber „müsse 
von den Kronen Schweden und Frankreich als den executores pacis aus¬ 
getragen werden“; was aber speziell das Kammergericht betreffe, meinte er 
lächelnd, so könne er sich „über dessen sauberes Procedere“ nicht genugsam 
verwundern; „es derffen aber diese gewaltige Herrn villeicht mit der Zeit 
noch wohl mores lernen müssen“ 240 ). Den besten Bundesgenossen gegen das 
Gericht aber fand Karl Ludwig in den Bürgern von Speier, welche anfangs 
versteckt und bald schon offen gegen den Kurfürsten von Bayern Partei nahmen. 

Als Lauterburg mit den neuen Siegeln in die Stadt kam, hatten die 
Unruhen schon eine bedenkliche Höhe srreicht. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 199 

Am 19. April waren die bayerischen Patente angeschlagen worden ; 
zwei Tage darauf hatte Dr. Peil feierlichen Protest erhoben 241 ) und die 
pfälzischen affigiert; in der Nacht vom 27. aber wurden sie mit Kot be¬ 
schmutzt, und der Rat der Stadt nahm daraus die Veranlassung, bei Karl 
Ludwig die Unschuld der Stadt zu beteuern 842 ). Am 3. Mai kam Berchem 
in die Stadt; da der Rat sich zwei Tage Bedenkzeit erbat, um in Heidelberg 
anzufragen, nahm er seiner Instruktion gemäss, von Leibifing an dieselbe 
erinnert, die Affigierung persönlich vor und reiste wieder ab 248 ). Sofort sandte 
der Pfalzgraf, von der Stadt unter dem angegebenen Vorwand benachrichtigt, 
die Weisung nach Speier, die Patente wieder abzunehmen oder wenigstens 
seinen Leuten solches zu gestatten, widrigenfalls er gegen die Stadt das vor¬ 
nehmen werde, wozu ihn seine Stellung als Reichsvikar bevollmächtige. 
„Worüber gleich alsbald zu Rat angesagt und inmittels zwei kurpfälzische 
Karabiner nächst dem Rathaus bis ungefähr 5 Uhr sich aufgehalten. Welche, 
nachdem sie der Stadt notarium Schiller mit zwei Zeugen aus den Ratstuben 
herausgehen sehen, sich alsobald zu dem Kaufhaus verfügt, und in Beisein 
ziemlicher Anzahl Volks die kurbayerische Patenter teils mit den Händen, 
teils aber mit zu diesem Ende bei sich gehabten langen Messern mit höchstem 
Schimpf herabgerissen, mit Vermelden, Kurpfalz hätt’ sich bereits des Vikariats 
unterfangen, derentwillen gehörige Anstalt gemacht, und zu männiglich besserer 
N achricht sogar Vikariatsmünzen schlagen lassen, habe man daher eines andern 
Vikars weiter nicht uöthig. Mit welchem sie auch nicht zufrieden, sondern 
gleich hernach in Beisein des notarii und testium, so beiden actibus beigewohnt, 
sogar instrumenta hierüber auf gerichtet, zu dem Rathaus sich verfügt, und 
gleichermassen das andere kurbayerische Patent in Beiwesenheit mehreren 
Volkes als zuvor mit grossem Gewalt und sondern Fleiss dergestalten heraus¬ 
geschnitten, dass nichts als die äussersten Enden und zwar, mit unterthänigstem 
respect zu vermelden, in forma patibuli vorhanden“ 244 ). 

Gegenseitiges Abreisseu der Patente war nun ja auch in anderen Reichs¬ 
städten etwas ganz Gewöhnliches, nur verhielt sich in denselben die Bürger¬ 
schaft wenigstens nach aussenhin, wie wir gesehen haben, fast durchweg 
neutral. Auch in Speier schien man anfangs keine Ausnahme machen zu 
wollen; wenn wir Leibifing glauben dürfen, konnten auch protestantische 
Bürger über diesen Kurbayern angethanen Schimpf sich „nicht genugsam 
verwundern“, und der Rat blieb bis 7 Uhr abends beisammen, nachdem die 
Kurpfälzischen schon längst die Stadt hinter sich hatten. Vielleicht war es 
aber vor allem die Furcht vor der Rache Ferdinand Marias, welche da 
uud dort Kopfschütteln und Missbilligung hervorgerufen haben mag 346 ). Als 
sich die Stadt später den Rücken durch Karl Ludwig gedeckt glaubte, 
kamen solche Äusserungen nicht mehr vor, immer mehr uud mehr gewann 
die pfälzische Sache an Boden und immer kecker gleichzeitig traten die 
Städter gegen das ihnen schon längst unbequeme Kammergericht und gegen 
die gehassten Bischöflichen auf. — Speier beweist, dass auch in anderen prote¬ 
stantischen Reichsstädten es an Sympathien für Karl Ludwig nicht gefehlt 
haben mag, dass deren unentschiedene Haltung nur eine unfreiwillige war 

14* 


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Karl Lory 


und nur der Furcht vor Bayern entsprang, da man hier jener Sicherheit ent¬ 
behrte, welche die unmittelbare Nähe Karl Ludwigs den Speierern 
verlieh. — 

Leiblfing wollte in den nächsten Tagen die schimpflichen Reste 
entfernen, wenn möglich auch die pfälzischen Patente abreissen, wurde aber 
vor der Wachsamkeit der Parteigänger des Pfalzgrafen gewarnt und, ängstlich 
wie er war, unterliess er es daher, um so lieber, wie er an Ferdinand 
Maria schreibt, als derselbe jetzt nicht mehr zögern werde, energisch gegen 
die Stadt vorzugehen. Wie schon angedeutet, war ja nicht nur die Freund¬ 
schaft des Mainzers, sondern auch jene des Bischofs von Speier (und Worms) 
für Ferdinand Maria durchaus nicht eine gänzlich uneigennützige; als 
bald der Wildfangstreit wieder heftiger denn je entbrannte, erwartete man 
von Kurbayern Unterstützung, und für den Augenblick erhoffte Leibifing 
von einem thatkräftigen Einschreiten Ferdinand Marias wenigstens eine 
Stärkung des bischöflichen Ansehens und der bischöflichen Macht gegenüber 
den Städtern 246 ). 

In München war man aber nur zu einer leeren Demonstration ent¬ 
schlossen: ein Hofbedienter, Sayler mit Namen, wurde beauftragt, eiligst 
per Post nach Speier zu reisen, dort zuerst den Rat der bewährten Freunde 
Bayerns einzuholen, hierauf, nachdem er die Gewänder eines „Reichsvikariats- 
herolds“ angelegt, bei den Stadtvätern sich einzufinden und ihnen ein Schreiben 
zu präsentieren, in welchem, falls die pfälzischen Patente nicht abgenommen 
würden, in nicht misszu verstehen der Weise mit der Reichsacht gedroht 
wurde 247 ). Lei bl fing wurde von dem Eintreffen Saylers in Kenntnis 
gesetzt. Allein letzterer mag München kaum verlassen haben, als ein Brief 
eiulief, welcher keinen Zweifel darüber liess, dass Leibifing plötzlich sehr 
kleinlaut geworden war. Sein Rat ging dahin, Sayler solle sich in der Stadt 
womöglich überhaupt erst dann blicken lassen, wenn beim Kammergericht 
„die insinuatio ratione sigilli“ vollzogen sei; mit der Reichsacht zu drohen, 
schien ihm überdies sehr bedenklich, da Speier sich an andere Reichsstädte 
wenden und ihnen das Schicksal Donauwörths Vorhalten könne 248 ). Schon 
ein früherer Brief des Freiherrn hatte in München gezeigt, dass ein Umschwung 
in der Stimmung der Bürgerschaft eingetreten war. Der Kammerrichter hatte 
den Stadtsyndikus wegen des Abschneidens der bayerischen Patente zur Rede 
gestellt 249 ) und dabei die ganze Schadenfreude der Protestanten über den der 
Vormacht des Katholizismus in Deutschland widerfahrenen Schimpf kennen 
gelernt. „Sie fühlen sich sicher in der Überzeugung, dass niemand ihnen 
etwas anhaben könne“— das war das Urteil Lei blf in gs 25 °). 

Und dieses Gefühl der Sicherheit war nur allzusehr begründet: Karl 
Ludwig hatte seine Wachen bis fast vor die Thore der Stadt vorgeschoben; 
und in den allernächsten Tagen schon begann der Jahrmarkt, bei welcher 
Gelegenheit der Pfalzgraf als Schutzherr der Stadt eine Anzahl Volkes herüber¬ 
zuschicken pflegte 261 ), während gleichzeitig geflissentlich das Gerücht ver¬ 
breitet wurde, Sachsen habe sich von Bayern nunmehr wieder getrennt 262 ). 
Die Stadt war auf diese Weise überhaupt nicht imstande, die pfälzischen 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


201 


Patente abzunehmen, ohne sich von Seiten Karl Ludwigs Widerwärtigkeiten 
auszusetzen 258 ), ihren guten Willen, an dem aber billig zu zweifeln ist, vor¬ 
ausgesetzt Als nun Sayler am 13. Mai in Speier eintraf, gab er auf den 
Rat Leiblfings, der mit Emmerich „bis in die vierte Stunde der Nacht“ 
über die Angelegenheit konferierte, sein Schreiben an Rat und Bürgermeister 
überhaupt nicht ab 254 ) und entfernte sich aus der Stadt 265 ), um in dem fünf 
Stunden entfernten Bruchsal auf weitere Instruktionen Leiblfings zu 
warten 25fl ). Der Kurfürst erklärte sich nachträglich mit allem einverstanden 267 ). 
Samstag den 19. erst entledigte sich Sayler — in Beisein des pfälzischen 
Vizekanzlers Mi eg — seines Auftrages und reiste dann sofort wieder nach 
München zurück 258 ). 

Am folgenden Tag — Pfingstsonntag war es — Hess die Stadt abends 
5 Uhr abermals pfälzische „Karabiner“ in Uniform beim Rheinthore ein, 
dieselben rissen die von Sayler neu affigierten Patente ab und schlugen die 
pfälzischen an; ein angesehener Bürger führte sie selbst zum Kaufhaus, viele 
„Hessen sich mit grossem Frohlocken vernehmen“, nun könne man sehen, wer 
von beiden Reichsvikar wäre, weil Kurpfalz sich solches nicht erlauben würde, 
wenn es nicht das Recht auf seiner Seite hätte, im Rathaus aber beriet man 
sich, wie einer abermaligen Verunreinigung der pfälzischen Patente vorzubeugen 
wäre 268 ). Die Drohung mit der Acht erwies sich als völlig verfehlt: dieselbe 
'machte auf die Städter so gut wie keinen Eindruck; die Acht könne, sagten 
sie, ohne Zustimmung aller Reichsstände überhaupt nicht verhängt werden, 
auch hatten sie Ausreden in Fülle, B er ehern hätte warten können, Sayler 
habe sich unanständig genug benommen u. s. w., und wenn Ferdinand 
Maria etwas erreicht hatte, so war es nur das, dass er die Opposition der 
Städter gegen sich verstärkt hatte 200 ). Leiblfings Rat ging nun dahin, 
mit Mainz und Sachsen sich ins Benehmen zu setzen und eventuell mit diesen ge¬ 
meinsam vorzugehen 261 ). 

Ferdinand Maria schien nun in der That ernstlich entschlossen, 
ein Exempel zu statuieren, wollte aber nichts ohne den Rat und das Vor¬ 
wissen Johann Philipps ausführen 262 ). Ehe es aber zu einem solchen 
Schritte kam, ehe überhaupt aus Mainz eine Antwort eintraf, erreichten ihn 
schon neue bedrohliche Nachrichten aus Speier und die Kunde von neuen 
Unternehmungen seines Gegners, der auch das Kammergericht keinen Moment 
aus den Augen Hess. Vier Tage, nachdem das sächsisch-bayerische Insiegel 
innerhalb der Mauern Speiers eingelangt war, erschien ein neues Patent Karl 
Ludwigs, in welchem er gegen die Ausfertigung der Kammergerichtsprozesse 
unter diesem Siegel protestierte und die Stände des Reiches aufforderte, allen 
auf diese Weise ausgefertigten Erkenntnissen keinen Gehorsam entgegenzu¬ 
bringen, widrigenfalls er sein Recht zu wahren wissen w r erde 268 ). Die Fürsten 
des schwäbischen Kreises, denen dasselbe zugegangen war, versammelten sich 
am 1. Juni zu Baden, um darüber zu beraten; sie kamen zu der Ansicht, dass 
sie es den Ihrigen nicht verwehren könnten, ihr Recht beim Kammergerichte 
zu suchen 264 ). Auch Johann Georg von Sachsen antwortete dem Pfalz¬ 
grafen abwehrend und mit Betonung der Rechte Bayerns 265 ). Um so grösser 


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Karl Lory 


aber war der Eindruck, den ein Schreiben Karl Ludwigs vom 13./23. Mai 
beim Kammergerichte selbst hervorbrachte. 

Dasselbe war eigentlich nur eine Wiederholung dessen, was schon in 
dem Patente vom Tag zuvor verkündet worden war 266 ). In Speier aber war 
man überzeugt, Karl Ludwig werde mit seinen Drohungen Ernst machen. 
„Er muss einen heimlichen Rücken haben, sonsten dergleichen er sich insoweit 
dessen nicht unterfangen würde“, schrieb Emmerich an Dr. Öxl 267 ), und 
Lauterburg beschloss, „in Gottes Namen in Speier zu bleiben, statt den 
ihm vom Arzt angeordneten Sauerbrunn aufzusuchen“, denn er war überzeugt, 
seine Anwesenheit werde in Bälde nötig sein 268 ). Das Kammergericht aber 
wandte sich an den Erzkanzler mit der Frage, was es gegenüber den pfälzischen 
Drohungen beginnen solle 269 ). 

Kur-Mainz beeilte sich, für das Recht Ferdinand Marias einzutreten: 
Dr. Oppenheimer wurde abgeordnet, um mit dem Fiskal wegen Versicherung 
des Gerichtes sich zu beraten 270 ), Lau terbu rg wurde dringend aufgefordert, 
der Vikariatssiegel stets sich zu bedienen 271 ), vor allem aber erhielt das 
Gericht, d. h. der Präsident und die Assessoren, eine energische Vermahnung, 
ihre Pflicht in „Administrierung der Justiz“ zu thun; ohne Siegel könne kein 
Prozess expediert werden 272 ). Am 1. Juni wurde das Schreiben des Erz¬ 
kanzlers verlesen; es wurde beschlossen, sich nach demselben zu richten, 
dagegen lehnte die Majorität es ab, die Angelegenheit wegen der „pfälzischen 
Bedrohung“ vor die Reichsvikare zu bringen; Leibifing riet daher, die 
letzteren sollten selbst eine Abordnung oder wenigstens ein Schreiben an das 
Kammergericht gelangen lassen 278 ). Der gleiche Rat kam aus Mainz 274 ), 
und Öxl berichtete eine Äusserung Emmerichs, dass sich nämlich die 
Katholiken am Kammergericht über Kurbayerns langsames procedere nicht 
genugsam wundern könnten 275 ). 

Nur der Umstand, dass die Frage der Kaiserwahl damals den Kur¬ 
fürsten hauptsächlich in Anspruch nahm, lässt es wenigstens teilweise erklärlich 
erscheinen, dass Ferdinand Maria allen diesen Vorstellungen gegenüber, 
und obwohl alsbald noch schlimmere Nachrichten einliefen, so gut wie gar 
nichts that. Die Protestanten beim Kammergericht sannen auf Mittel, trotz 
der Verwarnung des Erzkanzlers die Siegelung zu umgehen 276 ), Notariats- 
instruraente wurden im Namen von Pfalz und Sachsen als Reichsvikaren auf¬ 
gerichtet, evangelische Prokuratoren unterstanden sich sogar am 5. Juni, 
Braunschweig neben dem Kammergericht drei Reichsvikare als Richter vor¬ 
zuschlagen 917 ). Die Stadt schien für einen Augenblick allerdings Ruhe halten 
zu wollen, die Befürchtungen, sie werde eine pfälzische Garnison einnehmen 
und dem Bischof, welcher auf kurze Zeit verreist war, die Thore sperren 278 ), 
erwiesen sich als unbegründet; der Rat machte dem Kammerrichter sogar 
Mitteilung, einer der Hauptanstifter der letzten Unruhen sei in den Turm 
gelegt worden 279 ); aber Leibifing, der dem Frieden nicht traute, — „diese 
Leute wollen immerdar engelrein sein und vermeinen, dass mit ihren falschen 
Worten alles ausgerichtet sei“, schrieb er 280 ) — sollte Recht bekommen: am 
Johannistage (24. Juni) kam es gelegentlich eines Johannisfeuers zu neuen 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


203 


argen Unruhen, wobei sich die Städter sogar an Mitgliedern des Kammer¬ 
gerichts vergriffen 28 *). Ferdinand Maria aber that allen diesen Wirren 
gegenüber nur wenig: am 15. Juni erging ein Gesamtschreiben der beiden 
Reichsvikare an das Kammergericht wegen der von verschiedenen Anwälten 
ins Werk gesetzten Ausfertigung der Notariatsinstrumente in dreier Vikare 
Namen 282 ), und am 13,23. Juli ein solches gegen die Stadt, worin ihr mit 
der Acht gedroht wurde 983 ), obwohl dieses Mittel schon das erste Mal nicht 
verfangen hatte und obwohl Emmerichs Rat gewesen war, „consulem und 
syndicum beim Kopf zu nehmen“ 284 ). 

Kein Wunder, wenn Emmerich schon am 30. Juli wieder dringend 
bat, das Gericht in Schutz zu nehmen, da dasselbe „a ciuitate nescio quo 
temerario ausu hoc tempore interregni mehr als je und fast täglich angefochten 
werde“ 285 ). Und überdies machte Karl Ludwig jetzt Ernst mit Ausführung 
seiner Drohungen: am 29. Juni und neuerdings am 3. Juli 280 ) erliess er 
scharfe Befehle, die Kammerboten, wo immer solche getroffen würden, anzu¬ 
halten, ihnen die Prozesse, die sie bei sich hatten, abzunehmen und dieselben 
zum Zweck der Vernichtung nach Heidelberg zu senden. Bald wird von 
Angriffen auf die Boten nicht allein, sondern sogar von Behelligung des 
Kammergerichtspräsideuten von pfälzischer Seite zu berichten sein. 

Speier und das Reichskammergericht waren die beiden ersten Nieder¬ 
lagen Ferdinand Marias. 


II. 

Vom Zusammentritte des Wahltages bis zum Beginne der 
Regensburger Verhandlungen. 

a) Vom Beginne der Wahlhandlung bis zur Tintenfassszeue. 

Immer kecker wurde das Auftreten der pfälzischen Partei gegenüber 
dem Reichskammergericht, welches — von einzelnen Schwankungen unter 
den evangelischen Mitgliedern desselben abgesehen — im ganzen und grossen 
treu zur Sache Ferdinand Marias hielt: es war, als habe die ganze 
Heftigkeit des Streites auf diesen einen Punkt sich konzentriert, nachdem er 
für die weiten Kreise des Reiches schon längst an Interesse verloren und die 
wichtigere Frage der Kaiserwahl in den Vordergrund getreten war. 

Die beiden Prätendenten selber beharrten allerdings nach wie vor mit 
derselben kleinlichen Hartnäckigkeit auf der Erteilung des beanspruchten 
Titels: umsonst hatte Heilbronn an Karl Ludwig sich gewandt, es möge 
mit cter „reaffixion“ der pfälzischen Patente verschont bleiben 287 ); und um ein 
bayerisches Gegenstück nicht zu vergessen, sei erwähnt, dass Ferdinand 
Maria sich beim spanischen Gesandten wegen Auslassung des Vikarstitels 


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Karl Lory 


beklagte 288 ) und daraufhin auch in der That — damals ja schon längst 
Bundesgenosse der Habsburger — ein äusserst zuvorkommendes Entschuldigungs¬ 
schreiben erhielt 289 ). Kündigte sich ja doch nunmehr überhaupt allmählich 
eine festere Stellungnahme auch der Mächte gegenüber dem Vikariatsstreit an, 
wie z. B. Karl Gustav von Schweden nunmehr den Pfalzgrafen rückhaltlos 
als Reichsvikar titulierte 290 ). Wenn hier kein Zweifel sein kann und das 
spätere Verhalten Schwedens auch beweist, dass in Stockholm das bayerische 
Reichsvikariat nicht eben auf Sympathien rechnen konnte, so ist es doch 
immerhin möglich, dass schon damals der Gedanke an drei Reichsvikare 
dortselbst ins Auge gefasst war, wie es auf diese Weise sich auch erklärt, 
dass Johann Kasimir von Polen Karl Ludwig ebenfalls den Vikarstitel 
erteilte 291 ), nachdem er, wie wir sahen, auch auf das Notifikationsschreiben 
Ferdinand Marias geantwortet hatte. 

Innerhalb des Reiches freilich mag vereinzelt wenigstens eine Bayern 
weniger günstige Stimmung allmählich Platz gegriffen haben 292 ), weniger aber 
vielleicht, wie Pufendorf meint, bei den Fürsten, als vielmehr bei den 
Städten. In Worms z. B. scheint man sich nachträglich für Karl Ludwig 
entschieden zu haben 298 ). 

Gewiss war dies hier einerseits durch die Nähe Heidelbergs, anderseits 
durch die Nachbarschaft Speiers verursacht. Denn in letzterer Stadt kümmerte 
man sich so wenig um die Schreiben der Reichsvikare zum Schutz des Ge¬ 
richtes, dass die Assessoren entschlossen waren, an dieselben mit der Bitte 
um Transferierung sich zu wenden; „man würde beim Kammergericht nichts 
lieber sehen, als endlich von diesen gefährlichen Leuten befreit zu werden“ 294 ). 
Zudem machte Karl Ludwig nunmehr Ernst mit seinen Drohungen. Am 
22. August langte in Bretten der Hausrat des Grafen Fu gger-Kir chberg- 
Weissenhorn an, welcher als Kammergerichtspräsident nach Speier über¬ 
siedelte; trotz eines Freipasses der Reichsvikare 29ö ) wurden die Fuhrleute zur 
Erlegung des Zolls gezwungen, das Original des Passes aber wurde zurück¬ 
behalten 296 ). Im Oktober und November endlich begann vonseiten der 
pfälzischen Ämter eine allgemeine Jagd auf die Kammer gerichtsboten, nachdem 
am 18. Oktober eine energische Mahnung in dieser Hinsicht nach Neustadt, 
Alzey, Germersheim, Bacharach und Heidelberg ergangen war 297 ). Selbst aus 
dem Frühjahr 1658 ist uns noch wiederholt Kunde von solchen pfälzischen 
Handstreichen erhalten; am i./ii. März beschwerte sich Karl Ludwig, 
nachdem zu Friedelsheim und Mannheim den Gerichtsboten die Prozesse ab¬ 
genommen worden waren, es seien ihm Akten zu Gesicht gekommen, bei 
denen der rechtmässige Titel und das rechtmässige Siegel nicht gebraucht 
w r orden, wodurch ihm ein „unleid entlieh er Eingriff“ geschehen; er sei daher 
verursacht worden, die betreffenden Stücke durch den Präsidenten seines 
Vikariatsgerichtes in pleno consessu und vor jedermanns Augen coram Notario 
et testibus zerreisseu und annullieren zu lassen, und lebe der zuversichtlichen 
Hoffnung, man werde ihm solches nicht vermerken, sondern auch diesen seinen 
Gegen-actum beim Archiv registrieren und verwahren lassen; das Kammer¬ 
gericht bat darauf am 2. April den Erzkanzler, „das Archiv in bessere securitet 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


205 


zu nehmen“ 298 ). Allmählich aber löste sich der Kampf um das Gericht 
völlig in einen papiernen Streit auf, nachdem von seiten Ferdinand Marias 
derselbe schon längst nicht anders geführt wurde: im Oktober ersuchten die 
Reichsvikare den Erzbischof von Mainz, einige Räte zur Untersuchung der 
Unruhen am Johannistag und der sonstigen Gewaltthätigkeiten der Stadt 
gegenüber dem Gericht nach Speier zu senden 299 ); im Dezember benachrichtigte 
Johann Philipp dieselben von den Attentaten auf die Gerichtsboten 300 ), 
worauf Ferdinand Maria am 24. Februar 1658 das Gericht aufforderte, 
sich in Ausübung der Justiz nicht beirren zu lassen 801 ), am 11. April ein 
feierliches Patent gegen die pfälzischen Übergriffe ausgehen liess 302 ) und 
den kaiserlichen Notar Lubertus Han, der in Heidelberg bei Zerreissung 
der Gerichtsakten anwesend w r ar und überdies in Speier aufs neue die bayerischen 
Patente abgerissen hatte, feierlich vor sein Gericht lud 803 ). Karl Ludwig 
antwortete am 17./27. April dadurch, dass er dem Kanzlei Verwalter und den 
übrigen Kanzlei verwandten den Gebrauch des bayerischen Vikariatssiegels bei 
einer Strafe von 30 Mark lötigen Silbers verbot 304 ) und am 23. April (3. Mai) 
dem letzten bayerischen Patent ein pfälzisches entgegensetzte 306 ). Als aber 
von München aus eine neue Sendung von Edikten, Patenten und Zitationen 
ins Werk gesetzt wurde, als abermals ein Bediensteter 806 ) nach Speier abgesandt 
werden sollte und eine neue Haupt- und Staatsaktion mit Notar und Zeugen 
geplant war, da zeigte sich, dass man dort auch auf seiten der Anhänger 
Ferdinand Marias der fortwährenden Unruhen müde war, und Leibifing 
riet dem Kurfürsten allen Ernstes, Sommerer könne sich ja seines Auftrages 
anderswo, z. B. in Worms, entledigen — derselbe scheint auch in der That 
unverrichteter Dinge wieder abgezogen zu sein 807 ). 

Das Hauptinteresse des Reiches galt ja damals eben schon längst nicht 
mehr dem Vikariatsstreit, sondern der Kaiserwahl. Im Laufe des August waren 
die Wähler und Wahlgesandtschaften in Frankfurt eingetroffen, und „hierauf 
nun fing sich das Spiel an: denn die Stadt Frankfurt“, wie das Theatrum Europaeum 
treffend sagt, „war für diesmal gleichsam wie ein Theatrum, oder Schauburg, 
worauf ganz Europa sein Interesse oder Angelegenheit abhandelte“ 808 ). Bei 
diesem Spiel aber war auch der Vikariatsstreit von nicht untergeordneter 
Bedeutung. Man muss den Ernst kennen, mit welchem fort und fort die 
beiderseitigen Ansprüche beim Reichskammergericht z. B. verfochten wurden, 
um die Aussichten der französischen Gesandten, welche von Bayern um den 
Preis der Kaiserwürde einen Verzicht auf das Vikariat erwarteten 809 ), in ihrem 
ganzen Unwert zu würdigen, wie es anderseits überhaupt gewiss ein eigenartiges 
Licht auf den Charakter jener Zeit wirft, dass der eine der beiden Konkurrenten, 
die sich nunmehr fast ein halbes Jahr laug aufs bitterste und oft in beschimpfender 
Weise bekämpften, dem andern seine Stimme zur Kaiserkrone geben sollte! 

Die französischen Gesandten hatten bei ihrem Besuche in Oppenheim 
Karl Ludwig die Erklärung gegeben, „dass es Se. Maj. billige, wenn der 
Pfalzgraf die schwebende Angelegenheit mit Bayern auf eine für ihn möglichst 
vorteilhafte Weise ordne“ 310 ). Nach ihnen war Wilhelm von Fürsten- 
berg nach Heidelberg gegangen, um dort eine Verständigung mit Kurbayern 


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Karl Lory 


an zubahnen 8,1 ). Karl Ludwig war auch wahrscheinlich in der That ent¬ 
schlossen, um den Preis des Vikariats, zu welchem er mit Hilfe der Mächte 
und der Kurfürsten zu gelangen hoffen mochte, Bayern seine Stimme zu 
geben: zu Bacharach verhandelten pfälzische und Trierer Kavaliere, ob Trier 
Kurpfalz den Vikarstitel geben wolle: von ersterer Seite aber wurde erklärt, 
Trier wolle sich in den Streit überhaupt nicht einmischen 812 ). Aber ohne 
bestimmte Aussicht auf Erlangung des Vikariats dachte Karl Ludwig 
zweifelsohne keinen Augenblick daran, Ferdinand Maria seine Stimme zu 
geben, trotz aller Hoffnungen der französischen Gesandten nach ihrer Rückkehr 
von Oppenheim war die pfälzische Stimme dem Habsburger so gut wie sicher, 
seit sich zeigte, dass Pfalz auf Unterstützung der Kurfürsten in Sachen der 
Reichsverweserschaft nicht rechnen dürfe. Und diese Gewissheit ergab sich 
für Karl Ludwig, mehr noch wie in Bacharach, in Frankfurt selbst 

Am 24. August bereits hatte sich Öxl bei den Kur-Trierischen Ge¬ 
sandten beschwert, dass „der Chur-Pfältzische seinen Gewalt sub nomine des 
Reichs-Vicarii eingegeben“; er begehrte, Mainz, Trier und Köln sollten das 
betr. Vollmachtsschreiben dem Pfälzer „extradiren“ und ihn zur Einsendung 
eines andern auffordern; er erhielt zwar den Bescheid, diese Frage könne 
anders als vor dem Kurkollegium nicht entschieden werden, gleichzeitig aber 
wurde er geradezu aufgefordert, bei Eröffnung der Sitzungen selbst die Sache 
nochmals vorzubringen, „zumalen als dann mit besserem Fug Chur-Bayern 
willfahret und Chur-Pfalz per collegiale conclusum remonstriret werden könnte, 
nachdem man Chur-Bayern pro Vicario Imperii erkannt, ihme auch alle mögliche 
Assistentz anerbotten“ 318 ). Am 7. November bei Verlesung der Vollmachten 
protestierte auch der pfälzische Gesandte gegen den Vikarstitel in der bayerischen, 
und in dem daraus sich entspinnenden Wortwechsel zeigte sich unzweideutig, 
dass in der Stellung der Kurfürsten noch keine Änderung eingetreten war: 
Brandenburg allein wollte eine gütliche Beilegung, ohne sich für und wider 
herauszulassen, Mainz, Trier und Köln dagegen, desgleichen Sachsen erklärten 
rundweg, dass sie nur Ferdinand Maria für den rechtmässigen Vikar 
halten könnten 814 ). Karl Ludwigs Hoffnungen waren auch von allem 
Anfang sehr gering gewesen: schon im Oktober hatte er sich Friedrich 
von Jena gegenüber bitter beklagt, er wäre seiner Macht meistenteils ent- 
blösst und überdies suche man ihm täglich auch noch „das Hinterstellige“ zu 
entziehen, er hätte sich auch im Reiche keiner Hilfe zu getrosten und müsse 
sich von jedermann urgieren lassen 816 ). 

Fest aber stand noch immer seine Hoffnung auf Schweden und Frank¬ 
reich 816 ), mit welch letzterem er zum Schutze seines Vikariats sogar ein 
Bündnis abschloss 317 ). Die französischen Subsidiengelder gedachte er in 
seinem Heere anzulegen 818 ). Gleichwohl wurden seine Aussichten immer 
ungünstiger. Je sicherer er auf Schweden rechnete, um so verdächtiger musste 
er Friedrich Wilhelm erscheinen, der längst schon aufgehört hatte, ein 
Bundesgenosse Karl Gustavs zu sein; jeder Schritt, um den sich der 
Kurfürst von Schweden entfernte, brachte ihn Ferdinand Maria in der 
Vikariatsfrage näher. Welcher Umschwung liegt allein schon darin, dass 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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Friedrich Wilhelm auch nur einen Augenblick an ein Regiment der 
Reichsvikare bis zur Volljährigkeit König Leopolds denken konnte, auch 
wenn er die diesbezüglichen Worte in der Instruktion für Canstein (vom 
13. Februar 1658) sofort wieder ausstrich 819 )! 

Und Friedrich Wilhelm trennte sich nicht nur von Schweden, 
er näherte sich umgekehrt in gleichem Verhältnis dem Hause Habsburg, an 
welches auch Ferdinand Maria schon längst — 24. August — einen 
Anschluss gefunden hatte: traten nun auch noch Österreich und Brandenburg 
entschieden auf die Seite der Gegner des Pfalzgrafen, so war das Vikariat für 
ihn — wenigstens für den Augenblick konnte niemand daran zweifeln — 
verloren. 

Ferdinand Maria war nichts weniger als geneigt, eine unsichere 
Kaiserkrone gegen das Reichsvikariat einzutauschen: er gab im Gegenteil 
seine Bewerbung um die erstere auf für die Zusicherung habsburgischer Unter¬ 
stützung, deren Spitze sich gegen niemand als den Pfalzgrafen richtete. Zu¬ 
gleich mit dem Schreiben an König Leopold, welches diesem die bayerische 
Stimme anbot, war an den Reichs Vizekanzler das Projekt eines bayerisch¬ 
österreichischen Bündnisses abgegangen, welches derselbe dem König und 
dem Erzherzog Leopold Wilhelm vorlegen sollte 880 ). Schon am 3. September 
versicherte darauf König Leopold dem Kurfürsten, er werde ihn mit aller 
Macht gegen alle zu besorgenden Gefahren — Ferdinand Maria mochte eine 
Einmischung Frankreichs in den Vikariatsstreit zu gunsten der Pfalz am 
meisten befürchten 881 ) — schützen und am 5. erhielt Graf Kurz 50000 Gulden 
von ihm ausgeworfen 388 ). Am 28. Oktober wurde im geheimen Rat, in An¬ 
wesenheit Erzherzog Leopold Wilhelms, des Fürsten von Auersperg, der 
Grafen Portia, Kurz und Schwarzenberg, ein „Assekurationsrezess“ zwischen 
Bayern und Österreich König Leopold vorgelesen und fand dessen Billigung; 
es hiess darin, dass bei jetziger aller Arten und Enden empor gehenden Kriegs¬ 
verfassung beide Häuser besser zusammen consolidirt und deren beständige 
manutenenz und Aufnehmen dergestalt versichert werden solle, dass sich ein 
Teil auf den andern in jeder Begebenheit kräftlich verlassen könne 885 ). Am 
1. Dezember erhielt Freiherr von Puecher Vollmacht „ad tractandum et con- 
cludendum“ mit dem bayerischen Hofkammer- und Kriegsrat Theissinger 884 ). 
Er hatte zunächst zu berichten, „was des Churfürsten Liebden vor ein corpo 
beisammen und was Sie noch weiter aufbringen wollen, und gegen wen die 
conjunction angesehen sein möchte“ 326 ). Die Nachrichten, die Puecher 
darüber nach Wien sandte, beweisen, dass die bayerische Kriegsmacht dem 
Rufe nicht mehr entsprach, den sie im Reiche genoss, dass man in München 
eine kriegerische Aktion der Pfalz mit auswärtiger Hilfe befürchte und sich 
darum des habsburgischen Schutzes versichern wolle, den Leopold auch für 
den Fall, dass die Wahl auf ihn falle, in Aussicht stellte 826 ). 

Nach dem Gesagten kann die Bedeutung des am 18. Jannuar 1658 
zwischen Bayern und Österreich abgeschlossenen Allianzrezesses 827 ) nicht 
zweifelhaft sein: Bayern wollte sich für den Fall, dass Frankreich sich des 
pfälzischen Vikariats annehmen sollte, der habsburgischen Hilfe versichern; 


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die sichere Zuversicht auf diese Bundesgenossenschaft mochte aber vielleicht 
an Stelle der unzweifelhaft vorhandenen Besorgnisse allmählich den Wunsch 
treten lassen, die Waffen überhaupt zur Entscheidung des Vikariatsstreites zu 
gebrauchen. Wenigstens riet Ferdinand Maria schon am 20. Februar zu 
einer Besetzung der böhmischen und (ober-)pfälzischen Grenzen unter Hinweis 
auf die von Frankreich drohende Gefahr 328 ). Ein Vierteljahr später aber trat 
ein unvorhergesehener Zwischenfall ein, der in Bayern den Entschluss zu einer 
kriegerischen Aktion zur Reife kommen liess. — 

Ferdinand Maria irrte sich hinsichtlich der Absichten Karl 
Ludwigs: dieselben waren durchaus friedliche. Die „assistenz“ der Friedens- 
garanten dachte sich der Pfalzgraf wahrscheinlich nie anders als einen Schieds¬ 
spruch hinsichtlich der Auslegung des Friedensinstrumentes. Was die 
französische Kriegshilfe betreffe, erklärte er anfangs April dem Kammerrichter, 
so wäre es ihm am liebsten, wenn auch die wenigen Franzosen, die in 
Frankenthal lagen, wieder daheim wären. Und dass diese Äusserung auf¬ 
richtig gemeint war, scheint kaum zweifelhaft: eine versöhnliche Stimmung 
scheint damals über den Pfalzgrafen gekommen zu sein, er sprach von end- 
giltiger Herstellung eines guten Einvernehmens mit seiner Gattin, und beklagte, 
dass man in Münster zu voreilig zu Werke gegangen sei, Bayern hätte besser 
gethau, die Hand von dem Besitz seiner engsten Anverwandten zu lassen 
und dafür die Lande ober der Enns zu behaupten 329 ). 

Nicht ohne Teilnahme wird mau diese Worte eines Fürsten, der gerade 
von denen, die ihm am nächsten standen, am schwersten gekränkt wurde, 
lesen können, um so mehr, als alle seine Hoffnungen eitel waren: der Sinn 
der Churfürstin Charlotte war nicht zu beugen, und Ferdinand Maria 
war nicht gesonnen, auf das Reichsvikariat zu verzichten oder auch nur diese 
Würde mit seinem Vetter zu teilen. 

b) Die Tintenfassszene und ihre Folgen. 

Am 3. Juli 1658 befahl Karl Ludwig, welcher an den Wahlver¬ 
handlungen persönlich teilnahm, seinem „Votanten“, ehe er sich über die 
damals behandelte Proposition „votando herauslasse“, eine an demselben Morgen 
verfasste Protestationsschrift abzulesen; der Inhalt derselben war ungefähr der, 
dass Kurpfalz Bayern nichts wolle eiugeräumt haben, sondern sich und seinen 
Nachkommen alle ihnen „competireude jura“, welche Bayern „teils zu turbiren 
teils gar zu benehmen“ und dadurch den Friedeusschluss selbst zu „durch¬ 
löchern“ sich unterstehe, „per expressum reservire“. 

Sofort erhob sich Öxl und erklärte, dieser Protest käme fast einer 
Friedensaufkündigung gleich; es könne wohl niemand etwas anführen, wo¬ 
durch Bayern gegen den Friedensschluss sich vergangen hätte; in Bayern sei 
man aber der Ansicht, man würde kurpfälzischerseits mit dem erhaltenen 
achten Platz „ruhiglich sich betragen und zufrieden sein können“. 

Karl Ludwig erwiderte darauf nur, „die bayerische reprotestation 
und reservation könne man ruhig auf ihrem Unwert beruhen lassen“ 880 ). Die 


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bayerische Gesandtschaft aber setzte am folgenden Tage einen Bericht über 
den Vorfall auf und sandte denselben mit Extrapost nach München. 

Ferdinand Maria fand ihre Reprotestation „ex tempore“ lobenswert, 
doch seien sie der „insolenten Zulag“ gegenüber „etwas laiss gangen“; Bayern 
könne die Bezichtigung des Friedensbruches nicht auf sich sitzen lassen; 
weshalb er es für nötig fand, unterm 11 . ihnen eine ausführliche Reprotestations¬ 
schrift zukommen zu lassen 881 ). Am 15. traf dieselbe in Frankfurt ein. 

Am folgenden Tage that Öxl vor der Sitzung „einem und andern 
Herrn Kurfürsten in generalibus davon Vermeidung“, dass er gegen die ueu- 
liche Auslassung des Pfalzgrafen etwas vorzubringen habe 382 ); dieser selbst 
wusste davon, dass etwas gegen ihn im Werke sei; wenigstens sagte er vor 
der Sitzung zu Johann Georg: „Ew. Ld., jetzt werden die Bayerischen über 
mich kommen“ 888 ). In der Sitzung selbst wurde über ein Memoriale des 
schwedischen Gesandten Bärenklau verhandelt. Nachdem Öxl sein Votum 
in dieser Sache abgegeben hatte, fing er an, „deutlich und laut, doch mit 
geziemender Bescheidenheit“ 334 ) die Tags zuvor eingetroffene Reprotestation 
stehend abzulesen; sämtliche Kurfürsten und kurfürstliche Gesandte, auch der 
Pfalzgraf selbst, hörten „attente“ zu, gerade der letztere, ein spöttisches Lächeln 
auf den Lippen 836 ), schien sich am wenigsten „commoviren“ zu lassen; hörte 
er ja doch auch aus dem Anfang des bayerischen Schriftstückes deutlich 
genug den Ärger seines Gegners heraus und konnte sich also mit Befriedigung 
gestehen, dass die pfälzische „protestatio“ ihren Zweck nicht ganz verfehlt 
habe. Als aber Öxl „circa medium“ von einer „Verwirkung“ der pfälzischen 
Kur vorlas, geriet der Pfalzgraf in heftige Aufregung und rief, es sei nicht 
wahr. „Was? Verwirkt? Es ist nicht wahr!“ „Dessen ungeachtet Dr. Öxl 
mit lössen fortgefahren“. Nun wandte sich Karl Ludwig an die übrigen 
Kurfürsten, sie sollten solches nicht leiden, es sei wider Friedensschluss und 
Amnestie 830 ), mehrmals diese Aufforderung wiederholend; „Dr. Öxl aberlass 
immerfort“, während Graf Hermann Egon von Fürstenberg replizierte, 
sie (die bayerischen Gesandten) hätten gemessenen Befehl, sie müssten dem¬ 
selben nachkotnmen, und man dürfe ihnen dieses nicht verdenken. Der Pfalz¬ 
graf wandte sich nun an das kurmainzische Direktorium, dasselbe solle weiteres 
Lesen verbieten, ja er soll auch geäussert haben, es werde ein Unglück ge¬ 
schehen (wenigstens will Ö x 1 solches nachträglich von dem kölnischen Oberst¬ 
hofmeister Franz Egon von Fürstenberg und den brandenburgischen 
Gesandten gehört haben), „als aber der Dr. Öxl sich dieses nicht irren liess, 
sondern in Ablesen immer fortfuhr und die Herren Kurfürsten dazu still 
schwiegen“, sprang der Pfalzgraf auf und lief auf Ö x 1 „mit der grössten 
furi“ 887 ) los, ja er soll sogar, so versicherte wenigstens der an seiner Seite 
sitzende Johann Georg Öxl selbst, etlichemal au den Degen gegriffen 
haben, Geheimrat von Hun aber fasste ihn beim Mantel und führte ihn auf 
die Seite, „sonsten hätte er mir richtig“ — wie Öxl, aber doch wohl mit 
Unrecht, vermeinte — „sein französisches Wehrl, so er tragt, über mich aus¬ 
gezogen und mir durch den Leib gestossen 888 ); Hun schien den Pfalzgrafen 
bereden zu wollen abzutreten, auch die auderen pfälzischen Räte kamen herbei 


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210 


Karl Lory 

und sprachen auf Karl Ludwig ein, „unterdessen thäte der Öxl alleweil 
fort lesen 1 *. Die Beschwichtigungsversuche der pfälzischen Räte waren unter 
solchen Umständen vergeblich, der Pfalzgraf stellte sich wieder vor Öxl hin, 
wahrscheinlich in der Absicht, ihm die Protestationsschrift zu entreissen. 
„Öxl aber wandte sich damit etwas auf die Seiten“, sodass der Pfalzgraf, 
da der Votantentisch dazwischen war, ihm nicht beikommen konnte ÖSÖ ), und 
liess sich auch dadurch nicht beirren, dass ihm, der Pfalzgraf mit der Faust 
drohte, als ob er ihn damit „an den Hals“ schlagen wollte 840 ). Da ergriff 
Karl Ludwig plötzlich ein vor dem sächsischen Votanten Dr. Strauch 
stehendes hölzernes Tintenfass und schüttete den Inhalt gegen die Repro¬ 
testation 341 ), Öxl aber merkte noch rechtzeitig sein Vorhaben und zog den 
Kopf zurück, brachte auch jedenfalls die Schrift rechtzeitig auf die Seite 842 ), 
sodass ihm die Tinte allein über den Leib, die rechte Hand, die er auf dem 
Tische liegen hatte, und die vor ihm gelegenen Akten, nur zum geringsten 
Teile aber über die Reprotestation selber 843 ) ablief. Weil aber auch dies Öxl 
noch wenig beirrte, warf der Pfalzgraf das Tintenfass selber nach ihm, Öxl 
aber retirierte hinter den zu seiner linken sitzenden kölnischen Kanzler 
Buschmann; scharf an des Doktors rechter Schläfe vorüber flog das Tinten¬ 
fass über alle hinter ihm sitzenden Votanten („so meistens vornehme Reichs¬ 
grafen, Freiherrn und Cavaglieri wahren“) „mit grossem impetu“ durch die 
ganze Länge des Zimmers hinweg und prallte an der Wand ein Stück zurück, 
seinen Inhalt über die hinter Öxl Sitzenden vollends ausgiessend; am 
schlimmsten war Graf Franz Egon von Fürstenberg weggekommeu, 
dem Mund und Gesicht mit Tinte besudelt wurden, während die Übrigen mit 
Flecken auf Haar und Kleidung davonkamen; auch der Pfalzgraf selbst hatte 
sich „hin und wieder“ sehr beschmutzt. 

„Als solches geschehen, sind gleich sowohl die sämmtlichen Herren 
Kurfürsten als Gesandte alle aufgestanden, und ist ein ziemlich Gedräng 
worden, der Dr. Öxl aber ist an seinem Ort strack stehen verblieben, und 
hat ohne einiges Aussetzen, auch ungeachtet aller solchen Begebniss, je länger, 
je lauter fort gelesen, dass man es auch unter dem Tumult wohl hören können, 
bis ers zum End gebiacht“. „Und versichere ich Ew. Exzellenz bei dem 
wahren Gott“, schreibt er an Valley, „dass ich hiezu sei resoluirt und in- 
capricirt gewesen, dass wenn schon der Pfalzgraf auf mich gefahren und ge¬ 
hauen hätte, ich doch vom Ablesen nicht aufgehört haben wollte, solange 
ich ein Wort mit Augen sehen und mit dem Mund aussprechen können“. 
Öxl wird wohl überhaupt nicht ganz von dem Vorwurf freigesprochen werden 
können, in seinen Berichten etwas zu starke Farben aufgetragen zu haben; 
er behauptete nicht nur, der Pfalzgraf habe ihm die Tinte ins Gesicht schütten 
wollen, er bemühte sich auch, den Glauben zu erwecken, derselbe habe bei 
seinem Wurfe die Absicht gehabt, ihn schwer zu verletzen, wenn nicht gar zu 
töten, während Karl Ludwig doch wohl nichts weiter wollte, als ihm auf 
eine drastische Weise den Mund stopfen. Öxl benützte jede Gelegenheit, um 
zu betonen, wie er „wahrlich des Todes eigen gewesen wäre“ 344 ), hätte ihn 
der Wurf an die Schläfe getroffen; in diesem Sinne sprach er sich in dem schon 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 21 I 

erwähnten „Gegenbericht“ aus, in diesem Sinne schrieb er vor allem auch 
an Graf Kurz 845 ), und zwar an diesen in besonders humoristischer Weise. 
„Gott hat mich sonderbar behütet, dass, obwohl die kurpfälzische Furie auf 
mich allein angesehen gewesen, andere benachbarte Beisassen fast mehreres 
gelitten haben, denn ich, weil die Färberei bloss über meine Handdözeln, 
angehabten schwarzen Rock und vor mir gelegene Schriftereien abgelaufeu. 
Hätt er mich an die Schlaf getroffen, wär ich wahrlich des Todes gewesen“ 540 ). 
Doch war es gewiss weniger das Bestreben, aus seinem Verhalten irgendwie 
eine Heldeuthat zu machen, was Öxl dazu veranlasste, als vielmehr die 
Absicht, den Vorfall seines lächerlichen Charakters zu entkleiden, und, in 
richtiger Erkenntnis gewisser Stimmungen und Neigungen in München, viel¬ 
leicht sogar einen casus belli daraus zu konstruieren. — 

Während Öxl mit unerschütterlicher Ruhe seine Reprotestation zu 
Ende las, nahmen die Kurfürsten und andere den Pfalzgrafen in ihre Mitte 
und suchten ihn zu „appaisiren“, Karl Ludwig war aber noch immer wütend 
und rief, damit sei nun die amnistia und alles aufgehoben, das instrumentum 
pacis werde nicht gehalten und dergl., er soll sogar, als Hermann Fürsten¬ 
berg wiederholte, was Öxl thue, thue er aus gemessenem Befehl, geantwortet 
haben: „Wenn Euer Herr selbst da wäre, so thät’ ich’s ihm eben auch also 
machen, und wenn er auf dem Altar stünde!“ 347 ). Öxl aber, als er zu Ende 
gekommen, rief den Versammelten „eifrig“ zu, sie hätten selbst gesehen, 
welcher Gestalt der Pfalzgraf mit ihm verfahren wäre, diese grosse Schmach 
und iujuri betreffe nicht ihn in particularibus, sondern seinen gnädigsten 
Herrn, aus dessen Befehl und Mund er geredet, er wolle darwider soleinnissime 
protestiert haben, sein gnädigster Herr werde es wissen zu retorquiren; er 
bitte um Schutz und Schirm, weilen er dergestalt seines Lebens von dem 
Pfalzgrafen nicht gesichert, es sei eine unerhörte Sach’, und würde dergleichen 
in dem kurfürstlichen Collegio, so lange es steht, nicht wohl vorgegangen sein. 

Die Stimmung der Zuschauer bei dieser „atramentarischen action“ war 
geteilt Die brandenburgischen Gesandten waren geneigt, Karl Ludwig 
gegen die ihm „in faciem“ gesagten „Injurien“ in Schutz zu nehmen, als die 
wirklich Schuldigen erschienen denselben die anwesenden Kurfürsten, welche 
den Vorfall recht wohl hätten verhindern können 848 ). Dieses Urteil ist auch 
entschieden richtig: Die Herren Kurfürsten, soweit sie anwesend, waren aus¬ 
schliesslich Gegner des Pfälzers, vergönnten diesem wahrscheinlich von ganzem 
Herzen die ihm widerfahrene Demütigung, ihnen mochte der ganze Vorfall 
im Geheimen Freude bereiten, keiner von ihnen rührte sich, um denselben 
zu verhindern, und erst als sie die Worte Öxls daran erinnerten, dass der 
Vorfall ernste Vernickelungen nach sich ziehen könnte, beeilten sie sich, ihre 
Vermittlung anzubieten. Für den Augenblick aber hörte man wahrscheinlich 
nur Stimmen der Entrüstung: vornehmlich diejenigen, „so obgedachter 
Massen bemakelt worden“, Hessen „allerhand Reden schiessen, dass dies gar 
keine Manier, wer solcher Gestalt Gesandter sein wolle?“ 349 ) Eine, wenn sie 
richtig ist, bemerkenswerte Äusserung soll Johann Georg Öxl gegenüber 
gemacht haben: er begehre zwar nicht Öl ins Feuer zu giessen, aber „der 


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2 I 2 


Kart Lory 


Teufel hole ihn vor seinem (Ö xls) Augesicht, wenn er nicht dem Pfalzgrafen, 
da er ihm dieses gethan hätte, den Krieg ankünden wollte, und sollte er wissen, 
dass er Land und Leute, ja sein Leib und Leben darüber verlieren müsse“ 350 ). 

Das Nächste war nun, dass die Kurfürsten, Johann Philipp an der 
Spitze, den Pfalzgrafen sowohl wie die bayerischen Gesandten bewogen, sich 
zurückzuziehen 3öl ); Öxl that es nicht anders, als indem er nochmals feierlichst 
gegen diese „Verletzung des Völkerrechtes“ protestierte. Die Kurfürsten waren 
ziemlich einig darin, dass der Pfalzgraf angehalten werden solle, sich zu ent¬ 
schuldigen ; von Kur-Sachsen 362 ) und den brandenburgischen Gesandten wurde 
vorgeschlagen, man solle Kur-Bayern durch einige am Münchener Hofe gut 
angeschriebeneu Personen die Sache so darstellen lassen, als habe der Kurfürst- 
Pfalzgraf nur im Eifer und aus Übereilung gehandelt, ihrer Meinung nach 
anlässlich der harten Worte, die Öxl beim Ablesen oft vorgebracht, ein Vor¬ 
schlag, der nach längerem Debattieren endlich angenommen wurde 853 ). Um 
ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, wurde ausserdem noch 
beschlossen, ein Kurfürst, der sich wieder Derartiges zu schulden kommen 
liesse, solle für die Dauer der betreffenden Versammlung, gleichviel, ob Wahl-, 
Reichs- oder sonst irgend ein Tag, Sitz und Stimme verlieren, eine ähnliche 
Handlung seitens eines Gesandten solle ganz die gleichen Folgen nach sich 
ziehen, als hätte sein Herr dieselbe persönlich begangen 854 ); doch hätte man 
sich in Zukunft überhaupt aller derartigen Protestationen und Reprotestatiouen, 
die zum „Hauptwerk“ nicht gehören, zu enthalten, wenn man nicht gewärtigen 
wolle, dass die Kurfürsten dieselben überhaupt nicht anhören, sondern sofort 
aufstehen und davon gehen würden 855 ). 

Der Pfalzgraf wurde von diesen Beschlüssen in Kenntnis gesetzt und ihm 
das Versprechen abgenommen, die bayerische Gesandtschaft nie wieder zu be¬ 
helligen; die letztere wurde überdies wiederholt gebeten, in anbetracht der 
Wichtigkeit der Verhandlungen nicht den Sitzungen etwa ferne zu bleiben; eine 
bindende Zusage in dieser Richtung war aber von derselben nicht zu erlangen. 

Es war gegen drei Uhr Nachmittag geworden, bis man sich nach dieser 
denkwürdigen Sitzung trennte. 

Nachträglich scheint Karl Ludwig sein unparlamentarisches Auftreten 
doch leid geworden zu sein; wenigstens suchte er, wie Öxl 86C ) es ausdrückt, 
allerlei colores hervor, um seine „atramentarische action“ nicht so gar schwarz 
erscheinen zu lassen. Die Hauptschuld suchte er auf Öxl zu schieben, in¬ 
dem er augab, er habe auf denselben einen Privatgroll gehabt 357 ), auch sei 
er der Meinung gewesen, die vorgeleseue Reprotestationsschrift sei von den 
Gesandten selbst verfasst gewesen 808 ). Öxl berichtet auch, er sei bei den 
Kurfürsten herumgefahreu und habe sich entschuldigt; „ja er deprecirt sogar 
bei allen denen cauaglieren und kurfürstlichen Räten, auch bei den Doktorn, 
die er mit Diuten bespritzt; dem Dr. Thena hat er ein schönes mit stattlich 
spüz aufgemachtes Hembd, Überschlag und Handtdäzeln, weil er ihm das 
Seinige schändlich verderbt gehabt, pro indemnisatione ins Haus geschickt, 
dieser aber solches dem Pfalzgrafen wieder zurückgeschickt mit dem Vermelden, 
er sei mit dergleichen Waar selbsten noch wohlversehen“. — 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 213 


Von den Gesandten Ferdinand Marias wurde beschlossen, trotz 
aller Gegenvorstellungen die Sitzungen bis auf Weiteres nicht mehr zu be¬ 
suchen, dagegen aus ihrer Mitte einen Vertreter an den Kurfürsten zu sendeu; 
Graf Otto, Erbtruchsess zu Friedberg und Trauchgau, wurde dazu ausersehen. 
Maximilian Heinrich von Köln liess denselben vor seiner Abreise zu 
sich berufen und übergab ihm ein Schreiben an Ferdinand Maria, worin 
derselbe ersucht wurde, das Werk reiflich zu überlegen und einen dem 
Frieden im Reiche dienenden Entschluss zu fassen, im übrigen dem Erb¬ 
truchsessen „gleich ihm selbst“ Glauben beizumessen 859 ); von dieser zweiten 
Mission ihres Kollegen hatten die beiden anderen bayerischen Gesandten 
(oder jedenfalls Dr. Öxl wenigstens) keine Ahnung. 

Graf Otto stand bereits „in procinctu“ 80 °), während noch an dem 
Konzept des „Summarischen Berichtes“ geschrieben wurde; mittlerweile er¬ 
schienen der mainzische Domkapitular Wilderich von Walderdorf und 
der sächsische Bevollmächtigte Herr von Friesen, stellten sich als die 
Abgeordneten der Kurfürsten vor und drangen abermals in die bayerischen 
Gesandten, die Sitzungen doch ja zu besuchen, ohne jedoch mehr als eine 
ausweichende Antwort zu erzielen. Der Erbtruchsess reiste dann abends 
6 Uhr ab, die kurfürstliche Deputation erst zwei Tage später, weil Friesen 
im letzten Moment erkrankte; gleichwohl traf die letztere unmittelbar nach 
dem bayerischen Abgeordneten in München ein. 

Alles hing nun davon ab, ob in München die beruhigende, be¬ 
schwichtigende Darstellung des Kurfürstenkollegiums oder jener „Gegenbericht“ 
überwog, den Öxl, die scheinbar plötzlich total veränderte Stimmung der 
Kurfürsten wohl bemerkend, zu Papier gebracht hatte. „Es scheinet“, schrieb 
er darin, „als ob die Herren Kurfürsten verlangen, den Pfalzgrafen in ihrem 
Land pro vicario zu haben, damit er ihnen und ihren Uuterthanen wie den 
Bischöfen zu Worms und Speier die Platten auf kalvinisch desto besser 
scheeren könnte“. Das Verhalten der Kurfürsten gegenüber dem Vikariats¬ 
streit gleicht eben beinahe einem Spiel mit dem Feuer: alle, mehr oder 
weniger dem Pfalzgrafen gram, hatten demselben gern alle Demütigungen 
vergönnt, hatten Ferdinand Maria in seinem Auftreten gegen denselben 
bestärkt und gegen denselben aufgereizt, um dann jetzt, da ihr Verhalten 
schlimme Früchte zu tragen drohte, auf Seite seines Gegners sich zu neigen 
und durch einen moralischen Druck wenigstens Ferdinand Maria zu ver¬ 
hindern, die Konsequenzen zu ziehen, die er aus ihrer früheren Haltung 
immerhin ziehen durfte. Und ein Umschwung hatte sich schon längst vor¬ 
bereitet; schon seit Beginn des Wahltages war die mainzische Politik mehr 
oder weniger Hand in Hand mit der pfälzischen gegangen, und wenn auch 
zu Beginn der Verhandlungen noch die Parteinahme für Ferdinand Marias 
Reichsvikariat feststand, allmählich scheint wenigstens die mainzische Politik 
mit dem Gedanken sich vertraut gemacht zu haben (wenn sie im geheimen 
nicht schon von jeher diesen Gedanken hatte), der Vikariatsstreit müsse nach 
Beendigung der Wahl auf einer Reichsversammlung zum Austrag gebracht 
werden. Mainzischerseits war mau ja, wie bereits dargethan, jedenfalls von 

Bayer. Forschungen, VII, 3. 15 


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214 


Karl Lory 


Ferdinand Maria in seinen eigennützigen Erwartungen getauscht worden; 
man neigte darum jetzt notgedrungen zu einer friedlichen Vergleichung mit 
dem Pfalzgrafen und ein Gerücht hatte Öxl sogar davon Kunde gebracht, 
diese Vergleichung sei bereits vollzogen. Nun aber war dem Erzkanzler 
Gelegenheit zur Wieden-ergeltung gegeben: nun drang er darauf, dass 
Ferdinand Maria ebenfalls sich vergleiche, und seinem Einfluss gelang 
es leicht, auch die anderen, ohnehin für die Erhaltung des Friedens besorgten 
Kurfürsten für seine Absichten zu gewinnen. 

Dr. Öxl war über die mainzische Zumutung, man solle sich mit Kur¬ 
pfalz vergleichen, sehr entrüstet: zuerst, meinte er in seinem „Gegenbericht“, 
habe man von einem Vergleiche immer abgeraten; auch solle Mainz sich zuerst 
wegen der Wildfäng und der Wormser Rheinfahrt vergleichen nach dem 
Grundsätze: primum trabem ex oculo tuo: habe sich aber Mainz bereits ver¬ 
glichen, wie man sagen wolle, dass es geheim geschehen, so sei das wider 
die Allianz mit Bayern; überhaupt sei „die Relation Facti“ in dem Berichte 
der kurfürstlichen Gesandtschaft „gar sicce und fast gänzlich in fauorem 

Palatini eingerichtet“, die Fassung eines neuen conclusum sei sogar gegen die 
goldene Bulle, welche genau vorschriebe, was in derartigen Fällen zu geschehen 
habe; wenn aber die Kurfürsten die Sache so darstellten, als wolle man den Friedens- 
garanten keine Einmischung ermöglichen, so sei das vollends lächerlich, Frankreich 
und Schweden ginge die Sache überhaupt nichts an, sondern den Kaiser, 

das Reich und die Stände: zudem seien die beiden Mächte Partei, Frankreich 
wegen der Allianz mit Pfalz, Schweden „aus mehrfältig bekannten respecten“. 

Aber Ferdinand Maria konnte die vom Kurfürstenkollegium ange¬ 
botene „Interposition“ auch nicht abschlagen, ohne das Odium einer absicht¬ 
lichen Friedensstörung auf sich zu laden. Dass er vielleicht nicht abgeneigt 
gewesen wäre, zu einem entscheidenden Schlage auszuholeu, und dass ihm 
der Vorfall selbst aus diesem Grunde nicht einmal ungelegen kam, scheinen 
mir die hohen Lobeserhebungen zu beweisen, die er am 21. Mai bereits 

Dr. Öxl zugehen liess 801 ). Und ausserdem hatte doch immerhin einer von 

den Kurfürsten ohne Vorwissen der übrigen ihm in einer Weise geschrieben, 
dass dieselbe seine Zuversicht erheblich verstärken musste, wenn auch 
immerhin nicht zu vergessen war, dass der Betreffende von der bayerischen 
Stimme vor allem die Kaiserkrone sich erwartete: ein eigenhändiges Schreiben 
König Leopolds vom 15. Mai hatte dem bayerischen Kurfürsten die Ver¬ 
sicherung gegeben, derselbe werde nichts versäumen, was er Ferdinand 
Marias „Hoheit und reputation zum besten werde thun und prestiren können“, 
er erwarte, was ihm zu solchem Ende werde „au die Hand“ gegeben werden 862 ). 
Die Antwort, die ihm Ferdinand Maria vierzehn Tage darauf zugehen liess, 
ist der beste Beweis dafür, dass der Kurfürst, wenn schon er „zur Bezeigung 
seines friedliebenden Gemüthes“ die Interposition nicht gänzlich von der Hand 
wies, sich doch von derselben nur wenig versprach: er sei neugierig, schrieb 
er, welche Mittel zur Erlangung einer gebührenden Satisfaktion man ihm 
vorschlagen werde; jedenfalls aber wisse er, was dergleichen Vermessenheit 
für eine Ahndung erfordere, er müsse sich daher Vorbehalten, das Nötige 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 2 15 


zur Wiederherstellung der Ehre seines Hauses ins Werk zu setzen, sei 
auch bereits begriffen, alle dazu nötigen Dispositionen zu treffen. Ein 
Postskriptum vom folgenden Tage Hess sich noch deutlicher aus: zwar sei 
die allgemeine Ruhe billig einem „particularresentiment“ vorzuziehen, im 
Notfälle aber glaube er dem Pfalzgrafen gewachsen zu sein; sollte derselbe 
aber irgendwoher Assistenz erwarten, so hoffe der Kurfürst, Leopold werde 
sich seiner soweit annehmen, als das königliche Handbriefei und der zwischen 
ihnen aufgerichtete Rezess erwarten lasse 363 ). 

In diesem Sinne fiel auch der Bescheid, den sich die kurfürstliche 
Deputation in München holte, aus: derselbe war eine vollständige Recht¬ 
fertigung Öxls; die Interposition würde um „eines lieben Friedens“ willen 
und nur unter der Bedingung angenommen, dass die notwendige „reparation* 
ohne Verzug in zufriedenstellender Weise geleistet werde; die Einwilligung 
zum Wiedererscheinen der bayerischen Gesandtschaft auf den Verhandlungen 
wurde zwar erteilt, aber nur gegen die schriftliche Erklärung, dass die Inter¬ 
position und die daraus hervorgehende „Satisfaktion“ innerhalb dreier Wochen 
bewerkstelligt werde 864 ). Die Gesandtschaft selbst erhielt durch den Erb¬ 
truchsess den Auftrag übermittelt, das Satisfaktionswerk nach allen Kräften 
zu betreiben 86B ). 

Die Vorgänge, die sich aber inzwischen in Frankfurt abspielten, Hessen 
es sehr zweifelhaft erscheinen, ob die dreiwöchentliche Frist eingehalten 
werde. Zugleich zeigte sich immer deutlicher, dass man den Pfalzgrafen 
Öxl gegenüber verteidigte und den letzteren als den einzigen Schuldigen 
hinstellte 366 ). Johann Georg, vielleicht vom Erzkanzler darauf aufmerksam 
gemacht, was für Folgen aufreizende Reden den Gesandten gegenüber haben 
könnten, hielt es jetzt plötzlich für genügend, wenn der Pfalzgraf ein paarmal 
von den Sitzungen fern bliebe; der Erzkanzler selbst erbot sich, es dahin zu 
bringen, dass die bayerischen Gesandten von dem Kurfürstenkolleg ersucht 
würden, sich wieder einzufmden, „ihr Erscheinen solle ihnen zu keinerlei 
praejudicio gereichen“; am 29. Mai nahmen dieselben dann auch, vom Kur¬ 
fürsten unterm 21. dazu angewiesen, den Besuch der Sitzungen wieder auf 367 ). 
Als der Erbtruchsess am 5. Juni nach Frankfurt zurückkam, versuchte man 
ihn auszuforschen, was für eine Satisfaktion Ferdinand Maria eigentlich 
erwarte; wohl absichtlich aber hatte der Kurfürst mit der Begründung, 
er als „pars laesa“ könne in dieser Hinsicht nichts thun, sich darüber nicht 
näher ausgelassen. Inzwischen kamen die Pfingsfeiertage heran, und die 
meisten Kurfürsten, auch verschiedene Gesandte verliessen Frankfurt 368 ) — 
die drei Wochen waren vorübergegangen, ohnedass das Satisfaktionswerk 
auch nur in Angriff genommen worden wäre. 

Am 17. Juni erst fand sich das Kurkollegium bemüssigt, Ferdinand 
Maria mitzuteilen, man sei bereit, das Satisfaktionswerk „in die Hand“ zu 
nehmen 369 ). Der Kurfürst antwortete mit immer neuen Aufforderungen zur 
Beschleunigung, mit immer neuen Befehlen an seine Gesandtschaft, das Werk 
soviel als irgend möglich zu betreiben. Doch versprach er sich augenschein¬ 
lich nur wenig davon, jedenfalls befürchtete er, dasselbe würde auf die lange 

15* 


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2 16 Karl Lory 


Bank geschoben werden, und je unerträglicher es ihm sein musste, solange 
einer Genugthuung zu entbehren, um so natürlicher war es, dass der Gedanke, 
sich mit den Waffen dieselbe zu verschaffen, abermals und zwar vielleicht 
lebhafter als je vorher sich geltend machte. Am 19. Juni fragte er bei König 
Leopold an, ob er von ihm gegebenen Falles 4000 Mann zu Fuss und 
2000 Reiter haben könne, am 7. Juni antwortete derselbe, in seinen Grenz¬ 
gebieten stünden 2500 Mann Fussvolk und 1500 Mann Reiterei, jeden 
Augenblick bereit zu marschieren; binnen Monatsfrist hoffe er, dem Kur¬ 
fürsten überdies 5—6000 Mann zur Verfügung stellen zu können 870 ). Der 
Pfalzgraf selbst befürchtete eine kriegerische Aktion seines Gegners. Er 
wandte sich schon zwei Tage nach jener Szene vom 16. Mai an die aus¬ 
schreibenden Fürsten des fränkischen Kreises mit dem Ersuchen, Ferdinand 
Maria von Thätlichkeiteu abzuraten, jedenfalls ihm aber den Durchzug zu 
verweigern; diebetreffenden Fürsten, Philipp Valentin von Bamberg 
sowie der Burggraf Georg Albrecht von Nürnberg, baten daraufhin 
den Kurfürsten, es doch nicht zum Äussersten kommen zu lassen, erhielten 
aber nur die Antwort, welche Ferdinand Maria jeder Friedensmahnuug 
gegenüber hatte: niemand könne es ihm verdenken, wenn er das, was er 
auf andere Weise nicht erhalten könne, mit allen ihm zu gebotet stehenden 
Mitteln ins Werk zu setzen suche 871 ). Die Anfrage aber, ob die bayerischeu 
Truppen das mainzische Gebiet passieren dürften, brachte endlich auch Leben 
in die Frankfurter Verhandlungen. 

Johann Philipp beeilte sich, Öxl gegenüber von einer kriegerischen 
Aktion aufs lebhafteste abzuraten : Bayern würde dadurch nur den Anschein 
erwecken, als verschmähe es die bereits im Werk begriffene „Interposition“ 
der Kurfürsten, auch wäre es jedenfalls eigentümlich, wäre Ferdinand Maria 
der erste, der den Frieden störte, nachdem das Reich sich wieder eines 
Oberhauptes erfreue. Der Erzkanzler machte in dieser Audienz (18. Juli) kein 
Hehl daraus, dass er sich an die vor einem Jahre abgeschlossene Allianz nicht 
mehr für gebunden erachte, kaum auch, dass er seinen Ärger über die 
Schwenkung Bayerns nach der habsburgischen Seite hin verbergen konnte; 
vom Hause Habsburg selbst sprach er, wie man es von einem Satelliten 
Frankreichs nicht anders erwarten konnte, wie von einem Friedensstörer und 
Unruhestifter. Aber das Satisfaktionswerk wurde jetzt doch wenigstens 
energischer als zuvor gefördert; am 19. Juli gedieh dasselbe soweit, dass es 
zu seiner Vollendung nur noch der Erklärung Ferdinand Marias bedurfte, 
der bayerischen Reprotestati011 sei eine beleidigende Absicht nicht zu gründe 
gelegen; daraufhin sollte dann der Pfalzgraf seinerseits erklären, das Vor- 
gegangeue sei ihm leid und nur ex praecipitantia geschehen, er wünschte, es 
wäre unterblieben 372 ). Ferdinand Maria allerdings war mit diesem Modus 
sehr wenig einverstanden, er beklagte sich, dass nun Bayern gleichsam den 
Anfang machen solle, den pfälzischen Exzess zu entschuldigen, bevollmächtigte 
aber doch seine Gesandten 378 ) zur Abgabe der Erklärung, die bayerische 
Reprotestation habe keinen anderen Verstand gehabt, als der pfälzischen 
Protestation zu begegnen und deren „Unerheblichkeit“ darzuthuu. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


217 


Auf dieser Grundlage kam dann am 2. August, am Tage nach der 
Krönung Leopolds, die Interposition der Kurfürsten zum Abschluss und 
ein Gesamtschreiben des Kollegiums teilte Ferdinand Maria am darauf¬ 
folgenden Tage die ihm geschehene Geuugthuung mit 874 ). Auch Kaiser 
Leopold benützte die Gelegenheit, den Kurfürsten zum Frieden zu ermahnen 
und ihn zu ersuchen, sich mit der vom Pfalzgrafen geleisteten Genugthuung 
zufrieden zu geben 876 ). 

Ferdinand Maria hatte immerhin etwas erreicht: die Wahlversammlung 
ebenso wie der vorausgegangene Deputationstag hatte sich mit der rechtlichen 
Seite des Vikariatsstreites nicht befasst, und wenn hier wie dort einer der 
beiden Prätendenten de facto Anerkennung gefunden hatte, so durfte Ferdinand 
Maria sich schmeicheln, dass er es gewesen; er hatte um den Preis des 
Verzichtes auf eine unsichere Kaiserkrone das Ziel einer längst traditionell 
gewordenen Politik seines Hauses erreicht, wenn es ihm gelang, vom Kaiser 
die Konfirmation seiner Vikariatshandlungen und daneben die Kassation aller 
pfälzischen zu erzielen: dadurch war das Recht Bayerns auf die Würde der 
Reichsverweserschaft offiziell anerkannt 

An diesem letzten Erfolge aber konnte er keinen Augenblick zweifeln. 

c) Ein Umschwung. 

Am 31. Juli verkündigte Ferdinand Maria sämtlichen Ämtern seines 
Landes, dass das heilige römische Reich am 18. desselben Monats wieder ein 
Oberhaupt erhalten habe und seine Reichsverweserschaft „für diesmal“ beendigt 
sei 876 ). An den Ständen des Reiches selbst scheint das Ende des ersten 
bayerischen Reichsvikariats sang- und klanglos vorübergegangen zu sein; nur 
die getreue Reichsstadt Regensburg gratulierte dem Kurfürsten zur glücklichen 
Führung des Vikariatsamtes unter Segenswünschen für sein ferneres Wohl¬ 
ergehen 377 ). 

Das Herkommen erforderte es, dass der Kaiser die Handlungen der 
Reichsvikare alsbald nach seinem Regierungsantritt ausdrücklich bestätigte, 
ein Artikel der Wahlkapitulation pflegte ihn gewöhnlich dazu zu verpflichten 878 ). 
Auch Leopolds Kapitulation enthielt einen nach der herkömmlichen Schablone 
verfassten Artikel, der sich auf das Reichsvikariat bezog 879 ). Allein in dem¬ 
selben war nur „de ipsis juribus“ 880 ) die Rede, Personen wurden darin über¬ 
haupt nicht genannt, jedenfalls auf grund des am 16. Mai gefassten Beschlusses, 
wonach der Vikariatsstreit auf dem Wahltag überhaupt nicht mehr angeschnitten 
werden durfte. Statt dessen war man auf den Ausweg verfallen, König 
Leopold sollte Ferdinand Maria und Johann Georg einen Revers 
ausstellen, welcher das Versprechen der kaiserlichen Konfirmation enthalten 
und ganz die gleiche Bedeutung wie ein Artikel der Wahlkapitulation selbst 
haben sollte. Von bayerischer Seite war man bemüht, auch das Versprechen 
einer Kassation der pfälzischen Vikariatshandlungen in diesen Revers zu 
bringen; aber alle Bemühungen Dr. Öxls in dieser Beziehung scheiterten an 
der hartnäckigen Weigerung des sächsischen Rates Friesen, der, wie Öxl 


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Karl Lorv 


nur zu wohl wusste, bei Johann Georg allein etwas in staatsrechtlichen 
Fragen galt; es blieb Öxl nichts übrig, als von Leopold selbst und dem 
Reichsvizekanzler ein diesbezügliches Versprechen auszuwirken 881 ). Beide 
erklärten sich in zuvorkommendster Weise dazu bereit, und da die Ver¬ 
handlungen wegen der erwähnten Kassationsklausel die Ausstellung bis über 
die Wahl hinaus verschleppten, wurde der Revers auf den 16. Juli zurück¬ 
datiert 882 ); einige Zeit nach seiner Krönung — mit Datum vom 5. August 1658 
— wurde Bayern auch die kaiserliche Kassation der pfälzischen Vikariats¬ 
handlungen eingehändigt 888 ). 

Eine enge Verbindung zwischen München und Wien schien sich an¬ 
zubahnen. Von Leibifing über neue Versuche des Pfalzgrafen unterrichtet, 
die Anerkennung des pfälzischen Vikariats beim Kammergericht durchzusetzen, 
beschwerte sich Ferdinand Maria beim Kaiser 384 ), und dieser zögerte nicht, 
dem Gerichte eine Weisung zugehen zu lassen, mit der man in München 
sehr wohl zufrieden sein konnte 886 ). Auf der Rückreise von Frankfurt be¬ 
suchte Leopold den Kurfürsten in München, der Wortlaut des Konfirmatoriums 
wurde genau festgestellt, Ferdinand Maria überdies des kaiserlichen 
Schutzes in der Vikariatsfrage neuerdings in unzweideutigster Weise ver¬ 
sichert. Am 8. November endlich wurde im geheimen Rat in Wien das 
Projekt einer „engeren Verbindung“ zwischen Bayern und Habsburg eingehend 
beraten. Ursprünglich war als zweiter Artikel die Zusicherung österreichischer 
Unterstützung gegenüber allen pfälzischen Ansprüchen auf das Reichsvikariat 
gedacht, dieser Passus aber wurde gestrichen, und darauf das Projekt, von 
einem kaiserlichen Handschreiben begleitet, nach Müncheu gesandt 886 ). Dort 
hätte man wahrscheinlich eine andere Antwort gefunden, wäre der ursprüngliche 
zweite Artikel noch vorhanden gewesen; so aber hielt Ferdinand Maria die 
Zeit noch nicht für gekommen, eine derartige engere Verbindung einzugehen 387 ); 
schon zuvor waren zur Empfangung der Lehen und Regalien zwei notorische 
Franzosen freunde, Graf Fürsteuberg und Dr. Schrnid, nach Wien gesandt 
worden 388 ). 

Diese ablehnende Haltung Bayerns erscheint um so unbegreiflicher, 
als man in München über die zwischen Mainz und Pfalz erfolgte Annäherung 
genau unterrichtet war. Hätte Ferdiu and Maria auf einer ausdrücklichen 
Erwähnung des Vikariats in dem Projekt bestanden, so hätte Leopold 
zweifelsohne nachgegeben, nachdem man in Wien anfänglich von freien Stücken 
gesonnen war, ihm dieselbe anzubieten; aber während man in München sonst 
bei allen denkbaren Gelegenheiten die Vikariatsfrage in den Vordergrund 
drängte, während man die kleinste Reichsstadt um die Anerkennung quälte, 
hier, wo vieles, wenn nicht alles auf dem Spiele stand, vermied man ein ent¬ 
schiedenes Vorgehen, zweifelsohne um den treulosen Johann Philipp und 
seinen Verbündeten, Ludwig XIV., nicht zu reizen 889 ); Bayern, das anfangs 
so energisch vorgegangen, als es galt, die Kleinen und Kleinsten im Reiche 
seine Macht fühlen zu lassen und Patente und Traktate ohne Zahl in die 
Welt zu senden, zögerte hier auf dem Gebiete der grossen Politik, wo es sich 
wirklich um die Entscheidung handelte, wiederholt — es wird noch darauf 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


219 


zurückzukommen sein — eine günstige Gelegenheit zu benützen; einer von 
den anfänglich errungenen Vorteilen nach dem andern glitt ihm aus den 
Händen, und statt einer raschen Entscheidung war der Erfolg endlose neue 
Verhandlungen und schliesslich ein Kompromiss, vor dem man sich in München 
doch anfangs sorglich hüten wollte. 

Der Kaiser antwortete in der gleichen Weise, wie man in München 
sich verhalten hatte: als Bayern auf Ausstellung des Konfirmatoriums drang, 
beeilte sich der Kaiser damit ebensowenig wie zuvor der Kurfürst mit der 
ihm angebotenen engeren Verbindung, und als man von ihm ein Mahnungs¬ 
schreiben an den Erzkanzler verlangte, hielt man in Wien dasselbe für ebenso 
unzeitgemäss, wie man zuvor in München die Weiterführung des Allianz¬ 
projektes gehalten hatte. Und doch wäre gerade jetzt für die Sache des 
bayerischen Vikariats ein fester Rückhalt notwendig gewesen. 

Jener berüchtigte Ausspruch Johann Philipps „Ne sit jurgium inter 
fratres!“ hatte zwar eine Aussöhnung zwischen der mainzischen und der über 
ihre Misserfolge in der Wahlfrage gereizten französischen Partei dokumentiert, 
die Missstimmung beider gegen Bayern aber war geblieben 890 ). Allmählich 
hatte das Projekt des Rheinbundes immer festere Gestalt angenommen, Freunde 
und Feinde des bayerischen Reichsvikariats vereinend, — Braunschweig und 
Hessen so gut wie der Pfalzgraf selbst waren dabei beteiligt. Mainz aber als 
Haupt des Bundes musste daran liegen, mit Karl Ludwig sich auszusöhnen. 
Durch französische Vermittlung kam auch in der That ein Ausgleich wegen 
der bestehenden Misshelligkeiten zustande, und ein geheimer Artikel sicherte 
Kurpfalz ausserdem die Unterstützung des Erzkanzlers wegen eines dritten 
Reichsvikariats zu, das durch Verwendung der Kurfürsten errichtet und wo¬ 
durch der Vikariatsstreit aus der Welt geschafft werden sollte 891 ); sollten die 
Kurfürsten nicht dazu zu gewinnen sein, so versprach der Erzkanzler die 
Sache auf den nächsten Reichstag zu bringen 892 ). Der ganze Vertrag war 
ein Meisterstück mainzischer Schacherpolitik, die unter Wahrung aller ihrer 
eigenen Interessen fremde Rechte, Rechte eines Bundesgenossen obendrein, 
verkaufte, und jedenfalls ein Beitrag zur Charakteristik dieses Schönborn, 
der unter dem Deckmantel seiner Friedenspolitik eigenen Vorteil wohl zu 
wahren wusste. Glückte es ihm, sein Versprechen zu realisieren, so durfte er 
an dem Beitritt des Pfalzgrafen zur rheinischen Allianz — denn dahin zielten 
ja wohl auch vor allem diese Liebeswerbungen — nicht mehr zweifeln. 

Die nächste Folge des mainzisch-pfälzischen Vertrages war, dass der 
Erzkanzler ein Kollegialschreiben zur Mitunterfertigung bei den Kurfürsten 
herumschickte, in welchem Ferdinand Maria die vom Pfalzgrafen geleistete 
Satisfaktion offiziell mitgeteilt und zum Schluss die Interposition der Kur¬ 
fürsten auch in der Rechtsfrage in Aussicht gestellt wurde. Dr. Öxl erhielt 
durch seine geheimen Verbindungen noch während seiner Anwesenheit in 
Frankfurt davon Nachricht. Ferdinand Maria wandte sich au den 
Kaiser 398 ), und dieser erklärte sich mit dem Vorhaben des Kurfürsten, das 
betreffende Schreiben, wenn noch irgend möglich, abzufangen, einverstanden 
im übrigen aber, war seine Antwort, ,habe es bei dem zu verbleiben, wozu er 


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Karl Lory 


sich jüngst zu München erboten“, dass er nämlich „zu mehrerer Feststellung 
Kurbayerns diesfalls habenden Rechtes“ bei der neuen Investitur sich in specie 
auf die früheren von 1623, 1628 und 1638 beziehen, und dem Kurfürsten 
„von tragenden kaiserlichen Amts wegen“ allen Schutz widerfahren lassen 
werde 894 ). Einige Zeit später wurde dann jenes schon erwähnte Allianzprojekt 
ausgearbeitet, und wenn darin der Artikel über das Reichsvikariat gestrichen 
wurde, so geschah es wohl nur, um den Schein einer feindlichen Spitze gegen 
den Rheinbund zu vermeiden, vielleicht auch, um die Frage der Interposition 
nicht durch eine voreilige Gegenaktion ins Rollen zu bringen. Sicherlich 
aber konnte Bayern nach dem zuvor gewechselten Meinungsaustausch an der 
österreichischen Unterstützung hinsichtlich des Vikariats mit Recht wenigstens 
keinen Augenblick zweifeln; hätte Ferdinand Maria vorurteilslos die Lage 
überschaut, so hätte er sich nicht verhehlen können, dass er wie der Kaiser 
in den Rheinbundfürsten mindestens keine Freunde sehen durfte, und dass 
ihnen gegenüber ein Rückhalt nicht schaden könne. Durch die Zurückweisung 
des Projektes aber verletzte er nicht nur den Kaiser, seinen natürlichen Bundes¬ 
genossen, er setzte sich überdies noch der Gefahr aus, demselben verdächtig 
zu fallen. 

Zu spät gingen dem Kurfürsten die Augen auf; erst als der Erzkanzler 
gerade entgegen den Bestimmungen des bayerisch-mainzischen Vertrags den 
Vikariatsstreit vor das Kurfürstenkollegium zu ziehen suchte, scheint es ihm 
klar geworden zu sein, dass er von dieser Seite nichts mehr zu erwarten habe. 
Denn zunächst scheint er noch immer gezweifelt zu haben, ob Johann 
Philipp mit einer öffentlichen Begünstigung des Pfalzgrafen Ernst machen 
werde. Am 17. Oktober sandte er dem Kurfürstenkollegium einen Protest 
gegen die Zumutung, sein Recht durch eine „Interposition“ in Zweifel ziehen 
zu lassen 896 ). Während er aber noch an die Mehrzahl der Kurfürsten einzeln 
sich wandte mit leeren Redensarten, er wolle hoffen, man werde ihm nichts 
präjudizieren, er sehe nicht ein, wozu eine Interposition dienen könne u. s. w., 
bereiteten der Pfalzgraf und der Erzkanzler einen neuen, schweren Schlag 
gegen ihn vor, und nur ganz besonders glücklichen Umständen hatte er es 
zu verdanken, dass derselbe nicht ein vernichtender wurde, dass ihm derselbe 
sogar einen neuen, starken Bundesgenossen brachte, dessen Hand der Kurfürst 
freilich abermals zurückwies. 

Der Pfalzgraf fürchtete die Ausstellung des kaiserlichen Konfirmatoriums 
für seinen Gegner und wandte sich an seinen neuen Bundesgenossen mit der 
Bitte, dieselbe zu hintertreiben; als Johann Philipp dem pfälzischen ge¬ 
heimen Rate Frays, den er zwar sehr ehrenvoll aufgenommen hatte, bedeutete, 
er werde das nicht wohl können, wenn der Kaiser die feste Absicht habe, 
schrieb ihm Karl Ludwig am 8. Oktober, derartige Konfirmatorien pflegten 
zur Erlangung der Giltigkeit vom Erzkanzler gegen gezeichnet zu werden, er 
solle sich daher gegebenen Falls dessen weigern; eine andere Angelegenheit 
schien ihm aber für den Augenblick dringlicher: er erinnerte den Kurfürsten 
an „die zu veranlassende bewusste Erörterung der Hauptsach“ 89Ä ). Kur-Mainz 
hatte nämlich, wovon der Pfalzgraf natürlich unterrichtet war, ein vom 24. Juli 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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datiertes Schreiben Karl Gustavs von Schweden, worin Ferdinand Maria 
in der schärfsten Weise des Friedensbruches bezichtigt und die Kurfürsten 
zum Einschreiten gegen ihn aufgefordert wurden 897 ), bisher zurückgehalten. 
Auch jetzt noch zögerte J o h a n n Philipp, wahrscheinlich selbst etwas bange 
vor den etwaigen Folgen dieser unerhörten Anmassung eines fremden Staates 
in internen Angelegenheiten des Reiches, mit der Veröffentlichung. Am 
29. Dezember aber machte er Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg davon 
Mitteilung mit der Motivierung, er hätte es aus Rücksicht auf den lieben 
Frieden gerne ganz unterdrückt, sei aber in einer Weise gedrängt worden, 
dass er nicht länger damit habe zurückhalten können 398 ). Zwei Tage später 
schickte Blum seinem Freunde Öxl Nachricht von diesem Schritte seines 
Herrn nach München, worin er denselben freilich auch so gut als möglich 
zu entschuldigen suchte und die Sache so darstellte, als bedauere dieser 
selbst, nicht anders haben handeln zu können 899 ). Der Erzkanzler aber beeilte 
sich, den ersten Teil jenes geheimen Artikels zur Ausführung zu bringen: 
Blum selbst wurde nach München gesandt, er hatte den Auftrag, dem Kur¬ 
fürsten kurz und bündig zu erklären, der Erzkanzler halte es für erspriesslich, 
dass der Vikariatsstreit vor dem Kurfürstenkollegium als der gesetzlichen 
Instanz ausgetragen und der Pfalzgraf ein drittes Vikariat erhalten würde 400 ). 

Der Bescheid, den Blum erhielt, war ein abschlägiger, wie auch nach 
dem bisherigen Verhalten Ferdinand Marias nicht anders zu erwarten 
stand; man könne in München diesen Gesinnungswechsel überhaupt nicht 
begreifen und habe auch keine Lust, sein klares Recht in Zweifel ziehen 
zu lassen 401 ). Und gleichzeitig hätte sich dem Kurfürsten Gelegenheit ge¬ 
boten, den Angriff des Erzkanzlers zu einer Waffe wider seine Gegner zu 
gestalten und damit seinem abschlägigen Bescheid einen realen Rückhalt zu 
geben. Denn bei den meisten Kurfürsten hatte die Veröffentlichung des 
schwedischen Schreibens das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung hervor¬ 
gebracht. Nicht einmal der Kölner, nächst Mainz das einzige Mitglied des 
rheinischen Bundes im Kurfürstenkollegium, war für die Interposition; er 
suchte zwar seinen Alliierten, von dessen guter Absicht er überzeugt sei, 
notdürftig zu entschuldigen, verhehlte aber nicht, er hätte gewünscht, die 
Sache „ohne Schmälerung der Rechte Bayerns“ zum Austrag zu bringen 402 ). 
Sachsen aber, vor die Notwendigkeit gestellt, dem Reformierten seine Dienste 
anzubieten, beeilte sich, Johann Philipp seine Missbilligung der vor¬ 
genommenen Veröffentlichung des schwedischen Schreibens auszudrücken 408 ) 
und Ferdinand Maria seiner nach wie vor unveränderten Gesinnung zu 
versichern 404 ). Jene beiden Kurfürsten aber, welche anfänglich an den 
Rheinbund Verhandlungen teil genommen hatten, dann aber zurückgetreten 
waren, äusserteu sich noch deutlicher. Karl Kaspar von Trier liess 
das Mainzische Schreiben überhaupt unbeantwortet und versicherte Ferdinand 
Maria, er werde stets für Bayerns Rechte eintreten 405 ); in der Folgezeit trat 
dieser Kurfürst in jene Mentorrolle ein, welche in den Anfängen des Vikariats¬ 
streites Johann Philipp gespielt hatte, und ohne die Ferdinand Maria 
augenscheinlich nicht weiter zu kommen wusste. Vor allem aber brachte die 


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Karl Lory 


schwedische Aumassung nun auch noch den einzigen Kurfürsten, der bisher 
in der Vikariatsfrage eine neutrale Zurückhaltung beobachtet hatte, Friedrich 
Wilhelm von Brandenburg, zu offener Parteinahme : für die bayerische 
Sache. Friedrich Wilhelm hatte schon längst mit Karl Gustav, 
seinem natürlichen Gegner, gebrochen; eine Annäherung desselben an den 
Kaiser war eingetreten; dem Rheinbundsprojekt war er von Anfang an nur 
scheinbar günstig gegenüber gestanden. Jetzt war er der erste, welcher 
Johann Philipp in der schärfsten Weise antwortete: er habe von Bayern 
niemals auch nur das Geringste vernommen, was einer Friedensstörung gleich 
komme; und mit Bezug auf die schweren Ausfälle, die Karl Gustav sich 
auch gegen den Kaiser erlaubt hatte, meinte er, es sei nur allzubegreiflich, 
dass Schweden dem Kaiser abhold sei, denn es greife die Reichsgesetze an, 
die der Kaiser schützen wolle 406 ). Ferdinand Maria, von Trier über 
Friedrich Wilhelms Antwort insgeheim unterrichtet, bedankte sich dafür 
in Berlin und erhielt darauf eine Antwort, welche einem Bündnisantrag so 
ziemlich gleichkam. Der Kurfürst sei ihm keinen Dank schuldig, antwortete 
Friedrich Wilhelm, er habe nicht mehr gethan, als einem Kurfürsten in 
dergleichen occasion zu thun obliege; sie sollten sich gegenseitig vertraulich 
ins Benehmen setzen und sich bei dem Bestreben, des hl. Reiches tranquillität 
und Sicherheit zu befördern, unterstützen, da er allein auf die Dauer dazu 
kaum imstande sein dürfte, worauf noch ein nicht misszuverstehender Hin¬ 
weis auf die Mittel, die Bayern an die Hand gegeben wären, folgte; was den 
Mainzischen Vorschlag eines dritten Vikariats betreffe, so thue zwar der Erz¬ 
kanzler, als ob solches lediglich von ihm allein dependierte, allein auch 
Brandenburg befinde sich dabei merklich interessiert 407 ). Ferdinand 
Maria antwortete darauf, er werde des Kurfürsten Unterstützung wegen des 
dritten Reichsvikariats durch einen nicht geringeren Eifer für die branden- 
burgischen Angelegenheiten erwidern, versprach auch seinerseits für des 
Vaterlandes Wohlfahrt und Ruhe nach Kräften wirken zu wollen, aber die 
Gelegenheit zu einem engeren Zusammenschluss mit Brandenburg-Preussen 
liess er doch ungenützt vorübergehen 408 ). Freilich blieben die freundschaft¬ 
lichen Beziehungen zwischen München und Berlin bestehen 409 ), wie Friedrich 
Wilhelm auch wohl der einzige war, der auf Ferdinand Marias Auf¬ 
forderung hin 410 ) dem Pfalzgrafen eine scharfe Mahnung zur Ruhe zugehen 
liess 411 ); aber wie ganz anders hätte sich die Lage gestaltet, hätte man in 
München die Allianz mit Habsburg nicht von der Hand gewiesen und die¬ 
selbe nunmehr durch Heranziehung Preussens zu einem Bunde ausgestaltet, 
der wohl imstande gewesen wäre, dem Rheinbund die Wagschale zu halten! 

Ferdinand Maria hatte nicht gezögert, dem Kaiser von Blums 
Anbringen und dem darauf erteilten Bescheid Nachricht zu geben; daran 
hatte er die Bitte geknüpft, Mainz als Antwort auf die Veröffentlichung des 
schwedischen Schreibens eiu kaiserliches „Abmahnungsschreiben“ zukommen 
zu lassen, zugleich war Dr. Schmid angewiesen worden, die Ausstellung 
desselben beim Reichsvizekanzler zu fördern 413 ). Der Kaiser lobte nun aller¬ 
dings den dem Blum gegebenen Bescheid als wohldurchdacht, den Augenblick 



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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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zu einem solchem Abmahnungsschreiben hielt er aber noch nicht für ge¬ 
kommen 418 ). Am schmerzlichsten jedoch musste man in München jetzt em¬ 
pfinden, dass in Wien nicht mehr die frühere Bereitwilligkeit den Wünschen 
Bayerns gegenüber vorhanden war, als man auf Ausfertigung des ver¬ 
sprochenen Konfirmatoriums drang. Schon Ende des Jahres 1658 hatte 
Schmid wegen desselben angefragt, man hatte ihm geantwortet, die 
Vikariatshandlungen seien dem Reichshofrat zur Begutachtung und Prüfung 
vorgelegt worden, nachdem derselbe die Akten bereits remittiert, werde das 
Konfirmatorium alsbald ausgestellt werden. Ferdinand Maria beschwerte 
sich aufs höchste, dass seine Vikariatshandlungen beim Reichshofrat „gleich¬ 
sam in einen Prozess“ gezogen würden, und Schmid drang neuerdings auf 
die Ausfertigung der Bestätigung. Am 27. Januar aber wurde ihm eröffnet, 
dieselbe werde nur unter der Bedingung erfolgen, dass Bayern die Exemption 
sämtlicher habsburgischer Erblande von der Machtbefugnis der Reichsvikare 
anerkenne, dass die Bestätigung den Parteien nicht die üblichen remedia juris 
benehme, und dass von einer Insinuation der Bestätigung beim Reichshofrat 
Abstand genommen würde.. Auch die Bemerkung, das Konfirmatorium habe 
die gleiche Bedeutung wie ein Artikel der Wahlkapitulation, wurde verweigert 
Schliesslich erklärte man Schmid überhaupt, Sachsen habe noch nie ein 
Konfirmatorium eingeholt, man glaube, es werde auch diesmal davon Abstand 
nehmen. Umsonst waren alle Bemühungen S c h m i d s, alle Mahnungsschreiben 
und Bitten, alle Klagen und Vorwürfe des Kurfürsten; überall hatte man 
darauf nur Ausflüchte und Ausreden auf den Karneval und -die Fastenzeit; 
in der Hauptsache aber blieb man fest. Schmid hatte bereits in allen 
Punkten nachgeben müssen, nur auf die Insinuation beim Reichshofrat glaubte 
Bayern nicht verzichten zu können. Ein schwerer Schlag für die bayerische 
Sache war auch die tödliche Erkrankung des Reichsvizekanzlers. Schon war 
das Abberufungsschreiben au Schmid auf dem Wege, als endlich, am 18. April, 
ein Reskript der kaiserlichen Kanzlei den Reichshofrat anwies, auf grund 
der bayerischen Vikariatshandlungen, welche dem Kurfürsten vom Kaiser 
bestätigt worden wären, in Zukunft zu verfahren. Doch soll nicht unerwähnt 
bleiben, dass der Reichshofrat schon zuvor auf grund der bayerischen Vikariats¬ 
handlungen erkannt hatte, wovon Schmid durch den Augenschein sich zu 
überzeugen Gelegenheit geboten war. 

.Noch länger als die Insinuation des Konfirmatoriums beim Reichs¬ 
hofrat verzögerte sich das Abmahnungsschreiben an den Erzkanzler, um dessen 
Ausfertigung der Kurfürst wowöglich noch dringender gebeten hatte. Am 
21. April — wahrscheinlich unter dem Eindruck der Abberufung Schmids — 
erklärte sich der Kaiser dazu bereit, falls der Kurfürst es durchaus wünsche; 
am 8. Mai hatte Ferdinand Maria mit neuen Bitten geantwortet, aber 
erst am 9. Juli (!) wurde das Konzept eines solchen nach München gesandt, 
und der Kurfürst, dem diese Frage wie grausamer Hohn klingen musste, 
wurde nochmals gefragt, ob er denn die Absendung wirklich wünsche; am 
25. Juli erfolgte die Antwort aus München, und nun erst ging das Schreiben, 
allerdings auf den 8. Juli zurückdatiert, nach Mainz ab. In demselben drückte 


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Karl Lory 


der Kaiser sein Befremden darüber aus, dass Mainz ihm nicht auch das schwedische 
Schreiben mitgeteilt habe, daran war eine kurze Ermahnung zur Erhaltung des 
Friedens geknüpft, Mainz solle sich der mit so grosser Mühe endlich ab¬ 
gehandelten Sache nicht weiter annehmen 414 ). 

Unterdessen war die Zeit gekommen, da sich auf Einladung des Kaisers 
hin die Reichsstände und ihre Deputierten in Regensburg versammeln sollten. 
Von seinen ehemals treuesten Bundesgenossen konnte Ferdinand Maria 
nur noch auf Karl Kaspar von Trier mit Bestimmtheit rechnen, welcher 
den ganzen Sommer 1659 hindurch fortgesetzt in freundschaftlichen Be¬ 
ziehungen zum Münchener Hofe blieb. Die Haltung des Kölners dagegen 
war mehr als zweifelhaft; er hatte Ferdinand Maria geschrieben, das ge¬ 
samte Kollegium sei bei dem schwedischen Schreiben interessiert, er werde 
sich angelegen sein lassen, dass durch dasselbe dasjenige in die Hand ge¬ 
nommen werde, was zu ungekränkter Erhaltung des Friedensschlusses diene 
-- Worte, welche nach Belieben gedeutet werden konnten 41 r> ). Mainz aber 
hatte jetzt sogar einen neuen Grund, gegen Ferdinand Maria Stellung zu 
nehmen; dieser (und mit ihm Trier, Sachsen und Brandenburg) begünstigte 
ja die vom Kaiser gewünschte Verlegung des Reichstages nach Regensburg 
und hatte auch Johann Philipp dafür zu gewinnen gesucht; ein un¬ 
genannter Mainzischer Beamter verfasste daraufhin eine kurze Denkschrift, 
welche ein helles Licht auf die wachsende Abneigung gegen Bayern in 
Maiuzischen Kreisen wirft: er halte es für schändlich, dass der Erzkanzler sich 
mit dem Bayern noch weiter in disputat einlassen solle; man möge demselben 
simpliciter bedeuten, dass keine translatiou alicuius publici conventus per privata 
suffragia, sondern allein per publica conclusa vorgenommen werden könne 416 ). 

Der Wille des Kaisers blieb aber schliesslich doch stärker als der 
Widerstand des Kurfürsten von Mainz; die Verhandlungen zu Regensburg 
begannen, und Johann Philipp musste, wollte er den Verpflichtungen des 
Vertrages mit dem Pfalzgrafen nachkommen, die Frage eines dritten Vikariats 
hier zur Sprache bringen. 


Anhang 1. 

Die litterarisch e Fehde. 

Der erste Ausbruch zwischen Bayern und Pfalz produzierte eine Anzahl 
von Traktaten und Flugschriften, welche in ermüdender Breite die in der 
Einleitung auseinandergesetzten Rechtsgründe wiederholten und daher nur der 
Vollzähligkeit halber hier aufgezählt werden sollen. 

Das M. St. A. 417 ) bewahrt in zwei Abschriften das Gutachten des Reichs¬ 
hofrates Bonn „über die Bewandtnis der Reichsvikariaten“, worin die Gründe 
pro et contra ohne Parteinahme für einen der beiden Konkurrenten abgewogen 
werden. Kanzler Schmid, welcher die Mehrzahl der bayerischen Streit¬ 
schriften, wie er von sich selbst gesteht, verfasste, stellte an der Hand dieses 
Gutachtens, jedenfalls als Grundlage seiner weiteren Arbeiten in dieser Richtung, 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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„Rationes Notabiliores, Quare Vic. Imp. spectet ad sereniss. Elect. Bavariae, 
non Palatinum“ zusammen 418 ). In Druck erschienen von bayerischer Seite: 

1. Chur-Bayerischer Gegen - Bericht, dass das Vicariat - Recht, vermöge 
der Chur-Würde, Chur-Bayern und nicht Chur-Pfaltz zustehe. München, 
1657. 4°. 4,# ). 

2. Fernere Anzeigung über die Chur-Pf alt zische Ableinungsschrift, das 
Vicariat betreffend. Frankfurt a. M., 1657 42 °). 

3. Endliche abgenötigte Ableinung der Churpfältzischen Abfertigung 
des Vikariats. München, 1658 421 ). 

4. Refutation du Manifeste Palatin, contenante les preuves evidentes du 
Droit, que etc. Ferdinand Marie, Duc des deux Bavieres etc. et sa Maison 
Electorale a au Vicariat du S. Empire k l’exclusion de Charles Louys, Comte 
Palatin, etc. ä Munich, 1657 422 ). — Auch lateinisch als Refutatio solida etc. 

5. Wenige Gedanken, von was importanz und Erheblichkeit das von 
Chur-Heidelberg den 1. Mai dieses 1657. Jahrswegen des hl. Reichs Vicariat in 
offenem Druck ausgegangene manifest sein möge. — Das Konzept im M. St. A. 
ist datiert: Amberg, 15. Juni 1657; unterzeichnet ist Adam Lorenz 
Bohembt, Canzler. 

Alle diese Schriften sind also nur Antworten auf pfäzische Angriffe; 
von seiten Karl Ludwigs wurde bereits am 1. Mai 1657 die literarische 
Fehde eröffnet durch 

1. Kurtzer und summarischer Bericht, dass das Vicariat in den Landen 
des Rheins etc. Chur-Pfaltz zustehe und gebühre. Heidelberg, 1657 428 ). 

2. Ableinung des von Chur-Bayern in puncto juris Vicariatus wider den 
Chur-Pfältzischen summarischen Bericht ausgegangenen Gegenberichts. 1657 424 ). 

3. Chur - Pfälzische Abfertigung der ferneren Anzeige wegen des am 
Rhein, Schwaben und fränkischen Reich-Vikariats. Heidelberg 1658 425 ). 

4. Manifeste pour etc. Charles Louis, Comte Palatin etc., contenant 
un abrege des raisons de son Droit sur le Vicariat de 1 ’Empire daus les Cercles 
du Rhin, de la Suebe et du Droit Franconique. Heidelberg 1657 426 ). 

5. Discours sur les affaires d’Allemagne, et sur le Vicariat de rempire. — 
Das 322 Seiten starke Buch ist dem Herzog von Gramont gewidmet die 
Widmung ist unterzeichnet E. S. (Ezechiel Span heim? vergl. Jöcher, 
Gelehrtenlexikon). 

6. Vicariatus Imperii Palatiuus, defensus auctore Nordenio 417 ). 

Schon im April 1657 hatte Weyprecht von Gemmigen Karl 

Ludwig auf Hermann Conriug in Helmstädt aufmerksam gemacht 428 ). 
Der Pfalzgraf hatte diesen Wink nicht unbeachtet gelassen, und bereits im Juli 
war ein Traktat Con ri n gs „de defensioue juris Palatini“ nahezu fertig, eine 
Reise des Gelehrten nach Ostfriesland scheint aber die Publikation verhindert 
zu haben 429 ). Da kam im folgenden Jahre das Manuskript des „Vicariatus 
Defensus“ dem Pfalzgrafen zu Gesicht und gefiel ihm so wohl, dass er es 
drucken liess; erst nachdem dies geschehen, wurde ihm Hermann Conring 
als Verfasser bekannt 480 ). Derselbe war mit der vorgenommenen Veränderung 
der Schlusspartie (er hatte hier die Entscheidung dem Reichstag resp. den 


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Karl L,ory 


Reichsständen anheim gestellt) freilich nicht so ganz einverstanden 481 ), erklärte 
auch, wegen der grossen Entfernung von Helmstädt keine Verbesserungen 
vornehmen zu können, überliess es aber im übrigen dem Kurfürsten, mit dem 
Traktat nach Belieben zu schalten und zu walten, nur sollte derselbe das 
Pseudonym wahren 482 ). In Anerkennung seiner Dienste liess ihm Karl 
Ludwig durch Kanzler Mi eg einen Pokal im Werte von 40 rheinischen 
Thalern zustellen 438 ). 

Es soll hier nicht vergessen werden, zu erwähnen, dass derselbe Conring 
sich von Ferdinand Maria als Reichsvikar ein Privileg gegen Nachdruck 
seiner Bücher ausstellen liess. 

Anhang 2. 

Der „Proventus Imperii“ durch Bayern (und Sachsen). 

Anfangs fehlte es nicht an Versuchen der beiden Reichsvikare, wegen 
gemeinsamer Inangriffnahme der Reichsgeschäfte sich zu vereinigen. Sehr 
bald aber schon kam man davon wieder ab, und nur gering sind im allge¬ 
meinen die „Vikariatshandlungen“, die wir zu verzeichnen haben. 

Am 2. Mai hatte Ferdinand Maria den beiden Reichsfiskalen 
Pley mann und Reste au die Übernahme des Vikariats an gezeigt 434 ); am 
8. Mai 1657 sandte ihm darauf der erstere seinen Glückwunsch mit der 
Nachricht, das pfälzische „Ansinnen“ habe er unbeantwortet gelassen 436 ). 
Auf die Aufforderung der Reichsvikare hin wies er sich am 5. Juni über 
den Stand der Reichsfinanzen aus, bitter über die säumigen Zahler im Reiche 
sich beklagend und die Unterstützung der Vikare gegen sie anrufend 436 ). 
Allein sein Kollege Reste au bereitete die ersten Schwierigkeiten, er weigerte 
sich, vor den Gesandten der Vikare in Frankfurt mit Pley mann abzurechnen; 
letzterer starb im Herbste des nämlichen Jahres, Sachsen und Bayern beeilten 
sich, die Versiegelung seiner Kasse vorzunehmen, der Pfalzgraf wies seinen 
Kanzler an, dafür zu sorgen, dass auch von pfälzischer Seite die Versiegelung 
vorgenommen werde 487 ). Die erledigte Reichspfennigmeisterstelle erhielt auf 
Verwendung des Erzbischofs von Trier hin der Freiherr von Hohenfeld, 
der durch die Gesandten der Reichsvikare in Frankfurt in Pflicht ge¬ 
nommen wurde 438 ). 

Vor allem aber beeilten sich sämtliche drei Reichsvikare, Vikariats¬ 
gerichte ins Leben zu rufen. Näheres konnte der Verfasser nur bezüglich des 
bayerischen eruieren. Im ganzen wurden hier 159 Gerichtshändel ver- 
beschieden. Zahlreich waren die erteilten Privilegien gegen Nachdruck von 
Büchern, auch die Erlaubnis zur Wappenänderung wurde wiederholt aus¬ 
gesprochen; mehrere Nachkommen unehrlicher Leute wurden ehrlich erklärt, 
einige wirkten wohl auch den Schutz des Vikariatsgerichtes aus, dass 
ihnen begangene Übelthaten „nicht schädlich sein sollten“. Die Klientel des 
Vikariatsgerichtes beschränkte sich natürlich hauptsächlich auf Bayern und 
die angrenzenden Teile Frankens und Schwabens. Nach Ablauf des Vikariats 
wurden die Gerichtsakten an den Reichshofrat gesandt, nur die Duplikate 
wurden zurückbehalten 439 ). 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


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Einen politischen Beigeschmack haben die Versuche Ferdinand 
Marias, beim Reichshofrat die zur Fortführung einiger Prozesse not¬ 
wendigen Akten ausgeliefert zu erhalten, Versuche, welche trotz aller Be¬ 
mühungen zu keinem Resultate führten; dieselben erinnern lebhaft an die 
Bestrebungen des Kurfürsten, das versprochene Konfirmatorium auszuwirken. 
Seit dem 27. Juli 1657 bemühte sich Ferdinand Maria fort und fort, 
durch Vermittelung des Erzkanzlers beim Reichsvizekanzler die Auslieferung 
der Akten durchzusetzen. Im Dezember endlich gab Johann Philipp dem 
Grafen Kurz wiederholt den entsprechenden Befehl, widerrief denselben aber 
am 4. Januar 1658 wenigstens hinsichtlich des Prozesses der Brüder Öttingen, 
nachdem der eine der letzteren ihn am 21. Dezember darum ersucht hatte; 
Graf Kurz aber war ohnehin nicht gesonnen, auch nur einen einzigen Akt 
ausliefern zu lassen, er antwortete dem Erzkanzler mit steten Versicherungen 
seiner Bereitwilligkeit, doch sei noch niemand erschienen, um die Akten ab- 
zuliolen u. s. w.; am 20. März erklärte er endlich Ferdinand Maria 
selbst rundweg, er könne aus administrativen Gründen die nach dem Tode 
des Kaisers versiegelten Akten nicht eröffnen 440 ). — 

Ein von Dr. Gay ausgestelltes „Gutachten über die quaestion, ob die 
Reichsvasallen sede Caesarea vacante adeoque durante Vicariatu die Reichs¬ 
lehen intra annum et diem sub caducitate bei diesem Vicariat zu empfangen 
haben“ 441 ), kam zwar zu dem negativen Resultat, ein derartiges Unterfangen 
könne grossen Nachteil nach sich ziehen, und es sei nicht consilii, solches 
zu versuchen; als aber verschiedene Reichsstädte, darunter Nürnberg und 
Strassburg, nach Ablauf der gesetzlichen Frist hei Ferdinand Maria um 
kurze Verschiebung des Termins zur Lehenserneuerung einkamen 442 ) und 
der Kurfürst daraus ersehen mochte* dass im Reiche da und dort wenigstens 
eine von Dr. Gays Gutachten abweichende Auffassung vorhanden sei, er¬ 
schienen am 11. April gedruckte Patente, welche zur Rekognition und Wieder¬ 
empfang der Reichslehen binnen Monatsfrist aufforderten 448 ). Am j, 10, Mai 
folgten die pfälzischen 444 ). 74 Reichsvasallen meldeten sich daraufhin beim 

Vikariatsgericht an und empfingen von demselben ihre Lehen aufs neue, 
darunter die schwäbische Reichsritterschaft des Donauviertels, die Reichs¬ 
ritterschaft im unteren Eteass, sämtliche Grafen Fugger, die Freiherm 
von Freiberg, der Dompropst zu Constanz, der Abt zu Elchingen, der Abt 
zu Kempten, der Abt zu St. Emmeram, die Städte Nürnberg, Augsburg, 
Frankfurt, Strassburg, Kempten, Kaufbeuren, Altdorf, Ulm u. s. w. — 

Die gedrängte Übersicht über die Vikariatshaudlungen Ferdinand 
Marias wäre unvollständig ohne die Erwähnung seines Eingreifens in den 
Wildfangstreit und in die sog. Münsterische Fehde, in welcher er gemeinsam 
mit Johann Georg vorging. 

Schon Ende Mai 1657 empfahl Emmerich Dr. Öxl wiederholt und 
dringend, bei Ferdinand Maria dahin zu wirken, dass sich derselbe des 
durch den Wildfangstreit hart bedrängten Bischofs von Speier annehme 445 ). 
Von Leibifing scheint darauf nähere Information wegen des Wildfangrechtes 
eingeholt worden zu sein, und am 16. Juli schrieb der Kurfürst demselben, 


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228 


Karl Lory 


da er die Nachricht erlangt habe, dass das Wildfangrecht kraft der auf ihn 
und seine Nachkommen transferierten Kurwürde, des Truchsessenamtes und 
insonderheit der davon dependierenden Vikariatsgerechtigkeit ausgeübt werde, so 
sehe er sich genötigt, den pfälzischen Anmassungen entgegenzutreten 446 ). Es 
erschien in der That ein Patent, welches das Wildfangrecht für Bayern in An¬ 
spruch nahm 441 ), dabei aber hatte es sein Verbleiben, und in Speier und an anderen 
Orten dürfte mau wohl über diese merkwürdige Hilfeleistung die Köpfe ge¬ 
schüttelt haben. 

In der Fehde zwischen dem Bischof Bernhard und der Stadt 
Münster, welche mit den Hansastädten und Niederlanden gegen ersteren sich 
verbündete, richteten beide Reichsvikare wiederholt Gesamtschreiben an die 
Stadt wie an den Bischof, alle im Sinne einer Mahnung zum Frieden abge¬ 
fasst; da dieselben aber auf den Gang der Fehde kaum einen Einfluss aus¬ 
übten, kann von einem näheren Eingehen auf dieselben hier billig Abstand 
genommen werden 418 ). 

Anhang 3. 

Einnahmen aus dem bayer. Reiclis vikari at 449 ). 

Bei Verleihung der Reichslehen ist angefallen an Taxgeldern 1492 fl.; 


davon zum Hofzahlamt...922 fl.; 

Rest bei der geh. Kanzlei..570 fl. 

Die Kanzlei-jura haben ertragen in allem 460 ).569 fl.; 

davon ist gegeben worden Sekretär Berchem .100 fl.; 

2 Kanzlisten der Hofkanzlei 451 ) ä 40 fl. 80 fl. ; 

dem Kanzleijungen und Boten je 20 fl. 40 fl.; 

* 220 fl. 


Die übrigen 349 fl. sind unter die sieben Kanzlei verwandten verteilt worden. 

Anhang 4. 

Remunerationen für die Vikari atshof gerichtsräte 462 ). 

Ein kurfürstliches Dekret an die Hofkammer bestimmte am 7. Nov. 1658, 
dass von den sieben Räten, welche dem Vikariatsgericht „sonderbar verordnet“ 
geweseu und demselben neben ihren sonstigen Obliegenheiten „abgewartet“ 
hatten, nämlich Joh. Christ. Tauner, Kämmerer und Revisionsrat, Dr. Ernst, 
Hofkanzler und Geheimrat, Dr. Kasp. Schmid, geheimer Rat, Dr. Inninger, 
Sterz, Wämpl, Stier, sämtliche Revisions-, Hof- uud Kammerräte, zur 
Belohnung einem jeden eine goldene Kette im Werte von 300 fl. und des 
Kurfürsten Bildnis verliehen werde. 

Dazu seien die 922 fl., so bisher an Reichs-Lehen-Taxen eiugegangen 
wären, zu verwenden, das Fehlende sei aus anderweitigen Gefällen herzunehmen. 

Am 20. September 1659 bat Kaspar Schmid 453 ) um die seitdem 
neuerdings angefallenen Lelieutaxen (im Betrag von 652 fl.), und sein Gesuch 
wurde bewilligt, jedoch die Auslieferung des Geldes geheim gehalten, um nicht 
die Unzufriedenheit der übrigen Räte zu erregen. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


22 $ 


Anhang 5. 

Karl Gustav von Schweden an die Kurfürsten, 24. Juli 1658. 

Nos Carolus Gustavus D. G. Suecorum Gotorum Vandalorumque Rex etc. 
Pervenit ad aures nostras, litem quandam in Collegio Electorali non ita pridem 
esse subnatam inter D. D. Electores Bavariae & Palatinatus Rheni ex ea 
potissimum causa, quod post quandatn protestationem modestissimis verbis ab 
Electore Palatino factam, Legatus Bavaricus in pleno etiara concessu reli- 
quorum D. D. Electorum haud dubitaverit, contra amnestiae publicas leges 
eas voces proferre, quae non possint non esse Instrumento pacis noxiae, ac 
Domui Palatinae insigni probro ac ignominiae. Si ergo ex tali offensione, quae 
et publice erat intolerauda, et proprium concernebat Domus honorem, non 
nihil commotus sit Elector Palatinus, atque justa indignatione accensus ex 
continuatione contumeliosae recitationis legati ultra modum audacis, haud certe 
mirandum est. Quid enim injustius aut iudignius est, quam in Augusto 
Collegio Electorali audire hominem verbis intemperantem & dissolutum de 
industria refricare vulnera tot iucommodis reipublicae sanata? Cognitum tarnen 
est tarn ante hanc contentionem quam post eam nihilnon concessisse Electorem 
Palatinuni Rheni cura ac Studio rediutegrandae concordiae, cum e contra nil- 
nisi bellum spiret et minetur Bavarus, atque ea paret, quae tranquillitatem 
publicam ab ea quoque parte haud dubie fodicatura sunt. Nunc vero si causam 
propius inspexerint et enucleaverint Dil i8 V ria constabit, Electorem Bavariae 
nullo certe jure sed ob solum pacis amorem consecutum esse has dignitates 
et praerogativas, quibus nunc in Collegio Dil or Vest ror - conspicitur, atque 
propterea par esset, ut iisdem gauderet et frueretur absque pacis laesione, et 
dedecore eius, cui eximia haec accessio detracta est. Cum autem videatur non 
satis contentus esse, sed sub specie necessariae conteutionis anxie quaerere 
veile causam belli et dissensionis, eius rei rationem aliam subducere nequimus, 
nisi quod ab ea Germanica parte pacem publicam non minus ille temerare 
constituerit, quam Domus Austriaca cum suis adhaerentibus hisce in oris 
eandem assidue vellicat. Relinquimus autem Dil iH \ TTi8 judicandum, quid 
ex talibus attentatis tandem proveniat S. J. Romano, si nou occludantur, et quam 
periculosa sint haec, quae fabricantur molimina. Proinde a Dil iM V ris amice 
requirere volumus, ut pro viribus omnibus in laudabili pacis tueudae proposito 
perseverantes prospiciant, ne fenestra nimis aperiatur malis admittendis, quae 
postea in quemvis recepta tramitem, non nisi difficulter sisti possunt, atque 
si rationem habere velint, ne majore exinde generentur, et medicina, quae 
serius adhibetur sanationi, impar deprehendatur. Haec pro perpetua illa cura, 
qua ducimur in Germania tranquillitate ad D° 8 V 1 ™ perscribenda censuimus, 
non dubitautes, quin exinde perspiciant affectum Nostrum et ea pro prudentia 
sua acturi sint, quae in pacis conservationem, unicum nostrum scopum, colli- 
mare et vergere possint. 

Dedim. Wismariae etc. 


Bayer. Forschungen, VII, 3. 


16 


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Quellen* und Litteraturnachweise 


1) Die Theorie kam freilich auch auf ähnliche Gedanken; cfr. Gewold, De 
Sacr. Rom. Imp. Septemviratu (1616), c. XI, p. 198: „moriente quamvis Caesare, Tribunal 
tarnen istud summum non moritur (nämlich das Reichskammergericht); sed non secus 
atque Imperium ipsum idem semper manet, vivit, suamque integritatem, authoritatem, 
ac majestatem absque ulla diminutione retinet“. Wie wenig aber gerade das Reichsvikariat, 
welches G. bei diesen Worten im Auge hat, geeignet war, den angedeuteten Zweck zu 
erfüllen, kann vielleicht nichts schlagender beweisen als eine Geschichte des Vikariats¬ 
streites nach dem Tode Ferdinands III. 

2) Man hat in neuerer Zeit wiederholt ,,der“ Reichsvikariat geschrieben, und ohne 
Zweifel mit gutem Grunde; wenn in der folgenden Arbeit trotzdem stets „das“ Reichs¬ 
vikariat geschrieben wird, so geschieht es vor allem aus historischen Rücksichten, da der 
weitaus grösste Teil der älteren Litteratur sich des Neutrums bediente, aber nicht zuletzt 
auch deshalb, weil auch in der Gegenwart noch meistens und jedenfalls in Hinblick auf 
naheliegende Analogien dieser Gebrauch beibehalten wurde. 

3) Die ältesten Zeugnisse bei Schröder, S. 479, Anm. 75. 

4) Ebd., S. 499. 

5) C. Mayer, Deutsche und französische Verfassungsgeschiehte, II, 355. 

6) Auf die hier in aller Kürze angeführten Gründe und Gegengründe der beiden 
Parteien lassen sich in der Hauptsache alle die weitschweifigen und nicht immer höflichen 
Ausführungen der im Laufe des Streites erschienenen Schriften zusammen fassen. 

7) Vertrag von Disibodenburg (21. Februar 1541), vergl. Stumpf, Baierns 
politische Geschichte, S. 237 ff.; ein neuer Vertrag 1546, vergl. ebd. S. 270 ff. 

8) A. a. O. S. 24. 

9) Vergl. den bei Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. Teil, 2. Buch, 142. Cap., §93 
(S. 532 ff.) abgedruckten Briefwechsel zwischen Heidelberg und München. 

10) Vergl. Oefeles Artikel über Gewold, A. D. B. IX, I31 ff. 

jj) Ebd. 

12) Adelaide schreibt über ihn: „II est vrey, qu’il desoblige tout le monde avec 
sa mouaisse conduite“; Merkel S. 208. 

13) Vergl. die von Hugo Eberhard von Worms, Lothar Friedrich von 
Speier sowie den Rhein- und Wildgrafen Friedrich, Adolf und Ludwig bei der 
Frankfurter Deputation eingereichten Memorialia, W. A., Erzkanzlerarchiv, Reichstags¬ 
akten 1654/62, 203. 

14) Vergl. die Akten darüber W. A. ebd. 

15) Vergl. die Instruktionen für Peil und Lingelsheim (März 1657) M. St. 
A. Kbl. 123/5. 

16) Dieselbe bot später Ferdinand Maria Anlass zum Eingreifen in den betr. 
Streit, s. u. (Die Wittelsbacliischen Nebenlinien). 

17) Karl Ludwig an Peil, 7./17. März 1657, Original M. St. A. Kbl. 142/5. 

18) A. a. O. Vergl. hiezu übrigens Severinus de Monzamb. c. IV, § 8: „Id prae- 
primis callide a Bauaro obseruatum, ut quod moliretur, altissima dissimulatione premeret, 
ne mature ipsius destinata possent eludi“. 

19) M. St. A. Ks. 36/4. 

20) Theatr. Europ. VIII, 2. 

21) D. h. bis zum Eintreffen der Wahlgesandtscliaften in Frankfurt. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 23 t 


22) Näheres bei Pribram, Zur Wahl Leopolds I. 

23) Ebd. 

24) Vergl. Heide, Die Wahl Leopolds I. 

25) Aus diesem Grunde scheint mir auch Häussers Urteil über den Vikariatsstreit 
in seiner Schroffheit zu weit zu gehen, wenn er sagt: „Man wird an jenen Sterbenden, 
um den zwei Ärzte sich reissen, bis er verscheidet, sehr lebhaft erinnert, wenn man sieht, 
wie hier zwei Fürsten das todkranke Reich noch einmal um ein glänzendes Nichts 
ohne Bedeutung in Fieberhitze versetzten“ (Gesch. d. rhein. Pfalz, II, 615). 

26) Merkel, S. 207. Claretta, S. 110 f. 

27) Ebd.; Adelaide erwartete für Karl Etnanuel die Investitur mit Mont- 
ferrat, die ihm im Frieden versprochen worden war (Instr. pac. §95), und ausserdem 
das italienische Reichsvikariat. 

28) Um das Vikariatsrecht des Herzogs von Modena nahm sich Frankreich auf 
dem Deputations- und Wahltag vergeblich an (cfr. Theatr. Europ. VIII, pag. 3 a); 
Ferdinand Maria scheint für dasselbe so viel wie nichts gethan zu haben, wenigstens 
weisen die Vikariatsakten nichts darüber aus, auch dürfte es ihm an einer Gelegenheit 
dazu gefehlt haben, nachdem er mit sich selbst gerade genug zu thun hatte. 

29) Diese Äusserung soll General Hunoldtstein in Wien „bey einer vornehmen 
Gasterey“ gethan haben; entnommen ist dieselbe der Relation des pfälzischen Hofgerichts¬ 
rats Dr. Lingelsheim über seine „letzte Wienerische Verrichtung“, M. St. A. Kbl. 101 2. 

30) Merkel, 205 f.; auch Claretta, 110. 

31) Näheres in dem Kapitel über die „Literarische Fehde“ und über den „Pro- 
ventus imperii“. 

32) Näheres bei Roth weil und Pfalz-Neu burg. 

33) Die diesbezügl. Korrespondenz, M. St. A. Ks. 121/20. 

34) Abschriften M. St. A. Ks. 121/14 und Ks. 121 19. 

35) Original W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl- und Krönungsakten, 21 a. 

36) Öxls Schreiben an Boineburg ist nicht erhalten, sondern nur dessen 
Antwort, M. St. A. Ks. 121/19. 

37) W. A., a. a. O. 

38) Öxl an den Kurfürsten aus Würzburg, 18. April 1657, M. St. A. Ks. 121/14. 

39) Leibifing aus Speier an den Kurfürsten Ferdinand Maria, 7. Mai 1657, 
M. St. A. Ks. 121/14. 

40) Moser, Teutsches Staatsrecht, VII. Teil, (2. Buch, 142. Kapitel, § 12), S. 429: 
Kürbayern habe den Vorteil gehabt, „dass es des Kaysers Tod eher erfuhr, sich also auch 
eher in die nöthige Verfassung setzen und an vielen Orten das praevenire spielen konnte“. 
Ebenso S. 436 (§ 14): „Churbavern erhielte einen ansehnlichen Vorsprung“. Ähnlich 
Wundt, S. 214. Dass freilich ganz andere Momente den Erfolg Bayerns verursachten als 
die frühere Kenntnis vom Tode des Kaisers, wird im Folgenden zu zeigen sein. 

41) Leibifing aus Speier, 2. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/15. 

42) Die Patente sind oft abgedruckt, vor allem Theatr. Europ. VIII, 3a f.; 4b f.; 
das pfälzische allein Diar. Europ. I, 69, u. s. w. 

43) Wieweit es bei Kurpfalz der Fall war, lässt sich bei dem lückenhaften Akten¬ 
material nicht nachweisen. 

44) Dieser Ausdruck war geboten, da von den Vikariatsausschreiben nur wiederholt 
umgeschriebene, oft mit unklaren Vermerken versehene Konzepte vorhanden sind. (M. St. 
A. Ks. 121/14). 

45 ) „Puncta für die beiden Commissäre des Hofrats, welche die Vicariatspatenta 
zu insinuieren haben“, M. St. A. Ks. 121/14. 

46) Angeführt sind (wie auch bei B er ehern) nur diejenigen Orte, deren Besuch 
auf grund der von dort datierten Berichte oder Recepisse des M. St. A. genau feststeht, 
und welche eiu genaues Bild der Reiseroute geben. 

47) Am 5. Mai kam er nach Kempten. 

48) Öxl an seinen Sohn, 3. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/19. 

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Karl Lory 


49) Öxl, a. a. O. 

50) Aldenhofen an Adlzreiter, 9. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. 

51) Öxl jun. an seinen Vater, 5. Mai, M. St. A. Ks. 121/19. 

52) Merkel, 206 f. Die Rüstungen betreffend heisst es: „Asteure Ion leue des 
soldats isy, et je croy, qu’il seront bien tost nesesaire; Car il y ä quelque prince de la 
Religion reformee, qui n’a pas euvie de reconoistre Mr. mon Mary pour Vighaire de 
lanipire, et de se declarer enerni“. 

53) Öxl jun. an seinen Vater, 8. Mai, wo es heisst, die bayerischen Rüstungen 
ständen, namentlich in Frankfurt selbst, „in grosser consideration“; M. St A. Ks. 121/19. 

54) J oh. Schuapauf aus Bamberg an Dr. Öxl, 22. April, M. St. A. ebd. 

55) Schreiben dess. vom 1. Mai 1657, M. St. A. Ks. 121/14. 

56) Leibifing aus Speier, 2. Mai, M. St. A. Ks. 121/15. 

57) Instruktion für Peil, M. St. A. Kbl. 123/5. 

58) Eine Kopie dieses Schreibens wurde von Konstanz an Ferdinand Maria 
gesandt, M. St. Ks. 121 /r5. 

59) Reskript der kurpfälzischen Kammerkanzlei an den hohen Rat vom 24. April/4. Mai, 
M. St. A. Kbl. 123/5. 

60) Nachricht darüber sandte der Bischof von Konstanz nach München, M. St. 
A. Ks. 121/15. 

61) M. St. A. Kbl. 123/5. 

62) Das M. R. A. bewahrt (Vikariatsakten von 1658) ein Schreiben des Küns- 
berg auf Wernstein, worin sich derselbe über das Entlaufen eines Hintersassen bei dem 
pfälzischen Kommandanten der in der Nähe stehenden Truppen beklagt, der auch andere 
verführt habe, in die Armee des Reichsvikars einzutreten. 

63) Und zu denen sich bald zahlreiche Streitschriften von beiden Seiten gesellten 
(s. Anhang I). 

64) Die Stellung Maximilian Heinrichs von Köln zum Vikariatsstreit ist in 
dem Kapitel über „die Kurfürsten und das Ausland“ besprochen. 

65) Kopie M. St. A. Kbl. 100/2. 

66) M. St. A. Ks. 121/14. 

67) Kopie M. St. A. Ks. 121/20. 

68) M. St. A. Ks. 121/20. 

69) S. Einleitung. 

70) Wie aus den Briefen Öxls unzweideutig hervorgeht. 

71) Vergl. hiezu: „Kurzer, wahrhafter Bericht, was Ihre Churfürstl. Dclil. der Herr 
Pfalzgraf zu dem gemeinschaftlichen Amte Weiden und Parkstein vor ein klares Recht 
hat“, 1650; „Ablehnung“ desselben, 1651; „Gründlicher Bericht wegen der von Chur¬ 
bayern vorgenommenen Exekution zu Weiden und Parkstein“, 1657. — Der Bericht 
Ravensteins und die Kopie des ihm erteilten Bescheides M. St. A., die Verhältnisse 
in der Oberpfalz nach M. R. A., „Akta das Reichsvikariat de anno 1657 betreffend“. 

72) M. R. A., a. a. O. 

73) M. St. A. Ks. 121/20. 

74) Öxl an Hettinger, 3. Mai, M. St. A. Ks. 121/19. 

75) M. St. A. Ks. 121/20. 

76) M. St. A. Kbl. 100/2. 

77) Falls der Rat, eingeschüchtert durch die pfälzischen Drohungen — mit denen 
ja wohl auch nicht gerade gespart worden sein dürfte, die sich aber immerhin in ver¬ 
schwindend geringer Anzahl gegenüber den bayerischen in den Akten finden — die Ab-' 
nähme verfügt hatte. 

78) Ausführliches Eingehen auf diese Dinge wäre doch wohl zu weitschweifig; 
auch ist das Aktenmaterial (hauptsächlich M. St. A. Ks. 121/20) zu lückenhaft, um auch 
nur mit Sicherheit feststellen zu können, wo die bayerischen Patente schliesslich die Ober¬ 
hand behielten. 

79) Bericht Angermillers vom 28. April, M. St. A. Ks. 121/19. 


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233 


Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


80) Metternich an Ferdinand Maria, Köln, 29. April, M. StA. Ks. 121/14. 

81) Der Zufall fügte es, dass er keinen Anderen auftreiben konnte als den, der 
auch bei Affixion der bayerischen Patente zugegen gewesen war. 

82) Bericht Schreibers an Karl Ludwig, 5. Mai, M. St. A. Kbl. 100/2. 

83) Ferdinand Maria an Metternich, 9. Mai, Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

84) Theatr. Europ. VIII, S. 5 b. 

85) 23. Mai, Kopie M. St. A. Ks. J 21/20. 

86) Der Kurfürst au Öxl, 23. Mai, ebd. 

87) Vergl. die Instruktion für Jäger und dessen Bericht vom 24. April I4. Mai, 
M. St. A. Kbl. 100/2. 

88) M. St. A. Ks. 121/20. 

89) Ebd.; die Privilegien beziehen sich auf das Hofgericht. Wegen des letzteren 
war auch von München aus angefragt worden, wie es bei früheren Reichsverweserschaften 
gehalten worden sei. 

90) ,,Ces Villes sont toute les luteriens, qui aysset (!) cette niaison, et dans les 
guerres passee il ont donne bien de besogne; nies asteure Monseigneur lelectur luy mestre 
de nos Soldat dedans, quil faudrat, qu’il fasset ce qu’on Vodrat.“ Merkel, S. 208. 

91) Von Ganss’ Bericht aus Wien, 16. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. Dr. Gräss 
hatte Ganss sein Gutachten lesen lassen. 

92) Merkel, a. a. O. 

93) 4. Mai, Kopie M. St. A. 

94) Heilandt an Dr. Öxl, 24. April, M. St. A. Ks. 121/19. 

95) Bericht darüber M. R. A., Akta des Vikariats in anno 1657 betreffend. 

96) Die Korrespondenz mit den Genannten, teils in Originalen, teils in Kopien, 
M. St. A. Ks. 121/20. 

97) Die Korrespondenz mit Freising, M. St. A. a. a. O. 

98) M. St. A. a. a. O. 

99) Aldenhofen am 28. April, M. St A. Ks. 121/19. 

100) Hugo Eberhard an Ferdinand Maria, 6. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. 
Derselbe hat später einem pfälzischen Gesandten gegenüber rundweg erklärt, dass er 
Ferdinand Maria für den rechtsmässigen Reichsvikar halte; cfr. sein Schreiben an 
Ferdinand Maria, 4. Juli, M. St. A. Ks. 121/15. Seine Parteistellung ist somit völlig 
unzweifelhaft. 

101) Aldenhofen a. a. O.: Beim Bischof von Speier sei die agnoscierung des 
angemassten pfälzischen Pseudovikariats mit grossen promessen begehrt worden, doch sei 
derselbe nicht darauf eingegangen. 

102) Derselbe war, in Speier von den übrigen Religiösen vertrieben, unter dem 
Schein, „samb er des Churfürsten von der Pfalz Frau Schwester, Prinzessin Elisabeth, 
zu bekehren vorgab“, nach Heidelberg gegangen. 

103) Ausführlich berichtet darüber ein Brief Leiblfings vom 20. April, M. St 
A. Ks. 121/14. 

104) Bericht bei Leibifing, Schreiben aus Speier vom 2. Mai, M. St A. a. a. O. 

105) Leibifing an Ferdinand Maria, 16. Mai, M. St. A. a. a. O. 

106) Hinsichtlich Speiers vergl. Leiblfings Schreiben vom 2. Mai: Wenn Kur- 
Mainz die Patente anschlagen lassen, werde es auch in Speier keine Schwierigkeit damit 
haben; der Bischof scheine entschlossen zu sein, sich nach seinem Erzbischof zu richten. 

107) Die Korrespondenz zwischen Dr. Öxl u. Kanzler Schüz M. St. A. Ks. 121/14. 

108) Schreiben eines Ungenannten (Heiland?) an Dr. Öxl aus Frankfurt, 4. Mai, 
M. St. A. Ks. 121/19. 

109) Gratulationsschreiben des Direktoriums vom 8. Juni, M. St A. Ks. 121/20. 

110) Schreiben des Direktoriums an Ferdinand Maria, 15. Mai, a. a. O. 

in) Am 15. Mai ? Vorhanden ist nur die Adresse, a. a. O. 

112) Das Projekt, den Streit der Isenburger Brüder in diesem Sinne auszunützen, 
ist enthalten in dem zuvor erwähnten Schreiben aus Frankfurt an Dr. Öxl. 


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234 


Karl Lory 


113) Aldenhofen aus Frankfurt, M. St. A. Ks. 121/20. 

114) Peil an Dr. Öxl, 21. Mai, W. A., E.-K. A., Wahl- und Krönungsakten 21a. 

115) Vergl. die Korrespondenz zwischen München und Eichstätt M. St. A. Ks. 121/14. 

116) Leibifing aus Speier, 7. Mai: K. L. soll sich über Württemberg beklagt 
haben, welches anfänglich versprach, ,,ihm getreulich zu assistiren“, M. St. A. 
Ks. 121/14. 

117) M. St. A. Ks. 121/20 

118) Kopie a. a. O. 

119) Merkel a. a. O., S. 208. 

120) Ebd. S. 213 f. 

121) Instruktion für denselben vom 8. 18. April, M. St. A. Kbl. 123/5. 

122) Aldenhofen am 28. April, M. St. A. Ks. 121/19. 

123) Heiland an Öxl, 24. April, a. a. O. 

124) Heiland an Öxl, 4. Mai, a. a. O. 

125) 8. Mai; W. A., Erzkanzler-Archiv, a. a. O. 

126) Heiland a. a. O. 

127) Vergl. Sever. der Monzamb, cap. IV, § 8: „Alienam litem in sese derivare 
nemo voluit“. 

128) M. St. A. Ks. 121/19. 

129) Am 19. hatte er nur mit Boineburg unterhandelt 

130) „Aschaffenburger protocoll“ vom 19. und 20. April, W. A., E.-K. A., Wahl- 
und Krönungsakten, 21a. 

131) Vergl. hiezu das Schreiben Karl Kaspars von Trier an Ferdinand Maria 
vom 2. Mai, M. St. A. Ks. 121/20; den Bericht Dr. Schreibers an Karl Ludwig vom 
vom 3. Mai, M. St. A. Kbl. 100/2. 

132) A. a. O. 

133) Ferdinand Maria an Kur-Köln, 11. April, Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

134) Max Heinrich an Ferdinand Maria, 3. Mai, Kopie M. St. A. Ks. 121/20. 

135) Vergl. Heide, Die Wahl Leopolds I., Forschungen XXV., 8 ff. 

136) Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte 1648—1740, I, 74. 

137) Vergl. Öxl an Kur-Mainz, 28. Mai, Kopie, M. St. A. 

138) Bericht des Heinrich Bielcke aus Dresden an Karl Ludwig, i./ii. Mai, 
W. A., a. a. O. 

139) W. A., a. a. O. Auch Urk. u. Aktenst. 8, 448. 

140) Ebd. 

141) Ebd. Wiederholt gedruckt: Theatr. Eur. VIII, 8b f.; Diar. Eur. I, 79 f. 

142) Vergl. L in gelsheims Bericht an Karl L u dw i g über seine „letzte Wienerische 
Verrichtung“, M. St A. Kbl. 1002. 

143) Auerspergs Äusserung war kaum mehr als eine leere Höflichkeitsformel, 
nachdem er den springenden Punkt überhaupt nicht berührte. 

144) Lingelsheim, a. a. O. 

145) Moser, Teutsches Staatsrecht, a. a. O., § 94 (S. 535). 

146) Kopie M. St A. 

147) M. St. A. Ks. 121/20. 

148) Vergl. Urk. und Aktenst 8, 438; ebenso Pufendorf, De rebus gestis Fried. 
Guilelm. elect VII, 21. 

149) Ferdinand Maria an Dr. Öxl, 25. Mai. 

150) Öxl an den Kurfürsten, 3. Juni. 

151) Öxl an den Kurfürsten, 10. Juni. 

152) Öxl an den Kurfürsten, 12. Juni. 

153) Urk. und Aktenst 8, 444; Pufendorf a. a. O. VII, 23. 

154) Ferdinand Maria an Dr. Öxl, 17. Juni. 

155) Karl Ludwig zu Dallenberg, Leibifing aus Speier, 7. Mai, M. St. A. 
Ks. 121/14. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


235 


156) Bes. Württembergs. Ebd. 

157) Ebd. 

158) Ebd. 

159) Wenigstens vorläufig. 

160) Knötschke, Versuch einer Geschichte des Reichsvikariats, S. 227 ff. 

161) Merkel a. a. O. S. 208. 

162) Ebd. 

163) Doge Verdizetti gratulierte dem Kurfürsten erst am 8. Juni; Venedig hatte 
sich zuerst an seinen Botschafter in Wien um Verhaltungsmassregeln gewandt; Bartoli 
aus Venedig M. St. A. Ks. 121/20. 

164) Alle die angeführten Notifikationsschreiben sind in Kopien, die allerdings oft 
wiederholt angefertigt und mit widersprechenden Bemerkungen rücksichtlich der 
Datierung etc. versehen sind, enthalten M. St. A. Ks. 121/20, ebenso die Briefe des Papstes, 
die übrigen Antwortschreiben in Originalen. 

165) Dass das Gerücht, der Pfalzgraf suche die Hilfe der Kronen Frankreich und 
Schweden, stark verbreitet war, geht aus den Akten an verschiedenen Stellen hervor 
(s. den unten zitierten Brief Öxls); es scheint aber im allgemeinen bei dem Gerücht 
geblieben zu sein, wenigstens weisen die (hinsichtlich der pfälzischen Verhältnisse allerdings 
sehr lückenhaften) Akten nicht eine Spur von Verhandlungen zwischen Heidelberg und 
Versailles bezw. Stokholm auf. 

166) Merkel a. a. O. S. 208; „Toute sa confiance est au Frances, et Monseigneur 
lelectur atand de uoir, si apres tant de belles offres, qu’il nous ont faict, il serviront le 
prince ä nostre preiudice, et contre toute raison.“ 

167) ö x 1 an den Kurfürsten, 1. Juni. 

168) 25. April, Kopie W. A. a. a. O. 

169) 29. April, M. St. A. Ks. 121/15. 

170) Abgeordnet wurde derselbe am 20. April. 

171) M. St. A., Mainzische Korrespondenz, Ks. 36/4. 

172) Vergleiche hiezu des Kammergerichtsfiskals Dr. Emmerich Brief an Öxl 
vom 23. April, M. St. A. Ks. 121/19. 

173) Ein Brief Heilands an Dr. öxl vom 25. April beweist, dass Mainzische Schiffe 
zur Entrichtung der von Kurpfalz bei Bacharach und Caub erhobenen Abgaben, deren 
Gesetzlichleit von Mainz bestritten wurde, gezwungen worden waren; und wenn sich nicht 
der Wild fangstreit damals mit erneuter Heftigkeit erhoben hätte, wäre es unverständlich, 
dass unmittelbar nach Bekanntwerden von Blums glücklichen Erfolgen Ferdin and M arias 
Unterstützung in dieser Angelegenheit sp. von Speier aus dringend erbeten wurde. Vergl. 
Emmerich an öxl, 23. und 30. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. 

174) M. St. A. Ks. 36/4. 

175) Boineburg an Blum bez. Öxl, 4. Mai, M. St. A. Ks. 121/19. 

176) M. St. A. Ks. 121/14. 

177) Blum hatte erklärt, die Affigierung der Patente in den Landen des Erzkanzlers 
sei nicht herkömmlich; es wurde daraufhin unterm 2. Mai ein Schreiben an Johann 
Philipp angefertigt, des Inhalts, gerade den pfälzischen Ansprüchen gegenüber könne 
man nicht gut darauf verzichten; das ohnehin schon vorsichtig abgefasste Schreiben wuirde 
aber überhaupt nicht expediert, M. St. A. Ks. 121/15. 

178) Kopie seines Kreditivs, M. St. A. Ks. 36/4. 

179) Dieselben w'aren sehr unbedeutend. 

180) Nach den Berichten Öxls, M. St. A. Ks. 36/4. 

181) Ebd. 

182) Das Original liegt im Kreisarchiv Würzburg; das St. A. M. (Ks. 121/19 u. sonst) 
bewahrt mehrere Kopien; gedruckt ist dieselbe bei Stumpf, Diplomatische Beiträge (Zeit¬ 
schrift für Bayern 1816, 4. Heft, S. 145 ff.). Vergl. auch Aretin, Chronologisches Ver¬ 
zeichnis, S. 44. 

t 8}) Öxl an Ferd. Maria. 3. Juni. 


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Karl Lory 


184) Bayer. Revers darüber vom 21. Juni, M. St. A. Ksj 121/20. 

185) D. h. von Trier und Köln scheint dieselbe überhaupt nicht verlangt worden 
zu sein. 

186) Meel an Berninger, 14. April, W. A., E. K. A., Reichstagsakten 1652—1664, 200. 

187) Ebd. 

188) Öxl au Aldenhofen, 3. Mai, M. St. A. Ks. 121/19. 

189) Ebd.: „Ob aber dasjenige, was Herr Hüben er gegen Herrn Heil an dt ver¬ 
meldet, dass nämlich Churbrandenburgischer Seits dem Churpfälzischen angemassten 
Vicariat kein Beifall gegeben werden solle, nicht eine Torner Zeitung sei, wird mein hoch¬ 
geehrter Herr Bruder aus denen bishero . . . . geführten votis leichtlich ermessen 
können. Ich traue mir nicht allhie dergleichen persuasiones zu machen, sondern befürchte, 
es möchte mir ergehen, wie dem Apothekergesellen zu Torn, und dürfte das Öxl auf den 
Esel kommen“. 

190) Aldenhofen an Öxl, 15. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. 

191) Wie aus den Briefen Meels an Berninger besonders deutlich hervorgeht. 

192) Instruktion für Peil, 7./17. April, M. St. A. Kbl. 123/5. 

193) Mit der Kopie des bayerisch-mainzisclien Allianzrezesses scheint auch eine 
französisch abgefasste, mit deutscher Interlinearübersetzung versehene Notiz über den 
Vikariatsstreit nach München gekommen zu sein (M. St. A. Ks. 36/4). Dieselbe ist ohne 
Datum, ohne Unterschrift, ohne jeden Vermerk, doch spricht alles dafür, dass es eine 
kurze, völlig parteilose Mitteilung des französischen Gesandten an seinen Monarchen in 
Abschrift ist, die man sich in Mainz zu verschaffen wusste und nach München sandte. 

194) Emmerich an Öxl, 21. April und Öxls Antwort vom 30. April, M. St. A. 
Ks. 121/19. 

195) A. a. O. 

196) Emmerich a. a. O.; ausserdem Öxl jun. und Hettinger au Dr. Öxl, 
20. April, M. St. A. a. a. O. 

197) Emmerich a. a. O.; Öxl jun. an seinen Vater, 8. Mai, M. St A. a. a. O. 

198) Aldenhofen an Öxl, 20. April, a. a. O. 

199) Ebd.; ferner Öxl jun. an seinen Vater, 20. April, a. a. O. 

200) Aldenhofen a. a. O.; Hettinger aus Aschaffenburg an Öxl, ebda. 

201) Aldenhofen a. a. O. 

202) Volmar an Öxl, 21. April, a. a. O. 

203) Tlieatr. Europ. VIII, 5 b. 

204) Öxl an Aldenhofen, 23. April, a. a. O. 

205) 5. Mai, a. a. O. 

206) Das Theatr. Europ. VIII, 5 b sagt nur, in Frankfurt seien beide Patente an¬ 
geschlagen worden. 

207) Diesen Vermerk trägt der fragt. Brief Öxls. 

208) Obwohl Meel seinem Kurfürsten ein ausführliches Gutachten gegen die Ver¬ 
längerung schickte, W. A. a. a. O. 

209) Aldenhofen an Öxl, 28. April, M. St. A. Ks. 121/19. 

2T0) Meel an Berninger, 20. Juni, W. A., a. a. O. 

211) Desgl., 21. Juni, a. a. O.* 

212) Ebd. 

213) Meel an Berninger, 20. Juni, a. a. O. 

214) Desgl., 21. Juni, a. a. O. 

215) Alle Bemühungen, über weitere Verhandlungen wegen des Reichsvikariats auf 
dem Deputationstag etwas zu erfahren, blieben erfolglos; das Vorstehende nach den 
Protokollen M. St A. Ks. 172/2. 

216) Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

217) Vergl. Leiblfings Brief vom 17. April, a. a. O. 

2iS) Kopie M. St. A. Ks. 121/15. 

219) Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


237 


220) Vergl. u. a. Leiblfings Brief vom 19. April, a. a. O. 

221) Kopie W. A. } E. K. A., Wahl- und Krönungsakten, 21a. 

222) Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

223) Vergl. hiezu auch Leiblfings Brief vom 19. April, a. a. O. 

224) 17. April, a. a. O. 

225) 24. April, a. a. O. 

226) 17. April, a. a. O. 

227) Aldenhofen, 28. April, M. St A. Ks. 121/19. 

228) A. a. O. 

229) Mit Ausnahme derjenigen, welche vor dem 2. April entschieden worden waren 
und daher noch mit dem kaiserlichen Siegel ausgefertigt werden konnten. Lauterburg 
an Johann Philipp, 16. April, W. A. a. a. O. 

2 3 °) 2 3 - April, Kopie a. a. O.; ebenso an Emmerich, 9. Mai, a. a. O. 

231) Emmerich an Johann Philipp, 14. Mai, a. a. O. 

232) 15. Mai, Kopie a. a. O. 

2 33 ) Welche Bayern und Sachsen unterm 4. Mai an Mainz hatten abgehen lassen, a. a. O. 

234) Johann Philipp an das Kammergericht, 17. Mai, a. a. O. (Kopie). 

235) Ein grosses für feierliche Gelegenheiten, ein mittleres für die gewöhnlichen 
Prozesse, ein kleines für die Zollbefreiungen. 

236) Nach dem Abdruck, welcher auf der letzten Seite des bayerisch - sächsischen 
Begleitschreibens (im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, a. a. O.) angebracht ist, zeigten 
dieselben den Doppeladler, in demselben zwei Wappen, das eine mit dem Reichsapfel, 
das andere mit den beiden gekreuzten Schwertern; Umschrift: Bavarus & Saxo Vicarii 
Vacante Imperio 1657. 

237) Entnommen dem Bericht W. A. a. a. O., unterzeichnet „Vitus Berninger, 
Geheimer Secretarius, loco protocolli“, 18. Mai 1657. 

238) Kopie W. A. a. a. O. Völlig verwirrt ist der Bericht des Theatr. Europ. VIII, 5 b f. 

239) M. St. A. Ks. 121/20. Die Parteien hatten bereits seit Anfang Mai über die 
Verzögerung bei den Prozessausfertigungen Klage erhoben, vergl. die Briefe Aldenh ofens 
und Emmerichs vom 9. Mai, M. St. A. Ks. 121/14. 

240) Leiblfing, 7. Mai, M. St. A. a. a. O. 

241) Kopie des darüber aufgenommenen Notariatsinstrumentes M. St. A. Ks. 121/19. 

242) M. St. A. Kbl. 100/2. Es wurde der Stadtschreiber Josaphat König nach 
Heidelberg gesandt. 

243) Die erste Affigierung der bayerischen Patente hatte ohne Zweifel keinen offi¬ 
ziellen Charakter, sie dürfte von Anhängern der bayerischen Sache unter der Hand vor¬ 
genommen worden sein; Leiblfing allerdings war dabei kaum beteiligt, er würde nicht 
versäumt haben, seine Anteilnahme gebührend zu erwähnen. — Berchem schlug die 
Patente am Rathaus und Kaufhaus an, Leiblfing 7. Mai, M. St. A. Ks. 121/14. 

244) Leiblfing a. a. O. 

245) A. a. O.: Es sei den meisten Bürgern „nicht ganz wohl bei der Sache“. — 
Übrigens wurde das pfälzische Patent gleich in der folgenden Nacht abermals besudelt. 

246) Die Erwartungen, welche man an das Vikariat F. M.s knüpfte, kommen deut¬ 
lich zum Ausdruck in einem Briefe Emmerichs an Öxl, 12. Mai, a. a. O. 

247) „Memorial, wonach sich . . . Sayler zu verhalten“, a. a. O. Emmerich (an 
Johann Philipp, 14. Mai) nennt das Schreiben „sehr scharf und bedrohlich“; W. A. 
a. a. O. 

248) 12. Mai, M. St. A. a. a. O. 

249) Weil es die Stadt geduldet habe. 

250) 9. Mai, a. a. O. 

251) Leiblfing, 12. Mai. 

252) Leiblfing, 9. Mai. Das Gerücht ging vom Pfalzgrafen selbst aus, der sich 
zu Plitterstorf in diesem Sinne äusserte; Veranlassung dazu mag ihm gegeben haben, 
dass der sächsische Gesandte Strauch seine projektierte Reise nach München unterliess. 


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Karl Lory 


253) Emmerich a. a. 0 . 

254) Er händigte dasselbe Leibifing ein. 

255) Saylers Bericht aus Speier vom 14., a. a. O. 

256) Leibifing, 16. Mai, a. a. O. 

257) Schreiben au Leibifing und Sayler, 16. Mai, a. a. O. 

258) Leibifing, 21. Mai, a. a. O., Notariatsinstrument vom 19. über Saylers 
Verrichtung, ebd. 

259) Dieselbe, glaubt Leibifing, wäre von Anhängern Karl Ludwigs selbst 
ausgegangen, um den Pfalzgrafen noch mehr zu reizen. A. a. O. Theatr. Europ. VIII, p. 5 b. 

260) Vergl. hauptsächlich Leiblfings Brief vom 23. Mai, a. a. O. 

261) Leibifing, 21. Mai. 

262) An Öxl und Johann Philipp, 25. bez. 24. Mai, W. A., a. a. O. 

263) Gedruckt Theatr. Europ. VIII, pag. 9 b f.; Diar. Europ. I, 87; datiert vom 
12. (= 22.) Mai 1657. 

264) Oppenheimer an Johann Philipp, 1. Juni, W. A. a. a. O. Karl 
Ludwig hatte sich bei denselben auch beklagt, dass sie ihm den Vikarstitel nicht geben 
wollten, worauf ihm geantwortet wurde, es sei dies niemals in der Korrespondenz üblich 
gewesen. A. a. O. 

265) Johann Georg an Ferd. M., 5. Juni, M. St. A. Ks. 121/15. 

266) M. St. A. Kbl. 100/2. 

267) 30. Mai, M. St. A. Ks. 121/14. 

268) 26. Mai, W. A. a. a. O. 

269) 26. und 27. Mai, a. a. O. 

270) Joh. Phil, an Emmerich, 29. Mai, Kopie a. a. O. 

271) An Lauterburg, vom gl. Tage, a. a. O. 

272) An Präsidenten und Assessoren des Kammergerichtes, vom gl Tage, a. a. O. 

273) Leibifing, 2. Juni, M. St A. Ks. 121/14. 

274) Joh. Phil, an Ferd. Mar., 4. Juni, W. A. a. a. O. 

275) Öxl an Ferd. M., 5. Juni, M. St. A. a. a. O. 

276) Oppenheimer an Joh. Phil., 5. Juni, W. A. a. a. O. 

277) Leibifing 6. Juni, M. St A. Ks. 121/14. 

278) Emmerich an Öxl, 23. Mai, M. St. A. Ks. 121/20. 

279) Leibifing, 13. Juni, M. St. A. Ks. 121/14. 

280) Ebd. 

281) Vergl. die darüber zwischen Markgraf Wilhelm von Baden, Mainz und 
München geführten Korrespondenzen, W. A. a. a. O. 

282) Kopie M. St A. Ks. 121/14. 

283) Kopie W. A. a. a. O. 

284) Au Öxl, 17. Juli, M. St A. Ks. 172/14. 

285) Desgl., a. a. O. 

286) Kopien M. St A. Kbl. 100/2. 

287) M. St. A. Kbl. 100/2. 

288) 5. Februar 1658; Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

289) 17. Februar, a. a. O. 

290) Karl Gustav an Karl Ludwig, 19. April 1658, M. St. A. Kbl. 100/2. 

291) 25. März 1658, a. a. O. 

292) Severinus de Monzambano, cap. IV, § 8: „Et satis constat, non paucos prin- 
cipum doluisse, literas sese ad Bavarum retractare non posse“. 

293) Am i./ii. Februar 1658 erteilen Rat und Bürgermeister der Stadt dem Pfalz¬ 
grafen in einem Rekreditiv für Lingelsheim den Vikarstitel, und Karl Ludwig be¬ 
dankt sich am 12./27-, dass die Stadt seinen Gesandten nicht nur freundlich angehört, 
sondern auch in seinen Geschäften gefördert habe. A. a. O. im M. St. A. 

294) Leibifing aus Frankfurt an Graf Kurz, 18. Sept. 1657, M. St. A. Ks. 369/18. 

295) D. h. Ferdinand Marias und Johann Georgs. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


239 


296) Bericht des Brettener Amtsvorstandes von 12./22. August, und Belobigungs¬ 
schreiben Karl Ludwigs, M. St. A. Kbl. 100/2. 

297) M. St. A. Kbl. ioo;2. Zahlreiche Berichte auf gefangener Kammergerichtsboten 
im M. St A. — cfr. Theatr. Europ. VIII, 377 b. 

298) Kopien M. St A. Ks. 122/4. 

299) W. A. a. a. O. 

300) Kopie a. a. O. 

301) Kopie M. St A. Ks. 121/14. 

302) Theatr. Europ. VIII, 378 a f. 

303) Kopie M. St. A. Ks. 122/4. 

304) „Copia vidimata“ M. St. A. Ks. 121/14. 

305) Theatr. Europ. VIII, 379 b f. 

306) Namens Sommerer. 

307) Leibifing, 30. April 1658, M. St A. Ks. 121/14. 

308) Theatr. Europ. VIII, 53. 

309) Heide a. a. O. S. 21. 

310) A. a. O. 

311) A. a. O. 

312) M. St. A. Ks. 121/14, Bericht aus Frankfurt vom 7. Nov. 1657. 

313) Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. Teil, 2. Buch, 142. Cap., § 20 (p. 440 f.), 
welcher hier unzweifelhaft einer schriftlichen Grundlage (dem Protokoll über die Beratung 
zwischen den drei geistlichen Kurfürsten?) folgt. 

314) A. a. O. § 21 (p. 442 ff.). 

315) Urkunden und Aktenstücke 8, 463 ff. 

316) A. a. O. 

317) Stumpf a. a. O. S. 142. 

318) Leibifing berichtet am 29. Nov. neuerdings von grossen pfälzischen Rüstungen. 
M. St. A. Ks. 121/14. 

319) Urkunden und Aktenstücke, 8., S. 479. 

320) Original des Begleitschreibens W. A., Bavarica 4 a; das Projekt selbst wünschte 
Ferdinand Maria im Interesse der Geheimhaltung zurück. 

321) Kopien a. a. O. 

322) A. a. O. 

323) W. A., Weisungen nach München. 

324) Leopold an Puecher, 4. Dezember 1657, Kopie a. a. O. 

325) Puechers Relation vom 6. Dezember: Ersehe, dass I. Churfl. D. sich zwar 
dem katholischen gemeinen Wesen zum Besten und zu Sicherung ihrer Lande in eine 
Verfassung begeben, welche aber kaum noch zu defension derselben bastant sein, und 
bestehe in allem in fünfthalb tausend Mann Fussvolks, und 1600 Reuttern, unter welchen 
eine Comp. Tragoner von 100 Mann sei.“ A. a. O. 

326) Leopold an Puecher, 13. Dezember, Kopie a. a. O. 

327) Gedruckt bei Stumpf a. a. O., S. 141. 

328) Ausweichende Antwort darauf vom 1. März, Kopie W. A. Bavarica 4 a. 

329) Leibifing aus Speier, 9. April, M. St. A. Ks. 121/14. 

330) „Extract. Protocolli“ M. St A. Ks. 172/4. 

331) A. a. O. 

332) Öxl an den Kurfürsten, 17. Mai, a. a. O. 

333 ) Öxl an Graf Valley, 18. Mai, M. St. A. Ks. 297/31. 

334) Es wird hier im allgemeinen der „Summarischen Erzählung etc.“, von Öxls 
Hand verfasst, M. St. A. Ks. 172/4, doch mit Heranziehung auch der übrigen (speziell 
angeführten) Berichte, gefolgt 

335) Der Pfalzgraf habe, schreibt Öxl a. a. O., „mit etwas Lächeln aufgemörckht“. 

336) Karl Ludwig konnte sich auch mit Recht beleidigt fühlen, wenn ihm vor 
dem ganzen Kollegium, wie es hier der Fall war, gesagt wurde, nur ex amore pacis und 


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Karl Lorv 


aus kaiserlicher Gnade sei ihm die achte Kur gegeben worden, und er hätte allen Grund, 
damit sich zufrieden zu geben; in der pfälzischen Protestation war nämlich von einer 
freiwilligen Eintauschung der 8. gegen die 4. Kur gesprochen worden. 

337) Ö x 1 an Valley, s. o. 

338) Ebd. 

339) Dem,, Summ arischen Bericht“ zufolge hätte Karl Ludwig jetzt erst ans Wehrgehäng 
gegriffen, allein den bestimmten Worten der an Valley gerichteten Darstellung gegen¬ 
über („da aber der von Hun gekommen und ihn beim Arm hinweggerissen, sonsten 
hätte er mir etc.“) dürfte der in der ersten Aufregung zusammengeschriebene „Summarische 
Bericht“, obwohl er vom 16. und der Brief an Valley vom 18. stammt, weniger Glauben 
verdienen; es ist immerhin wahrscheinlich, dass die Zureden seiner Räte wenigstens soviel 
auf Karl Ludwig vermocht hatten, dass er seinen Degen stecken liess. 

340) Öxl an Valley. 

341) Öxl behauptet zwar stets „gegen sein Gesicht“, und wahrscheinlich wäre K. L. 
wenig daran gelegen, wäre es ihm ins Gesicht gegangen; aber zunächst wird der Pfalz¬ 
graf doch wohl vor allem die Schrift haben unleserlich machen wollen; wenn dabei auch 
einiges dem hartnäckigen Leser ins Gesicht ging, um so besser. 

342) Öxl selbst berichtet davon nichts, wahrscheinlich um keinen Zweifel gegen 
seine Behauptung aufkommen zu lassen, K. L. habe ihm die Tinte ins Gesicht schütten 
wollen; dafür heisst es in dem vom Kurfürstenkollegium an Ferdinand Maria geschickten 
offiziellen Bericht, Öxl habe die Schrift unter dem Mantel und hinter dem Rücken versteckt, 
was freilich auch wieder zuviel gesagt sein dürfte; denn, sagt Öxl in dem „Gegenbericht 
der bayer. Gesandten“ nicht mit Unrecht, wie wäre dann ein ununterbrochenes Fortlesen 
möglich gewesen ? Soviel aber dürfte doch auf jeden Fall daraus hervorgehen, dass Ö x 1 
die Schrift noch im letzten Moment wegzog; daraus erklärt sich auch, dass die Tinten¬ 
spuren auf dem Original der „Reprotestatio“ (M. St. A. Ks. 172/4) nicht besonders stark sind. 

343) In dem Bericht an Valley wird davon überhaupt nichts erwähnt. 

344) Öxl au Valley a. a. O. 

345) In einem Berichte im M. Kr. A.; vergl. Heigel, A. D. B. XXV, 24 ff. 

346) Heigel, a. a. O.; Heide, a. a. O., 61. Früher war wohl auch die Meinung 
verbreitet, K. L- habe dem Ö. das Tintenfass wirklich an den Kopf geworfen; vergl. 
Büchner, IX, 5*, („warf ihm das Dintenfass an den Kopf“), ebenso Häusser, a. a. O., 
II, 616; eine andere Tradition weiss von einem Wurf überhaupt nichts, vergl. Wundt 
a. a. O. 127 f., wonach K. L. Ö. das Tintenfass ,,entgegenschüttete“, wahrscheinlich nach 
Burgoldensis (674): „atramento petierit“; die gleichzeitige Litteratur entscheidet sich 
überhaupt nicht für die eine oder andere Version; Grundlage derselben: Theatr. Europ. 
VIII, 432: K. L- warf das Tintenfass „auf den Tisch, oder, wrie andere wollen, nach dem 
Herrn Abgesandten“; ebenso Lünig, Reichskanzlei, I, 717, und Lundorp Acta publ. VIII, 
332; dem freilich daneben noch ein Einblick in geschriebene offizielle Quellen zur Ver¬ 
fügung gestanden haben dürfte, wenigstens erzählt er die darauffolgenden Verhandlungen 
ziemlich genau und im ganzen richtig; offiziell scheint eben die Version „auf den Tisch“ 
verbreitet worden zu sein, und die zeitgenössische Meinung scheint zwischen ihr und einem, 
dem Thatbestande besser entsprechenden Gerüchte unentschieden geschwankt zu haben. 
Richtig ist die aus Heigels Artikel geschöpfte Darstellung bei Zwiedineck-Süden- 
horst, I, 188, und Erdmannsdörffer, I, 311, 

347) Öxl an Valley. 

348) Bericht derselben vom 21. Mai, Urk. u. Aktenst., 8, 506; vergl. Zwiedineck-S., 
a. a. O. 

349) Öxls „Summ. Ber.“ 

350) Öxl an Valley. 

351) Die Nachricht des Theatr. Europ., gleich nach dem Vorfall seien die Beteiligten 
heimgefahren und hätten die Kleider gewechselt, ist also mindestens ungenau. 

352) Wenn derselbe zuvor wirklich die angeführten Worte zu Ö. gesprochen hatte 
(die allerdings so bestimmt von diesem wiedergegeben werden, dass man sich schw'er dazu 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


2 4 I 


versteht, sie als Erfindung zu betrachten), so zeigt er sich bei dieser Affäre in einem 
wenig ehrenvollen Dicht; jedenfalls ersieht man daraus, welche Unterstützung F. M. 
bei allen seinen bisherigen „Freunden“ hätte gewärtigen dürfen, falls er mit einer 
kriegerischen Aktion Ernst gemacht hätte. 

353) Extract. protocolli M. St. A. Ks. 297/31. 

354) Gedruckt bei Lundorp, a. a. O. 

355 ) Vergl. Zwiedineck-S., a. a. O. 

356) In dem Bericht an Valley, dem im Folgenden die Darstellung zu gründe 
gelegt ist. 

357 ) Was Ö. jedoch nicht gelten lässt; der Pfalzgraf habe gegen ihn zu Regensburg 
und sonsten jedesmal eine sonderbar gute und gnädigste affection verspüren lassen, ja 
noch wenige Tage zuvor in Beisein des Trierers mit ihm geredet und gescherzt, als ober 
seinesgleichen wäre. 

358) Auch dies wird von Ö. widerlegt: er habe vor dem Ablesen ausdrücklich darauf 
aufmerksam gemacht, dass die Schrift der Gesandtschaft tags zuvor von ihrem Kurfürsten 
zugegangen sei. 

359) Max. Heinr. au Ferd. M., 17. Mai, M. St. A. Ks. 172/4. 

360) Öxl an Ferd. M., 18. Mai, a. a. O. 

361) Kopie M. St. A. Ks. 172/4. 

362) Kopie M. St. A. Ks. 297/31. 

363) Kopien a. a. O. 

364) Konzept M. St. A. Ks. 172/4. 

365) Konzept des Memorials für den Grafen Fried he rg a. a. O. 

366) Vergl. „Was mit des kurfstl. Kollegii Gesandten .... mündlich conferiret 
worden“, ebd. Ks. 413/13. 

367) Öxl aus Frankfurt, 28. Mai, Postskriptum, M. St. A. Ks. 172/4. 

368) Graf Friedberg an Ferd. M., 8. Juni, a. a. O. 

369) M. St. A. Ks. 172/4. 

370) Kopien M. St. A. Ks. 297/31. 

371) Kopien M. St. A. Ks. 172/4. 

372) Bericht Öxls vom 19. Juli, a. a. O. 

373) Am 22. Juli, Kopie a. a. O. 

374) Vergl. Copia Protoc. Mog. M. St. A. Ks. 297/31; Kopie des Gesamtschreibens 
Ks. 172/4. 

375 ) 5 - August, a. a. O. 

376) M. R. A., Acta das Reichsvikariat de anno 1657 betreffend. 

377) Orig. M. St. A. Ks. 122/4. 

378) Moser a. a. O., 141. Kapitel, § 15ff.; (S. 419ff.). 

379) Theatr. Europ. VIII, 486b; vergl. auch Moser a. a. O., § 24 (S. 455). 

380) Wie Dr. Öxl sich ausdrückte. 

381) Bericht Öxl vom 20. Juli 1658, M. St. A. Ks. 122/4. 

382) M. St. A. Ks. 122/4 Kopie mit dem Vermerk: „Das Original ist am 9. August 
in das innere Archiv gegeben worden. Adlzreiter.“ 

383) Kopien M. St. A. a. a. O. mit einem Vermerk über Aufnahme des Originals 
ins innere Archiv. 

384) 26. September, Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

385) 14. Oktober, Kopie ebd. 

386) Konzept W. A. Bav. 4 a. 

387) 12. Dezember, Original a. a. O. 

388) 26. November; Kreditiv für dieselben a. a. O. 

389) Diese Besorgnis klingt aus dem bayerischen Antwortschreiben unverhohlen durch. 

390) Vergl. Joachim, S. 354 a. a. O. 

391) Vergl. Öxls Bericht vom 9. September, im Auszug erhalten in der „Mainzischen 
Korrespondenz“ des M. St. A.; der betreffende Passus des pfälziscli-maiiizischen Vertrages 


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242 Karl Lory 


(gedruckt bei Moser, a. a. O., 142. Kap., § 25, S. 455) lautet: Promittit .... Elector 
Moguntinus, se omni Studio tarn pro se quam apud alios eo allaboraturum, ut in causa 
principali super Vicariatu Mediatio Collegii Electoralis in effectum deducatur, atque ut 
sola huius Controversiae compositio eo melius procedat, vult quoque, ubi Opus fuerit, ad 
Electorem Bavariae mittere, qui rem eam debita & omni possibili diligentia promoveat, 
quo Electori Palatino in certis Circulis aliisque Districtibus propediem per ineundam cum 
Electore Bavariae pactionem desiguandis (salva semper, pro ut hactenus, Archi-Episcopatus 
Moguntini a Vicariatu manente exemptione et immunitate) tertius Imperii Vicariatus 
relinquatur atque concedatur, ita tarnen, ut Elector Palatinus in Judicio Vicariali totidem 
assessores Catholicos, quot Protestantes, constituat. 

392) A. a. O.: Declarat Elector Moguntinus, quodsi, praeter spern, per Mediationem 
Collegii Electoralis, aut alia via amicabili, Vicariatus Palatini stabilimentum obtineri non 
poterit, se omnibus viribus, tarn pro se, quam apud alios, curaturum, ut in proximis Comitiis 
impetretur & stabiliatur. 

393) 19. September, Kopie M. St. A. Ks. 172/4. 

394) Kaiser Leopold an den Kurfürsten, 14. Oktober, Orig. M. St. A. a. a. O. 

395) Gedruckt: Diar. Europ. I, 1119; Lünig, Reichskanzler, I, 771 f., etc. 

396) Orig. W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl- und Krönungsakten 21a. 

397) Orig. a. a. O. 

398) Kopien M. St. A. Ks. 172/4. 

399) Orig. a. a. O. 

400) Instruktion für Blum vom 15. Januar 1659, W. A. a. a. O. 

401) W. A. a. a. O. 

402) Schreiben dess. an Kerd. Maria, 9. Februar 1659, Kopie M. St. A. Ks. 121/14. 

403) 18-/28. Januar 1659, Kopie a. a. O. 

404) 8./18. Februar, a. a. O. 

405) 19. Februar, a. a. O. 

406) 8./18. Januar 1659, Kopie a. a. O. 

407) 2./12. März 1659, a. a. O. 

408) 23. April, Kopie a. a. O. 

409) 29. April (9. Mai) schrieb Friedr. Wilh. abermals an Ferd. M., Antwort 
darauf 11. Juni; a. a. O. 

410) An sämtliche Kurfürsten gerichtet, 16. April, Kopie M. St A. 

411) 29. April (9. Mai), ebenso. 

412) 19. Januar, M. St. A. Ks. 81 5. 

413) 22. Februar, Kopie M. St. A. Ks. 121,14. 

414) Das Vorstehende im allgemeinen nach den Berichten Schmids aus Wien und 
den Briefen des Kurfürsten an denselben, M. St. A. Ks. 81/5; das Original des Abmahnungs¬ 
schreibens an Mainz W. A. a. a. O. 

415) 4. Mai, Orig. M. St. A. Ks. 172/4. 

416) „Olinvorgreiffliche Meinung“ eines Ungenannten, W. A., Erzkanzler-Archiv, 
Reiclis-Tagsakten 201. 

417) Ks. 12 r 36 und Ks. 121/15. 

418) M. St. A. Ks. 121/35; trägt den Bleistiftvermerk ,,conscr. a Bar. de Schmid.* 

419) Theatr. Europ. VIII, 11b f.; Moser a. a. O., 142. Cap., § 1, S. 425. 

420) Theatr. Europ. ebd. 35a ff.; Moser ebd. 

421) Moser ebd. 

422) Moser ebd. 

423) Theatr. Europ. a. a. O. S. 6 ff.; Moser ebd. 

424) Theatr. Europ. a. a. O. S. 16b ff.; Moser ebd. 

425) Theatr. Europ. a. a. O. S. 382a ff.; Moser ebd. 

426) Moser ebd. 

427) Vergl. Moser a. a. O. 

428) M. St. A. Kbl. 100/2. 


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Die Anfänge des bayerisch-pfälzischen Vikariatsstreites. 


243 


429) Conring an den „Reichsvikar“ Karl Ludwig, 30. Juli/9. August, M. St. A. 
Kbl. 100/3. 

430) Mieg an Conring, i./ii. Juni 1658, Kopie a. a. O. 

431) Conring an Karl Ludwig, 30. August (9. September) 1658, a. a O. 

432) Degl. 14-/24. Juni 1658, a. a. O. 

433) Original des diesbez. Spezialbefehls a. a. O. 

434) Kopie M. St. A. Ks. 121/15. 

435 ) Orig. M. St. A. Ks. 121/20. 

436) Orig. M. St. A. Ks. 121/15. 

437) 22. Oktober, Orig. M. St. A. Kbl. 100/3. 

438) Die diesbezügl. Korrespondenz M. St. A. Ks. 121/15. 

439) Aus diesem Grunde lassen sich auch die bayerischen Vikariatshandlungen nur 
in allgemeinen Umrissen darstellen; ein genaues Bild der einzelnen behandelten Fälle lässt 
sich aus den im Staatsarchiv in München erhaltenen Spezifikationen und Verzeichnissen 
nicht feststellen, und in Wien scheinen die bayer. Vikariatshandlungen spurlos verloren 
gegangen zu sein; wenigstens waren alle Nachforschungen nach denselben erfolglos. 

440) Die diesbez. Korrespondenz hauptsächlich im W. A., Erzkanzler-Archiv, Wahl- 
und Krönungs-Akten 21a; auch M. St. A. (Ks. 122/4). 

441) M. St. A. 

442) Lehensausschreiben für die genannten Städte vom 9. April 1658, M. St. A. 
Ks. 122/4. 

443) Theatr. Europ. VIII, 379 a f. 

444) Ebd. 381 a f. 

445) M. St. A. Ks. 121/20. 

446) M. St. A. Ks. 121/15. 

447) Vergl. „Kurze Information wegen des an Seiten Chur-Pfaltz unbefugter Weise 
prätendirten Rechts der Wildfäng und was dem anhängig“; München, 1657. Dazu Brunner^ 
a. a. O. S. 20. 

448) Vergl. Tücking, Geschichte des Stiftes Münster unter Christoph Bern¬ 
hard von Galen, S. 43 ff.; M. St. A. Ks. 121/28. 

449) M. St. A. Ks. 121/15. 

450) Darunter 150 fl. recompens von der Stadt Nürnberg. 

450 „Welche die Lehenbrief schreiben helfen.“ 

452) M. St. A. Ks. 121/15. 

453) Schmid hatte nicht nur die Revidierung der eingelaufeneu Akten, die Ab¬ 
setzung der Gutachten, Befehle und Mandate, sondern auch die „refutierung der chur- 
pfältzischen in Truck gegebenen Schriften“ besorgt. 


A. Archivalien: 

1) Akten des Kgl. Bayer. Allgemeinen Reichsarchivs in München (M. R. A.). — 
2) Akten des Kgl. bayer. geheimen Staatsarchivs in München (M. St. A.) — 3) Akten des 
Kgl. bayer. Kreisarchivs in München (Kr. A. M.). — 4) Akten des K. K. Haus-, Hof- und 
Staatsarchivs in Wien (W. A.) 

B. Gedruckte Quellen (ältere Litteratur): 

Theatrum Europaeum, 8 Bd. — Diarium Europaeum, 1. Bd. — Lünig, 
Reichs-Kanzley, 1. Bd. — Londorp, Acta publica, 8. Bd. — Severin us de Monzam- 
bano, De statu imperii.— Burgoldensis, Notitiae rerum illustrium imperii. (Dasauf 
den Vikariatsstreit Bezügliche ist teilweise wörtlich aus Severi nus de Mozainbano 


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244 Karl Lory 


entnommen.) — Gramont, M£moires. — Pufendorf, De rebus gestis Friderici Wil- 
helmi Magni. — J. J. Moser, Teutsches Staatsrecht, 7. u. 8. Teil. — (Eine teilweise 
Zusammenstellung der älteren Litteratur bei Pf effinger,* Vitriarius illustratus.) 

C. Nettere Litteratnr: 

Aretin, Chronologisches Verzeichnis der bayerischen Staatsverträge.— Brunner, 
Der pfälzische Wildfangstreit. — Büchner, Baierische Geschichte, 9. Bd. — Claretta, 
Adelaide di Savoia e i suoi tempi. — Erdm an nsdörffer, Deutsche Geschichte 1648 bis 
1740, I. Bd. — Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, II. Bd. — Heide, Die Wahl 
Leopolds I. (Forschungen z. D. Gesch. 25. Bd.). — Heigel, Öxl, A. D. B. 25. Bd.). — 
Merkel, Adelaide di Savoia. — Pribram, Zur Wahl Leopolds I. (Arch. für österr. 
Gesch. 73. Bd.). — Stumpf, Diplomatische Beiträge zur teutschen und europ. Geschichte, 
Zeitschrift f. Bayern, 1816. — Stumpf, Baiems politische Geschichte, ebd. — Urkunden 
und Aktenstücke zur Geschichte des grossen Kurfürsten (Urk. uud Akt). — Wundt, 
Versuch einer Geschichte des Lebens und der Regierung Karl Ludwigs, "Kurfürsten 
von der Pfalz, Genf 1786. — Zwiedineck-Südenhorst, Deutsche Geschichte im 
Zeitalter der Gründung des preussischen Königtums, 1. Bd. 


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Ein unbekannter Brief Westenrieders. 


Mitgeteilt 

von 

Karl Theodor von Heigel. 

schriftlichen Nachlass Utzschneiders, von dem ich mit gütiger 
Erlaubnis des Herrn Hauptmann Knorr Einsicht nehmen durfte, stiess ich 
auf einen Brief Westenrieders, der mir, obwohl er für die Geschichte keinen 
neuen Aufschluss gewährt, der Veröffentlichung nicht unwert erschien: kommt 
doch gerade hier die empfindsame Art des jungen, durch Sterne und dessen 
deutsche Nachahmer bedeutsam angeregten Westenrieder zu merkwürdigem, 
fast wunderlichem Ausdruck. 

Der Brief liegt unter Papieren des Andreas Andree, der, ein Oheim 
Utzschneiders, in Diensten der Herzogin Maria Anna stand und wegen 
seiner Agitation gegen die Abtretung Bayerns an Österreich von Karl 
Theodor mit Haft und Verbannung bestraft wurde. Da jedoch keine Adresse 
beiliegt und auch der Inhalt keine Anhaltspunkte bietet, lässt sich nicht fest¬ 
stellen, ob der Brief an Audree selbst oder einen anderen jungen Mann 
gerichtet worden ist. Dagegen lässt sich mit Bestimmtheit erklären, dass 
Westenrieder denselben eigenhändig geschrieben hat; durch genaue Ver¬ 
gleichung mit unbezweifelten Autographeu wurde jeder Zweifel ausgeschlossen. 

Das Schriftstück ist meines Wissens noch nicht bekannt; Cs findet 
sich weder unter den Briefen, die als Anhang zu Gandershofers Er¬ 
innerungen an Westenrieder (München 1840) mitgeteilt sind, noch in der 
Sammlung, welche August Kluckhohn dem handschriftlichen Nachlass 
Westenrieders auf der Münchener Staatsbibliothek entnommen und in den 
Abhandlungen der Münchener Akademie veröffentlicht hat (Histor. Klasse, Neue 
Folge, 16. Band, 105). Während die schon gedruckten Briefe aus den Jahren 
1776—1805 herrühren, ist der uns vorliegende schon 1775 geschrieben, stammt 
also noch aus der Landshuter Periode, die vorwiegend noch poetischen Ver¬ 
suchen gewidmet war; in den Jahren 1773—1775 entstanden die unbedeuten¬ 
den dramatischen Arbeiten „Die zwei Kandidaten“, „König Saul“ u. a., freilich 
auch schon die wertvollen pädagogischen Abhandlungen: „Warum man in 
Schulen gewöhnlich mehr die Wissenschaften als die Weisheit erlernt“ und 
„Erinnerungen über den geringen Nutzen, den man in Schulen aus der Lektüre 
der alten klassischen Autoren erhält“, und die theologischen Schriften: „In¬ 
begriff der christkatholischen Lehre“ und „Wesentliche Begriffe des praktischen 
Christentums“, wodurch er sich eine scharfe Verwarnung des Freisinger 
Ordinariats zuzog. 


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246 


Karl Theodor von Heigel. Ein unbekannter Brief Westenrieders. 


Mein lieber Freund! 

Sie haben mir mit Ihrem gefühlvollen Briefe eine Freude gemacht, die ich unter 
die Glückseligkeiten meines Lebens gezählet habe. Mein Herz dankt Ihnen dafür eben 
so aufrichtig, wie für die gütige Einladung in das Landhaus, welche Sie mir mit einer 
Gutherzigkeit vorgelegt haben, die mich in der That bewegen sollte, sie anzunehmen. 
Wie sollte es mich freuen, mich nach diesem angenehmen Blumenort begeben und dort- 
selbst ausruhen zu können! Allein ich gehe meistens sehr früh, oder am Abend spaziera, 
und da ist es lebenslänglich schon meine Gewohnheit, gänzlich allein zu gehen, mich mir 
selbst zu überlassen, und den Raum des Himmels zu athmen. Gleichwol würde ich, 
so bald ich meine Gegenwart zu Ihrer Bildung für nothwendig hielte, es für eine Pflicht 
ansehen, denselben öfters zu betretten; allein ich bin gänzlich der Meynung, dass mau 
auf dem Weg zur Bildung niemals den Gang eines ängstlichen Systems annehmen, sich 
niemals gerade an gewisse Stunden binden, sondern von seinem fortgesezten Privatfleis, 
und der Zeit, die alles vollendet, seine Entwicklung erwarten soll. So edel und lobens- 
würdig Ihr Entzweck ist: so zweifle ich doch, ob eine ordentliche Unterredung das Mittel 
seyn könne, denselben in die Länge zu erhalten. Das, was unsre Seele, so zu reden, 
aufthaut und stärket, ist Enthusiasmus und Liebe im innigsten, sprachlosen Gefühl der 
Kunst, das an keinen Zeitpunkt sich fesseln lässt; es führt sich von selbst und unver¬ 
merkt herbei, ohne dass man es durch Vorsaz und Bemühung gerufen hat. So bald man 
sich vorsagt, wann mau empfinden und denken will: so denkt man mit Zwang und Mühe, 
und empfindet mit Schüchternheit. Mein Rath wäre, dass Sie sich das einander schreiben, 
was Sie nunmehr geglaubt haben, sich mündlich sagen zu sollen. Diess ist in Ihren 
Jahren ganz gewiss das zuverlässigste Mittel, sich zu bilden, und selbst zu unterrichten. 
Um nichts davon zu sagen, dass durch diese Übung, diese vieleicht einzige gute Übung, 
unsere Schreibart bestimmt, natürlich und gefühlvoll wird, so ist es gewiss, dass man sich 
viele Sachen schreibt, die man ausserdem nie gesagt haben würde; man drückt sich mit 
Empfindung und Liebe aus, und gewöhnt sich dadurch, sich gut und mit Ordnung und 
Wahl auszudrücken. Auch erhält man sich dadurch stets in einer gewissen Entfernung 
und Hochachtung, die zur Vermeidung des Eckels und zu dauernder Freundschaft so 
nothwendig ist. Ich würde mich an nichts Gewisses binden, sondern schreiben, was ich 
eben auf dem Herzen hätte, und was Zeit und Gelegenheit eingäbe. Diess würde ich 
auch und* um desto mehr im persönlichen Umgang beobachten und mir niemals vor¬ 
nehmen, was ich mit meinen Freunden nach einer Methode zergliedern und lesen wollte. 
Ich besize, denn warum sollte ich Ihnen nicht sagen, dass ich der glückliche Mensch 
war, einen Freund dieser Art, einen tugendhaften, gefühlvollen Freund in meiner Jugend 
zu finden, ich besize, sage ich, etliche hundert Briefe, die ich an ihn geschrieben oder 
von ihm erhalten habe. Wenn ich sie manchmal so hervornehme und lese, so fliesst mein 
Herz in die dankbarste Entzückung hin. Ich finde darin die Geschichte meines Herzens, 
die Geschichte der Entwicklung meiner Talente, und die seligsten Augenblicke meines 
Lebens. Ich sehe darinn, wie ich von Stuffe zu Stuffe zu bessrem Begriff gekommen, 
zu reinerm Ausdrücken, und zur Festigkeit meiner Ideen gelangt bin. 

Wie wünschte ich, zur Befestigung Ihrer Freundschaft mit diesen würdigen Mit¬ 
schülern etwas bevtragen zu können; denn es gibt kein köstlicheres Gut auf Erden, als 
einen wahren Freund. Wenn Sie einen Zweifel haben, worinn Sie meine Meynung ver¬ 
nehmen möchten: so werde ich mich allzeit bemühen, Ihr Zutrauen und guten Absichten 
zu unterstüzen. Versichern Sie die beiden würdigen jungen Männer meiner vollkommensten 
Freundschaft und meines wärmsten Antheils an allem, was selben lieb und nüzlich seyn 
kann. Ich bin unaufhörlich Ihr 

wahrer Freund 

Den 24. April 1775. 

W e s t e n r i e d e r. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl. 

Von 

Michael Döberl. 

II. Darstellung. 

^n den ersten Tagen des Monats März 1667, damals, als Kurfürst 
Ferdinand Maria von Bayern mit seiner Gemahlin Adelheid sich zu der 
seit Jahr und Tag geplanten Erholungsreise nach Italien rüstete, kurz bevor König 
Ludwig XIV. von Frankreich zu dem längst vorbereiteten Schlage gegen 
die spanischen Niederlande ausholte, ging dem ersten bayerischen Gesandten 
am Regensburger Reichstage, dem geheimen Ratskanzler Dr. Johann Georg 
Öxl, durch den Vizekanzler Kaspar Sclimid die allerhöchste Weisung zu, 
er habe sich in thunlichster Bälde in München einzufinden; der Kurfürst 
werde unmittelbar nach Ostern seine Reise nach Padua antreten und wünsche 
vor seinem Aufbruche mit Öxl über die während seines italienischen Auf¬ 
enthaltes in Regensburg einzuschlagende Haltung zu konferieren x ). 

Als Öxl am 19. März in München eintraf, harrte er vergebens auf den 
Befehl zu einer Audienz beim Kurfürsten oder wenigstens zu einer geheimen Rats¬ 
sitzung, es wurde kein Wort von Reichstagsangelegenheiten mit ihm gewechselt. 
Statt dessen wurde ihm bedeutet, der Landesherr habe „grosse Ungnade, Miss¬ 
trauen und bösen Verdacht“ gegen ihn gefasst, er solle schleunigst seine Ent¬ 
lassung nehmen; sonst sähe sich der Kurfürst genötigt, Öxl auf eine ihm 
sehr unliebe Weise aus dem Amte zu entfernen. 

Der politische Gesinnungsgenosse Öxls, der österreichfreundliche Oberst¬ 
kämmerer Baron von Haslang, und der kurfürstliche Beichtvater Dr. Manzin 
verwandten sich bei Ferdinand Maria für Öxl, man möge ihm die An¬ 
klageschrift zur Verantwortung zustellen, man möge ihm wenigstens die 
Gründe für die allerhöchste Ungnade eröffnen, „warum er beim Kurfürsten 
in unversehene offensam, diffidentiam et sinistram suspicionem geraten.“ Es 
war vergebens, beides blieb Öxl versagt. Es wurde ihm vielmehr im Aufträge 
Ferdinand Marias bekannt gegeben, der Kurfürst wolle keinen Prozess 
gegen ihn anstrengen; es stehe einem Landesfürsten frei, nach Belieben, ohne 
Eröffnung der Ursachen einen Diener zu behalten oder zu verabschieden; 
Öxl könne sich umso weniger beschweren, da der Kurfürst entschlossen sei, 
ihm Titel, Rang und vollen Gehaltzu belassen, ihn nur in wirklichen Diensten 
nicht weiter gebrauchen wolle. 

l ) Aktenstücke Nr. 5. 

Bayer. Forschungen, VII, 4. 17 


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Michael Döberl 


248 


Wochenlang wiederholte Öxl die Bitte um Gewährung einer Abschieds¬ 
audienz; er werde nichts Vorbringen, was dem Kurfürsten unangenehm sein 
könnte. Auch diese Bitte blieb ihm versagt. Am 10. April 1667 reichte er 
sein Entlassungsgesuch ein; er habe nunmehr durch die Gnade Gottes sein 
62. Lebensjahr erreicht, habe 38 Jahre davon in den Diensten des Kurfürsten 
und des bayerischen Kurhauses, habe die letzten 18 Jahre fast ausschliesslich 
in Reichskommissionen verbracht, mit dem Alter und den ausgestandenen 
Strapazen und Ungelegenheiten seien allerhand Leibeszustände über ihn ge¬ 
kommen, so dass er seinem Dienste nicht mehr in gewohnter Weise nachgehen 
könne. Er bat, ihn seiner Pflichten und Dienste zu entheben, aber im Besitze 
des Titels und Gehaltes eines geheimen Ratskanzlers zu belassen und seinem 
Sohne Konrad Bartholme die Pflege Teisbach, die er bisher inne gehabt, 
zuzuweisen 8 ). Am 13. April wurde durch kurfürstliches Dekret 3 ) Öxls Ent¬ 
lassungsgesuch genehmigt und ihm alles bewilligt, was er nachgesucht hatte, 
aber gegen Unterzeichnung eines Reverses 4 ), in welchem er sich verpflichten 
musste, in keine anderen Dienste zu treten, weder einer hohen noch einer 
niederen Standesperson wider das Interesse Bayerns mit Rat und That an die 
Hand zu gehen, das Dienstgeheimnis bis an sein Ende streng zu wahren und 
die in seinem Besitze befindlichen Akten auszuliefern. Am 18. April reiste 
der Kurfürst mit seiner Gemahlin nach dem Süden ab, ohne Öxl eine Ab¬ 
schiedsaudien z bewilligt zu haben. 

So schildert Öxl selbst 6 ) die näheren Umstände seiner Entlassung. 
Ein offizieller bayerischer Bericht existiert nicht, auch die Nachforschungen 
in Wien und Paris nach Berichten der kaiserlichen und der französischen 
Gesandtschaft in Regensburg sind leider erfolglos geblieben. Die Schilderung 
Öxls klingt hart, mitleiderregend, und doch war der Sturz Öxls kein 
tragisches Geschick, auch nach dem, was ihm vorausgegangen war, kein über¬ 
raschendes Ereignis mehr. 

♦ 

Die Politik Bayerns während der Kaiserwahlfrage, mit der Öxls Name 
aufs engste verknüpft war, die er von den aktiven Teilnehmern Bayerns am 
längsten überlebte, hatte nicht die vom bayerischen Hofe erwarteten und vom 
Kaiser und den kaiserlichen Ministern in verlockender Nähe gezeigten Früchte 
getragen, hatte im Gegenteil schlimme Enttäuschungen gebracht 

In jenen Monaten, da eine Welt in die Schranken trat, um die Casa 
d’Austria von dem wie ein Erbstück des Hauses angesehenen Kaiserthrone 
auszuschliessen, hatte der Wiener Hof wieder einmal die rosigste Geberlaune 
gezeigt, um den gefährlichsten Konkurrenten von der Bewerbung um die 
Kaiserkrone zurückzuhalten, Bayern. Seit dem dreissigjährigen Kriege waren 
die Einkünfte des bayerischen Salzmonopols empfindlich gekürzt worden durch 
den zur Einführung gebrachten Aufschlag auf das nach Böhmen gehende Salz. 

*) Aktenstücke Nr. 6. 

*) Aktenstücke Nr 7. 

4 ) Aktenstücke Nr. 8. 

5 ) Aktenstücke Nr. 12. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


249 


In den Tagen des Wahlkampfes gaben der Kaiser und die kaiserlichen Minister 
von Wien wie von Frankfurt aus die schönsten Vertröstungen. Das Ergebnis 
nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I. war, dass, um mit den Worten des 
Kurfürsten von Bayern zu sprechen, nach mehr als viermonatlichen Verhand¬ 
lungen/ nach schweren Unkosten, nach vielfältigen Versprechungen der un¬ 
leidliche Zustand fortdauerte. Seit dem westfälischen Frieden war an Stelle 
des alten Zankapfels zwischen bayerischen und pfälzischen Wittelsbachern, an 
Stelle des Haders um die pfälzische Kurwürde der Reichs vikariatstreit getreten. 
In den Tagen des Wahlkampfes gelobte der Kaiser, mit seiner ganzen Autorität, 
nötigenfalls mit den Waffen, das Reichsvikariatsrecht Bayerns aufrecht zu 
erhalten. Das Ergebnis nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I. war derart, 
dass man noch in den siebziger Jahren am bayerischen Hofe klagte, das Kaiser¬ 
haus habe sich in dieser Frage von jeher zweideutig benommen und niemals 
mit Entschiedenheit das Vorrecht Bayerns anerkannt. Seit dem dreissigjährigen 
Kriege stritten sich das dem bayerischen Hofe verwandte Savoyen und Mantua 
um Montferrat, um das Stadtgebiet von Trino, um das Reichsvikariat von 
Oberitalien. Im vierten Artikel der Wahlkapitulation übernahm der Kaiser 
die eidliche Verpflichtung, den Herzog von Savoyen mit den genannten Streit¬ 
objekten zu belehnen. Das Ergebnis nach glücklich erreichter Wahl Leopolds I. 
war, dass Savoyen die Investitur versagt blieb, versagt blieb trotz Jahre lang 
fortgesetzter Bemühungen des Kurfürsten und seiner Minister. Das war der 
Dank vom Hause Österreich 6 ). 

Schon klagten die bayerischen Minister über den Wortbruch der kaiser¬ 
lichen Räte, die dem Kurfürsten, als sie seiner Dienste bedurften, tausend 
Versprechungen gemacht hätten, jetzt aber, da sie der Dienste entraten zu 
können glaubten, der Versprechungen sich nicht mehr erinnern wollten; schon 
drohten sie damit, dass sich der Kurfürst um andere Hilfe Umsehen werde. 
Öxl selbst muss in einem vertraulichen Schreiben an Maximilian von 
Kurz bekennen: „Es ist freilich wahr, quod in aula Caesarea adversarii 
honoreutur, amici autem onerentur“. Über diesen Erfahrungen musste nicht 
bloss Österreich seinen Kredit einbüssen, es mussten zugleich die Wortführer 
der verkrachten Spekulation in Mitleidenschaft gezogen werden, es musste mit 
der Zeit auch Ö x 1 an Vertrauen verlieren, wenn ihn auch zunächst noch die 
Erinnerung an sein sogenanntes schneidiges Auftreten gegen den verhassten 
Pfälzerin Frankfurt 7 ) vor einer Massregelung des Kurfürsten schützte. Ferdinand 
Maria war von Haus aus argwöhnisch; die Enttäuschung konnte daher um 
so bedenklicher wirken, als gerade die bisherigen Berater dem österreichischen 
Kaiserhause und dessen leitenden Ministern persönlich nahe standen und des- 

Ä ) Über diese bayerischen Enttäuschungen s. Döberl, Bayerns Anschluss 
an Frankreich unter Ferdinand Maria, seine Entstehungsgeschichte und seine Wir¬ 
kungen bis zum Frieden von Füssen, S. 69—110. 

7 ) Dass sich Öxl mit diesen wohlfeilen, durch eigene Ruhmredigkeit künstlich 
aufgeputzten Lorbeeren bei dem für Kränkungen seiner Ehre ausserordentlich empfind¬ 
lichen Kurfürsten einen mächtigen Stein ins Brett gelegt hat, geht aus verschiedenen 
Äusserungen hervor. 

i 7 . 


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250 


Michael Döberl 


halb der Verdacht aufkeimen konnte, dass sie das Interesse Bayerns dem 
Interesse Österreichs geopfert 8 ). 

* 

Die Wirkungen dieser Enttäuschungen zeigten sich bald in den Gegen¬ 
sätzen zwischen Bayern und Österreich in Fragen der Reichs- 
wie der auswärtigen Politik, schon in den Jahren 1659—62, die man 
bisher völlig habsburgfreundlich geglaubt hat 

Bayern protestiert im Frühjahr 1659, als der Kaiser Neigung verrät, 
im Widerspruch mit der beschworenen Wahlkapitulation den Spaniern sowohl 
nach Italien als nach den Niederlanden bewaffnete Hilfe zu senden, gegen 
eine Einmischung des Reiches in den Krieg im Westen, droht, nötigenfalls 
den kaiserlichen Völkern den Durchzug mit Gewalt zu verwehren. Dasselbe 
Bayern weist zur Zeit des nordischen Krieges die Einladung zu einer Allianz 
mit Österreich ostentativ zurück, protestiert vielmehr durch eine eigene Ge¬ 
sandtschaft gegen eine Einmischung des Reiches in den Krieg im Norden. 
Bayern geht beim ersten Proteste thatsächlich zusammen mit der rheinischen 
Allianz, beim zweiten mit der rheinischen Allianz und mit Frankreich. Und 
dasselbe Bayern kreuzt die Wege der kaiserlichen Politik auch in dem lang¬ 
wierigen Deputationsstreite, zwingt den Kaiser nach heftigem Widerstande 
schliesslich zu dem, was er vorher wie in Vorahnung der kommenden Er¬ 
eignisse als unvereinbar mit seiner Autorität, als ein „gegen die Posterität 
unverantwortliches Werk“ bezeichnet hatte, zur Berufung des Reichstages, 
der tagen sollte bis zum Ende des heiligen römischen Reiches 9 ). Das Ver¬ 
trauen zwischen den Kabinetten von Wien und München war zerstört 

Auch diese Gegensätze zwischen dem Münchener und dem Wiener Kabinett 
waren verhängnisvoll für den politischen Einfluss Öxls, die Niederlagen der 
österreichischen Diplomatie waren zugleich Niederlagen Öxls; denn dieser 
hatte sich auch jetzt mit der österreichischen Diplomatie völlig identifiziert 
Die verhetzende und widerspruchsvolle Art vollends, wie Öxl bei 
diesen Ereignissen für die Sache Österreichs eintrat, hat zugleich dem poli¬ 
tischen Kredit Öxls den Bankerott gebracht, hat nicht bloss die Feindschaften, 
die er vom Frankfurter Wahltag her auf sich gezogen hatte, verschärft, sondern 
seine eigenen politischen Freunde an ihm irre gemacht. Um die kölnisch- 
fürstenbergischen Ausgleichsvorschläge im Deputationsstreite zu nichte zu machen, 
beschuldigter den Reichsvizekanzler, dass er sich von Nürnberg habe bestechen 
lassen, verhetzt er gemeinsam mit seinem Freunde Volmar die Augsburger 
Konfessionsverwandten gegen die katholischen Kurfürsten — sie sollten 
den Pfaffen nicht trauen, weil sie sich betrogen finden würden —, giebt 
er in den katholischen Kreisen die Parole einer Gefahr für den Katholizismus 
aus. Dass Öxl die Sache Österreichs vertrat, könnte man ihm an sich nicht 
zum Vorwurfe machen, aber er verwickelt sich dabei in die gröbsten Wider- 

8 ) Dieser Verdacht ist von Ferdinand Maria thatsächlich geäussert worden. 
Vgl. Heigel, Quellen u. Abh. z. n. G. Bayerns I, 242 f. 

9 ) Über diese Gegensätze zwischen Bayern und Österreich s. Döberl a. a. O. noff. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers öxl. 251 

Sprüche; einem oberflächlichen Leser müsste er bald als ein grimmiger 
Österreichhasser, bald als ein Österreich Schwärmer erscheinen. Er stimmt bei 
jeder Gelegenheit ein in das verdammende Urteil über den Undank Österreichs, 
über die Lässigkeit und Uneinigkeit der kaiserlichen Ministerrepublik — am 
Kaiserhofe brauche man zu den Negotien gewöhnlich die Ochsenpost und 
gehe es auch sonst in publtcis nicht besser her —, manchmal über die Person 
des Kaisers selbst, und unmittelbar darauf bittet und beschwört er im Namen 
der nationalen Sache, das blind zu erfüllen, was die österreichische Diplomatie, 
und zwar oft die einseitigste Richtung derselben, dekretiert hat. Derselbe Öxl, 
der sich vor nicht langer Zeit den Anschein gegeben hat, als ob er den 
Türkenkrieg begrüsse, weil er Beschleunigung des Reichstages und damit 
Lösung des Deputationskonfliktes bringen werde, erklärt unmittelbar darauf 
Billigung der österreichischerseits erhobenen Hindernisse gegen einen Reichstag 
für „echt altdeutsch“, findet ein kursächsisches Zustimmungsschreiben wert, 
„dass man es in Gold einfasse und Patrioten für einen Spiegel ihrer Pflicht und 
gebührenden Freiheit Vorhalte“. Die Folge dieser Doppelzüngigkeit war, dass 
Öxl schliesslich bei Freund und Feind in Misskredit fiel. Am 4. November 
1666, zu der Zeit, als Öxl, wiewohl noch in kurbayerischen Diensten stehend, 
sein bedenkliches Spiel am Wiener Hofe begann, schrieb der Landshuter 
Regierungskanzler Dr. German Barbier, derselbe, der früher als Protokoll¬ 
führer am Regensburger Reichstag unter ihm gedient: „Scheint, dass ihn Gott 
wegen seiner gegen jedermann praktizierten Falschheit fallen 
lässt“ 10 ). Öxl selbst klagt schon im September 1661, dass er von der kur¬ 
fürstlichen Kanzlei wie ein Landes- und Reichsverräter behandelt werde 11 ). 

* * * 

Die Stellung Öxls musste noch mehr erschüttert werden, als den 
herrschenden Einfluss am Münchener Hofe Persönlichkeiten gewannen, die 
teils aus sachlichen, teils aus persönlichen Motiven Gegner der österreichfreund¬ 
lichen Politik und ihrer Vertreter waren. 

Am 10. Juli 1662 starb Graf Maximilian von Kurz, der sicherlich 
aus Überzeugung den politischen Anschluss Bayerns an Österreich empfohlen, 
der Öxl protegiert hatte. Das wichtigte Amt des Obersthöfmeisters, der an 
der Spitze nicht bloss der Hof-, sondern auch der Staatsverwaltung stand, 
blieb bis zum Jahre 1670 unerledigt. Während dieses Interimistikums führte 
nominell die Geschäfte des Obersthofmeisters der nächsthöhere Hof- und 
Staatsbeamte, der österreichisch gesinnte Oberstkämmerer Baron von Haslang, 
thatsächlich aber war seit dem Jahre 1662 der erste Hof- und Staatsbeamte 
der Obersthofmarschall Hermann Egon von Fürstenberg, wenn er auch 
erst im Jahre 1670 auf den Obersthofmeistersposten erhoben wurde. Und 
schon vorher war das enge Verhältnis zwischen dem Münchener und dem von 
den Brüdern Herrn anns, Franz und Wilhelm Egon von Fürstenberg, 

10 ) Aktenstücke Nr. 3. 

n ) Über dieses widerspruchsvolle Verhalten Öxls vgl. Döberl a. a. O., nament¬ 
lich S. 138 ff-, 153 ff-, 156 ff. 


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Michael Döberl 


252 


geleiteten Kölner Hofe, das man bisher österreichischerseits so ängstlich fern- 
zuhalten gesucht hatte, begründet 12 ). Hermann Egon von Fürstenberg 
war nicht bloss der Gegner des früheren Systems, er war auch ein persönlicher 
Feind Öxls; Öxl hatte ihn und seine Brüder bis aufs Messer bekämpft 
Das Urteil, das die Geschichte über Fürsten berg Zufällen hat, ist kein günstiges; 
ich habe an anderer Stelle ein Charakterbild dieses Mannes zu entwerfen 
versucht 13 ). Aber das Verfahren, das Öxl in der Bekämpfung Fürstenbergs 
beliebte, war nichts weniger als einwandfrei. Öxl hat in der Zeit des Frank¬ 
furter Wahltages den bayerischen Prinzipalgesandten Fürsten berg verdächtigt, 
ihn beschuldigt, dass er seine Pflicht versäumt habe, weil er anlässlich der 
künstlich zu einer Aktion ersten Ranges aufgebauschten Tintenfassszene ihm 
in seiner Hetze gegen die Pfalz nicht sekundierte 14 ); Fürstenberg beklagt 
sich noch in den siebziger Jahren gegen den österreichischen Gesandten 
Königsegg, dass Öxl, um sein Verhalten gelegentlich der Kaiserwahl zu 
kompromittieren, Brieffälschungen vorgenommen, und dass diese anfänglich sogar 
Aufnahme in die Historiadi Leopoldo Cesare von Gualdo Priorato gefunden 
hätten 15 ). Öxl hat in der Zeit des Regensburger Deputationstages in der 
Bekämpfung und Verdrehung alles dessen, was von Fürstenberg und 
seinem Hause kam, sein Möglichstes geleistet, ohne Rücksicht darauf, ob jenes 
gut oder schlecht war. Und dieser Kampf wurde von Öxl vielfach in der 
Weise geführt, dass er giftige Pfeile aus sicherem Verstecke entsandte, wie 
namentlich seine vertrauliche Korrespondenz mit dem Grafen Maximilian 
von Kurz an den Tag legt, die vielleicht nach dessen Tode in die Hand 
des Fürstenberges geriet 16 ). Gerade die gehässige Art, mit der Öxl in 

ll ) Döberl a. a. O. 156. 

15 ) A. a. O. 163— 166. 

14 ) A. a. O. 53 f. 

16 ) „Erfangete an ganz empfindlich wider den baron Öxel zu schelten, gäbe ihm 
die schuld, dass er in kaiserliche diffidenz geraten; er hette falsche schreiben formieret, so 
anfänglich gar der conte Gualdo in seine historia gesezet habe.“ Wiener Staatsarchiv, 
Staatskanzlei. 1672 Nov. 18., Königsegg an Leopold I. 

lö ) Nach dem Tode des Grafen Kurz sah sich Öxl am 25. Juli 1662 veranlasst, 
den Kurfürsten zu bitten, seine Partikularkorrespondenz mit dem Obersthofmeister in 
sicheren Gewahrsam zu bringen: „Aus E. kf. D* in Gott rhuenden h. vatem und nach 
dessen ableiben aus Ihro frauw mueter als mitvormunderin, auch nach E. kf. D* ange¬ 
tretenen regierung aus Deroselben selbst aigenen g. befelchen hab ich in die 13 iahr 
lang — under welchen ich dritthalb iahr zue hof und ailfthalb iahr, einmahl zue 
Nürnberg, zweimal zue Frankfort und auch dahie zue Regenspurg zwaimal, in reichs- 
cominissiouen und conventen gewesen — mit dem negst verstorbenen obristen hof- und 
landhofmaister in Sachen, welche man nicht gern in die cauzlei oder auch für andere rät 
körnen lassen, von wochen zue wochen ordinarie, auch öfters extraordinarie continuierlich 
ä part und in geheimben vertrauwen correspondieret und under solcher zeit vil hundert 
schreiben sambt vornehmen wichtigen beilagen an ihne abgehen, welche er, wie ich ver¬ 
standen, in einer sonderbaren registratur hatte, auch iew r eilen nach gestalten Sachen eines 
und anders dem Hu eher und Widel, auch villeicht ieweilen dem Wilderer und 
dessen Vorfahren in officio dem Veit Jacob Pühler zuer geheimben und Ihren particular- 
registraturn geben lassen. Nun seind nicht allein allerhand wichtige und ge¬ 
heim be materiell, sondern auch vil personalia darinnen begriffen, welche, 
iv an sie nach seliggedachten obristen landliofmeisters erfolgtem tod- 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


253 


der Zeit seiner Macht auftrat, trug gewiss keine geringe Schuld daran, dass 
der Umschwung der bayerischen Politik zum Teil in recht gehässigen und 
persönlichen Formen sich bewegte. 

Allerdings erhielt öxl in dem nämlichen Jahre 1662 nach dem Tode 
Adlzreiters Gehalt und Rangeines wirklichen geheimen Ratskanzlers, allein 
dies geschah mehr in Rücksicht auf sein Dienstalter und auf die in früheren 
Jahren dem Kurhause geleisteten Dienste. Überdies hat Öxl bei seiner Ab¬ 
neigung gegen das Bureauleben keinen Schritt gethan, um in seiner Eigen¬ 
schaft als Kanzler wirklich an die Spitze der geheimen Ratskanzlei zu treten, 
blieb vielmehr zuerst als Reichsdeputations-, dann als Reichtstagsgesandter in 
Regensburg und überliess damit die geschäftliche Leitung der bayerischen 
Politik demjenigen, der schon bisher alle Schritte gegen Österreich geleitet 
hatte, der schon bisher in geschäftlichen Gegensatz zu Öxl getreten war, der, wie 
sich immer mehr zeigte, Öxl auch persönlich unsympathisch gegenüberstand, 
Kaspar Schmid. Als Gesandter war der Kanzler Öxl an die Instruktionen 
seiner Regierung gebunden, Form und Inhalt gab denselben der Vorstand 
der geheimen Ratskanzlei, der Vizekanzler Schmid. 

Mit dem wachsenden Einfluss Fürstenbergs und Schmids war 
die Stellung Öxls noch schwieriger geworden. Für Öxl gab es keine andere 
Wahl als Anschluss an die Richtung des neuen Kurses oder Rücktritt. Er 
wollte keines von beiden, sondern Politik auf eigene Faust machen. Dazu 
eignete sich am allerwenigsten der Gesandtschaftsposten. Es ist nicht zulässig, 
dass der Gesandte, namentlich an einem so wichtigen Platze wie in Regens¬ 
burg, eine der Zentralregierung entgegengesetzte Politik vertritt; darunter 
hätte die Disziplin, die Einheit des Dienstes leiden müssen, wären zwei Zentral¬ 
stellen für die auswärtige Politik ins Leben getreten. Es ist stets gefährlich, 
wenn der Schwächere es wagt, dem Stärkeren die Wege zu kreuzen, gefährlich, 
im Leben wie in der Politik, doppelt gefährlich dann, wenn dem Unternehmen 
die Lauterkeit der Gesinnung fehlt, wenn der Unternehmer sich moralische 
Blossen giebt. Öxl that sein Möglichstes, um einerseits seine Gegner zu 
reizen, um anderseits seinen Gegnern Waffen in die Hand zu liefern. 

fall in andere und ungleiche händ geraten sollten, mir und andern vil 
grosse ungelegenheiten und Verfolgungen verursachen würden. Gelanget 
diesem nach an E. kf. Dt meine underthönigste und höchstangelegniste bitt, die fürder- 
samste g. Verordnung zue thuen, dass der Wilderer alle solche meine schreiben, bericht, 
acta und beilag sowohl bei des obristen landhofmeisters sei. registratura und briefereien 
als bei dem Hueber, Widel wie auch bei dem iüngst angestölten geheimben canzlei- 
registrator Spannagel — dafern er etwas hiervon under seine hand bekomen hett — 
alsbald zuesamensuchen und abfordern, auch bei ihme wohlverwahrt aufbehalten oder doch 
dem obristen camerem in sein geheimbe custodiam überlüfem solle, bis ich selbsten 
hinaufkomen und derenthalben die notdurft in obacht nemen kan. Wie ich nicht wenigers 
des underthänigsten erbietens bin, des abgeleibten obristlandhofmeisters an mich abgelassene 
schreiben, deren ich von seiner aigenen hand auch etlich hundert habe, negstens aus- 
und demienigen, wem es E. kf. D* g. schaffen, gebührend zue überlüfern, damit sie ebener 
gestalten nach meinem tod in keine frembde händ komen.“ Münchener Kreisarchiv, 
Personalakten Öxls. Thatsächlich wurden diese Schreiben schon in der Zeit Ferdinand 
Marias den einschlägigen Akten der geheimen Kanzleiregistratur einverleibt. 


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Michael Doberl 


Die Türkenpanik des Jahres 1663 brachte den Kurfürsten von Bayern 
zu der unabweisbaren Überzeugung, dass er in der Isolierung der letzten 
Jahre nicht verharren könne, dass er eines Rückhaltes bedürfe, und dass er 
diesen nur an Frankreich finden könne. Es begannen jene bayerisch-französischen 
Beziehungen, die mit einer Entente einsetzten und auf dem Wege über drei 
Allianzprojekte zum bayerisch-französischen Bündnis von 1670 führten 17 ), 

Öxl nahm anfänglich wirklich einen Anlauf, sich in die neuen Ver¬ 
hältnisse zu schicken. Eben damals, am 7. Juli 1663, zog der Vertreter 
Frankreichs in Deutschland, Robert de Gravel, in Regensburg ein, nach¬ 
dem schon vorher die Frankfurter Deputation dem Regensburger Reichstag 
Platz gemacht hatte und im Zusammenhänge damit der Bundesrat der rheinischen 
Allianz von Frankfurt nach Regensburg verlegt worden war. Einige Gesandte 
der weltlichen Kurfürsten, insbesondere der kurpfälzische, nahmen anfänglich 
Anstand, dem französischen Gesandten die Ehre der ersten Visite zu erweisen. 
Doch der Vertreter des Kurfürsten von Bayern machte den Anfang mit seinem 
Besuche, und dadurch wurden auch die anderen Gesandten gezwungen, inm 
nachzufolgen. Ja der von Frankfurt her als grimmiger Franzosenfeind bekannte 
Öxl versicherte den Vertreter des allerchristlichsten Königs seiner Dienste 
mit einer Wärme, welche über die konventionelle Sprache der Diplomaten hinaus¬ 
zugehen schien. Gravel war völlig überrascht: „J’y ai recognu une disposition 
toute autre, qu’il ne m’a paru autrefois ä Francfort, au moins autant que 
l’onen peutjuger des marques exterieures. Quoique chacun dans ces premieres 
recontres, qui ne sont que de ceremonies, en use civilement, neantmoins on 
rencognoit bien qu’il y a plus de franchise et de sincerite en de certains com- 
plimens qu’en d’autres 18 ).“ 

Freilich schrieb Gravel die veränderte Haltung des bayerischen Ge¬ 
sandten einer ausdrücklichen Weisung des Kurfürsten und diese selbst dem 
Einfluss der Kurfürstin Adelheid zu 19 ). Das Vertrauen Gravels zu Öxl 
war auch jetzt kein grosses: „Vous cognoissez le genie de mr. Oec sei qui se 
rapporte beaucoup ä ceux des chanceliers Meel etAnetanus. II leur manque 
maintenant le quatrieme pour faire l’atelage complet qui estoit le bon mr. 
Volmar ä qui Dieu fasse misericorde 20 ).“ Noch geringer war das Vertrauen 
der französischen Regierung. Als anfangs August der Staatssekretär des aus¬ 
wärtigen Amtes in Paris, Marquis de Lion ne, in einem Schreiben an die 
Kurfürstin den Antrag auf Erneuerung der Korrespondenz oder Entente 
zwischen Bayern und Frankreich stellte, verbat er sich ausdrücklich die Person 
Öxls für die Vermittelung dieser Korrespondenz 21 ): „Wenn diese Korrespondenz 
aufgerichtet werden soll, dann muss Herrn Öxl alle Wissenschaft davon 

1T ) D öb e rl a. a. O. 

18 ) Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne t. 157. 1663 Juli 26, Gravel an Ludwig XIV. 

19 ) »Je s^ay de tr&s bonue part que la mani&re obligeante et extraordinaire dont 
on a use aveq moy le deput£ de Baviere vient d’un ordre tres exprez qu’il en a receu 
de son maistre et sans doute par les tnouvemens de madame l’electrice.“ 

,0 ) Ebenda. 1663 Aug. 23, Gravel an Ludwig XIV. 

**) Münchener geheimes Hausarchiv. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


255 


entzogen werden, wenn Sie nicht wollen, dass man zu Wien von allem eher 
als zu München Kenntnis habe.“ 

In der That war es Ö x 1 auch jetzt mit der Durchführung der Intentionen 
der Münchener Regierung so wenig ernst, dass er gleich die erste Probe schlecht 
bestand, dass er in der Hitze des Weines, dem er auch sonst mehr, als er vertrug, 
zugesprochen zu haben scheint, aus der kurz zuvor einstudierten Rolle plump 
herausfiel. Gravel hatte die beiden bayerischen Gesandten am Regensburger 
Reichstage, den geheimen Ratskanzler Dr. Öxl und den Hofkanzler Dr. Ernst, 
am 25. August zu einem Diner zu sich gebeten, zu dem ausgesprochenen Zwecke, 
ihrer wahren politischen Gesinnung auf die Spur zu kommen. Hier nun, im 
Hause des französischen Gesandten, brach Öxl mit seiner antifranzösischen 
Gesinnung offen heraus. Der Kölner Gesandte, der zum Diner deshalb bei¬ 
gezogen worden war, damit er Zeuge der Auslassungen Öxls werde und 
nötigenfalls seinen kurfürstlichen Herrn, dieser aber den verwandten Münchener 
Hof verständigen könne, war, um mit den Worten •Gravels zu sprechen, 
schlecht erbaut, der zweite Gesandte Bayerns aber, Hofkanzler Dr. Ernst, 
gab noch während des Diners dem Vertreter Frankreichs seinen Unwillen 
über das taktlose Verhalten seines Vorgesetzten kund und entschuldigte sich 
am folgenden Tage in aller Form wegen des Zwischenfalls 22 ). Dieser Vorfall, 
der sicherlich, wenn auch auf Umwegen, sei es über Köln, sei es über Neuburg 
— der Pfalzgraf von Neuburg wurde durch den jüngeren Gravel davon be¬ 
nachrichtigt 23 ) — zur Kenntnis der bayerischen Regierung kam, war geeignet, 
einen gänzlichen Mangel an Disciplin in der bayerischen Diplomatie vor aller 
Welt zu bekunden, musste Bayern fürchten lassen, man werde ihm franzö- 
sischerseits nahe legen, erst die Beamtenschaft zu disciplinieren, ehe man an 
eine Bündnisfähigkeit denke. Schon damals scheint nicht bloss von französischer 
Seite der Wunsch laut geworden zu sein, sondern auch am bayerischen Hofe 
die Neigung bestanden zu haben, Öxl von Regensburg abzuberufen. 

Man nimmt zwar mit der Ausführung noch Anstand aus Rücksicht 
auf den Kaiserhof, um vor diesem nicht die politische Schwenkung aufzudecken, 
enschliesst sich einstweilen, den zweiten Reichstagsgesandten Dr. Johann 
Ernst abzuberufen, um für Franz von Mayr, den Mann des Vertrauens 
Frankreichs, Platz zu machen. Aber hinter dem Rücken Öxls führt dieser 


**) „Le 25 e j’invitay ä disner les ministres de Baviere aveq celuy de Cologne et 
monsieur Stadion qui est de la part de monsieur l’electeur de Mayance afin de me servir 
de cette occasion pour descouvrir les sentimens des dits tninistres sur toutes les prote- 
stations qu’ils m’avoient faites de la part de leurs maistres. Le sr. Exei ne put s’empescher 
dans la chaleur du vin de descouvrir son attachement k la court de Vienne dont le depute 
de Cologne fut fort mal 6difie. Je les avois aussi priez ensemble afin que ce dernier 
recognoissant les sentimens de l’autre en pust donner ad vis ä son maistre qui ne manquera 
pas de le faire s^avoir ä la court de Bavieres. Le chancelier qui est le collegue du dit 
Exei fist paroistre n’estre pas fort content des discours du dit Exei auquel je respondis 
avec beaucoup de retenue pour ne luy pas donner matiere d’escrire que je 1’avois invit6 
pour le quereier. 11 m’en a fait luy mesme des excuses le lendemain en des termes fort 
humiliez.“ Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne 1.157. 1663 Aug. 30, Gravel an Ludwig XIV. 

**) Pariser Archiv, Corresp. d’Allemagne. 1663 Sept. 6, Bericht des jüngeren Gravel. 


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Michael Döberl 


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zweite Reichstagsgesandte Mayr mit Grave 1 die mit Frankreich eingeleitete 
Geheimkorrespondenz, werden ihm von der eigenen Regierung umständliche 
Weisungen erteilt, damit der erste Reichstagsgesandte Öxl dieser Korrespondenz 
nicht auf die Spur komme, berichtet Mayr in umständlicher Weise, welche 
Vorkehrungen er zu diesem Zwecke getroffen habe 24 ). So war bereits im 
Jahre 1663 das thatsächliche Verhältnis zwischen dem ersten Gesandten am 
Regensburger Reichstage und der Zentralregierung. Und doch musste, wenn 
das Staatsinteresse nicht leiden sollte, gerade gegen die Gesandtschaft in 
Regensburg rückhaltlose Offenheit bis zum letzten Worte herrschen. 

Dieses Misstrauen gegen Ö x 1 wurde noch verschärft durch sein intimes 
Verhältnis zum kaiserlichen Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstage, 
dem Erzbischof Guidobald von Salzburg. Ehedem hatten allerdings zwischen 
dem bayerischen Hof und dem Erzbischof Guidobald die freundschaft¬ 
lichsten Beziehungen bestanden, aber gegen das Ende des Deputationsstreites 
hatten sich die Wege-Bayerns und Salzburgs geschieden, seit dem Regens¬ 
burger Reichstag und dem Regensburger Kreiskonvent wurde das Verhältnis 
zwischen den beiden Höfen ein geradezu gespanntes. Guidobald galt seit 
dem Regensburger Kreiskonvent als ein Gegner des bayerischen Kreisobersten- 
amtes 2 °), seit den Kapitulationsverhandlungen als ein Gegner der von Bayern 
eifersüchtig gewahrten kurfürstlichen Präeminenz: „Erscheint dar, dass der 
erzbischof zu Salzburg als des fürstlichen collegii membrum sich stark be- 
müeht des kfl. collegii beginnen zu hindertreiben, als welches ime das ius 
eligendi Caesarem et capitulandi zumisset und behaubten wile, und i. Mt wenigist 
dahin zu vermögen sich bearbeiten thuet, dass dieselbe disen puncten ex 
plenitudine potestatis zu sich ziehen und auf künftiger reichstäg deliberationes 
verschiben sollen 26 )/ 1 Bei diesem Erzbischof stand der älteste Sohn Öxls 
als Kammerrat in Diensten, von diesem wurde derselbe Sohn auch am Regens¬ 
burger Reichstag verwendet 27 ), bei diesem ging der Vater täglich aus und ein. 
Der Erzbischof hat sich selbst einmal Öxls „wohlaffektionierten, obligierten (!) 
und unveränderlichen Freund“ genannt 28 ). In Rücksicht auf diesen Erzbischof 
bekämpft Öxl während des Streites um die Befugnisse des Kreisoberstenamtes 
in seinen Immediatberichten an den Kurfürsten zwar versteckt, aber doch 
merklich die von der Zentralregierung beliebte Politik 29 ). In Rücksicht auf 
diesen Erzbischof und den Kaiserhof giebt er sich bei den Verhandlungen der 
Wahlkapitulation solche Blossen, dass man die wichtigsten Verhandlungen 
ihm entzieht und sie in die Hand Mayrs legt 30 ). Damit war der Kanzler 
auch in den Reichstagsverhandlungen soviel wie „extra negotia“ gekommen, 
von Mayr thatsächlich verdrängt worden. 


u ) Münchener Staatsarchiv K. schw. 279/28. 

M ) Döberl a. a. O. 229 ff. 

* a ) M. St. A. K. schw. 261/33. 

27 ) Aktenstücke Nr. 6. 

28 ) Aktenstücke Nr. 15. 

w ) M. St. A. K. schw 449/6 ff. 

80 ) Aktenstücke Nr. 12. Vgl. Döberl a. a. O. 288. 


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257 


Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


Daneben arbeiten die Gegner mit Anklagen, die, mögen sie für gut 
oder schlecht fundiert gelten, jedenfalls geeignet waren, Ferdinand Maria in 
leidenschaftliche Erregung zu bringen, einsetzend bei der unüberwindlichen Ab¬ 
neigung des Kurfürsten gegen die Kurpfalz, bei seiner notorisch streng katholischen 
Gesinnung, bei seinem Familienstolze. Öxl selbst gedenkt in einem Schreiben, 
das er nach seinem Sturze an den Kurfürsten gerichtet hat, dieser Anklagen 3l ). 

Schwer wird es für uns Stellung zu nehmen zur ersten Beschuldigung: 
Öxl habe sich vermessen, zwischen Kurbayern und Kurpfalz eine Entente 
zu stiften, und habe zu diesem Zwecke eine persönliche Zusammenkunft der 
beiden Kurfürsten in Vorschlag gebracht. Es hat sich bis jetzt kein äusserer 
Beleg weder für noch gegen die Thatsächlichkeit der Anklage gefunden; wir 
sind daher angewiesen, diese Frage vom Standpunkt der inneren Wahr¬ 
scheinlichkeit zu beantworten. Und von diesem Standpunkte aus muss sie 
allerdings bejaht werden. Die Pfalz hatte ehedem in einem Allianzverhältnis 
zu Frankreich gestanden. Grund genug damals für die französische Diplomatie, 
eine Verständigung zwischen Pfalz und Bayern zu versuchen, um beide in 
ihrem Lager zu vereinigen. Grund genug aber auch für Österreich, solche 
französische Versuche mit allen Mitteln zu hintertreiben 3 *). Seit dem Ablauf 
der französisch - pfälzischen Allianz hatte sich das Bjld geändert, seit dem 
Jahre 1661 war die Pfalz in ein freundschaftliches Verhältnis zu Österreich 
getreten 33 ). Seitdem hatte der Kaiserhof dasselbe Interesse an einer Ver¬ 
ständigung zwischen Bayern und Pfalz, wie ehedem Frankreich, und es ist 
wohl glaublich, dass er sich bei derartigen Versuchen des Mannes bediente, 
der so oft das Sprachrohr der österreichischen Diplomatie gewesen, Öxls. 
Der Kurfürst von Bayern war jetzt, wie früher, ausgesprochenster Gegner 
jeglichen Vergleichsgedankens in dem Streite mit der Kurpfalz, betrachtete jetzt 
die pfälzisch - österreichischen Beziehungen mit demselben Misstrauen 34 ), wie 
früher die pfälzisch-französischen. Und dieses Misstrauen musste auch den¬ 
jenigen treffen, der, wenn auch nur versteckt, österreichische Vermittelungs¬ 
gedanken lancierte. 

Etwas besser steht es mit dem Gegenstände der zweiten Anklage, die gegen 
Öxl erhoben wurde: Er habe bei den Verhandlungen mit Brandenburg- 
Kulmbach den Rechten der katholischen Kirche in der Oberpfalz vergeben. 
Zwar enthalten die Akten dieser bayerisch - kulmbachischen Verhandlungen, 
welche sich im Amberger Kreisarchiv befinden, und die ich eingesehen habe, 
keinen direkten Beleg dafür, dass gegen Öxl wegen des Resultates der Ver¬ 
handlungen eine Anklage erhoben wurde, aber immerhin ergiebt sich aus diesen 
Akten, dass die Verhandlungen von Öxl geführt wurden, und dass man mit 
dem Resultate derselben auf weltlichem, namentlich aber auf kirchlichem Ge¬ 
biete unzufrieden war. 

S1 ) Aktenstücke Nr. 12. 

M ) Döberl a. a. O. 48 und 90. 

**) Döberl a. a. O. 208 ff. 

94 ) Ebenda. 


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Michael Döberl 


258 


Seitdem Bayern in den Besitz des Fürstentums der Oberpfalz gelangt 
war, erhoben sich zwischen ihm und dem der Oberpfalz benachbarten Fürstentum 
Brandenburg-Kulmbach Grenzstreitigkeiten über Landeshoheit, Gerichtsbarkeit, 
Forstberechtiguug, Jagdgerechtigkeit, kurz über die Auslegung der 1536 und 
1541 zwischen Pfalz und Kulmbach geschlossenen Verträge. Ganz besonders 
aber stritt man sich über kirchliche Verhältnisse. 

Bayern war nämlich seit der zweiten Hälfte der Regierung AlbrechtsV. 
ein ausschliesslich katholisches Land. Den Mitgliedern der übrigen christlichen 
Glaubensgesellschaften war die Niederlassung, die Verehelichung, die Er¬ 
werbung von Grund und Boden, das Betreiben eines Gewerbes verboten, die 
Ablegung des tridentinischen Glaubensbekenntnisses war Vorbedingung für 
den Civil- wie für den Militärdienst, für die Aufnahme als Lehrling wie für 
die Erlaubnis zur Wanderschaft, der Verkehr mit dem protestantischen Aus¬ 
land war verboten oder wenigstens erschwert. Und diese Grundsätze fanden 
unter dem kirchlichen Absolutismus des Kurfürsten Max I. auch Ausdehnung 
auf das neu erworbene Fürstentum der Oberpfalz, das bis dahin teils lutherisch, 
teils reformiert gewesen war. 

Und doch gab es noch in dem Grenzgebiet zwischen dem katholisch 
gewordenen Fürstentum der Oberpfalz und dem lutherischen Fürstentum 
Brandenburg-Kulmbach nicht bloss auf kulmbachischem Boden katholische 
Unterthanen, Zins- und Lehensleute des Kurfürsten von Bayern, sondern auch 
auf bayerischem Boden lutherische Unterthanen, Zins- und Lehensleute des 
Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach, namentlich sassen noch immer zahl¬ 
reiche lutherische Vasallen des Markgrafen auf oberpfälzischem Boden oder 
hatten wenigstens Liegenschaften in der Oberpfalz. Auch gab es katholische 
Unterthanen der Oberpfalz, welche in unkatholischen Pfarreien des Fürsten¬ 
tums Branden bürg-Kulmbach eingepfarrt waren. 

Die aus diesen Verhältnissen erwachsenden unvermeidlichen Konflikte 
nahmen unter der Regierung Ferdinand Marias eine verschärfte Form 
an, eine Zeit lang schien es zwischen Bayern und Brandenburg-Kulmbach 
zum offenen Kriege zu kommen. Wiederholt wurden Verhandlungen an- 
geknüpft, sie blieben aber ergebnislos. Erst die Konferenzen, welche im Juni 
1665 in München eröffnet wurden, führten zu einem Resultate. 

Freilich wurde in dem bis jetzt ungedruckten Vertrage vom 12. August 1665 
von Bayern in mehr als einem Punkte der Rückzug angetreten, auf weltlichem 
Gebiete, wie z. B. in der Gerichtsbarkeit, wie auf kirchlichem. Nicht bloss wurde 
bestimmt, dass die kulmbachischen Unterthanen Augsburger Konfession auf 
bayerischem Boden und die bayerischen Unterthanen katholischer Konfession 
auf kulmbachischem Boden samt ihren liegenden Gütern gegenseitig aus¬ 
getauscht werden sollten, die bayerischen Bevollmächtigten willigten auch ein, 
dass die unausgewechselt gebliebenen kulmbachischen Unterthanen Augsburger 
Konfession bis zu ihrem Tode auf bayerischem Boden geduldet und ihren 
Erben wenigstens eine Frist von zwei Jahren zum Verkaufe ihrer Häuser, 
Höfe und Güter gewährt werden sollte. Ja im Artikel 9 des Vergleiches wurde 
eine Deklaration des Kurfürsten von Bayern in Aussicht gestellt, welche den 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 259 


in der Oberpfalz angesessenen markgräflichen Vasallen Augsburger Konfession 
Religionstoleranz nicht bloss für ihre Person, sondern auch für ihre Familien 
gewährte, nur dass sie einem etwaigen Austausche sich nicht widersetzen sollten. 
Einem Ferdinand Maria, dem der Vater als erste und vornehmste Pflicht 
des Fürsten bezeichnet hatte, „die heilige katholische Religion und das Heil der 
Seelen seiner von Gott ihm anbefohlenen Unterthanen, für welche er am jüngsten 
Tage Rechenschaft zu geben habe, nach allem Verstand und Vermögen zu 
fördern“, der in der That an dem von seinem Ahnherrn aufgestellten Grund¬ 
sätze der ausschliesslichen Katholizität des Landes festhielt, der, um auch aus¬ 
wärtige Protestanten für den Katholizismus zu gewinnen, eine Konvertitenkasse 
begründete, mussten solche Zugeständnisse schwer fallen. Das innere Wider¬ 
streben, mit dem Ferdinand Maria in dieses Zugeständnis willigte, hat 
einen Niederschlag gefunden in der Deklaration, die am 30. August an den 
Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach abging: 

„Dieweilen nun der 9^ articul mit sich bringet, dass wür uns wegen der marggräflichen 
in der Oberen Pfalz angesessenen der Augspurg. coufession zugethaneu adelichen vasalen 
religionsfreiheiten in ansehung E E d für sye eingewendten inständigen und cräftigen Vor¬ 
worts gegen Deroselben Selbsten durch schreiben dergestalt erklären wollen, dass E L d 
daraus unsre freundvetterliche affection und Willfährigkeit im werk zu verspiren haben: 
also erbieten wür nns dahin, dass, obwohlen uns starke und wichtige consi- 
derationes entgegen gestanden, wür iedoch uf E L d so eiteriges und unablessiges 
ansuchen, auch anderer consideration halber Derselben zu sonderbaren freundvetterlichen 
gefallen besagte Dero in unsern Oberpfälzischen landen gesessene der Augspurgisclien con- 
fession annoch zugethane adeliche Vasallen für sich und ihre familien, ab weiters nicht bei 
ihrer ietzigeu religion, iedoch ohne öffentliches exercitium in landen, und wan sie sich 
in ihren leben und handl der gebühr nach unsträflich, fridlich und schidlich verhalten, auch 
der religion halber an öffentlichen feuer-, fest- und bettdägen und sonsten keine ärgemuss 
oder hinderung geben, noch fernere gedulten wollen. Darneben thuen wür uns gänzlich 
verlassen, dass obgemelter mehrfältiger austruckentlichen erklärung und Versicherung noch 
diese unsere nachgebungen der veranlasten auswexlung oder Vertauschung besagter vasallen 
keineswegs hinderlich sein noch sie sich ihrer religionstoleranz darwider missbrauchen 
oder solcher permutation widereezen, sondern nach der gebührenden Vollziehung die religions- 
disposition wegen ihrer und der ihrigen allerdings bei uns stehen solle.“ 

Es ist wohl zu glauben, dass derjenige, der mit der Führung dieser 
Angelegenheit betraut war, Öxl, beschuldigt wurde, dass er dem Interesse 
seines Herrn vergeben habe. Öxl selbst gedenkt in einem Aktenverzeichnisse 
eines eigenhändigen ausführlichen Berichtes in dieser Angelegenheit, wohl 
einer Rechtfertigung 35 ). Die Initiative zu der Anklage konnte vom Kurfürsten 
selbst ergriffen, die Anklage konnte aus der Mitte des geheimen Rates hervor¬ 
gegangen sein — thatsächlich ist hier noch in den siebziger Jahren an dem 
Vertrage eine abfällige Kritik geübt worden 36 ) —, die Anklage konnte auch 
von den beiden Räten, die Öxl zu den Konferenzen bei gegeben waren, vom 
Revisionsrat Dr. Johann Wämpl und vom Vizekanzler Schmid, erhoben 
worden sein. Es ist aber deshalb durchaus nicht nötig, Schmid ein unlauteres 
Motiv zuzuschreiben; er hatte ja, wie wir aus anderen Akten wissen, schon 

#6 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 

88 ) Amberger Kreisarchiv, Akten der brandenburgisch-kulmbachischen Verhand¬ 
lungen. Adm. Obpf. nr. 3568, f. 151. 


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2ÖO 


Michael Döberl 


zu früher, einer Zeit, da er noch einfacher geheimer Rat war, mit seinen 
Bedenken wegen der Nachgiebigkeit Öxls gegen Brandenburg-Kulmbach nicht 
zurückgehalten 87 ). 

Am reichlichsten fliessen die Quellen über den Gegenstand der dritten 
Anklage. Öxl habe — so lautete nach der Wiedergabe Öxls selbst diese 
dritte Beschuldigung — gegen die ausdrückliche Weisung seines Kurfürsten 
nicht die Kandidatur des wittelsbachischen Bischofs von Freising, Albert 
Sigismund, sondern die des Grafen Adam Lorenz von Törringfür 
das Bistum Regensburg fördern helfen und habe hierin mit dem Erzbischof 
von Salzburg unter einer Decke gespielt 

Diese Anklage ist thatsächlich erhoben worden. Das ergiebt sich aus 
den von mir eingesehenen Regensburger Wahlakten 38 ). Aber auf grund dieser 
Wahlakten muss ebenso gleich anfangs konstatiert werden, dass diese Anklage 
nicht von den politischen Gegnern Öxls in München, sondern von Freising 
ausging, dass die politischen Gegner am Münchener Hofe, insbesondere 
Kaspar Schmid, lediglich thaten, was ihre Pflicht war. 

Am 12. Juni 1663 starb der Bischof von Regensburg, Graf Johann 
Georg von Herberstein. Noch am nämlichen Tage erhielt Öxl den 
Befehl, bei dem Erzbischof Guidobald von Salzburg, dem Metropolitan der 
bayerischen Kirchenprovinz, der sich damals, wie bereits berichtet, als kaiser¬ 
licher Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstage befand, auf eine dila¬ 
torische Behandlung der Wahlangelegenheit hinzuarbeiten, um das Wahl¬ 
geschäft in bayerischem Sinne beeinflussen zu können. 

Bis zum Ende des Monats blieb die Regierung ohne offiziellen Bericht. 
Das einzige, was nach München gedrungen zu sein scheint, war die Anklage, 
Öxl habe den Domprediger von Regensburg, Pater Neuhäuser Soc. Jesu, 
verdächtigt, sofort nach dem Tode des Regensburger Bischofs einen eigenen 
Boten mit der Nachricht nach Freising geschickt zu haben, damit Albert 
Sigismund rechtzeitig Schritte zur Erlangung des erledigten Hochstifts 
unternehmen könne. 

Inzwischen hatte sich der bayerische Kurfürst für die Begünstigung 
der Wahl des wittelsbachischen Bischofs von Freising entschieden; er war 
durch Albert Sigismund wie durch dessen Vater, den Herzog Albrecht, 
ausdrücklich darum gebeten worden. Am 22. Juni 1663 erging nach Regens¬ 
burg der Befehl, beim Erzbischof von Salzburg sowohl wie beim Domkapitel 
für die Postulation des Freisinger Bischofs nach Regensburg zu wirken. Dieser 
Befehl wurde aber nicht mehr an Öxl allein, sondern zugleich an den zweiten 
Reichstagsgesandten, den Hofkanzler Dr. Ernst, gerichtet, Öxl also unter 
Kontrolle gestellt. Öxl selbst erblickte in dieser Massregel eine Folge der 
erwähnten Beschuldigung. 

Noch war weder auf den ersten noch auf den zweiten Befehl ein 
offizieller Bericht in München eingetroffen, da wurde eine viel schwerere An¬ 
klage direkt an die kurfürstliche Regierung gebracht, auf grund von Schreiben, 

87 ) M.St.A. K. schw. 475/6 („ÖxIsche Papiere“). 

88 ) M. St. A. K. schw. 104/1. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 261 


welche der Bischof von Freising „von vertrauten Korrespondenten“ aus Regens¬ 
burg empfangen hatte, und wovon ein Auszug beigelegt war : Als am Sonntag 
den 24. Juni, dem Feste des hl. Johannes, die kurfürstliche Weisung an die 
beiden Regensburger Gesandten eingetroffen sei, habe Öxl den Befehl dem 
Dr. Ernst zu einer Zeit zugeschickt, da derselbe in der Kirche war, habe 
bis Montag nachmittag nicht ein Wort über diesen Gegenstand mit ihm 
konferiert und habe sich zu dieser Zeit ohne weitere Besprechung mit ihm 
zur Audienz beim Erzbischof von Salzburg begeben. In der Zwischenzeit aber 
sei Öxl zweimal im Salzburger Hof gesehen worden und noch am Montag 
beim Erzbischof zu Gaste gewesen. Guidobald habe bei der Audienz die 
beiden Gesandten zwar mit schönen Redensarten empfangen, aber zur Sache 
selbst erklärt, die Regensburger Wahlangelegenheit sei zu weit gekommen, 
als dass er dem Wunsche des Kurfürsten willfahren könnte; dieselbe sei schon 
zu Lebzeiten des verstorbenen Bischofs soviel wie entschieden worden. Vom 
Erzbischof hinweg seien beide Gesandten zum Domdechant gegangen, und 
hier habe Öxl unter anderem geäussert, dem Kurfürsten sei die Personen¬ 
frage gleichgiltig, wenn der Kandidat nur die erforderlichen Eigenschaften 
besitze. Derselbe Öxl habe alle guten Absichten, welche der Domdechant 
für das bayerische Haus, insbesondere für den Bischof von Freising, ihm an¬ 
vertraut, dem Erzbischof von Salzburg verraten. Dieser habe dann dem Prior 
des Karmelitenklosters Mitteilungen gemacht, der Prior aber, ein Parteigänger 
des Grafen Törring, habe für die weitere Verbreitung nach Kräften gesorgt 
Öxl habe ferner geäussert, man werde sich in der Wahlangelegenheit um den 
Domdechant nicht viel bekümmern, noch weniger sich von ihm meistern 
lassen, es werde sich vielmehr ein höherer Schulmeister bei St. Emeram 
finden. Derjenige, der damit gemeint war, der Erzbischof von Salzburg, sollte 
sich in ähnlichem Sinne geäussert haben: Er hätte wohl Ursache mit dem 
Domdechant zu brechen, wolle aber augenblicklich die Abrechnung noch 
unterlassen. Das Absehen des Erzbischofs und des Dr. Ö x 1 — so schliesst 
der Auszug — geht dahin, dem Kurfürsten und dem Bischof von Freising 
künstlich die Überzeugung beizubringen, alle Bemühungen um die Erhebung 
des Freisinger Bischofs auf den Regensburger Bischofstuhl seien vergebens, 
seien nur geeignet, das Ansehen Kurbayerns zu gefährden. 

Diese Anklage muss am 29. Juni dem Kurfürsten vorgelegt worden 
sein. Noch am nämlichen Tage ging ein scharfes Reskript nach Regensburg 
ab. Hier wird nicht bloss den beiden Gesandten Vorhalt gemacht wegen der 
säumigen Berichterstattung, hier wird Öxl direkt der Pflichtverletzung be¬ 
schuldigt. „Es kommt uns glaubwürdig vor, dass Du, Öxl, hierin die Schul¬ 
digkeit ausser acht gelassen und die Sache an seinem Ort nicht, wie Deine 
Instruktion gelautet, vorgebracht hast.“ 

Wenige Tage später trafen allerdings von der Regensburger Gesandt¬ 
schaft zwei Schreiben ein, sowohl der Bericht Öxls auf den ersten Befehl 
als der Bericht Öxls und des Hofkanzlers Dr. Ernst auf die zweite Weisung, 
beide vom 28. Juni datiert. Aber der Inhalt dieser Schreiben musste den 
bayerischen Hof erst recht in der Überzeugung bestärken, dass der Erzbischof 


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2Ö2 


Michael Döberl 


alles aufbiete, um dem Kurfürsten die Wahl seines Vetters aus dem Kopf zu 
schlagen: Die Angelegenheit sei kein unbeschriebenes Blatt mehr, sämtliche 
Regensburger Kapitulare ausser zwei oder höchstens drei hätten bereits einen 
förmlichen Beschluss gefasst, zu keiner Postulation zu schreiten, sondern nur 
einen Kandidaten aus ihrer Mitte zu wählen. Sie hielten es geradezu für 
einen Schimpf, wenn unter so viel vornehmen Grafen und Baronen keiner zur 
bischöflichen Würde tauglich befunden würde, wenn man ausserhalb des Dom¬ 
kapitels eine geeignete Persönlichkeit suchen müsste. Der Erzbischof selbst 
sei bereits mit seinem Worte für den Dompropst Grafen von Tor ring so 
weit engagiert, dass er ohne Schaden für seine Ehre und seinen Kredit keinen 
Rückzug mehr antreten könne. Die augenblickliche Lage des Hochstifts er¬ 
fordere einen Bischof, der wirklich in Regensburg residiere, dazu würde sich 
der Bischof von Freising schwerlich entschliessen, einem Administrator aber 
würde sich das Domkapitel nicht unterwerfen. Der Bischof von Freising 
würde auch schwerlich von Rom die Konfirmation erhalten. Übrigens werde 
der Kurfürst den Zweck, den er mit der Förderung der Wahl des Bischofs 
von Freising anstrebe, eine gute Nachbarschaft zwischen Bayern und dem 
Hochstift, viel besser mit dem Grafen von Tor ring erreichen. Dem Kur¬ 
fürsten sei zur genüge bekannt, welche Beschwerden und Ungelegenheiten 
der Bischof Albert Sigismund der bayerischen Regierung bereitet; der¬ 
selbe habe in den Streite wegen Besteuerung der bayerischen Geistlichkeit 39 ) 
sogar ihn, den Erzbischof, hineinziehen wollen, er habe aber aus lauter Rück¬ 
sicht auf den Kurfürsten den Bischof nach Rom verwiesen. Mit dem Grafen 
Törring werde der Kurfürst leichter fortkommen; denn er sei nicht so 
skrupulös und nicht so widerwärtigen Humors, sondern sanft und friedliebend, 
auch dem Kurfürsten als bayerischer Landsasse verpflichtet. Es seien ehedem 
allerdings auch über den Törring ungünstige Gerüchte gegangen, der Erz¬ 
bischof habe ihn aber seit geraumer Zeit beobachtet und könne ihm das 
Zeugnis einer wirklichen Besserung ausstellen. 

So liess der Erzbischof durch Ö x 1 auf jene erste kurfürstliche Weisung 
schreiben, in der des Bischofs von Freising noch gar nicht gedacht war. In 
demselben Sinne äusserte er sich, als Öxl gemeinsam mit Dr. Ernst den 
zweiten Auftrag an den Erzbischof ablegte. Er sei jederzeit beflissen gewesen, 
die Intentionen des Kurfürsten nach Möglichkeit zu fördern, er wünschte, dass 
es ihm auch in dieser Angelegenheit möglich wäre. Es hätten aber die 
Kapitularen bereits den Beschluss gefasst, nur ex gremio zu wählen. Übrigens 
habe sich ihr Kandidat, der Graf Törring, verpflichtet, gute Nachbarschaft 
mit Bayern zu halten. 

Diese beiden Berichte waren nicht bloss geeignet, die bayerische Re¬ 
gierung in dem Verdacht zu bestärken, dass der Erzbischof den Kurfürsten 
von weiteren Bemühungen für den Freisinger Vetter abhalten wollte, sie 
mussten zugleich den Verdacht nahelegen, dass der Erzbischof bei der Kan¬ 
didatur des Grafen Törring selbst die Hand im Spiele gehabt. Dafür sprach 


8Ö ) Vgl. Döberl a. a. O. 49. 


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263 


Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


der Einfluss, den der Erzbischof auf das Domkapitel übte, dafür sprach die 
Wärme, mit welcher der Erzbischof für das Domkapitel und für den Kandidaten 
Törring eintrat, der Eifer, mit dem er gegen den Bischof von Freising 
Stellung nahm. Der Erzbischof wusste von einem Beschluss der Kapitularen 
bereits zu einer Zeit zu berichten, da der verstorbene Bischof kaum beigesetzt 
war. Und doch ist dieser Beschluss erst gefasst worden am 28., bezw. 30. Juni. 
Was lag näher als die Vermutung, dass der Beschluss, von dem der Erz¬ 
bischof am frühesten Kenntnis hatte, Kenntnis hatte, bevor er eigentlich ge¬ 
fasst war, seiner Initiative entsprang? Er weiss sogar, dass sich Graf Tör¬ 
ring verpflichtet hat, mit Bayern gute Nachbarschaft zu halten, zu einer Zeit, 
da die Wähler mit dem Kandidaten noch gar nicht in offizielle Verhandlung 
eingetreten sein können. 

Und Öxl? Er muss selbst bekennen, dass er schon bei der ersten 
Audienz gegen den Erzbischof die Vermutung ausgesprochen habe, dass die 
bayerische Regierung an die Erhebung des Freisinger Bischofs denke. Und 
doch hatte er dazu mit keinem Worte eine Weisung, sondern lediglich die 
Aufgabe, eine dilatorische Behandlung zu erwirken, Zeit für seine Regierung 
zu gewinnen. Derselbe Öxl lässt in einer so dringenden Angelegenheit seine 
Regierung auf seinen Bericht vierzehn volle Tage warten. Und doch musste 
er wissen, dass die Gegner der Freisinger Kandidatur gleichzeitig mit Hoch¬ 
druck arbeiteten. Und diese Unterlassung rechtfertigt er mit der faden¬ 

scheinigen Entschuldigung, die Denunziation des Paters Neuhäuser habe 
ihn fürchten lassen, ein für den Freisinger ungünstiger Bericht würde seinen 
Gegnern eine Handhabe liefern, ihm alle Schuld an dem Scheitern des Frei¬ 
singer Projektes zuzuschieben. Der Bericht über die erste Audienz beim Erz¬ 
bischof wie der Bericht über die zweite tragen als Abgangsdatum den 28. Juni, 
jenen Tag, an welchem das Domkapitel von Regensburg zum erstenmale 
offiziell zu der Wahlfrage Stellung nahm, an welchem sich ein Ereignis voll¬ 
zog, das zweifellos von langer Hand vorbereitet war, an welchem die 
Möglichkeit einer Wahl des Freisingers so viel wie endgiltig beseitigt 

wurde. Am 28. Juni nämlich, am Vorabend von St. Peter und Paul, über¬ 
reichten in einer Kapitelsitzung mehrere Kapitulare eine schriftliche Erklärung, 
dass die Wahl längstens innerhalb 5—6 Wochen vollzogen, eine Postulation 
vermieden, unter jeder Bedingung ex gremio gewählt werden solle. Und 

diese Deklaration wurde am 30. Juni zum förmlichen Beschluss erhoben. 

Was lag für die bayerische Regierung näher als zu glauben, dass Öxl von 
Anfang an um den Plan der Gegner Freisings im Domkapitel wusste, dass 
er mit seinem Berichte absichtlich so lange zurückhielt, bis jede Gegenthätigkeit 
seitens der bayerischen Regierung unmöglich geworden wäre? Und diese 
beiden von Öxl redigierten Berichte durchzieht in fast aufdringlicher Art 
wieder und wieder der Grundgedanke, es sei dem Ansehen der bayerischen 
Regierung schädlich, weitere Schritte in der Wahlangelegenheit zu unternehmen. 
Was lag näher für die bayerische Regierung als zu glauben, dass Öxl mit 
dem zusammenarbeitete, in dessen Haus er fast täglich aus und einging, der 
selbst auf den Bericht Oxis wie auf eine Verteidigerngsschrift hiugewieseu 
Bayer. Forschungen. VII, 4. 18 


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264 Michael Döberl 

hatte, mit dem Erzbischof von Salzburg? Die Freisiuger Anklage, das Ab¬ 
sehen des Erzbischofs von Salzburg und des Dr. Oxl gehe dahin, den Kur¬ 
fürsten von Bayern von einer weiteren Betreibung der Kandidatur des Freisinger 
Bischofs abzuschrecken, hatte durch die Berichte Oxis selbst nur neue 
Nahrung empfangen. 

So ging denn am 6. Juli 1663 ein noch schärferes Reskript ab, in 
welchem zuerst beiden Gesandten eine Rüge erteilt wurde wegen der Art, 
wie sie sich beim Erzbischof sowohl wie bei den Domkapitularen ihrer 
Aufträge entledigt hätten, in welchem aber besonders das widerspruchsvolle 
Verfahren Öxls mit den schärfsten Worten gegeisselt wurde: „Wir können 
nicht verstehen, wie sich zusammenschickt, dass Du vor diesem berichtet hast, 
es sei bei Lebzeiten des vorigen Bischofs schon eine ausgemachte Sache 
gewesen, keinen successorem nisi ex gremio zu erwählen, da doch Eurem 
jetzigen Bericht nach erst unlängst etliche Kapitularen sich zusammen - 
gethan und unter anderem auch diesen Punkt unter sich projektiert und ver¬ 
glichen haben, wir auch von anderwärts her gute Nachricht haben, dass es 
noch allerdings eine res integra sei. Aus welchem wir denn nicht unbillig 
in die Gedanken kommen, dass dieses Mittel zur Ausschliessung unseres 
Vetters mit Fleiss auf die Bahn gebracht worden sei, welches Du, Öxl, weil 
Dir unsere Intention schon vor Eintreffen unserer Befehle wohl bekannt 
gewesen, vielmehr hättest verhindern als eine Sache, die noch im Werden 
begriffen und, wenn man sich ihrer mit Eifer angenommen hätte, wohl hätte 
hintertrieben werden können, für ausgemacht zu verschreiben.“ An den zweiten 
Reichstagsgesandten aber erging noch am nämlichen Tage die gesonderte 
Weisung, bei seinen Pflichten zu berichten, was ihm bezüglich der gegen 
Öxl erhobenen Anklagen bekannt sei. 

Am 10. Juli 1663 schrieb der Hofkanzler Dr. Ernst den Bericht 
nieder, bei dessen Abfassung er aus doppeltem Grunde mit aller Vorsicht Vor¬ 
gehen musste, einmal wegen seines dienstlichen Verhältnisses zu Öxl, und 
dann weil er in der Angelegenheit persönlich engagiert war. Er bestätigt, 
dass die Post am 24. Juni ziemlich früh gegen 7 Uhr eiugetroffeu sei, und 
dass Öxl erst zwischen 9 und 10 Uhr, als Dr. Ernst in der Kirche war, 
den Befehl überschickt habe, dass sich Öxl unmittelbar nach der Übersendung 
ebenfalls in die Kirche und von da nach dem Salzburger Hof begeben und 
beim Erzbischof, wo er zur Tafel geladen war, den ganzen Nachmittag bis 
spät abends verbracht habe, dass derselbe Öxl den Montag früh in einer 
Reichstagssitzuug, den Mittag bei einer zweiten Einladung beim Erzbischof 
geweilt habe, dass daher Ernst erst am Montag unmittelbar vor dem Auf¬ 
bruch zur Audienz beim Erzbischof den Kanzler habe sprechen können. Dass 
bei dieser Audienz der Erzbischof geäussert habe, die Kapitularen hätten schon 
bei Lebzeiten des verstorbenen Bischofs den Beschluss gefasst, 
nur einen aus ihrer Mitte zu wählen, könne er sich allerdings nicht erinnern; 
doch das fiel für die bayerische Regierung nicht viel ins Gewicht, es genügte 
derselben, dass nach dem Berichte Öxls selbst der Erzbischof schon bei 
der ersten Audienz von einem diesbezüglichen Beschlüsse sprechen konnte. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 265 

Ebensowenig kann sich Ernst erinnern an die angebliche Äusserung Öxls 
gegen den Domdechant, dein Kurfürsten sei die Personenfrage gleichgiltig; 
eine solche Äusserung musste Öxl, auch wenn er dem Freisinger Projekt 
entgegen war, schon in Rücksicht auf den mitauwesenden Dr. Ernst ver¬ 
meiden. „Ich wollte es auch“ — so fügt an dieser Stelle Dr. Ernst seinem 
Berichte bezeichnend bei —, „wenn es geschehen wäre, mit Bescheidenheit zu 
ahnden und ein anderes zu kontestiren gewisslich nicht ermangelt haben.“ 
Dass Öxl die guten Absichten des Regensburger Domdechanten dem Erz¬ 
bischof verraten und geäussert habe, man werde sich vom Domdechanten nicht 
meistern lassen, es werde vielmehr in der Person des Erzbischofs ein höherer 
Schulmeister zu finden sein, kann der Hofkanzler weder bestätigen noch wider¬ 
legen. Der Mangel an Information war natürlich nicht geeignet, der bayerischen 
Regierung den Glauben an eine dem Naturell und der bilderreichen Redeweise 
Öxls wohl entsprechende Äusserung zu nehmen. Ernst gedenkt im Anschluss 
daran einer Auslassung, welche Öxl einige Tage vor Eintreffen des zweiten 
Befehls gemacht habe: Wenn er bei der vorausgehenden Bischofswahl Befehl 
gehabt hätte, für Freising zu arbeiten, hätte er mit Zuthun des Domdechanten, 
der damals mehr Kredit bei den Domkapitularen besessen, für Frei sing etwas 
eweichen können, nunmehr aber sei die Sache in einem anderen Stande, und 
würden die Kapitularen allem Anscheine nach einen ex gremio wählen Ob 
diese Äusserung, ganz abgesehen von der auch sonst bekannten Doppel¬ 
züngigkeit Öxls, geeignet war, den Kanzler in den Augen seiner Regierung 
zu entlasten, muss zum mindesten angezweifelt werden; sie liess sich eben¬ 
sogut als indirekte Bestätigung der Freisinger Denunziation auffassen. 

Alles in allem war das, was auf grund der Freisinger Denunziation 
an ein Zusammenarbeiten Öxls mit dem Erzbischof von Salzburg glauben 
liess, nicht widerlegt, sondern eher bestätigt worden, und doch ging durch 
den Bericht des Dr. Ernst mehr ein apologetischer als denunziatorischer Zug. 

Noch weniger war zur Entlastung Öxls geeignet, was er selbst am 
nämlichen Tage zu seiner Rechtfertigung an den Kurfürsten schrieb: Er habe 
mit grossem Herzeleid vernommen, welch üble Meinung der Kurfürst auf 
ungerechte Anklagen hin wider ihn gefasst habe, er wisse sich in seinem 
Gewissen völlig unschuldig. „Ich bitte E. kf. Dt um Gottes Barmherzigkeit 
und Gerechtigkeit willen, Dieselben wollen doch Deren vorige gnädige Affektion 
und Vertrauen von mir nicht abwenden und mich vorher zur Genüge ver¬ 
nehmen, ehe Sie ein so ungnädiges Urteil von Ihrem allzeit treu gewesenen, 
armen und höchst betrübten, ja bis in den Tod bekümmerten Diener schöpfen. 
Ich bin in völliger Abfassung meiner unterthänigsten Verantwortung, daneben 
aber in solchem schweren Herzeleid begriffen, dass ich aus lauter Melancholie 
und Distraktion fast nichts thun und verrichten kann und es besorglich 
hernächst mit einer gefährlichen Krankheit, wo nicht gar mit dem Leben 
bezahlen muss.“ „Mir ist eben ganz unerträglich und will ich lieber den 
Tod leiden, als dass ich bei E. kf. Dt unschuldigerweise in einen solchen 
Diskredit und Disaffektion gesetzt worden bin und darin leben soll. Bitte 
nochmals um Gottes und aller lieben Heiligen willen mit einem demütigsten 

18* 


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266 


Michael Döberl 


Fussfall, mich vorher mit meiner unterthänigsten Verantwortung zu vernehmen, 
und wenn ich nicht darthue, dass ich aufrichtig und redlich gehandelt, mich 
alsdann zu bestrafen, was ich gerne ausstehen will.“ Was bei der Regierung 
mehr gewirkt hätte als diese überschwänglichen Unschuldsbeteuerungen, die 
wirkliche Absendung der in Aussicht gestellten Verantwortung, ist niemals 
eingetreten. Man war übrigens an solche Versprechungen seitens Öxls ge¬ 
wöhnt. Er hatte ja auch am 28. Juni ausdrücklich geäussert, er werde sich 
wegen des verspäteten Berichts über die erste Audienz beim Erzbischof noch 
besonders rechtfertigen, und hatte auch hier dem Versprechen niemals die 
That folgen lassen. 

Am 6. August 1663 ging an die kurfürstliche Regierung die offizielle 
Mitteilung, dass der Dompropst Graf Adam von Törring „auf ungezweifeltes 
Eingeben des hl. Geistes“ zum Bischof von Regensburg erwählt worden sei. 

Graf Adam von Törring erfreute sich nur drei Jahre seiner neuen 
Würde, er ist im Herbst 1666 gestorben. Wiederum tritt der bayerische 
Kurfürst für die Wahl des Freisinger Vetters ein, wiederum ist es der Erz¬ 
bischof von Salzburg, der die bayerischen Wünsche durchkreuzt. Diesmal 
tritt er mit seinen Absichten noch nackter hervor, er lässt sich selbst auf den 
Stuhl des hl. Wolfgang erheben. Der Groll, den die bayerische Regierung 
über diese neue Demütigung empfand, gab sich kund in der (vorübergehend 
getragenen) Absicht, gegen den Erzbischof Beschwerde in Rom wegen Be¬ 
stechung der Wähler zu erheben, kam zum Ausdruck in dem Schreiben, mit 
welchem die bayerische Regierung die erzbischöfliche Notifikation beantwortete. 
„Gleichwie E. L d schon vorher in Ihrem des Electionswerks halber an uns 
abgegangenen Schreiben kontestiert, dass dies eine Sache sei, so von der 
Kooperation des hl. Geistes dependiere, und in Ihrem jetzigen absonderlich 
anführen, dass diese Wahl aus eigentlicher Verfügung Gottes auf Sie aus¬ 
gefallen sei: also haben wir ja nicht anders Ursache denn nächst Bedankung 
um die gethanene Notifikation uns mit Ihnen von Herzen zu freuen“ 40 ). 

Damals weilte Öxl allerdings in Wien. Aber der Kanzler hatte nach 
wie vor seinen intimen Verkehr mit demjenigen fortgesetzt, von dem man sich 
neuerdings aus dem Felde geschlagen sah. Was Wunder, wenn der alte 
Argwohn gegen das Verhalten Öxls bei der Wahl des Jahres 1663 nur neu 
aufgefrischt wurde, umsomehr als wenige Tage nach dem Abgang jenes 
zweifelhaften Gratulationsschreibens eine schwere Anklage von Wien aus gegen 
Öxl erhoben wurde. 

* 

* * 

Trotz seines Verhaltens bei der Regensburger Bischofswahl gelang es 
Öxl in dem Bischof von Freising einen Bundesgenossen zu gewinnen und 
so auf dem Wege über Freising einen Feldzug gegen die ihm unbequemen 
leitenden Minister Münchens und Kölns zu eröffnen. Im Oktober 1666 traf 
in Köln eine Stafette mit einem Schreiben aus Freising ein. Darin klagte der 
Bischof von Freising seinem Bruder, Maximilian Heinrich von Köln, 

40 ) M.St.A. K. schw. 104/2. 


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Der Sturz des kurlmyerischen Kanzlers Öxl. 267 

die bayerischen Minister hätten dahin gearbeitet, den beiden Brüdern ihr 
väterliches Erbe vorzuenthalten, und dazu hätten vielleicht selbst diejenigen 
nicht wenig mitgewirkt, „auf welche der Bruder einige Reflexion oder Ge¬ 
danken niemals gemacht habe“ 41 ). Damit war auf den Kölner Obersthofmeister, 
der zugleich Bischof von Strassburg war, Franz Egon v. Fürstenberg, 
und den bayerischen Obersthofmarschall, Hermann Egon v. Fürstenberg, 
nach der Interpretation des letzteren, der durch Vermittelung seines Bruders 
von dem Schreiben Kenntnis erhielt, auch auf den bayerischen Vizekanzler 
Kaspar Schmid angespielt. „Nach der Meinung des Bischofs von Strass¬ 
burg sind ich und er darunter verstanden, ich halte aber auch den Herrn 
Vizekanzler nicht ganz davon exempt.“ „Es beruhigt mich, dass ich in dieser 
Angelegenheit nichts anderes gethan, als was der Nutzen Kurkölns erfordert 
hat und die Intention meines Herrn gewesen ist. Es ficht mich auch die 
Freisinger Gnade oder Ungnade so sehr nicht an. Man sieht aber gleich¬ 
wohl, dass Leute vorhanden sind, die so gut sein könnten, 
einen und anderen ins Unglück zu bringen, und ihn anzu¬ 
schwärzen sich befleissigen“ 42 ). Diese Worte richteten, wie aus der 
weiteren Darstellung Hermanns v. Fürstenberg zu lesen ist, ihre Spitze 
gegen Öxl. 

In demselben Briefe vom 4. November 1666, in welchem Hermann 
v. Fürstenberg an Vizekanzler Schmid und durch ihn an den Kurfürsten 
Mitteilung von der Intrigue machte, überschrieb er eine andere Anklage 
gegen Öxl. 

Damals war eben die vom Bischof Christoval de Roxas und 
Dr. Johann Joachim Becher angeregte wirtschaftspolitische Konferenz 43 ) 
in Wien zusammengetreten. Seitens Bayerns waren dazu delegiert der Hof¬ 
kammerrat Dr. Johann Baptist Leidl und der nunmehrige Kanzler der 
Regierung Landshut Dr. Johann German Barbier. Auch der Obersthof- 
marschall Hermann Egon v. Fürstenberg hatte sich dorthin begeben, 
um der wirtschaftlichen Mission den Boden zu ebnen und zugleich eine 
private finanzielle Angelegenheit zu regeln. Zu derselben Zeit weilte aber in 
Wien eine andere Persönlichkeit, Öxl. Er hatte sich beurlauben lassen, um 
sich in Baden in Niederösterreich einer Badekur zu unterziehen. Thatsächlich 
aber befand er sich damals in Wien, hatte nach der Darstellung Fürsten bergs 
verschiedene Audienzen beim Kaiser und den Ministern Lobkowitz und 
Sinzendorf und arbeitete gegen den bayerischen Hof und dessen leitende 
Minister, um der wirtschaftlichen Mission den Boden abzugraben. 

Roxas hatte eine Verständigung zwischen Bayern und Österreich auf 
wirtschaftlicher Grundlage angeregt, Becher im Anschluss daran eine Reihe 
gemeinsamer wirtschaftlicher Probleme in Vorschlag gebracht. In den ernsten 

41 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 

41 ) Aktenstücke Nr. 2. 

4S ) S. darüber Döberl, Das Projekt einer Einigung Deutschlands auf wirtschaft¬ 
licher Grundlage a. d. J. 1665 und die sich daranschliessenden wirtschaftspolitischen Ver¬ 
handlungen zwischen Bayern und Österreich. Forsch, z. bayer. Gesch. VI. 163—205. 


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26S Michael Döberl 

Regierungskreisen Bayerns hielt man zwar diese Projekte für utopistisch, be¬ 
schickte aber dennoch die Konferenz, um auf diesem Wege Abstellung lang¬ 
jähriger wirtschaftlicher Beschwerden, Abstellung der hohen Donauzölle, Ab¬ 
stellung des böhmischen Aufschlags auf das bayerische Salz zu erwirken. 
So die Intention der bayerischen Regierung. Der bayerische geheime Rats¬ 
kanzler Öxl dagegen förderte diese Intention in der Weise, dass er in den 
erwähnten Audienzen äusserte: Fürstenberg, Barbier und Leidl würden 
in kurzem anlangen und verschiedene Anträge Vorbringen, diese seien aber 
eitel Schein und Spiegelfechterei. Offenbar meinte er damit jene Gegenstände, 
auf welche Bayern damals wirklich nur zum Scheine einging, die Projekte 
Roxas’ und Bechers. 

Die bayerische Regierung hatte den Minister Lobkowitz und zu¬ 
gleich den Kaiser für die wirtschaftlichen Verhandlungen günstig zu stimmen 
gesucht durch ein Zugeständnis in einem langen Streite. Seit den 50 er Jahren 
war Fürst Lobkowitz fortgesetzt bemüht, seine in der Oberpfalz gelegene 
Herrschaft Störnstein abzurunden durch Erwerbung der ebenfalls oberpfälzischen 
Herrschaft Waldthurn, welche nach dem Aussterben des wirsbergischen Mannes¬ 
stammes vom Prager Lehensgerichtshof für ein heimgefallenes Lehen erkannt 
worden war (1654). Schon 1656 hatte er bei der königlichen Hofkammer 
in Prag, welche die Herrschaft als ein böhmisches Lehen zu vergeben hatte, 
Anwartschaft zu einem bestimmten Kaufpreis erlangt. 

Lobkowitz hatte die Kaufverhandlungen eingeleitet iu der Voraus¬ 
setzung, dass Waldthurn nicht bloss im böhmischen Lehensverbande, sondern 
auch unter der böhmischen Landeshoheit stehe. Doch Bayern nahm die 
Landeshoheit für sich in Anspruch unter Berufung auf die thatsächliche Praxis 
während der kurpfälzischen, kaiserlichen und kurbayerischen Verwaltung der 
Oberpfalz und wurde hierin erst recht bestärkt, weil es sich im Interesse der 
Abrundung der Landgrafschaft Leuchtenberg ebenfalls Hoffnung auf Wald¬ 
thurn gemacht hatte und sich durch L ob ko wi tz überholt sah. Lobkowitz 
stiess sich an dieser bayerischen Forderung, und darüber verschleppte sich 
nicht bloss der Abschluss des Kaufgeschäftes zwischen Lobkowitz und der 
böhmischen Hofkammer, es kam auch zu einem leidenschaftlichen Streite 44 ) 
zwischen der bayerischen und der böhmischen, bezw. kaiserlichen Regierung, 
welche den bayerischen Ansprüchen mit der Erklärung begegnete, dass Wald¬ 
thurn zur Zeit der Lehensauftragung an Böhmen (1352) reichsunmittelbar ge¬ 
wesen sei. Deduktion wechselte mit Gegendeduktion, Protest mit Gegenprotest. 
Als die böhmische Hofkammer mit gewaltsamen Mitteln drohte, ging die 
Regierung Amberg mit Dragonern vor und Hess sogar die von der böhmischen 
Lehenskammer aüfgestellten Verwalter wegen Widersetzlichkeit verhaften und 
für einige Zeit in den sogenannten „Fuchssteiner“ zu Amberg werfen. Nun 
fordert zu Anfang des Jahres 1660 die kaiserliche Regierung zu Wien von 
der böhmischen Hofkammer Einschickung der Akten, und geht Ende des 

44 ) Die Akten über diesen Streit befinden sich teils im Münchener Reichs-, teils 
im Amberger Kreisarchiv. Ich verdanke mehrere Mitteilungen Herrn Lehrer May, der 
eine Geschichte Waldthurns vorbereitet. 


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269 


Der Stur/, des kurbaycriseheu Kanzlers Öxl. 


Jahres 1661 eine geharnischte Erklärung nach München, zu Anfang des 
folgenden Jahres aber an die böhmische Verwaltung in Waldthurn der Befehl, 
sich nötigenfalls der Egerer Garnison zu bedienen. Zwar bleibt es kaiser- 
licherseits auch jetzt bei blossen Drohuugen, aber die Verbitterung zwischen 
Bayern und Österreich wegen dieser Frage spitzt sich so zu, dass man dem 
Erzbischof Guidobald von Salzburg, als er sich im Herbst 1662 als kaiser¬ 
licher Prinzipalkommissär auf dem Wege über München nach Regensburg 
begab, mit dem Beitritt zur rheinischen Allianz droht: „Ich habe i. kf. Dt sehr 
alterirt befunden und aus ihrem aignen mund wie auch von dero geheimben 
raten verstanden, welchermassen man nit allein einem ergreifenden gewalt sich 
zu widersezen entschlossen, mit austrucklichen vorschuz, sye wissen schon 
leut, die ihnen genuegsamblich assistirn werden, sondern auch verspüret, dass 
zugleich andere nachtailige resolutiones als nemblichen die eiutretung in die 
bewuste allianz allem vermueten nach erfolgen möchte, massen mir unver¬ 
borgen, dass man ihro derentwegen stark zuesezet und gar enge negociationes 
underlaufen“ 4,1 ). 

Thatsächlich behauptete sich Bayern bis zum Jahre 1666 im Besitze 
der Landeshoheit. „Ich habe mich bei Durchlesung der sich während dieser 
Zeit gesammelten vielen voluminösen Akten oft herzlich über die Würde, den 
Mut und die Entschlossenheit der hiesigen Regierung gefreut, womit selbe 
die landeshoheitlichen Rechte bei jeder Gelegenheit verteidigte und auch er¬ 
hielt“, rühmt ein später zu erwähnendes Gutachten aus dem Jahre 1800. 

Trotzdem nahm die Angelegenheit im Februar 1666 eine für Lob- 
kowitz günstige Wendung. Ende des Monats Februar oder Anfang März 
erschien im Aufträge des Fürsten der Propst zu Hunfeld, Otto Reinhold 
von Andrimont, zu München. Es fanden zwischen ihm und bayerischen Be¬ 
vollmächtigten mehrere Konferenzen statt, und das Ergebnis war ein kurfürst¬ 
licher Bescheid vom 18. März 1666, in welchem Ferdinand Maria erklärte, 
er habe sich auf Ansuchen des Kaisers und des Fürsten Lobkowitz ent¬ 
schlossen, sich der landeshoheitlichen Rechte über Waldthurn zu begeben, in 
der Voraussetzung, dass von seiten des Kaisers ein Gleiches geschehe: „Ob- 
wolen zum öftern mit umbständen remonstrirt worden, was i er kf. Dt bei be¬ 
sagten gut Waldthurn für gerechtsame zueständig, so wollen sye doch i* r k s - 
M fc zu untertänigsten ehren, absonderlich aber auch zur bezeigung ihrer gegen 
den fürsten von Lobcowiz und herzogen zu Sagau tragenden gueten affek- 
tion sich hiemit nachfolgender gestalten erklärt haben, dass sye hochgedacht 
i cr fl. Gd von Lobcowiz und dero fl. erben die landesfürstliche superioritet 
und obrigkeit, auch was derselben anhengig und bishero von seiten des fürsten- 
tumbs der Oberenpfalz hergebracht und exerzirt worden, bei ermelten gut 
Waldthurn nach verlangen genzlich überlassen und bei dero regierung Am¬ 
berg die Verordnung thuen, dass i. fl. Gd von Lobcowiz an exerzirung der 
landesfürstlichen obrigkeit, einnemung Steuer und umbgelds. und was sonsten 
derselben anhengig, kein einhalt erzaigt werde, doch dass an seiten der cron 
Böhmen ein gleichmässiges geschehe.“ Wirklich verständigte der Kurfürst 

4 ’) M.St.A. K. schw. 261 ;a. 1662 Okt. 8. Guido bald an Pürsten von Port in 


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Michael Döberl 


270 


unterm 21. April 1666 die Regierung Amberg von diesem Bescheide, und 
fand am 13. Mai 1666, nachdem auch der Kaiser seinen Rechten zu gunsten 
des Fürsten entsagt hatte, in Anwesenheit böhmischer und kurbayerischer 
Bevollmächtigter die Extradition Waldthurns an Lobkowitz statt. Der 
Kurfürst erklärte sogar am 8. Juni 1666 auf eine Anfrage der Regierung Am - 
berg, dass er auf die rückständige Steuer verzichte. 

Lobkowitz war eben 1665 allmächtiger Obersthofmeister geworden, 
und im Dezember desselben Jahres hatte die bayerische Regierung durch 
Dr. Johann Joachim Becher die Abstellung jener langjährigen wirtschaft¬ 
lichen Beschwerden angeregt und, wenn man Becher glauben darf, bereits 
eine erste Vertröstung empfangen 46 ). In den Konferenzen mit Becher wurde 
von Lobkowitz scher Seite auch die Waldthurnische Angelegenheit berührt, 
vermutlich in Begleitung Bechers ging dann Andrimont nach München 
und erwirkte hier den bereits im Auszug mitgeteilten kurfürstlichen Bescheid. 
Das erste Ergebnis dieser Nachgebigkeit in der Waldthurner Angelegenheit 
war, dass der Kaiser am 3. Juli 1666 zunächst seine Zustimmung gab zu 
einer Konferenz, auf welcher nicht bloss neue wirtschaftliche Projekte erörtert, 
sondern auch die älteren nachbarlichen Differenzen bei gelegt werden 
sollten 47 ). Von den Verhandlungen dieser Konferenz, die, wie bereits ge¬ 
schildert, im Herbst desselben Jahres wirklich zusammen trat, erwartete man 
die weiteren Ergebnisse. 

„Mit der Überlassung Waldthurns hat man nichts anderes gesucht als 
ihre kaiserliche Majestät und den Fürsten von Lobkowitz zu obligieren.“ 
So äussert sich derjenige, welcher sich nach dem Zeugnisse des Lobkowitz- 
schen Unterhändlers An drimo n t wie des Reichshofvizekanzlers Dr. Hocher 
um das Zustandekommen des Waldthurner Vergleichs wesentliche Verdienste 
erworben hatte, Hermann v. Fürsten berg 48 ). Öxl dagegen bot während 
seines Wiener Aufenthaltes seine ganze Beredsamkeit auf, um den Wert des 
Vergleiches in den Augen des Kaisers und der kaiserlichen Minister herab¬ 
zusetzen, und legte, um seinen Worten mehr Nachdruck zu geben, Abschriften 
bayerischer Akten vor. Er warnte den Fürsten vor bayerischen Hintergedanken: 
Die Überlassung sei nur zum Schein geschehen, da die Zession lediglich seiner 
Person gedenke; man könne dieselbe nach seinem Tode nach Belieben zurück¬ 
nehmen. Den österreichischen Vorsitzenden der Wirtschaftskonferenz, den 
Hofkammerpräsidenten Siuzendorf, der ebenfalls auf bayerischem Boden 
ein Schmerzenskind hatte, die Grafschaft Neuburg am Inn, suchte derselbe 
Öxl gegen Bayern durch die Denuntiation einzunehmen, der Kurfürst bestehe 
auf der landesfürstlichen Obrigkeit über die Grafschaft Neuburg, um damit 
eine Handhabe zu gewinnen, dem Hofkammerpräsideuten die Grafschaft ab¬ 
zudrücken, d. h. ihn zum Verkauf der Grafschaft mürbe zu machen. Man solle 

40 ) Döberl, Das Projekt etc. a. a. O. 

47 ) Döberl, Das Projekt etc. a. a. O. 

48 ) M.St.A. K. schw. 176/13. Regensburg 1666 Mai 30. Hocher an Fürste 11- 
berg. Freilich ergiebt sich aus dieser Korrespondenz auch, dass Fürsteilberg neben 
den wirtschaftlichen Interessen seines Kurfürsten auch ein Privatinteresse im Auge hatte. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 271 


den beiden bayerischen Ministern keinen Glauben schenken, da sie arge Vögel 
seien. Öxl soll sogar zur Bezeigung seines Eifers und seiner Treue gegen 
den Kaiser und gegen Lobkowitz eine schriftliche Information eingereicht 
haben, wie die böhmische Kanzlei und der Kaiser selbst ihre Rechte an Wald- 
thurn behaupten könnten. 

Derselbe Öxl schilderte den bayerischen Hof in den schwärzesten 
Farben, erzählte mit weinenden Augen, er gelte nur deswegen beim Kurfürsten 
nichts und werde vom Hofe verfolgt, weil er zu gut kaiserlich gesinnt sei. 
Fürstenberg und Schmid dagegen, welche ihn am meisten verfolgten, seien 
die ärgsten Widersacher des Hauses Österreich und der französischen Partei 
ergeben. 

So lautete die Anklage, wie sie Fürstenberg und Barbier auf 
grund der Mitteilungen des Propstes Andrimont von Wien aus über¬ 
schrieben 49 ). Nach denselben brieflichen Mitteilungen hätte der Propst die 
schriftliche Information Öxls selbst in Händen gehabt durch Vermittelung 
des Fürsten Lobkowitz. 

Von den Gegnern Öxls wurde die Anklage noch gehörig ausgeschlachtet. 
Fürstenberg weist auf die schlimmen Folgen hin, welche die Aussagen 
Öxls „dieses bösen, pflichtvergessenen Gesellen“, über die Waldthuruer und 
die Neuburgische Angelegenheit bei den kaiserlichen Ministern haben müssten. 
Fürst Lobkowitz zwar sei von ihm bereits herumgebracht; derselbe habe durch 
Andrimont dem Öxl zu verstehen gegeben, man höre die Spione an, aber 
ihre Person werde einem dadurch nicht lieber, derselbe habe ihm, dem Fürsten¬ 
berger, gegenüber Öxl einen Erzschelm genannt, der ihm von seinen Aktionen 
zu Regensburg und Frankfurt her zur genüge bekannt sei. Aber es werde 
doch längere Zeit verstreichen, bis es gelingen wird, sämtlichen kaiserlichen 
Ministern den Eindruck dieser Einflüsterungen zu benehmen. „Namentlich 
wird es beim Hofkammerpräsidenten, der diesen Vogel nicht kennt und für 
einen ehrlichen Mann hält, harte Arbeit kosten.“ Fürstenberg machte auch 
auf die üblen Folgen der Schilderungen des bayerischen Hofes aufmerksam, 
auf den Schaden, den er insbesondere sowohl als Gesandter des Kurfürsten wie 
in seinen Privatgeschäften erleide, da diese Schilderungen von einem kur¬ 
bayerischen geheimen Ratskanzler ausgegangen. Allerdings wundere ihn solches 
umso weniger, als der Kanzler nicht einmal der Person des Kurfürsten ge¬ 
schont, diesen wenigstens indirekt einer antikaiserlichen Gesinnung geziehen 
habe. Aber er habe von diesen leichtfertigen Verdächtigungen Öxls schon 
zu Frankfurt genug Verfolgungen und Schaden leiden müssen und sei nicht 
mehr gewillt, sich ferner solchen auszusetzen. Er hoffe, man werde ihm 
billige Satisfaktion zu teil werden lassen, damit er und ein anderer ehrlicher 
Mann in bayerischen Diensten verbleiben könne. 

Barbier ergänzt nicht bloss den Bericht Fürstenbergs, er fügt 
auch Bemerkungen hinzu, welche das Verfahren Öxls in noch schlimmerem 
Lichte erscheinen lassen mussten, freilich auch in umso hellerem das Verdienst 

4Ö ) Aktenstücke Nr, 2 und 3. 


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272 Michael Döberl 

seines Anklägers Fürstenberg. „Ich habe mir leicht einbilden können, 
dass uns Öxl Händel machen wird. Dass er sich aber so weit vergessen 
und vorsätzlich wider des Kurfürsten Interesse agitieren würde, wäre mir 
nie in den Sinn gekommen. Scheint, dass ihn Gott der Allmächtige, vielleicht 
zur verdienten Strafe für seine gegen jedermann geübte Falschheit, hat 
fallen lassen. Das sind rechte Schelmeustücke, die einem geheimen Rats¬ 
kanzler, welcher erst jüngst von meinem gnädigen Herrn so viel Gnaden 
empfangen, schlecht anstehen. Graf von Fürste 11berg hat genug zu thun, 
dass er dem Kaiser und seinen Ministern die vorgefasste widrige Meinung nimmt.“ 
„Es ist des Herrn Grafen Anwesenheit unser grosses Glück; denn sonst 
würden wir von allen mit Argwohn angesehen werden, ohne zu wissen, woher 
er kommt.“ Mich hat er vorgestern mit einem Rausch besucht und gesagt, 
dass er beim Kaiser drei Angelegenheiten betrieben habe, Ausstellung des 
Adelsdiploms für sich, um der vom Kurfürsten ihm verliehenen Edelmanns¬ 
freiheit auch wirklich geniesseu zu können, Präsentation auf ein Kanonikat 
für seinen jüngsten Sohn, Anstellung in kaiserlichen Diensten für den Bräutigam 
seiner jüngsten Tochter, weil sich diese in Bayern nicht verheiraten wolle. 
Im übrigen äusserte er wiederholt, mau achte seine 38jährigen Dienste am 
bayerischen Hofe gar nicht mehr, es sei jetzt rechte Zeit, am kaiserlichen Hofe 
Prätensionen zu stellen; denn weil der Kaiser voller Freude sei, werde es 
gleich heissen: fiat.“ 

Fürstenberg fordert Abberufung Öxls. Derselbe gebe zwar vor, dass 
er künftigen Montag oder Dienstag von hier verreisen werde; er aber zweifle 
sehr daran. Versteckt scheint Fürstenberg noch mehr augedeutet zu haben. 
An derselben Stelle, da er jener Äusserung des Fürsten Lobkowitz überdas 
Auftreten Öxls in Regensburg und Frankfurt gedenkt, erwähnt er eine andere 
Auslassung desselben Fürsten: Es nehme ihn wunder, dass man Öxl nach 
Wien gelassen; man solle denselben auf eine Pflege im Laude Bayern ver¬ 
setzen und sorgen, dass er sich nicht entfernen könne; sonst möchte er noch 
böse Händel anfangeu. 

Man könnte auf den Gedanken kommen, die ganze Anklage sei von 
den Gegnern Öxls erfunden worden, weder Fürstenberg und Barbier 
noch der Adressat Schmid hätten daran geglaubt. 

Indes dass diese Kreise die Anklage ernst nahmen, dafür spricht schon 
die Thatsache, dass Schmid eine Untersuchung anstellte. 

Und die Aussagen, welche später auf gruud dieser Untersuchung der 
Schreiber Öxls, Johann Rottkäpl, machte, bestätigen den Inhalt der Anklage: 
Als Öxl vor seiner Wiener Reise in München weilte, um vom Kurfürsten Urlaub 
für eine Badekur in Wien zu erbitteu, habe er sich von dem geheimen Kanzlei¬ 
registrator Martin Widl den Waldthunier Akt ausheben und von dem¬ 
selben wie von anderen Akten durch seinen Schreiber Rottkäpl Abschriften 
machen lassen, die er dann mit sich nach Wien genommen. Mit diesen Akten 
habe er sich wiederholt zu Lobkowitz begeben und bei ihm bisweilen über 
zwei Stunden verweilt; ebenso sei er damit beim Propst von Andrimont vor¬ 
gefahren. Der Zweck dieser Besudle sei ihm unbekannt gel)lieben, doch 


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273 


Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 

habe sich Öxl in der Unterhaltung wiederholt dahin vernehmen lassen, dass 
der Propst von Andrimont den Kaiser und den Kurfürsten von Bayern, ebenso 
den Fürsten Lobkowitz, den Kammerpräsidenten Sinzendorf und den 
bayerischen Obersthofmarschall Fürstenberg hätte „aneinander bringen 
können, so dass eine grosse Feindschaft daraus entstanden wäre“. Der Kaiser 
habe deshalb dem Fürsten Lobkowitz wiederholt ans Herz gelegt, über 
diese Dinge strengstes Stillschweigen zu bewahren aü ). 

Für die Thatsächlichkeit der Anklage spricht auch das Ergebnis der 
Untersuchung, welche schon vor dem Verhöre Rottkäpls der Vizekanzler 
Schmid mit dem geheimen Kanzleiregistrator Martin Widl anstellte, der 
Umstand, dass unmittelbar darauf Widl seiner Stelle enthoben wurde, dass 
Widls Frau nach dem ersten Verhör sich veranlasst sah, Öxl von der Unter¬ 
suchung gegen ihren Mann, von dem Wortlaut der an ihn gerichteten Fragen 
zu verständigen 51 ). 

Dafür sprechen auch die kaiserlichen Gnadenerweise, welche Öxl in 
Wien empfangen hat. Der Kaiser hatte ihm in Frankfurt für seine Ver¬ 
dienste bei der Kaiserwahl Erhebung in den Reiehsritterstand versprochen. 
Jahre waren darüber hinweggegangen. Jetzt erfüllte der Kaiser nicht bloss 
das alte Versprechen, die kaiserliche Kanzlei stellte ein Diplom 52 ) aus, worin 
Öxl für sich und seine Nachkommen in den Reichsfreiherrnstand erhoben 
wurde. Und der Schwiegersohn, Scherer, erscheint später wirklich, wie 
Öxl und seiue Tochter gewünscht hatten, in kaiserlichen Diensten. 

Doch man könnte einw r enden, dass auch die Untersuchung, welche 
Schmid anstellte, nicht ernst zu nehmen sei, dass Schmid mit Fürstenberg 
und Barbier unter einer Decke gespielt habe, um Öxl zu vernichten. Man 
könnte einwenden, dass die Untersuchung des Vizekanzlers Schmid gegen 
den Registrator Widl ungerecht geführt, dass die Aussagen, welche der 
Schreiber Öxls gemacht haben sollte, von den Gegnern Öxls in die Feder 
diktiert, dass Rottkäpl zur Übernahme derselben bestimmt worden sei durch 
Hass gegen seinen früheren Prinzipal, durch Aussicht auf Versorgung 52,1 ). Man 
könnte endlich einwenden, dass die Gnaden, welche Öxl in Wien empfangen, 
wirklich nur der Lohn für die früheren Verdienste des Kanzlers um das 
Kaiserhaus gewesen sei. 

So wandte ich mich denn an das Hausarchiv der Familie Lobkowitz 
zu Raudnitz a. Elbe; die Aussagen Fürstenbergs und Barbiers, dass 
Öxl in der Waldthurner Angelegenheit dem Fürsten Lobkowitz eine 
schriftliche Information eingehändigt habe, legten den Gedanken nahe. War 
die Anfrage ergebnislos, so war dieses negative Resultat noch keineswegs ge¬ 
eignet, die Anklage gegen Öxl zu erschüttern; denn ein solches Aktenstück 
konnte gerade im Interesse des Kanzlers vernichtet worden sein. Fand sich 
aber ein derartiges Schriftstück, dann war nicht bloss ein Beweis erbracht für 

50 ) Aktenstücke Nr. 14. 

51 ) Ebenda. 

55! ) Aktenstücke Nr. r. 

oix ) Das Anni. 76 citierte Schreiben könnte dazu Anlass geben. 


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274 


Michael Döberl 


die Wahrheit einer einzelnen Anklage, danu bot sich zugleich an einer höchst 
wichtigen Stelle eine Generalprobe für die Verlässigkeit der Aussagen sämt¬ 
licher Zeugen, die uns in diesem Prozesse begegnen, wie für die Verlässigkeit 
der Unschuldsbeteuerungen Öxls. Die Anfrage hatte einen überraschenden 
Erfolg, das Ergebnis war bedeutender, als envartet werden konnte. 

Damit tritt ein Zeuge auf, dessen Glaubwürdigkeit jeden Zweifel aus- 
schliesst, dessen Bedeutung alle früheren und späteren Zeugenaussagen in 
Schatten stellt, ihnen erst das gebührende Mass an Zuverlässigkeit zuweist. 
Um den Inhalt dieser Zeugenaussage vollauf zu würdigen, gilt es noch ein¬ 
mal auf die Waldthurner Angelegenheit zurück zu greifen, sich nicht mehr zu 
begnügen mit den schriftlichen Äusserungen, welche der Öffentlichkeit ge¬ 
boten wurden, sondern in das einzudringen, was sich hinter den Kulissen 
abgespielt. Zwar haben sich die Akten der Verhandlungen mit dem Propst 
von Andrimont bis jetzt nicht vorgefunden, dafür entschädigen aber Abschriften, 
welche sich in einer Deduktion des Münchener Staatsarchivs aus dem Jahre 
1800 befinden 53 ). 

Daraus ergiebt sich, dass der Kurfürst den Verzicht auf die landes¬ 
fürstliche Obrigkeit über Waldthurn wirklich nur für seine Person erteilte, 
seine Nachfolger nicht gebunden wissen wollte und von einer Einrückung 
dieser Worte in den Andrimont erteilten Bescheid nur Abstand nahm auf 
dessen ausdrückliche Erklärung hin, dass dem Nachfolger ohnehin freistehe, 
eine solche Bewilligung zurückzunehmen. Ferner hatte man dem Propst als 
Gegenleistung das Versprechen zugeschoben, auf den Fürsten Lobkowitz 
einzuwirken, dass er vom Kaiser den Verzicht auf die landesfürstliche Obrigkeit 
über die Grafschaft Neuburg a. Inn zu guusten Bayerns erwirke; wegen 
dieser Grafschaft stand man nämlich mit dem Besitzer, dem kaiserlichen Hof¬ 
kammerpräsidenten Grafen von Sinzendorf, in Kauf- bezw. Tausch¬ 
verhandlungen. 

Diese beiden Vorbehalte stellt ein Vermerk des Vizekanzlers Kaspar 
Schmid zu dem Konzept des dem Pröpsten von Andrimont erteilten Be¬ 
scheides ausdrücklich fest. 

„Pro futura memoria ist zu notieren, dass anfangs i. kf. D t die bewilligung allein 
ad dies vitae suae gethan, mit vermelden, dass sie den successoribus in der primogenitur 
nit praeiudiciren könden. Als aber der h. probst mündlich audienz gehabt und unter 
andern vermelt, dass i. kf. D* die wort ad dies vitae darumb wol auslassen könnten, weil 
den successoribus ohne das bevorstehe, da sie wollen, solche bewilligung wieder zuruck- 
zunemen, haben i. kf. D* entlieh consentirt, gleichwolen aber befolchen anzuhängen, dass 
der h. probst dasienige zum effect bringen wolle, was mit ihm in mündlicher conferenz 
abgeredt worden. Als er aber wieder repliciert und gebeten, auch diesen anhang aus¬ 
zulassen, mit dem erbieten, dass er sich hierzu durch einen absonderlichen zettel obligieren 
wolle, ist auch solches erbieten angenomeu und der zettel ad acta geleget w r ordeu. Was 
aber von seiten i. kf. D fc für ein gegenpraetension geschehen, die h. probst ad effecta zu 
bringen über sich genomen, ist diese, dass i. fl. gd. von Lobcoviz bei ihr M* für das 
churhaus Bayrn auswürken wollten die landesfürstl. obrigkeit über Neuburg am In, damit 
man mit der kaufshandlung, darzue sich der von Sinzendorf hiebevor diesen erboten, 

58 ) M.St.A. K. schw. 565/34. „Vortrag über die Territorialansprüche seiner ietzt 
regierenden kf. D* auf die dermalen fl. L o b k o w i t z i s c h e Herrschaft Waldthurn“. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


275 


desto besser fortkommen könte. Und dies were das mittl, die Waldthurnische cession 
der landesfürstl. obrigkeit dargegen zu compensiren und die sach auch gegen der posteri- 
taet in Sicherheit zu ttellen.“ 

Von diesen Vorbehalten, die allerdings das Ergebnis der Mission 
Andrimonts sehr herabdrückten, hatte Fürst Lobkowitz aus naheliegenden 
Gründen keine Kenntnis erhalten. Öxl nun war es, welcher sich dieser Auf¬ 
gabe unterzog, welcher sich vor seiner Reise nach München Abschriften von 
den Waldthumer Akten, insbesondere von dem Vermerke Schmids zu dem 
kurfürstlichen Bescheide vom 18. März 1666 verschaffte, mit diesen Akten 
sich zu Lobkowitz begab und diesen von den Hintergedanken der bayerischen 
Regierung bezüglich Waldthums, von den Absichten der bayerischen Re¬ 
gierung auf die Grafschaft Neuburg unterrichtete und dadurch bei Lob¬ 
kowitz wie bei Sinzendorf jene begreifliche Erregung hervorrief, die ge¬ 
eignet war, den Gang der wirtschaftlichen Verhandlungen aufs ungünstigste 
zu beeinflussen; Mitteilungen auf diesem Wege mussten eben die bayerische 
Politik in noch schlimmerem Lichte erscheinen lassen. 

Das ergiebt sich jetzt untrügbar aus der von Öxl nach seinen münd¬ 
lichen Mitteilungen dem Fürsten Lobkowitz ein gehändigten Information, 
die noch heute im Lobkowi tz sehen Hausarchiv zu Raudnitz lagert 54 ). In 
dem Schriftstück, das doch nur mittelbar der vorausgehenden mündlichen 
Mitteilungen gedenkt, finden sich wiederholt wörtliche Anlehnungen an den 
Wortlaut des Vermerkes Schmids. Damit sind die Anklagen, welche 
Fürstenberg und Barbier von Wien aus erhoben haben, vollauf bestätigt. 
Und diese Information Öxls diente wirklich, wie Fürstenberg überschrieben 
hatte, dem Zwecke, dem Fürsten Lobkowitz Mittel an die Hand zu geben, 
um die Absichten der bayerischen Regierung zu durchkreuzen. Öxl hat 
damit zweifellos Verrat an seinem Kurfürsten geübt, wenn auch das, was er 
berichtete, der Wahrheit gemäss war. Und dass sich Öxl dieses Charakters 
seiner Handlungsweise bewusst war, das verrät er wiederum in derselben In¬ 
formation. Lassen wir diesem für die Charakteristik Öxls so wichtigen 
Schriftstück selbst das Wort, es spricht beredter als breite Kommentare. 

Durchleüchtiger kertzog, gnädigster fürst und lierr. 

In der Waldtkurniscken sack wäre mein gekorsambstes und unmassgeblickes 
parere folgendes. 

Das ganze werk besteket auf zwen kaubtpuncten: i°. Dass dem kerrn probst von 
Andrimont imputirt wird, er habe versprochen, Ew. fürstl. Gnaden werden ihre kais. 
Maiestät dahin disponim, dass dieselbe ihrer churfurstl. Durchlaucht in Bayern die lands- 
oberkerrlichkeit über die herrschaft Neuburg am Yhn cedirn, damit der tausch solcher 
grafschaft gegen Orttenburg desto besser eingerichtet werden könte, und dieses seie gleich¬ 
sam das mittel gewesen, worauf die churfürstl. resolution oder bescheid wegen Waldthurn 
conditionirt worden. 

2® Dass gedachter probst Selbsten vermeldet und erstangezogenen bescheid dahin 
interpretirt, dass ihrer kf. Dt successoribus bevorstehe, da sie wollen, solche bewilligung 
wieder zuruckzunehmen, in welchem verstand die sonst den vorigen bescheidaufsatzen 
eingeruckte clausul (ad dies vitae, so lang nemlich der liebe Gott höchstermelt ihrer kf. 
Dt das leben fristen würdt) wieder expungirt worden. 

M ) Sub sign. M. 17. ex cop. 4. 


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276 


Michael Döberl 


Soviel den ersten pmieten betrifft, verbleibe ich noch, wie allemal, der unter- 
thänigsten gehorsamsten wohlmeinung, man solte darvon gänzlich abstrahim, und weder 
Ew. ftirstl. Gnaden noch der herr probst von Andrimont sich gegen jemanden, sonder¬ 
lich die churbayerische ministros oder selbige alhero verordnete gesandte im geringsten 
darvon nicht vermerken lassen, sondern allerdings dissimulirn und erwarten, ob sie oder 
ihre kf. Dt selbsten derentliaiben etwas movim werden oder nicht Si hoc salva res est: 
si prius, und da hiervon etwas auf die bahn gebracht werden solte, wissen Ew. fürstl. 
Gnaden sich von selbsten schon zu genügen zu entschuldigen, dass nemlich der herr probst 
von Andrimont das versprechen ohne Ew. fürstl. Gnaden vorwissen und willen, auch 
ohne allen gehabten befelch, ia wider sein gehabte instruction gethan, zumalen als Dero- 
selben der Dr. Becher eben dergleichen vorhero schon zugemutet, Sie Sich gleich ent¬ 
schuldiget und auch dem herrn probsteu von Andrimont expresse inhibirt haben, Ew. 
fürstl. Gnaden mit solcherlei anbegehrn und Commission nicht zue impegniern, weiln in 
Deroselben macht und gewalt nicht stehe, ihre ks. M* zu der verlangten cession juris 
territorialis über Neuburg zu vermögen, sintemaln deroselben gar zu viel, sonderlich 
wegen der correspondenz und commercien in Bayern und Tyrol daran gelegen, dass auch 
solche cession gegen der Waldthurnischen oberpotmessigkheit gar kein proportion habe, 
und Ew. fürstl. Gnaden vorhinein schon wüssten, dass ihre ks. M 4 sich keiues wegs darzue 
verstehen würden. Habe der Herr von Andrimont disfalls wider Ew. fürstl. Gnaden 
intention und befelch etwas versprochen und fines mandati überschritten, haben Ew. fürstl. 
Gnaden es weder zu praejtirn noch zu verantworten, immassen dan auch die Deroselben 
überbrachte churfürstl. resolution und schriftliche erklärung auf dergleichen Zumutung, so 
dem herrn Probsten beschehen sein solte, oder auf sein vorgebenermassen darüber getlianes 
versprechen nicht conditionirt, noch das geringst hiervon darin gemeldet, sondern aller¬ 
dings pur und lauter seie. Was derentliaiben bei den mündlichen conferenzen vorgangen 
oder w r as sich der herr von Andrimont gegen den geheimen ratsvicecanzler durch 
privatzettul oder schreiben erboten, darvon seie Ew. fürstl. Gnaden nichts bewusst, es habe 
auch Deroselben er hiervon weder zu seiner rückkunft, noch bishero das geringste schrift- 
oder mündlich referirt oder Ihro in der sach etwas zugemutet. Solchergestalt kommt 
der ganze handel auf den herrn probsten, der mag selbigen mit den Churbayerischen 
gleichwohl austragen und suchen, wie er sich wiederum enodiren thue. Gestalten er den 
hergang der Sachen und sein beschehenes erbieten weit anderster erzählt und interpretirt, 
als es in dem bewussten annotamento des Churbayerischen vicecanzler 
Schmidts enthalten ist, darvon Ew. fürstl. Gnaden ich, und was mir der 
herr von Andrimont desswegen für erleuterung gegeben, albereitu nterthenigste 
relation erstattet habe, so ohnnöthig und verdriesslich dis orts zu widerholen. 
Meinem geringfügigen sentiment nach würde wohl das beste sein, wau der herr von 
Andrimont den tausch oder wexel der grafschaft Neuburg gegen Orttenbürg mit guter 
manier bei dem herrn kaiserlichen cammerpraesidenten ganz unterbrechen thete; so 
würden die obbedeute difficulteten für sich selbst cessiem und fallen. 

Anlangend den andern puncten, läugnet zwar der herr probst, dass er dergleichen 
Interpretation, wie in des Dr. Schmidts annotato wegen der churfürstl. successom re- 
tractation vermerkt ist, gethan habe, sondern gibt vor, dass solche von den heim Chur- 
bayerischen zu den conferentien verordneten commissarien aufgeworfen worden, welche er 
aber alsobald widersprochen. Dem seie nun wie da wöll, so erscheinet doch aus der 
churfürstl. resolution oder bescheid klärlich, dass selbige allein auf die jetzt regierende 
kf. Dt eiugericlit und restringirt und gar nicht zugleich auf dero erben und nachkommen 
extendirt ist, dannenhero waii ihre kf. Dt (so der allmechtige Gott lang verhüten wolle) 
mit tod abgehen, seind Ew. fürstl. Gnaden und Dero successores nicht gesichert, dass die 
churfürstl. nachfolger in die vorgangene cession ebenergestalt conseutim oder sich darzu 
verbunden zu sein erachten würden. Diser künftigen difficultet und missverstand zeit¬ 
lich vorzubauen ist kein besseres und sicheres expediens, als dass Ew. fürstl. Gnaden 
den herrn churfürsten meinen gnädigsten herrn durch ein freundliches handbriefl er¬ 
suchen , Deroselben über die erteilte willfährige resolution ein förmliches instrumentum 


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Der Sturz des kurbaverischen Kanzlers Öxl. 277 

cessionis für ihrer kf. Dt person und dero erben und nachkommen auf Ew. fürstl. 
Guadeu und Dero gleiclimessige erben und nachkommen wiederfahren lassen wollten. 
Worbey aber 3 Sachen wohl in obacht zunehmen: i°. Dass Ew. fürstl. Gnaden solch 
schreiben nicht gleich ietzo ex abrupto abgehen lassen, d a n man sousten zu München 
gar zu deutlich merken würde, dass es Deroselben von jemanden in 
geheim also suggerirt worden, dardurch ich ausser allem zweifei stracks 
in verdacht und mithin in grosses Unglück geraten würde, sondern weiln 
gar gewiss, dass die annahende Churbayerische gesandschaft von ihrer kf. Dt ein particular- 
recommendationschreiben ihrer obhabenden negotien an Ew. fürstl. Gnaden mitbringen 
wird, haben dieselbe gar treffentliche gute gelegenheit der risposta disen puncten füglich 
mitanzuhängen. 2 do - wird solches anfangs mit wenigen und in solchen terminis beschehen 
müssen, auf dass mit weitläufiger anziehung oder operoser ausführung der sach selbe 
nicht erst suspect gemacht oder ihrer kf. Dt und dero ministris anlass gegeben werde, 
daraus zu schliessen, dass Ew. fürstl. Gnaden selbsten der churfürstl. successom halber 
im zweifei stehen und die churfürstl. resolution eben auch dergestalt, wie dem lierrn 
probst von Andrimont imputirt wird, interpretirn und verstehen. 3tio weiln mehr 
allegirte churfürstl. erklärung und cession sich austruckentlich dahin beziehet und be¬ 
dinget, dass an seiten der cron Behaimb ein gleichmässiges beschehen soll, so wäre dem 
werk überaus vorträglich, wan Ew. fürstl. Gnaden vor allem ein solches instrumentuni 
cessionis von ihrer ks. Mt als könig in Böhaimb, vor sich und ihre königliche erben 
und nachkommen, auf Ew. fürstl. Gnaden und Dero erben und nachkommen auswürkten, 
dasselbig zu Ihrer intention aufs beste tarn quoad materiam, quam quoad formam stylisirn 
und sodan ihrer kf. Dt per vidimatam eopiam communicirn, beinebenst bitten thäten, Ihro 
mutatis mutandis in eadem forma et simili modo das instrumentum cessionis zukommen 
zu lassen. Solcher gestalt könnte man Churbayerischen teils es um so viel weniger diffi- 
cultirn oder abschlagen. 

Das ersuchen aber an ihre kf. Dt könnte unmassgeblich ungefähr auf folgenden 
schlag abgefasst und dem vorangedeuten antwortschreiben praemissis reliquis praemitten- 
dis annectirt werden : 

Sonsten thue gegen Ew. IJt ich mich nochmaln zum höchsten bedanken, dass 
Dieselbe in der Waldthurnischen sach nicht allein Sich so willfährig erklärt und mir 
und meinen fürstlichen erben die landsfürstliche superioritaet und obrigkeit, und was 
derselben anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern Pfaltz hergebracht 
und exerzirt worden, bei Waldthum nach meinem verlangen gänzlich überlassen, sondern 
auch der regierung Amberg derenthalben die gehörige notturft an befehlen und die execution 
durch verordnete commissarios neben den kgl. Bohaimbischen abgeordneten zugleich wirk¬ 
lich vornehmen und vollziehen lassen. Gleichwie nun die kgl. ks. Mt mein allergnädigster 
kaiser und herr als könig in Bohaimb ihres theils mir hierüber zu besserem bestand und 
richtigkeit der Sachen, auch za Vermeidung aller künftigen irrungen ein ordentliches und 
förmliches instrumentum cessionis nach laut beiliegender vidimirter abschrift allergnädigst 
ertheilt haben: Also gelanget an Ew. D* mein gehorsames ersuchen und bitten, mir auch 
Ihrerseits ein gleichlautendes cessionsinstrument in ebenmässiger form, inhalt und qualitet 
meinem allzeit gehabten verlangen nach wiederfahren zu lassen. Gestalten ich ein un¬ 
massgebliches project mutatis mutandis beischliesse und Euer Dt unzweifentliche willfah- 
rung darüber erwarte. Hierdurch werden Dieselbe mich noch mehrers obligieren. Das 
übrige will ich bei fernerer mündlichen Unterredung gehorsamlich anfügen, und verstehet 
sich obiges alles ohne geringste unzimliche massgebung. 

Thue damit Ew. fürstl. Gnaden mich zu Dero beharrlichen hohen huldeu und 
gnädigster protection unterthänigst und gehorsamst befehlen. 

Euer fürstl. Gnaden 

unterthänigster gehorsamster und treuister Diener 
J. G. Oexl m. p. 


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278 Michael Döberl 


Und das ist nicht das einzige Ergebnis der Nachforschung im Raudnitzer 
Archiv. Noch auf dem Rückweg von Wien nach Regensburg, von Linz aus 
schickte Öxl anLobkowitz förmliche Entwürfe einer kaiserlichen und einer 
kurfürstlichen Zessionsurkunde, welche der Fürst in Wien und München er¬ 
wirken sollte, um sich die landesfürstliche Obrigkeit über Waldthurn auch^ 
überden Tod Ferdinand Marias hinaus zu sichern. Diese Entwürfe 
fanden sich ebenfalls im Lob ko witzschen Hausarchiv, zugleich mit dem 
Begleitschreiben Öxls. Dasselbe ist eben nicht, wie Öxl ausdrücklich ge¬ 
wünscht hatte, verbrannt worden. 

Ich lasse sämtliche drei Schriftstücke hier folgen, da sie für uns noch 
von Wichtigkeit sein werden: 

Durchleuchtiger herzog, 

gnädigster fürst und herr 

Demnach ich disen abend zue wasser allhie gottlob glücklich augelangt, habe ich 
meinem unterthänigsten erbieten zue schuldigster folg nicht unterlassen sollen, E. f. Gd. 
meine unterwegs unfürgreiflich aufgesetzte projecta beider königlicher Behmischen und 
Churbayer, cessionsbrief über die landesfürstliche obrigkheit zue Waldthurn hiemit ge- 
horsambst von hier aus zu überschicken und unterthänigst umb Verzeihung zu bitten, dass 
ich solche concept nicht ad munduni gerichtet, weilen ichs keinem andern vertrauen 
können, Selbsten aber zue rescribiren und describiren w r egen eines überaus starken cathars, 
welchen ich auf dem wasser bekommen, und dannenhero verursachte sehr schmerzlichen 
kopfwehes ia nicht vermögt habe. E. f. Gd. geruhen eines und anderes, ehe Dieselbe es 
lesen, von einem Ihrer vertrauten geheimen bedienten unmassgeblich in mundo abschreiben 
zue lassen, so werden Sie desto besser und unverhinderter daraus kommen, auch den 
inhalt umb so viel reifer tibelegen können. Ich habe sonderlich in substantialibus, so 
viel immer möglich, die terminos und formalia der königl. Behmischen und Churbayer. 
resolutionsdecreti gebraucht, im übrigen aber nichts ohne sonderbare consideration und 
ursach beigesetzt, jedoch alles auf E. f. Gd. gnädigste adprobation, guetbefinden und 
Verbesserung, welche darvon und darzue thun können, was Ihro beliebet. Der kaiserl. 
und königl. Behmische canzleistylus ist mir quoad formalitates so eben nicht bekannt, 
und kann das cessionsconcept leichtlich darnach eingerichtet werden. Welcher gestalten 
sonsten E. f. Gd. die sach an meinen gnädigsten heim den churfürsten in Bayern mit 
guter manier gelangen lassen möchten, habe Deroselben ich nicht allein mein untertänigstes 
parere mündlich eröffnet, sondern auch schriftlich eingeliefert und ein unfürgreiflichen 
aufsatz eines handbriefeis mitangehengt, darvon E. f. Gd. ohne Zweifel copias werden 
haben nemen lassen, worauf ich mich beziehe und aufs allerhöchst durch Gott 
bitte,meine ei n ga n gs a n ge z oge n e projecta, wan abschriften darvon ge¬ 
nommen worden, sambt disem meinem brief verbrennen zu lassen und 
mich in Dero beständigen hohen fürstlichen hulden und gnaden und kräftigste protection, 
darzue ich mich ganz eiterigst und demütigst befehle, zue conserviren. 

Linz, den 22. Novemb. a°- 1666. 

E. f. Gd. 

untertänigster gehorsamster und treuester diener 

Sub sign. M. 17. ex orig. 4. J. G. Oexl. m. p. 

Project des königl Böhmischen instrumenti cessionis über das guet Waldthurn. 

Wir Leopold von Gottes gnaden etc. (ponatur integer titulus) bekennen als 
regierender könig in Behem für uns, alle unsere erben und nachkommende regierende 
könige mit disem unserem offenen brief und tun kund mäniglich: Nachdeme sich zwischen 
uns von wegen der cron Behem, dan dem Durchleuchtigen (inseratur similiter totus titulus) 
Ferdinand Maria etc. etc. als herzogen gedachter Obern Pfalz der landsfürsUichen 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


279 


obrigkheit halber, und was daran anhängig, bei dem guet Waldthurn von etlicher zeit 
her differentien enthalten, und hierüber zu beiden theilen verschiedene Schriften gewexlet, 
auch einige mündliche conferenzen zwischen denen darzue verordneten gehalten und unsere 
königliche gerechtsame bei jetztgemeltem guet zu mehrmalen an tag geben worden; 
gleichwohln aber gemelts churfürsten L d sich onlängst hin gegen den hochgebornen 
(addatur plenus titulus) Wenzel herzogen zu Sagan etc., deme die niedere gerichts- 
barkeit bei besagtem guet Waldthurn undisputierlich zuestehet, erkläret haben, die ihrer¬ 
seits darbei praetendirte landsftirstliche superioritaet und Obrigkeit, auch was derselben 
anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern Pfalz hergebracht und 
exercirt worden, ihme herzogen zue Sagan und dessen fürstlichen erben nach verlangen 
gänzlich zu überlassen und bei der regierung Amberg die Verordnung zue thun, dass 
ihme an exercierung der landsfürstlichen obrigkheit, einemung Steuer und umbgelt, und 
was sonsten derselben anhängig, kein einhalt erzeigt werde, doch dass an seiten der cron 
Behem ein gleichmässiges geschehe etc.: das derowegen wir uns in gnädigster ansehung 
sein des herzogen zu Sagan L d uns und der cron Behem in viele wege erzeigten und 
zue unserem gnädigsten Wohlgefallen noch erzeigenden fürtrefflichen, getreuen und er- 
spriesslichen diensten gnädigst resolviret, deroselben und ihren fürstlichen erben auch 
unsersteils alle dieienige iura regia, die uns wegen der laudssuperioritaet bei ofterwähntem 
gut Waldthurn unserer erbcron Behem halber zueständig sein, ohne reservat gänzlich 
gleicher gestalt zu überlassen. Allermassen wir für uns, alle unsere erben und nach- 
kommende regierende könige, auch für die cron Behem ihme herzogen zue Sagan L d , 
allen dessen fürstlichen erben und nachkommen benante iura regia, landsfürstliche obrig¬ 
kheit, und was derselbigen anhängig und uns zueständig, hiemit und in craft dieses königl. 
cessionsbriefs allerdings und ohne einigen Vorbehalt auf ein ganzes und ewiges cediren, 
überlassen, zueignen und in ihre gewalt und gewehr setzen in bester und kräftigster form, 
als es immer sein kan und mag, also und dergestalt, dass des herzogs L d , alle dero fürst¬ 
liche erben und nachkommen nun hinfüro sich der landsfürstlichen obrigkeit und der 
reichsimmedietaet, und was darvon dependirt, bei vilmehrbesagtem guet Waldthurn ihnen 
zueignen, nuzen, messen und gleich ihren eigenen immediatreichsgüetern besitzen, ge- 
wehren und gebrauchen mögen, ohne all unser als Rom. kaisers und königs in Behem, 
auch unserer erben und nachkommen am Rom. reich und der cron Behem unmäniglichs 
widerred, einhalt oder Verhinderung. Desshalb wir auch des herzogen L d unsere bei 
Waldthurn gehabte gerechtsame durch gewisse cornmissarios albereit würklich tradieren, 
ziieeignen und in deren rechtmässigen besitz ordentlicher beständiger weis stellen lassen. 
Welches alles wir als könig und von wegen der cron Behem, zumalen so viel die reichs¬ 
immedietaet und deren gewönliche jura betrifft, als regierender Rom. kaiser für uns, all 
unsere respective erben und nachkommen hiemit nochmalen und in kraft dis bester und 
bestendigster massen confirmieren, bestäten und genehm halten, in der zueverlässigen 
und ungezweifelten zueversicht, es werde an seite unsere freundlich lieben vettern des 
churfüreten in Bayern L d allerdings ein gleichmässiges beschehen und dieselbe zu mehreren 
Versicherung der sach für sich, dero erben und nachkommen dem herzogen von Sagan 
ein gleichlautenden cessions- und Übergabsbrief eben dises inhalts, form und gestalt un- 
verwaigerlich widerfahren lassen, wormit zuegleich die eingangs berührte zwischen uns 
und des churfüreten L d enthaltene und vorgewesene differentien gänzlich aufgehoben, tot 
und ab sein sollen. Alles getreulich und ohne geferde. Zue urkund haben wir dieses 
instrumentum cessionis und Übergabsbrief mit unserer eigenen handunterechrift verfertigt, 
auch unser kaiserl. und königl. insigell daran hengen lassen. Geschehen etc. etc. 

Sub. sign. M. 17. ex orig. 

Project des churbayer. instrumenti cessionis über das guet Waldthurn. 

Von Gottes gnaden wir Ferdinand Maria (ponatur integer titulus) bekennen 
als einig regierender füret für uns, alle unsere erben und nachkommen regierende fürsten 
mit diesem unserm offenen brief und tliuen kund mäniglich: Nachdem sich zwischen dem 
allerdurchleuchtigsten (iuseratur similiter totus titulus) und uns als herzogen gedachter 
Bayer. Forschungen, VII, 4. 19 


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28o 


Michael Döberl 


Obernpfalz der landsfürstlichen obrigkheit halber, und was daran anhängig, bei dem guet 
Waldthurn von etlicher zeit hero differentiell enthalten und hierüber zue beiden theilen 
verschiedene Schriften gewexlet, auch einige mündliche conferenzen zwischen denen darzn 
verordneten gehalten und von uns mit umbstenden zum öfteren remonstriert worden, was 
uns bei besagtem guet Waldthurn für gerechtsame zuständig, dass wir jedoch höchstermelter 
ihrer ks. Mt zue unterthänigsteu ehren, absonderlich aber auch zu bezeigung unserer gegen 
des hochgebornen (addaturplenus titulus) Wenzel herzogszue Sagan L d , deroohne das die 
nidergerichtbarkheit bei solchem guet undisputierlich zuesteliet, tragenden gueten affection 
erkläret, ihrer L d und dero fürstlichen erben die landsfürstliche superioritaet und obrig¬ 
kheit, auch was derselben anhängig und bishero an seiten des fürstentumbs der Obern 
Pfalz hergebracht und exerciret worden, bei erwehntem guet Waldthurn nach verlangen 
gänzlich zu überlassen und bei unserer regierung zu Amberg die Verordnung zue thun, 
dass ihrer L, d an exercierung der landesfürstlichen obrigkheit, einnemung steyr und umb- 
gelt, und was sonsten derselben anhängig, kein einhalt erzeigt werde, doch das an seiten 
der cron von Behem ein gleichmässiges geschehe; dieweilen nun ihre ks. Mt dise 
unsere erklärung zue gnädigstem Wohlgefallen aufgeiioinmen und sich gegen dem 
herzogen zue Sagan ebenniässig gnädigst resolviert haben, ihme und dessen fürstlichen 
erben auch ihres theils alle diejenige jura regia, welche dieselbe wegen der iands- 
superioritaet bei oftberülirtem guet Waldthurn ihrer erbcron Behem halber ihro zue- 
ständig zue sein praetendiret haben, ohne reservat gänzlich gleicher gestalt zue über¬ 
lassen; allermassen ihre Mt für sich, alle dero erben und nachkonimende regierende 
könige, auch für die cron Behemb ihme herzogen und dessen fürstlichen erben und 
nachkominen hierüber einen ordentlichen cessiotis- und Übergabsbrief, darvon uns glaub¬ 
hafte absclirift comuniciret worden, in bester form ausgefertigt und zuegestellt haben 
als thun wir nicht weniger gleichmässigen inhalts für uns, alle unsere erben und nacli- 
koninien des herzogen zue Sagan L d und allen dero fürstlichen erben und nachkommen 
die benante landsfürstliclie superioritaet und obrigkeit, und was derselben mehrers 
anhängig und uns bei Wr.^thurn zueständig, liiemit und in kraft dieses unsers cessions- 
briefs allerdings und ohne einigen Vorbehalt auf ein ganzes und ewiges cedieren, über¬ 
lassen , zueaignen und in ihren gewalt und gewelir sezen, in bester und kräftigster 
form, als es immer sein kan und mag, also und dergestalt, dass des herzogs IA alle 
dero fürstliche erben und nachkommen nun hinfüro sich der landsfürstlichen obrig¬ 
keit, und was darvon dependiret, bei melirbesagtem gut Waldthurn ihnen zueignen, 
nuzen, niessen und gleich andern ihren eigenen immediatreichsgüeteru besizen, gewehren 
und gebrauchen mögen, ohne all unser, unserer erben und nachkommen widerred, einhalt 
oder Verhinderung. Deshalben wir auch des herzogen unsere bei Waldthurn gehabte 
gerechtsame durch gewisse commissarios alberait würklich tradiren, zueignen und in 
deren rechtmässigen besitz ordentlicher beständiger weis stellen lassen. Welches alles wir 
für uns, all unsere erben und nachkommen hienut nochmalen und in kraft dis bester 
und beständigstermassen confirmieren, bestäten und genemb halten. Wormit zuegleicli 
die eingangs berührte zwischen ihrer ks. Mt als könig in Behem und selbiger krön mit 
uns vorgewesene differentiell gänzlich aufgehoben, tot und ab sein sollen. Alles getreulich 
und ohne geferde. Zue urkund haben wir dieses instrumeutum cessionis und iibergabs- 
bricf mit unserer eigenen hand unterzeichnet und unser churfürstliches secretinsigel 
daran hetigen lassen. Geschehen und geben etc. etc. 

Sub sign. M. 17. ex orig. 4. 

So handelte Öxl in Wien im Verkehr mit dem Fürsten Lobkowitz, 
zu dem er niemals in freundschaftlichere Beziehungen getreten war. Was 
mochte sich erst abgespielt haben in Frankfurt und in Regeusburg, im Hause 
der kaiserlichen Gesandten Volmar und Guido bald von Salzburg, bei 
denen Ö x 1 aus- und einging ? 

Wir fragen uns nach den Gründen einer solchen Handlungsweise. Öxl 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


281 


wollte sich auf diese Weise den Weg zu den erstrebten kaiserlichen Gnaden¬ 
erweisen ebnen; wir kennen ja bereits einige Wünsche, die er von Regens¬ 
burg mit nach Wien brachte. Vielleicht dachte er damals schon selbst an 
einen Eintritt in den österreichischen Staatsdienst. Vielleicht arbeitete er bei 
Lobkowitz um klingenden Lohn. Sein früheres Auftreten gegen das Haus 
Fürstenberg lässt aber Öxl auch fähig erscheinen, aus blosser Eifersucht 
gegen Hermann Egon von Fürstenberg einer Verständigung entgegen¬ 
zuarbeiten, an welcher dieser hervorragend beteiligt war. 

Der Eindruck, den diese Enthüllungen auf das Gemüt eines Ferdinand 
Maria machen mussten, konnte nur ein ausserordentlicher sein. Ein Hof, 
der gerade auf die Wahrung des Geheimnisses so viel hielt, musste doppelt 
Anstoss nehmen. Nach solchen Nachrichten war man zweifellos fest ent¬ 
schlossen, die Absicht, mit der man sich längst getragen hatte, zu verwirklichen, 
Öxl kalt zu stellen. Und doch musste man sich eine Reserve auferlegen — 
in Rücksicht auf den Kaiserhof. Man Hess einige Wochen verstreichen, damit 
der Sturz Öxls der Öffentlichkeit gegenüber nicht als eine unmittelbare Folge 
seines Wiener Aufenthaltes erschien. Aus demselben Grunde, nicht aus 
Mangel an Beweisen, sah man später auch von einer strafrechtlichen Ver¬ 
folgung Öxls ab. 

Zunächst scheint man sich damit begnügt zu haben, Öxl im Sinne 
der Anregung Fürstenbergs durch ein von Barbier vermitteltes Schreiben 
abzuberufen; es müsste denn der Kanzler wirklich freiwillig nach Regensburg 
zurückgekehrt sein. Schon am 6. Dezember zeigte er der kurfürstlichen Re¬ 
gierung seine Ankunft in Regensburg und die Wiederaufnahme der Reichs¬ 
tagsgeschäfte an 56 ). 

Der Kurfürst willigte zunächst nicht bloss in die Fortführung der 
Gesandtschaftsgeschäfte, das Antwortschreiben vom 10. Dezember 1666 57 ) 
schien sogar in einem äusserlich gnädigen Ton gehalten zu sein: „Wir haben 
auf Deinen uns unterm 6. Dezember erstatteten Bericht gerne vernommen, 
wie Dir Deine zu Baden und Wien gebrauchte Bade- und andere Kur so wohl 
angeschlagen, dass Du mit göttlichem Beistand wieder zu guter Rekonvales¬ 
zenz und Kräften gekommen zu sein verspürst, solchem nach den 4. dieses 
Monats wiederum zu Regensburg angelangt und Deinen Verrichtungen allda 
wiederum abzuwarten erbietig bist. Gleichwie wir Dir nun zu Deiner er¬ 
langten Gesundheit Glück und langjährigen Bestand wünschen, also zweifeln 
wir hingegen auch nicht, Du werdest Dir eifrig angelegen sein lassen, was 
die Reichsgeschäfte zu unserem und des gemeinen Wesens Dienst erfordern.“ 
Und Öxl suchte dem Wortlaut des kurfürstlichen Handschreibens eine noch 
grössere Bedeutung zu unterlegen, als er thatsächlich gehabt hat: ,.Es hat 
mich meine zu Baden und Wien gebrauchte Kur nicht so fast an den Kräften 
meines Eeibes, als Euer kf. Dt den 10. dieses Monats an mich abgegangenes 
Schreiben an meinem sonst so äusserst mortifizierten Gemüt und bedrängter 
Seel erquickt und wirklich wiederum aufgerichtet, weil ich daraus zu meinem 

66 ) Ergiebt sich aus dem in der nächsten Anmerkung zitierten Antwortschreiben. 

ö7 ) M.St.A. K. schw. 174/11. 1666 Dez. ro, Kurfürst an ÖxU 

19 * 


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282 Michael Döberl 


höchsten Trost verspürt, dass Ew. kf. Dt mich aus der vor diesem gegen 
mich, Ihren armen, unwürdigsten Diener, getragenen gnädigen Affektion, will 
Gott auch aus damaligem guten Kredit und Vertrauen nicht ganz haben 
sinken lassen“ 38 ). 

In Wirklichkeit giugen die gnädigen Worte des kurfürstlichen Schrei¬ 
bens über den Charakter konventioneller Äusserlichkeit nicht hinaus. Lässt 
schon die krampfhafte Art, mit der sich Öxl an diese Äusserlichkeiten an- 
klammert, vermuten, dass er sich nicht sicher fühlt, so verrät sich diese 
Stimmung noch deutlicher in den Worten, die er anfügt: „Ich wünschte auf 
dieser Welt nichts, als dass Ew. kf. Dt gleich dem allmächtigen Gott in mein 
Herz sehen und mit Augen begreifen könnten, wie aufrichtig und treu 
ich es mit Deroselben bisher gemeint habe und wie redlich und ehrlich ich 
meinen schweren Pflichten gemäss in allen meinen Handlungen gegen Ew. 
kf. Dt verfahren bin, so würden gewiss meine widerwärtigen, ex iniusta 
vindicta, aemulatione et invidia hergeflossenen, unbegründeten Relationen und 
Delationen nicht so weit prävaliert haben. Welches ich aber dem allwissenden 
und allmächtigen Gott bis zur Zeit meiner ihm beliebigen Erlösung iu höchster 
Geduld heimstellen und Ew. kf. D 1 mit einem tiefsten Fussfall um Gottes- 
willen bitten thue, noch eine kleine Geduld mit mir zu haben und mich 
inzwischen durch uugerechte Verfolgung nicht ganz über einen Haufen 
werfen zu lassen. Der grundgütige Gott, welchen ich Tag und Nacht darum 
anrufe, wird Ew. kf. Dt hier zeitlich und dort ewig vergelten.“ So schrieb 
derjenige, der noch auf dem Rückwege von Wien nach Regensburg dem 
Fürsten Lobkowitz Werkzeuge in die Hand geliefert hatte gegen seine 
eigene Regierung, der noch von Linz aus gebeten hatte, die ihn kom¬ 
promittierenden Schriftstücke zu verbrennen. Für uns kann es nicht mehr 
zweifelhaft sein, was aus den zuletzt angeführten Zeilen Öxls spricht, ob die 
Angst vor ungerechter Verfolgung oder vielmehr das böse Gewissen, welches 
das drohende Strafgericht mit de- und wehmütigen Worten zu beschwören sucht. 
Jedenfalls sah Öxl trotz der in das Schreiben des Kurfürsten ein geflochtenen 
gnädigen Redensarten seine Stellung noch immer ernstlich gefährdet. Und 
darin musste ihn die Nachricht von der Einleitung des Untersuchungs- 
verfahrens gegen den geheimen Kanzleiregistrator W i d 1 erst recht bestärken. 
Überraschend kam also die wenige Wochen später hereinbrechende Katastrophe 
für Öxl gewiss nicht. 

Die Waldthurner Angelegenheit warf aber noch unmittelbar in die 
Wochen, da Öxl gestürzt wurde, ihre Schatten hinein. Im März 1667, wenige 
Tage nach der Ankunft Öxls in München, traf — eine merkwürdige Ver¬ 
kettung der Verhältnisse — ein Schreiben des Fürsten von Lobkowitz 
ein 31 '). Darin bat der kaiserliche Obersthofmeister für Waldthurn um Aus¬ 
stellung einer förmlichen, im Entwurf beigelegten Zessionsurkunde, unter Be¬ 
rufung auf ein ebenfalls beigeschlossenes, vom Kaiser inzwischen erwirktes 


ßH ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 1666. Dez. 13, Öxl au den Kurfürsten. 
Ö ' J ) Datiert 22. März 1667, Münchener Reichsarchiv. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 283 

instrumentum cessionis 00 ). Der Fürst hatte trotz der abfälligen Äusserungen 
über den Charakter Öxls in seinen Privatgeschäften den Weisungen des 
Kanzlers gehorsamste Folge geleistet; das Handschreiben an den Kurfürsten 
war ganz mit der Vorsicht abgefasst, wie sie Öxl empfohlen hatte, die beiden 
Urkunden aber, die kaiserliche Zessionsurkunde und der Entwurf der baye¬ 
rischen, waren nach den Konzepten Öxls niedergeschrieben. Ein Vergleich 
ergiebt das sofort. Unter den obwaltenden Verhältnissen, wie sich diese gerade 
infolge der Intrigen Öxls herausentwickelt hatten, musste der Kurfürst 
dem Gesuche willfahren, die von Lobkowitz übersandte Urkunde vollziehen 61 ), 
wie der Kaiser und König von Böhmen für sich und seine Erben den 
landeshoheitlichen Rechten über Waldthurn entsagen. Damit war für Kur¬ 
bayern die in dem Sclimidsehen Vermerke vorgesehene Möglichkeit, nach 
dem Tode Ferdinand Marias die Ansprüche auf die Landeshoheit über 
Waldthurn zu erneuern, abgeschnitten. Und in der That hat man bis zum 
Jahre 1799 baverischerseits nicht mehr daran gedacht, solche Rechte geltend 
zu machen. 

Öxl hatte ausdrücklich auch aus dem Grunde Vorsicht empfohlen, 
damit er nicht „in Verdacht und mithin in grosses Unglück gerate“. Freilich 
dieser Zweck wurde trotz aller Mahnungen Öxls nicht erreicht. Dass man 
ungeachtet aller Vorsicht am bayerischen Hofe den Zusammenhang wohl er¬ 
fasste, in dem Gesuche des Fürsten Lobkowitz eine Wirkung der Iutrigue 
Öxls erkannte, kann nach den der bayerischen Regierung gewordenen Mit¬ 
teilungen nicht mehr zweifelhaft sein. Gerade dieses Eintreffen des Lobkowitz - 
sehen Gauches musste, wenn der Kurfürst überhaupt noch schwankend ge¬ 
wesen wäre, die letzten Bedenken gegen die Entlassung Öxls überwinden, 
die Krisis abkürzen. Der Kurfürst, der vor der Reise nach Italien stand, 
musste fürchten, dass Öxl während seiner Abwesenheit sein Intriguenwerk 
erst recht fortsetze. Und doch kannte der Kurfürst noch nicht das Schlimmste, 
das Beleidigendste, das ihm persönlich widerfahren war. Wie möchte wohl 
Ferdinand Maria, der von seiner hoheitsvollen Stellung mehr als andere 
durchdrungen war, aufgebraust sein, wenn er gewusst hätte, was wir wissen: 
dass er mit jener Urkunde, durch welche er für sich und seine Erben jede 
Handhabe gegen Waldthurn und zugleich jede Aussicht auf Kompensation 
preisgab, ein Schriftstück vollzog, dessen Konzept von der Hand seines 
Kanzlers stammte! 


Aus diesen Verhältnissen heraus hatten sich die Ereignisse des Monats 
März und April 1667 vollzogen. Das unsichere Verhalten Öxls unmittelbar 
vor dem Sturze, von dem Eintreffen des Zitationsschreibeus bis zur Ankunft 
in München, ist nicht geeignet, ihn zu entlasten, war zum mindesten zwei¬ 
deutig ; ich folge hier der Zeugenaussage des Privatsekretärs Öxls, 

00 ) Datiert 15. März 1667. Ebenda. 

öl ) Die Urkunde ist vom 15. April 1667 datiert. Ebenda. 


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284 


Michael DÖberl 


Rottkäpl 62 ), dessen Glaubwürdigkeit wir bereits an einer wichtigen Stelle 
erprobt haben, und der gerade hier mit thatsächlichem Material aufwartet und 
in scharfer, auschaulicher Weise eine Darstellung der Vorgänge giebt. Öxl 
liess sogleich von dem Zitationsschreiben eine Abschrift herstellen und über¬ 
schickte diese nebst einem Handschreiben an den Kaiser. Er liess in seinem 
Beisein durch Rottkäpl und einen gewissen Georg Junginger Akten, 
die, offenbar in der Befürchtung unlieber Überraschungen, schon früher bei¬ 
seite gelegt worden waren, versiegeln und in drei Koffer verpacken und diese 
Koffer in der Nacht vor seiner Abreise in das Quartier seines Schwieger¬ 
sohnes Scherer schaffen. Er äusserte gegen Rottkäpl zu verschiedenen 
Malen die Besorgnis, es möchte während seiner Münchener Reise der 
bayerische Gesandte am Regensburger Reichstage, der geheime Rat Franz 
von Mayr, auf allerhöchsten Befehl eine Haussuchung und eine Visitation 
seiner Akten vornehmen. Wie er auf seiner Reise von Regensburg nach 
München am Mittag des 19. März das Jesuitenkollegium zu Biburg pas¬ 
sierte und hier einen Brief des Münchener Rektors eingehändigt erhielt, 
welcher ihm die Einkehr in das Kloster in höflicher, aber bestimmter Form 
versagte, da verlor er, der sich bereits wie einen Pestkranken gemieden sah, 
vollends alle Ruhe und Sicherheit, äusserte gegen seine Umgebung die Be¬ 
fürchtung, er möchte in München in Arrest genommen werden, und schickte 
einen Teil der Akten und Briefe, die er in einem Reisekoffer und dem Kanzlei¬ 
sack noch mit sich führte, durch einen Boten, Namens Schönhäusl, in 
dessen Kleidern sie eingenäht wurden, an seinen Schwiegersohn nach Regens¬ 
burg. Als er zu Greinegg, vier Meilen von München, das letzte Nachtlager 
genommen hatte, sandte er den Kanzleisack selbst mit weiteren Akten und 
Schreiben durch einen anderen Boten, Georg Puecher, versiegelt an den¬ 
selben Scherer. Während seines Münchener Aufenhaltes endlich unterwarf 
er den Rest der Akten, die er mit sich geführt, einer neuen Prüfung und 
sandte dann eine vierte Serie an seinen Tochtermanu, diesmal durch den 
Boten Hans Händler, Salzträger aus Stadtamhof, wieder in dessen Kleider 
eingenäht. 

* 

Das Verhalten, welches Öxl nach seinem Sturze an den Tag legte, 
ist wiederum nicht geeignet, ihn zu entlasten. Kaspar von Schmid, 
dem bekanntlich in den Anfängen Max Emanuels ein ähnliches Schicksal 
zu teil wurde, wie Öxl, hat nach seinem Sturze sein „otium Bellofontanum“ 63 ) 
benützt, um den berühmten Kommentar zum Codex Maximilianeus zu schreiben, 
um der Regierung von Zeit zu Zeit mit Gutachten an die Hand zu gehen. 
Fürst Auersperg hat nach seinem Sturze wenigstens das ihm auferlegte 
Stillschweigen redlich gehalten und sich dadurch die Achtung seines kaiserlichen 
Herrn wieder in etwas verdient. Öxl dagegen ging noch im Oktober 1667, 
nach einem kurzen Aufenthalte in Regensburg, nach Wien, pflog die 

61 ) Aktenstücke Nr. 14. 

® 8 ) Auf seiner Hofmark Schönbrunn bei Dachau. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 285 


intimsten Beziehungen zu der Wieuer Hofburg, gab — der Verdacht liegt 
wenigstens sehr nahe — die intimsten Staatsgeheimnisse seines Hofes preis. 
Das war zu einer Zeit, da infolge der bayerischen Politik im Devolutions¬ 
kriege die gespanntesten Beziehungen zwischen Wien und München bestanden, 
da bereits Aktenstücke mit der Hand am Degengriffe gewechselt wurden 64 ). 

Von Wien aus richtete Öxl am 10. Dezember 1667 ein Supplikations¬ 
schreiben nach München um Auszahlung seines Gehaltes; er habe nur die 
beiden ersten Quartale vom Hofzahlamt empfangen, die Quartale Michaeli und 
Weihnachten stünden noch aus 65 ). Vierzehn Tage später erfuhr eine Vor¬ 
stellung des Kurfürsten von Bayern beim Kaiser wegen dessen Haltung im 
Devolutionskriege eine scharfe Abweisung, in einer Sprache, wie sie deutlicher 
selten von Wien nach Müuchen gerichtet worden ist 66 ). Ungefähr um die¬ 
selbe Zeit traf in München die Nachricht ein, dass Öxl ein Werk unter den 
Händen habe, an welchem täglich an acht Schreiber arbeiteten 67 ). Es war, 
wie es scheint, eine Verwechslung mit der Historia Leopoldi des Gualdo 
Priorato; es besteht nämlich Grund zu der Annahme, dass Öxl während seines 
Wiener Aufenthaltes dem kaiserlichen Hofhistoriographen den Stoff zu dem 
Bayern arg kompromittierenden und später auf bayerische Veranlassung unter¬ 
drückten Teil seines Werkes geliefert hat 67 *). Unter dem frischen Eindruck 
der kaiserlichen Note und des Wiener Avisos entschloss sich die bayerische 
Regierung, dem Bittgesuche Öxls nicht stattzugeben, ihn vielmehr mit der 
Drohung der Gehaltssperre nach München zurückzurufen. „Da wir vernommen 
haben — so schrieb der Kabinetssekretär Huber am 3. Januar 1668 in aller¬ 
höchstem Aufträge an den bayerischen Residenten in Wieu, Dr. Stoiber er 68 ) 
—, dass Dein Schwiegervater, unser geheimer Ratskanzler Ö x 1 , sich zu Wien 
aufhalte, so hast Du ihm zu bedeuten, dass wir nicht gedenken, die demselben 
auf Lebenszeit bewilligte Besoldung ausser Landes ausfolgen zu lassen, zumal 
wir ihm diese darum bewilligt haben, dass er uns noch verpflichtet bleibe, 
auch nötigenfalls mit Information an die Hand gehe, nicht aber, damit er die¬ 
selbe anderwärts, wo er uus mehr schädlich als nützlich ist, ver¬ 
zehre.“ Bevor noch Öxl darauf erwidert hatte, wurde von berufener Seite 
in München ein vorsichtigerer Weg ausfindig gemacht, um den kurbayerischen 
Kanzler vom Kaiserhofe zu entfernen, gingÖxl unterm 24. Februar 6 ^ durch 
Vermittelung desselben Stoiberer ein kurfürstlicher Befehl zu, innerhalb 
vierzehn Tagen nach Empfangnahme des Schreibens sich in München ein¬ 
zufinden, da hochwichtige Gegenstände zur Beratung stünden, wobei mau 
seiner in Person vonnöten habe. 

**) Döberl, Bayerns Anschluss etc. S. 293 ff. 

ÖÄ ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 

*•) Döberl a. a. O. 365 f. 

° 7 ) Ergiebt sich indirekt aus Aktenstücken Nr. 13. 

ö7 «) Vgl. Anni. 15. P^benso Döberl a. a. O. 45. Ich werde iu diesen Blättern 
den von mir aufgefundenen ursprünglichen Text in einer besonderen Monographie „Die 
bayerische Kaiserwahlpolitik 1657/58“ publizieren. 

ü<< ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 

6V ) Ebenda. 


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286 


Michael Döberl 


Auf diese ihm übermittelten Zitationsschreiben entgegnete Öxl am 
12. März 1668 70 ) von Wiener Neustadt aus, wo damals das kaiserliche Hof¬ 
lager weilte, an Stoiberer, er möge einstweilen dem Kurfürsten berichten, 
dass er unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht erscheinen könne; die 
Bedenken, die er gegen die Reise habe, w T erde er dem Kurfürsten selbst um¬ 
ständlich berichten, er sei bereits mit der Abfassung des Entschuldigungs¬ 
schreibens beschäftigt, könne aber wegen seiner Unpässlichkeit und der reif¬ 
lichen Überlegung, die jenes erfordere, nicht so schnell damit zu Ende kommen. 
„Kein Mensch“, fügt er in einem Postskriptum hinzu, „der von der Citation, 
die vor einem Jahre unter dem gleichen Vorwände erfolgt ist, und von dem 
gegen mich eingeschlagenen Verfahren Kenntnis hat, rät mir zu dieser Reise. 
Meine unchristlichen malevoli thuu bei ihrer kf. D* totaliter praevalieren, und 
ich armer, unschuldiger Tropf würde weder gehört noch weniger verteidigt 
werden.“ 

Öxl hat später 71 ) seine Weigerung, sich in München zu stellen, unter 
anderm damit entschuldigt, dass ihn der kaiserliche Prinzipalkommissär am 
Regensburger Reichstage, der Erzbischof Guidobald von Salzburg, davor 
gewarnt habe, und legte zum Beweise hiefür ein Schreiben seines in Regens¬ 
burg in kaiserlichen Diensten stehenden Schwiegersohnes Johann Scherer vom 
4. März 1668 72 ) vor. Laut dieses Briefes behielt der Erzbischof den Scherer nach 
einer Tafel bei sich zurück, setzte ihn von den beiden gegen seinen Schwieger¬ 
vater gerichteten letzten Erlassen der bayerischen Regierung in Kenntnis und 
forderte ihn auf, Öxl vor einer Rückkehr nach München unter den gegen¬ 
wärtigen Verhältnissen zu warnen; er wolle ihn durch seinen Vertreter in 
Wien, Buchholz, ebenfalls warnen lassen. Öxl müsse wissen, dass die¬ 
jenigen, welche augenblicklich am kurbayerischen Hofe alles nach Belieben 
regieren, die vornehmsten sein würden, welche zur Festnahme seiner Person alle 
erdenklichen Anschläge machen würden. Im günstigsten Falle werde ihm die 
Stadt München auf Lebenszeit zum Zwangsaufenthalt angewiesen, viel wahrschein¬ 
licher aber werde er an einen wohlverwahrten, ausser dem Verkehr gelegenen 
Ort in Personalhaft gebracht werden. Wenn er dem Schwiegervater als ein treuer 
und aufrichtiger Freund einen Rat erteilen dürfe, so möge er der Zitation 
nicht Folge leisten, eher hundert Entschuldigungen suchen, nötigenfalls eher 
alles fahren lassen, als sich seiner Freiheit begeben. Von dieser Unterredung 
setzte Johannes Scherer den Schwiegervater in dem erwähnten Schreiben vom 
4. März in Kenntnis. Auch er warnt Öxl vor einer Rückkehr nach München 
und führt zur Bekräftigung eine Stelle aus Justus Lipsius an: „Consentiunt 
reges, quicunque sub iis res magnas gessere, ad extremum aut in offensa aut in 
exigua gratia fuisse“, und belegt diesen Satz mit Beispielen aus der Geschichte, 
die demselben Lipsius entnommen sind. „Wenn ich an den unversöhnlichen 
Hass der Fürstenberger gedenke und das Verfahren erwäge, das man 
gegen den Herrn Vater in Anwendung gebracht, wie man ihn nicht mehr 

70 ) Ebenda. 

71 ) Aktenstücke Nr. 15. 

n ) Aktenstücke Nr. 11. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


287 


leiden und dulden, ja sehen wollen, und schaue, was jetzt darauf folgt, so 
schliesse ich bei mir, dass seine Gegner zum öftern müsse gereut haben, dass 
sie sich seiner nicht versichert und ihn haben entwischen lassen.“ Und dieses 
Schreiben schloss Scherer der Briefsendung an den österreichischen Hof¬ 
kanzler Hocher bei — ein Beweis, in welch nahen Beziehungen Öxl und 
seine Familie zu den Wiener Regierungskreisen standen. 

Am 13. April 1668 sandte Öxl den angekündigten Brief 73 ) an den 
Kurfürsten ab, in welchem er in der brüskesten Form, unter den beissendsten 
Bemerkungen gegen die Münchener Minister, auf seinen Gehalt, auf seinen 
Titel, auf alle sonstigen Gnaden verzichtete, weil er nicht gewillt sei, solche 
in den kurbayerischen Landen zu geniesseu. Den Beweis für seine Unschuld 
dagegen verspart er auf einen günstigeren Zeitpunkt, der thatsächlich nie¬ 
mals eingetreten ist. „Davon, dass ich Euer kf. Dt noch verpflichtet bleiben, 
nötigenfalls mit Information an die Hand gehen und die Besoldung nicht 
ausser Landes verzehren solle, ist weder in dem kurfürstlichen Dekret noch 
in meinem Revers mit einem Worte die Rede. Im Gegenteil bin ich meiner 
Pflichten und Dienste ausdrücklich enthoben worden. Besoldung und Titel 
aber sind mir nicht darum gewährt, dass ich Euer kf. Dt noch weiters ver¬ 
pflichtet bleibe, auch nicht aus blosser Gnade, sondern für geleistete Dienste. 
Den wirklich daran geknüpften Bedingungen bin ich bisher aufrichtig, ehrlich, 
redlich und getreu nachgekommen. Mit der Anklage, als sollte ich Euer kf. Dt 
anderwärts mehr schädlich als nützlich sein, geschieht mir vor Gott und der 
Welt das grösste, vor seiner göttlichen Majestät nimmermehr zu verantwortende 
Unrecht. Ich könnte mit vielen Umständen und Zeugnissen die Unwahrheit 
derselben sofort erweisen, will aber die Widerlegung dieser wie der früheren 
Anklagen auf eine gelegenere Zeit verspareu. Ich habe mich lediglich 
meiner Gesundheit halber hieher begeben.“ Was aber die Forderung betreffe, 
den Gehalt innerhalb des Landes zu verzehren, so widerspreche dem die 
thatsächliche Praxis. „Ich hätte auch die Bedingung, die Besoldung nur 
innerhalb des Landes zu gemessen, niemals eingegangen, sondern eher 
alles verlassen; denn ich habe vornehmlich deshalb um meine Entlassung 
gebeten, um der Verfolgungen meiner Feinde los zu werden und mir ander¬ 
wärts Ruhe und Sicherheit zu verschaffen. Da nun der Kurfürst nicht 
gedenkt, mir die Besoldung ausser Landes ausfolgen zu lassen, ich .aber 
weder früher noch jetzt den Gedanken habe, solche in seinen Landen zu 
verzehren, also will mir nicht gebühren, dem Kurfürsten wider seinen 
Willen etwas zuzumutten. Wie ich also früher freiwillig meine Stelle quit¬ 
tiert habe, so verzichte ich jetzt auch freiwillig auf meinen Gehalt. Und da¬ 
mit meine Gegner ein volles Vergnügen erlangen, begebe ich mich zugleich 
des geheimen Ratskanzlertitels wie der Edelmannsfreiheit.“ Und nun schildert 
er den eigentlichen Anlass, weshalb er der Zitation nicht Folge geleistet, das 
Verfahren, das man vor einem Jahre bei seiner Entlassung gegen ihn ein¬ 
geschlagen. Aus dieser Erfahrung schliesse er, dass auch die jetzige Zitation 

7S ) Aktenstücke Nr. 12. 


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288 Michael Döberl 

dem Kurfürsten von seinen Widersachern nur darum eingeraten worden sei, 
dass sie ihn wiederum unter ihre Presse bringen und ihm vollends die Seele aus 
dem Leibe drucken, also durch seinen Tod oder doch gänzlichen Ruin ihre 
ehrgeizigen Absichten auf Beförderung desto geschwinder erreichen möchten. 
„Meine Verfolger haben mit ihren unbegründeten Anklagen und erdichteten 
Verleumdungen E. kf. D* derart wider mich eingenommen und verstrickt, dass 
es scheint, E. kf. Dt könnten sich selbst nicht mehr daraus loslösen.“ Der 
Grund ihrer Verfolgungen sei vindicta, aemulatio et invidia und reiche zurück 
bis auf den Frankfurter Wahltag, und doch habe er sich ihren Unwillen nur 
in Vollziehung des kurfürstlichen Willens zugezogen. „Isti inimici mei adhuc 
vivunt et confirmati sunt super me et multiplicati sunt, qui oderunt me 
inique.“ Der Eindruck dieses Schriftstückes konnte nicht abgeschwächt werden, 
der Charakter des Verfassers in keinem milderen Lichte erscheinen, wenn dem 
so scharf abgefassten Schreiben ganz in Öxlscher Manier eine de- und weh¬ 
mütige Nachschrift folgte: „Mein betrübter, elender und verwirrter Zustand 
macht mir meinen Verstand dermassen perplex, dass ich fast nichts thun und, 
was ich wirklich thue, nicht recht beurteilen kann.“ „Wofern etwa E. kf. D* 
dafür halten sollten, dass ich in dem einen oder anderen Punkt etwas zu 
schroff herausgegangen wäre, so mögen Dieselbe erwägen, dass nicht das 
Geringste wider E. kf. Dt, sondern alles allein wider meine Verfolger, die an 
meinem Unglück auch allein schuld sind, gemeint sei.“ 

So schrieb derjenige, der noch vor kurzem den salbungsvollen Aus¬ 
spruch gethan, er werde alles mit Geduld über sich ergehen lassen! Mit 
solcher Entrüstung warf derjenige die kurfürstlichen Gnadenerweise seinem 
Herrn vor die Füsse, der erwiesenermassen sein Gewissen nicht rein wusste! 
Und dieses Schreiben machte vor seinem Abgang die Runde beim Kaiser 
und den kaiserlichen Ministern; nach seinem eigenen späteren Geständnisse 74 ) 
legte es Öxl dem kaiserlichen Obersthofmeister Lobkowitz, dem kaiser¬ 
lichen Hofkanzler Hoch er, dem kaiserlichen Beichtvater P. Miller vor. 

Fast gleichzeitig mit dieser schriftlichen Kraftleistung Öxls traf von 
Wien von befreundeter Seite her ein vertrauliches Schreiben 70 ) ein, welches 
auf eine Anfrage vom 30. März über den Aufenthalt Öxls in Wien folgende 
Mitteilungen machte: Der Kanzler sei im Oktober des verflossenen Jahres in 
Wien eingetroffen. Die Nachricht, dass er mit acht Schreibern an einem Werke 
arbeite, bestätige sich zwar nicht — er habe, solange er in Wien gewesen, 
nicht mehr als seinen gewohnten Schreiber gehalten —, wohl aber habe er 
sich über seinen Sturz in den offiziellen Kreisen Wiens dahin geäussert, 
seine Entlassung habe ihre Ursache in dem Umstande, dass er sich mit 
Hermann von Fürstenberg nicht habe vertragen können, und der vor¬ 
nehmste Grund hiefür sei der gewesen, dass er in dem Streite einer gewissen 
Nation, mit anderen Worten Frankreichs, mit dem Hause Österreich seiner 
Politik nicht habe zustimmen wollen; auf Anstiften seiner Verfolger sei er 
beim Kurfürsten derart in Ungnade gefallen, dass ihm dieser trotz fünfmaligen 

74 ) Aktenstücke Nr. 15. 

76 ) Aktenstücke Nr. 13. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


289 


Nachsuchens die Audienz versagt habe. Aus derselben Zuschrift erfuhr man, 
dass Öxl keineswegs zum Kurgebrauch nach Baden, sondern von Regens¬ 
burg nach Wien gereist und nach dem Brande in der Hofburg mit dem kaiser¬ 
lichen Hoflager nach Wiener Neustadt übergesiedelt sei und dort noch ver¬ 
weile, dass er wiederholt im tiefsten Geheimnis zur Audienz berufen, dass nur 
drei Personen in den Gegenstand dieser Konferenzen eingeweiht seien. Und 
diese Zuschrift aus Wien musste am bayerischen Hof vollen Glauben erwecken, 
nicht bloss wegen ihrer Herkunft, sondern auch wegen ihres materiellen In¬ 
halts, der sich teils mit den dem bayerischen Hofe bekannten Thatsachen, 
teils mit gleichzeitigen und späteren Äusserungen Öxls deckte. 

In den Münchener Regierungskreisen fürchtete man, Öxl habe einen 
Teil der Akten zurückbehalten und nach Wien verbracht. Der bayerische 
Gesandte am Regensburger Reichstag, Franz von Mayr, erhielt daher den 
Auftrag, die ehemaligen Schreiber Öxls in das Verhör zu nehmen. Das Er¬ 
gebnis dieser Voruntersuchung veranlasste den Gesandten, die Zitation des 
einen dieser Schreiber, der das reichste Material bieten konnte, des uns bereits 
bekannt gewordenen Johann Rottkäpl, nach München zu bewirken 76 ). 
Hier machte Rottkäpl die mitgeteilten Aussagen 77 ) über das Verhalten 
Öxls unmittelbar vor seinem Sturze und dazu fügte er folgende weitere Er¬ 
öffnungen: Nach seiner Rückkehr von München nach Regensburg habe Öxl 
durch ihn, Rottkäpl, von den beiden Brandenburger Gesandten, Mahren - 
holz und Jena, zwei Aktenstücke abholen und hierauf kopieren lassen, ein 
Wahlkapitulationsprojekt mit den monita der protestierenden Fürsten am 
Rande und das Protokoll der Verhandlungen über dasselbe, welche seines 
Erinuerus im Januar oder Februar 1667 im Nebenzimmer Öxls stattgefunden 
hätten. Diese Kopien habe der Kanzler nebst einem Handschreiben an den 
Kaiser überschickt und an den bayerischen Residenten in Wien, seinen 
Schwiegersohn Dr. Stoib er er, adressiert. Da sich Stoiber er derartige 
Zusendungen für die Zukunft verbeten habe, habe sich Öxl späterhin für die 
nach Wien bestimmten Schriftstücke der Vermittelung des Vizerektors des 
Jesuitenkollegiums in Regensburg, des P. Hilz, bedient. Dieser habe sie in 
die Schriftsendungen des Jesuitenkollegiums ein geschlossen und dem kaiser¬ 
lichen Beichtvater P. Miller nach Wien übersandt. So viel er, Rottkäpl, 
gesehen und von anderen vernommen, habe dem Kanzler Öxl der kaiserliche 
Prinzipalkommissär am Regensburger Reichstag, Erzbischof Guidobald von 
Salzburg, von allen Berichten der kaiserlichen Gesandtschaft in Regensburg 
wie auch von seinen Handschreiben an den Kaiser Abschriften durch den 
Salzburger Gesandten in Wien, Buchholz, auch zuweilen Geldsendungen 
zukommen lassen. Welche Akten Öxl von Regensburg mit sich nach Wien 

genommen, könne er nicht wissen, weil er zur Zeit der Abreise Öxls noch 

in München gewesen sei. So viel er von einer Person, die mit ihm gereist 

sei, gehört, habe er nur die grosse Truhe mit Akten hinabgenommen, es 

76 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. Regensburg 1668 April 19, Franz 
v. Mayr an Kaspar Schmid. 

77 ) Aktenstücke Nr. 14. 


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Michael Döberl 


290 


müsste denn sein, dass die Frau Öxls, welche ihrem Manne um Martini 
nach Wien gefolgt, weitere Akten mit sich geführt hätte. 

Zur Zeit, als das Resignationsschreiben. abging, rechnete Öxl mit un¬ 
fehlbarer Sicherheit auf eine Anstellung in kaiserlichen oder salzburgischen 
Diensten. Nur so erklärt sich sein barsches und brüskes Auftreten, die 
Leichtigkeit, mit der er seine ganze wirtschaftliche Existenz aufs Spiel setzte. 
Als aber der Erzbischof von Salzburg starb und auch der Wiener Hof immer 
deutlicher zu erkennen gab, dass man „zwar die Spione anhöre, aber für ihre 
Person seien sie darum nicht desto lieber“, als sich nach dem Aachener Frieden 
der Gegensatz zwischen Bayern und Österreich zu mildern schien, vorüber¬ 
gehend sogar der Gedanke einer katholischen Union auftauchte, welche Frank¬ 
reich, den Kaiser, Bayern in sich schliessen sollte 77 *), da brachte es Öxl über 
sich, an denselben Hof, den er gerade ein Jahr vorher so sehr provoziert 
hatte, am 24. April 1669 in der de- und wehmütigsten Form zu schreiben: 78 ) 
Er habe mit höchst betrübtem Gemüt vernommen, dass sein vor einem Jahre 
abgelassenes Entschuldigungsschreiben zu allerhöchstem Missfallen aufgenommen 
worden sei. Er könne vor dem allwissenden Gott mit reinem Gewissen be¬ 
zeugen, dass ihm niemals ins Herz und in die Gedanken gekommen, den 
Kurfürsten damit ungeziemender Weise anzugreifen oder seine Handlungen 
zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn er in seiner damaligen Gemütsverfassung 
hätte urteilen können, dass es einen solchen Ausschlag nehmen würde, hätte 
er lieber alle Beschwerlichkeiten erlitten, als dem Kurfürsten zu solchem Wider¬ 
willen Ursache gegeben. Er habe um so weniger an diese Möglichkeit ge¬ 
dacht, als es der Kaiser selbst nicht so verstanden. Was sich etwa gegen den 
schuldigen Respekt eingeschlichen habe, sei lediglich seiner Gemütsverwirrung 
und „anderen beigebrachten ungleichen Berichten“ zuzuschreiben. Er hoffe, 
das Resignationsschreiben werde um so weniger Bedenken verursachen, weil 
es ausser dem Kaiser, dessen Beichtvater, dem Hofkanzler H ocher, dem 
Fürsten Lobkowitz niemand unter die Augen gekommen sei. Derselbe 
Mann, der es früher verschmäht hatte, sein Gehalt in Bayern zu verzehren, 
dagegen in den überschwänglichsten Worten des habsburgischen Staates ge¬ 
dacht hatte, fand jetzt plötzlich, dass er in Österreich quasi in exilio gelebt, 
schob die Schuld für jenes Schreiben leichten Herzens auf denjenigen, der sich 
seiner am meisten angenommen, auf den Erzbischof von Salzburg — auf 
grund seiner Warnung hätten der Kaiser, der kaiserliche Beichtvater und 
Hoch er seine Rückkehr nach München für gefährlich erklärt —, bat um 
der Liebe Christi und Mariä willen ihm zu verzeihen und ihn die früher ver¬ 
liehenen Gnaden geniessen zu lassen, beschwor nicht bloss den kurfürstlichen 
Beichtvater Dr. Manzin und den Oberstkämmerer Haslang um ihre Verwen¬ 
dung, sondern schrieb selbst in den demütigsten Worten an Schmi d und Für¬ 
stenberg, erinnerte letzteren an die früher zu ihm getragene gnädige Affek¬ 
tion und versprach, ihm und seiner Familie fortan seine Dienste zu weihen 79 ) 
--- 

77ä ) Döberl a. a. O. 399 ff. 

78 ) Aktenstücke Nr. 15. 

79 ) Die Schreiben Öxls an Manzin, Haslang und Fürstenberg, alle 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 291 


Spricht das Verhalten Öxls nach seiner Entlassung gegen ihn, so 
spricht das Verhalten des bayerischen Hofes nach den ÖxIschen Provo¬ 
kationen für diesen. Nirgends empfängt man den Eindruck einer blinden 
Verfolgungswut. Schon am 1. Mai 1669 bewilligte der Kurfürst Dr. Johann 
Georg Öxl einen jährlichen Gnaden gehalt von 1000 Gulden 79 *) und wies ihm 
als Aufenthaltsort nicht eine bayerische Landstadt, sondern die Reichsstadt Augs¬ 
burg an 80 ), ein Beweis, dass man Öxl nicht in seiner wirtschaftlichen Exi¬ 
stenz vernichten, dass man sich nicht einmal seiner Person versichern wollte. 
Allerdings wurde an den Gnadenakt die Bedingung geknüpft, dass Öxl nach 
dem Wortlaut seines früheren Reverses in keinen anderen Dienst trete, dass 
er sich von Augsburg nicht entferne und dem bayerischen Hofe, wenn er 
seiner Dienste bedürfe, zur Verfügung stelle und darüber einen neuen Revers 
unterschreibe. Auch wurde in dem Dekret ausdrücklich konstatiert, dass man 
der in dem Resignationsschreiben vom 13. April 1668 gegen den bayerischen 
Hof erhobenen schweren Beschuldigungen keineswegs vergessen habe und 
nur zu gut wisse, was Öxl während seines Wiener Aufenthaltes unter Ver¬ 
letzung des von ihm ausgestellten Reverses dem kurfürstlichen Interesse zu¬ 
widergehandelt habe; der Gnadenerweis sei lediglich geschehen in Erinnerung 
der früheren von Öxl dem Kurfürsten und dem Kurhaus geleisteten guten 
Dienste. Vor das Antlitz des Kurfürsten ist Öxl nicht mehr gekommeu; so 
sehr war dieser nach wie vor von seiner Schuld überzeugt. 

Das kurfürstliche Dekret wurde Öxl erst am 13. Mai eingehändigt. 
Noch am nämlichen Tage brach er von Straubing auf, fuhr auf der Donau 
zunächst nach Regensburg, wo er noch einen Teil seines Mobiliars stehen 
hatte, setzte dann auf derselben Wasserstrasse seine Reise bis Don au wörth fort 
und gelangte auf dem Landwege im Laufe des Monats Juni nach Augsburg. 

Hier, in einer Umgebung, welche die besseren Tage des Exkanzlers 
nicht gesehen, welche keinen feindlichen Stachel bei ihm hinterlassen hatte, 
unter finanziellen Verhältnissen, welche bei einiger Bescheidung ein aus¬ 
reichendes Auskommen sicherten, konnte man erwarten, dass Öxl Zeit und 
Stimmung finden werde, um sich mit Würde entweder endgiltig in die neue 
Lage zu fügen oder wenigstens ein Interim zu gewinnen. Statt dessen be¬ 
ginnt schon nach wenigen Wochen das alte Lamento Öxls aufs neue. Er 
könne keine entsprechende Wohnung ausfindig machen, müsse sich mit einem 
engen und schlechten Quartier bei einer Witwe begnügen; der Stadtmagistrat 
wolle ihn nur unter der Bedingung dulden, dass er sich unter seinen Schutz 
begebe, mit dem Steueramte über ein jährliches Schutzgeld vergleiche und zur 
Bezahlung des „im ganzen römischen Reich unerhört gesteigerten Wein- und 
Biergeldes, welches oftmals den Wert des erkauften Trunkes selbst übersteige“, 
bereit erkläre. Das klagte Öxl der kurfürstlichen Regierung in einem Schreiben 

drei vom 24. April, sind erhalten im Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten, das 
Schreiben an Schmid ergiebt sich aus Aktenstück Nr. 15. 

70ä ) Der Jahresgehalt des Kanzlers hatte ohne die Nebenbezüge 1200 Gulden betragen 

80 ) Aktenstücke Nr. 17. 


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292 


Michael Döberl 


vom 22. Juli 1669 81 ) und fügte hinzu, er wisse nicht, „ob es des Kurfürsten 
eigentlicher Wille und Meinung sei, dass er sich in einen anderen als den 
kurfürstlichen Schutz begebe und der Stadtjurisdiktion soweit unterwerfe, dass 
er derselben gleichsam als ein gemeiner Bürger und Unterthan verbunden 
sein solle, ob es nicht etwa auch den zwischen Bayern und Augsburg auf¬ 
gerichteten Verträgen zuwider sein möchte“. Gerade diese Worte verraten, 
dass sich Öxl in Augstiurg von Anfang an nicht wohl fühlte, dass er von 
Anfang au über die Zuweisung dieses Aufenthaltsortes wenig erfreut war. 
Derselbe Öxl, der früher mit aller Bestimmtheit erklärt hatte, er werde um 
keinen Preis die Pension in Bayern verzehren, er wolle lieber alles opfern, 
scheint jetzt Verlangen nach Bayern getragen zu haben. Regensburg, wo die 
diplomatische Welt Deutschlands versammelt war, wo er sich hinter den 
Kulissen ein neues Arbeitsfeld eröffnen konnte, hätte ihm wohl noch mehr 
zugesagt; doch daran konnte er aus begreiflichen Gründen nicht denken. 

Zur Ordnung seiner Aufenthaltsangelegenheit bat Öxl um die kurfürst¬ 
liche Erlaubnis, sich auf einige Tage nach München begeben zu dürfen. Er 
fügte zur Unterstützung seines Gesuches hinzu, er könne so dem Kurfürsten 
in der diesem übertragenen Exekutionskommission gegen den Propst von Wetten - 
hausen mit der gewünschten Information leichter an die Hand gehen, er 
könne dem Kurfürsten die Satisfaktion, zu der es ihn längst gedrängt habe, 
leisten, er werde ihm im übrigen nicht im geringsten zur Last fallen. Am 
bayerischen Hofe mochte man gerade der letzteren Versicherung keinen Glauben 
schenken. Der Vizekanzler legte zwar das Gesuch dem Kurfürsten Ferdinand 
Maria vor, dieser aber liess am 1. August von Braunau aus durch den stell¬ 
vertretenden Kabinettssekretär Prielmayr schreiben 82 ), der Kurfürst trage 
aus gewissen Gründen augenblicklich noch Bedenken, Öxl die erbetene Er¬ 
laubnis zu erteilen, er habe sich bis auf weitere Resolution zu gedulden. Nach 
Ablauf zweier Monate wiederholte Öxl sein Gesuch 83 ); er hoffe, die früheren 
Bedenken seien inzwischen gefallen, ein längerer Aufenthalt in Augsburg unter 
den gegenwärtigen Verhältnissen, da er nicht wisse, wem er eigentlich zugehöre 
und wo er schliesslich zu bleiben habe, werde ihm über die Massen schwer. 
Jetzt wurde seinem Gesuche stattgegeben und ihm am 29. September die Er¬ 
laubnis erteilt 84 ), sich „seiner Geschäfte halber“ auf einen Monat nach München 
zu begeben. Es war zum erstenmal seit dem Frühjahr 1667, dass Öxl die 
bayerische Hauptstadt betrat. Der sanguinische Mann mochte seine Brust 
mit ausschweifenden Hoffnungen schwellen. Damals weilte ja derjenige, in 
dem er seinen Todfeind erblickte, Hermann Egon von Fürstenberg, 
fern von Münchens Mauern zu Zabern im Eisass, dem Sommersitze seines 
Bruders, des Bischofs Franz von Strassburg. Seine Stimmung wäre freilich 
sehr herabgedrückt worden, wenn er gewusst hätte, was sich damals in 
dem fürstbischöflichen Lustschlosse abspielte, dass damals die drei fürsten- 

81 ) Münchener Kreisarchiv, Öxl Personalakten. 

8 *) Ebenda. 

8S ) Ebenda. 1669 Sept. 25, Öxl an den Kurfürsten. 

M ) Ebenda. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


293 


bergischen Brüder im Verein mit dem französischen Vertreter am Regensburger 
Reichstage, Gravel, zusammensassen und über das dritte bayerisch - fran¬ 
zösische Allianzprojekt Beratung pflogen, jenen Entwurf, der wirklich zu dem 
seit Jahren angestrebten Ziele führen sollte 85 ). 

Der dem abwesenden Fürstenberger rangnächste Hof beamte Freiherr 
von Rechberg hatte in dem Signat vom 29. September den Zusatz für 
nötig erachtet: Öxl habe sich mit den 1000 Gulden Gnadengeldern zufrieden 
zu geben und den Kurfürteu während seiner Anwesenheit in München mit 
weiteren vergeblichen Gesuchen nicht zu behelligen. Trotzdem stellte Ö x 1 
in München die Bitte um volle Wiedereinsetzung in den Genuss dessen, 
was er vor seinem Resignationsschreiben besessen hatte, und wurde seinem 
Gesuche am 26. November soweit stattgegeben 86 ), dass ihm eine Zulage von 
200 Gulden und der geheime Ratskanzlertitel bewilligt wurde. Zugleich 
wurde ihm die bayerische Stadt Landsberg als Aufenthaltsort zugewiesen. Auf 
erneute Vorstellung 87 ), man möge ihm an Stelle Landsbergs Ingolstadt an¬ 
weisen, „damit er sein noch übriges Leben zur Ehre Gottes, zu seinem Seelen- 
heile und zur Erquickung seines Gemütes, auch zu des Kurfürsten rühmlichen 
und nützlichen Diensten unter tapferen, gelehrten und reputierlichen Leuten, 
unter welchen er fast die ganze Zeit seines Lebens zugebracht habe, be- 
schliessen könne“, wurde auch diese Bitte erfüllt 88 ). Diese Gnadenerweise 
erfolgten, wiewohl gerade im Herbst 1669 die bayerische Regierung durch 
den Wiener Residenten Stoiberer von dem Bayern arg kompromittierenden 
Inhalt der Historia Leopoldi des tJuaido Priorato Kenntnis erhielt. Sie er¬ 
folgten in Anwesenheit Hermanns von Fürstenberg, der inzwischen 
aus dem Eisass nach München zurück gekehrt war. 

Noch das Signat vom 26. November hatte Öxl ausdrücklich verboten, 
sich ausser Landes zu begeben. In Wirklichkeit ist jedoch dieses Verbot 
nicht strenge überwacht worden. Weilte ja der Kanzler schon zu Beginn des 
Jahres 1670 Wochen lang, angeblich in Privatgeschäften, in Regensburg, ohne 
dass er um Erlaubnis nachgesucht hätte. Die bayerische Regierung erhielt 
nur zufällig davon Kenntnis, gelegentlich der Nachfrage nach Illschwanger 
Pfarramtsakten 8i '). Nun Hess allerdings der Kurfürst dem Dr. Öxl durch den 
Vizekanzler Schmid den Befehl zukommen, er habe sich nach Ingolstadt 
zurückzubegeben. Aber ein Aufenthalt Öxls in Regensburg musste der 
bayerischen Regierung an sich schon verdächtig erscheinen, und damals doppelt 
bedenklich, weil Gravel eben von Regensburg zu den denkwürdigen Mün¬ 
chener Konferenzen u0 ) abgereist war, um hier den bayerisch - französischen 
Allianzvertrag in aller Form abzuschliessen, und gleichzeitig in Regensburg 
wichtige Verhandlungen in der Frage der Reichssekurität stattfanden, in welcher 

85 ) D ö b e r 1 a. a. O. 438 ff. 

M ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. 

87 ) Ebenda. 

88 ) Ebenda. 

8Ö ) Ebenda. 5. Febr. 1670. 

®°) D ö b e r 1 a. a. O. 447 ff. 


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Michael Döberl 


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die bayerischen und kaiserlichen Wege scharf einander kreuzten. Und selbst 
jetzt ist der Befehl in die mildere Form gekleidet, Öxl habe sich vor den 
Osterferien nach Ingolstadt zurückzubegeben. 

Öxl entschuldigte 91 ) seine Reise unter anderem mit einem Dekret des 
Herzogs von Württemberg, welcher ihm befohlen habe, innerhalb dreier Monate 
die Erben seiner Stiefmutter und andere angebliche Gläubiger, von denen er 
in Wirklichkeit keine Kenntnis habe, in ihren finanziellen Forderungen zu 
befriedigen, widrigenfalls er sie in Öxls württembergische, insbesondere bei 
Göppingen liegende Güter immittieren und einen ordentlichen Prozess gegen 
ihn eröffnen werde. Die Drohung — so fügt der ewig Verfolgte hinzu — 
geschehe wider Recht und Billigkeit, schreibe sich von dem Hasse her, welchen 
er sich mit seiner vor 42 Jahren erfolgten Konversion zugezogen habe. Er 
habe in Regensburg die Vermittelung des ihm verwandten und persönlich 
befreundeten württembergisehen Gesandten anrufen wollen; da derselbe ab¬ 
wesend war, sei er von einem Tag zum andern in der Reichsstadt hingehalten 
worden; der kurfürstliche Befehl aber habe ihn gezwungen, zuletzt unverrich¬ 
teter Sache abzuziehen. Er bat daher gleichzeitig um die Erlaubnis für eine 
Reise nach Württemberg zur Regelung seiner finanziellen Verhältnisse wie zum 
Besuche des Pollerbades bei Göppingen. Wiederum erteilte ihm die bayerische 
Regierung den hierzu nötigen Urlaub 92 ). 

Die Abwickelung der finanziellen Geschäfte in Württemberg scheint 
keinen günstigen Verlauf genommen zu haben. Wiederholt gedenkt Öxl in 
späteren Schriftstücken der Schäden, welche er- in Württemberg erlitten habe. 
Derselbe bekennt aber auch, dass seine Besitzverhältnisse daselbst seit den 
50 er Jahren in Verwirrung geraten waren. Er schiebt allerdings die Schuld 
hierfür dem kurfürstlichen Dienste zu, der ihn gezwungen habe, seine Privat¬ 
interessen „an den Nagel zu hängen“. Aber ökonomische Schwäche haben wir 
schon früher als einen dunklen Punkt im Leben Öxls erkannt. Im Mai 1671 
begegnet uns Öxl wiederum in München und hier entwirft er in einer Ein¬ 
gabe 93 ) an den Kurfürsten ein Jammerbild von seiner Lage. Er habe vor 
lauter Gram verschiedene schwere, darunter zwei tödliche Krankheiten aus¬ 
gestanden, er könne den Verlust seines Weibes, das sich über seine Ungnade 
und sein Unglück zu Tode gegrämt habe, nicht verschmerzen, fast alle seine 
Freunde und Gönner, ja seine eigenen Kinder und Schwiegersöhne hätten ihn 
verlassen, einige ihn sogar verfolgt, er sei um alles Ansehen bei hohen wie 
niederen Standespersonen gekommen, er habe 16000 Gulden, die er mit Ge¬ 
fahr des Leibes und des Lebens sich sauer erworben, eingebüsst, nicht zu 
gedenken der sonstigen Verluste, namentlich im Herzogtum Württemberg, 
er habe auf dieser Welt im Geistlichen wie im Weltlichen anfangen mögen, 
was nur immer er gewollt, überall sei ihm die Ungnade des Kurfürsten im 
Wege gestanden und habe ihn zu Boden geschlagen, dass er sich nicht habe 
rühren können. Und dieses Unheil stamme einzig und allein von dem Re- 

91 ) Münchener Kreisarchiv', Öxls Personalakten. 7. Mai 1670. 

Ebenda. 10. Mai 1670. 

us ) Aktenstücke Nr. 18. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 


295 


signationsschreiben des Jahres 1668 her; denn sonst sei er sich trotz fleissigster 
Erforschung seines Gewissens nichts bewusst, was er zum Schaden des Kur¬ 
fürsten verbrochen habe. Dieses Schreiben aber sei nur entstanden infolge 
schlechter Information, infolge eingejagten Schreckens, infolge Übereilung, er 
habe durch die geschilderten Leiden dasselbe reichlich abgebüsst. Wiederum 
klingt das Schreiben in die Bitte aus, der Kurfürst möchte ihn in den vollen 
Gnadenstand, wie er ihm am 13. April 1667 zudekretiert worden war, ein- 
setzen. Und wiederum hatte das Gesuch die Wirkung, dass dem Kanzler 
eine weitere Zulage von 300 Gulden gewährt wurde 94 ). 

In der nächsten Zeit hören wir von einer Fahrt Öxls nach Regens¬ 
burg. Er reiste zur Primiz seines jüngsten Sohnes Dr. Joseph Aloysius, 
canonicus domicellarius des Hochstifts Regensburg, um, wie er sich in der 
Eingabe 95 ) an den Kurfürsten ausdrückte, „unter seinem ersten sacrificio unsern 
Herrn und Heiland aus seinen priesterlichen Händen zu empfangen und 
darauf das „nunc dimittis servutn tuum, domine“ in seinem hohen Alter mit 
innerlichem Seelenfrieden zu Gott zu sprechen.“ Von Regensburg reiste er 
nach Straubing zur Vermählung seines mittleren Sohnes Franz Ignaz mit 
der Witwe des verstorbenen Stadtrichters in Straubing. Das sind aber auch 
die letzten erfreulichen Nachrichten. 

Der Kanzler bezog seit dem Mai 1671 eine Jahrespension von 1500 95 *) 
Gulden, bei dem damaligen Geldwert eine beträchtliche Summe. Trotzdem ver¬ 
schlimmerte sich in der nächsten Zeit die finanzielle Lage Öxls immer mehr, 
namentlich seitdem er mit kurfürstlicher Zustimmung seinen Wohnsitz von 
Ingolstadt nach Landshut verlegt hatte. Es kam so weit, dass der Exkanzler 
nicht einmal mehr sein Gesinde befriedigen konnte, dass sich dieses an die 
kurfürstliche Hofkammer wandte, um zu seinem Gelde zu gelangen. „Unser 
geheimer Kanzler Öxl ist mit seinem Hauswesen also umgegangen, dass 
jetzt, statt dass er sich und den Seinen einen ehrlichen Vorrat erhalten hat 
und jedermann befriedigen könnte, damit wir unangelaufen bleiben möchten, 
nichts als Schulden und zwar solche vorhanden sind, deren Entrichtung mit 
gutem Gewissen nicht auf geschoben werden kann. Weisen ja die beiden 
Originaleinschlüsse aus, dass neben anderen Gläubigern auch die Dienstboten, 
von denen der eine als Kutscher noch wirklich in seinen Diensten steht, um 
ihren lang verdienten Lohn bitten und supplizieren müssen.“ So klagt ein 
kurfürstliches Dekret vom 1. Dezember 1673 96 ) an die Regierung Landshut. 
Der Kurfürst erblickt einen der Gründe für den finanziellen Ruin Öxls in 
seiner Umgebung, die ihm nur das Seine anbringen helfe. Um ihn von 
dieser Umgebung loszumachen und in die Lage zu bringen, seine Gläubiger, 
insbesondere sein Gesinde zu befriedigen, lässt ihm der Kurfürst durch den 
Viztum und den Kanzler der Regierung zu Laudshut seine Meinung dahin 

04 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten, Bescheid vom 28. Mai 1671. 

96 ) Ebenda. 15. Juni 1671. 

ö5ft ) Der aktive Kanzlergehalt hatte einschliesslich der Nebenbezüge 
1867 Gulden betragen. 

*•) Aktenstücke Nr. 19. 

Bayer. Forschungen, VII, 4. 20 


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Michael Döberl 


eröffnen, Öxl solle sich in das Dominikanerkloster zu Landshut zurückziehen 
und mit Zuthun der Regierung mit den Patres über die Kosten des Ordinari- 
tisches und -Trunkes für sich und einen Diener vergleichen; den Betrag hätte 
das Kloster unmittelbar von dem Hofzahlamt zu erheben. Sollte sich der 
Kanzler nicht dazu bequemen, so gedenke der Kurfürst den Lauf der un¬ 
parteiischen Justiz nicht zu hemmen, vielmehr Verfügung zu thun, dass den 
Gläubigern zu ihrem Rechte verholfen werde. 

Zu einem Eintritt in das Kloster scheint Öxl nicht gewonnen worden 
zu sein 97 ), wohl aber musste er es geschehen lassen, dass er unter Kuratel 
gestellt wurde. Am St. Jakobtag 1674, wenige Wochen vor dem Hinscheiden 
Hermann Egons von Fürstenberg, wurde er vom Schlage gerührt und 
blieb seitdem auf der rechten Seite gelähmt. Noch einmal giebt Öxl ein 
Lebenszeichen, im März 1675"); es ist ein Bettelbrief, den der „alte, kranke 
und notleidende Bettler“, wie er sich selbst nennt, „vor den kurfürstlichen 
Gnadenthron demütigst niederlegt“. Im folgenden Monat ist er gestorben, 
im Alter von 70 Jahren. „Gott der Allmächtige hat nach seinem unerforsch- 
lichen Willen den geheimen Rat Herrn Johann Georg Öxl, dem Ver¬ 
merken nach vermittels eines unvorhergesehenen Schlags, heute früh von 
diesem vergänglichen hoffentlich zu ewigem Leben gnädig abgefordert, dem 
daun Gott die ewige Ruhe und eine fröhliche Auferstehung verleihen wolle.“ 
So schrieben am 27. Mai 1675 die Öxl sehen Kuratoren 99 ). Dem ehemaligen 
Parteigänger des Kaisers war es nicht mehr vergönnt gewesen, die Kunde 
von dem glänzenden Siege zu vernehmen, den schon im nächsten Monat der 
kaiserliche Bundesgenosse, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 
bei Fehrbellin über die Schweden erfocht, wohl aber hatte er den vollen Triumph 
seiner politischen Gegner, den ziemlich unverhüllten Anschluss Bayerns an 
Frankreich im holländischen Kriege"*) erleben und noch sehen müssen, wie 
derjenige, der einst unter ihm gedient, der dem neuen politischen Kurse Seele 
und Leben gegeben, seit dem Herbst des Jahres 1674 der unbestritten erste 
Mann des bayerischen Hofes war, Kaspar von Schmid. 

Die Obsignation des Nachlasses nahm derjenige vor, welcher einst in 
Regensburg als Protokollführer unter Öxl gedient, den er sich aber damals 
schon entfremdet hatte, der geheime Rat und Kanzler der Regierung Landshut, 
Dr. Johann German Barbier, derselbe, der bereits den demütigenden 

® T ) Leider blieben meine Anfragen in Landshut wie in Ingolstadt über den 
Aufenthalt Ö x 1 s daselbst ohne Ergebnis. Die Ratsprotokolle von Landshut reichen eben 
mit Ausnahme eines Bandes, der das Jahr 1630 umfasst, nur bis 1676 zurück. Aber 
auffallenderweise führen selbst die durchsuchten Stadtsteuerrechnungeu von 1672 bis 1675 
keinen Öxl auf. 

98 ) Aktenstücke Nr. 20. 

90 ) Münchener Kreisarchiv, Öxls Personalakten. Im Sterbebuch von St. Martin 
findet sich unter dem nämlichen Datum folgender Eintrag: „Herr Johann Georg Öxl 
der kf. Dt in Bayern gewester gehaimer ratskauzler procuratus sacramentis ecclesiae cur- 
sum vitae suae confecit A. 30. sepultus in sacello b(eatae) M(ariae) v(irginis).“ 

ö0< *) Döberl a. a. O. Vgl. dazu Döberl, Das bayerische Hilfskorps in Kölner 
Diensten zur Zeit des zweiten Raubkrieges, Forschungen z. b. G. VI, 18—55. 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 297 


Inhalt des kurfürstlichen Dekretes vom 1. Dezember 1673 dem gefallenen Manne 
eröffnet hatte. Der Bericht über die Nachlassbehandlung ergab, dass der 
Kanzler, der ehedem ein glänzendes Haus geführt hatte, zuletzt nicht einen 
Löffel, auch sonst wenig an Mobilien sein eigen nennen konnte. „Darüber 
müsse man sich billig verwundern, da er doch früher eine schöne Barschaft, 
Argenterei und Malerei hatte.“ 100 ) Von amtlichen Schriftstücken fand sich 
nichts mehr bei ihm vor. 

Die Kosten für das Begräbnis übernahm der kurfürstliche Hof, die 
Beisetzung erfolgte in der Frauenkapelle zu Landshut. In tiefster Armut 
und Verachtung, verlassen von der Welt, verlassen von den eigenen Kindern, 
von denen keines an dem Sterbebette weilte, um ihm das Auge zuzudrücken, 
hatte derjenige geendet, der einst auf den Tagen zu Nürnberg, zu Frankfurt, 
zu Augsburg, zu Regensburg das Haupt so stolz getragen hatte. Nicht 
kindliche Pietät, nicht sittliche Freude über die Thaten des Vaters, persönliche 
Eitelkeit, die sich in dem Ruhme des Vaters spiegelt] wollte, hat jene Inschrift 101 ) 
diktiert, welche die Söhne und Töchter auf den Grabstein des Vaters setzten. 


Die vom Kurfürsten Ferdinand Maria im Frühjahre 1667 gegen 
den geheimen Ratskanzler Dr. Öxl verfügte Massregel war zweifellos recht¬ 
lich unanfechtbar. Wie die Anstellung im bayerischen Staatsdienste eine 
Gnadensache des Kurfürsten war, so war es ein unbestreitbares Recht des¬ 
selben Kurfürsten, einen Beamten seiner Dienste zu entheben, wenn es ihm 
beliebte. Was Öxl in den Tagen seiner Entlassung in allerhöchstem Auf¬ 
träge eröffnet wurde, es stehe einem Landesfürsten frei, seinen Diener nach 
Belieben, ohne Eröffnung der Ursachen zu behalten oder zu verabschieden, 
entsprach wirklich dem geltenden Beamten recht. 

Selbstverständlich aber hat damals ebenso gut, wie heutzutage, die Re¬ 
gierung Anstand genommen, zu einer solchen Massregel zu greifen ohne be¬ 
stimmte Veranlassung, ohne Gründe der Staatsräson. Diese Gründe waren 
thatsächlich vorhanden, auch vom Standpunkt unserer gegenwärtigen Anschau¬ 
ungen, die Massregel war politisch gerechtfertigt. Wenn irgend ein 
Beamter, so ist der Gesandte der Träger der Regierungspolitik, ist berufen 
und verpflichtet, die ihm bekannten Anschauungen seiner Regierung wirksam 
zu vertreten, in keinem Falle ist er berechtigt, ihre Durchführung zu er¬ 
schweren, Politik auf eigene Faust zu machen. Die bayerische Regierung 
hatte sich auf grund der gemachten Erfahrungen entschlossen, eine Politik 
der Emanzipation von Österreich, der Anlehnung an Frankreich einzuschlagen. 
Die französische Diplomatie hatte von Anfang an mit dem Misstrauen gegen 
Öxl, mit der Erklärung, dass es diesen für die Pflege der Korrespondenz 
zwischen den beiden Staaten ungeeignet finde, nicht zurückgehalten. Das 
thatsächliche Verhalten Öxls hatte bewiesen, dass dieses Misstrauen vollauf 


,0 °) Heigel, Allg. Deutsche Biographie s. v. Öxl. 

,01 ) Aktenstücke Nr. 21 . 

20 * 


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Michael Döberl 


298 


gerechtfertigt war; man erinnere sich nur jenes Zwischenfalles im Hause der 
französischen Gesandtschaft in Regensburg. Öxl selbst hat ja nach einer 
sehr glaubhaften Zeugenaussage den Wiener Hofkreisen gegenüber seinen 
Sturz dem Umstande zugeschrieben, dass er in dem Widerstreit zwischen 
Österreich und Frankreich sich nicht der herrschenden Richtung am Münchener 
Hofe anbequemt habe. Der Kurfürst hatte sich also nach Jahre langer Be¬ 
obachtung überzeugen müssen, dass die Politik, zu welcher er sich entschlossen, 
mit einem Öxl nicht durch geführt werden konnte. Öxl hatte aber auch 
sonst trotz wiederholter Verwarnungen dem Argwohn Nahrung gegeben, dass 
von ihm eine grundsätzliche Durchführung, geschweige Förderung der Inten¬ 
tionen der Regierung nicht zu erwarten sei, die gegen sein Verhalten laut¬ 
gewordenen Bedenken aber hatte er trotz aller grosssprecherischen Ver- 
heissungen niemals widerlegt; man erinnere sich an die Regensburger Wahl - 
angelegenheit. Nachdem so die unerlässliche Voraussetzung für eine er- 
spriessliche Wahrnehmung* des Amtes hinfällig geworden war, hatte die Re¬ 
gierung nicht bloss das Recht, sondern im Interesse der Selbsterhaltung oder 
wenigstens der Autorität der Staatsregierung und der Einheitlichkeit des 
Dienstes die Pflicht, den Beamten aus dem Amte zu entfernen. 

Die Massregelung Öxls konnte vom Standpunkt der bayerischen Re¬ 
gierung ein Akt der Notwendigkeit, und doch konnte gleichzeitig der Gemass- 
regelte ein Märtyrer seiner Überzeugung sein. Öxl konnte in vollster Über¬ 
zeugung, aus höheren Gesichtspunkten, im Interesse Bayerns seinen Kurfürsten 
in der Verbindung mit Österreich erhalten haben wollen. Aber freilich eine 
eindringendere Prüfung muss auch diesen Glauben zerstören. Dem wider¬ 
strebt in der Zeit der Kaiserwahlfrage die intime Freundschaft Öxls mit 
Volmar, einem der abgefeimtesten Diplomaten Österreichs, eine Freundschaft, 
die er dann später auf dem Deputationstage in Regensburg fortsetzte, dem 
widerstreben seine ungeordneten finanziellen Verhältnisse, die ihn nur zu 
leicht verführen mochten, seine Politik der Rücksicht auf fremde Gnaden¬ 
gelder dienstbar zu machen — in dieser Beleuchtung könnte die un¬ 
gewöhnlich hohe Remuneration von 10000 Thalern, die ihm von seiten des 
Kaisers für seine Dienste in Frankfurt zu teil wurden, bedenklich machen —, 
dem widerstreben die zweifelhaften Mittel, deren er sich bediente, um Bayern 
in der Kaiserwahlfrage im Anschluss an Österreich zu erhalten; hat er ja 
seinen eigenen Kurfürsten durch Vorspiegelung falscher Thatsachen von 
einem persönlichen Erscheinen auf dem Frankfurter Wahltag abzuhalten 
gesucht. Dem widerstrebt die verhetzende, widerspruchsvolle, um nicht zu 
sagen verlogene Art, mit der er in der Zeit des Deputationsstreites für 
die österreichische Politik eintrat. Sie war allerdings im Sinne der öster¬ 
reichischen Ultras, aber derart, dass selbst gemässigte Österreicher sie ver¬ 
urteilten. Fürst Lobkowitz, der zu Frankfurt ehrlich die Sache seines 
kaiserlichen Herrn vertrat, hat ihn nach amtlichem Berichte nicht bloss 
Fürstenbergs, sondern auch Barbiers einen Erzschelm genannt und 
zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine „actiones“ in Frankfurt 
wie auf dem Deputationstage zu Regensburg. Jenem Glauben widerstrebt 


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Der Sturz des kurbayerischen Kanzlers Öxl. 299 


aber ganz besonders die verbrecherische Art, mit der Öxl im Herbst 1666 
das Interesse seines Herrn verriet. Es steht untrüglich fest, dass er einer 
wichtigen bayerischen Mission den Boden abzugraben gesucht, dass er sich 
zu diesem Zwecke auf unerlaubte Weise Abschriften von bayerischen Geheim - 
akten verschafft, dass er den Inhalt derselben mündlich wie schriftlich dem 
Minister eines fremden Staates ausgeantwortet hat. Die mala fides Ö x 1 s ist 
erwiesen, Öxl ist gerichtet. Und diese Enthüllung giebt zugleich dem sach¬ 
lichen Wert der übrigen Zeugenaussagen, die sich ohnehin als organische 
Glieder vollkommen richtig in das Ganze einreihen, sein Relief. Vergebens 
auch sucht man bei Öxl nach Äusserungen einer höheren Idee, eines 
politischen Systems, ähnlich denen, wie sein politischer Gegner S c h m i d 
sein Programm vertrat. Eine ideale, selbstlose Persönlichkeit, die lediglich 
aus höheren Gesichtspunkten den Anschluss Bayerns an Österreich empfohlen 
hätte, war also Ö xl sicherlich nicht. Ebensowenig, als er wirklich im Innern 
der tiefreligiöse Mann gewesen zu sein scheint, für den sich der Konvertit 
gegenüber seinem kurfürstlichen Herrn so gerne ausgab. Die profanierende 
Art, wie Öxl in der Zeit des Deputationsstreites das religiöse Moment bald 
in diesem, bald in jenem Lager ausbeutete, um zu seinem Ziele zu kommen, 
lässt darauf schliessen, dass auch sein KonfessionsWechsel nur aus äusseren 
Motiven herfloss. Öxl war eine zu subjektive, zu reizbare, intrigante und 
begehrliche Persönlichkeit, um seinen Standpunkt rein zu halten von persön¬ 
lichen Interessen. So galt er auch seinen Zeitgenossen. Diese Erkenntnis 
und die Erinnerung an die Unbedenklichkeit Öxls in der Wahl der Mittel, 
um seine politischen Gegner zu Fall zu bringen, mussten nicht bloss den 
Fürstenberger, den geschworenen Feind vom Jahre 1658 her, sondern 
auch einen Kaspar Schmid in den Bemühungen, Öxl unschädlich zu machen, 
anspornen. Ein Märtyrer seiner Überzeugung war Öxl nicht, seine Mass- 
regelung kein tragisches Geschick. 

Im Gegenteil, das Verfahren, das gegen Öxl eingeschlagen wurde, 
kann als ein mildes, schonendes bezeichnet werden. Öxl wurde mit Titel, 
Rang und vollem Gehalte in den Ruhestand versetzt, das kurfürstliche Dekret 
vom 13. April 1667 war sogar in huldvoller Form abgefasst. Und doch ge¬ 
nügte der Verrat, den Öxl in Wien begangen, allein schon, um ihn dem 
Strafrichter auszuliefern. Was Öxl im Aufträge des Kurfürsten in den Tagen 
seiner Entlassung bedeutet wurde, er könne sich nicht beschweren, war nur 
zu wohl begründet. Das Verhalten der Regierungskreise vermied selbst 
dann den Anschein kleinlicher Rache, als Öxl nach seiner Entlassung den 
Kurfürsten und seine Räte durch neue Provokationen und neue Umtriebe in 
Wien herausforderte. 

Man könnte gegen die Regierung sogar den Vorwurf erheben, dass 
die Entlassung Öxls zu spät erfolgte. Nur darf man den Grund hierzu 
nicht in dem Mangel an Schuldbeweisen finden. Neben der Erinnerung des 
Kurfürsten an Öxls frühere Dienste war gewiss die Rücksicht auf den Kaiser¬ 
hof mitbestimmend. 


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300 


Michael Döberl 


Uns geht das Schicksal des Mannes, der nach einer glänzenden Karriere 
fast als Bettler gestorben ist, menschlich nahe, doch wir müssen sagen, es war 
verschuldet. Wir müssen Öxl selbst die Anerkennung versagen, dass er das 
selbstverschuldete Los mit Würde getragen. Derjenige, der mit vollem Be¬ 
wusstsein Verrat geübt, beteuert bei allen Heiligen seine Unschuld, derjenige, 
der in brüskester Form auf sein Gehalt verzichtet hat, schiebt die Schuld auf 
einen toten Mann, derjenige, der sich ehedem in der Rolle des schneidigen 
Diplomaten so sehr gefallen, kann heute in der derbsten Sprache reden, die 
schärfsten Pfeile abschiessen, morgen, wenn die Pfeile nicht getroffen, viel¬ 
mehr auf den Schützen zurückgeprallt sind, in der de- und wehmütigsten 
Sprache reden. Er hat damit seinem Andenken den letzten versöhnenden 
Zug genommen. 




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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums 
Sulzbach im Jahre 1765. 

Von 

Karl Brunnen 


Nachstehend teile ich ein für die Wirtschaftsgeschichte der Oberpfalz 
merkwürdiges Schriftstück mit, das als Ergebnis sorgfältiger Nachforschungen 
anscheinend im Auftrag der kurfürstlichen Regierung an ein hochgestelltes 
Mitglied derselben gerichtet war. Den Adressaten konnte ich nicht ermitteln. 
Der Verfasser ist der damalige Regierungskanzlist Leonhard Magnus 
Köhler, ein interessanter Mann, der eine achtbare wissenschaftliche Thätig- 
keit, besonders auf dem Gebiete der Chronologie und Altertumskunde, ent¬ 
faltete und späterhin als wirklicher Regierungs- und Hofkammerrat in Sulzbacli 
massgebenden Einfluss auf die Regierung des Herzogtums ausübte. Wie es 
scheint, ist das Leben Köhlers vollständiger Vergessenheit anheimgefallen: 
weder die Allgemeine Deutsche Biographie noch die landläufigen Gelehrten¬ 
lexika bringen seinen Namen. Und doch verdiente meines Erachtens wenigstens 
seine gelehrte Thätigkeit ans Licht gezogen zu werden. Das Karlsruher 
Generallandesarchiv verwahrt einen starken Band von Briefen Köhlers an 
Lamey aus derZeit von 1765—1801, die den Mann ohne Zweifel beachtens¬ 
wert erscheinen lassen. Und wie mit Lamey hat er in seinem regen wissen¬ 
schaftlichen Streben gewiss mit manchem anderen Gelehrten seiner Zeit in 
lebhaftem Gedankenaustausch gestanden. Der vorliegende Bericht lässt ihn als 
guten Beobachter mit gesundem, klarem Urteil erscheinen, der an den Dingen 
mehr als einen bloss äusseren Anteil nimmt Ich lasse das Schreiben ohne 
Kürzung folgen, da es als Ganzes in mancher Hinsicht wertvoll und charakte¬ 
ristisch erscheint. Es ist einer eigenhändigen Abschrift Köhlers entnommen, 
die (als Hsr. Nr. 184) im Karlsruher Generallandesarchiv liegt 

Hochedelgebohrner und Hochgelehrter Herr, 

Besonders Verehrungswürdigster Herr Secretär! 

Euer Hochedelgebohrnen habe schon längstens, als eine so verehrungs - 
würdige Person, besonders der gelehrten Welt, in der Stille bewundert, dass 
es mir dermalen zum ganz ausnehmenden Vergnügen gereichen musste, Selbsten 
mit einer Zuschrift gewürdiget zu werden. 

Und wie gerne vollführe ich nicht ein Geschäft, das ohnehin mir zur 
Ehre und Pflicht ist! Es sind aber diejenige Fragen, die ich zu beantworten 
habe, diese: 


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302 Karl Brunner 


I. Welches ist die natürliche Lage und die Beschaffenheit der Pfalz-Sulz- 
bachischen Lande? Sind sie mehr bergicht als eben, und wie heisset 
das darinnen herschende Gebürg? Ist es nicht ein Theil der Böhmischen 
oder des alten Hercyniae? 

II. Welches sind die vornehmsten Producta, Wein, Früchten, Waldungen, 
Weid etc.? 

III. Hat man auch Bergwerke und mineralische Wasser? Wo und von welcher 
Art sind sie? 

IV. Giebt es einige Fabricken? und welche? 

Auf welche demnach mit möglichster Zuverlässigkeit, und zwar ad 
Quaestionem l.mam schuldigst diene, dass weilen das Herzogthum Sulzbach 
(das vorzeiten ganz sicher mit unter den Sylvam Hercyniam, wenigstens das 
dermalige Amt Vohenstrauss, Pflegamt Floss und die Herrschaft Pleystein, 
und zwar bis an Naabfluss, gerechnet wurde) mit der Obern Pfalz und dem 
Bambergischen Pflegamt Vielseck ein wenig vermenget ist, man solches am 
füglichsten, wenn man seine ordentliche und natürliche Lage beschreiben will, 
nach denen darinnen befindlichen Oberämtern ansehen muss. 

Solchemnach gräuzet das Landgericht Sulzbach gegen Morgen und 
Mitternacht an die Obere Pfalz; gegen Mittag auch an die Obere 
Pfalz und an das Bissthum-Bambergische Pflegamt Vielseck; gegen Abend 
aber au Franken, und in specie an das Nürnbergische Gebieth. 

Das Landgericht Parkstein und Weyden hat gegen Morgen unten die 
Landgrafschaft Leuchtenberg, in der Mitte das Fürstl. - Lobkowitzische und 
oben die Obere Pfalz; gegen Abend stösset selbiges, theils an das vor- 
gemelte Bambergische Oberamt Vielseck, theils auch an die Obere Pfalz; gegen 
Mittag und Mitternacht aber alleine an die Obere Pfalz. 

Das Pflegamt Floss gräntzet gegen Morgen an das Königreich 
Böhmen; gegen Abend, unten an das Leuchtenbergische, in der Mitte an 
das Landgericht Parkstein und Weyden selbst, dann an das Fürstl. Lobko¬ 
witzische und oben an die Obere Pfalz; gegen Mittag auch an das 
Leuchtenbergische und an das Lobkowitzische Amt Waldthurn; und gegen 
Mitternacht an das Oberpfalz, alleine. 

Das Amt Vohenstrauss verbindet sich gegen Morgen mit der Chur- 
pfälz. Herrschaft Pleystein; gegen Abend und Mittag mit der Obern 
Pfalz; und gegen Mitternacht mit dem Lobkowitzischen Amte Waldthum. 

Die Herrschafft Pleystein, so dieses Jahr und also erst vor kurzem, 
nach der beschehenen Uebergabe, dem Herzogthum Sulzbach mit einverleibet 
worden, und vorhero bey Neuburg wäre, hat gegen Morgen und Mitter¬ 
nacht Böhmen, gegen Abend Vohenstrauss und gegen Mittag die Obere 
Pfalz zur Seite. 

Man kann derohalben nach dieser Lage, wenn man etliche Stunden 
durch das Bambergische Amt Vielseck gehet, dieses ganze Herzogthum Sulz¬ 
bach durchreisen, ohne die obere Pfalz im mindesten zu berühren. 


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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765. 


303 


Die Grösse dieses Landes betreffend, wird das Landgericht Sulzbach 
von Mitternacht gegen Mittag wenigstens 6 Stunden, von Abend gegen 
Morgen aber 4 Stunden ausmachen. 

Das Landgericht Parkstein mit Wey den erstrecket sich von Mittag 
gegen Mitternacht bei 7 Stunden, von Abend gegen Morgen, unten wo es am 
breitesten ist, wenigstens 4 Stunden : Hinaufwärts aber bey Parkstein und 
Erbendorf ist es viel schmäler. 

Das Amt Floss wird von Mittag gegen Mitternacht 3 Stunden breit, 
von Abend gegen Morgen über 4 Stunden lang seyn. 

Das Amt Vohenstrauss ist klein, indeme es von Abend gegen Morgen 
nicht wohl eine Stunde, von Mitternacht gegen Mittag aber bey zwey Stunden 
lang ist 

Vom Pflegamte oder der Herrschafft Pleystein ist mir die eigentliche 
Grösse noch nicht bekannt. 

Uebrigens liegt dieses Herzogthum überhaubts ziemlich hoch, weil 
sonderlich im Landgerichte Sulzbach eine Wasserscheide ist, indeme einiges 
Gewässer gegen Abend auf den Rhein zu, das ander aber gegen Mittag auf 
die Donau zufliesset 

Was nun die Beschaffenheit des Landes Selbsten betritt, ist solches 
durchaus ziemlich gebürgigt, mit theils sehr fruchtbaren Thälern; wiewohl 
auch die Berge nicht eben kahle Felsen sind, sondern insgemein mit Wald, 
Weide oder Feldern bedecket. 

Die vornehmsten Gebürge darinnen sind, in dem Landgericht Sulzbach: 
dasjenige Gebürg, welches eben dieses Landgericht von Franken scheidet, 
auch dahero insgemein schlechtweg das Gebürg und die Unterthanen darinnen 
die Bürgbauern (ohne dass es sonst noch einen besondern Namen hat) ge- 
nennet werden. 

In dem Landgericht Parkstein ist ein hoher Berg, der hohe Parkstein 
genannt, von welchem man fast über alle andern Gebürge hinaus- und in ver¬ 
schiedene angränzende Lande weit hineinsehen kann; und weilen eben dieser 
Berg steil und rings herum frey ist: so ist zu alten Zeiten eine nach dama¬ 
liger Art sehr gute Bergvestung hinauf gebauet worden, ausser Zweiffel, um 
in kriegerischen Zeiten die Haabseligkeiten des Landes dahin in Sicherheit 
bringen zu können, massen selbe sonsten von darumen zu nichts gedienet 
haben mag, weilen sie an keinem Pass lieget; vor etlichen wenigen Jahren aber 
ist sie rasiret worden. 

In dem Amt Floss, wie auch in der Herrschaft Pleystein fängt schon 
ein Theil des hohen Böhmischen Gebürges an. 

Ueberdieses aber sind in dem Herzogthum Sulzbach noch einzelne 
grosse und ansehnliche Berge hin und wieder, und auf selbigen noch uralte, 
dermalen aber meistens in Ruin liegende Schlösser anzutreffen: Zum Beyspiel, 
im Landgericht Sulzbach, die Zant bei Holenstein, worauf aber keine rudera, 
Breitenstein, Neydstein, Ruprechtstein, worunter das mittlere wenig¬ 
stens noch bewohnt, auf dem leztern aber das Schloss noch stehet und auch 
bewohnet ist. 


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Karl Brunner 


304 


Rosenberg und Popperg zwey zerstörte Schlösser. 

Im Landgericht Parkstein, die Diemenreuther Spitze, ein ganz 
fruchtbarer Berg ohne Schloss. 

Im Flossischen der Flossenbürg, ein zerstörtes grosses Schloss. 

Im Vohenstraussischen der Fahrenberg, auf welchem eine Kirche und 
nicht weit davon ein Gränzstein, wo die Gräntzen von Vohenstrauss, Pley¬ 
stein und dem Lobkowitzischen Amte Waldthurn zusammen stossen. 

Die Güte des Erdbodens ist gar verschiedentlich, nämlich theils recht 
gut, theils aber rauhe, steinigt und wenig fruchtbar; anbey giebt es hin und 
wieder, bevorab in dem Landgericht Weyden, grosse Flecke an sogenannten 
Brüchen oder Lohen und Moräste. 

Ad Quaest. 2.dam sind die vornehmsten producta des Fürstenthums 
Sulzbach 

a) An Getraid: Waitzen, Dünckel, Korn, Gerste, Haber. 

An Hülsenfrüchten: Erbsen, Linsen, Hirse, Heidekorn etc. 

Der Flachsbau in denen Oberämtern Parkstein und Floss ist gut und 
beträchtlich und könnte noch beträchtlicher werden, wenn die Unterthanen, 
zum Behuf etwa anzulegender Manufackturen, zu dessen noch mehrerer Culti- 
virung angefrischet würden. 

Seit wenig Jahren ist der Hopfenbau, und zwar meines Wissens auf 
Anrathen und an Handgebung des hiesigen Herrn Regierungs-Raths, tit 
Molitors, in dem Lande fast durchgehends angeleget und wegen seiner be¬ 
fundenen ungemeinen Güte dergestalten empor gebracht worden, dass nunmehr 
die Landesnothdurft davon bestritten werden kann, wo vormals, aus Mangel 
desselben, grosse Summen, nacher Böhmen und andere auswärtige Lande 
hinausgegangen sind; indeme das Brauwesen durchgehends in hiesigen Landen 
eine derer beträchtlichsten Gewerben und Nahrungen ist. 

An allerley Gattungen Gemüsen, als verschiedne Rüben, ver¬ 
schiedenen Kraut, Erdäpfel, Darschen etc. ist im ganzen Lande kein Mangel; 
und eben so wenig an allerley Baumfrüchten, deren in verschiedenen 
Gegenden sehr gute Gattungen: als Borstorffer, Renetten, Rubiner etc., item 
Pergamotten, Bisam, boires grises et blanches etc. gebauet werden und wohl 
anschlagen. 

Der adle Wein aber gehet leider ab; wiewohl vor ein Paar 100 Jahren 
hier bei Sulzbach, auf der Mittagseite des damahls sogenannten Kastenbühls, 
welches ietzt der St. Anna Berg ist, Wein gebauet worden, der aber vermuth- 
lich schlecht mag gewesen seyn. 

b) An Waldungen ist das Land voll; sind aber meistens durch die 
besonders vormahlige Glashütten, Hoheöfens, Eisenhämmer und andere der¬ 
gleichen Schmelzwerke sehr mitgenohmen worden. Doch ist man auf die 
Nachzüglung junger Wälder fleissig bedacht. Es bestehen aber ersagte Wal¬ 
dungen fast durchgehends aus sogenannten weichen oder toden Hölzern, als 
Föhren, Fichten und Tannen, Linden und Buchen sind auch nicht selten, 
seltener aber Eichen anzutreffen, doch giebt es auch in dem Amt Floss viele 
zu sauberer Arbeit dienende Ahorn-Bäume. 


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Die wirtschaftliche Lage de« Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765. 


305 


c) All Weide und Wisswachs hat man in dem Landgericht Sulzbach 
nicht allerdings die Notfadurft dahero auch die Viehzucht nicht reich. Jedoch 
in den Ämtern Parkstein und Floss ist die Weide ansehnlich, folglich auch 
die Viehezucht trefflich und beträchtlich, so dass alljährlich daselbsten ver¬ 
schiedene Hundert Mastochsen ausser Landes gegeben werden können. 

Auch kömmt die Schaafzucht und die davon abfallende Wolle aller¬ 
dings mit in Betrachtung. 

An Schweinen fehlet es auch nicht, besonders wegen den starken 
Erdäpfel, Rüben, Darschen und dergleichen Fütterungsbau. 

Die Bienenzucht ist mittelmässig. 

Ferner ist an allerhand gross- und kleinen Wildpreth kein 
Mangel, und des ersteren zu grosser Klage und Beschwerde derer Unterthanen 
dermalen nur zu viel. Besonders aber ist der Schade, welchen das Roth- 
Wildpreth an denen herbeyziglenden jungen Höltzem in Winterszeiten durch 
Abschälung der zarten Stämmlein thut, sehr gross, inmassen es wegen des 
gewöhnlich fallenden häuffigen Schnees nicht zum Erdboden und zu einiger 
Nahrung gelangen kann. 

An Feder-Wildpreth giebt es, ausser denen gemeinen Gattungen, 
auch ädle Sorten, als: Auerhannen, Pürk- und Haselhünner. 

d) An grossen Fischweyhern und guten Krebsbächen fehlet 
es, sonderlich in dem Landgericht Weyden, gar nicht; auch giebt es hin und 
wieder, zumalen hier in Sulzbach, schöne Lachs- und Steinforellen, Aschen 
und Grundeln. 

Ad Qll&est. 3tiam werden dermalen keine andern Bergwerke, als nur zu 
Eisen, und zwar um Sulzbach, und dermalen bey Sieben ei chen, ge¬ 
trieben. Ehemals aber hat man auch, und ohngefehr um 1728 in dem Amte 
Vohenstrauss, zwar Silber, iedoch nicht so ergiebig gefunden, dass es die 
Kosten ausgeworffen. 

Ingleichen hat man im Landgericht Parkstein bey Erbendorf 
Silber und Bley gefunden, ist aber auch nicht ergiebig genug gewesen; doch 
wird dermalen aufs neue wieder angefangen, und muss es die Zeit lehren, 
was sich daselbst zeigen wird. 

Bley hingegen hat sich in dem nämlichen Landgericht bey dem Mark 
Freyhung ziemlich und feines hervorgethann, ist aber haubtsächlich wegen 
sich gezeigten starken Wassers, dessen Abführung man entweder nicht ver¬ 
standen, oder zu starke Unkosten verursachet haben mag, nach und nach und 
erst ganz kurz liegen geblieben. 

Von diesem berühmten und herrlichen Bleybergwerke bemerke ich eine 
Stelle aus Joh. Jac. Baieri Oryctographia Norica, cap. X. „Quando galenam 
(Glanz) utpote plumbi nigri mineram nominavi, aequum censeo, eiusdem 
metalli amplissimarum quondam in superiori Palatinatu fodinarum iniicere 
mentionera. Has per integrum quasi seculum viguisse, fidem facit Chur-und 
Fürstlicher Pfalz Bleybergwerks-Ordnung, gedruckt zuAmbergiöiq. fol. 
Ast ille vigor dudum remisit, ut hodie nihil ferme aliud agant perpauci ope- 
rarii in oppido metallico (zur Freyhung) inter Vielseck et Weyden, quam ut 


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306 Karl Brunner 

e vetustis ruinis et cumulis (aus den alten Hallen) colligant lavando nietalli 
reliquias inque propinquis officinis elaborent Minera vero dives admodum et 
neutiquam vulgaris, cuius tres praecipuas notavi differentias: Primam can- 
didam semique diaphanam, fluoris instar, unde et Flüss appellant, ac 
centenarium ipsius ad LXXX pondo plumbi nigri fundere affirmant. 
Secunda est opaca, scabra, colo re et forma crustosa tartaro vini 
rubro similis, quapropter rothe Schalen audit; ex dimidia vero parte 
in plumbum liquari asseritur. Forsan haec est plumbum nativum Sulz- 
bachium, quod Georg Fabricius de rebus metallicis, cap. VII rubeum 
pronunciavit. Tertia ex flavo viridescens (grün Bleyertz) ponderosa quidem, 
sed non tarn, ut priores, metallo abundans. Caeterum ex hisce mineris coctum 
sine dubio quondam fuit, ut copiosum, sic praestans plumbum, illudque ipsum, 
quod Joh. Reutmannus nomendat. rerum fossil, p. 84. 2 nominat e Pala¬ 
tinatu mollissimum, ganz weich Bley.“ 

An Alaun ist auch ein Reichthum vorhanden, welcher aber wegen des 
zu dessen Südung erforderlichen Holzes nicht gegraben werden wollen. 

Vitriol hat sich ingleichen hier und da entdecket. 

Steinkohlen haben sich an einem Gebürg, und zwar bey Döltsch im 
Weydauischen nicht nur hervorgethann, sondern sind auch bey gemachter 
Probe ungemein gut und fein befunden worden. Die Grabung derselben aber 
ist ebenfalls wegen sich eräugneten Wassers und Mangel des Geldes unter¬ 
blieben. Es ist aber allen vernünfftigen Vermuthen nach sothannes Gebürge 
von Steinkohlen nicht leer, und dahero zu wünschen, dass selbiges von der 
Sachen Verständigen wohl untersuchet würde, weil bey sich etwan findender 
Ergiebigkeit es für einen grossen Schatz zu achten wäre, indeme solcher- 
gestalten eine Menge Holzes erspahret, folglich die Waldungen geschonet und 
ihnen Zeit zur Erholung und Herbeywachsung gelassen werden könnte. Wie 
mir denn bekannt ist, dass oben schon erwehnter tit. H. Regierungsrath 
Molitor allhier hierüber an den ehemaligen Conferenz-Minister, Freyh. von 
Wreden, Exc., als dieselbe mit Sr. Churfürstl. Durchl. dahier in Sulzbach 
anwesend waren, eine umständliche, schriftliche Vorstellung übergeben, jedoch 
aber diese Sache wegen Abkunft hochged. Ministers wiederum in Stocken 
gerathen seye. 

Steinbrüche hat es hin und wieder im Lande, besonders aber findet 
sich einer dergleichen in dem Amt Floss, welcher reich und fürtrefflich zu 
Quadern und allerley anderer Arbeit dienlich ist. 

An ädlern Steinen, z. B. Achat, giebt es im Landgerichte Parkstein 
ziemlich viel; auch findet man bey Erbendorf, jedoch dermalen nur einzeln 
und im kleinen, einen grünen Jaspis, auf deren und anderen dergleichen 
weiterer Nachsuchung es nun dermalen bey der mir gnädigst übertragenen 
Commission noch beruhet. 

Mineralische Wasser sind meines Wissens keine im Lande, ausser 
dass sich in dem Landgerichte Sulzbach, und zwar zum Grosalbershof, schon 
zu Zeiten Herrn Herzogs Theodori p. m. eine Quelle von der Art eines 
sogenannten Faul-Wassers hervorgethan, welches für ein Gesundheitswasser 


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Die wirtschaftliche Lage des Herzogtums Sulzbach im Jahre 1765. 


307 


geachtet, und dahero von Höchstgedacht Herrn Herzogen die Absicht ge¬ 
nommen worden, sothanne Quelle sauber einfassen und womöglich es dahin 
bringen zn lassen, dass es ordentlich zur Cur könnte gebrauchet werden: 
Welches alles aber durch sein Absterben zurücke geblieben. 

Quoad Quaest. 4.t*m hat man bishero allhier, auf Anlegung nützlicher 
Manufackturen und Fabricken, wenig oder keine Absicht gehabt, obschon 
meines Wissens mehrgedachter H. Regierungsrath Molitor, bereits vor 
verschiedenen Jahren, eben auch hierüber und besonders wegen Anlegung 
einer Leinen- und Wollenfabrike in der Stadt Weyden, welche wegen 
daselbstigen Wassers und anderer guter Gelegenheit am bequemsten darzu wäre, 
wie ingleichen wegen Aufrichtung eines in der That höchstbenöthigten Arbeits¬ 
oder Zuchthausses, umständliche und eifrige Vorstellung gethann. Nunmehro 
aber hat auf dergleichen Veranlassung eine Privatperson, nämlich der Kauf¬ 
mann Stöckel zu Weyden, um die Errichtung einer solchen Leinen- und 
Wollen Fabricke und Ertheilung derer darzu benöthigten Privilegien den 
untertänigsten Antrag gemachet. Welche iedoch nunmehro von Sr. Churfürstl. 
Durchl. unserm gnädigsten Landesfürsten ohne Zweiffel gndst. genehmiget, 
auch so viel mir wissend, noch zu Anlegung mehrerer nutzbarer Manufakturen 
und Fabricken der mildeste Bedacht genommen werden wird. 

Man hat auch vor etlichen Jahren einen Versuch gemachet, ohnweit 
hiesiger Stadt, auf dem Hammer Philippsburg, Porcellain zu machen, und die 
darzu nöthige Erde hat sich dort herum in einer solchen Güte gefunden, dass 
sie hierinnen die benachbarte Bayreuthische und Anspachische Porcellainerde 
bey weitem übertrift; alleine weil dieses Werk blos arme privati und nicht 
hinlänglich verständige Personen unternohmen, welchen durch höhere Hand 
nicht hinlänglich unter die Arme gegriefen worden: so ist es auch dato nicht 
sonderlich zu Stande gekommen, und dörfte allem Ansehen nach gar ins Ab¬ 
nehmen gerathen, weil man den Mangel des darzu erforderlichen Holzes vor¬ 
schützet. Und diesemnach wäre die von mir gehorsamst und ganz zuverlässige 
Beantwortung derer gestellten Fragen beendiget, und habe mich nur noch 
damit zu entschuldigen, dass mir unter der Hand diese Sache ein wenig 
weitläufiger worden, als ich im Anfänge Sinnes wäre. 

Von dem Herzogthum Neuburg bedaure, keine hinlängliche Nachricht 
geben zu können; doch dörffen sich Euer Hochedelgebohrn nur an den 
Churpfälz. und Pfalz-Neuburgischen Herrn Hof-Cammer-Rath Schüler wenden, 
der Ihnen entweder Selbsten, oder durch jemanden andern zu Neuburg diese 
Fragen zu beantworten im Stande ist. 

Was den Verlag sämtlich akademischer Kalender anbetrift: so hat sich 
ein hiesiger angesessener Buchbinder, Namens Johann George Filchner, 
entschlossen, solche zu verkauften; nur wünschte selbiger dabey, dass, wenn 
es an die allhiesige Churfürstl. Regierung wegen Einführung sothaner Kalender 
gelangen würde, dass seiner Person darinnen gnädigst mit gedacht werden 
möchte, damit es das gesammte Land erfahren könnte, wo sie anzutreffen sind. 
Und da man in hiesigem Land noch ausser denen gewöhnlichen auch kleine 


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Karl Brunner 


308 


Sack- und Schreib - Kalender zu führen pfleget: so ist die Frage: ob solche 
in Zukunft auch ohne Stempfel beybehalten werden dörffen ? 

Ich lege hier nach Dero Verlangen eine Gattung von denen der Zeit 
allhier eingeführten Kalendern gehorsamst bey und bemerke zugleich schuldigst 
dass die in nebenliegender Specification i^y Nümbergische und 4.1 e y Bayrische 
Kalender hier ieder Zeit verkauftet worden, ohne dass jemalen, ausser in 
denen Jahren 1670. 71. 72. et 73. Selbsten zu Sulzbach Kalender seyen ge- 
drucket worden. 

Uebrigens wmnschet iedermann allhier, dass auch in Zukunft neben 
den Neuen auch der Verbesserte Kalender mit daran gedrucket werden möge, 
indeme sich beide Religionsverwannte Theile in manchen Fällen darnach zu 
richten haben .... 

Euer Hochedelgebohrnen etc. 

Deroselben ganz gehorsamst-ergebenster Diener 
Leonhart Magnus Köhler. 

Sulzbach, den 14. des Weinmonats, im Jahr 1765. 


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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf 
in der Oberpfalz.*) 

Von 

Karl Brunner. 


Unter den Orten der nördlichen Oberpfalz, von denen aus früherer Zeit 
über Bergbau berichtet wird, tritt Erbendorf ganz besonders hervor. Die 
dortigen Bergwerke geniessen eine Zeit lang einen nicht geringen Ruf; selbst 
bis heute, nachdem sie längst eingegangen, hat sich das Andenken an sie 
lebendig erhalten, sodass in neuerer Zeit mehrfach die Frage ihrer Wieder¬ 
aufnahme erörtert und diese zum Teil praktisch durch geführt worden ist, 
freilich ohne den mit vieler Zuversicht erwarteten Erfolg. 

Der Gründung einer wirklichen Bergwerksanlage geht anscheinend — 
die Nachrichten fliessen nur spärlich und unsicher — eine Zeit des Ex¬ 
perimentieren s und planlosen Suchens voraus, das wohl auch nur vereinzelte 
und geringe Erfolge aufzuweisen hatte. Die früheste Mitteilung, die mir 
darüber zu Gesicht gekommen ist, findet sich in einem Salbuch der Herrschaft 
Parkstein und Weiden vom Jahre 1416, wo es (nach Bavaria II, 1, S. 483) 
heisst: „Item es ist ein gut Bergkwerck zunächst bey Erndorf in den 
zawnen, daselben hat man vor jarn viel silber ärczt gefunden vnd noch tät, 
wer das arbaitten wolt, das ist bisher nyder gelegen daruinb, das die herr- 
schaft von Waldeck darein spricht, aber es haben die alten gesagt, das es ander 
nympt zw gehör dan der herrschaft zw Parkstein.“ Hundert Jahre später mag der 
Bergbau wieder in Aufnahme gekommen sein. Aus dem Jahre 1517 (Jan. 30) er¬ 
wähnt von Reitzenstein eine Urkunde des Jordan von Rewiz zu Grueb, 
Bergrichters zu Armdorff (Verhdlgn. des hist. Ver. v. Oberpfalz, Bd. 33, S. 59); 
unterm 18. Apr. 1521 teilt er ferner mit: „Jordan von Rewitz zu Grub mit 
Hans von Egloffstein zu Altenstadt Zeugen des Verkaufs der obern Mühle 
zu Erbendorff (darin die Schmelzhütte gemacht)“ (ib. S. 60). Wie unsicher 
übrigens der ganze Betrieb damals war, wie sehr aber die Regierung auf 
Förderung desselben Bedacht nahm, lässt eine von Brenner-Schäffer ohne 
Quellenangabe mitgeteilte Stelle aus den Bergfreiheiten des Kurfürsten 
Ludwig V. von der Pfalz (1521) ersehen: „So sich Jemand zu Erbendorff 
zu gut zu schürften unterstehen und Einer einen Gang treffen, der sich so 

*) Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit stelle ich die mir bekannt gewordenen 
Nachrichten über den Erbendorfer Bergbau vor dem Erlass der Bergwerksordnung von 1548 
liier zusammen. 


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3io 


Karl Brunner 


man schmelze davon in grossem Feuer auf ein Schicht ein Mark Silbers be¬ 
funden würde, den soll man von unserm Churfürsten und Fürsten wiegen 
50 fl. zu einem Schenk geben ; so aber ein Gang erschürfet wurd, der zwo 
Mark in einer Schicht hielt, dem wollen wir hundert Gulden reichen lassen.“ 
(ib. Bd. 17, S. 105). Den ersten energischen Schritt zur Hebung und materiellen 
Kräftigung des Unternehmens, wie zur technischen Ausgestaltung des Berg¬ 
werks seitens des Staates bedeutet die Bergwerksordnung des Kurfürsten 
Friedrich II. (1544—1556) von der Pfalz, die ich im folgenden nach einer 
wohl gleichzeitigen, kollationierten Abschrift im Kopialbuch 495 (fol. 245 r 
—252V) des Karlsruher Generallandesarchivs mitteile. 

Bergwerckordnung In der obern Pfalntz zu Erbendorff Im ampt Bargetein. Vnd 
desselbigen Freyheit [1548 Febr. 22.]. 

Wir Friderich etc. Bekennen für vns, vnser erben vnnd nachkhomen, vnnd 
thun kunth, jeder meniglich mit diesem unserm offen brieff: Nachdem auss gotlicher 
gnade vnnd gute jnn vnserer Furstennthumb der Obernn Pfalutzs jnn Beyern dess Ampts 
Pargkstein zu vnnd bey Erbendorff sich ein Berckwerck erzeigt, dass aber bissher auss 
mangell der gewercken vnd ander notturfft etc. zu keim statlicli fürgengig baw gelangt 
hat, damit nun aber dasselbige Berckwerck mit gotlicher verleyhung zu furderung gemeines 
uutzs durch zufallende gewercken, soviel statlicher auffnemen mit Arbeit belegt, geweltigt 
vnnd gebawt werden möge. So habenn wir mit gutter vorbedrachtung, auch zeittigem 
rathe vnnd damit jederman, so lust vnnd willen zubawen, sich desto geliebter jnlassen 
niuge, vnns entschlossen solchem Berckwerck vnnd allenn dessen gewercken ein erschiess* 
lieh furwegliche freyheit vnd begnadung mit zutheylen auch dieselbig öffentlichen auss 
zuschreiben, Also das sie mit jreni jnhalt puncten vnnd Artickeln jetzt vnnd hinfuran 
bleiben vest vnd stet gehalten werden soll jn massen hernachvolgt. 

[1.] Erstlichenn geben wir allenn vnnd jeglichen gewercken jnlendern vnnd auss- 
lendern, so auff diesem Berckwerck auch ann allenn andernn orttenn vnnd fleckenn jnn 
vnserm lande vnnd furstenthumb jnn der Obernn Pfalutzs Bergwerck bawenn, das sie 
jre erben vnnd nachkhomen dess Zehendts vonu allem Silber, Pley vnnd Kupffer, die 
Aida gemacht werden, vonn dato diss brieffs vier jar lang, nacheinander volgende gantz 
gefreyt vnnd vnns noch vnsern erben vnd nachkhomen nichts dauon zugeben schuldig 
sein. Aber nach aussgang der vier jare sollen sie vns vnsern erben vnnd nachkhomen 
den Zehendenn auss gemachtem Silber vnnd Kupffer vberraichen vnnd geben, dargegen 
wollen wir jnen den Zehendenn pfenning jnn der hutten kost bezalen. 

[2.] Zum Andern gebenn wir jnen diese begnadung vnnd freyheit, das sie alle 
jre Silber, Pley vnnd Kupffer obgemelte vier jare verkauffen, verfuren vnnd damit handlen 
mögen nach jrem gefallen vnnd fromen, wie jnen gelegen sein wurdt, one menniglichs 
Verhinderung. Aber nach aussgang der vier jare sollen sie vnns vnsernn erben vnnd 
nachkhomen alle gemachte Silber jnn vnser Camer schuldig sein zuantwurtten, vnnd wie 
die geprandt werdenn, die Marek fein Silber nach aussweysung der geschworn prob 
Nurmbergisch gewicht vmb Neun floren Reinisch Muntzs mit gutter landtswerung den 
floren zu funffzehen batzen zubezalen. Vnnd wan sie in vnser Camer silber antwortten 
vnnd dasselbig geprobirt vnnd gerechnet ist, Soll jnen vonn vnserm verordnetenn Ampt- 
man oder einnemer von stunden jnn zwen oder dreyen Dagen, dagegen die Bezalung on 
Verzüge geschehen, doch das vnser geburender Zehendt dauon abezogen werde. 

Unnd dieweyl sie vnns nach aussgang der gemelten vier jare alle gemelte Silber 
als jrem hern vnnd Landtsfursten jnn vnser Camer antwortten, wie sie zuthun schuldig 
sein sollen, So w*ollen wir sie doch mit jrem pley, so sie nach aussgang der vier jare 
machen werden, wiederumb begnaden, vnd den Pleykauff hiemit begeben vnnd ganz frey 
nachgelassenn haben, Also das sie dasselbig mugen verfuren vnnd verkauffen nach jrer 


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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz. 


311 


gelegenheit one meniglichs Verhinderung, wurden sie aber Rohe oder vngeschmeltzt Pley 
ärtzt oder Schlich 1 ) verkauffen, das doch nit beschehen soll, es sey dan durch vnsern 
Bergvogt oder probierer zuuor probirt vnnd mit vnserm willen zugelassenn, dauon sollenn 
sie vnns vnsemn erben vnd nachkhomen vnsernn gebührenden Zehenden schuldig sein 
zugeben, vnnd wie dewer sie den Centner Ärtzt oder Schlich verkauffen denselbigen 
werdte sollenn sie zu allenn Zeyttenn one Verzüge vnserm verordnetenn Amptman oder 
einnemer Reichenn vnnd Zustellenn. Wo wir aber zu vnser notturfft Pley wurden be¬ 
durften, So wollen wir vnns hierin beuorbehalten haben, das sie vnns das Pley für 
menniglich jnn dem Kauft vnnd werdt, wie andern gegen barer bezalung volgen 
vnnd zusteen lassen sollen. Wurde man aber auss gotlicher verleyhung kupffer Ertzt 
erbawen vnnd daraus kupffer machen, So sollen sie vnns vnsemn erben vnd nach¬ 
khomen denn Zehenden dauon zugeben schuldig sein, wie hieuor gemeldet, Aber so 
ein ansehenliche anzale oder Summa des kupffers gemacht wurde, da wollen wir vnns 
denn kupffer kauff auch Vorbehalten habenn vnnd nach gelegenheit vnns mit jnenn denn 
Gewercken des kauffs vergleichen n, Wo aber kein Namhaffte summa kupffer gemacht 
wurde, So wollen wir jnen diesen kupffer kauff auch nachlassen vnnd freyen vnnd allein 
vnsers geburenden Zehendts gewertig sein. 

[3.] Zum drittenn, wo auch durch gotliche verleyhung goldt geng entplost oder 
Seuffenberg*) gearbeit vnnd golt gemacht wurde, Wollen wir die gewercken dess Zehendts 
auch vier jare lang befreyen, Aber alles golt, so sie machen werden, sollenn sie jnn vnser 
Camer schuldig sein zu antwortten, vmb welchen goltkauff wir vnns mit jnen den Ge¬ 
wercken vff die fein nach gelegenheit gnediglich vergleichen wollen. 

[4.] Zum viertten das wir vnsern erben vnd nachkhomen allen jetzigen vnnd zue- 
kunfftigen Gewercken zu Emdorff alles holtzs wass sie des zu jren gebewen der Zechen, 
Kauften*), Stollen, Pochwerchen 4 ), Schmeltzhütten, Kolheuseran vnnd andern notturfftigenn 
gebewen des Berckwercks vnnd zum Brenholtzs bedurften auff vnsernn weiden vnnd 
holtzemn beuants Ampts Parckstein vnnd andern ortten vnns zustendig zunemen ver- 
gunnen wollen, vnnd an gelegenen ortten, ein stuck waldes ausszaichen vnnd verzaichen 
lassenn. Das soll vnser Berckmeister zuverwalten in beuelch haben, vnnd einem jeden 
Berckman zu seinen gepewen nach gelegenheit der gebure holtz der notturfft geben auch 
Brenholtz volgenn lassenn. Was sie aber holtz zu kolenn, Rösten, vnnd zum abtreyben 
bedurften wollenn wir jnen auss vnsemn weiden die gemelte Zeit vmb einen Zimlichenn 
waldt Zinss auch volgenn lassen, Also das sie vnns vonn einer lachter kolholtzs die drey 
Erbendörffer eien lang vnnd prait ist, so zum Berckwerck zum schmeltzen, Rösten vnnd 
abtreyben gebraucht wurdet Zinss raichen vnnd geben einen schwerdt groschen oder sechs 
alt pfenning vnnd nicht mehr. 

Wo aber ann andern orttenn vnsers Furstenthumbs der obemn Pfalntzs bergwerck 
endtstundenn Aida wir jnn der nehe keine weldt noch beholtzung hattenn vnnd also die 
gewercken, damit nicht versehenn kundten, so soln sie sich dann derselben ort selbs mit 
notturfftigem holtze bestellenn. 

[5.J Zum funfften geben wir allen denn jhennigen, Es sein jnwoner oder auss- 
lender so notturfft zu vuderhaltung vnnd befurderung vnsers Berckwercks ab vnnd zu- 
furen auff wasser vnnd landt treybenn oder tragen, es sey speyss oder drauck Wein, prott, 
Pier, fleysch, Vieh vnnd Fisch, Saltz, vnschlicht, Eysen, wullen vnnd leynnen tucher vnd 
alle ander dergleichen notturfft nichts aussgenomen diese begnadigung vnnd das recht 
das sie solch jr gewerbe one alle Schätzung, Maut vnd Zoll mit furen treyben vnnd dragen 
jnn vnsern landen vnuerhindert haben sollen vnnd mugen, Doch das sie des was sie 
vnserm Berckwerck also Zufuren treyben vnd dragen, vonn vnserm verordneten Berck- 
amptman oder Berckmeister ein offen urkhundt vnder jrem Bitschafft haben das solche 
notturfft vnnd wäre, zu vnserm Berckwerck derselben verwandten vnnd sunst nirgent 
anderswo bey schwerer straff vnnd verlierung gemelter wäre verhandtirt werden solle an 
den Meutten vnnd Zollen für Zu Zeigen, Damit vns vnser Camergut nit vergebenlich 
entzogen, Vnnd kein furkauff noch andere handtierung damit getrieben werde. 

Bayer. Forschungen, VII, 4. 21 


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312 


Karl Brunner 


[6.] Zum sechstenn Geben wir allen gewercken, es sein jnwoner oder ausslender 
so auff vnsercn Berckwerck Erbendorff wonen, vnnd Namhaffte theyl Als Nemblichen 
Sechs Zehen Gukuss 6 ) oder theyll jnn einer oder mehr Zechen bawen, diese begnadigung 
vnnd das recht, das dieselbigen gewerck aller Zinss, stewer, frönen oder Robat vnd ander 
Schatzungen on geuerde Auch alles vngelts vonn wein vnnd pier oder anderes gedrancks, 
Dessgleichenn des hör Zugs ausserlandts, frey sein vnnd damit nit belegt werden. Darzu 
sollen auch alle Bergamptleuth hewer 6 ), Hespler 7 ), Schmeltzer, wescher, Pergkschmit, koler, 
Holtzknecht vnnd alle ander Berckarbeitter so z,\im Berckwerck gebraucht vnnd das 
Berckwerck helffen furdern gleicherweiss gefreyt, doch wo wir jnen jn anliegenden landts- 
nötten gegen vnsem feinden oder landts beschedigung zu wiederstandt vnnd vmb rettung 
willen derselbigenn vnserer landt vnnd leuthe auffgebutten sollenn sie vnns biss vff vnser 
landtgreintzen muglichen beystandt vnnd hielff thun wie andere getrewe vnderthanen vn- 
wiedersprechlich gehorsam leysten. 

[7.] Zum Siebenden sollenn alle bergleuth vnnd Berckarbeyter auch wer zum 
Berckwerck gehörig oder ein Berckwercks verwandter ist, wie hieoben gern eit die freiheit 
haben, das vnsere pfleger zum Parckstein Richter Bürgermeister vnnd Rahte zu Erben¬ 
dorff mit jnen allenn in Berckwercks Sachen kein verbott noch gebott zuthun noch jnen 
gebieten oder zuschaffen haben, allein wir oder vnsere verordnete Berckamptleuthe die 
dessen vonn vns beuelch haben denn sollen sie vonn vnsern wegenn geburliche ge¬ 
horsam laisten. 

[8.J Zum Achtenn mag ein jgliche Redliche persoue die nicht mit vbel that be¬ 
rüchtigt noch bezuchtigt wurdet, ein frey sicher glaidte auff diesen Bergwerck vier wochen 
nach einander haben, Doch ein jgliche mans oder weybs personen sein vrsach warumb 
sie das glaite beger vnserm Berckmeister oder Beuelchhaber gruntlichen anzeigen vnnd sich 
glaitlich bey dem Berckwerck vund jedermau vnschedlichenn haltenn, Vnnd nach denn 
vier wochenn mag einem jglichenn auff ferner ansuchen seiner notwendigen Sachen vnnd 
der gelegenheit ferner glaidte mitgetheilt werden, Aber vnsere landsfeinde bescliediger 
vnnd die so vnsere landts hulde nit haben denen wollen wir keines glaits noch Sicher¬ 
heit gestatten. 

[9.] Zum Neundten gebenn wir jnen diese freyheit das alle vnnd jgliche Gewercken 
diss Berckwercks mit jren heusem vnnd allen andern jren hab vnd guttern die sie mit jn 
bringenn oder alda vberkhomenn wo jr einer oder mehr da nicht lenger bleiben vnd sich 
an andere ort wenden wolte, das er oder dieselbigenn nach bezalung aller seiner schulden 
die er mit wissen vnsers Berckmeisters vergnügen soll als dan mit verkauften, % versetzen, 
vbergebenn oder jnn ander erbar wege mit seinem hab vnnd gut seinen fromen schaffen 
das jeder seins gefallens frey vngezwungen vnd vnuerhindert abkhomen vnd seiner 
Besserung wartten muge. 

Diese vnsere oben begriffene Berckwercks freyheit wie die mit jren artickeln 
vnnd punctenn vonn wort zuwortten lautet, die wollen wir auch auff vnser pley Berck¬ 
werck zum Schwader weyer 8 ) vnnd Tantzfleckh genant so weit sich dasselbige jnn vnser 
Herschafft vnnd gebiette erstreckt denselbigen gewercken vnnd allenn bergleuthen so 
Aida Berckwerck bawen, vnnd arbeitten jnn krafft diss brieffs bewilligt vnd gegeben 
haben Aussgenomen den Zehendt von dem gemachten Schlich oder wan sie Pley darauss 
machen, vnns vnsern erben vnd nachkhomen vorbehaltenn haben, Dieweyl wir das Puch- 
werck, wesch vnnd Schmeltzoffenn sarnpt dem geplöss mit allem gezeuge vnnd anderer 
notturfft bawen vnnd machen habenn lassen, Auch mit dem holtz entgegen begnadenn 
wie hieuor gemelt vnnd begriffenn ist, Ferner diew-eil wir das Pochwerck für vnnd für 
mit gezeug vnnd ieglicher notturfft versehen lassen wde es dann die arbeit erheischen 
wurdet, So sollenn vnns all vnnd jgliche Gewercken so dar jnnen puchen, weschen vnnd 
schmeltzen vonn einem jeden Centner Schlich wen sie den verkauften, dergleich vonn dem 
Centner geschmelzt pley zu Hutten Zinss dagegen schuldig sein zugebenn zwolff alt pfenning. 
Wo aber einer oder mehr der jnn der puchhutten arbeit auss mutwillen oder nachlessig- 
keit an der puchhutten oder an dem gezeug schaden thett der oder dieselbigen sollen den 
schaden bussen vnnd darzu gestrafft werdenn. 


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Zur Geschichte des Bergbaues bei Erbendorf in der Oberpfalz. 


313 


Weytter dess schurffgelts®) halb wollen wir das ein jeder welcher auff vnsernn 
geburgenn vmb Erbendorff auch an anderen orttenn vnsers landts jnn der Obernn Pfalntzs 
einen Newen vnuerschrottenen 10 ) ärtztgang zum ersten emplossen, das der Centner ärtzt 
ein lott Silber haltenn wurde. Also das es ein streichender fündiger gang 11 ) sey vnnd 
Zwen oder drey kubell ertzt nach zu schlahen ist, auss vnser Camer zu Schurffgelt, drey 
guldenn. Vonn Zweyen lotten sechs gülden von dreyen lotten neun gülden haben. Vnd 
also für vnnd für nach vermugen des gehalts einem jedem gleichmessige anzalle des 
Schurffgelts one Verzüge ervolgeun soll, biss vff ein marckh sielber dauon wir acht vnnd 
viertzig guldenn gebenn wöllen, Wass aber an dem gehalt vber ein marck läufft dauon 
wollenn wir nit mehr schurffgelt zugeben schuldig sein, doch denn gemelten Gewercken 
an zwen erschurfften klufftenn vnnd gengen, Auch Myetungen vnnd verleyhungen nach 
alten Berckwercks gebreuchenn one entgelt. 

Vnnd wo jemandt wie vorlauth einen newenn Pley gang emplöst dauon zu einem 
Rost ärtzt gehawen dasselbige schmeltzen wurdet. So ferr desselbenn ertzt vngeuerlich 
einer spann breit ganghafft am stein bliebe, dem verhaissen wir hiemit zu schurffgelt vnnd 
geschenck funff vnd zwanzig guldenn vngewaigert vss vnser Camer zu geben. 

Wir habenn auch ein Berckwercks Ordnung nachgelegenheit der Berckwerck fur- 
genommen vnd zuhaltenn entschlossen, Welche neben dieser vnser freyheitjnn allenn jreu 
artickeln trewlich volzogeu werdenn solle. 

Dass aber solche Berckwercks freyheit begnadung vnd bewilligung wie die jres 
jnhalts durch vnns vnnd vnser erbenn vnnd nachkhomen begrieffen vest vnd vnuerbruchen- 
lich one alles geuerde gehalten, Auch alle jtzige vnnd zukunfftige gewercken dabey gne* 
diglich handtgehapt beschützt vnnd beschirmbt werden, So gebieten wir heruff vnserm 
Vitzthumb vnnd verordneten Rethen auch allenn Amptleuthen, pflegern, landtrichtern, 
Bergmeistern vnnd andern so von vns beuelch haben darzu vnsern vnderthanen vnd ver¬ 
wandten bei jren pflichten, damit sie vns verwandt sein ob dieser vnser begnadigung vnnd 
Bergwercks freyheit vestiglich zuhalten vnnd niemandts gestatten noch sie selbst dawieder 
zuthun heimlich oder öffentlich jnn keinen wege, noch weise bey vermeydung vnser 
schweren vngnade, Wo aber einer oder mehr darüber befunden die dawieder thettenn odea 
handletten der oder dieselbigen sollen schwerlich vnnd ernstlichen von vns gestrafft werden, 
Alles vngeuerlich. Dess zu vrkhundt haben wir vnser Secret heran zutrucken verschafft 
Datum zu Augspurg vff Cathedra Petrij, den zwen vnd zwanzigsten Februarij Anno Dominij 
Dausend funffhundert vierzig acht 

Anmerkungen. 

*) Schlich, das zu Pulver zerstampfte Erz. 

*) Seuffenberg, Seifengebirge, Sand-, Geschiebe- oder Lehmablagerungen, aus 
denen Metalle (bes. Zinnerz und Goldkörner) oder Edelsteine durch Ausseifen (Aus¬ 
waschen) gewonnen werden können. 

8 ) Kautte, Kaue, Hütte über dem Schacht, auch nur Schirmdach gegen die 
Witterung. 

4 ) Pochwerk, Puchwerk, Vorrichtung zum Pochen (Zerstampfen) des Erzes. 

h ) Guck es (böhm. = Kukus) Anteil am Bergwerk. 

°) He wer, Häuer, Hauer = Erzhauer im Bergwerk. 

7 ) Hespler, Haspler, der das Erz mit der Haspel aus dem Schacht heraufzieht. 

8 ) Schwaderweyer. Der Name dürfte von Schwaden, den aus den Gruben 
aufsteigenden, gefährlichen Dünsten, abzuleiten sein. 

®) Schürften, schürfen, den Minerallagem nachgehen und sie aufdecken. 

10 ) Unverschrotten, noch nicht ausgebaut. 

*') Streichender, fündiger Gang, ein sich in die Länge ziehender, erzhal¬ 
tiger Gang. 


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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg 

pro 1805|6. 

Von 

Ludwig Fahrmbacher. 


Durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 § 2 0 wurde dem 
Kurfürsten von Pfalzbayern — zur Entschädigung für die durch den Luneviller Frieden vom 
9. Februar 1801 *) Art. VI und den Pariser Vertrag vom 24. August 1801 Ziff. 2*) verlorene 
Rheinpfalz und seine auf dem linken Rheinufer gelegenen Herzogtümer und Herrschaften — 
unter anderem auch das Fürstbistum Bamberg zugewiesen. Mittels Patents vom 26. No¬ 
vember 1802 liess der Kurfürst Maximilian Joseph durch die Person des Freiherrr 
von Hompesch als seinen Generalkommissär von diesem und den anderen erhaltenen 
Territorien im fränkischen Reichskreise für sich und sein Gesamthaus Besitz nehmen 4 ). 

Mit der damals unter dem Staatsminister Grafen von Montgelas herrschenden 
schöpferischen Thatkraft ging es sofort an die staatliche Ordnung dieser fränkischen Be¬ 
sitzungen, unter denen das Bistum Würzburg und das Bistum Bamberg die bedeutendsten 
waren und daher die Krystallisationspunkte für die Organisationen wurden. Schon unterm 
23. April 1803 erschien ein kurfürstliches Reskript über die Organisation der fränkischen 
Fürstentümer, worin Graf Thürheim als Landesdirektionspräsident und als ausserordent¬ 
licher Generalkommissär für beide Fürstentümer aufgestellt und die Aufhebung aller bis¬ 
herigen geistlichen und weltlichen Landes-Justiz- und Administrativstellen nebst den unter¬ 
geordneten besonderen Kommissionen verfügt wurde 6 ). Unterm 9. Mai 1803 wurde dann 
eine Bekanntmachung des kurfürstlichen Landeskommissariats in Franken zu Würzburg 
veröffentlicht, wodurch die neue Behördenorganisation getroffen wurde *). Darnach wurden 
zur Besorgung der Regierungs- und Administrativgegenstände zwei Kollegien unter dein 
Namen „Landesdirektionen“ errichtet, wovon die eine in Würzburg, die andere in Bam¬ 
berg ihren Sitz hatte. Das Personal der neuen Kollegien wurde durch die Geuerallandes- 
direktion unterm 14. Mai 1803 bekannt gegeben 7 ). Die äusseren Behörden wurden, wie 
in den altbayerischen Provinzen, durch die Verordnung vom 24. März 1802 (Churpfalz¬ 
bairisches Regg.-Bl. 1802 S. 236) auch im Fürstentum Würzburg und ebenso auch im 
Fürstentum Bamberg in Landgerichte und Rentämter eingeteilt 8 ). Die Rentämter lieferten 
ihre Einnahmen, soweit sie dieselben nicht zu eigenen Ausgaben zu verwenden hatten, an 

*) Döllinger, Vdg.-Slg. I, S. 133. 

*) Ebenda S. 118. 

8 ) Ebenda S. 121. 

4 ) Churpfalzbarisches Regg.-Bl. 1802, LI. Stück, S. 882. Regg.-Bl. für die Chur- 
bairischen Fürstenthümer in Franken, I. Stück v. 1803, S. 3. 

a ) Reskript des Kurfürsten Max Joseph IV. vom 23. April 1803 an das General¬ 
kommissariat in Franken, die Organisation der fränkischen Fürstentümer betr., Regg.-Bl. f. 
d. churbairischen Fürstenthümer in Franken 1803, XVIII. Stück, S. 85. 

8 ) Ebenda S. 89. 

7 ) Ebenda S. 93. 

•) Regg.-Bl. f. d. churpfalzbairischen Fürstenthümer in Franken 1804, S. 243 u. 273. 


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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. 315 


die Hauptprovinzialkasse ab (S. 246 a. a. O.). Für das Fürstentum Bamberg bestand diese 
Kasse in Bamberg ®). Als Rentämter (welche sich sämtlich an den Sitzen der Landgerichte 
befanden) wurden errichtet: Bamberg rechts der Regnitz, Bamberg links der Regnitz, 
Hallstadt, Schesslitz, Burgebrach, Höchstadt, Lichtenfels, Weissmain, Banz, Gleusdorf, 
Ebern, Forchheim (Vorchheim), Neunkirchen, Ebermannstadt, Waischenfeld, Pottenstein, 
Kronach, Stadtsteinach, Teuschnitz, Lauenstein (S. 274) 10 ). 

Von dieser Provinzialkasse in Bamberg fand sich jüngst durch einen Zufall die 
„Hauptkassa-Rechnung des Fürstenthums Bamberg“ pro 1805/6 vor, welche in mehrfacher 
Beziehung von Interesse ist. 

Sie zerfällt in zwei Teile: in Einnahmen^ und Ausgaben, und zwar je in ordent¬ 
liche und ausserordentliche. 

Einnahmen. 


Ordentliche Einnahmen: 

I. Überschüsse von den Rentämtern 

1. Von den allgemeinen Rentämtern . 

2. Von den besonderen Rentämtern 

(Kollegial-, Tax- u. Expeditionsämter, 
bei Landes - Direktion, Oberappell¬ 
gericht, Hofgericht, Provinzialetats- 
Kuratel, Geistlichem Vikariat) . . . 

II. Gefälle aus der unmittelbaren Perzeption 

1. Aus Staatsauflagen 

a) Nachsteuer, Judeuleibzoll, Schutz- 
u. Gänsegeld nebst andern Auflagen 

b) Beiträge der Gemeinden und milden 
Stiftungen zur Erhaltung der 
obersten Administrationsbehörden 

2. Staatsregalien. 

3. Aus Staatsgütern. 

4. An Ritterlichendienst-Surrogatgeldern 

adeliger Vasallen für den letzten 
Reichskrieg. 


1*259.446 fl. rhein. 32 kr. 

44.030 „ „ 29V.„__ 

1 '3°3-477 1 7» kr- 

2.361 .. 37 

16.193 „ „ 3 

94« - .. — .. 

14-957 .. .. 29V* „___ 

34-453 A- 9 8 /«kr. 
Ordentliche Einnal? meti «'337.930 fl. io 7 /#kr. 


Ausserordentliche Einnahmen: 

I. Gefälle aus inneren Provinzialverhältnissen 
1. Aus verkauften Staatsgütern 

a) des vollen Eigenthums.448.307 fl. rhein. 41 l jt kr. 


b) des Obereigenthums . . . 

2. Von dem Aktivkapitalienstande 

166 „ 

» x 5 .. 



a) Abzinsen von Aktivkapitalien . . 

16.630 ,, 

54 '/« - 



b) eingezogene Aktivkapitalien . . . 

350.822 „ 

- 6 1 /» „ 



3. Aufgenommene Kapitalien .... 

50 ° 

,« - 






816.426 fl. 56 7 /b kr. 

II. Gefälle aus äusseren Provinzial Verhältnissen 





1. Vertragsmässige Beiträge von benach¬ 
barten Reichsständen. 

«•569.. 

0 4 

1.569 fl. 

4 kr. 

Ausserordentliche 

Einnahmen 

817.996 fl. 

7 /h kr. 


Sa. der Einnahmen 

2*155.926 fl. 

11 s /4 kr- 


•) Argum. aus der Einrichtung f. Würzburg, Fränk. Regg.-Bl. 1803, S. 151. — Alle 
Provinzialkassen gingen in die jetzigen Kreiskassen über, Regg.-Bl. 1808, S. 1740 § 5. 
lü ) Es wird ausser obengenannten noch Tambach und Zeil aufgeführt. 


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Ludwig Fahrrabacher 


316 


Ausgaben. 

Ordentliche Ausgaben: 

I. Auf Besoldungen 

1. Bei den Kollegien (Landesdirektion, 

Oberappellationsgericht, Hofgericht) . 143,025 fl. rliein. 

2. Bei den centralisirten Behörden und Be¬ 
amten gen (Landeskommissariat, Forst¬ 
inspektionen , Provinzial - Hauptkasse, 

Provinzial-Land- und Wasserbauamt, 
Strassenbaudirektion, Oberstudienkom- 


missariat) . 

21.085 >. 

„ 97 s kr. 

* 

3. Gehaltszulage zur Entschädigung . . 

13-547 „ 

23 „ 


II. Auf Pensionen 

1. Pensionen der Quiescenten .... 

12.376 „ 

v 6 ,, 

177.6570. 33 kr. 

2. Pensionen der Wittwen und Waisen 

»•693 

„ 30 „ 

14.069 fl. 36 kr. 

III. Auf Regie 

1. Aus innern Provinzialverhältnissen (Re¬ 
gie der Kollegien, der centralisirten 
Behörden, besonderen Rentämter; Er¬ 
haltung allgemeiner Staatsanstalten (wie 
Erziehungsanstalten), Wohlthätigkeits- 
anstalten, Sicherheit, Gesundheit) . . 

160.269 „ 

.. 43•/•.. 


2. Aus äusseren Provinzialverhältnissen 
(Reichs- und Kreisanlagen) .... 

18.102 „ 

»* 57 »» 



178.372 fl. 40*/« kr. 
Ordentliche Ausgaben 370.099 fl. 49*/« kr. 

Ausserordentliche Ausgaben: 
I. Für ausserordentliche Besoldung . . . 

9.000 „ 

»» ^ >» 


II. Ausserordentliche Pensionen 

Aus der Säcularisation (dem Fürst¬ 
bischöfe 22.500 fl., den Prälaten, Äbten 
u. Abtissinen, den Klosterkonventualen 
und Klosterfrauen, den weltlichen Be¬ 
amten der säcularisirten Stifter und 
Klöster). 

451835 

41 */« .. 


III. Ausserordentliche Staatsregie (Erwerbung 
von Besitztungen, Einquartierung, Ein¬ 
richtung für S. Durchlaucht Herzog 
Wilhelm von Bayern, Münzverlust) 

11.297 „ 

.. i*/t 


IV. Auf den Provinzialschuldenstand (Zinsen 
von Passivkapitalien, Zurückzahlung der 
Passivkapitalien. 

189.866 „ 

„ 58 v» „ _ 



Ausserordentliche Ausgaben 661.999 fl. 4 * 7 « kr. 

Sa. der Ausgaben 1 *032.099 fl. 30®/« kr. 


Abgleiohung. 

Einnahmen .... 2*155.926 fl. n 8 /* kr. 
Ausgaben.1*032.099 fl. 30 6 /« kr. 


bleibt Bestand 1*123.826 fl. 41 7 » kr., 
welche an die Zentralstaatskasse in München abgeliefert wurden* 

Aus vorstehendem Bilde ergeben sich folgende historisch interessante Thatsachen: 


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Eine Rechnung vom Fürstentum Bamberg pro 1805/6. 317 

a) Damals war das Schuldenwesen noch nicht von der Finanzverwaltung für den 
laufenden Staatshaushalt getrennt 11 ). 

b) Die Erwerbungen und Veräusserungen an Staatsrealitäten wurden nicht geson¬ 
dert verrechnet, wie jetzt 

c) Die Säkularisation hatte grosse Lasten zur Folge. 

d) Der Aufbau der Rechnung ist im Prinzipe schon derselbe wie bei der jetzigen 
Kreiskassa-Rechnung, dass sie nämlich nur die Aktivreste der Rentämter auf- 
nimmt und auch nur diejenigen Ausgaben bestreitet, welche nicht bei den 
äusseren Behörden anfallen. 

e) Die Provinzialbehörden kosteten den grössten Teil der Staatseinkünfte, sodass 
für die eigentlichen Staatsbedürfnisse (Förderung der Wohlfahrt) sehr wenig 
übrig blieb; dies ist jetzt anders. 

f) Das Wort „Regie“ bildete den Gegensatz zu Besoldungen und bedeutete nicht 
bloss die sachlichen Bedürfnisse der Behörden, sondern den Gesamtbedarf für 
die Einrichtungen und Massregeln der Zivilverwaltung, welche dann als Staats¬ 
anstalten bezeichnet wurden. So ging der Ausdruck auch in die ersten Budgets 
der konstitutionellen Zeit über 1 *). 

n ) Eigene Fonds zur Dotierung der Schuld wurden erst gemäss der kgl. Vdg. 
v. 8. Juni 1807 Z. 4 (Regg.-Bl. S. 977) gebildet, aber noch als Provinzial-Schuldfonds, bis 
1811 die Zentralisierung kam (Regg.-Bl. 1811 S. 1065). 

'*) Ges.-Bl. 1819 S. 239. 


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Kleinere Mitteilungen. 


Des Regensburger Rektors Zippelius Bemühungen für die 
deutsche Sprache. 

Vom Jahre 1712 bis 1747 war Magister Christoph Zippel Rektor des evangeli¬ 
schen reichstädtischen Gymnasium poeticum zu Regensburg. 1 ) Zedier*) widmet dem ver¬ 
dienten Schulmanne einen Artikel, aus dem hervorgeht, dass er, zu Langenau bei Görlitz 
am 17. Dezember 1678 geboren, 1705 in Leipzig habilitierte und 1711 nach Regensburg 
kam, wo er am 3. März 1747 starb. Seine Werke, teils philosophische, teils (wie seine 
Periodologia, i. e. doctriua de periodorum structura et omatu, Ratisponae 1714. 150 S.) 

pädagogischen Inhalts sind allenthalben verbreitet. Sehr selten dagegen finden sich selbst 
in grossen Bibliotheken, wie in München, seine zahlreichen Schulprogramme und Schul¬ 
festschriften (an 60), in denen allen er sich als bewährten Pädagogen erweist. Kraftvoll 
tritt er (1730) für das Studium des Griechischen ein, ebenso (1728) für die geistliche Be¬ 
redsamkeit, und vor allem verteidigt er (1725) die deutsche Sprache 8 ) und 
ihr Studium in warmen Worten. 

Doppelt hoch dürfen wir diese Bestrebungen des einsichtsvollen Schulmannes 
schätzen, wenn wir sie mit zahlreichen gegenteiligen seiner Zeitgenossen Zusammenhalten. *) 

Unter anderm hat Zippel einige seiner Programme der steinernen Brücke zu 
Regensburg gewidmet. Kleinstäuber in seiner Geschichte dieses Bauwerkes 8 ) nennt 
unter seinen Quellen seine Programme von 1733, 1734 und 1735, sowie jenes von 1737 
als liieher bezüglich. 

Da ich durch die Gefälligkeit meines verehrten Kollegen Herrn Dr. Hermann 
Stadler eine grosse Reihe der überaus seltenen, fast überall fehlenden Programme 
dieses Regensburger Humanisten zur Verfügung gestellt erhielt, mag dasjenige von 1725, 
welches so nachhaltig für die deutsche Sprache eintritt, hier zum Abdrucke kommen. 
Es ist die übliche Einladung zur „lustratio verna“, welcher die erwähnte Abhandlung „D e 
1 i 11 g v a p a t r i a“ (Typis Hofinaunianis) angefügt ist Sie lautet: 

Vim mentium opacam, quam Germanis audacter Bnrclaitis Icon. Animorum Cap. V. 
exprobrat, tarn ftrenue hi a l’e auioliti funt, ut nulla fuperiit eruditarum artiurn, in qua 
feliciter excolenda perfpicax et acuta uis mentium eosdem hactenus deftituerit. Linguarum 
a inprimis ftudio decus immortale conlecuti funt: cui uis opaca mentium adeo non fufficit, 
ut fi linguas saltim orientales et eruditas fpectes, maior non raro in iis, qui prae Ger¬ 
manis fibi fapere uidentur, opacitas appareat. Multum tarnen hoc Gernianorum gloriae 
derogat quod peregrinarum linguarum ftudioli fuam plerumque negligunt Pipire uix, 
ut ita dicam, infantes utriusque fexus incipiunt: cum Gallorum et Italorum linguis adiuefcere 
coguntur. Tantum abeft, ut inftitutum hoc per omnia inprobem; ut potius, fi commer¬ 
cium cum his populis refpiciam, maxime proficuum et neceflärium illud cenfeam. Non 
enim ominis aliquid huic rei fubeffe credo: quemadmodum Chaldaei quondam, imperium 
Perfarum ad Graecos tranfiturum effe, interpretati funt, cum Darius in principio iinperii 
uaginam acinacis Perficam inutari iuffit in eam formam, qua Graeci utebantur. Pro ratione, 
ut in reliquis, ita in hac quoque cauffa eft necefßtas. Oftentationis autem et cominen- 
dationis apud imperitos et delicatulos quod tantummodo rationem habet, pro nihilo eft: 


*) Kleinstäuber Christ Heinr., Ausführliche Geschichte der Studienanstalten 
in Regensburg in „Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg.“ 
35. Band (1880) S. 1—152 und 36 Bd. (1882) S. 2—141. Über Zippelius s. XXXVI, 
34 Nr. 19. 

*) Universal-Lexikon, Band 62 (1749) S. 1530. 

3 ) De lingva patria in scholis pvblicis excolenda. (Ratisponae Typis 
Hofmannianis.) 

4 ) Vgl. Forschungen, Band IS. 11. 

5 ) Verhandlungen des historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg, Band 
33 (1878) S. 195—249 (Geschichte und Beschreibung der altberühmten steinernen Brücke). 
— Abgedruckt finden sich die Gedichte im zehnten Bande (1846) der „Verhandlungen des 
historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg“ S. 393—408 von Heinrich Schuhgraf. 


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II 


Kleinere Mitteilungen. 


maxime ii patrii fermonis cura prorfus abiicitur. Ita quidein, ut Plinius Lib. IIX. Ep. XX. 
ait, natura comparatuui eft, ut proximorum incuriofi longinqua fectemur: recte tarnen 
Pindarus genus hominum uaniffimum effe iudicat. quod, patriis neglectis, remota circum- 
fpicit, Pythion. Od. III. Peruulgatus inprimis Germanorum fcholas hic error occupauit, ut 
linguarum, quas eruditas appellamus, ftudio detentae patriam excolere religioni fere fibi 
ducant. Quanta uero cum neceffitate atque utilitate Germanicae linguae ftudium, in fcholis 
potiffimum publicis, coniunctum fit, tarn manifeftum eft, ut hoc destitutae et fibi et rei- 
publicae non fatis confulere uideantur. Pulcrum certe, imtno maxime neceffarium eft, 
genuinam uocum fignificationem perfpectam habere atque cognitam. Quot uero illorum 
funt, qui rationell! huius poffunl reddere? Exemplo eft prae caeteris Germanica Sacri 
Codicis uerfio, quam tanto ftudio D. Lutherus adornauit, ut iudicium, quod Parnaffi Boici 
Autoren P. IX p. 204 . feq. de ea tulerunt, nihil eidem inter rei peritos et fine partium 
ftudio res quaslibet diiudicantes uiros adimat. Multae in hac occurrunt uoces, quaruin 
fenfum perueftigare omnium intereft, quos unicam illam et iudubitatam ueritatis diuinae 
regulain fequi aeternae falutis cura iubet. Vtilifliniam hac in re operam Vir eruditiffimus, 
indagator antiquitatum folertiflimus, Didericus von Stade , Archiui Ducatuum Bremae et 
Verdae Curator oliin dexterrimus, praeftitit, cuius Explanatio uocum Germanicarum, in B. 
Lutheri Verjione Bibliornm quae occurrunt , Bremae A. 1724 in 8 . prodiit, digna profecto, quae 
in fcholis potiffimum publicis in confilium adhibeatur, ut rnature iuuentuti uerus uocum 
fenfus innotefcat. Hic ipfe Diedericus von Stade eft, qui Specimen Lectionum antiquarum 
Francicarum ex Otfridi Monachi Wizanburgenfis Libris Euangeliorum etc. cum interpretatione 
Latina f Stadae A. MDCCVIIL in. 4 . edidit, fpemque Gloffarii Francici plenioris Orbi litterato 
fecit, quod una cum Etvmologico MSto morte praeuentus praelo fubiicere non potuit. 
Habet igitur, cur impenle fibi gratuletur Germania de Viri Confultiffimi, Jo. ChriCliani 
Simonis f Argentorat. ICti, Liberaeque Ciuitatis Imperiaiis Campodunenfis Syndici, eruditionis 
limatioris gloria praeftantiffimi, opera, quam edendo tribus Tomis Celeberrimi Jo. Schitteri 
Thefauro Antiquitatum Teutonicarum, diu ab eruditis defiderato, fe allaturum effe publice 
lignificauit, Vlmae MDCCXXV. f. quod inftitutum egregium Viri eruditi praenumerando 
neceffariam eidem pecuniae fummam ut pronioueant, e re procul dubio erit omnium. 
Multis nimirum per hoc illuftre opus uocibus ac loquendi formulis in foro et uita communi 
obuiis lumen accendetur, quae in obfcuro quafi delitefcunt, et ufu non fecus apud imperitos, 
ac nunnni, ualent. Robur inde nouum accipient eximii conatus, quibus indefeffo ftudio 
in linguae noftrae incunabula penetrare hactenus ftuduerunt Viri fagaciffimi et ingenio- 
fiflimi, quibusque non poteft non Phoebus Germanicus applaudere. Non minorern ex 
Linguae Germanicae Originum perueftigatione Scholae publicae utilitatem percipiunt, 
quibus Latinae Linguae ftudium ex Imperii Romano-Germanici conditione maxime coinmen- 
datum effe debet. Vid. Progr. noftrum Orationi de Romano Im per io a Germanis continuato 
praemiffum A. C. MLCCXX 1 I Ex Viri confummatifluni, Io. Ludou. Prafchii , altera potiffi- 
mum Differtatione de Origine. Germanica Lat. Linguae, qua Differtatio prior } una cum Ono- 
maftico Gennanico-Latino , aliquatenus fuppletur et explicatur , adeoque uia aperitur noua Ety- 
mologicoj cui accedit Gloffarium Bauaricum Ratisp. M DC LXXXIIX. in 4 . fatis apparet, 
quantum latinae linguae ftudiofis folidior Germanicae linguae cognitio inferuiat. Multo 
majorem curam et induftriam integri fermonis contextus poftulat: fiue aptam uocum 
compofitionem, fiue concinnam periodorum connexionem, fiue neruofam rerum elocutionem • 
lpectemus. Pofteaquam enim Lingua Germanica praeftantiflimorum uiorum ftudio ad 
tantum gloriae faftigium euecta eft, ut in omni litteraruni ac fcientiarum genere, fiue 
foluta fiue ligata oratione opus fit, aeque nitide et proprie illius, ac Graecae et Latinae 
uel alius cuiuscunque linguae idiomate Mufae loquantur: injurii profecto in patriae gentis 
gloriam funt, neque propellere a fe ignominiam et opprobrium polfunt, qui uel cum uulgo 
loqui, et lcribere fatagunt, uel ad Latinae et aliaruin linguaruin, quas in deliciis habent, 
geniurn animi fenfa pueriliter exprimunt. Abfurdani igitur illorum effe fenteutiam re ipfa 
demonftrant, qui fuam cuique uernaculam ufu quotidiano innotefcere poffe garriunt, ita ut 
praeceptis et exemplis eloquentiae minus indigeat. Ager fibi relictus, nec uomere probe 
lubactus, pro amoenis fructibus fpinas profert et carduos. Ita non poteft non afper et 
inconditus effe fermo patrius; liili creber ufus eundeni limet et expoliat. Ex quibus 
omnibus liquet, tyronum fidei fuae commifforum commodis optinie confulere fcholas publicas, 
quae una cum eruditis liuguis lolidiorem patriae notitiam et ufum, quoad eius fieri poteft, 
iis inculcant. Cum enim illa, quibus a teneris adfuefcimus. tenaciter haereant: fieri non 
poteft, quin per ommes uitae humanae ordines bene, nitide, diftincte, ac cum gratia et 
pondere loquendi fcribendique facultas diffeminetur, et reliquis palmam praeripiat, qui 
tarn uile fermoni patrio pretium ftatuunt, ut illius ignari ne familiäres quidem litteras 
exarare fine aliorum adminiculis fuftineant, limaque per omnem uitain indigeant. Habent 
tarnen, quod cauffae fuae praetexant. Illorum nituntur praeiudiciis, qui eloquentiam 
fcliolafticain ftilo potiffimum aulico ita putant aduerfari, ut eadem innutritis feniper aliquid 
adhaereat, quod fcliolam fapiat, neque uiris politicis probetur. Intempeftiua certe haec 
cura eft. Nempe non tanta munimentoruui mole feptus eft ftilus aulicus, ut nullus ipli 
prorfus ad fcholas aditus pateat. Neque dubium eft, quin fuperfluam eloquentiae fcholafticae 


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Kleinere Mitteilungen. 


III 


luxuriem facile praecidere poffint ingenia, quae naturali quadam ui pollent, et accedente 
huic iudicii maturitate, rerumque publicarum ufu, pro argumentorum diuerfitate, ä fuperua- 
cuis ueceffaria norunt difcernere. Quae uero natura ineptiunt ingenia: haec, oninibus 
omnino res prudenter inueniendi, apte difponendi, accurate connectendi et eleganter elo- 
quendi fubfidiis deftituta, nulluui uel optimi ftili aulici exempluni ita emendare poterit, 
quin loquendo et fcribendo luani prodant imperitiam. Facile quilibet, cui haec perlegere 
uilum fuerit, intelliget, illius potiffimum linguae, quae inter uiros eruditos regnat, ex 
uariis dialectis optimas uoces et loquendi formulas eruit, communisque adeo, heroica et 
dialectorum mater ac dotnina non incongrue appellatur, ufum me refpicere. Cumque 
Misnenfis et Saxoniae, quam fuperiorem uocant, dialectus puritate, perfpicuitate, maieftate, 
fuauitate et elegantia, ut Io. Boedikerus , P. Ggmrt. Sueuo-Colon. olim Rector, in Thef. fundatn. 
Germ. Linguae, Col. ad Spr. 1690 . in 8 . p. 182 . ex uero iudicat, ad huius Eruditorum linguae 
uirtutem et naturam proxime accedat, eandetnque inter Germanos, quam olim inter Graecos 
Attica, dignitatem ex plurium confenfu iamdudum obtinuerit: non impetrare facile quis- 
quam 4 fe poterit, ut stilo quem Pamaffi Boici Autores fequuutur, primas partes deferat, 
uentofasque et uanas eile uoces credat, quibus nonnulli 4 lacris noftris alieni praeter 
culpam noftram delectantur et lnperbiunt. R. 


Bayern und seine Hauptstadt im Lichte von Reiseschilderungen 
und fremden Kundgebungen. VI. 

Des Münchener Kunstgewerbes gedenkt im sechzehnten Jahrhundert rühmlich der 
bekannte Samuel von Quiche(l)berg aus Antwerpen, (Kobolt I, 532. 533. Jahrbuch 
für M. G. IV, 84.) Er urteilt (1565) in seinen „Inscriptiones *)“: „Multa etiarn de Monachi- 
ensibus sculptoribus, horologiarijs, ensifabris, bombardarum & aliarum rerum exquisitis 
artificibus dicendum, quorutn opera longissim£ ad exteros summa cum gloria perferuutur.“ 

Ein dickes Buch hat im Jahre 1863 Edward Wilberforce dem gesellschaft¬ 
lichen Leben Münchens*) gewidmet. Schon das Äufsere Münchens dünkt ihm vorteilhaft. 
(S. 2.) I think Munich is much favoured in the matter of first impressions. The majority 
of travellers corne to it in summer, when it is certainly looking its best, and the judgments 
generally passed on it are very much iufluenced by its bright cheerful look from the outside. 
My first impression of Munich was decidedly favourable, and to tliat I probably owe my 
residence. Besides beiug bright and cheerful, Munich has an advantage which cannot be 
over-estimated. 

Es kommt nämlich der Stadt zu gute, dals niemand übertriebene Hoffnungen von 
ihrer Grofsartigkeit hegt. (S. 3.) Now in this respect Munich is doubly fortunate. Few 
people have an exalted idea of it before their first visit, and they are agreeably surprised 
to light on so pleasant a place. Everything around looks so clean and fresh, all the houses 
are neat and gay from without, and the many public buildings, with their diversity of 
form and colour, produce an agreeable sense of variety. Most show-towns are apt to be 
tiriug from their sameness. After you have seen one church or one palace, all the otliers 
are mere copies or reproductions, and unless you are a Student of architecture you do 
not value the gradations through which each style ascends to perfection. You would like 
to have everything together so as to compare different schools at the same moment; 
darum (S. 4): Munich gives you just what you want. Instead of a puzzling national style, 
the considerate builder has collected copies of all the best known buildings of other coun¬ 
tries. After seeing the Pitti palace copied in the front of the Royal Palace of Munich, 
you may go to the back, and find the inside of the court chapel built on the plan of 
St Mark’s. From the Loggia of Orcagna you can get in ten minutes to St. Paul’s without 
the walls. ,,A poet himself of no mean pretensions,King Ludwig has followed the precepts 
of Horace, and succeeds in answering the requirements of the Art of Poetry ,,Modo me 
Thebis, modo ponit Athenis“. Man geniefst hier den Anblick des Neuen. (S. 6.): Few 
German cities have the same advantage in point of newness. Visitors to Munich generally 
come from some places remarkable as monuments of antiquitv, from Nuremberg, Cologne, 
or the Belgian tow-ns. And I fancy tliat much as people are impressed with old things, 
as a rule they generally prefer what is new. The old is curious and instructive, but there 
is a gap between it and your habits which you do not care to leap, and you like to live 
in the present. I asked a travelling American what he tlionglit of Venice, and his answer 
was, ,,Well, I can’t say that I care very much for them old towns.“ The feeling is per- 


*) INSCRIPTIONES | VEL TITVLI | THEATRI AMPLISSIMI, COMPLEC- 
TENTIS | rerum vniuersitatis singulas materias .... MONACHII . . . Anno M. D. LXV. 
(31 ungezählte Folio.) 

*) Social life in Munich. London. Win. H. Allen & Co. 


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IV 


Kleinere Mitteilungen. 


fectly natural, and it is perhaps more often expressed in Munich than elsewhere. Besides 
the nineteeuth Century is rather selfsufficient, and is proud of what has been produced 
during its own life. When we see Nuremberg, we say: „What splendid things these old 
fellows did!“ But in Munich it is, „one might really live here!“ The effect is pleasant 
throughout; in the new part froru the cheerfuluess, in the old part from the contrast. 
„Munich,“ says a recent traveller (Vacuus Viator „Spectator“, September 6. 1862), „sur- 
prised me more pleasantly than almost any city I ever remember to have entered.“ 

Mit Recht werden die kleinen Anlagen gerühmt (S. 9.): And yet these very trees 
and alleys which are obnoxious to King Ludwig are the pleasantest feature in Munich. 
Wohl stimmen wir auch bei, wenn es (S. 10) lieifst: And one very great addition to Munich 
is the English garden, which no visitor can fail to appreciate, and which is certainly un- 
rivalled in Europe. The flatness of the plain round Munich, and the want of pleasant 
walks, ouly make tliis promenade more necessary. 

Der prächtigen Fronleichnamsprozession widmet Wilberforee eine eingehende 
Schilderung (S. 13). Das Kapitel „Manners and Customs“ liefert allerlei Eigenartiges. Die 
hohen und höchsten Personen werden hier besprochen, die zahlreichen Uniformen (S. 21), 
Titelsucht und Orden (25), sowie die geringe Lüftung der Häuser (30) getadelt. Die Königs¬ 
treue des Volkes giebt Stoff zu einem grofsen Kapitel (32), die inneren Verhältnisse der 
Dynastie gaben stets ein Thema für Gesellschaftsklatsch, so auch unserm Verfasser. (52). 
Die öffentlichen Bauten liefern natürlich dem Besucher überreiches Material. (S. 71.) It 
is hard to know which building should be placed first in an examination of Munich. 
Murray puts the churclies at the beginning; but I am inclined to think churches are not 
the first objects of a stranger’s visit. I would rather begin witli the Glyptothek, partly 
because is was the first of King Ludwig’s buildings, partly because it has real merits, and 
is the best work of Klenze. At present the Glyptothek is seen to great disadvantage. 
The building opposite is in Corinthian style, and Stands so much higher that it attracts 
the eye. The Propyläen, which Stands (!) betweeu the two, is of a sort of Doric, and though 
somewhat massive and imposiug as you come close under the portal, is heavy and shapeless 
as a whole. The Glyptothek, on the other hand, is a really admirable work, one of the 
few modern buildings in the Greek style that give any pleasure t;o the eye. 

Kirchen, Galerien und Paläste besieht er sich genau, oft um zu seltsamen Resultaten 
zu gelangen; an der Pinakothek findet er viel zu tadeln. Den Künstlerfesten gilt (113) ein 
eigenes Kapitel; ebenso Cornelius (128) und Kaulbach. (148.) Oft trifft es freilich 
zu, wenn er sagt: „that the materials were beyond my reach“ (169). Nicht unrichtig 
ist eine Bemerkung (S. 185) über Münchens Preisverhältnisse. In Munich, the prices of 
all things seein absolutely moderate when they are relatively dear. When you are told 
that you can live for so many hundreds a-vear, you forget to ask on what scale, and 
with how much enjoyment. You do not consider that there are two kinds of value to 
every thing, its price and its worth. The fact is forced upon you by daily experience in 
many of the cheap towns on the Continent. I have met with people who thought England 
was cheaper than Munich, and who could certainly live more cheaply in England than 
in Munich. For unless you conforin to the manners of a people, you gain little advantage 
by living among them. You have to pay dearly if you import English customs, as you 
pay a high duty on English goods. By grafting an English shoot 011 a German tree, 
you only get a hybrid kind of fruit, which neither repays the cost, nor the trouble of rearing. 

Sein Urteil über unsere Restaurants (188) würde heute wohl anders lauten. Auch 
meint er „Milk and butter are in a state of barbarism.“ Die Eisenbahnen scheinen ihm 
„still in the elementary stage“ (199), und er schliefst das Kapitel über dieselben (S. 213): 
„The railway Station is the place where the character of the town is first displayed“ and 
so on. If this be true, the character of Munich is certainly well shown in its railway 
Station. When the passenger who arrives has to get out in the rain and walk in it a 
hundred yards before reaching the covered hall, which is filled up with the goods- 
waggons, he may cast a hasty glimpse up to the frescoes, and ask why they are not 
turned iuto a covering against the rain. And the parting guest who has learned the 
character of Munich, will hardly need the.further instruction afforded by a Station in 
which the frescoes are placed in the hall, but the passengers for whose grätification they 
were paiuted are kept out of their sight in the waiting-room. 

Einige Bemerkungen über die K. Hob und Staatsbibliothek (214) gehören wieder 
in das Gebiet des Klatsches; auch vom Theater erfahren wir wenig Sachliches. Dals 
natürlich das Kapitel „Bier“ nicht fehlen durfte, ist wohl zu erwarten. (S. 257): Listen 
to the conversation of Bavarians, it turns on beer. See to what the thoughts of the exile 
recur, to the beer of his country. Sit down in a coffee-house or eating-house and the 
waiter brings you beer uuordered, and when you have emptied your glass, replenishes 
it without a suinmons. Teil a doctor the climate of Munich does not agree with you, 
and he will ask if you drink enougli beer. Arrive at a place before the Steamer or train is 
^ue, and you are told you have so long to drink beer. Go to balls, and you find that it 
replaces Champagne with tlie rieh and dancing with the poor. (I once went to a servants, 


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Kleinere Mitteilungen. 


V 


hall and stayed there some tiiue; but wlien I came away dancing liad not begun, and 
all the society was sitting as still as ever drinking beer.) Moreover Bavarian beer goes to 
all otlier towns in Germany, and is drunk in each with more rapture than its native 
beverage. Yout get it in Stockholm, and it is even imitated in Norway though the strong 
flavour of turpentine that hovers through the Norwegian „Bayerskt Ol“ is an addition, and 
not an improvement. Aye, Paris with all its most exquisite wines is not too proud to put 
placards of Btere de Baviere in its Windows, to vie with the porter-bier (stout) on the 
cartes of the most fashionable restaurants. 

Ob die Kapitel über Ehegesetzgebung (323) und Polizei (338) in allem auf Wahrheit 
beruhen, mag dahin gestellt sein; dai's München gegen Murrays Vorwurf „of being 
a very dissolute Capital“ (S. 345) verteidigt wird, mag es dem Manne, der sonst nicht 
immer das Beste von ihm weifs, vielleicht danken. 

Ein neues dickleibiges Buch eines französischen Schriftstellers Dr. A. Taponier 1 ) 
vom Jahre 1892 widmet einen Teil seines Inhaltes Bayern und seinen Hauptstädten, 
München, Augsburg, Nürnberg, Bayreuth, Regensburg mit Walhalla, 
das Übrige schildert Tirol, „ces deux pavs si catholiques et si inter£ssants ä divers points 
de vue“. Das Gesamtbild Münchens schildert Taponier (S. 2.): II y a, comme chacun 
sait, deux villes dans Munich, l’ancienne qui s’est lentement et graduellement formee avec 
le cours des si^cles, et la nouveile que la fantaisie d’un prince a fait eclore en quelques 
annees. On ne saurait inanquer d’&tre un peu surpris par le contraste qui r£sulte de cet 
assemblage artificiel. Au centre de la cit£, des rues tortueuses et souvent 6troites avec 
des maisons gigantesques, aux murs noircis, aux toits creneles, aux pignous moyen-äge, 
et ä deux pas, au delä de l’ancienne ligne des remparts, d’immenses quartiers tout battant 
neufs, alignes et decoupes k angle droit, avec des palais, des musees, des jardins, des 
boulevards, et toute une floraison de petits hötels ä demi cach£s et comme blottis dans 
la verdure. Cette ville nou veile, on le con<;oit, 11’off re aucun caract£re particulier; c’est 
l’entassement moderne et cosmopolite, avec son arcliitecture banale et sa inagnificence 
d’emprunt. 

La Neuliauserstrasse et son prolongement servent toujours d’art£re principale, oü 
la foule, ä certaiues heures, se diverse, s’agglom^re et s’agite. C’est lä du Karlsthor ä la 
Marienplatz, qu’il faut observer le peuple municliois. Les rubicondes et placides figures! 
Je remarque pourtant que certains types du bon vieux temps sont devenus rares, et en 
particulier le petit vieillard joufflu, bedonnant, aux lunettes d’or, qui paraissait vou6 depuis 
sa naissance au culte nourrissant de Gambrinus. Tout d6notait en lui l’humeur ultra- 
pacifique. Aujourd’hui les gens se redressent, ont une allure plus martiale. L’odeur de 
la poudre, depuis 1870, est toujours restee un peu dans l’air. 

Auch unser Schriftsteller beschäftigt sich natürlich mit den Prinzen und Prin¬ 
zessinnen (5), mit König Ludwig II. und anderem, was er hier und dort erlauscht hat. 
Im Gegensätze zu dem englischen Gaste (s. o.) hat i h m der englische Garten nicht gefallen; 
doch stimmen wdr mit ihm überein, wenn er seinen Besuch im Paradiesgarten schildert (10): 
Voir le paradis ä Munich, quelle cliance! J’entre: c’etait une brasserie. Je n’ai £te 
surpris que de m a näivete’. Mehr als die Lage und einige Bauten erfreut den Besucher 
die streng katholische Gesinnung von Fürst und Volk. (S. 15.) Le sentiment religieux est 
toujours vivace ä Munich. Ni les recentes persecutions, ni la propagande liberale n’ont pu 
enlever ä la capitale de la Baviere son ancien caract£re de ville tres catholique. On voit 
toujours, au milieu de la Marienplatz, les gens se decouvrir devant la statue de la Vierge; 
des femmes agenouillees y reciteilt d£votement leur chapelet, et le soir, par suite d’un 
vceu de la cit£, des cierges s’y allument comme en un sanctuaire. Un de mes amis me 
raconte avec quelle joie et quelle emotion le peuple a vu cette ann£e les princes et la 
cour preudre part ä la procession de la Fete Dieu. „II semblait qu’on assistät, me dit-il, 
k une r£surrection de la Baviere. Le roi Louis II. etait sans doute tr£s bon patriote, mais 
il fuyait Munich et s’exilait de 110s ceremonies. Pour la premi£re fois, depuis quinze ans, 
nous nous sommes retrouves, prince et peuple, dans l’affirmation de notre foi commune. 
Et tant que nous resterons catholiques, il est bien certain que la Baviere ne sera pas 
encore tout k fait prussienne.“ 

Nicht ohne Grimm sieht der Fremde die stramme Haltung der Armee. C’est le 
triomphe du caporalisme, (25) meint er, und ihren Exerzitien entnimmt er das Bewusstsein : 
Ils savent qu’ils sont inaintenant „la grande nation“. (26) Sein Freund B. „munichois de la 
vieille röche, d’un temp6rament flegmatique“ ist natürlich ein Preufsenfresser; ihm ist Preufsen 
„la nation de proie par excellence.“ (28) Auch in Kunstsachen bekundet Taponier eine 
eigenartige Anschauung. (S. 29). O11 s’est longtemps moqu6 des pr£tentions de Munich 

k jouer le röle d’une capitale artistique. Il a fallu pourtant s’incliner devant sa volonte 
pers£verante ä cet egard, et les touristes, quoiqu’aient pu dire les envieux et les mauvais 


l ) Baviere et Tyrol. Notes sur rAUetnagne du Sud. Fribourg (Suisse) Librairie 
de l’Universite 1892. (364 S.) 


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VI 


Kleinere Mitteilungen. 


plaisants, ont pris de plus en plus l’liabitude de la visiter ä ce titre, et en grand nombre. 
Les resultats si remarquables auxquels l’ecole munichoise est parvenue en moins (Tun 
demi-siöcle sont dus, tout le moude le sait, 4 la protection d£vouee d’une succession de 
souverains, aniis des beaux-arts. On peut meme dire qu’ils ont 6te l’äme et le principe 
de tout ce mouvement, et en particulier Louis I. et Louis II. y ont consacre leur vie, leur 
activit£, leurs ressources personuelles. II semble que, prevoyant ou subissant le contre- 
coup des ev&nements contemporaius, ils aient entendu du moins se r£server la gloire 
d’avoir 6te les grands M6cenes de leur epoque. A d’autres les palmes conquises sur les 
champs de bataille, ä eux le noble souci de favoriser les arts de la paix! Et cette tache, 
ils l’ont remplie avec une teile äprete d’obstination que le defaut Capital de leur ceuvre 
est venu de 14 . Tout v seut l’eclosion hätive et artificielle; rien n’y est 4 sa place, dans 
son cadre naturel, veritable. Au sortir du vieux Munich, qui s’attendrait aux Propyl^es, 
4 la Glyptotheque, aux deux Pinacotheques, 4 Saint-Boniface, et 4 tout le reste ? On de- 
meure surpris 4 l’aspect de cette flore exotique, devant tous ces monuments sortis de terre 
on ne sait quand, on ne sait pourquoi. Les styles les plus divers y sont confondus; c’est 
un pele-mele inoui de pastiches, oü l’antique, le byzantin, le roman, le gothique, le moderne 
se succedent et se heurtent sous l’effort d’une volonte capricieuse. On se croirait tan tot 
en Gröce, tantot 4 Florence, tantot dans une boune ville allemande du moyen-äge. Et 
que dire de cet immense 6talage de peintures, de ces fresques 4 propos de tout et 4 propos 
de rien, de cette rage du piuceau barbouillant les murs avec fren£sie, comme s’il se reveillait 
d’une longue torpeur et s’effor^ait de regagner le teuips perdu ? Partout on a l’iinpression 
d’un peuple qui, las de son lourd et grossier mat 4 rialisme, a pris la resolution de s’Clever 
4 son tour, comme les autres, aux ideales jouissances de l’art, de l’elegance, de la (listinc- 
tion. C’est le parvenu qui, dans rempressement inquiet de son arnour propre, 4 tort et 
4 travers, sans goüt forme, sans dessein fortement con<;u, remplit sa demeure de tout ce 
qu’il croit näiveinent une merveille. 

Er spricht von den grolsen Künstlern und ihren Werken in längeren Abschnitten; 
besonders rühmt er die alte Pinakothek. (S. 36.) La vieille Pinacothöque peut assurement 
rivaliser avec les plus riches mus£es de l’Europe. Elle se distingue, en tout cas, et off re 
un attrait particulier par ses precieuses collections de vieux maltres allemands et flamands. 
Ici les Albrecht-Dürer et les Holbein, les Rubens, les Rembrandt, les Van-Dyck foisonuent. 
L’ecole italienne y est aussi repr£sentee par quelques chefs-d’oeuvre, et il y a aussi plu- 
sieurs ecliantillons de l’art fran^ais et de l’art espagnol, deux Poussin, deux Lesueur, une 
charmante serie de Murillo, des Ribeira, des Velasquez, etc. En somme, ce mus6e fait 
grande figure, et il merite bien 4 lui seul qu’on s’arrete quelques jours 4 Munich. Sehr 
zutreffend aber ist, was er über das Französisch der Kataloge der Pinakothek sagt, die er 
als abgefafst „dans une langue inconnue m£me au fond de l’Auvergne“ (43) bezeichnet. 
Auch in diesem Buche durfte natürlich das Kapitel vom Bier nicht fehlen. (S. 44.) C’est 
donc une ville artistique, et meme du premier ordre, si l’on veut, mais personne n’ignore 
que son veritable et principal caractere est d’etre avant tout la capitale du royaume de 
Gambrinus. Ce bon roi, s’il quittait jamais le domaine de la legende, hesiterait-il un seul 
instant 4 venir habiter Munich? Quel doux spectacle y rejouirait sa vue! Partout la biere 
coulaut 4 longs flots, et tout le monde la savourant avec delices, meme les femmes, les 
vieillards et les enfants! Le petit moinillon qui semble brandir une chope d^bordante est 
bien Tarmoirie qui convenait et conviendra longtemps encore aux Munichois. Les successeurs 
de Louis I. et de Louis II. auront beau faire, ils pourront comme eux favoriser la poesie 
et les beaux-arts, ils n’empecheront jamais que Munich ne soit la ville du monde oü 
relativement l’on fabrique et l’on consornme le plus de biere. La statistique sur ce point 
fournit des d£tails effrayants. Combien de tonneaux mis en perce chaque jour! combien 
de litres absorbes par cette soif pantagru£lique! Le grand evönement pour tout bon 
Munichois, c’est l’apparition de la biere nouvelle, biere de mars, biere d’6te, biere d’octobre, 
biere de Noel. Il n’y a pas pour lui de meilleur calendrier. „Pourvu qu’un Munichois, 
me disait mon ami D . . ., puisse vider en paix son pot de biöre, il est content, et se 
moque du reste.“ 

Ebenso mangelt der Wagnerianer nicht; leider spricht auch er in einer langue 
inconnue: „dass ist nicht bloss musikal!“ (49). Von Presse und Litteratur hat der Ver¬ 
fasser seltsame Anschauungen; er glaubt, wir pflegen die französische Litteratur, malgr£ 
les efforts du chauvinisme! (55) 

Augsburg veranlasst unseren Reisenden (68) zu einer heftigen Polemik gegen 
die Reformation; die Nürnberger begeistern ihn nicht. „La vraie, la seule capitale 
pour ces Bavarois de seconde cuvee, c’est Berlin (83)“. In Bayreuth hört er den Parsifal mit 
antideutschen Gefühlen. In R e g e n s b u r g gelangt er zur Kritik der deutschen Studenten (119). 
On fait un dernier reproche 4 l’etudiant allemand: il boit trop. Il boit le soir, il boit le 
matin, il boit toute la journee. Les seances officielles de sa Corporation ne sont le plus 
souvent que des orgies scandaleuses, oü il s’enivre jusqu’aux premiöres lueurs de l’aurore. 
Et quand on lui pardounerait ce genre de delassements nocturnes, il y a la »chope du 
matin", perp6tuel cauchemar de tous les professeurs. Il est certain, et je le reconnais 


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Kleiuere Mitteilungen. 


VII 


sans peine, que ce reproche ne laisse pas d’avoir 1111 fondement serieux, car il est si facile, 
en Allemagne, d’outrepasser sur ce chapitre les liniites permises. La biere est si bonne, 
eile coüte si peu! Prenons garde, neaumoins, ä l’exagäration. II y a des paresseux et 
des ivrognes en Allemagne comme dans le reste de l’univers, et ou • y a recours, pour 
la production des fruits secs, aux niemes proc£des de culture que partout ailleurs. »Tout 
le monde est fait comme notre famille* dit le proverbe italien, et il faut ajouter ici qu’ä 
l’ägard des exc£s dont nous parlons, l’£tudiant allemand possede plus d’un avantage 
sur tous ses coufr£res. Il a les vieilles habitudes de sa race, un certain sang-froid qui le 
preserve des entrainements exag£res, et enfin sa sante, une santä robuste, vigoureuse, 
encore intacte en sa fleur. Ce dernier point est tr&s important. 

Das 7. Kapitel gilt dem Kloster Metten, das aber nicht genannt wird; es läuft 
wieder in eine wilde Verfluchung des Protestantismus aus. (155) Der Besuch der Königs¬ 
schlösser beschliesst die Kapitel über Bayern. Interessant ist des Reisenden Meinung über 
den deutschen Süden (S. 87.) überhaupt: Il faut convenir que 1 ’Allemand du Sud n’a rien 
de foncierement hostile ä la France. Son chauvinisme, quand il existe, est de trop fraiche 
date pour ne pas c£der devant la tnoindre parole aimable et courtoise. Il est grand partisan, 
sans doute, d’une Allemagne forte et unie, mais il apprecie beaucoup la paix, la vie facile, les 
bons rapports entre voisins et pour peu que la France lui parüt renoncer aux idäes de con- 
quete, il lui rendrait bien vite, et de grand cceur, toutes ses anciennes sympathies. Je 
ne remarque pas non plus qu’il soit tres enchante de l’anuexion de l’Alsace-Lorraine; il 
n’y voit qu’une ruse prussienne pour mainteuir 1’Allemagne sur le qui-vive et l’empecher 
de se däsunir, de se desagreger sous l’effort du particularisme. Comme il serait heureux 
d’avoir recolte moins de succ&s en 1870, et d’etre en possession d’une paix verkable, d’une 
bonne paix definitive etassur6e! Aujourd’hui, il a peur de tout, peur de la France, peur 
de la Russie, peur de leur ombre et de la sienne. Il passe sa vie en des transes continuelles; 
ses nuits sont troubläes par le caucliemar des coalitions possibles; il trouve decidäment 
qu’ä ce prix la gloire des armes est trop ch£re. — 

Ein Augenzeuge der Bewegung des bayerischen Volkes beim Tode Maximilian III. 
Joseph schildert in vier überaus interessanten Briefen 1 ) die politischen Zustände Bayerns bei 
der Thronbesteigung Karl Theodors. Er rühmt die Treue des bayerischen Volkes zu seiner 
Dynastie (2) und wünscht dem Laude von Herzen Ruhe. ,Denn“, sagt er (S. 65), „so 
eine schlechte Schilderung man auch in Ihren Gegenden von dieser in der That liebens¬ 
würdigen Nation machen mag, so kann ich Sie doch versichern, dass ich mich recht ver¬ 
gnügt unter ihnen befinde. Das Polirte — wie man sagt — oder besser, das franzö- 
sirte Air, haben sie wohl nicht, aber überall sieht man die Spuren der alten deutschen 
Lebensart. Freilich ist vieles davon durch den Umgang mit den Verderbern der deut¬ 
schen Sitten, verloren gegangen, aber doch herrschet durchgehends noch Redlichkeit und 
alte deutsche Treue. Komplimente wissen Burger und Bauern nicht zu machen, wollen 
Sie dieses nach Ihrer B— feinen, gesitteten Lebensart, Einfalt nennen, so habe ich nichts 
dagegen. Aber eine solche Einfalt der Sitten ist mir lieber, als alles gezierte Wesen der 
heutigen Welt. Ich dachte in das Deutschland des Tacitus versetzt zu sein, als ich das 
erstemal in Baiern übernachtete.“ 

Eine Art verbesserten Bianconis (1762 s. Forschungen II, 214; Jahrbuch f. 
Münch. Gesch. I, 159) nennt sich der Lehrer der italienischen Sprache am Lyzeum zu 
München, Francesco Alberti, der 1792 Italienische und Deutsche Briefe *) über Bayerns 
Hauptstadt schrieb, die der Fürstin Walburga Josepha von Prezenheim, seiner 
Schülerin, gewidmet sind. Er erwähnt Gustav Adolfs Urteil über die Stadt und meint 
(S. 2): Quest’ £ certo che Monaco ha piü merito di quello, che i forestieri per lo piü 
s’imaginano, e vi troverete parechie di quelle cose che per altre Cittä della Germania 
cerchereste in vano, e che tanto piacciono ai viaggiatori curiosi; quäle voi siete. 

Vorerst schildert Alberti natürlich die Residenz und alle ihre Einzelheiten bis 
ins kleinste, die schöne Kapelle (22), die Gemälde, das Antiquarium (34), das Hoftheater 
(38), das er weit über das Pariser stellt, und manches Andere. 


*) Briefe eines Reisenden während seines Aufenthalts in München an seinen Freund 
in B — in welchen merkwürdige Nachrichten von dem Leben und der Regierung des 
letztverstorbenen Churfürsten von Baiern, wieauch den Ansprüchen auf desselben Ver¬ 
lassenschaft enthalten sind. (Berlin 1778. 76 S.). 

*) LETTERE ITALIANE E TEDESCHE sopra le notabili particolaritä della 
cittä elettorale di Monaco Residenza della Baviera come pure delle di lei piacevoli vi- 
cinanze e molt’ altre aiietodi (sic!) di diversi paesi. In Monaco MDCCLXXXXII. -- 

Italienische und deutsche Briefe über die vornehmsten Merkwürdigkeiten der 
churfürstlich-baierischen Residenzstadt München, wie auch von den umliegenden Lust¬ 
gegenden und verschiedenen Anectoden (sic!) von andern Ländern. 

Mit Erlaubniss des churfürstl. Censurkollegiums. 

München 1792. gedruckt bey Joseph ZangX bürgerl. Stadtbuchdrucker. (193 S.). 
(Der italienische und deutsche Text wimmelt von Druckfehlern). 


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VIII 


Kleinere Mitteilungen. 


Der englische Garten erhält sein volles Lob (S. 56). Di qui poi potrete andare 
al Giardino Inglese, il quäle vi piacerä moltissimo, verso alla fine dei Portici del Giardino 
di Corte, uscendo da un grazioso Portale si discende da una bella collineta ornata d’arbori 
e passando un leggiadro Ponte si entra in un lungo viale spalegiato da Arbuscelli che 
conduce al detto Giardino, avanti perö si vede il vastissimo Orto militare benissimo disposto 
ed ottimamente diviso da Canalli, strade e viali. Giunto che vi sarete, per la vaghezza 
del loco, le ammene collinete, bei boscheti, quantitä de’ diferenti ombrosi viali, cascate 
d’acque, canali, ponti legiadramente construiti com’anche per i cespugli, arbosceli e quan¬ 
titä de fiori legiadramente disposti, che vi vedrete non dubito che ne resterete intiera- 
mente incantato. Da natura vi a contribuito molto, senza l’arte perö e l’eccellente gusto 
del Generale Thompson, che ne fu l’inventore, non sarebbe certamente si amineno, osser- 
vate, vi prego, quella bella Torre alla cinese in mezzo a quella pianura, la quäle ö d’una 
grand’ altezza ed ha una comodissima scala a lumaca, alla somitä della quäle non sola- 
rnente si scopre la quantitä del popolo che vi concorre. 

Der vierte Brief (S. 60) gilt der kurfürstlichen Bibliothek, die damals im „Ex¬ 
jesuitenkloster neben der Kirche über zwey Stiegen“ uutergebracht war; er erwähnt alle 
ihre Schätze eingehend. Den Bauwerken der Stadt gelten die weiteren Briefe, der Residenz 
Ludwig des Bayern, der Frauenkirche, der kostbaren Jesuitenkirche, von deren Bau er 
berichtet (S. 118): Narrasi in Monaco, che dopo finita, et abbandonata al proprio peso 
gettö essa una mattina uno scoppio si strepitoso, che non dubitossi, di vederla beu presto 
aprirsi, e cadere in ruina: lo che inspirö tale spavento a tutta la Cittä, che per gran 
tempo la gente non ardiva approssimarvisi. Ma sono passati cento e settant’ anni senza 
che abbia dato ulterior segno di debolezza; anzi la vedrete solida, come un bronzo, soste- 
nersi perfettamente col contrasto della propria gravitä. 

Auch von der damals üblichen Bemalung der Münchener Bürgershäuser erfahren 
wir einiges (S. 130): Nel girare per la Cittä, osservate, che qualche facciate delle case 
civili sono dipinte a fresco, anzi, fra le autiche ve ne sono alcune di bravissimi maestri, 
spezialmente di Cristoforo Schwartz. Costui era un valentuomo, e tale lo troverete mag- 
giormente ne’ suoi freschi, che sono delicati a segno di parere ad olio. Ne’ suoi omati 
poi regna un gusto modesto, e savio d’antichitä ammirabile. Le sue opere in gran parte 
furono intagliate da Sadler, e fanno ottima figura nella reccolta di starape. 

Von Nymphenburg handelt der sechste Brief (S. 134). Nimfenburgo non ö distante 
che tre sole miglia italiane, e vi si va per un viale fiancheggiato d’alberi sulla sponda 
d’un largo canale fatto a mano. Osservate quä e lä, che tutto il terreno, per cui passe- 
rete, e una congerie di ghiara, e d’arena fluviatile. Per costä certamente correva una 
volta l’Iser, e ben guardando, riconoscerete ancora l’elevazioue delle antiche sponde ed 
il letto abbandonato. Eppure l’Iser adesso ö dall’ opposta parte della Cittä, e lonta- 
nissimo. Ciö non ostante, per congetture geografiche, e per l’istoria siamo certi, che 
quäle ö oggi, tale e da lunga serie di secoli. 

Der siebente gilt Schleissheim (144). Er hätte wohl auch der schönen Damen 
Münchens zu gedenken (150): „aggiugnere qualche parola ancora delle graziöse, e belle 
Dame, che in Monaco ammirerete, e che all’ etä vostra importano almeno al pari delle 
belle pitture, e delle statue“ — und ihrer Sprachkenntnis; doch will er dem jungen Marchese, 
dem die Briefe gelten, nicht vorgreifeu. Über Bayern und seine Verhältnisse urteilt Fr. 
Mberti im allgemeinen (S. 152): Se poi mi domandaste notizie dell’ interno della Baviera, 
delle sue ricchezze, io non potrei dirvi, se non che questa Provincia ö assai pingue, e 
quasi in ogni cosa agiatissima. Le carui vi sono squisitissime, il pane non e men bello 
di quello di Vienna, che passa per il migliore d'Europa. Non posso dire lo stesso dei 
vini che vi nascono, 111a in iscambio potete averae del forestiere a prezzo ragionevole. 
Il commercio che fassi in Baviera, ö pocliissimo ne v’entra altro danaro straniero, che 
produce la vendita dei legnami, del sale, dei cuoj crudi e conci, e dei grani, che quasi 
spontaneamente sorgono da uno de’ migliori suoli della Germania. Da qualche anno in 
quä s’e comiuciato a scavare alcune miniere di metalli, e si pretende con vantaggio. I 
fiumi portano alcuni grani d’oro purissimo fra le loro arene, indizio, che nelle montague 
vicine vi sono miniere preziose. Avrete veduto talvolta alcuni Ungheri di Baviera col- 
l’inscrizione Aurum exlsara, ovvero Aurum ex Lyco. Una bella fabbrica di porcellane 
v’e pure in Nimfenburgo, i lavori, della quäle, sono certamente squisitissimi. Questi due 
savj stabilimenti sono frutto dello zelo, e della destrezza del Sig. Conte di Haymhauseu, 
che ne 6 il supremo direttore, gentile ed erudito Cavaliere, e che voi con sommo piacere, 
iinparerete a conoscere. 

Le foreste bavare mandano i loro legui legati in zattare a Vienna, e con questi 
fabbricano poi navi, e case gli Austriaci. In somma il paese si arrichisce coi soli nazio- 
nali prodotti terrestri, e da questo conoscerete sempre piü la massima d’eterna veritä, 
cioe che la prima sorgente delle ricchezze d’una nazione dee essere la coltura diligen- 
tissima del proprio terreno. 

Dem englischen Garten zu München, der herrlichen Schöpfung Karl Theodors 
(vgl. Jahrbuch für M. G. III, 1 — 53), hat der ältere Crux (Forschungen V, 199?) ein 


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Kleinere Mitteilungen. 


IX 


Gedicht von 326 Versen mit einleitenden Strophen an Rumford 1 ) gewidmet. Er schil¬ 
dert ihn: 

5. Dans ce jardin cröe par la philantropie, 

admirant k mongre RUMFORT, et son gönie, 

je trouve ä chaque pas cette «implicite, 

ces agrestes effets de la varietö, 

ces heureux rösultats, ces lointains, ces percees, 

10 ces retraites sans nombre au hazard dispersees, 
dont la douce fraicheur, et les ranieaux touffus, 
savent me garantir des ardeurs de Phebus! 

Die folgenden Verse gelten einer eingehenden Beschreibung der Anlage. 

Rumfort, dont les talens, brillant avec eclat, 
servent le citoyen, et le prince, et l’ötat, 

45. de Rumfort, en un 1110t, l’intelligence innöe, 
dans le sein de Munich cröant son Prytanöe, 
a senti le besoin qu’auraient les jeunes gens 
d’1111 rustique terrain pour leur jeux innocens, 

(car toujours ä l’etude il faut d’utiles treves). 

50. Le voici devant moi ce jardin des elöves; 

J’en aborde l’entröe, et bientöt la franchis; 

J’avance, je parcours, j’observe, je jouis! 

J’y vois de tous cötes l’esprit de prevoyance; 

Dans ce charmant enclos, la vive adolescence 
55. trouve pour ses plaisir des moyens variös; 

Le sage fondateur les a multiplies; 

Elle y peut, a songrö, dans sa folätre yvresse, 
exercer tour- k- tour, sa force, son adresse, 
et ce nouveau gymnase, ouvert k ses desirs, 

60. l’occupe meme encor au sein de ses loisirs. 

L’esprit, le coeur ömu, je quitte, non sans peine, 
des ölöves des arts 1’interessant domaine, 
et d’un pas retrograde, en reprenant le pont, 
sur un sol ombrage, dont le bout correspond 
65. k deux moulins charmans, je chemine avec joie; 

Quel spectacle enchanteur k nies yeux se döploie! 

Ces deux bras de l’Iser icy se confondant; 

D’un, et d’autre cötö ce lointain captivant, 

Ces vers taillis bordant, embellissant ces rives, 

70. Cette eau faisant tourner ces machines actives 
qui servent k broyer les presens de Cör&s, 
ainsi qu’a fa^onner le produit des forets, 
composent un tableau, qui s’il n’est pas unique, 
a du moins les^ beautös du genre Romautique; 

75. Je voudrois tout un jour pouvoir les admirer, 
mais pour d’autres objets il faut m’en söparer. 

A vingt pas des moulins la sc&ne change, et-s’ouvre; 

Au delä des guörets, alors, mon ceil döcouvre 
un rideau prolongö de nombreux pavillons 
80. que l’on vient habiter quand les fiers aquilons, 
eux-memes fatigues d’exercer leur empire, 
laissent briller celui de Flore, et du Zephire, 

Au bout de ce rideau, j’arrete mes regards 
sur cette enceinte, oü l’un des plus utiles arts, 

85. par son expörience, et ses divers rem&des, 

sait rendre k nos besoins nombre de quadrupedes; 

Ces aspects, sont, enfin, de uature ä cliarmer 
tout hoinme observateur, aimant ä resumer 
les details combinös d’un seduisant ensemble, 

90. et pour le satisfaire, icy, tout se rassemble. 

Me trouvant tant soit peu jette hors du jardin, 

Par mon excursion, je rentre dans son sein. 


Sans avoir k mouter sur le sacre vallou, 
je decouvre ä Cent pas le temple d’Apollon; 

') VERS, SUR LE JARDIN ANGLAIS I)E MUNICH. A Munich, 1803. De 
rimprimerie de Francois Hübsclimann. (15 S.). 


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X 


Kleinere Mitteilungen. 


145. Je marche, j’en approclie, et je vois sa statue; 
Avec humilit£, certes, je la salue, 
moi, chetif riniailleur, moi, dont le dieu des vers 
doit blämer la manie et plaindre le travers, 
et qui malgre cela, rimportune sans cesse, 

150. inais dans l’aveuglement d’une constante yvresse, 
je ne suis pas le seul que l’on voye enchant£ 
d’un objet plein d’appas, sans en etre £coute! 


165. Je sors du temple, et vais, cherchant de nouveaux sites, 
en uourrir ä mongre mes regards parasites! 

Des ponts multiplies, les utiles secours, 
me laissent aborder aux lieux que je parcours, 
et d’un endroit charmant je passe dans un autre. 

170. Non, jamais les talens du cel£bre Le Nötre, 

aide des grands moyens d’un monarque puissant, 
n’ont rieu cr££ pour lui qui soit plus ravissant! 

II consacra son art k la magnificence; 

par tout, dans ses travaux, on voyait l’£legauce, 

175. mais la simple nature, et ses heureux effets, 
furent trop oublies du jardinier fran^ais; 

Et d’ailleurs, il voulait, aux regards de son maitre 
plaire par la magie, et n’y faire paroitre. 

Que des objets pompeux, grands comrne son pouvoir, 

180. car, aupr&s de ce Roi, c’etait comme un devoir 
que de rapporter tout k l’eclat de son tröne, 
de nieme qu’aux vertus dont brillait sa personne; 

Le nötre le savait, et courtisan nouveau, 

II adulait Louis aussi bien que Boileau. 

185. Le sage Americain 11’en agit pas de meine; 

En faisant son jardin, il n’eüt d’autre sisteme 
Que le bien general; avec un tel dessein, 

Rumfort etait bien sur de plaire au souverain. 

Der chinesische Turm, 1791 vollendet, erregte des Franzosen besondere Teilnahme. 
Von ihm sagt er: 

Par un essor nouveau, j’arrive en peu d’instans 
205. au pavillon cliinois; c’est le joyeux domaine 

du gros dieu des festins; et l’on croira sans peine 
que ce lieu, plus qu’un autre, est souvent frequente; 

Chacun, ä sa fa^on, cherche la volupte; 

Si l’un, sait la trouver dans la philosophie, 

210. l’autre, croit la saisir, dans une douce orgie, 
et peut-etre, qu’ici par des attraits puissans, 

Comus a quelques droits d’y captiver les sens. 

A lui faire sa cour tout iuvite, et prepare. 

Du pavillon, d’abord, la structure bizarre, 

215. comtnande un effet prompt, la curiosite. 

D’un escalier tournant, l’originalit£ 

double rimpression; On approche, On peu£tre; 

Bien tot on moute; On veut tout voir, ne rien ommettre 
de cet interieur avec art fa<;onn6; 

220. Chaque etage a son dorne, il en est couronn£; 

A chaque etage aussi r&gne une galerie; 

De degres en degres la vue est agrandie; 

O11 arrive au soinmet, et l’on se trouve, enfin; 
dans le cas de planer sur ce vaste jardin; 

225. L’oeil actif en saisit jusqu’au inoindre accessoire, 
comme ce qui le frappe est loin d’etre illusoire, 
et qu’un si beau spectacle est denue d’appret, 
il communique au cceur son charmant int£ret! 

On redescend, on voit la guinguette chinoise 
230. abriter, recueillir, noble, comme bourgeoise, 
toutes classes d’humains se livrant au plaisir; 

Quand d’en prendre sa part on con^oit le desir; 

On s’assied, on appelle, on demande, on apporte; 
moi, qui n’y cede pas, ailleurs je me transporte, 


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Kleinere Mitteilungen. 


XI 


235. et suivant au hazard des chernins sinueux, 

Au de lä de Schwabing je suis conduit par eux; 

Lä d’un bras de l’Iser cotoyant le rivage, 

je fais quelques Cents pas sous un £pais feuillage; 

il me quitte; et toujours poursuivant mon chemin, 

240. pres de 1’Heselohe, limites du jardin, 

j’arrive, je m’arrete, et d’un si&ge champetre 
que se. presente ä moi sous l’ombrage d’un lietre, 
je m’empresse ä fouler le verdoyant tapis 
- pour jouir ä mongre de l’endroit oü je suis. 

245. Cest lä, que le mortel de la plus humble spliere, 
se d£lectant avec son fromage, et sa biüre, 
riaut, jouant, dansant, jettant quilles k bas, 
d’aprüs ses facultes, prend ses joyeux ebats. . 

Du plaisir, en ce lieu, les differentes troupes, 

250. de ce fatneux Teniers me retracent les grouppes, 
je le vois se inouvoir, j’en jouis k mongfe, 
et d’apres ces tableaux, mon esprit pen£tre 
d’une reffexion que 1’instant lui fait faire, 
se dit, il est donc vrai qui c’est chez le vulgaire, 

255. chez lui seul que l’on trouve, en son obscurite; 
cet heureux abandon de la franche gaiefe! 

Nochmal endlich fasst er seine Bewunderung in wenig Verse zusammen: 

Avec ravissement mes regards se prominent 
sur ces ingenieux et bieufaisans travaux 
qui saveut mettre un frein k la fureur des eaux, 
sur ces nombreux terrains ravis ä la culture, 

310. et que l’Iser volait k la bonne nature, 
bref, sur l’utilife de mille objets divers, 
qu’un autre aurait d6crit en de bien meilleurs vers. 

So sehr er indessen von Ruinfords Schöpfung begeistert ist (vgl. über dessen 
Anteil, Jahrbuch f. M. G. a. a. O. S. 41. Note 8), über alles stellt er doch seine „soupe 
economique“. 

Eine eingehende und hervorragende Beurteilung erhalten Münchens gesamte Bau¬ 
werke (38) in dem liebevollen Buche eines der ersten Pariser Architekten A. L. Lusson *) 
aus dem Jahre 1843. Alle die grossen Schöpfungen König Ludwig des Ersten sind hier 
bis ins kleinste von fachmännischer Hand beschrieben. Hören wir indessen nur einige 
allgemeine Urteile über die Stadt und ihre Eindrücke. Mit Recht gedenkt er ihres raschen 
Emporkommens (S. 1). Il y a peu d’ann£es Munich nfetait qu’une ville de troisfeme ordre, 
aujourd’hui eile est du premier. Cet accroissement subit, cette prosperite, cette splendeur, 
qui tiennent du prodige, eile les doit au roi Louis I er de Bavfere, ce prince, artiste et 
poete, autant que penseur profond, qui a compris que les Sciences et les arts anoblissent 
les peuples et aclievent de les polir. 

Er zeichnet ihr Äusseres (S. 7). Munich est bätie au milieu d’une plaine de 
sept lieues carrees, peu fertile, et sur la rive gauche d’une petite rivfere non navigable 
nonmfee l’Isar. Elle est situee k 48 degfes 8’de latitude nord, et k 29 degfes 13’de 
longitude est, et s’eleve k 538 metres au-dessus du niveau de la liier, distante de 12 ä 14 
lieues des Alpes de la Baviere, ce qui rend son climat assez froid. Cependaut il ne parait 
pas malsain, car ses habitants sont generalement robustes et bien portants. Cette ville 
n’est pas ä beaucoup pres aussi importante qu’on pourrait le penser, si l’^n s’en fiait k 
l’Uuivers Pittoresque, oü il est dit que Munich egale presque Vienne en £tendue; k peine 
en serait-elle le tiers, en supposant nieme bätis les quartiers actuellement en construction. 
C’est aussi k tort que, dans le ineme ouvrage, on la dit fortifiee: depuis longtemps il ne 
reste de ses murs d’enceinte que quelques auciennes tours. Pour cela, Munich n’en est 
pas moins une ville extremement interessante; sa population (90,000' habitants), sa richesse, 
le nombre et la beaute de ses monuments, et les merveilles des arts qui s’y cfeent chaque 
jour en font un sejour delicieux. 

Von ihrem Eindrücke schreibt er (S. 9): L’aspect g£npral de la ville u’est pas fort 
sMuisant; bätie au inilieu d’une plaine non accidentee, ses monuments ne se dominent 
pas feciproquement et ne forment pas comme k Vienne et k Prague, de belles masses 
pittoresques. Dans la partie la plus ancienne, ses rues, assez larges, sont tortueuses et 
assez mal pavfees en cailloux de la grosseur d’un oeuf; $k et lä on voit quelques trottoirs, 
dont les encadrements sont en dalies de pierre; mais, dans sa partie neuve, les rues sont 


*) Souvenirs d’un voyage ä Munich ou description des principaux monuments 
de la ville nouvelle, par A. L. Lusson, Architecte des Travaux publics, ancien Coin- 
missaire voyer de la ville de Paris. Paris (A. T. Breton, Impriineur). 1843. (113 S.). 


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XII 


Kleinere Mitteilungen. 


toutes larges, bien alignees, les maisons bien bäties, d’un assez bon goüt d’ornementation 
et rieh es d’aspect. Elles n’ont presque gen£ralement que deux etages connne celles de 
la ville ancienne; beaueoup sont construites en arriere de ralignement, avec un petit 
jardin en avant, ferme par une grille (comine en Angleterre); cela jette une vari£te pi- 
quante dans les lignes et empeche la mouotonie que presentent nos longues rues ä bäti- 
ments d’egale hauteur ou ä decoration uniforme; und im Weiteren (S. io): A Munich, 
comine dans les autres parties de l’Allemagne, les paratonnerres sont de mode; cette mode 
est ici plus nuisible qu’utile, si l’on en juge par les frequents accidents qu’occasione la 
multiplicite de ces conducteurs electriques, de mauvaise construction pour la plupart, 
places sur des maisons ayant peu de hauteur. Privee d’une rivi&re navi gable et d’un sol 
producteur, la ville de Munich est peu commer<;ante; aussi ses habitants se levent-ils tard 
et se couchent-ils de bonne lieure; en cela ils sont l’oppose des Viennois, qui fort occupes 
de leurs affaires, donneut bien peu d’heures au sommeil. Ce qui differencie la capitale- 
de la Baviere des autres capitales, c’est cette ardeur, cette fi£vre des arts qui anime ses 
habitants; ailleurs les arts ne sont qu’un accessoire plus ou inoins important du grand 
tableau de la vie, lä ils sont la vie tout entiere; depuis le inanceuvre, l’homme du peuple, 
le bourgeois, jusqu’au souverain, on ne pense, on ne reve qu’art: les uns passent leur 
temps k creer, les autres ä voir cr£er. Deux amis se rencontrent-ils, le sujet de leur con- 
versation est le plus souvent l’ouvrage que tel architecte, sculpteur, ou peintre ex£cute 
ou vient de livrer au public. A Munich, le temps se passe k visiter les artistes, k les 
voir operer, ä analyser leurs productions. 

Nous renconträmes chez le statuaire Schwanthaler le roi de Saxe qui examinait 
avec la plus grande attention les ouvrages de l’artiste; ses remarques judicieuses nous 
prouverent qu’il etait Connaisseur. A la cour comine k la ville les arts sont en honneur. 
Un artiste est l’egal d’un magistrat, d’un savant, d'un poete; chacun lui rend honneur. 
D’oü vient cette impulsion, ce ton donne k la haute societe, cet amour si actif pour les 
arts et les artistes? Du prince £claire qui fait des efforts inouis pour rendre sa capitale 
la rivale des plus opulentes citAs antiques et modernes. En cela les particuliers lui vien- 
nent en aide en elevant autour de ses creations royales des maisons magnifiques, qui 
rivalisent entre elles d’importance, de goüt et de somptuosite. Si l’elan donn£ par le 
prince ne se ralentit pas, si le genie des arts continue a exercer son empire encore vingt 
ans k Munich, cette ville sera la ville des f6eries. 

Der Kunstsinn des Fürsten scheint sich auf alle Einwohner übertragen zu haben. 
(S. 13). Cependant l’etranger qui visite ces etonnantes creations ne sait ce qu’il doit le 
plus admirer ou des artistes qui ont eufante cette multitude d’ouvrages remarquables, ou 
du souverain qui, avec des ressources en apparence insuffisantes, six rnillions de revenu, a 
trouve les moyens de subvenir ä tant de depenses. Mais l’admiration n’a plus de bornes 
quand on pense que, non content d’encourager les arts qui ennoblissent l’honime, le roi 
Eouis I er de Baviere sait aussi prot£ger dignerneut les arts qui augmentent son bienetre. 

München. R. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


F. J. Bronner, Bayerisch Land und Volk (diesseits des Rheins) 
in Wort und Bild. I. Teil: Südbayern. II. Teil: Nordbayern. Verlag 
von Max Kellerers herz, bayer. Hofbuchhandlung. München 1898. (499 S.) 

Der Herausgeber dieses anmutigen Führers durch die bayerischen Lande hat sich 
die Aufgabe gestellt, „das Interesse der Jugend und des Volkes für unser schönes 
Bayern und seine biederen Bewohner zu wecken und zu beleben.“ Diese Aufgabe scheint 
in dem Buche gelöst; es ist, was es anstrebt, „ein wahres Hausbuch zur Belehrung und 
Unterhaltung für jedermann und ein vorzügliches Geschenkwerk für die Jugend.“ — 
Kein Teil der Belehrung ist übersehen worden. Der Leser wird nicht nur in die Örtlich¬ 
keit durch gute Schilderungen von Land und Leuten und zahlreiche sehr hübsche Bilder 
eingeführt; er erfährt auch das Nötige über die Geschichte und Erlebnisse der einzelnen 
Landstriche, ihre Industrie und Erzeugnisse, ja sogar ihre Sagen und Märchen. Zum 
Teile sind es hervorragende Kenner der betreffenden Gegenden, welchen der Verfasser das 
Wort überlässt, sodass wir gewöhnlich ganz kompetente Beurteiler aller Einzelheiten sprechen 
hören, deren Angaben der Leser unbedingt Glauben schenken darf. Das angesichts seiner 
Ausstattung billige Buch (6 M.) verdient weiteste Verbreitung in den bayerischen Familien. 
Jeder wird darin etwas Erfreuliches von seiner Heimat oder seinen Lieblingsorten finden. 

München. R. 

Beiträge zurbayerischen Kirchengeschichte, herausgegeben 
von D. Theodor Kolde. Vierter Band, 1—6. Heft; Oktober 1897 bis 
August 1898. Erlangen (Verlag von Fr. Junge. 290 S.) 

Der vierte Band dieses verdienstvollen Unternehmens bereichert die bayerische 
Geschichtsforschung neuerdings mit einer Anzahl überaus willkommener Beiträge und giebt 
einen erwünschten Überblick über alle Erscheinungen auf diesem Gebiete der bayerischen 
Kirchengeschichte. Gustav Bossert schildert (1 —15) weitere Opfer der Kelchbewegung in 
Bayern, Karl Brunner behandelt den angeblichen Übertritt des Markgrafen Friedrich von 
Bayreuth zum Katholizismus (97 ff.), W. Dietlen bringt (243) neue Beiträge zur Geschichte 
der Reformation in Schwaben. Eine besonders willkommene Gabe ist der Aufsatz von 
Fr. Braun (143 ff.) über den vielgenannten Verfasser der Amoenitates litterariae — Johann 
Georg Schelborn (1694 — 1773), eine anziehende Persönlichkeit, an der, wie der Verfasser 
mit vollem Rechte sagt, der Pfarrer ebenso wie der Bibliograph und der Historiker mit 
seinem Interesse beteiligt ist. Für die Literaturgeschichte, in Sonderheit das Kirchenlied, 
ist der Artikel von Christian Geyer über die Hofer Gesangbücher des 16. und. 17. Jahr¬ 
hunderts (zugleich Vorgeschichte des Markgräflich-Bavreuther Gesangbuchs von 1630) von 
besonderer Bedeutung. Ein stattliche Reihe von Abhandlungen, welche für die bayerische 
Kirchengeschichte und die Ortsgeschichte von Wichtigkeit sind, wie z. B. Weigels Rothen¬ 
burgische Kircheuvisitationen (30), Rusams Bauernkrieg im Stift Waldsassen (49), Kadners 
Mitteilung über des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn zu Würzburg „anfäng¬ 
liche religiöse Stellung“ (128), Lipperts Kirchenvisitation in Vohenstrauss i. J. 1586 (164), 
Zuckers Zur Dürerforschung (185) und vieles Andere, zu desseu Anführung es hier an 
Raum gebricht, bietet der letzte Band. Der Herausgeber selbst ist mit einem warm 
empfundenen Nekrolog auf den Präsidenten von Stählin (15) und einem Artikel „Zur 
Geschichte der Konfirmation“ (189) vertreten. 

Muss man nun jedes Heft dieser gediegenen und überaus billigen Zeitschrift 
(jährlich vier Mark) mit aufrichtiger Befriedigung aus der Hand legen, so berührt es 
doppelt unangenehm, dass Herausgeber und Verleger in einem beiliegenden Zirkulare zu 
klagen haben, dass leider dem wissenschaftlichen Interesse, das man der Zeitschrift eut- 
gegenbringe, die Zahl der Abonnenten nicht entspreche, und dass trotz der verhältnismässig 
grossen Beachtung, welche die „Beiträge“ ausserhalb Bayerns finden, die Unkosten durch¬ 
aus nicht gedeckt werden. Dies ist von Herzen zn bedauern, um so mehr als andere 
Länder, wie z. B. Württemberg, ihre einheimischen Unternehmungen ungleich thatkräftiger 
unterstützen. Möchte es nicht soweit kommen, dass diese gediegene Zeitschrift über kurz 
oder lange zu erscheinen aufhört. Es würde nicht nur „als eine Lücke in der kirchen¬ 
historischen Litteratur empfunden“, es wäre ein schwerer Vorwurf der Teilnahmslosigkeit 
gegen bayerische P'orschuug überhaupt. 

München. R. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


2* 


Die alte Würzburger Burschenschaft 1817—1833. Ein Beitrag 
zur Universitätsgeschichte in der Reaktionszeit von Hermann Haupt Mit 
4 Vollbildern. Würzburg 1898. Stahels Verlagsanstalt. (38 S.) 

In der fein ausgestatteten Schrift über die alte Würzburger Burschenschaft ver¬ 
öffentlicht der Giessener Professor Dr. Haupt den ersten Teil seiner als Manuskript ge¬ 
druckten „Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Würzburger Burschenschaft Arminia“. 
Die Geschichte der Würzburger Burschenschaft ist auf das engste mit dem Namen des 
Dr. med. Gottfried Eisenmann (1795—1867) verknüpft, der mit seinen Freunden den Ver¬ 
such machte, nach dem Vorbilde Jenas und Erlangens auch die gesamte Würzburger 
Burschenschaft zu einem einzigen Burschen verbände zu vereinigen. Die ganze Entwickelung 
der alten Würzburger Burschenschaft, ihre Kämpfe, ihre Anschauungen führt uns der 
Verfasser nach grossenteils ungedruckten Quellen und Mitteilungen von Zeitgenossen in 
einem lebhaften Bilde vor, das unendlich viel Kulturhistorisches in sich trägt Wir be¬ 
gegnen gefeierten Namen der Politik und Litteratur und gewinnen einen interessanten 
Einblick in die Teilnahme der akademischen Jugend an den offentlichen Ereignissen der 
Reaktionszeit , 

München. R. 


Erklärung. 

Der Herr Rezensent meiner „Jesui tennullen“ in Forschungen zur Gesch. 
Bayerns (VI. Heft 4, Kleinere Mitteilungen S. 16 ff.) vermisst in meiner Arbeit eine gemässigte 
und sachliche Polemik. Ich kann mich nicht davon überzeugen, diesen Vorwurf verdient 
zu haben. Denn: 

1. Prantl hat den bezeichneten Jesuiten jede litterarische Thätigkeit abgesprochen. 
Man müsste den von ihm gebrauchten Ausdrücken Gewalt anthun, wenn man mit dem 
Herrn Rezensenten annehmen wollte, Prantl habe nur das verneinen wollen, dass diese 
Jesuiten etwas Dauerndes geschaffen haben. Dass meine Meinung die richtige ist, geht 
ausser anderem auch schon daraus hervor, dass Prantl in Bd. II, S. 502 N. 133a u. S. 505 
N. 160a Ergänzungen und Berichtigungen bringt und hiebei Professoren aufführt, die 
im allgemeinen nicht mehr und nicht weniger geleistet haben als die anderen Jesuiten, 
denen er ihre Qualifikation gelassen hat. 

2. Die Behauptung, dass Prantl mehr von offenkundigem Hasse gegen die Jesuiten, 
als von der Liebe zur Wahrheit sich leiten Hess, muss ich unbedingt aufrecht erhalten. 
Prantls Hass gegen die Jesuiten ist hinlänglich nachgewiesen in den Historisch-politischen 
Blättern 1891 I. S. 520 u. 521 und zwar in dem Artikel „auf deutschen Hochschulen“, der 
gegen Professor Dr. Haushofer eine Polemik enthält, die sich schwer widerlegen lassen 
dürfte. Hätte Prantl diesen Hass nicht gehabt, der ihm ein objektives Urteil sehr er¬ 
schwerte, so würde er sich mehr Mühe gegeben haben, den Schleier zu lüften, unter 
welchem der Nachweis litterarischer Erzeugnisse verborgen zu sein pflegt, nämlich in dem 
von ihm nicht zureichend benützten biobibliographischen Material. Dann würde er auch 
von den genannten Jesuiten nichts Unwahres behauptet haben. Dass er wissentlich und 
vorsätzlich die Unwahrheit gesagt habe, konnte ich nicht behaupten und habe es nicht 
behauptet. 

3. Ich soll sodann eine Anzahl Promotionsschriften anderer aufgeführt haben, 
bei denen ein Jesuitenprofessor ganz zufällig Präses oder Promotor war. Das habe ich 
jedoch nicht gethan. Denn regelmässig wird dem Präses die Autorschaft dieser Promotions¬ 
schriften wirklich zugeschrieben, wenn nicht der Respondent direkt als Autor bezeichnet 
ist. Dass trotzdem noch Ausnahmen Vorkommen können, habe ich selbst auf Seite 12 
meiner Arbeit in einer Anmerkung, die meinem Herrn Rezensenten entgangen zu sein 
scheint, konstatiert und mich dabei berufen auf die Ausführungen Hellmanns in seinem 
Repertorium der deutschen Meteorologie, Seite XVI, der seinerseits sich beruft auf die 
Einleitung zu Heffters „Museum disputatorium physico-medicum tripartitum. I.“ 

4. Wenn ich im Interesse der Vollständigkeit auch Arbeiten der Jesuiten aufge¬ 
zeichnet habe, die man auch ganz wohl hätte weglassen können, so habe ich doch nicht 
damit sagen wollen, dass jede dieser Arbeiten auch eine litterarische Bedeutung habe. 
Man kann eine nicht kleine Anzahl der Druckwerke und Manuskripte, wenn man will, 
unbeachtet lassen, so bleibt immer noch genug übrig und zwar im Sinne Prantls, um die 
Unrichtigkeit seiner Behauptungen zu konstatieren. Dagegen sehe ich von Tag zu Tag 
mehr ein, dass gerade der von meinem Herrn Kritiker nicht beanstandete Teil meiner 
Arbeit Lücken genug aufweist Habe ich doch beispielshalber von dem Irländer — nicht 
Spanier, wie es irrtümlich heisst, — Vitus Stephan nur 3 Druckwerke und 3 hinterlassene 
Manuskripte notiert, während ich 15 Druckwerke und 17 hinterlassene Manuskripte des¬ 
selben hätte notieren sollen. 

5. Was den Abschnitt „Nähere Würdigung der Prantlsclien Qualifikationen“ betrifft, 


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Anzeigen und Besprechungen. 


3* 


so ist ein Teil des dort Aufgeführten direkt gegen Prantls Behauptungen und zutreffend, 
ein anderer Teil jedoch ist mindestens nicht unberechtigt; denn Prantl hat von einer 
grösseren Anzahl der bezeichneten Jesuiten (Cf. I. S. 443, 444) gesagt, dass sie kaum ver¬ 
dienen, in einer Universitätsgeschichte genannt zu werden. Da nun nach meiner Über¬ 
zeugung nicht die litterarische Thätigkeit allein, sondern auch der Unterricht bei einer 
Universitätsgeschichte gewürdigt werden muss, dieser aber gerade von der Befähigung des 
jeweiligen Professors abhängig ist, so war es doch ganz am Platze auf die Thätigkeit der 
genannten Jesuiten auch ausserhalb der Universität hinzuweisen, weil man schwer an¬ 
nehmen kann, dass ein Mann, der in irgend einer Stellung Ausgezeichnetes geleistet hat, 
in seiner früheren Stellung als Professor nichts geleistet habe. 

6. Den Versuch, einer Örtlichkeit, einem Stande etc., diesen speziell, nicht der All¬ 
gemeinheit des menschlichen Wissens angehörige Koryphäen zu schaffen, habe ich nicht 
gemacht. Auch Prantl hat (II. S. 483—571) biobibliographisches Material in weiterem 
Umfange auf geführt, ohne deswegen die betreffenden Professoren und deren Werke allein 
für Ingolstadt-Landshut-München in Beschlag nehmen zu wollen. 

Eichstätt, 9. November 1898. Professor Romstoeck. 


Erwiderung. 

Auf die einzelnen Punkte der vorstehenden Erklärung des Herrn Professors 
Romstöck am bischöflichen Lyzeum zu Eichstätt hätte ich im allgemeinen zu erwidern: 

1. Nach wie vor muss ich behaupten, dass die litterarische Thätigkeit eines 
Universitätslehrers oder gar einer ganzen Gruppe von solchen, wie hier die Jesuiten in 
Ingolstadt, sich einzig und allein nach dem wissenschaftlichen Werte derselben be¬ 
messen lässt. Darum haben auch von den vielen Namen, die Herr Professor Romstöck 
in seiner verdienstvollen Arbeit nennt und nennen musste, nur überaus wenige') in 
der Allgemeinen Deutschen Biographie 2 ) und in Hurters Nomenclator litterarius eine Stelle 
gefunden. Ich muss darauf stehen bleiben, dass in einem einzigen Bande, der zweite ent¬ 
hält ja nur Belege und Urkunden, wenn er die gesamte Geschichte einer Hochschule er¬ 
zählen soll, nur solche Namen mit Auszeichnung genannt werden könneu, deren Schriften 
für die Zeitgenossen epochemachend waren, oder welche für die Nachwelt historischen 
Wert besitzen. Nur so kannte Prantl die ihm gewordene Aufgabe ansehen, für Gelehrte 
die Geschichte einer gelehrten Schule zu schreiben. 

2. Die Behauptung, dass der Geschichtschreiber der Logik und der Hochschule 
„mehr von offenkundigem Hasse gegen die Jesuiten als von der Liebe zur Wahrheit 
sich leiten liess“, würde, wenn sie erwiesen wäre, Prantls hohe Bedeutung einfach ver¬ 
nichten. Zum Glücke aber genoss und geniesst noch heute Prantl auch bei seinen wissen¬ 
schaftlichen Gegnern ein grosses und wohlberechtigtes Ansehen, sodass es nicht unwider¬ 
sprochen bleiben darf, wenn er sechsundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen seines Werkes 
und zehn Jalire’nach seinem Tode in so heftiger Weise angegriffen wird. Wenn 
er sich auch mehr Mühe gegeben hätte, „den Schleier zu lüften, unter welchem der Nach¬ 
weis litterarischer P,rzeugnisse verborgen zu sein pflegt“, ja sagen wir, selbst wenn er Rom- 
stöcks fleissige Arbeit so vieler Jahre zur Hand gehabt hätte, sein Urteil über die Wissen¬ 
schaft li ch e Wirksamkeit der Jesuiten in Ingolstadt hätte um kein Haar anders aus- 
fallen können. Ich habe dieselbe ja nach ihrem Inhalte zusammen gestellt. 

3. Das Verhältnis des Präses zum Respondenten wird zu allen Zeiten das gleiche 
gewesen sein. Auch heutzutage hat der Professor wesentlichen Anteil an .der Wahl des 
Stoffes, den Vorarbeiten und der Gestaltung der Dissertation — ad minimum elaboratam 
quodam modo emendare solet. (S. 12 A.), ohne dieselbe unter seine Arbeiten aufzu¬ 
nehmen. Er wollte dies wohl selten auch thun, denn es sind ja meist Erstlingsarbeiten ; 
es müsste sich erst in unserem Falle zeigen, wie weit diese zahlreichen Doktorarbeiten 
die wissenschaftliche Thätigkeit der mit ihnen geschmückten Jesuiten überhaupt 
erhöhen könnten. 

4. u. 5. Je mehr Herr Professor Romstöck sein mühsames Werk vervollständigen 
kann, je mehr er uns an Personalien und privaten Mitteilungen aus dem Leben der von 
ihm genannten Männer zu liefern vermag, desto dankbarer sind wir ihm; das ist ja Zweck 
und Aufgabe solcher „biobibliographischer“ Studien. Aber wie sollten sie denn in der 
Geschichte der Universität irgendwelche sachliche Verwertung finden ? 

6. „Die Jesuitennullen Prantls an der Universität Ingolstadt und ihre Leidens- 

') Es sind — salvo errore calculi — von den zweihunderteinundsiebzig Namen, 
die Romstöck bearbeitet hat, ganze sieben in die Allgemeine Deutsche Bio¬ 
graphie übergegangen und nur dreiundzwanzig in Hurters Nomenclator!! Spricht 
das nicht beredter als alles für Prantls Beurteilung als wissenschaft¬ 
liche „Nullen“? 

*) Hier sei es gestattet, einen Druckfehler auf S. 17 Z. 25 v. o. zu verbessern. 
Es muss natürlich heissen: nicht in A. D. B. statt s. über ihn A. D. B. 


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4 * Anzeigen und Besprechungen. 


genossen“ ist doch schon dem Titel nach eine Verteidigung der Professoren eines Ordens, 
und nur weil sie diesem Orden angehören; das ist ja zu wiederholten Malen im 
Vorwort klar und deutlich ausgesprochen. Ich aber bin der Meinung gewesen, dass in 
einer Geschichte der Wissenschaft die konfessionelle Stellung ihrer Vertreter bei Lob 
und Tadel kaum zur Erwähnung kommen kann, woferne nicht der leider nur zu oft 
wiederkehrende Versuch allerseits gemacht wird, einem gewissen Lande, einer ge¬ 
wissen Konfession, einem Orden, einer Geheimgesellschaft möglichst viele grosse Männer 
zuzuschreiben. 

Und diese Erwägung gerade würde, wenn ich die Erklärung des Herrn Prof. 
Romstöck gründlich widerlegen müsste, den Gegenstand unserer Polemik alsbald wesent¬ 
lich ändern. Die Frage würde nämlich rasch nicht mehr lauten: ,,Hat Prantl den Jesuiten 
Gerechtigkeit widerfahren lassen ?“, sondern : ,,Durfte Prantl, von dem jeder, der das Glück 
hatte, bei ihm zu hören, und der seine Erlebnisse von 1852 und seine Schriften kennt, 
zur genüge weiss, dass das Credo quia absurdum — ich verstehe es natürlich in seiner 
ursprünglichen ehrlichen christlichen Auffassung — und die Dogmatik bei ihm 
keine Schranke seiner Forschung bildete, durfte Prantl bei solcher scheinbar antikirch¬ 
licher Anschauung die streitbarsten Diener der Kirche überhaupt beurteilen, ja konnte 
er das? Nach Herrn Prof. Romstöcks Worten konnte er es nicht. ,,Seine vielfach un¬ 
berechtigte Parteinahme gegen die Gesellschaft Jesu und deren Mitglieder“ (IV) und 
der Umstand, „dass Prantl ... sich mehr von offenkundigem Hasse gegen den 
Jesuitenorden und die Mitglieder desselben als von der Liebe zur Wahrheit leiten 
liess“ (472), ermöglichen ihm ein richtiges Urteil über Jesuiten nicht. 

Und das ist der Punkt, in dem ich mit Herrn Prof. Romstöck nicht überein- 
stitnmen kann; denn mir erscheinen z. B. trotz ihrer kirchenfeindlichen Gesinnung David 
Huine und Edward Gibbon als hochbedeutende Historiker, deren Wahrheitsliebe unan¬ 
gefochten bleibt. Darum kommen wir auch nicht zum Abschlüsse. Herr Prof. Romstöck 
bringt die Historisch-politischen Blätter als Kampfgenossen; nun auch ich stehe nicht 
allein mit meiner Verehrung des unersetzlichen Prantl, des „verkörperten kritischen Ver¬ 
standes“, dessen Hörsaal man „vom Hauche der Wissenschaft berührt, gekräftigt und ge¬ 
stärkt, wie durch ein Stahlbad“ verliess. (K. Meiser, biogr. Jahrb. f. Altert. 1889.) Die 
Achtung jeder Partei verdient nach meiner Meinung Prantl durch „das mutige Eintreten 
für das unverbrüchliche Recht der freien Forschung“ (Philos. Monatshefte, Bd. XXVI. 
S. 104). Er war, wie ihn Wilhelm Christ') in seiner wahrhaft klassischen Gedächtnisrede 
in der k. b. Akademie der Wissenschaften zu München am 28. März 1889 zeichnet. Christ 
hatte nämlich „das im Auge, was doch allem Thun und Wissen erst den Adel verleiht, 
den sittlichen Charakter seines Forsche 11s“. (S. 40) „Prantl war von heissein 
Wissensdurst erfüllt und scheute in dem rastlosen Streben nach Erweiterung und Ver¬ 
tiefung seines Wissens keine Mühe, kein Opfer; er nannte die Lüge die erste und 
grösste der Sünden und wies nicht bloss jede Heuchelei und jedes Sicliselbstuntreu- 
werden weit von sich, sondern war auch jeder Zeit bereit, begangenen Irrtum ein- 
z u gestehen und zu verbessern... Er hatte vor allem den Mut der Überzeugung ... 
er kannte in wissenschaftlichen Fragen kein Leisetreten, keine Kompromisse. 
Das sind die sittlichen Eigenschaften. . . die ihn als Menschen zierten, die aber 
auch ihren Abglanz auf seine wissenschaftlichen Werke warfen.“ 

So schilderte ein grosser Gelehrter Prantl vor einer Versammlung der 
allerersten Geister des Landes. Von der Universitätsgeschichte aber sagt (S. 25) 
derselbe Redner — selbst seit Jahrzehnten ein Mitglied der Ludovico-Maximiliana —, 
ohne sie unbedingt zu loben, es werde „jeder, der sich, sei es über die Geschichte 
unserer Universität im allgemeinen, sei es über die Lebensverhältnisse einzelner unter ihren 
Dozenten orientieren will, mit Dank das inhaltreiche uud exakte Werk zur Hand nehmen“.“) 

Und Herr Prof. Romstöck? „Ruhm und Ehre der Universität hat er 
(Prantl) d am i t ni ch t ge f ö r der t . . . Prantl hat als hervorragendes Familienglied einer 
der adeligsten Anstalten Deutschlands einen Teil seiner Vorfahren nicht nur vor den Augen 
der ganzen Welt verdächtiget (!!) und beschämt, sondern dieses auch in unbe¬ 
rechtigter Weise getlian.“ (S. 472.) 

Bei solch unvereinbaren Gegensätzen bleibt nur noch als letzter Entscheidungs¬ 
grund das alte: „Unus Cato est pro centu m m i 1 i b u s. “ 

München, 12. November 1898. Prof. Dr. v. Reinliardstöttner. 

') Wie sehr gerade Christ zur Würdigung Prantls berufen w r ar, heben die Blätter 
für das Bayerische Gymnasialwesen (1890 S. 289 ff.) richtig hervor. 

*) Unter anderem rühmt auch Meiser (a. a. O. S. 12.), Prantl sei, „dieser schwierigen 
Aufgabe (Abfassung der Universitätsgeschichte) trotz des massenhaften Materiales und 
der Kürze der Zeit in glänzendster und rühmlichster Weise Herr“ geworden. — Dagegen 
meint Romstöck: Gewandtheit uud Eleganz seiner Darstellung können nicht in Ab¬ 
rede gestellt werden“ (IV), während Christ wohl mit Recht „einen gefälligeren Ton der 
Darstellung“ wünscht. 


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Anzeigen und Besprechungen, 


5 


Forschungen zur Bayrischen Geschichte von Dr. G. Ra- 
tzinger. Kempten. Verlag der Jos. Köselsehen Buchhandlung 1898. 
(VIII und 653.) 

Der stattliche Band mit seinen gediegenen fünfzehn Abhandlungen liefert reiches 
Material zur Kenntnis der Geschichte Bayerns. Mehr als die Hälfte des Raumes bean¬ 
sprucht die erste Studie über Albertus Bohemus, „das Bild einer charakteristischen Er¬ 
scheinung des dreizehnten Jahrhunderts“, mit dessen Biographie und Würdigung der 
Verfasser sich bereits früher beschäftigte. Eben jene ersteren Veröffentlichungen aber 
ermöglichten Ratzinger, „Detailforschungen und streitige Punkte aus dem vorliegenden 
Buche auszuscheiden und nur die Resultate zu bieten.“ Alberts Heimat und Abstammung 
wird aufs gründlichste erörtert, sein Aufenthalt an der Kurie zu Rom füllt den zweiten 
Abschnitt aus. Von besonderem Interesse ist Albert Böheims Verhältnis zu dem baye¬ 
rischen Herzog Otto und seine Thätigkeit als päpstlicher Schiedsrichter und Legat am 
Hofe zu Landshut. Alsbald erblicken wir Albert an der Kurie zu Lyon ; dort „gewann 
er die Höhe seiner Lebensstellung“. Von Frankreich zurückgekehrt wirkte er wieder als 
Domdekan in Passau, wo er im Anfänge des Jahres 1260 starb. Ratzinger entwirft von 
dem vielbefehdeten Kleriker ein auf eingehenden Studien beruhendes Bild; er nennt ihn 
(265) „in Theorie und Praxis Anwalt der damaligen kurialistischen Auffassung des Ver¬ 
hältnisses von Kirche und Staat“, die ebenso einseitig war, als die entgegengesetzte im¬ 
perialistische. Mitten im Kampfe der beiden in die schroffsten Gegensätze sich stürzenden 
Theorien stand Albert Böheim, und unentwegt stritt er für die streng päpstliche An¬ 
schauung. „Im ganzen ragte Albert weder in seinen Talenten und Tugenden noch in seinen 
Mängeln und Fehlern über das Mittelmass der grossen Masse hinaus. Nur in einem Punkte 
zeichnete er sich vor zahlreichen ähnlichen Erscheinungen der Gegenwart aus: durch 
seinen Mut, seine Offenheit, seine Opferfähigkeit.“ (272) Mit der Hingabe an seinen 
Helden, welche stets die Folge eingehender Beschäftigung mit einem Gegenstände ist, 
verteidigt Ratzinger jeden Schritt seines thatenreichen Lebens. Das „Aventinisclie Zerr¬ 
bild vom Wirken Alberts“ soll beseitigt werden (273), und nachdem sich die Geschicht¬ 
schreibung „in der Auffassung fast ausschliesslich der gehässigen und leidenschaftlichen 
Darstellung Aventins angeschlossen“, (25) bleiben dem Verfasser auch neuere Geschicht¬ 
schreiber (Schirrmacher, Rockinger) zu bekämpfen. Von besonderem Interesse ist der 
siebente Abschnitt über Alberts litterarische Reliquien, zunächst die Konzeptbücher. Dass 
die unter den Ciinelien der K. Hof- und Staatsbibliothek zu München verwahrte lateinische 
Handschrift (Clin 2574 b) ein Autogramm des Albert Böheim sei, nimmt Ratzinger nicht 
an (274); wohl aber besitzen wir in dem aus dem Kloster Aldersbach stammenden Manu¬ 
skripte die älteste bis jetzt bekannte Papierhandschrift in Deutschland. 

Vierzehn kleinere Abhandlungen teilen sich in den Raum der zweiten Hälfte des 
Buches: Lorch als Bischofssitz, „eine der schwierigsten und dunkelsten Partien“ der Ge¬ 
schichte (326); „das Projekt eines Wienerbistums im 12. und 13. Jahrhundert“; „Älteste 
Reliquienverehrung in Bayern“; „Zur älteren Kirchengeschichte Bayerns“, eine neue 
Untersuchung der Rupertusfrage, der hier nicht mehr der erste Apostel Bayerns bleibt; 
„Zur Geschichte der Marienfeste in Bayern“; „Quirinus und Arsacius. Tegernsee und 
Ilmünster“; „Der bayerische Kirchenstreit unter dem letzten Agilulfinger“; „Die soziale 
Bedeutung des hl. Franziskus“: „Anfänge der Bettelorden in der Diözese Passau“; „Bäuer¬ 
liches Leben im 13. Jahrhundert“; „Bayrisch-Mailändischer Briefwechsel im 12. Jahrhundert“; 
„Lombardische Bauinnungen in Bayern“, eine überaus interessante Darstellung des Ein¬ 
wirkens oberitalienischer Baumeister auf altbayerische Städte; „Diakonat und städtische 
Gemeindearmenpflege im Mittelalter“; „Projekt der Errichtung eines Münchener Bistums 
1579“, eine vergeblich von den Wittelsbachern angestrebte Sache. Ein Nachtrag greift 
nochmal auf „Albert Bohemus und das bayrische Regentenhaus“ zurück. 

So mächtig sich auch die erste Abhandlung durch ihren Umfang über die übrigen 
erhebt, verbindet doch auch einige der kleineren mit ihr ein gemeinsames Band, dessen 
besonderes Studien gebiet das zwölfte und dreizehnte Jahrhundert ausmacht, worauf schon 
das Vorwort hin weist. Was der Verfasser selbst von den Studien sagt, welche er in dem 
reichhaltigen Bande bietet, mag als völlig richtig anerkannt w r erden. „Die kritischen 
Streifzüge bewegen sich nicht in den ausgetretenen Geleisen, sondern suchen neuen Auf¬ 
fassungen Bahn zu brechen und den Boden zu ebnen. Sie werden deshalb Widerspruch 
hervorrufen.“ (VI) Dies ist geschehen und wird geschehen; denn der Verfasser hat sich 
eine ihm ganz eigene, unabhängige Geschichtsanschauung gebildet, die in vielen Stücken 
rücksichtslos ihre Bahn geht Aber wir sagen mit ihm, „das Ziel ist erreicht, w r enn diese 
Streifzüge den Anstoss zu neuen Forschungen und wiederholten Untersuchungen des 
Quellenmaterials auf dem Gebiete der vaterländischen Geschichte geben.“ 

Was, abgesehen von mancher vom Herkömmlichen weit abweichenden Beurteilung 
geschichtlicher Personen und Thatsachen, das Buch besonders w r ertvoll macht, ist die auf¬ 
richtige Liebe zur bayerischen Heimat, die zu gründlichem Studium von Land und Leuten 
führte, woferne nicht etwa umgekehrt die Erkenntnis der schönen Heimat ihre Verehrung 


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6 * 


Anzeigen und Besprechungen. 


hervorbrachte. Alle’. Bemerkungen Ratzingers zeugen von scharfer Beobachtung der baye¬ 
rischen Eigenart, wie z. B. das (S. 43) von der Kleidung der Bevölkerung an den Donau¬ 
ufern Angeführte. Wo aber der Verfasser gar an die Schilderung der heimatlichen Strecken 
geht, wie in der Darstellung der Gegend, die von Deggendorf nach dem bayerischen 
Walde hin sich ausbreitet (27), oder wenn er den Leser auf die Höhe des Haidsteins ge¬ 
leitet (628), wo Herr Wolfram von Eschenbach die ,marcgrävin diu dicke vomne Heitstein 
über : all die marke schein 4 verehrte, da zeichnet er ein Bild des herrlichen Landes so 
empfindungsreich und wahrheitsgetreu, und eben darum so hinreissend, dass es über die 
ernste Geschichte hinweg den Leser gleichsam in eine anmutige Erzählung hinein versetzt. 

München. R. 


Die Urgeschichte der Franken und die Gründung des 
Frankenreichs durch Chlodwig. Von Dr. Friedrich Stein, Justizrat 
und Bibliothekar zu Schweinfurt. Mit einer Karte. (Separatabdruck aus 
„Archiv des Histor. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg“. Band 
XXXIX.) Würzburg (Kommissionsverlag der Stahelscheu k. Hof- und 
Universitätsbuchhandlung.) 1897. ( 22 ° S.) 

Die vorliegende Arbeit des verdienten Geschichtschreibers der Franciae Orientalis 
begreift nach dem Vorworte „nicht nur die Urgeschichte der Franken seit deren Auf¬ 
treten unter diesem Namen, sondern es ist derselben auch die ihre Vorgeschichte bildende 
Geschichte des rheinländischen Germanenstammes, aus welchem die Franken entstanden 
sind, vorausgeschickt“. Der Verfasser behandelt in eingehender Forschung die Germanen 
des Niederrheins, die Entstehung der Franken und ihre Geschichte bis zum Schlüsse des 
vierten Jahrhunderts, die Franken im fünften Jahrhunderte bis zur Gründung des Franken¬ 
reichs durch Gilodwig. Die mehrfach gerühmte Gründlichkeit des Forschers zeigt sich 
auch in diesem Buche in ganz hervorragender Weise. Besonderes Interesse bietet die 
Kritik der in dem ersten Jahrhundert überaus spärlichen Quellen. Stein zählt auch zu 
jenen Historikern, welche in der Germania des Tacitus ein Bruchstück aus seinen historischen 
Arbeiten, keine eigene Schrift erblicken (67). Das verdienstvolle Werk verbreitet reiches 
Licht über die Urgeschichte der Franken und wird allenthalben willkommen erscheinen. 

München. —ft 


Unter General von der Tann. Feldzugseri nneruugen von 
1870-71 von Hauptmann a. D. Hugo Arnold. München. C. H. Beck- 
sche Verlagsbuchhandlung. 

. Was mag es rechtfertigen „Feldzugserinnerungen“ in den „Forschungen zur Ge¬ 
schichte Bayerns“ zu besprechen? Liegt doch der Gedanke so nahe, dass, wie in den 
meisten solcher „Erinnerungen“, die jedes Jahr auf den Markt geworfen werden, auch 
hier die angenehme Plauderei den Schwerpunkt bedeute. Jedoch mit Unrecht Gegen 
eine solche Annahme sprächen vor allem schon Arnolds frühere schriftstellerische Lei¬ 
stungen über das römische und prähistorische Bayern. Arnold giebt uns mehr als eine 
tagebuchartige Aufzählung seiner persönlichen Erlebnisse aus jener grossen Zeit. Er ist sich 
als Offizier bewusst, dass diese Erlebnisse im geschichtlichen Rahmen der grossen Zeit zu 
betrachten und wiederzugeben sind, und dass über den Details nie das Ganze, dass über den 
Schilderungen der Thaten einzelner und der kleineren Heereskörper nie die grossen Heere 
vergessen w r erden dürfen. Schon an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, wie Arnold 
durch eingestreute Vergleiche mit älteren kriegsgeschichtlichen Ereignissen z. B. in bezug 
auf die Einrichtung und Verpflegung des Heeres — vom dreissigjährigen Kriege an — 
einerseits das Thema noch reizvoller gestaltet, anderseits den Genuss des Werkes erhöht. 
Unter dieser Behandlung des Stoffes leidet aber nicht im geringsten die Klarheit der 
Darstellung. Hiezu trägt die meisterhafte Erzählungskunst des Verfassers bei. Er erweist 
sich als ein feiner Beobachter der momentanen Situationen und ihrer Wirkung auf die 
Massen wie auf die Seele des einzelnen. Und alles, was uns Arnold erzählt, macht trotz 
des poetischen Stiles den Eindruck unantastbarer Wahrheit und Treue. Für die richtige 
Erkenntnis der Kriegsjahre 1870—71 in bezug auf die Anteilnahme Bayerns an dem grossen 
Kampfe und namentlich in bezug auf den Geist im bayerischen Heere ist das Buch von 
ganz besonderem W T erte. Es bietet viel mehr als der bescheidene Beititel „Feldzugs¬ 
erinnerungen“ verspricht und sei hiemit aufs wärmste empfohlen. 

München. W\ 


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Anzeigen und Besprechungen. 


7* 


Ignaz von Döllinger. Sein Leben auf Grund seines schrift¬ 
lichen Nachlasses dargestellt von J. Friedrich. Erster Teil: 
Von der Geburt bis zum Ministerium Abel 1799 — 1837. München 
1899. C. H. Beck sehe Verlagsbuchhandlung (Oskar Beck.) (X und 506 S.). 

In seiner am 28. März 1890 vor der Akademie der Wissenschaften gehaltenen Ge¬ 
dächtnisrede nennt C. A. Cornelius Döllinger einen „Mann von welthistorischer Bedeutung“ 
(3), ihn und Bossuet „die beiden hervorragendsten Männer der lateinischen Kirche in 
den letzten Jahrhunderten“ (13), dessen Name „ein Schmuck für München“ (17) war. Wer 
einem so bedeutenden Mitbürger ein Denkmal errichtet, ehrt damit auch seine Heimat, 
und so hat Bayern und seine Hauptstadt allen Grund, dem Forscher dankbar zu sein, der 
die Arbeit, ein solches Denkmal zu schaffen, auf sich nahm. Doppelter Dank gebührt 
ihm freilich, wenn er hierzu in so ausgezeichnetem Masse befähigt und berufen war, 
wie Friedrich, vor dessen lichtvoller, völlig objektiver, historisch begründeter Darstellung 
alle die kleinen und kleinlichen Versuche für immer verschwinden werden, wie sie 
mangelnde Fähigkeit und unzulängliches Material bei bestem Willen nicht minder als 
boshafte und bewusste Entstellung der Thatsachen anderseits hervorgebracht haben. Von 
dem stattlichen Werktf liegt nun der erste Band vor, der 38 Jahre umfasst und von der 
Geburt des grossen Gelehrten bis zum Ministerium Abel reicht. Friedrich selbst bezeichnet 
in dem Vorworte (VI) als ein Ergebnis dieses Teiles die eine Thatsache, „dass Döllinger 
nie Kurialist oder Papalist war, nie die jesuitische Doktrin und Gläubigkeit zu der seinigen 
machte“, sowie die andere: „Döllinger galt als echtester, ja als „hyperorthodoxer“ 
Katholik, bis die jesuitische Doktrin und Gläubigkeit oder der Ultramontanismus zur 
Herrschaft kam.“ 

Bekanntlich ist schon DöUingers Vater ein hervorragender Gelehrter gewesen, 
dessen „erstes Auftreten (1803/4) eine Neuerung bedeutet“ (37). Unter solch gediegener 
Anleitung wuchs der Knabe in einem Hause heran, das den Sammelpunkt der ersten 
Männer jener Zeit bildete. Wir verfolgen die geistige Entfaltung des Knaben und 
Jünglings, sein Verhältnis zu dem deutschen Dichter Platen, dessen (1893) in unserer 
Zeitschrift (Bd. I. S. 69—103) bereits eingehende Erwähnung geschah, Döllingers Priester¬ 
weihe und erste Verwendung als Seelsorger in Marktscheinfeld. Rasch bricht das Talent 
des jungen Mannes sich eine neue Bahn zum Lehrfache, und bald erblicken wir ihn „in 
der frischesten Spann- und Schaffenskraft“ (183) als Professor an der theologischen 
Fakultät der Universität München. Die litterarische Thätigkeit Döllingers blieb nicht 
ohne Angriffe; aber nicht bloss hin und wieder dem in Jahresfrist entstandenen Werke 
anhaftenden „unbedeutenden historischen“ Irrttimern galt die berechtigte Kritik, „sondern 
gegen die Orthodoxie des Verfassers“ (263) richtete sich die Anklage der Gegner, weil 
er schon damals der Ansicht war, die Kirche bedürfe zu ihrem Blühen und Gedeihen der 
Jesuiten nicht (282) — Auf den einmal gewonnenen Anschauungen von der Aufgabe 
der wahren Religion und der christlichen Kirche, ihrer eigenen sittlichen Kraft und Be¬ 
deutung sehen wir Döllinger in den ereignisreichen folgenden Jahren, die an Kampf und 
Erfolg dem Forscher so vieles brachten, entschieden stehen bleiben. In dem Jahre 1837, 
mit dem der erste Band abschliesst, bewundern wir den acht und dreissigjährigen Professor 
bereits als eine der allerhervorragendsten Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Theologie, 
gefeiert und befragt vom Auslande, eine gewichtige Stimme im eigenen Vaterlande, den 
eben für sich zu gewinnen England ernste Schritte that. 

Der Inhalt der vorliegenden Biographie Friedrichs geht, wie schon der flüch¬ 
tigste Blick auf dieselbe lehrt, weit über das hinaus, was der Titel verspricht. Es 
ist dies Buch nicht etwa eine Darstellung eines nach allen Seiten hin grossen Mannes, 
es ist eine Geschichte seiner ganzen Zeit. Nirgend begnügt sich der tiefe Kenner unserer 
Kirchen- und politischen Geschichte mit der Erzählung eines Ereignisses aus dem Leben 
seines Helden, überall setzt er es in das richtige Licht, und die Thaten, Schriften, Äusse¬ 
rungen Döllingers entspringen, wie eine Naturnotwendigkeit, aus dem Geiste seiner Um¬ 
gebung und der Anschauung des Zeitalters. Nirgend begegnen wir dürren Daten und 
unvermittelten Vorkommnissen, die nur zu oft das Lesen s. g. Biographien wenig an¬ 
ziehend machen, hier ist alles begründet, alles Ursache und Wirkung. 

Friedrichs Buch enthält ein Stück Kulturgeschichte. Wir entnehmen aus ihm 
ein Bild der innersten Vorgänge in Bayern und Deutschland; es ist eine Geschichte der 
Wissenschaft und Litteratur, der wir die damalige Gestaltung der Universitäten und 
Lyzeen und das Getriebe ihrer Vertreter quellenmässig entnehmen; es ist eine Geschichte 
der Kunst und ihrer Entwickelung. Wir sehen Döllinger im Kampf oder friedlich zu¬ 
sammenwirkend mit den ersten Namen auf allen Gebieten jener Periode, mit Heinrich 
Heine, Joh. Ad. Möhler, Lammenais, W r isenian und anderen zahlreichen Geistern, ein be¬ 
redter Beweis für die Bedeutung, die man schon damals dem Theologen und Forscher im 
Inlande und auswärts beimass. 

Dem Erscheinen der beiden Schlussbände, das Friedrich noch im Laufe des 


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8 * 


Anzeigen und Besprechungen. 


Jahres 1899 in Aussicht stellt, kann man mit dem höchsten wissenschaftlichen Interesse 
entgegenselien. Wird dem letzten Teile, wie voraussichtlich, ein umfangreiches Personen- 
und Sachregister beigegeben, so .wird sich aus diesem allein schon beurteilen lassen, welche 
Summe von Material in dieser Biographie steckt, wie fast kein Ereignis politischer, 
wissenschaftlicher, litterarisclier Art in demselben unberührt und unerklärt blieb, wie kein 
Name von irgendwelcher Bedeutung aus jenen Tagen in demselben fehlt — kurz dass, 
abgesehen von dem rein theologischen Werte der Arbeit, die anderswo gewürdigt werden 
muss, Friedrich ein Werk begonnen hat und hoffentlich bald glücklich zu Ende führt, 
das dem Forscher auf kulturgeschichtlichem Boden und dem Vertreter der bayerischen 
Geschichte als wertvollstes Handbuch zur Seite stehen muss. 

München. R. 

Geschichte der Georgskirche (Malteser kirche) in Amberg. 
Mit Grundriss und mehreren Abbildungen. Grösstenteils nach 
archivalischen Quellen bearbeitet von Georg Blössner, k. Semi- 
nardirektor in Amberg. (Sonderabzug aus dem L. Bande der Verhandlungen des 
histor. Vereins von Oberpfalz und Regensburg). Druck Von J. & K. Mayr 
in Stadtamhof. 1898 (62 S.) 

Die anspruchslose Arbeit behandelt in anziehender Form die Geschichte des ältesten 
Gotteshauses der Stadt Amberg, nach Sighart eines Baues von „grossartiger Anlage und 
originellen Motiven, ausgezeichnet durch überaus schlanke Verhältnisse.“ Die w'echselvollen 
Geschicke der Stadt spiegeln sich in der Geschichte der Kirche wider, die beiden Kon¬ 
fessionen einst als Kultusstätte diente. Die lebendige Schilderung der Ereignisse der 
Geschichte und ihrer Einflüsse auf die Malteserkirche wird durch ein paar sehr hübsche 
Bilder unterstützt, sodass das Schriftchen auf willkommene Aufnahme rechnen darf und 
besonders der stattlichen Zahl deijenigen ein dauerndes Andenken bieten kann, welche 
seit Jahrzehnten im Studienseminar zu Amberg die Grundlage ihrer Bildung erworben haben. 

München. R. 

Marterln, Grab- und Hausinscliriften etc. etc. Gesammelt und 
geordnet von A. Dreselly. Salzburg (Druck und Verlag von Anton 
Pustet). 1898. 

Immer aufs neue wird den Kulturhistoriker und speziell den Folkloristen eine 
derartige Sammlung, wie die vorliegende, interessieren. Der Umstand, dass ein grosser 
Teil des zusammengetragenen Materials aus bayerischem Gebiete stammt, veranlasst uns, 
dem Werkchen auch in unserer Zeitschrift ein empfehlendes Wort zu widmen. Es bildet 
eine vorzügliche Ergänzung der Sammlungen von Dr. I* von Hörrmaim und von anderen, 
denn die grösstenteils zum ersten Male veröffentlichten Inschriften betragen an Zahl bei¬ 
nahe neunhundert und rühren nicht nur von Marterln, Bildstöcken und Häusern her, 
sondern auch von Innenräumen und Geräten; gerade letztere Gattung ist in älteren der¬ 
artigen Volksanthologien gänzlich vernachlässigt. Wünschenswert wäre es nur gewesen, 
wenn der Verfasser etwas genauere Quellenangabe bezw. den Fundort und, soweit an¬ 
gängig, auch Jahreszahlen beigefügt hätte. Das sind für die wissenschaftliche Verwertung 
dieser Volkspoesien hochwichtige Punkte. Es ist zu bedauern, dass Dreselly, der selbst 
diese Mängel erkannte, als er schon eine grosse Zahl gesammelt hatte, nicht wenigstens 
seinen späteren Funden entsprechend genauere Notizen beifügte. Die voraussichtlich bald 
erfolgende zweite Auflage wird wohl diesen Aussetzungen Rechnung tragen und so den 
wissenschaftlichen Wert des Werkchens erhöhen. Etwas mehr ausmerzende Kritik bei 
zweifelhaften Nummern trüge ebenfalls hierzu bei. Im übrigen kann die Sammlung den 
Forschern der Volkskunde bestens empfohlen werden. 

München. W. 

Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft in Mön¬ 
chen für 1896 und 1897. (Der ganzen Reihe siebzehntes Heft.) Heraus¬ 
gegeben vom derzeitigen 1. Schriftführer Dr. Heinrich Zimmerer. Mün¬ 
chen 1898. Im Buchhandel zu beziehen durch Theodor Ackermann. 
(119 S.). 

Dass eine zu München tagende wissenschaftliche Gesellschaft — abgesehen da¬ 
von, dass durch ihre Berichte klar dargelegt wird, welchen Anteil bayerische Forscher au 


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Anzeigen und Besprechungen. 


9* 


den gelehrten Bestrebungen der übrigen Völker nehmen — auch reiches Material zur 
heimatlichen Geschichte liefert, ist selbstverständlich. In wie hohem Grade beides bei 
der Münchener Geographischen Gesellschaft der Fall ist, beweist zur genüge ihr neuester 
Jahresbericht Doppelt rühmlich erscheint solche Thätigkeit, als geringe Mittel zur Ver¬ 
fügung stehen, womit auch das Schlusswort (S. 117) den „bescheidenen Umfang“ dieses 
Jahresberichtes rechtfertigt Gerade bei solch beschränkten Mitteln jedoch erscheint es 
gewiss unnötig, dass Hümmerichs gediegener Vortrag über Vasco da Gama mit 
dem ausdrücklichen Hinweise auf die jedem Gebildeten zugängliche Allgemeine Zeitung 
(Beil. 76. 1898), sowie das unterdessen gleichzeitig erschienene treffliche Buch des gleichen 
Verfassers, trotz seines historischen Wertes, nochmal (S. 40 — 76) vollständig abge¬ 
druckt wurde. 

Wie reichlich Bavarica in den Versammlungen zur Verhandlung kommen, geht 
aus den Berichten hervor. So sprach Dr. Stadler (S. 50) über die Perlfischerei in Bayern 
(vgl. Forschungen V, 163 ff.), Dr. Schrötter über die neuen historischen Schulwand¬ 
karten des Königreichs Bayern und des Hauses Wittelsbach (von Wolf und Baldamus und 
Schrötter) (S 59) u. a. Ein überaus interessanter Artikel von Prof. Dr. S. Günther be¬ 
handelt (S. 76—89) das bayerisch-böhmische Erdbeben vom Jahre 1329. — Bei dem Vor¬ 
trage des Berichterstatters über den Photocolsammelatlas freilich tritt die pädagogische 
Absicht unwillkürlich fast ganz zurück; denn die eigenartige Beilage einer Kunst- und Verlags- 
anstalt in diesem lediglich wissenschaftlichen Zwecken dienenden und zunächst zum 
Austausche mit bedeutenden auswärtigen gelehrten Gesellschaften berechneten Jahresberichte 
gemahnt so sehr an eine Reklame, wenn auch an einem gänzlich unrichtig gewählten 
Orte, dass sogar die beigegebene hübsche Karte von Bayern über dies Gefühl nicht hin¬ 
wegzuhelfen vermag. — Wie mannigfaches Material zur bayerischen Geschichts- und 
Landeskunde die Geographische Gesellschaft übrigens seit Jahrzehnten zutage gefördert 
hat, erhellt am deutlichsten aus dem beigegebenen Verzeichnisse der von 1871 —1896 er¬ 
schienenen Jahresberichte, Vorträge und Abhandlungen. (Heft 3. 6. 8. 9. 10, 11. 12. 13. 
15. 16.) Dem Wunsche des Herausgebers, dass „dieselbe mit dem 30. Jahre ihres Wirkens 
einen ebenso gedeihlichen Aufschwung, wie nach dem 25.“, nehmen möge, wird sich 
darum mit dem Referenten jeder Freund der Wissenschaft und ihrer Förderung von 
Herzen anschliessen. 

München. M—t. 

Ignaz von Döllinger. Sein Leben auf Grund seines 
schriftlichen Nachlasses dargestellt von J. Friedrich. Zweiter 
Teil: Vom Ministerium Abel bis zum Ablauf der Frankfurter 
Zeit 1837—1849. München 1899. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung 
(Oskar Beck). (IV und 538 S.) 

Rascher als bei der Anzeige des ersten Teiles (vgl. S. 7*) vermutet w r erden durfte, 
folgte der zweite stattliche Band der trefflichen Arbeit, welcher zwölf inhaltsreiche Jahre 
umfasst, Jahre, die nicht bloss für das Leben des einzelnen, sondern auch für Bayerns 
und Deutschlands Entwickelung bedeutsam waren. Wir begegnen vorerst einer überaus 
richtigen Beurteilung der Gesamtleistungen des Ministeriums Abel, sowie der Erörterung 
der Frage, „ob der Görreskreis mit Recht ultramontan genannt wurde und noch immer 
heisst“. Den „Kölner Wirren“ und der Aufregung, welche sie allenthalben w r achriefen, 
gehört das zweite Kapitel. Im Ferneren verfolgen wir Döllingers bewegtes Leben inner¬ 
halb und ausserhalb seines bayerischen Vaterlandes, seine Reisen in Holland, Belgien und 
Frankreich, seine litterarische Thätigkeit, seine Vorlesungen, seine Erlebnisse in der Gesell¬ 
schaft und im häuslichen Kreise. Vor allem ist natürlich Döllingers Stellung zu den 
brennenden Fragen der bayerischen Hauptstadt von hervorragendem Interesse, so zu der 
gehässigen Verketzerung der Protestanten (1840/41), zur Kniebeugungsfrage (1842) u. a. 
Mitten in allen Kämpfen erblicken wdr Döllinger mit hohen Ehren überhäuft, als Aka¬ 
demiker (1843), als Rector magnificus (1844/45), a ^ s Abgeordneten der Universität München 
zur Ständeversammlung (1845/46), als Propst des Hofstiftes St. Kajetan (1847) und endlich 
(1848) als Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung. 

Diese und eine Reihe ew r ig denkwürdiger geschichtlicher Vorgänge, an denen allen 
Döllinger lebhaften Anteil nahm, und die ihn sogar, w T ie das Auftreten der Lola Montez 
in München, wenn auch nur vorübergehend, in eine persönlich unangenehme Lage ver¬ 
setzten, finden in dem vorliegenden zweiten Bande Friedrichs ihre sachkundige Dar¬ 
stellung auf grund zahlreicher neuer Dokumente. Das objektive Urteil des reifen Ge¬ 
schichtschreibers und gelehrten Kirchenhistorikers versetzt den Leser stets in die Stimmung 
der Zeit, die er schildert, und so sehen sich die Ereignisse in diesem Buche meist durch¬ 
weg etw’as anders, sagen w T ir richtiger und der Wahrheit entsprechender, an, als sie an 
anderen Orten gewöhnlich gezeichnet w'erden. Das lebhafte Interesse, das der erste Band 


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Anzeigen und Besprechungen. 


erregt, steigert sich im zweiten noch wesentlich; er liefert eine stattliche Anzahl neuer 
Beiträge zur inneren Geschichte Bayerns in jenen Tagen, die, so nahe sie uns liegen, oder 
vielleicht eben darum, am unsichersten und widersprechendsten beurteilt werden. Dem 
Schlussbande wird man darum allenthalben mit Spannung entgegensehen. 

München. R. 

Christophorus Hoffmann, genannt Ostrofrankus. Von 
Dr. Otto Kronseder. (Programm des kgl. Maximiliansgymnasiums für 
das Schuljahr 189899.) München 1899. (66 S.) 

Der Verfasser hat sich der von vomeherein nicht einladenden Arbeit unterzogen, 
einem „völlig unbedeutenden“ Geschichtschreiber, wie Potthast den Regensburger 
Benediktinerpater Hoffmann (cc. 1465—1534) nennt, eine eingehende Studie zu widmen. 
Er that dies, weil Potthast nicht alle Schriften des Ostrofrankus aufführt, und weil 
es ihm anregend genug schien, nachzuweisen, wie weit der Hauch des „neuen Geistes“ 
in jener Epoche sich bei unserm Schriftsteller bemerkbar macht. Die überaus fleissige 
Arbeit Kronseders verdient alle Anerkennung; sie erledigt alles, was sich auf unsera 
Chronisten bezieht, mit gründlicher Genauigkeit und wirft auch Lichtstrahlen genug auf 
seine Zeit, seine Umgebung, sein Kloster und seine Heimat. Ein echter Humanist dichtet 
Hoffmann gewandt lateinische Verse in reicher Zahl, er pflegt die klassische Litteratur, 
schreibt Chronik und Geschichte. In seinen „sermones“ ist ihm Sebastian Brant zu¬ 
nächst Vorbild. Obwohl ein Gegner der reformatorischen Bewegung hat Hoffmann 
doch ein offenes Auge für die groben Auswüchse des Klerus und der klösterlichen Zucht, 
deren Zeuge er allenthalben sein muss. Auch die Übergabe Regensburgs an den bayerischeil 
Herzog Albert V. erregt des Chronisten heftigen Unmut Bei aller Vorliebe für seinen 
Helden hat ihn der Verfasser nicht überschätzt. Dass er von seiner engen Klosterzelle, 
seinem solitum latibulum aus, sich den weiten Blick des Geschichtschreibers nicht anzu¬ 
eignen vermochte, darf man wohl von vomeherein annehmeu. Treffend endet die nach 
allen Seiten hin empfehlenswerte Studie mit K. v. Heigels Worten: „Auch Menschen 
mit engen Schicksalen . . . können für den Historiker ebenso würdige, wie schwierige 
Vorwürfe sein.“ — Das letztere sogar in den meisten Fällen! 

München. R. 

Die Kaisergräber im Dome zu Speyer. Von Dr. Johannes 
Praun. (S. 381—428 der Zeitschrift für die Geschichte des Ober¬ 
rheins, herausgegeben von der Badischen Historischen Kommission. Neue 
Folge. Band XIV. Heft 3.) Karlsruhe. J. Bielefelds Verlag. 1899. 

Nachdem „seit einem vollen Menschenalter die wegen der spärlichen und einander 
widersprechenden Nachrichten so schwierige Frage der Kaisergräber im Dome zu Speyer 
keine zusammenhängende Darstellung mehr erfahren“ hat, hat sich soeben Johannes 
Praun in einer vortrefflichen Abhandlung mit derselben beschäftigt und damit der Geschichte 
unserer deutschen Kaiser, sowie jener der Stadt Speyer, einen hervorragenden Dienst er¬ 
wiesen, obwohl auch diese neue, überaus fleissige Arbeit nach des Verfassers Worten (3S3) 
sich „in so manchem Punkte mit einem ehrlichen non liquet begnügen müssen“ wird. 
Vorerst mangelt nämlich in dieser Lieblingsstadt Konrads II. jedes „wenigstens einiger- 
massen befriedigende Geschichtswerk“ aus der ersten Hälfte des Mittelalters, eine Lücke, 
die nicht mehr wieder gut gemacht wurde. Praun stellte sich die Aufgabe, „zunächst 
die ehrwürdigen Gestalten der liier bestatteten deutschen Herrscher in kurzer Betrachtung 
an uns vorüberziehen zu lassen, um sodann von der Beschaffenheit und von den Schick¬ 
salen der Grabstätten zu sprechen.“ Mit gründlicher Sachkenntnis und nach eingehenden, 
an Ort und Stelle gepflogenen Untersuchungen erörtert der Verfasser eine Reihe von 
Sagen, die mit seinem Thema irgendwie in Zusammenhang stehen, bespricht jedes einzelne 
Grab und die greuelvolle Zerstörung Speyers, sowie die Schändung der Leichen durch 
die Franzosen. Der patriotische Wunsch, es möge durch „Augensch ein und Befund“ 
recht bald „zur endlichen Sühne des Frevels von 1689, zur Ehrung der gewaltigen Herrscher 
der deutschen Vorzeit“ geschritten werden, schliesst die an Ergebnissen reiche, ebenso 
anregende als gewissenhafte Studie. 

München. R. 


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Anzeigen und Besprechungen. 


Der Füssener Totentanz und sein Fortleben. Von Dr. Anton 
Dürrwächter. (Jahrbuch des historischen Vereins für Schwaben und 
Neuburg 1899.) 

Der Verfasser obiger Abhandlung, der schon längere Zeit mit anerkanntem Er¬ 
folge auf diesem Gebiete arbeitet (vgl. auch Forschungen, V, 89—115), beschäftigt sich mit 
dem Füssener Totentanz, der zwar der Forschung bisher natürlich nicht entging, dem 
„aber eine genauere Prüfung kunstgeschichtlicher Art“ „nicht zu teil geworden“ ist. Man 
hielt ihn entweder für „eine Nachahmung des Holbeinschen Totentanzes“ oder „nach einer 
der Frohlichsehen Ausgaben des Baseler Gemäldes gefertigt“. „Beides ist aber unrichtig. 
Denn er hat zwar Holbein, aber doch nicht bloss diesen, sondern im Text und auch im 
Bild den Basler Totentanz, jedoch ohne die Vermittelung Fröhlichs, zum Muster gehabt.“ 
Diesen Nachweis zu liefern, ist die Aufgabe, welche sich Dürr Wächter stellt, und deren 
er sich auch überzeugend entledigt. Die zwanzig Toteutanzbilder, welche sich in der 
St. Anna- oder Freibergerkapelle zu Küssen finden, sind der Abhandlung beigegeben und 
erleichtern dem Leser die Aufgabe, derselben zu folgen und sich selbst ein Urteil zu bilden, 
ganz wesentlich. Die Studie sollte „eine detailgeschichtliche Forschung auf dem Gebiete 
des Totentanzes sein. Denn während die allgemeine Geschichte desselben ihre Würdigung 
und Bearbeitung längst erfahren hat, ist der ins Einzelne gehenden Vertiefung noch 
manche Aufgabe gestellt“ Möge der Verfasser noch zu recht vielen ähnlichen greifen 
und sie, gestützt auf die ihm eigene philologisch-historische Gründlichkeit, mit gleichem 
Geschicke lösen! 

München. R. 

Altfränkische Bilder mit erläuterndem Text von Dr. Theodor 
Heil ner. Druck und Verlag von H. Stürtz, k. Uuiversitätsdruckerei in 
Würzburg. 

Alljährlich erscheinen, von einem einfachen Kalendarium begleitet, diese alt¬ 
fränkischen Bilder, die sich schon mit dem ersten Hefte viele Freunde und Verehrer er¬ 
worben haben. Nunmehr liegen fünf inhaltsreiche Jahrgänge vor. Wie schon der Titel 
besagt, werden uns Bilder aus Franken geboten und zwar meist solche, die uns einen 
Einblick in die künstlerische Thätigkeit des Landes gewähren. Neben der Architektur 
erscheint vor allem die Bildhauerei in hervorragendster Weise berücksichtigt, namentlich, 
was jene des Mittelalters anlangt, der ja Franken im besonderen seine bedeutende Stellung 
in der Kunstgeschichte verdankt. Gute Autotypien vergegenwärtigen im Bilde die ein¬ 
zelnen Kunstwerke, der treffliche Text von Universitätsprofessor Dr. Heim er giebt uns 
eine kurze sachliche Erläuterung mit den notwendigsten Daten und einer geschichtlichen, 
beziehungsweise kunstgeschichtlichen Würdigung. Es .lässt sich nicht verkennen, dass mit 
diesen Altfränkischen Bildern unzweifelhaft das Interesse für die noch allenthalben in dem 
Laude an abgelegenen Orten anzutreffenden Kunstwerke geweckt und gehoben wird. 
Der Fachmann wird es dem Herausgeber danken, dass er vielfach seine Wahl auf weniger 
Bekanntes oder schwer Zugängliches fallen liess. Jedes der Hefte enthält ungefähr 15 Ab¬ 
handlungen mit 20—25 Abbildungen. Einzelheiten herauszugreifen, würde zu weit führen 
und hiesse das nicht besonders Erwähnte schädigen. Wir begriissen mit jedem Jahre 
freudigst diese Bilder, die den Erfolg, den sie sich bis jetzt erworben haben, mit vollem 
Recht verdienen. Zum Schlüsse sei noch in anerkennender Weise der typographischen 
Ausstattung gedacht. Als Dekoration des Umschlages dienen meist trefflich ausgeführte 
Reproduktionen mittelalterlicher Einbände der Universitätsbibliothek Würzburg. 

München. W. 


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Berichtigungen. 

Band II S. 126 Anm. 100. Den Artikel Schatzger enthält ein Nachtrag 
(von Druffel) im XXXI. Bande S. 783, 784 der „Allgemeinen Deutschen Bio¬ 
graphie“. 

Band IV S. 86 Anm. 56. Eingehende Studien von Professor Nikolaus Scheid 
über den Jesuitenpater Nikolaus Avancini aus Brez (8. Jahresbericht des öffentlichen 
Privatgymnasiums zu Feldkirch 1899 S. 5) ergaben als dessen Geburtsjahr 1811 (1. Dezember), 
statt des bisher allgemein angenommenen 1612. 

Band VII S. 74 Z. 12 v. u. lies D rech sei statt Dreschei. 

Band VII S. 104 Z. 15 v. u. lies 1777 statt 1877. 


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Register. 


Abel 7*, 9*. 

Abraham a Santa Clara ioo. 
Ackermann Th. 8*. 
Adelheid, Kfstin. 58, 170, 
180, 230, 231, 247, 254. 
Adlzreiter 173, 198, 232, 

241, 253. 

Adolf, Rheingraf 230. 
Aegidius Petrus 59. 

Alberti Franc. VII, VIII. 
Albert Sigismund, Bisch. 
260, 262. 

Albrecht IV., Herz. 8,10,11- 
Albrecht V., Herz. 9, 167, 
258, 260, 10*. 
Albuquerque A. 144. 
Aldenhofen 170, 173, 174, 
183, 186, 194, 195, 232, 

233» 234, 236, 237. 

Alexander VII., Papst 190. 
Allen H. III. 

Altmutter F. 128. 
Anacharsis 74. 

Andree A. 245. 

Andriniont v. 135, 136, 137, 
269, 270, 271, 272, 273, 

274, 275, 276, 277. 

Anetanus 254. 

Angermiller 173, 179, 232. 
Aretin v. 95, 235, 244. 
Ariosto 92. 

Arndt 95. 

Arnold H. 6*. 

Arsacius 5*. 

Aspasia 87. 

Auerbach m. 

Auersperg Graf v. 187, 207, 
234, 284. 

August, Kurf. v.Sachsen 10. 
Avancini N. 12*. 

Aventin 5*. 


Baierus J. J. 305. 

Baldamus 9*. 

Balde 79, 98. 

Barbier J. G. 25, 32, 135, 
i 3 6 » 1 37 * 138, 251, 267, 
268, 271, 272, 273, 275, | 

281, 296, 298. , 

Barclaius I. 

Bärenklau 209. j 

Barth 52, 55. 

Bartoli 235. | 

Baumgarten Graf v. 122. j 

Bauthauser 125. 

Bayard 72, 95. 

Becher J. J. 267, 268, 270, | 

276. | 

Beck 6*, 7*, 9*. | 

Beltin 38. 

Benedikt heil. 92. 

Ben venu ti J. B. 105. i 

Berchem Graf v. 116, 173, 
174 , 199 . 201 . 228, 231, ! 

237 - j 

Berlo 37. 

I 

Bernhard Chr., Bischof v. 

Münster 228, 243. 
Beminger 194, 236, 237. , 

Bever 73. 1 

Bianconi VII. 1 

Bidermann J. 65. 

Bielcke H. 234. 

Bielefeld 10*. 

Bilfinger 82, 99. 

Bischof 46. 

Blössner G. 8*. 

Bluhm s. Blum. 

Blum 144, 191, 198, 221, 

222, 235, 242. 

Böck P. h. 65. 1 

Bodenmann ioi. 

Boediker Joh. III. 


Böheim (Bohemus) Alb. 5 *. 
Bohembt A. L. 225. 
Boineburg 171, 186, 198, 
231, 234, 235. 

Bonn 224. 

Boss 188. 

Bossert G. 1 *. 

Bötticher (Böttiger) 75, 96. 
Brant Seb. 62, 10*. 

Braun Fr. 1 *. 

Brennus 77. 

Breton A. T. XI. 
Brockhaus 94, 96. 
Brokhaussen 74. 

Bronner F. J. 1 *. 
Bruglach 127. 

Brunner 79, 234, 244, 1*. 
Bücher 91, 93. 

Buchholtz (Buechholtz, 
Buchholz, Puechholz) v. 
30, 143, 156, 286, 289. 
Büchner 31, 240, 244. 
Burgero v. 128. 
Burgoldensis 240, 243. 
Bürheu 38, 45. 

Buschmann 210. 

Camerlohr 148. 

Canstein 189, 207. 

Canzler 52. 

Carner 52. 

Cato 4*. 

Charlotte G. Ludwig Karls 
208. 

Chaverin 126. 

Chlodwig 6*. 

Christ W. v. 4*. 

Christian August v. Sulz¬ 
bach 168. 

Christiauus Jo. II. 

Claretta 231, 244. 


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Columbus Chr. 73. 
Comminaeus 144. 

Corning H. 225, 226, 243. 
Cornelius C. A. 7*. 
Cornelius P. v. IV. 

Cotta 77, 78, 81, 89, 93, 99. 
Craven 93, 94. 

Crux VIII. 

Culer 38. 

Dacksberg (Daxperg) J. N. 

v. 108, 112, 127. 
Dallenbergv. 172, 189, 234. 
Darius I. 

Degenfeld 47. 

Denich 147. 

Denkel 173, 178. 

Dietlen W. 1 *. 

Diez F. 58. 

Dilling 52. 

Diogenes 89. 

Dirnitz v. 108. 

Dirr (Dörr)J. 112, 117, 130. 
Dobeneck L. Ch. v. 54, 56. 
Döberl M. 249, 250, 251, 
252, 254, 256, 257, 262, 
267, 270, 290, 293, 296. 
Dobrowsky 85, 100. 
Döllinger 314. 

Döllinger J. v. 7*, 9*. 
Dörnberg v. 52, 55, 73. 
Dorner 112, 133. 

Dörring A. L. v. 151. 
Douane 84. 

Dozen 79. 

Drechsel v. 73, 74, 81, 84, 
90, 98, 12*. 

Dreselly A. 8*. 

Drexl s. Drechsel. 

Drittler 56. 

Druckmüller 177. 

Druffel 12*. 

Dürer A. VI. 

Dürrwächter A. 11*. 
Van-Dyck VI. 

Kberhard, Herz.v.Wttmbg. 
183. 

Echter J., Bisch. 1 *. 

Eder 43, 46, 47. 
Egloffstein H. v. 309. 
Einzinger v. Einzing 27, 34. 
Eisenbeiss 52, 56. 
Eisenmann G. 2*. 


Elisabeth Charlotte von 
Orleans 88, 101, 233. 

Elsässer 46. 

Elvers 97. 

Emmerich 194, 197, 201, 
202, 203, 227, 235, 236, 
237, 238. 

Ernmert 52, 56. 

Erasmus 65. 

Erdmannsdörffer 234, 240, 

244. 

Erhard A. 98. 

Ernst 149, 228, 255, 260, 
261. 264, 265. 

Erouvray de 119. 

JPabre 52. 

Fabricius G. 306. 

Falkenhausen W. v. 54, 56. 

Federl 38. 

Fenneberger 40, 46. 

Ferdinand I., Kaiser 9. 

Ferdinand II., Kaiser 25. 

Ferdinand III., Kaiser 166, 
168, 169, 170, 230. 

Ferdinand, Erzherz. v. Tirol 
174 . 

Ferdinand Karl 34. 

Ferdinand Maria, Kurf.v. B. 
1,16,17,21,22,27,35—40, 
139, 142, 144, 159 » l6 °, 

162, 163, 164, 166, 168 

bis 172, 176—189, 191 
bis 194, 197, 199—209, 
213—227, 230, 231, 232, 
233,234,235,238,239,240, 
241,242,247,249,250,253, 
257, 258, 259, 269, 278, 

279, 281, 283, 292, 297. 

Feser J. 130. 

Feuerbach 73. 

Filchner J. G. 307. 

Fink v. 89, 101. 

Fischart 70. 

Fleischmann 52, 56. 

Flemming 37. 

Flurl 27, 28, 29, 33. 

Forkel 96. 

Förster 67, 93. 

Franciscus heil. 5*. 

Franck 52, 56. 

Franken J. v. 116. 

Franzos K. E. 93. 

Fraunhofer 88, 101. 


Frays 220. 

Freiberg (Freyberg) 1, 27, 
3 E 32, 33 , 34 , 35 , 227. 

Friedberg Graf v. 241. 

Friedrich II., Erzbisch. 5. 

Friedrich Wilhelm d. grosse 
Kurf. 168, 188, 189, 206, 
207, 222, 234, 242, 296. 

Friedrich Wilhelm I. v. Pr. 
46, 48. 

Friedrich II. der Grosse 
88, 102. 

Friedrich IV.(III.),Kaiser 9. 

Friedrich, Rheingraf 230. 

Friedrich II., Kurf. 310. 

Friedrich J. 7*, 8*, 9*. 

Friesen v. 182, 213, 217. 

Fröhlich 11*. 

Fugger Graf v. 204, 227. 

Fürsen 29, 30, 31. 

Fürstenberg F.,H.,W. Egon 
von 135. 136, 137, 138, 
139 , 144 , 153 , 154 , 159 , 
163, 205, 209, 210, 211, 
218,251, 252, 253,267, 
268,270, 271,272,273, 
275,281, 286, 288,290, 
292,293, 296, 298,299. 

Fux 126. 

Galland 97. 

Galli 106, 109. 

Gandershofer 245. 

Ganghofer H. 107. 

Ganss 233. 

Gaudy F. v. 59. 

Gay 227. 

Gehauf 56. 

Gemeiner 27, 29. 

Geinmigen Weyprecht v. 
225. 

Gentz 100. 

Georg Albrechtv. Nürnberg 
216. 

Georg der Reiche, Herz. 
7, 8, 10, 11. 

Georg, Kurf. v. Branden¬ 
burg 10. 

Georg, Ldgrf. v. Hess.-D. 
184, 186, 192. 

Gerneth 47. 

Gewold 167, 230. 

Geyer Chr. 1*. 

Gibbon E. 4*. 


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Giech Carl Graf v. 54, 56. 
Gillis P. 65. 

Gisberti Dom. 58. 

Goedeke 91, 96, 98, 99, 100. 
Goldhagen v. 106, 107, 110, 
125, 129, 130, 133. 
Gonzaga 170. 
Goppenberger 127. 

Görres 97. 

Görs 76. 

Gratnont Herz. v. 225, 244. 
Gran Joh. 11. 

Grappai B. 112, 113, 117, 
122. 

Grass 180, 233. 

Gravel 194, 254, 255, 256, 
293 - 

(»reifenklau K. Ph. H. v. 
• 102. 

Greyerz v. 93, 95. 
Griesenbeck 127. 

Grosch 110, 112, 117, 118, 
119, 120, 123, 125, 126, 
127, 128, 129, 130, 131. 
Groseck v. 184. 
Gruithuyssen 89, 101. 
Grupen 55. 

Gualdo Priorato L. C. v. 

252, 258, 293. 
Guggenberger 126. 
Guidobald, Erzbisch. 181, 
256, 260, 261, 269, 280, 
286, 289. 

Günther S. 9*. 

Günthner S. 79, 98. 
Gustav Adolf VII. 

Hühnlein 69. 

Hain 74. 

Hallberg 131. 

Hammer- Purgstall v. 85, 
100. 

Han L. 205. 

Händl J. 155. 

Händler H. 284. 

Hänlein 95. 

Hann Erhard 7. 
Hanselmann 56. 
Hardenberg 69, 70, 96. 
Haslang v. 247, 251, 290. 
Häsnlein 68. 

Haupt H. 2*. 

Haushofer 2*. 

Häusser 231, 240, 244. 


Haussier A. 103. 
Haymhausen v. VIII. 
Heeren 75, 96. 

Heffter 2*. 

Hefner 46. 

Heide 231, 234, 239, 240, 
244. 

Heigel F. X. 128. 

Heigel K. Th. v. 71, 95. 

240, 244, 250, 297, 10*. 
Heigl 16, 32. 

Heiland 180, 184, 194, 233, 
234, 235, 236. 

Heilmann 45. 

Heine H. 7*. 

Heinrich II., Kaiser 28. 
Heinrich der Reiche, Herz. 
4 » 7 - 

Heintz(e) 89, 101. 

Heis(s)e 75, 97. 

H elf rieh H. U. 164. 
Hellmann 2 *. 

Henner Th. 11*. 

Hepp J. 121. 

Herberstein Graf J. G. v. 
260. 

Herder E. v. 68. 

Herder L. v. s. Huber L. 
Herder J. G. 98. 

Herodes 87. 

Herrmann 28. 

Herrtlin J. N. 126. 
Hertzberg 29. 

Hesser 117. 

Hettinger 194,195, 232, 236. 
Heyne 67, 96. 

Hilz 156, 289. 

Hobliouse (Broughton) 82, 
99 - 

Hocher 143, 157, 270, 287, 
288, 290. 

Hoffmann v. 48. 
Hoffmann Chr. 10*. 
Hofmann I. 

Hofstetten A. v. 130. 
Hohen-Aichner 126, 127. 
Hohenfeld v. 226. 
Hohenlohe - Schillingsfürst 
Prinz 87, 100. 

Holbein VI, 11*. 

Holland 101. 

Holz(n)er 104, 105, 106, 

107, 108. 

Homer 74. 


Hompesch v. 314. 

Honig 91. 

Hönigsstein 85. 

Horaz 79. 

Hörmann 95. 

Hormayr J. v. 85, 92, 100. 
Horn F. 8r, 98. 

Hörrmann L,. v. 8*. 

Hoyer 47. 

Hübener 194, 236. 

Huber 32, 68, 285. 

— L. 68, 69, 76, 81, 83, 
84, 86, 87, 93, 94, 95. 

— Th. 67—90, 93, 94, 95, 

96, 98, 99, IOO. 

— V. A. 97. 

Hübner 45. 

Hübschmann Fr. IX. 
Hueber C. 142, 252, 253. 
Hugo 75, 96. 

Hugo Eberhard, Erzbisch. 

181, 230, 233. 

Hume D. 4*. 

Hummel 52, 56. 
Hümmerich 9*. 

Hun 185, 186, 192, 209, 240. 
Hünningen 72. 
Hunoldtstein 231. 

Hurter 3*. 


Ignati Fr. 143. 

Ignaz heil. 92. 
Inama-Stemegg v. 27, 28. 
Inninger 228. 

Isenburg 183, 233. 
Jaecklino Giov. 64. 

Jäger V. 179, 233. 

Jahns 46, 48. 

Janssen 35. 

Jena 155, 206, 289. 
Joachim 241. 

Jöcher 225. 

Johann Georg, Kurf. v. S. 
186, 197, 201, 209, 215, 
217, 218, 227, 238. 
Johann Kasimir v. Pol. 204. 
Johannes heil. 85. 

Joseph I., Kaiser 25. 
Joseph II., Kaiser 88. 
Judith, Witwe Heinrichs, 
des Bruders Otto I. 28. 
Junge Fr. 1*. 
JungingerG. 155, 156, 284. 


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Kadner i*. 

Karl d. Grosse 170. 

Karl Emanuel 231. 

Karl Gustav v. Schw. 204, 
206, 221, 222, 229, 238. 

Karl Kaspar v. Trier 186, 
221, 224, 234. 

Karl Ludwig v. d. Pfalz 
165, 166, 168, 169, 172, 
174—183, 186—189, 191, 
192, 193, 197—206, 208 
bis 212, 219, 220, 225, 
226, 230, 233, 234, 238, 
239, 240, 243, 244. 

Karl Theodor, Kurf. 104, 
105, 245, 306, VII, 

VIII. 

Kästner A. G. 68, 95. 

Kaulbach IV. 

Keck 9. 

Kehrein 98. 

Keller 72, 95. 

Kellerer M. 1*. 

Kerner J. 100. 

Kiefhaber 78, 97. 

Kleinstäuber 66, I. 

Kiessing J. v. 91. 

Kluckhohn 66, 245. 

Knoch 52. 

Knorr 245. 

Knötschke 235. 

Kobolt III. 

Kobustull J. 104, 108, 112, 
118, 123. 

Koch-Sternfeld 27, 28, 29, 
3 b 33 . 

Köhler L. M. 301, 308. 

Koethe 96. 

Kolb J. B. 105. 

Kolde Th. 1 *. 

König J. 237. 

Königsegg v. 252. 

Konrad II. 10*. 

Kösel 5*. 

Kotzebue 86, 99. 

Kramer 35. 

Kreittmayr 15, 27, 32, 79, 
97 - 

Krenner v. 128. 

Kretz v. 110, 129, 130. 

Kroiss J. G. in. 

Kronseder O. 10*. 

Künsberg 232. 

Künzel 91. 


Kurz Graf v. 150, 183, 187, 
207, 211, 227, 238, 249, 
25b 252. 

Iiabhart 65. 

Ladislaus, Erzbisch. 5. 
Lamey 301. 

Lammenais 7*. 
j Lang 112, 126. 

- Ig. 123, 128. 

| — K. H. v. 67—101. 

Lauterburg A. v. 170, 198, 
j 202, 237, 238. 

I Leibifing K. A. v. 174, * 97 » 
i 199, 200, 201, 202, 205, 

218, 227, 231, 232, 233, 
234, 236, 237, 238, 239. 
Leibnitz 44, 48. 

Leidl (Leydele) 25, 32, 135, 
267, 268. 

I Leist 82, 99. 

I Leopold I., Kaiser 134, 135, 

! 169, 187, 207, 214, 215, 

I 216, 217, 218, 231, 234, 

239, 242, 244, 249, 252, 

! 278, 285. 

Leopold Wilhelm, Erzherz. 
169, 188, 207. 

\ Lerchenfeld v. 28, 114. 

| Lembacher 126, 130. 
Lesueur VI. 

Liebeskind v. 73, 74, 9 °> 9 6 - 
Ligsalz 9. 

Limprun (Linbrunn)v. 106, 

| 107, 133. 

! Lingelsheim 168, 187, 188, 

230- 231.234.238. 

! Lionne de 254. 

Lipowsky 45, 46. 

Lipp von der s. Hun. 
Lippert 1 b 
Lipsius J. 144, 286. 
i List 84, 99. 

Lobkowitz v. 135, 136, 137, 
138, 139 . * 54 , 157 , 267, 
j 268, 269, 270, 271, 272, 

| 273, 274, 275, 278, 280, 

| 281, 282, 283, 288, 290, 

298, 302, 304. 

j Lori 2, 27, 28, 29, 31, 33, 34. 

Lothar Friedrich v. Speier 
1 230. 

Ludwig der Deutsche 28. 
; Ludwig das Kind 28. 


1 Ludwig der Bayer 4, 98, 
VIII. 

Ludwig der Reiche, Herz. 

7, 8. 

Ludwig, Herz., Bruder Wil¬ 
helms IV. 11. 

Ludwig V., Kurf. 309. 
Ludwig, Rheingraf 230. 
Ludwig I., Kg. v. B. III, 
IV, VI, XI, XII. 

Ludwig II., Kg. v. B. V, VI. 
Ludwig XIV. 58, 101, 144, 
218, 247, 254, 255. 
Ludwig Dauphin de Vien- 
nois 58. 

Lundorp 240, 241, 243. 
Lünig 240, 242, 243. 
Lusson A. L. XI. 

Luther II. 

Mackay 37. 

| Maffei 47. 

I Manzin 149, 247, 290. 

Marellus J. 95. 

! Maria Anna v. B. 114, 245. 

I Marianna, bayer. Prinzessin 

! 58. 

f Marnholz (Mahrenholz) v. 

1 1 55.289. 

| Marquarden 146. 

| Mässenhausen v. 107. 

I Mathison F. v. 87, 100. 

| Matthäus, Erzbisch. 11. 

Maximilian I., Kurf. 9, 15, 

• 16, 17, 20, 21, 25, 27, 30, 

! 33» 34, 57, 164, 167, 258. 

| Max Emanuel, Kurf v. B. 

| 36, 37 , 39 » 40, 45 , 284. 

1 Maximilian III. Joseph, 

1 Kurf. 102, VII. 

! Max IV. Joseph, Kurf. 314. 

Maximilian Heinrich von 
1 Köln 186, 213, 232, 234, 

^ 241, 266. 

Maximilian Philipp, Herz. 

f 39 - 

I May 175, 268. 

| Mayer Mf. 27, 28, 29, 30, 

} 32 , 33 * 

1 May(e)r 47, 65, 133, 139, 

I 15b 230, 255, 256, 284, 

| 289, 8*. 

I Mayr-Deisinger 31, 34. 

Mazariu 169, 187. 


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Meel 194,195, 196, 236, 254. 
Heiser K. 4*. 

Meminger 140, 141. 
Memnon 74. 

Merkel 230, 231, 232, 233, 
234, 235, 244. 

Metternich v. 147, 233. 
Mensel 95. 

Meyer 52, 56. 

Michels V. 65. 

Mieg 197, 2oi f 226, 243. 
Milford 93. 

Miller 156, 157, 288, 289. 
Milling 56. 

Möhler J. A. 7*. 

Molitor 304, 306, 307. 
Montez Lola 9*. 
Mon(t)gelas 69, 97, 314. 
Monzambano Sever. de 
230, 234, 238, 243. 
Moratel 123. 

Morawitzky 45, 46. 

Morus Th. 65. 

Moser J. J. 165, 230, 231, 
234, 239, 241, 242, 244. 
Mössmer 66. 

Muffat 167. 

Müller 107. 

Mulzer v. 73. 

Münch Chr. v. 102. 
Muncker F. 91, 95. 
Murillo VI. 

Murray V. 

Mus(s)inaii J. B. 121, 122, 
127, 128. 

Machtmann 131. 

Nagel A. im. 

Napoleon I. 49, 51, 52, 71, 
72, 76, 83, 95, 99. 
Nebucadnezar 83. 
Neuburger Christ. 9, 14, 
3°> 3 1 * 

Neuhäuser 260, 263. 
Nordenius 225. 

Nothafft Graf v. 187. 

Oberndorff v. 119, 121. 
Oefele 230. 

Oppenheimer 202, 238. 
Ossian 74. 

Ostrofrankus s. Hoff mann 
Chr. 

Otfried II. 


Öttingen v. 187, 227. 

Otto I., Kaiser 28. 

Otto, Herz. v. B. 5*. 

Otto Graf 213. 

Öxl C. B. 140, 141, 173, 174, 
194, 232, 236, 248, 256. 

— p. j. 295. 

— J. A. 295. 

— J. G. 134—164, 168, 169, 
171, 172, 173, 180, 182, 
184, 186, 188, 189, 191 
bis 196, 202, 206, 208 
bis 219, 221, 227, 231 
bis 236, 23S, 239, 240, 
241, 247—300. 

— Frau 290. 

Pachmayr 131. 

Paciecus 144. 

Paul Jean 93. 

Peil 169, 175, 183, 186, 194, 
199, 230, 234, 236. 
Pfeffinger 244. 

Philipp Valentin v. Bambg. 
216. 

Philipp Wilhelm, Kurf. d. 
Pfalz 176. 

Pichler 40, 41, 85, 99. 
Pindar II. 

Planck 75, 97. 

Platen 7*. 

Pleymann 226. 

Plinius 80, 98, II. 
Plittersdorf v. 198, 237. 
Plotho O. L. v. 54, 56. 
Pöhlmann (Pöllmann) 52, 
56. 

Poggendorf 96, 98. 
Pontius Pilatus 87. 

Portia Graf v. 207, 269. 
Portmann 188, 194. 
Potthast 10*. 

Poussin VI. 

Prantl 98, 101, 2*, 3*, 4*. 
Praschius J. L. II. 

Praun J. 10*. 

Prechtl J. 85, 100. 
Preysing Graf v. 137. 
Prezenheim W. J. v. VII. 
Pribram 231, 244. 
Prielmayr v. 127, 292. 
Prillsauer A. E. 111, 112, 
115, 117, 119. I 33* 

Prim J. F. 100. 


Primisser 85. 

Puech 38, 45. 

Puecher G. 155, 207, 239, 
284. 

Pufendorf 204, 234, 244. 
Pühler J. 252. 

Pustet A. 8*. 

Pythion II. 

tyriche(l)berg S. v. III. 
Quirinus 5*. 

Rabelais 70. 

Räder 26, 32. 

Raittenau Wolf Dietrich v.. 

Erzbisch. 12, 13, 25, 31. 
Ranke 101. 

Ratzinger G. 5*, 6*. 
Ravenstein H. E. v. 177, 
232. 

Reber (Röber) 112, 115, 
117, 125, 127, 128, 

130, 131. 

Rechberg v. 126, 127, 146, 

293. 

Reichenbach G. v. 88, ioi. 
Reiffenstuhl 18. 

Reindl v. 107. 
Reinhardstoettner J. B. 114. 
Reithmayr W. 112, 118,130. 
Reitzenstein v. 309. 
Retnbrandt VI. 

Resteau 226. 

Reuss 75, 96, 97. 
Reutmannus 306. 

Rewiz zu Grueb J. v. 309. 
Ribeira VI. 

Riedel 56. 

Riezler Sig. 28, 29, 167. 
Rockinger 5*. 

Romstöck 3*, 4*. 

Roth 56. 

Rottkäpl J. 154—157» 272, 
273, 284, 289. 

Roxas Chr. de 267, 268. 
Rubens VI. 

Rupert heil. 5*. 

Rusam 1 *. 

Russ 50, 52, 54, 56. 

Sadler J. P. 164. 
Sanchuniathon 74. 

Sayler 200, 201, 237, 238. 
Schallnkammer 65. 


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Schatzger 12*. 

Schä(t)zler L. J. 88, 100. 
Scheffer |Schäf(f)erJ 38, 40, 
109. 

Scheid N. 12*. 

Schelhorn J. G. 1 *. 
Schenk 52, 56. 

Scherer 143, 144. *58, 273, 
284, 286, 287. 

Scherren 158. 

Schiessler 86, 100. 

Schiller 199. 

Schilter Jo. II. 
Schirrmacher 5*. 
Schlichtegroll 68, 74, 96, 
101. 

Schmeller 33, 46, 64, 65, 66. 
Schmid K. v. 16, 25, 32, 

135. 137, *39» 141» I 4 2 , 

146, 158, 159» l6o > l 7 &, 

218, 222, 223, 224, 228, 

242, 243, 247, 253, 259, 

260, 267, 271, 272, 273, 

274, 275, 276, 283, 284, 

289, 290, 291, 296, 299. 

Schmidt 52, 56. 

Schmoller 28, 30. 
Schnapauf 180, 232. 
Schneider F. K. 112, 117, 
125, 130, 132. 
Schönborn J. Ph. v. 168, 
169, 170, 171, 172, 177, 

191, 192, 193, 195, 198, 

201, 205, 212, 2l6, 2l8 

bis 222, 224, 227, 235, 
237» 238. 

Schönfelder 37. 
Schönhäusl 284. 

Schöpf 69. 

Schreiber G. 179, 186, 233, 
234 . 

Schrenk 177. 

Schroeder 28, 29, 230. 
Schrötter 9*. 

Schuchmann 52. 
Schuhgraf H. I. 

Schüler 307. 

Schüz 182, 233. 
Schwanthaler XII. 
Schwartz Chr. VIII. 
Schwarzenberg 207. 
Schwarzkopf 55. 

Seinsheim v. 126. 

Seydel 31. 


i Seyfried L. 107, 109, 110, 
112, 117, 120, 124. 
Sighart 8*. 

Sinzendorf 267, 270, 273, 
274. 

I Sittich Marx, Erzbisch. 21. 
Snoilsky 189, 194, 195. 
Söldner 121. 

Sommerer 205, 239. 
i Sömmering 69. 
Sommervogel C. 65. 
Spanheim Ez. 225. 

| Spanuagel 253. 

Spät 79, 98. 

Spittler 96. 

| Spix J. B. 88, 100. 
Spizeler 107. 

Stade Dietrich von II. 
Stadion 255. 

Stadler H., I, 9*. 

Stahel 2*, 6*. 

Stählin 1*. 

Stainer 26, 32, 35. 
Staltmayr (Stallmayr) 126. 
Starck 104. 

Staudinger 45, 46, 47, 48. 
Stein F. 6*. 

Stengel 194, 195. 

Stephan V. 2*. 

Stern 77, 97, 99. 

| Sterne 245. 

Sterz 228. 

Stetten P. von 30, 34. 

! Stier 228. 

Stieve 30, 31, 32. 

Stöckel 307. 

Stöhr G. 65. 

Stoiberer 38, 142, 144, 145, 
148, 152, 156, 158, 285, 
286, 289, 293. 

Strauch 210, 237. 

Streber 79. 

Stubenrauch N. v. 1 ro, 115. 
Stumpf 28, 133, 230, 235, 

239» 244- 

I Stürtz H. 11*. 

Sumscher 56. 

1 

Xacitus 98, VII, 6*. 

Tann v. d. 6*. 

Tauner 228. 

Taponier A. V. 

Tattenbach 44. 

Tavemiere 127. 


Taxis Graf v. 172. 

Terraill s. Bayard. 

Thaller A. 124, 125, 127. 
129. 

Theissinger 207. 

Thena 212. 

Thompson - Rumford 122, 
133, VIII, IX, X, XI. 
Thucvdides 83, 92. 

Thuille F. J. 64, 65. 

Thun v. 143, 158. 
Thürheim Graf v. 314 
Törring Graf v. 79, 97, 110, 
120, 125, 131, 260, 261, 
262, 263, 266. 

Tournon de 49, 50. 
Trentini H. 104. 

Tücking 243. 

Turenne 48. 

Uhland L. 98. 

Usteri P. 68. 

Utz 126. 

Utzschneider 245. 

Valley 210, 239, 240, 241. 
Vasco da Gama 9*. 
Velasquez VI. 

Velinagel 99. 

Verdizetti 235. 

Violetin A. 112, 117, 124. 
126. 

Volmar 194, 195, 236, 250, 
254, 280, 298. 

Vorburg v. 171, 194, 195, 
196, 198. 

Vötter J. J. 64, 65. 

Wächter 26, 32, 34. 
Wäger I. J. 113. 

Waitz 28, 96. 

Walderdorf Wilderich von 

213. 

Wallenreiber M. K. 103. 
Wallerstein Fürst v. 68, 69, 
90. 

Wallner v. 107. 

Wampl (Wämpl) 163, 164, 
228, 259. 

Wangenheim 77. 
Wedekind 96, 

Weigel 1*. 

Weigl G. 112. 


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Yelin J. K. 88 , ioo. 


Weiller K. 88, ioi. 
Weisslingen A. v. 94. 
Wenzel, Herz, zu Sagan 
279, 280. 

Werkmeister 80, 98. 
Werner Z. 85, 100. 
Westenrieder 57, 64, 66, 79, 
98, 245, 246. 

Widder G. v. 73. 

Widl 154, 252, 253, 272, 
273, 282. 

Widmann Frz. 26, 34. 

— 56 . 

Widtman 135. 

Wiebeking v. 72, 96, 101. 
Wiesend(t) 52, 56. 
Wilberforce Ed. III. 
Wilderer 252, 253. 
Wilhelm IV.,Herz.8,11,167. 
Wilhelm V. Herz. 9, 12, 25, 
27, 3i, 57- 


Wilhelm, Ldgrf. v. Hess.-K. 
183, 184. 

Wilhelm, Mgrf. v. Baden 
238. 

Wilhelm, Herzog in Bayern 
(Birkenfeld - Gelnhausen 
1752—1837) 316. 

Wimmer 126, 127. 

Winkler L. 47. 

— 56. 

Wipprecht 52, 55. 1 

Wisemann 7*. 

Wolf 128, 9*. 

Wolff Ch. v. 66. 

Wolfram v. Eschenbach 6*. 
Wolfsegg Graf v. 177. 
Woltmann v. 70, 85, 96, 99. | 

Wrede v. 71, 306. j 

Wunder 56. 

Wundt 231, 240, 244. 

Wutke 30. 


Zachow H. 107, 108, 112, 
114, 117, 118, 125, 128, 
130. 

Zangl J. VII. 

Zauner 28, 29, 31, 33. 
Zedier, I. 

Zeitler 52. 

Zenker 78, 97. 

Ziegler Th. 65. 

Zimmer 114. 

Zimmerer H. 8*. 
Zippel(ius) Chr. I—III. 
Zimgibl 27, 79, 98, 133. 
Zschokke H. 67, 91—93, 96. 
Zucker 1 *. 

Zwiedineck - Südenhorst 
240, 241, 244. 


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