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IDEEN
ZU EINER
GEOGRAPHIE DER PFLANZEN
NEBST
EINEM NATURGEMALDE
DER TROPENLANDER,
Auf Beobachtungen und Messungen gegriindet , welche vom 1 oten
Grade nordlicher bis zum 1 oten Grade siidlicher Breite , in den
Jahren 1799, 1800, 1801 , 180a und i8o3 angestellt worden sind,
VON
AL. VON HUMBOLDT UND A. BONPLAND.
BEARBEITET UND HERAUSGEGEBEN VON DEM ERSTERN.
MIT EINER KUPFERTAFEL.
TUBINGEN, BEY F. G. COTTA.
PARIS, BEY F. SCHQELL (rue des macons-sorbonne, n.* 19).
1807.
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VORREDE
JNa'ch' einer fiihfjahrigen Abwesenheit von
Europa, nach einem Aufenthalte in Landern ,
von welchen viele nie von Naturkundigen besucht
worden sind, hatte ich vielleicht eilen durfen ,
eine kurze Schilderung meiner Reise bekannt zu
machen. Ich hatte mirsogar schmeicheln konnen,
dafs diese Eile den Wunschen des Publikums
gemafs gewesen ware , von dem ein grofser Theil
einen so aufmunternden Antheil an meiner per-
sonlichen Erhaltung und dem Fortgange meiner
Unternehmungen geaufsert hat. Aber ich nabe
geglaubt, dafs es nutzlicher fiir die Wissenschaf-
ten sey , ehe ich von mir selbst und .den Hinder-
nissen spreche, welche ich in jenen entfernten
Weltgegenden zu iiberwinden hatte, die Haupt-
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ii VORREDE.
resultate der von mir beobachteten Erscheinungen
in ein allgemeines Bild zusammenzufassen. Dieses
Naturgemalde ist das Werk, welches ich gegen-
wartig den Physikern vorzulegen wage, und dessen
einzelne Theile in meinen nachstfolgenden Arbei-
ten naher entwickelt werden sollen.
Ich stelle in diesem Naturgemalde alle Erschei-
nungen zusammen, welche die Oberllache unsers
Planeten und der Luftkreis darbietet, der jenen
einhullt. Naturkundige , welche den dermaligen
Zustand unsers empirischen Wissens, besonders
den der Meteorologie kennen , werden sich nicht
wundern, so viele Gegenstande in so wenigen
Bogen behandelt zu sehen. Hatte ich langere Zeit
auf ihre Bearbeitung verwenden konnen , so wiirde
. mein Werk nur noch kiirzer geworden seyn :
denn mein. Naturgemalde sollte nur allgemeine
Ansichten, sichere und durch Zahlcn auszudrii-
ckende Thatsachen aufstellen.
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VORREDE. in
Seit-meiner friihesten Jugend hatte ich Ideen-
zu einem solchen Werke gesammelt Den ersten
.Entwurf zu einer Pflanzen-Geographie legte ich
meinem Freunde Georg Forster, dessen Namen
ich nie ohne das innigste Dankgefuhl ausspreche,
vor. Das Studium mehrerer Theile der physika-
lisch - mathematischen Wissenschaften , dem ich
mich nachmals gewidmet, hat mir Gelegenheit
verschafft, meine ersten Ideen zu erweitern. Vor
allem aber verdanke ich die Material ien zu dieser
Arbeit meiner Reise nach den Tropenlandern.
Im Angesichte der Objekte, die ich schildern
sollte; von einer machtigen, aber selbst durch
ihren innern Streit wohlthatigen Natur umgeben ;
am Fufse des Chimborazo , habe ich den grofsern
Theil dieser Blatter niedergeschrieben. Ich habe
geglaubt , ihnen den Titel Ideen zu einer Geogra-
phic der Pflanzen lassen zu miissen. Jeder andere
unbescheidnere Titel wiirde die Unvollkommen-
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I
iv TOR REDE.
heit meines Versuchs auftallender und ihn selbst
der Nachsicht des Publikums unwerther gemacht
haben.
Dem Felde der empirischen Naturforschung
getreu, dem mein bisheriges Leben gewidmet
gewesen ist , habe ich auch in diesenl Werke die
mannichfaltigen Erscheinungen mehr neben ein-
ander aufgezahlt, als, eindringend in die Natur
der Dinge , sie in ihrem innern Zusammenwirken
geschildert. Dieses Gestandnifs , welches den
Standpunkt bezeichnet, von welchem ich beur-
theilt zu werden hoffen darf , soil zugleich auch
darauf hinweisen , dafs es moglich seyn wird ,
einst ein Naturgemalde ganz anderer und gleich-
sam hoherer Art naturphilosophisch darzustellen,
Eine solche Moglichkeit nahmlich, an der ich vor
meiner Rufckkunft nach Europa fast selbst gezwei-
felt; eine solche Reduction aller Naturerscheinun-
gen, aller Thatigkeit und Gebilde, auf den nie
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V OR REDE. / v
beendigten Streit entgegengesetzter Grundkrafte
der Materie, ist durch das kiihne Unternehmen
eines der tiefsinnigsten Manner unsers Jahrhun-
derts begriindet worden. Nicht vOllig unbekannt
mit dem Geiste des Schellingischen Systems, bin
ich weit von der Meynung entfernt , als konne
das achte naturphilosophische Studium den em-
pirischen Untersuchungen schaden , und als soil-
ten ewig Empiriker und' Naturphilosopheh als
streitende Pole sich einander abstofsen. Wenige
Physiker haben lauter als ich iiber das Unbefrie-
digende der bisherigen Theorien und ihrer Bil-
dersprache geklagt ; wenige haben so bestimmt
ihren Unglauben an den specifiken Unterschied
der sogenannten Grundstoffe geaufsert. ( f^ersuche
liber die gereitzte Muskel- und Nervenfaser s $. /,
S. Zy6 und ^22 ; B. II 3 S. 34 ? 4°* ) Wer kann
daher auch frohern undinnigernAntheil, als ich,
an einem Systeme nehmen, das, die Atomistik
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1
w
V
vi vorrede;.
untergrabend , und von der auch von mir einst
befolgten einseitigen Vorstellungsart, alle Differenz
der Materie auf blofse Differenz der Raumerfiil-
lung und Dichtigkeit zuriickzufuhren , entfernt ,
helles Licht uber Organismus, Warme, magne-
tische und elektrische, der bisherigen Naturkunde
so unzugangliche,, Erscheinungen zu verbreiten
verheifst ?
Das Naturgemalde , welches ich hier Hefere ,
griindet sich auf Beobachtungen , die ich theils
allein, theils mit Herrn Bonpland gemeinschaft-
lich angestellt habe. Durch die Bande inniger
Freundschaft viele Jahre lang mit einander ver-
bunden , die mannichfaltigen Beschwerden thei-
lend, denen man in unkultivirten Landern und
unter dem Einflusse bosartiger Klimate ausgesetzt
ist ^ haben wir beschlossen , dafs alle Arbeiten , wel-
che als Friichte unserer Expedition zu betrachten
sind , unsere beyden Namen zugleich fiihren sollen.
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VORREDE. vii
Wahrend der Redaction dieses Werks zu Paris,
habe ich oft des Raths der vortrefflichen Manner
bedurft, mit denen ich das Gliick habe in genauen
Verbindungen zu leben. Herr Laplace , dessen
Name meiner Lobspriiche nicht bedarf , hat seit
meiner Riickkunft aus Philadelphia die warmste
Theilnahme an der Ausarbeitung meiner unter
den Tropen gesammelten Beobachtungen bezeugt.
Aufldarend was ihn umgibt durch die Fulle seiner
Kenntnisse und die Kraft seines Genies, ist sein
Umgang von eben so belebendem wohlthatigem
Einflusse fur mich geworden, als fur alle junge
Manner, denen er gern seine wenige Mufse aut
opfert
Die Pflichten der Freundschaft fordern mich
auf , nicht minder dankbar Herrn Biot, Mitglied
der ersten Klasse des National-Insti tuts, zu nennen.
Der Scharfsinn des Physikers ist so gliicklich in
ihm mit der Starke des Mathematikers vereinigt,
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vin VORREDE.
dafs auch er mir bey der Bearbeitung meiner Rei-
sebeobachtungen sehr niitzlich geworden ist. Er
selbst hat die Tafeln fur die Horizontal-Refraction
und die Lichtschwachung berechnet.
MehrereThatsachen iiber die Wanderungen der
Fruchtbaume, habe ich aus Herrn Sickler s vortreff-
licher Schrift entlehnt. Herr Decandplle und Herr
Ramond haben mir interessante Beobachtungen
iiber den Stand der Gewachse in den Schweizer-
und Pyrenaischen Gebirgen mitgetheilt. Andere
verdanke ich den klassischen Schriften meines viel-
jahrigen Freundes und Lehrers Willdenow. Es
schien nicht unwichtig, einen Riickblick auf die
gemafsigte Zone zu werfen ? und die Vertheilung
europaischer Pflanzen mit der der sudamerikani-
schen zu vergleichen.
Herr Delambre hat mein Tableau der Berg-
hohen mit mehreren , nie bekannt gemachten
eigenen Messungen vermehrt. Ein Theil der mei-
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V O R R E D E. ix
nigen ist nach der neuen Laplaceschen Barome-
terformel durch Herrn Prony berechnet worden.
Eben derselbe hat mit der gefalligsten Bereitwil-
ligkeit die Berechnung von mehr als vier hun-
dert Messungen iibernommen.
Ich beschaftige mich gegenwartig mit der Bear-
beitung des Bandes, welcher meine astronomi-
schen Beobachtungen enthalten soil. Ein Theil
derselben ist bereits dem Langen-Biireau in Paris
zur Pruning vorgelegt worden. Es wiirde voreilig
seyn, vor der Vollendung dieses astronomischen
Bandes , die geographischen Karten , welche ich
gezeichnet , oder die Reisebeschreibung selbst
herauszugeben , da Lage und Hohe eines Orts
fast auf alle physikalische und moralische Erschei-
nungen einen nahern oder entferntern Einflufs
haben. Ich darf mir schmeicheln , dafs besonders
die Langen-Bestimmungen, zu denen ich wah-
rend der miihseligen Schiffahrt auf dem Orinoco,
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x VORREDE.
dem Cassiquiare und dem Rio Negro Gelegenheit
gehabt habe, denjenigen interessant seyn werden,
welche den mangelhaften Zustand der Geographie
des Innern von Siid-Amerika kennen. Trotz der
genauen Beschreibung , welche der Pater Caulin
von dem Cassiquiare geliefert , haben neuere
Geographen doch wieder die grofsten Zweifel
iiber die Verbindungsart des Orinoco mit dem
Amazonenflusse geaufsert. Da ich selbst in diesen
Gegenden mit astronomischen Werkzeugen gear-
beitet habe, so erwartete ich freylich nicht, dafs
man mich mit Bitterkeit ' tadeln wiirde , wenn ich
den Lauf der Berge und Fliisse nicht immer in
der Natur so finde, als sie die Karte von La Cruz
angibt : aber es ist das gewohnliche Schicksal der
Reisenden , da zu misfallen , wo sie hergebrachten
Meinungen widersprechen. Nach vollendeter Her-
1 Geographie mQderne de PinKerton, traduite par Walkenaer, T. VI,
p. 174-177.
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VORREDE. xi
ausgabe meiner astronomischen Beobachtungen ,
wie der der barometrischen und geodesischen
Messungen , werden meine ubrigen Arbeiten
schnell hinter einander dem Publikum vorgelegt
werden konnen : denn erst nach der Bearbeitung
aller jetzt vorrathigen Materialien , werde ich
mich mit der neuen Expedition beschaftigen ,
deren Plan ich entworfen, und von der ich hoffe,
dafs sie grofse Aufklarung iiber die wichtigsten
magnetischen und meteorologischen Erscheinun-
gen verbreiten soil.
Ich kann die ersten Resultate meiner Reise nach
den Tropenlandern nicht bekannt machen , ohne
diese Gelegenheit zu benutzen ? der spanischen
Regierung, welche fiinf Jahre lang mein Unter-
nehmen eines so besondern Schutzes gewurdigt
hat , den Tribut meines tiefen und ehrerbietigen
Dankes darzubringen. Mit einer Freyheit arbei-
tend , die vorher nie einem Fremden oder einem
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xn
VORREDE.
Privat-Manne zu Theil geworden ist, unter einer
edeln Nation, die im Drange der Begebenheiten
ihre Eigenthiimlichkeit erhalten hat, habe ich in
jenen fern en Weltgegenden fast kein anderes Hin-
dernifs gekannt, als das was die Natur den Men-
schen . entgegensetzt. So wird das Andenken an
meinen Aufenthalt in dem neuen Kontinente stets
mit dem lebhaftesten Dankgefuhle fur die liebe- "
voile Behandlung begleitet seyn , welche ich , in
den spanischen Colonien beyder Hemispharen,
wie in dem nordamerikanischen Freystaate, von
alien Rlassen der Einwohner erfahren habe.
Rom, im- Julius i8o5.
Al. von Humboldt.
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IDEEN
ZU EINER
GEOGRAPHIE DER PFLANZEN.
lJ i e Untersuchungen der Naturforscher sind gewohnlich
nur auf Gegenstande beschrankt , welche einen sehr geringen
Theil der Pflanzenkunde umfassen. Sie beschaftigen sich
fast allein mit Aufsuchung neuer Arten , mit Beschreibung
der aufsern Form derselben, und mit den Kennzeichen,
nach deren Ahnlichkeit sie in Klassen oder Familien verei-
nigt werden.
Dieses physiognomischeStudium der organischenGeschopfe
ist unstreitig das wichtigste Fundament aller Naturbeschrei-
bung. Ohne dasselbe konnen selbst diejenigen Theile der
Botanik, welche auf das Wohl der menschlichen Gesellschaft
einen mehr unmittelbaren Einflufs zu haben scheinen, wie
die Lehre von den Heilkraften der Pflanzen , von ihrer
Kultur und ihrem technischen Gebrauche , keine bedeu-
tenden Fortschritte machen. So wiinschenswerth es dem-
nach aber auch ist, dafs viele Botaniker sich ausschliefslich
diesem weitumfassenden Studium widmen mogen ; so sehr
auch die natiirliche Verkettung der Formen einer philoso-
phischen Behandlung fahig ist : so ist es dennoch nicht
n
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•1
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2 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
minder wichtig die Geographic der Pflanzen zu bearbeiten,
eine Disciplin , von welcher kaum nur der Name existirt,
und welche die interessantesten Materialien zur Geschichle
misers Planeten enthalt.
Sie betrachtet die Gewachse nach dem Verhaltnisse ihrer
Vertheilung in den verschiedenen Klimaten. Fast grenzen- *
los, wie der Gegenstand den sie behandelt, enthiillt sie
unseren Augen die unermefsliche Pflanzendecke , welche,
bald diinner, bald dichter gewebt, die allbelebende Natur
iiber den nackten Erdkorper ausgebreitet hat. Sie verfolgt
die Vegetation von den luftdiinnen Hohen der ewigen
Gletscher bis in die Tiefe des Meeres, oder in das Innere
des Gesteins, wo in unterirdischen Hohlen Kryptogamen
wohnen , die noch so unbekannt als die Gewiirme sind ,
welche sie nahren.
Der obere Rand dieser Pflanzendecke liegt, wie der des
ewigen Schnees, hoher oder tiefer, nach dem Breitengrade
der Orte oder nach der Schiefe der warmenden Sonnen-
strahlen. Aber die untere Grenze der Vegetation. bleibt uns
vollig unbekannt : denn genaue Beobachtungen , welche man
iiber die unterirdischen Gewachse beyder Hemispharen an-
gestellt hat , lehren , dafs das Innere der Erde iiberall belebt
ist r wo organische Keime Raum zur Entwickelung und eine
sauerstoffhaltige Fliissigkeit zur Ernahrung gefunden haben.
Jene schroften beeisten Klippen , die hoch iiber der Wol-
kenschichte hervorragen , sind mit Laubmoosen und Flech-
tenarten bewachsen. Ihnen ahnliche Kryptogamen breiten,
bald buntgefarbt, bald von blendender Weisse, ihr weiches
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DER PFLANZEN. 5
faseriges Gewebe iiber die Stalaktiten-Wande unterirdischer
Grotten und iiber das feuchte Holz der Bergwerke aus. So
nahern sich gleichsam die aufsersten Grenzen der Vegetation,
und bringen Formen hervor, deren einfacher Bau von den
Physiologen noch wenig erforscht ist.
Aber die Pflanzen-Geographie ordnet die Gewachse nieht
blofs nach Verschiedenheit der Rlimate und Berghohen, in
welchen sie sich finden ; sie betrachtet dieselben nicht blofs
nach den wechselnden Graden des Luftdruckes ,- der Tempe-
ratur , der Feuchtigkeit und elektrischen Tension , unter
welchen sie sich entwickeln : sie unterscheidet unter den
zahllosen Gewachsen des Erdkorpers, wie unter den Thieren,
zwey Klassen 1 , die in ihrem Verhaltnisse gegen einander (und
so zu sagen in ihrer Lebensweise) weit von einander abstehen.
Einige wachsen einzeln und zerstreut. So in der gemas-
sigten Zone, in Europa, $olanum dulcamara, Lychnis dioica,
Polygonum bistorta, Anthericum liliago , Crataegus aria,
TVeissiapaludosa, Polytrichumpiliferum, Fucus saccharinus,
Clavaria pistillaris , und Agaricus procerus : so unter den
Wendekreisen , im neuen Kontinent, Theophrasta americana,
Lysianthus longifolius , Hevea , die meisten Cinchona-Arten ,
Vallea stipularis, Anacardiurn caracoli, Quassia simaruba,
Spondias mombin , Manettia reclinata , und Gentiana
aphylla.
Andere Gewachse , gesellig vereinigt , gleich Ameisen und
1 Ich habe auf diesen Unterschied und auf andere Verhaltnisse der Pflan-
zen-Geographie schon in meiner Flora Fribergensis (1795) aufmerksam gemacht.
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4 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
»
Bienen , bedecken ganze Erdstrecken , von denen sie alle
von ihnen verschiedene Pflanzen ausschliefsen. Zu dieseh
gehort das Heidekraut (Erica vulgaris), die Erdbeeren (Fra-
garia vesca), Vaccinium myrtillus , Polygonum aviculare,
Cyperus fuscus , Air a canescens, Pinus sylvestris , Sesuvium
portulacastrum , Rhizophora mangle, Croton argenteum,
Convolvulus brasiliensis , Brathys juniperina , Escallonia
myrtilloides, Bromelia liaratas, Sphagnum palustre , Poly-
trichum commune , Fucus natans, Spharia digitata, Lichen
hcematomma, Cladonia paschalis , und Thcel&phora hirsuta.
Ob ich gleich unter diesen geselligen Pflanzen manche
siidamerikanische mit aufgezahlt habe : so ist ihr Vorkommen
in den Tropenlandern doch im Ganzen seltener, als in der
gemafsigten Zone , wo ihre Menge den Anblick der Vegeta-
tion einformiger und defshalb unmalerischer macht. Von
dem Ufer des Orinoco bis zu deni des Amazonen-Stroms
und des Ucayale , in einer Ebene von mehr als drey hundert
Meilen, ist das Land ein ununterbrochener dichter Wald.
Hinderten nicht trennende Fltisse , so konnten Affen , die
fast die ausschliefslichen Bewohner dieser Einode sind , ohne
die Erde zu beruhren, von Zweige zu Zweige sich schwin-
gend , aus der nordlichen Hemisphare in die sudliche iiber-
gehen. Aber diese unermefslichen Waldungen bieten dem
Auge nicht das ermiidende Schauspiel der geselligen Pflanzen
dar. Jeder Theil ist mit anderen Formen geschmiickt. Hier
stehen dichtgedrangt Psychotria , buchenblatterige Mimosen
und immerbliihende Melastoma : dort verschlingen die
hohen Zweige Casalpinien ,. mit Vanille umrankte Feigen-
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DER PFLANZEN. 5
baume , Lecythis - Arten , und die von gerinnbarer Milch *
strotzenden Heveen. Rein Gewachs iibt hier verdrangende
Herrschaft iiber die anderen aus.
Ganz anders sind die Pflanzen in ,der Gegend der Tro-
penlander vertheilt, welche an Neu- Mexico und Louisiana
grenzt. Zwischen dem siebzehnten und zwey und zwan-
zigsten Grade nordlicher Breite ist eine kalte , zwey tausend
Meter (6000 Fufs) iiber den Meerspiegel erhabene Gebirgs-
ebene(Anahuacnennen die Eingeborenen dieses Land), dicht
mit Eichen und mit einer Tannen - Art bewachsen , welche
sich dem Pinus strobus naht. Liquidambarbaume , Arbutus
madronno, und andere gesellige Pflanzen bedecken in den
anmuthigen Thalern von Xalapa den ostlichen Abfall der
mexicanischen Gebirgskette. Boden, Klima, Pflanzen, For-
men , ja die ganze Ansicht des Landes , nehmen hier einen
Charakter an , welcher der gemafsigten Zone anzugehoren
scheint , und den man innerhalb der Wendekreise , in glei-
cher Berghohe , in Siidamerika nirgends beobachtet. Die
Ursache dieses sonderbaren Phanomens liegt wahrscheinlich
grofstentheils in der Gestalt des neuen Rontinents, der an
Breite iibermafsig zunehmend hoch gegen den Nordpol an-
steigt - y wodurch das Rlima von Anahuac kalter wird , als
es nach des Landes Lage und Hohe seyn solite. Canadische
Pflanzen sind so auf dem hohen Gebirgs-Riicken allmahlich
gegen Suden gewandertj und nahe am Wendekreise des
1 Kautschuk, durch Absorption des atmosptarischen Oxygens sich aus der
Milch abscheidend.
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6 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
Krebses sieht man jetzt die feuerspeyenden Berge von Mexico
mit denselben Tannen bewachsen, welche den nordlichen
Quellen des Gila und Missury eigen sind.
In Europa ist die grofse Katastrophe, welche durch plotz-
liches Anschwellen der Binnenwasser erst die Dardanellen
und nachher die Saulen des Herkules durchbrochen und
das breite Thai des Mittelmeers ausgehohlt hat, dem Ueber-
gang afrikanischer Pflanzen hinderlich gewesen. Nur die
wenigen , welche man in Neapel , in Sicilien und in dem
siidlichen Frankreich findet , sind wahrscheinlich , wie die
Aflfen von Gibraltar , vor diesem Durchbruche eingewandert.
Die Kalte der pyrenaischen Gebirgspasse beweist , dafs sie
unmittelbar von Siiden her, aus dem Berberen-Lande ,'und
nicht durch Spanien von Sudwesten her, gekommen sind.
In den folgenden Jahrtausenden hat das landerscheidende,
aber fur SchifFahrt , gegenseitigen Verkehr und intellectuelle
Rultur des Menschengeschlechts so wichtige Mittelmeer ,
diese Einwanderung unmoglich gemacht, und die siideuro-
paische Vegetation kontrastirt defshalb mit der von Nieder-
Agypten und den nordatlantischen Rusten. Nicht so ist die
Pflanzen vertheilung zwischen Canada und der mexicanischen
Landenge. Beyde Lander haben gleichsam ihre Gewachse
gegen einander ausgetauscht , und die Huge! , welche das
Thai von Tenochtitlan begrenzen , sind fast mit denselben
Baumenbedeckt, welche unter dem fiinf und vierzigstenBrei-
tengrade nordlich vom Rranichgebirge und dem Salzsee von
Timpanogos, vegetiren. Wenn Ktinstler diesen mexicani-
schen Theil der Tropenregion besuchten , um in demselben
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DER PFLANZEN. 7
den Charakter der Vegetation zu studiren , wiirden sie dort
vergebens die Pracht und Gestaltverschiedenheit der Aqui-
noctial - Pflanzen suchen. Sie wiirden in dem Parallel der
westindischen Inseln Walder von Eichen , Tannen und
zweyzeiligen Cypressen finden ; Walder , welche die ermu-
dende Einformigkeit der geselligen Pflanzen von Canada ,
Nordasien und Europa, darbieten.
Es ware ein interessantes Unternehmen, auf botanischen
Special -Kar ten die Landerstrecken anzudeuten, welche diese
gesellige Verbindung von Gewachsen einerley Art auf dem
Erdboden einnehmen. Sie wiirden sich in langen Ziigen
darstellen, die, Unfruchtbarkeit verbreitend, alle Rultur um
sich her verdrangen , und bald als Heiden , bald als uner-
mefsliche Grasfluren (Steppen, Savanen), bald als undurch-
dringlicheWaldungen ,demVerkehre desMenschengeschlechts
fast grofsere Hindernisse , als Berge und Meer , entgegen-
stellen. So beginnt das Heideland, diese Gruppirung der Erica
vulgaris. Erica tetralix , des Lichen icmadophila und Lichen
hcematomma , von der Nordspitze von Jutland , und dehnt
sich siidlich, durch Holstein und Liineburg", bis iiber den
zwey und fiinfzigsten Breitengrad hinaus. Von da wendet
es sich gegen Westen, und reicht, durch die Granitebenen
von Minister und Breda, bis an die Riisten des englischen
Oceans. Seit vielen Jahrhunderten herrschen diese Pflanzen
in den nordischen Landern. Die Industrie der Anwohner ,
gegen Jen e Alleinherrschaft ankampfend, hat ihnen bisher
'Fast bis 5a n 27'.
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,/
8 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
nur wenig Raum abgewonnen. Aber diese neugefurchten
Acker , diese Eroberungen des Kunstfleifses , die allein wohl-
thatigen fur die Menschheit, bilden Inseln von frischem
Grun in der oden Heide. Sie erinnern an jene Oasen ,
welche den Keim des vegetabilischen Lebens mitten in den
todten Sandwiisten Lybiens bewahren.
Ein Laubmoos , Sphagnum palustre , welches den Tropen
und den gemafsigten Klimaten gleich eigen ist , bedeckte
ehemals, einen betrachdichen Theil von Deutschland. Die
haufigen Torfmoore in den baltischen und westdeutschen
Landern bezeugen, wie weit jene geselKge Pflanze dort
einst verbreitet war : denn die neueren Moore verdanken
zwey Sumpf- Kryptogamen , dem Sphagnum und Mnium
serpillifolium, ihren Ursprung , wahrend dafs der Torf alterer
Formation aus zusammengehauften Meer-Ulven und koch-
salzhaltigen Fucus-Arten entstanden ist, und daher oft auf
einem Bette kleiner Seemuscheln ruht. Durch Ausrottung
der Walder haben ackerbauende Volker die Nasse des
Klima vermindert. Die Sumpfe sind nach und nach abge-
trocknet, und das Sphagnum , welches den Nomaden des
alten Germaniens ganze Landerstrecken unbewohnbar
machte , ist durch nutzbare Gewachse verdrangt worden.
Unerachtet das Phanomen der geselligen Pflanzen der
gemafsigten Zone hauptsachlich und fast ausschliefslich
angehort : so liefern die Tropenlander doch auch einige
Beyspiele davon. Den langen Riicken der Andeskette in
einer Hohe von drey tausend Meter iiber dem Meere ( fast
93oo Schuh), bedecken in einformigen Ziigen die gelbblii-
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DER PFLANZEN. 9
hende Schite (Brathys juniperina) , Schitimani , (Brathys
ovata), Jarava, eine Grasart, die dem Papporophorum
verwandt ist , myrtillblattrige Escallonia , mehrere Arten
strauchartiger Molinen , und die Tourrettia , dere*n nahrendes
Mark der Indianer oft aus Durftigkeit den Baren streitig
macht. In den brennend heifsen Ebenen zwischen dem
Chinchipe und dem Amazonenflusse wachsen gesellig silber-
blattriger Croton, Godoya, und die mit farbigen Bracteen
bedeck te Bougainvittea, In den Grasfluren (Savanen) des
Nieder-Orinoco wachsen Kyllingia , reitzbare Mimosen , und ,
wo eine Quelle ausbricht , die facherige Morizpalme mit pur-
purrothen zapfenartigen Friichten. Eben so haben wir im
Ronigreiche Neu-Granada, zwischen Turbaco und Mahates,
am Madalenen-Strome , wie an dem westlichen Abfall der
Schnee-Alpen von Quindiu, fast ununterbrochene Walder
von Bambus - Schilf und pisangblattrigen Heliconien gefun-^
den. Aber diese Gruppen geselliger Pflanzen sind stets
minder ausgedehnt und seltener unter den Wendekreisen-,
als in der gemafsigten und kalten Zone der nordlichen Erde.
Um iiber die ehemalige Verbindung nahegelegener Kon-
tinente zu entscheiden , grundet sich der' Geognost auf die
ahnliche Struktur der Kiisten , auf die Schichtung und
Lagerung ihrer Gebirgsarten , die gleichen Menschen- und
Thier-Racen , die sie bewohnen , und auf die Untiefen des
angrenzenden Meeres. Die Geographie der Pflanzen kann
nicht minder wichtige Materialien fiir diese Art der Unter-
suchungen liefern. Sie betrachtet die Gewachse, welche
Ost-Asien mit Kali for ni en und Mexico gemein hat. Sie
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I
ii
1 ».
I
10 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
macht es wahrscheinlich , dafs Sud-Amerika sich vor der
Entwickelung organischer Keime auf dem Erdboden von
Afrika getrennt, und dafs beyde Rontinente mit ihren ost-
lichen und westlichen Ufern einst, gegen den Nordpol hin,
zusammengehangen haben. . Durch sie geleitet kann man in
das Dunkel eindringen, welches den friihesten Zustand
unsers Planeten einhiillt , um zu entscheiden, ob nach den
chaotischen Wasserfluthen die trocknende Erdrinde an vielen
Orten zugleich mit verschiedenen Pflanzenarten bedeckt
worden ist, oder ob (nach der uralten Mythe vieler Volker)
alle vegetabilischen Keime sich zuerst in einer Gegend ent-
wickelt haben , von wo sie , auf schwer zu ergriindenden
Wegen und der Verschiedenheit der Rlimate trotzend ,
nach alien Weltgegenden gewandert sind.
Die Geographie der Pflanzen untersucht , ob man unter
den zahllosen Gewachsen der Erde gewisse Urformen ent-
decken , und ob man die specifische Verschiedenheit als
Wirkung der Ausartung und als Abweichung von einem
Prototypus betrachten kann. Sie loset das wichtige und oft
bestrittene Problem, ob es Pflanzen gibt, die alien Rlima-
ten , alien Hohen und alien Erdstrichen eigen sind ?
Wenn ich es wagen durfte, allgetneine Folgerungen aus
dem zu ziehen , was ich selbst in einem geringen Theile
beyder Hemispharen beobachtet : so sollte ich vermuthen,
dafs einige kryptogamische Pflanzen die einzigen sind , wel-
che die Natur uberall* hervorbringt. Dicranum scoparium,
1 Auch Herr Sctwarz fand €uropaisclie Moose , Funaria hjrgrometrica , Dicranum
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DER PFLANZEN. 11
Polytrichum commune, Verrucaria sanguined und Ver-
rucaria limitata Scopoli, wachsen unter alien Breiten, in
Europa wie unter dem Aquator , auf dem Riicken hoher
Gebirge wie an den Meereskusten , iiberall wo sie Schatten
und Feuchtigkeit finden.
Am Ufer des Madalenen-Flusses , zwischen Honda und
der Agyptiaca , in einer Ebene wo das Thermometer unUn-
terbrochen fiinf und zwanzig bis acht und zwanzig Grade
< zeigt , am Fufse der Ochroma und des grofsblattrigen Macro-
cnemum, haben wir Moosdecken gefunden , so dicht gewebt
und von so frischem Griin , als man sie nur in schwedischen
oder norddeutschen Waldern beobachtet. Wenn andere
Reisende behaupten , dafs Laubmoose und alle Kryptogamen
iiberhaupt in der heifsen Zone selten sind : so liegt der
Grund dieser Behauptung unstreitig darinn , dafs sie nicht
tief genug ins Innere der Walder eindrangen , sondern nur
durre Kiisten oder kultivirte Inseln besuchten. Von den
Flechten finden sich sogar viele derselben Art unter alien
Graden der Breite in der Nord- und Siidzone. Sie scheinen
fast unabhangig vom Einflufse des Rlima, wie die Gebirgs-
arten , auf denen sie wachsen , und von denen kaum eine
irgend einem Theile der Erde ausschliefslich zugehort.
Unter den phanerogamischen Pflanzen kenne ich keine ,
deren Organe biegsam genug sind , um sich alien Zonen
und alien Hohen des Standorts anzueignen. Mit Unrecht
hat man drey Gewachsen , der Alsine media , der Fraga-
glaucum und Biyum serpillifolium , auf den blauen Bergen in Jamaika , deren
Hohe zwey tausend zwey hundert und sechzehn Meter ( n38Toisen) betragt.
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12 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
ria vesca und dem Solanum nigrum, den Vorzug dieser
Biegsamkeit zugeschrieben , dessen sich der Mensch allein
und einige Hausthiere erfreuen, die ihn umgeben. Schon
die pensylvanische und canadische Erdbeere ist von unserer
europaischen verschieden. "Von der letzterrt glaubten wir
zwar , Bonpland und ich , einige Pflanzen in Siidamerika
entdeckt zu haben , als wir zu Fufse uber die Schneegebirge
von Quindiu aus dem Madalenenthale in das Flufsthal des
Gauca kamen. Die wilde Natur dieses Theils der Andeskette,
die Einsamkeit jener Walder von Wachspalmen , duftendem
Styrax und baumartigen Passifloren, die Unkultur der an-
grenzenden Gegenden; alle diese Umstande scheinen den
Verdacht auszuschliefsen , als hatten Vogel, oder gar die
Hand des Menschen, zufallig den Samen dieser Erdbeeren
verstreut. Fanden wir aber wirklich Fragaria vesca ? Wiirde
die Bluthe , wenn wir sie gesehen hatten , uns nicht Ver-
schiedenheiten zwischen der andesischen und europaischen
Fragaria gezeigt haben , da so manche andere Arten dieses
Geschlechts durch die feinsten Niiancen von einander ab-
weichen ? Mehrere deutsche und schwedische Gewachse ,
welche man ehemals auf den Granitklippen des Feuerlan-
des, der Staateninsel, und an den Kiisten der magellanischen
Meerenge, beobachtet zu haben glaubte, sind, bey naherer
Untersuchung des Charakters, von Decandolle, Willdenow*
und Desfontaines , als analoge, aber von den europaischen
verschiedene , Species erkannt worden.
1 Siehe den vortrefllich ausgearbeiteten Abschnitt, Geschichte der Pflanzen -,
in Willdenovr's Grundr, der Kriwterkunde , iBoa , S. 5o4«
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DER PFLANZEN. i3
Ich darf wenigstens mit Zuversicht behaupten , dafs in
den vier Jahren, die ich in Sudamerika in beyden Hemi-
spharen herborisirt, ich nie ein einziges wildwachsendes ,
dem neuen Kontinente vor seiner Entdeckung zugehoriges,
europaisches Gewachs beobachtet habe. Von vielen Pflanzen,
zum Beyspiel von Alsine media, Solanum nigrum, Sonchus
oleraceus, Apium graveolens , und Portulaca oleracea, darf
man blofs behaupten , dafs sie , wie die Volker der kaukasi-
schen Race , iiber einen betrachtlichen Theil der nordlichen
Erdstriche verbreitet sind. Ob sie auch in den siidlicheren
Landern existiren , in welchen man sie bisher noch nicht
entdeckt hat, ist eine unzubeantwortende Frage. Naturfor-
scher sind bisher noch so wenig in das Innere des afrikar
nischen , siidamerikanischen und neuhollandischen Konti~
nents eingedrungen ; wir diirfen uns so wenig schmeicheln,
die Flora dieser Lander vollstandig zu kennen , wahrend
dafs man in Europa taglich unbeschriebene krautartige
Gewachse, in dem vielbesuchten Pensylvanien sogar unbe-
schriebene Baume 1 , entdeckt, dafs es vorsichtiger ist, sich
iiber diesen Punkt aller allgemeinen apodiktischen Aussprii-
che zu enthalten. Der Botaniker wiirde sonst leicht in den
Fehler der Geognosten verfallen , von denen viele den ganzen
Erdkorper nach dem Modelle der Hiigel 3 konstruiren , welche
ihnen zunachst liegen.
Um iiber das grofse Problem von der Wanderung der
1 Den Oehl ^ Nu&baum , Pjrolaria , Michaux.
* Der Brocken , der Montmartre , der Vesuv , der Peak von Derbyshire , der
Saleve und Heinberg.
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l4 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
Vegetabilien zu entscheiden, steigt die«Geographie der Pflan-
zen in das Innere der Erde hinab , urn dort die Denkniahler
der Vorzeit zu befragen , als versteintes Holz , Gewachs-
Abdriicke , Torflagen , Steinkohlen , Flotze und Damin-
erde 1 , welche die Grabstatte der ersten Vegetation unsers
Planeten sind. Betroflfen findet sie siidindische Friichte ,
Palmenstamme , baumartige Farrenkrauter , Pisangblatter
und den Bambos der Tropenliinder, in den Erdschichten
des kalten Nordens vergraben. Sie untersucht, ob diese
Pflanzen heifser Rlimate , wie Elephantenzahne , Tapir- ,
Krokodill- und Didelphis-Gerippe , die man neuerdings in
Europa entdeckt hat , zur Zeit allgemeiner Wasserbedeckun-
gen, durch die Gewalt der Meeresstrome vom Aquator her
in die gemafsigten Zonen angeschwemmt worden sind , oder
ob einst diese nordlichen Rlimate selbst Pisanggebiische
und Elephanten , Rrokodille und baumartiges Bambos-Schilf
erzeugten.
Die Ruhe , in der man jene indischen Produkte oft fami-
lienweise geschichtet entdeckt, scheinet der erstern Hypo-
these , astronomische Griinde scheinen der letztern entgegen
zu stehen. Aber vielleicht sind grofse Veranderungen der
Klimate.moglich, ohne zu einer gewaltsamen Bewegung der
Erdachse und zu Perturbationen seine Zuflucht zu nehmen ,
welche der gegenwartige Zustand der physikalischen Astro-
nomie wenig wahrscheinlich macht.
Wenn alle geognostischen Phanomene bezeugen , dafs die
1 Siehe Steffens geistvolle Abhaudlung in Schellings Zeitschrift fur spekulative
Physik, B. 1 , S. 160.
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DER PFLANZEN.
i5
Rinde unsers Planeten noch spathin fliissig war ; wenn
man aus der Natur und aus der Lagerung der Gebirgsarten
schliefsen darf , dafs die Niederschlage und die Erhartung
der Felsmassen auf dem ganzen Erdboden nicht gleichzeitig
erfolgt sind : so sieht man ein , wie bey dem Ubergange
der Materie aus dem fliissigen in den festen Zustand, wie
bey dem Erstarren und dem Anschusse der Gebirge um
gemeinschaftiiche Kerne, eine ungeheure Masse yonWarme-
stoff frey geworden ist , und wie diese locale Entbindung,
wenigstens auf eine Zeit lang, die Lufttemperatur einzelner
Gegenden, unabhangig vom Stande der Sonne, bat erhohen
konnen. Wurde aber eine solche temporare Erhohung der
Luftwarme von so langer Dauer gewesen seyn , als es die
Natur der zu erklarenden Phanomene erheischt ?
Die Veranderungen , welche man seit Jahrhunderten in
der Lichtstarke mehrerer Gestirne beobachtet hat, begiin-
stigen die Vermuthung, dafs dasjenige, welches das Centrum
unsers Systems ausmacht , ahnlichen Modificationen von
Zeit zu Zeit unterworfen ist. Sollte eine vermehrte Inten-
sitat der Sonnenstrahlen einst Tropenwarme iiber die dem
Nordpole nahen Lander verbreitet haben ? Sind diese Ver-
anderungen , welche die Tropen - Regionen veroden , und
Lappland den Aquinoctial - Pflanzen , den Elephanten und
Rrokodillen , bewohnbar machen wiirden , periodisch ; oder
sind sie Wirkungen vorubergehender Perturbationen unsers
Planetar- Systems ? Alle diese Untersuchungen kniipfen die
Geographie der Pflanzen an die Geognosie an. Lichtver-
breitend iiber die Urgeschichte der Erde, bietet sie der
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i6 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
Phantasie des Menschen ein weites und fast noch unbear-
beitetes Feld dar.
Die Pflanzen , welche den Thieren in Hinsicht auf Reitz-
empfanglichkeit der Organe und auf die Natur reitzender
Potenzen so nahe verwandt sind, unterscheiden sich von
den Thieren wesentlich durch die Epoche ihrer Wande-
rungen. Diese , wenig beweglich in .der friihern Kindheit,
verlassen ihre Heimath erst wenn sie herangewachsen sind:
jene , an den Boden gewurzelt nach ihrer Entwickelung ,
stellen ihre Reisen noch im Samenkorne , gleichsam im Eye ,
an, welches durch Federkronen , Luftbalge, Fliigelansatze und
elastische Retten (Elater oder Catenula der Morchantien ) ,
zu Luft- und Wasser - Reisen geschickt ist. Herbstwinde,
Meeresstrome und Vogel begunstigen diese Wanderungen;
aber ihr Einflufs , so grofs er auch ist , verschwindet gegen
den, welchen der Mensch auf die Verbreitung der Gewachse
auf dem Erdboden ausubt.
Wenn der Nomade , sey es durch die nachziehende Menge
an einen Meeresarm gedrangt , sey es durch andere uniiber-
steigliche Natur-Hindernisse gezwungen, endlich sein irrendes
Leben aufgibt : so beginnt er sogleich einige zur Nahrung und
Rleidung niitzliche Thiere und Pflanzen um sich zu versam-
meln. Diefs sind die ersten Spuren des Ackerbaues. Langsam
ist bey den nordlichen Volkern dieser Lfbergang aus dem
Jagerleben zum Pflanzenbaue : friiher ist die Ansiedelung
bey vielen Bewohnern der Tropenlander. In jener waldrei-
chen Flufswelt , .zwischen dem Orinoco und dem Maraiion ,
hindert der iippige Pflanzenwuchs den Wilden sich aus-
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DER PFLANZEN. 17
schliefslich von der Jagd zu nahren. Die Tiefe und Schnel-
ligkeit der Strome , Uberschwemmungen , Blutgier der
Krokodille und Tiegerschlangen ( Boa ) , machen den Fisch-
fang oft eben so fruchtlos als beschwerlich. Die Natur
zwingt hier den Menschen zum Pflanzenbaue. Nothgedrungen
versammelt er einige Pisangstamme, Carica papaya, J atropha
und nahrendes Arum una seine Hiitte. Dieser Acker , wenn
man so die Vereinigung weniger Gewachse nennen darf ,
ersetzt dem Indianer viele Monathe lang , was Jagd , Fisch-
fang und die wildwachsenden Fruchtbaume des Waldes
ihm versagen. So modificiren Klima und Boden , mehr noch
als Abstammung, die Lage und die Sitten des Wilden. Sie
bestimmen den Unterschied zwischen den beduinischen
Hirtenvolkern und den Pelasgern der altgriechischen Eichen-
walder, zwischen diesen und den jagdliebenden Nomaden
am Mississipi.
Einige Pflanzen , welche der Gegenstand des Garten- und
A.ckerbaues sind , haben seit den fernsten Jahrhunderten
das wandernde Menscbengeschlecht von einem Erdstriche
zu dem andern begleitet. So folgte in Europa die Weinrebe
den Griechen , das Korn den Romern , Baumwolle den
Arabern. Im neuen Kontinente haben die Tulteker, aus
unbekannten nordischen Landern iiber den Gilastrom ein-
brechend, den Mais iiber Mexico und die siidlichen Gegen-
den verbreitet. Kartoffeln und Quinoa findet man iiberall
wo die Gebirgsbewohner des alten Kondinamarca .» durch-
1 Das Kpni^reich.Neu- Granada.
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18 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
gezogen sind. Die Wanderungen dieser efsbaren Pflanzen
sind gewifs; aber ihr erstes und urspriingliches Vaterland
bleibt uns ein eben so rathselhaftes Problem , als das Vater-
land der verschiedenen Menschen-Racen , die wir schon in
den friihesten Epochen, zu welchen Vdlkersagen aufsteigen,
fast uber den ganzen Erdboden verbreitet finden. Siidlich
und ostlich vom kaspischen Meere , am Ufer des Oxus
und in den Thalern von Kurdistan, dessen Berge mit ewi-
gem Schnee bedeckt sind, findet man ganze Gebiische von
Citronen-, Granat-, Birnen-und Rirschbaumen. Alle Obst-
arten, welche unsere Garten zieren, scheinen dort wild zu
wacbsen. Ich sage scheinen; denn ob diefs ihr urspriingli-
ches Vaterland sey, oder ob sie dort einst gepflegt, nach-
mals verwildert sind, bleibt um so ungewisser, als uralt
die Rultur des Menschengeschlechts, und daher auch der
Gartenbau, in diesen Gegenden ist.
Doch lehrt die Geschichte wenigstens , dafs jene frucht-
baren Gefilde zwischen dem Euphrat und Indus , zwischen
dem kaspischen See und dem persischen Meerbusen, Europa
die kostbarsten vegetabilischen Produkte geliefert haben.
Persien hat uns den Nufsbaum und die Pfirsiche ; Armenien
(das heutigeHaikia), dieAprikose; Rlein-Asien, den siifsen
Kirschbaum und die Rastanie 5 Syrien , die Feige , die Gra-
nate, den Ohl- und Maulbeerbaum geschenkt. Zu Cato's
Zeiten kannten die Romer weder sufse Kirschen , noch
Pfirsiche , noch Maulbeerbaume. Hesiod und Homer er-
wahnen schon des Ohlbaums , der in Griechenland und auf
den Inseln des Agaischen Meeres kultivirt wurde. Unter
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DER PFLANZEN.
*9
Tarquin dem Alten existirte kein Stamm desselben, weder
in Italien , noch in Spanien , noch in Afrika. Unter dem
Consulate des Appius Claudius war das Ohl in Rom noch
sehr theuer ; aber zu Plinius Zeiten sehen wir den Ohlbaum
schon nach Frankreich und Spanien verpflanzt.
Die Weinrebe, welche wir jetzt kultiviren , scheinet Europa
fremd zu seyn. Sie wachst wild an den Kusten des kaspi-
schen Meeres, in Armenien und Karamanien. Von Asien
wanderte sie nach Griechenland , von Griechenland nach
Sicilien. Phocaer brachten den Weinstock nach dem siid-
lichen Frankreich , Romer pflanzten ihn an die Ufer des
Rheins und der Donau. Auch die Vitis-Arten, welche man
wild in Neu- Mexico und Canada findet, und welche dem
zuerst von Normannern entdeckten Theile von Amerika
.den Namen Wineland verschafften , sind von der jetzt uber
Pensylvanien , Mexico, Peru und Chili verbreiteten Vitis
vinifera specifisch verschieden.
Ein Kirschbaum, mit reifen Friichten beladen , schmiickte
den Triumph des Lucullus. Die Bewohner Italiens sahen
damals zuerst dieses asiatische Produkt , welches der Dictator
nach seinem Siege iiber den Mithridates aus deni Pontus
mitbrachte. Schon ein Jahrhundert spater waren Kirschen
gemein in Frankreich , in England und Deutschland. 1
So verandert der Mensch nach Willkiihr die urspriingliche
Vertheilung der Gewachse, und versammelt um sich die
1 Einige Bbtaniker behaupten , dais die kleine Varietat von Primus avium in
Deutschland wild sey. Von Pflaumen und Birnen haben die Romer nur die
grofseren schoneren Abarten aus Syrien eingefuhrt.
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20 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
Erzeugnisse der entlegensten Klimate. In Ost- und West-
Indien , in den Pflanzungen der Europaer , bietet ein enger
Raum den Raffee aus Yemen , das Zuckerrohr aus China ,
den Indigo aus Afrika , und viele andere Gewachse dar,
welche beyden Hemispharen zugehoren : ein Anblick, der
um so interessanter ist , als er in die Phantasie des Beob-
achters das Andenken an eine wunderbare Verkettung von
Begebenheiten hervorruft, welche das Menschengeschlecht
iiber Meer und Land , durch alle Theile der Erde getrieben
haben.
Wenn aber auch der rastlose Fleifs ackerbauender Volker
eine Zahl nutzbarer Pflanzen ihrem vaterlandischen Bode'n
entrissen , und sie gezwungen hat , alle Klimate und alle
Berghohen zu bewohnen : so ist durch diese lange Knecht-
schaft ihre urspriingliche Gestalt doch nicht merklich ver-
andert worden. Die Kartoffel , welche in Chili drey
tausend und funf hundert Meter ( fast 11,000 Schuh) hoch
iiber dem Meere kultivirt wird , tragt dieselbe Bliithe , als
die , welche man in die Ebenen von Sibirien verpflanzt hat.
Die Gerste , welche die Pferde des Atriden nahrte ', war
unbezweifelt dieselbe, als die, welche wir heute noch ein-
ernten. Alle Pflanzen und Thiere, welche gegenwartig den
Erdboden bewohnen , scheinen seit vielen Jahrtausenden
ihre charakteristische Form nicht verandert zu haben. Der
Ibis, welchen man unter Schlangen- und Insekten-Mumien
in den agyptischen Katakomben findet , und dessen Alter
vielleicht selbst iiber das der Pyramiden hinausreicht ; dieser
Ibis ist identisch mit dem, welpher gegenwartig an dem
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DER PFLANZEN.
21
sumpfigen Ufer des Nils fischt. 1 Diese Uebereinstimmtingen ,
diese Bestandigkeit der Form, beweisen, dafs die kolossali-
schen Thiergerippe und die wunderbar gestalteten Pflanzen r
welche das. Innere der Erde einschliefst , nicht einer Ausar-
tung jetzt vorhandener Species zuzuschreiben sind, sondern
dafs sie vielmehr einen Zustand unsers Planeten ahnden
lassen, welcher von der jetzigen Anordnung der Dinge ver-
schieden, und zu alt ist, als dafs die Sagen des vielleicht
spater entstandenen Menschengeschlechts bis in ihm auf-
steigen konnten.
Indem der Ackerbau die Herrschaft fremder eingewan-
derter Pflanzen iiber die einheimischen begrundet,werden
diese nach und nach auf einen engen Raum zusammen ge-
drangt. So macht die Kultur den Anblick des europaischen
Bodens einformig, und diese Einformigkeit ist den Wuh-
schen des Landschaftmalers , wie denen des im Freyen
forschenden Botanikers , gleich eritgegen. Zum Gliicke fiir
beyde ist aber diefe scheinbare Ubel nur auf einen kleinen
Theil der gemafsigten Zone eingeschrankt , in welchem Yolks'
menge und moralische Bildung der Menschen am meisteh
zugenommen haben. In der Tropenwelt ist menschliche
Kraft zu schwach, urn eine Vegetation zubesiegen, welche
den Boden unserna Auge entzieht, und nichts unbedeckt
lafst , als den Ocean und die Flujsse.
Die urspriingliche Heimath derjenigen Gewachse , welche
das Menschengeschlecht seit seiner friihesten Rindheit zu
1 Beyde fmdet mau in dem Museum der Naturgeschichte zu Paris neb^u
einander aufgestellt.
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22 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
begleiten scheinen , ist in eben solches Dunkel vergraben ,
als das Vateriand der meisten Hausthiere. Wir wissen nicht,
woher jene Grasarten kamen, auf deren mehlreichen Samen
hauptsachlich die Nahrung aller kaukasischen und mongo-
lischen Volker beruht. Wir kennen nicht die Heimath der
Cerealien, des Weitzens, der Gerste, des Hafers und des
Rockens. Diese letztere Grasart scheint noch nicht einmal
von den Rdmern kultivirt worden zu seyn. Zwar suchen
altgriechische My then den Ursprung des Weitzens in den
Fluren von Enna in Sicilien 5 zwar haben Reisende behaup-
tet , die Gerste in Nordasien , am Ufer des Samara *, der in
die Wolga fliefst , den Spelz in Persien* bey Hamadan , und
den Rocken in Kreta, wildwachsend entdeckt zu haben:
aber diese Thatsachen bediirfen einer genauern Untersu-
chung; es ist so leicht einheimische Pflanzen mit fremden
zu verwechseln, die, der Pflege und Herrschaft des Menschen
.entflohen, verwildernd ihre alte Freyheit in den Waldern
wieder finden. Auch die Gewachse , auf welchen der Reich-
thum aller Bewohner der heifsen Zone beruht, Pisang,
Melon enbaume , Cocospalmen , Jatropha und Mais , hat man
noch nirgends urspriinglich wildwachsend beobachtet. Frey-
lich habe ich mehrere Stamme der ersteren , fern von mensch-
Hchen Wohnungen , mitten in den Waldern am Cassiquiare
und Tuamini gesehen : vielleicht aber hat sie doch die Hand
1 Im Asiatischen Kaptschak, im Lande Orenburg.
2 Auf einem Berge, vier Tagereisen von Hamadan, fand Michaux wilden
Spelz. Er vermuthete , dafa Triticum hjrbernum und Triticum cestivum in Persien
ein$t ebenfalls wildwachsend entdeckt werden wiirden.
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DER PFLANZEN. a5
des Menschen dahin versetzt ; denn der Wilde dieser Regio-
nen , duster , ernst und mifstrauischen Gemiiths , wahlt ab-
gelegene Schluchten , urn seine kleinen Pflanzungen anzu-
legen , Pflanzungen , die er , wechselliebend nach kindischer
Art , bald wieder verlafst und mit anderen umtauscht. Die
verwilderten Pisangstamme und die Melonenbaume 1 schei-
nen dann bald Erzeugnisse des Bodens, auf dem sie sich mit
einheimischen Gewachsen zusammengesellen. Eben so wenig
habe ich je erfahren konnen , wo im neuen Kontinente die
KartofFel wild wachse : diese wohlthatige Pflanze, auf deren
Kultur sich grofsentheils die Bevolkerung des unfruchtbaren
nordlichen Europa griindet, hat man nirgends in unkul-
tivirtem Zustande gefunden, weder in Nordamerika, noch
in der Andeskette von Neu- Granada, Quito, Peru, Chili
und Ghiquitos; ungeachtet die Spanier mehreren Gebirgs-
ebenen den tauschenden Namen ,• Paramo de las Papas >
geben.
Durch diese und ahnliche Untersuchungen verbreitet die
Geographie der Pflanzen Licht iiber den Ursprung des Acker-
baues, dessen Objekte. so verschieden sind als die Abstam-
mung der Volker , als ihr Kunstfleifs , und das Klima , unter
welchem sie wohnen. In das Gebiet dieser Wissenschaft
gehoren Betrachtungen iiber den Einflufs einer mehr oder
weniger reitzenden Nahrung auf die Energie des Charakters ,
Betrachtungen iiber lange Seefahrten und Kriege , durch
welche feme Nationen vegetabilische Produkte sich zu ver-
1 Ich meyne Carica papaya ; denn Carica posoposa glaube ich oft nwprung-
lich wild gesehen zu haben.
1
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^4 IDEEN ZrU EINER GEOGRAPHIE
schafFen oder zu verbreiten suchen. So greifen die Pflanzen
gleichsam in 'die moralische und politische Geschichte des
Menschen ein : denn wenn Geschichte der Naturobjekte
freylich nur als Naturheschreibung gedacht werden kann ; so
jiehmen dagegen , nrich dem Ausspruche eines tiefsinnigen
Denkers % selbst Naturveranderungen einen acht historischen
Charakter an, wenn sie Einflufs auf menschliche Begeben-
heiten haben..
Alle diese Verhaltnisse sind unstreitig fur sich schon hin-
langlich , um den weiten Umfang der Disciplin zu schildem ,
welche wir mit dem nicht ganz passenden Namen einer
Pflanzen-Geographie belegen. Aber der Mensch , der Gefiihl
fiir die Schonheit der Natur hat , freuet sich darinn zugleich
auch die Losung mancher moralischen und asthetischen
Probleme zu finden. Welchen Einflufs hat die Vertheilung
der Pflanzen auf dem Erdboden , und der Anblick derselben
auf die Phantasie und den Kunstsinn der Volker gehabt ?
worinn besteht der Charakter der Vegetation dieses oder
jenes Landes ? wodurch wird der Eindruck heiterer oder
ernster Stimmung modificirt , welche die Pflanzenwelt in
dem Beobachter erregt ? Diese Untersuchungen sind um
so interessanter , als sitf unmittelbar mit den geheimnifs-
vollen Mitteln zusammenhangen , durch welche Landschaft-
malerey und zum Theil selbst beschreibende Dichtkunst,
ihre Wirkung hervorbringen.
Die Natur im Grofsen betrachtet , der Anblick von Fluren
1 Schelling's System des transcendentalen Idealismus , S. 4i3.
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DER PFLANZEN.
25
und Waldung, gewahrt einen Genufs, welcher wesentlich
von dem verschieden ist, welchen die Zergliederung eines
organischen Korpers und das Studium seiner bewunderns-
wiirdigsten Struktur erzeugt. Hier reitzt das Einzelne die
Wifsbegierde , dort wirken Massen auf die Phantasie. Wie
andere Gefiihle erweckt das frische Grim der Wiesen , und
der dunkle Schatten der Tannen ? Wie andere die Walder
der gemafsigten Zone und die der Tropenlander , in welchen
die schlanken Stamme der Palmen hoch iiber dem dick-
belaubten Gipfel der Hymenaen gleichsam einen Saulengang
bilden ? Ist die Verschiedenhek dieser Gefiihle in der Natur
und Grofse der Massen , in der absoluten Schonheit oder
in dem Rontraste und der Gruppirung der Pflanzenformen
gegriindet ? Worinn liegt der malerische Vorzug der Tro-
penvegetation ? Welche physionomischen Unterschiede beob-
achtet man zwischen den afrikanischen Gewachsen und
denen von Siidamerika , zwischen den Alpenpflanzen der
Andeskette und denen der Pyrenaen oder der Gebirge von
Habesh ?
Unter der fast zahllosen Menge von Vegetabilien , welche
die Erde bedecken , erkennt man bey aufmerksamer Beob-
achtung einige wenige Grundgestalten , auf welche man
wahrscheinlich alle iibrigen zuriickfiihren kann , und welche
eben so viele Familien oder Gruppen bilden. Ich begniige
mich hier siebzehn derselben zu nennen , deren Studium
dem Landschaftsmaler besonders wichtig seyn mufs.
1. Bananenform : Pisanggewachse , Musa, Heliconia , Stre-
litzia. Ein fleischiger , hoher , krautartiger Stamm , aus zarten ,
A
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$6
IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIC
silberweifsen , oft schwarzgeflammten Lamellen gebildet.
Breite, zarte , -seidenartig glanzende, quergestreifte, fast lilien-
artige Blatter , von denen die jiingeren , gelblichgriin und
eingerollt, senkrecht emporwachsen, indem die alteren, vom
Winde zerrissen , mit den Spitzen , wie die Krone der
Palmen , abwarts gebeugt sind. Goldgelbe langlichte Friichte,
traubenartig zusammengehauft.
2. Palmenform. Ein hoher , ungetheilter , geringelter
und gegen die Mitte oft bauchiger und stachliger Schaft,
auf dem sich eine Krone von gefiederten oder facherarti-
gen Blattern majestatisch erhebt. Am Ende des Stammes
meist zweyklappige Blumenscheiden , aus welchen die Rispe
ausbricht.
3. Form der baumartigen Farrerikrauter. Den Palmen
ahnlich , aber der Schaft minder hoch und schlank , schwarz-
rissig , mit zarten und schiefgestreiften , hellgriinen , am
Rande zierlich gekerbten , fast kohlartigen Blattern. Keine
Blumenscheiden.
4- Aloe- Form: Agave, Aloe, Yucca, einige Euphorben,
Pourretia. Steife, oft blaulichgriine , glatte, stechendspitzige
Blatter. Hohe Bliithen. Stangel , die aus der Mitte entsprin-
gen und sich bisweilen kandelaberartig theilen. Einige Arten
erheben die strahlige Krone auf nackten , geringelten , oft
schlangenartig gewundenen Stammen.
5. Pothosform: Arum, Pothos, Dracontium. Glanzende,
grofse, oft spiefs- und pfeilformige , durchlocherte Blatter.
Lange, hellgriine , saftige, meist rankende Stangel. Dicke, lang-
liche Blumen. Kolben, aus weifslichen Scheiden ausbrechend.
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DER PFLANZEN.
2 7
6. Form der Nadelholzer: alle Folia acerosa, Pinus, Taxus,
Gupressus, einige Proteen , selbst Banksien , Erica-Arten und
die ( durch angeerbte Monstrositat ? ) ungefiederten neu - hoi-
landischen Mimosen grenzen an die Pinusform. Die Krone ,
bald pyramidal , wie Lerchenbaume und Cypressen , bald
schirm- , fast palmartig sich ausbreitend ,. wie Pinus pinea.
7. Form der Orchideen : Fpidendrum, Serapias, Orchis.
Einfache , fleischige , hellgriine Blatter , mit buntfarbigen ,
wunderbar gestalteten Bliithen , oft parasitisch; die grdfste
Zierde der Tropenvegetation.
8. Mimosenform : Mimosa , Gleditschia , Tamarindus ,
Porlieria. Alle fein gefiederte Blatter, zwischen welchen
die Blaue des Himmels angenehm durchschimmert. Weit-
schattige Kronen , oft schirmartig gedriickt.
9. Mahenform: Sterculia, Hibiscus, Ochroma, Cavanil-
lesia (Flor. Per.). Dickstammige Baume mit grofsen, wei-
chen, meist lappigen Blattern (foliis lobatis) und pracht-
vollen Saulenblumen (Columniferce des Linne).
10. Rebenform: Lianen, Vitis, Paullinia, Clematis, Mu-
tisia. Rankende Gewachse mit rissigen holzigen Stammen
und vielfach zusammengesetzten Blattern. Die Bliithen meist
in Doldentrauben und Rispen.
1 1. Lilienform : Pancratium, Fritillaria , Iris. Stammlose
Gewachse mit langen , einfachen , hellgriinen , zartgestreiften ,
oft schwertformigen und zweyzeiligen , aufrecht stehenden
Blattern, und mit zarten, prachtvollen Bliithen, bald in
Scheiden ( Spaihacea des Linne ) , bald ohne Scheiden
C Coronarias des Linne ).
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28 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
12. Cactusform : die Cerei. Vielkantige , fleischige , blatt-
lose , oft gestachelte , saulenformig ansteigende , theils kron-
leuchterartig getheilte Gewachse , mit schongefarbten aus der
fast unbelebt scheinenden Masse ausbrechenden Blumen.
1 3.* Casuarinenform : Casuarina , Equisetum. Blattlose
Gewachse , vom einfachsten aufsern Baue , mit weichen ,
diinnen , gegliederten , in der Lange gestreiften Stangeln.
i4- Gras- und Schilf- Form.
i5. Form der Laubmoose.
16. Form der Blatterflechten.
17. Form der Hutschwdmme.
Diese physionomischen Abtheilungen weichen oft von
denen ab , welche die Botaniker in ihren so genannten na-
tiirlichen Systemen aufstellen. Bey jenen kommt es allein
auf grofse Umrisse , auf das an , was den Charakter der
Vegetation , und folglich den Eindruck bestimmt , den der
Anblick der Gewachse und ihre Gruppirung auf das
Gemiith des Beobachters macht. Die eigentlich botanischen
Rlassificationen griinden sich dagegen auf die kleinsten ,
dem gemeinen Sinne gar nicht auffallenden , aber bestan-
digsten und wichtigsten Theile der Befruchtung. Es ware
gewifs ein treffliches, eines gebildeten Kiinstlers wiirdiges
Unternehmen , die Physionomien jener Pflanzengruppen ,
fiir deren Beschreibung es selbst den reichsten Sprachen
an Ausdriicken fehlt , nicht in Biichern oder Treibhausern ,
sondern in der Natur selbst , in ihrem Vaterlande zu studi-
ren , und sie treu und lebendig darzustellen. Hohe Palmen ,
welche die machtigen, federartig gekrauselten Blatter iiber
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DER PFLANZEN.
^9
einGebuschvon Heliconien und Pisanggewachsen schwingen;
dornige , schlangenartig aufgerichtete Cactusstamme , mitten
unter bliihenden Liliengewachsen ; ein baumartiges Farren-
kraut von mexicanischen Eichen umgeben : welche malerische
Gegenstande fur den Pinsel eines gefuhlvollen Kiinstlers !
Auf der Schonheit der einzelnen Formen, auf dem Ein-
klange oder dem Kontraste, welcher aus ihrer natiirlichen
Gruppirung entsteht , auf der Grofse der organischen Massen
und der Intensitat des Grimes beruht der Vegetations-
Charakter einer Zone. Viele Gestalten , und gerade die
schonsten , die der Palmen , der Bananengewachse und der
baumartigen Farrenkrauter und Graser , fehlen ganzlich den
nordlicheren Erdstrichen. Andere , zum Beyspiele die der
gefiederten Blatter, sind darinn sehr selten und minder zart.
Die Zahl der baumartigen Pflanzen ist darinn geringer, ihre
Krone minder hoch und belaubt, seltener mit grofsen pracht-
vollen Bliithen geziert , als in den Tropenlandern. In diesen
allein hat die gestaltende Natur sich ergotzt , alle Pflanzenfor-
men zu vereinigen. Selbst die der Nadelhdlzer , welche auf deri
ersten Anblick zu fehlen scheinen , finden sich nicht blofs
auf dem hohen Riicken der Andes , sondern selbst in den
warmeren Thalern von Xalapa , und hier und da * bey Loxa.
1 Tannen , Cypressen und Juniperus sind drey Geschlechter , die sich in Menge
in der nordlichen Tropenzone , z. B. in Neu- Spanien , finden. Dagegen scheinen
sie in der siidlichen, wenn gleich auf dem Gehirge ehen so kalten, Tropenzone,
sehr selten. In der hohen Andeskette von Santa -Fe, Popayan und Quito , habe
ich kein anderes Nadelholz, als ein Paar Stamme einer Cupressusart , in den
Waldern von Quindiu und bey Loxa , gefunden,
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3o
IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE
Die Physionomie der Vegetation hat unter dem Aquator
im Ganzen mehr Grofse, Majestat und Mannichfaltigkeit ,
als in der gemafsigten Zone. Der Wachsglanz der Blatter*
ist dort schdner, das Gewebe des Parenchyma lockerer,
zarter und saftvoller. Rolossalische Baume prangen dort
ewig mit grofseren , vielfarbigeren , duftenderen Blumen,
als bey uns niedrige, krautartige Stauden. Alte durch Licht
verkohlte Stamme sind mit dem frischen Laube, der Paul-
linien , mit Pothos und mit Orchideen gekranzt , deren
Bluthe oft die Gestalt* und das Gefieder der Colibri nach-
ahmt, welchen sie den Honig darbietet.
Dagegen entbehren die Tropen fast ganz das zarte Griin
der weiten Grasfluren und Wiesen. Ihre Bewohner kennen
nicht das wohlthatige Gefiihl des im Friihlinge wieder er-
wachenden , sich schnell entwickelnden Pflanzenlebens. Die
sorgsame Natur hat jedem Erdstriche eigene Vorzuge ver-
liehen. Die vegetabilische Fiber , bald dichter , bald lockerer
gewebt; Gefafse, ausgedehnt und von Saft strotzend, oder
frtih verengt und zu knorriger Holzmasse erhartend, gro-
fsere oder geringere Intensitat der Farbe , nach Mafsgabe
des Desoxidations - Prozesses , welchen der reitzende Licht-
strahl erregt : diese und ahnliche Verhaltnisse bestimmen den
Charakter der Vegetation in jeder Zone.
Die grofse Hohe , zu welcher der Boden sich iiber der
1 Ein recht eigentlicher Wachsglanz , da dieses Wachs von Proust in Madrid
chemisch ausgeschieden worden ist.
a Die Indianer nehmen yon dieser vogelahnlichen Gestalt der Epidendra oft
die specifischen Namen her.
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DER PFLANZEN. 3i
Wolkenregion unter dem Aquator erhebt , gewahrt den Ein-
wohnern dieser Gegend das sonderbare Schauspiel , dafs sie
aufser den »Bananengewachsen und Palmen auch yon Pflan-
zenformen umgeben sind , welche man oft den europaischen
und' nordasiatischen Rlimaten eigen glaubt. Die heifsen
Thaler der Andeskette sind mit Heliconien und feinblattri-
gen Mimosen geschmuckt. Hdher herauf wachsen baum-
artige Farrenkrauter , und die Pflanze , deren Rinde das
wohlthatigste Heilmittel gegen das Fieber enthalt. In dieser
milden Region der Cinchona und weiter aufwarts , erheben
sich Eichen , Tanrten , Cypressen , Berberis , Brombeerstrau-
che, Ellern, und eine Menge von Gewachsen, denen'wir
eine nordische Physionomie zuzuschreiben gewohnt sind.
So geniefset der Tropenbewohner den Anblick aller Pflan-
zenformen. Die Erde ofFenbaret ihm auf ein Mai alle ihre
vielfachen Bildungen , wie die gestirnte Himmelsdecke von
Pole zu Pole ihm keine ihrer leuchtenden Welten verbirgt.
Die Volker Europens geniefsen diesen Vorzug nicht. Viele
Pflanzenformen bleiben ihnen auf immer unbekannt. Die
krankenden Gewachse , welche Luxus oder Wifsbegierde
in unsere Treibhauser einzwangt, erinnern uns nur an das,
was wir entbehren : sie bieten ein verzerrtes, unvollkom-
menes Bild von der Pracht der Tropen vegetation dar. Aber
in dem Reichthume und der Kultur der Sprache, in der
regen Phantasie der Dichter und Maler , finden die Europaer
einen befriedigenden Ersatz. Der Zauber nachahmender
Riinste versetzt sie in die fernsten Theile der Erde. Wessen
Gefiihl regsam fur diesen Zauber, wessen Geist gebildet
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32
IDEEN ZU EINER GEOGR. DER PFL.
genug ist, urn die Natur in alien ihren Thatigkeiten zu
umfassen , der schaflt sich in der Einsamkeit einer oden
Heide gleichsam eine innere Welt : er eignet sich zu , was
die Riihnheit des Naturforschers , Meer und Luft dur,ch-
schifFend, auf dem Gipfel beeister Berge oder im Innern
unterirdischer Hohlen , entdeckt hat. Hier sind wir auf den
Punkt gelangt , wo Kullur der Volker und Wissenschaft
am unbestrittensten auf das individuelle Gltick einwirken.
Durch sie leben wir zugleich in dem verflossenen und in
dem gegenwartigen Jahrhunderte. Um uns versammelnd was
menschlicher Fleifs in den fernsten Erdstrichen aufgefunden ,
bleiben wir alien gleich nahe. Ja, die Kenntnifs von dem
innern , geheimen Spiele der Naturkrafte , lafst uns bey
vielen selbst Schltisse fur die Zukunft wagen , und die Riick-
kehr grofser Erscheinungen vorher bestimmen. So schafFt
Einsicht in den Weltorganismus einen geistigen Genufs,
und eine innere Freyheit, die mitten unter den Schlagen
des Schicksals von keiner aufsern Macht zerstort werden
kann.
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NATURGEMALDE
DER
TROPENLANDER,
Nach Beobachtungen und Messungen , welche
zwischen dem zehnten Grade nordlicher und
dem zehnten Grade siidlicher Breite, in den
Jahren 1799 bis i8o3 angestellt worden sind.
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Wenn man von der Meeresflache zum Gipfel hoher
Gebirge emporsteigt, so verandert sich nach und nach die
Ansicht des Bodens und die Reihe physikalischer Erschei-
nungen, welche der Luftkreis darbietet. Die Pflanzen der
Ebene.verlieren sich unter Alpengewachse von mannichfal-
tiger Bildung. Den hohen Waldbaumen folgt niedriges Ge-
biisch mit knorrigen Astenj diesem folgen duftende Krauter,
deren zartwollige Oberflache mit gegliederten Saugrdhren
besetzt ist. Weiter hinauf , in luftdunneren Hohen , *wachseri
gesellig die Graser, und an die einformige Grasflur stofst
die Region der kryptogamischen Gewachse. Flechtenarten
liegen hier einsiedlerisch unter ewigem Schnee vergraben,
5
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34
NATURGEMALDE
und bezeichnen die obere Grenze der organischen Schopfung.
Mit dem Anblicke der Pflanzendecke verandern sich auch
die Gestalten der Thiere. Andere leben in den hochschat-
tigen Waldern der Ebene , andere in den Grasfluren der
Alpen, welche ewig der schmelzende sauerstofFreiche ' Schnee
benetzt. Selbst das Gestein , die unorganische Masse des
Erdkorpers, verandert seine Natur, je weiter es sich tiber
die Meeresflache erhebt. Oft finden sich die spateren Granit
bedeckenden Formationen nur bis zu einer gewissen Hohe,
und der Gipfel der Gebirge besteht.aus demselben Urge-
stein , auf dem alle andere Gebirgsarten zu ruhen scheinen ,
wenigstens so tief , als Menschen bisher in das Innere unsers
Planeten eingedrungen sind. Oft ist, selbst auf dem hohen
Rucken der Cordilleren , der Granit unter neueren Forma-
tionen versteckt. Felsen, vier tausend Meter (2o53 Toisen)
iiber dem jetzigen Meeresspiegel erhaben , schliefsen eine
Welt von pelagischen Muscheln und versteinten Rorallen
in sich. Basaltkuppen , Perlstein , Obsidiane und groteske ,
thurmahnliche , Felsen von Porphyrschiefer sind hier und
da auf dem Gebirgskamme zerstreut. Ihr Vorkommen legt
der Geognosie schwer zu losende Probleme auf. Aber nicht
blofs Pflanzen , Thiere und Gestein , selbst der Luftkreis ,
das Gemisch gasartiger Flussigkeiten , welches die Erde ein-
hiillt , und dessen obere Grenze wir nicht kennen ; selbst
1 Sur V Analyse de lair atmospherique , par Humboldt et Gay-Lussac, p.3£.
Die Luft, welche man aus dem Schneewasser durch Kochen entwickelt, ist
oxygenreicher als atmospharische Luft, aber nicht als die Luft des Flufs- und
Regenwassers.
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DER TROPENLANDER. 55
der Luftkreis bietet auffallende Verschiedenheiten dar, je
nachdem man sich von der Ebene entfernt. Warme und
Druck nehmen ab , indem Trockenheit und elektrische
Spannung zunehmen. Die Himmelsblaue wifd tiefer und
dunkler , je mehr man sich erhebt. Die Hohe des Stand-
orts modificirt zugleich die Abnahme der Sehwere , den
Warmegrad des kochenden Wassers , die Intensitat der
Sonnenstrahlen und ihre Refraction. So unendlich gering
auch , verglichen mit dem Erddurchmesser , der Abstand
ist, una den wir uns von dem Mittelpunkte des Spharoids
entfernen : so ist diese Entfernung doch schon hinlanglich,
uns gleichsam in eine Schopfung zu versetzen , und uns
grofsere Verschiedenheiten in Naturprodukten und Klima
bemerken zu lassen , als ein betrachtlicher Wechsel geogra-
phischer Breite darbieten wiirde.
Diese Verschiedenheiten sind allerdings alien Zonen eigen,
wo die Natur hohe Gebirgsketten gebildet hat -. doch sind
sie minder aufiallend in der gemafsigten Region , als unter
dem Aquator, wo der Riicken der Cordilleren sich fiinf
bis sechs tausend Meter (2565 bis 3078 Toisen) iiber die
Oberflache des Oceans erhebt, und wo jeder Hohe eine
eigene und unveranderliche Temperatur zugehort. Zwar
' finden sich in der Nahe des Nordpols Berge , welche den
Kolossen des Ronigreiches Quito wenig nachgeben , und
deren Existenz auf den ersten Blick der Meynung ungiinstig
scheint , als habe die Rotation unsers Planeten auf die An-
haufung der Gebirgsmassen unter den Tropen gewirkt. Der
Elias-Berg auf der Nordwest-Kiiste von Nord - Amerika ,
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if
36 NATURGEMALDE
unter 6o° 21'ndrdlicher Breite, erhebt sich zu einer Hohe 1
von fiinf tausend vier hundert ein und vierzig Metern
(2792 Toisen) ; der Pico de Buen Tiempo erreicht eben-
daselbst die Hohe von vier tausend vier hundert neun und
achtzig Metern (23o4 Toisen). In unserer mittlern Breite
von fiinf und vierzig Graden hat der Mont - Blanc vier
tausend sieben hundert vier und fiinfzig Meter (244° Toisen),
und ich glaube, man darf ihn als den hochsten Gipfel des
alten Kontinentes betrachten, so lange als die Berge von
Pue-Koachim a (das heifst das nordliche Schneeland, Tibet)
und die nordwestlichen Gebirge von China , welche , der
Sage nach , hoher als der Chimborazo sind , ungemessen
bleiben.
Aber unter fiinf und vierzig und sieben und vierzig
Graden nordlicher Breite in der gemafsigten Zone senkt
sich die untere Grenze des ewigen Schnees, welche zu-
gleich auch fast die Grenze alles organischen Lebens ist,
bis zwey tausend fiinf hundert und dreyfsig Meter ( 1 3oo
Toisen) herab. Urn die Fulle verschiedenartiger Thier- und
Pflanzenformen zu entwickeln , um die Mannichfaltigkeit
meteorologischer Erscheinungen hervorzubringen , bleibt
demnach der Natur auf dem Abhange der Gebirge in unserm
mildern Erdstriche kaum die Halfte des Raumes, welchen
ihr die Tropen darbieten , wo in den Cordilleren die Vege-
1 Relacion del Viaje hecho por las Golettas Sutil y Mexicana en el A. 1792,
para reconocer el Estrecho de Fuca (por D. n Dionisio Galeano y D. a Cay eta no
Valdes), p. 122.
* Samuel Turner's Gesandschaftsreise nach Bootan , S. 5oo.
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DER TROPENLANDER. ' 5j
tation erst in einer Hohe von vier tausend sieben hundert
und neunzig Metern (2460 Toisen) aufhort. In den Gebir-
gen der nordlichen Himmelsstriche erhoht im Sommer die
Schiefe der auffallenden Sonnenstrahlen und die ungleiche
Dauer der Tage so sehr die Temperatur des Luftkreises ,
dafs der Unterschied der Warme in der Ebene und in
funfzehn hundert Meter ( 7 5o Toisen) Hohe oft fast ganz
' unbemerkbar wird : defshalb finden sich viele Pflanzen,
welche am Fufse unserer Alpen wachsen , auch auf den
hohen Gipfeln derselben. Die kalten Herbstnachte zerstoren
nicht ihre Organisation. Derselben Erniedrigung der Tempe-
ratur wtirden diese Gewachse einige Monathe spater auch
in der Ebene ausgesetzt seyn. Einige Gebirgspflanzen der
Pyrenaen und der sudspanischen Schneekette (Sierra nevada
de Grenada ) wandern tief in die Thaler herab. Sie finden
dort eine Warme , welche sie bisweilen auch , wenn gleich
auf kiirzere Zeit, in hdheren Standpunkten erfahren hatten.
Unter den Wendekreisen dagegen, in einer senkrechten
Hohe von vier tausend und acht hundert Metern (2400 Toi-
sen) auf dem weiten Berggelander , welches von den Pal-
men- und Pisanggebiischen der meeresgleichen Ebene bis
zum ewigen Schnee ansteigt, folgen die verschiedenen KJi-
mate , gleichsam schichtenweise liber einander gelagert. In
jeglicher Hohe erleidet die Luftwarme das ganze Jahr hin-
durch nur unbedeutende Veranderungen. Das Gewicht der
Atmosphare , ihre elektrische Ladung , ihre Feuchtigkeit ,
alles ist regelmafsigen , periodischen Veranderungen unter-
worfen, deren unwandelbare Gesetze urn so leichter zu
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38 NATURGEMALDE
entdecken sind, als die Erscheinungen unverwickelter , min-
der in Perturbationen versteckt sind. Aus diesem Zustande
der Dinge folgt , dafs junter den Tropen jeder Hohe eigene
Bedingnisse zugehoren, und dafs diese Bedingnisse eine so
grofse Verschiedenheit organischer Formen begriinden , dafs
in der peruanischen Andeskette ein Gebirgsabhang von tau-
send Metern (5oo Klaftern) mehr Mannichfaltigkeit in Na-
turerzeugnissen darbietet , als eine vierfach grofsere Flache
in der gemafsigten Zone.
Ich habe es gewagt , ein physikalisches Gemalde der Aqui-
noctiallander zu entwerfen. Ich habe versucht, alle Erschei-
nungen zusammenzustellen , welche der Boden und der
Luftkreis , von den Kusten des stillen Meeres an bis zum
Gipfel der Cordilleren, dem Beobachter darstellt. Dasselbe
Gemalde umfafst
Vegetation ;
Thiere ;
Geognostische Verhaltnisse ;
Ackerbau ;
Luftwarme ;
Grenzen des ewigen Schnees;
Elektrische Tension der Atmosphare;
Abnahme der Gravitation;
Dichtigkeit der Luft;
Intensitat der Himmelsblaue ;
Schwachung des Lichts beym Durchgange durch die
• Luftschichten ;
Strahlenbrechung am Horizonte und Siedhitze des
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DER TROPENLANDER. 39
Wassers in verschiedenen Hdhen uber der Meeres-
flache.
Una die Erscheinungen der Tropenlander leichter mit
denen der gemafsigten Zone zu vergleichen , sind noch an-
dere Verhaltnisse , zum Beyspiel,
Berghohen in verschiedenen Weltgegenden , nebst den
Entfernungen , in welchen sie ohne irdische Strah-
lenbrechung sichtbar seyn wurden ,
hinzugefugt worden.
Dieses Naturgemalde beruhrt demnach gleichsam alle Er-
scheinungen , mit deneri ich mich ftinf Jahre lang wahrend
meiner Expedition nach den Tropenlandern beschqftigt habe.
Es enthalt die Hauptresultate der Arbeiten, welche ich in
den folgenden Banden naher entwickeln werde. Eine solche
Schilderung der Natur heifser Klimate schien mir nicht blofs
an sich selbst interessant fur den empyrischen Physiker;
sondern ich schmeichelte mir auch , dafs sie besonders lehr-
reich und fruchtbar durch die Ideen werden wiirde, die sie
in dem Geiste derer erregen konnte, welche Sinn fiir allge-
meine Naturlehre haben und dem Zusammenwirken der
Rrafte nachspiiren. In der grofsen Verkettung von Ursachen
und Wirkungen darf kein StofF,. keine Thatigkeit isolirt
betrachtet werden. Das Gleichgewicht , welches mitten
unter den Perturbationen scheinbar strei tender Elemente
herrscht, diefs Gleichgewicht geht aus dem freyen Spiel dy-
namischer Rrafte hervor; und ein vollstandiger Uberblick
der Natur, der letzte Zweck alles physikalischen Studiums,
kann nur dadurch erreicht werden, dafs keine Kraft, keine
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4o NATURGEMALDE
Formbildung vernachlafsigt , und dadurch der Philosophic
der Natur ein weites, fruchtversprechendes Feld vorberei-
tet wird.
Wenn ich einer Seits hoffte , dafs mein Naturgemalde
neue und unerwartete Ideen in denen erzeugen konnte ,
welche die Miihe nicht scheuen eine Zusammenstellung zahl-
reicher Thatsachen zu studiren : so glaubte ich andrer Seits
auch , dafs mein Entwurf fahig ware die Einbildungskraft
zu beschafligen , und derselben einen Theil des Genusses
zu verschaffen , welcher aus der Beschauung einer so wun-
dervollen , grofsen , oft furchtbaren und doch stets wohl-
thatigen Natur entspringt. Diese Fulle organischer Gestalten ,
auf dem schroffen Abhange des Gebirges familienweise ver-
theiltj dieser Ubergang vom iippigen Wuchs der Palmenwal-
der und der von Saft strotzenden Heliconien zur diirfligen
Vegetation der ewigbeschneiten Grasflur; diese Pflanzen
und Thiergestalten durch das Klima jeder Berghohe und
den Luftdruck bestimmt; diese glanzende Schneedecke,
welche «dem Organismus uniibersteigbare Grenzen setzt,
aber diese Grenzen unter dem Aqua tor zwey tausend zwey
hundert Meter (1100 Toisen) hoher hinaufschiebt als in
unsrer gemafsigten Zone; das unterirdische Feuer, durch
unbekannte Krafte und Stoffe ernahrt, bald in niedrigen
Hiigeln ausbrechend wie im Vesuv, bald in fiinfFach hohe-
ren Vulkanen wie im kegelformigen Gipfel des Cotopaxi ;
diese Meeresmuscheln , welche der Bergbewohner auf iso-
lirten Klippen viele tausend Meter iiber der Meeresflache.
anstaunt , und welche ihn an die friihesten Ratastrophen
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DER TROPENLANDER.
4t<
der Vorwelt erinnern ; diese einsamen Luftregionen end-
lich , zu welchen kiihner Muth und edle Wifsbegierde den
Aeronauten ' leitet : alle diese Gegenstande , in ein Natur-
gemalde vereinigt, sind gewifs fahig die Phantasie auf das
vielfachste zu beschaftigen, und in ihr neue und lebendige
Bildungen zu gestalten. Auf diese Weise behandelt, konnte
eine Schilderung der Tropen-Natur Wifsbegierde und Einbil-
dungskraft zugleich riahren , und zum Studium der Physik
selbst diejenigen anreitzen , welchen bisher diese reiche
Quelle des intellectuellen Genusses verschlossen geblieben ist.
Indem ich diese Ideen entwickle , rede ich nicht sowohl
von der Arbeit, welche ich in diesem Werke liefere, als
vielmehr von der Ausfiihrung, deren ich ein Naturgemalde
der Aquinoctial-Lander fahig halte. Der gegenwartige Yersuch
bedarf der Nachsicht des Publikums urn so mehr, als er
mitten unter den heterogenesten Beschaftigungen ausgear-
beitetworden ist. Gestatten neue Unternehmungen , zu denen
ich mich vorbereite , mir kiinftig Mufse und Ruhe : so hoffe
ich , diesem Naturgemalde eine grofsere Vollstandigkeit zu
geben ; denn botanische Karten werden das Schicksal der
bisher sogenannten geographischen haben , und sich ihrer
Vollkommenheit allmahlig nur dadurch nahern , dafs sich
die Zahl genauer Beobachtungen und Messungen vermehrt.
Ich habe die erste Skizze dieser Arbeit an der Kiiste der
Sudsee , im Hafen Von Huayaquil entworfen im Februar
i8o3, als ich von Lima zuriickkehrte , und mich zu der
1 Herrn Gay-Lussac's Yersuche, im September 1804.
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42 NATURGEMALDE
SchifTahrt hach Acapulco vorbereitete. Eine Copie dieser
Skizze schickte ich sogleich Herrn Mutis nach Santa -Fe-
de -Bogota. Dieser vortreffliche Botaniker, mit dem ich in
den innigsten Freundschaftsverhaltnissen gelebt, ware mehr
als irgend jemand im Stande gewesen meine Beobachtungen
zu berichtigen , und sie durch die seinigen zu erweitern.
Vierzig Jahre lang bat er das Kdnigreich Neu- Grenada
durchreist , und die Tropenpflanzen auf alien Hohen unter-
sucht , in den durren Sandebenen von Carthagena , an
den schonen Ufern des Madalenen - Stromes , wie auf den
Hiigeln von Turbaco, wo Gustavia augusta, Nectandra san-
guined und die kolossalischen Stamme des Anacardium
Caracoli ein dickes Gebiisch bilden. Herr Mutis hat einige
Jahre lang auf den hohen Gebirgsebenen von Pamplona
4ind Mariquita , andere Jahre am ostlichen Abfall der
Andeskette , nahe bey dem Stadtchen Ibague gelebt , einem
Aufenthalte, der durch ewige Milde der Luft, iippigen
Pflanzenwuchs und malerische Berggehange auch mir un-
vergefslich geworden ist. Kein anderer Botaniker hat mehr
Gelegenheit gehabt, wichtige Beobachtungen iiber die Geo-
graphic der Pflanzen einzusammeln, da er wahrend des Her-
barisirens stets barometrische Hohenmessungen angestellt ,
und die hohen Gipfel der Cordilleren so vielfaltig bestiegen
hat } Gipfel , auf welchen Escallonia myrtilloides , Wvntera
granatensis und die ewig bliihende Befaria (Bejaria), die
Alpenrose der Tropenwelt, den fast nackten Felsen bedecken.
Auch Herr Hanke , welcher den ungliicklichen Alessandro
Malaspina auf seiner SchifTahrt begleitet hat , wird viele Mate-
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DER TROPENLANDER.
45
rialien zu einer Arbeit wie die meinige besitzen. Zehn Jahre
lang durchstreift er mit rastlosem Eifer die Andeskette von
Cochabamba , einen Arm , der die Gebirge von Potosi mit den
brasilianischen vereinigt. Nicht minder wichtige Beobach-
tungen fur die Pflanzen-Geographie haben wahrscbeinlich die
Herren Sesse und Mocino gesammelt, welche, mit den vege-
tabilischen Schatzen von Neu-Spanien beladen , so eben nach
Europa zuriickgekehrt sind. Sie haben in einem Lande
gearbeitet , wo die Vegetation sich von den brennendheissen
Riisten von Vera- Cruz und Yucatan bis zum ewigen Schnee
der Vulkane, bis zum Sitlaltepetl (Pico de Orizaba) und
zum Popocatepec erhebt. Leider aber hat mein Aufenthalt
in Mexico und in den nordamerikanischen Freystaaten mich
gehindert mit alien diesen gelehrten Botanikern in Verkehr
zu treten , und ihren Rath bey der Ausarbeitung dieses Natur-*
gemaldes zu benutzen.
Die Zeichnung, welche ich selbst in Huayaquil entwor-
fen , ist in Paris von einem grofsen Kiinstler , Herrn Schon-
berger , weiter ausgefuhrt worden. Um dieser Ausfuhrung
diejenige Vollendung zu geben ,. welche zum Kupferstich
nothig ist, hat Herr Turpin die letzte Hand daran gelegt.
Ein Bild, welches an nebenstehende Scalen profilartig ge-
bunden ist, kann an sich keiner sehr malerischen Aus-
fiihrung fahig bleiben. Alles was geometrische Genauigkeit
erheischt , ist dem EfFekt entgegen. Die Vegetation sollte
eigentlich blofs als Masse sichtbar seyn , und daher wie in
militarischen Planen angedeutet werden. Doch habe ich
geglaubt, dafs ich es mir erlauben diirfte, in der Ebene
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44 NATURGEMALDE
(gleichsam im Vorgrunde) die zartblattrigen Pisanggebiische
und die hohen Stamme der Palmen bestimmter auszudrii-
cken. Man sieht Musagewachse und Facherpalmen allmahlig
sich in kleinblattrige Laubbaume, diese sich in niedriges
Gestrauch , das Gestrauch sich in die Grasflur verlieren. Die
Region der Graser reicht so weit als die lockere Erdschicht,
welche diinner und diinner sich iiber dem Berggipfel aus-
breitet. Moose , inselformig an den kliiftigen Felswanden
vertheilt, Blatterflechten und buntfarbige Psoren bestimmen
stufenweise die obere Begrenzung der Pflanzendecke. Ge-
schmackvoller ware vielleicht das Ganze ausgefallen, wenn
keine Zahl , keine Beobachtung um den Umrifs der An-
deskette selbst geschrieben worden ware. Aber in dieser
geographischen Vorstellung sollten zwey sich oft fast aus-
schliefsende Bedingungen zugleich erfiillt werden, Genauig-
keit der Projection und malerischer Eflfekt. Wie weit es uns
gegluckt ist diese Schwierigkeit zu iiberwinden , miissen wir
der Entscheidung des Publikums iiberlassen.
Das Naturgemalde der Tropenlander umfafst alle physi-
kalischen Erscheinungen , welche die Oberflache der Erde
und der Luftkreis von dem loten Grade nordlicher bis zum
loten Grade siidlicher Breite darbietet. Pflanzen- und Thier-
formen , und vorziiglich die meteorologischen Phanomene ,
nehmen, im neuen Welttheile, vom loten bis zum 23sten
Grade der Breite einen der Aquatorregion so ganz unahn-
lichen Charakter an , dafs es unrichtig gewesen ware dasselbe
Naturgemalde bis an die Wendekreise selbst auszudehnen.
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DER TROPENLANDER.
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Nach den geodesischen Messungen , welche ich im Konigreich
Neu-Spanien angestellt, senkt sich die untere Schneelinie
unter neunzehn Graden ndrdlicher Breite noch nicht tiefer
als vier tausend sechs hundert Meter (236o Toisen) herab ,
das heifst, der ewige Schnee fangt dort nur um zwey hundert
Meter (io4 Toisen) frtiher als unter dem Aqua tor an. Dage-
gen geben die Nahe der gemafsigten Zone ; die Stromungen
in den oberen Luftregionen ; der Einflufs, den in jeder Hemi*-
sphare der nahere Pol auf die abweichende Richtung der
Passatwinde ausubt, und andere Ursachen, welche von der
Konfiguration des Kontinents abhangen, den unter dem
sosten und a3sten Breitengrade gelegenen Landern ein
Klima und einen Vegetationscharakter , den man unter den
Tropen kaum erwarten sollte. Im Lande Anahuac (im jetzi-
gen Neu-Spanien) wachsen die Tannen (Pinus) bis drey
tausend neun hundert vier und dreyfsig Meter (2019 Toisen)
hoch iiber der Meeresflache; und kaum sechs hundert funf-
zig Meter (332 Toisen) unterhalb der Schneegrenze habe ich
noch Stamme von neun Decimetern (3 Fufs) Dicke gefunden ,
wahrend dafs siidlicher unter dem 5ten und 6ten Breiten-
grade hohe Baume kaum noch auf Bergen von drey tausend
fiinf hundert Metern (1795 Toisen) wachsen. In der Insel
Cuba sinkt das Thermometer an der Meereskiiste im Win-
ter bisweilen bis zum Eispunkte 1 herab. Ganze Tage erhalt
* * ' ' 1 ■ I 1 , . > , 1 1 ^ ! | ■ ■ , 1 1 , , w^^^m^mm^m
$
1 Wo nicht das Gegentheil ausdriicklich bemerkt ist, wird in dieser Schrift
die Warme stets nach dem hunderttheiligen ( Reaumurschen ) Quecksilberther-
mometer bestimmt. Unter Meilen verstehe ich Seemeilen, zwanzig auf einen
Grad, jede zu fiinf tausend fiinf hundert fiinf und funfzig Metern (a85o Toisen).
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46 NATURGEMALDE
es sich auf sieben Graden , wahrend dafs man es auf der
Riiste von Vera- Cruz und in S. Domingo, in einer wenig
siidlichern Breite ■■, nie unter siebzehn Graden sieht. In Neu-
Spanien ist Schnee in den Strafsen der Hauptstadt Mexico,
im Ronigreich Michoacan ist er in Valladolid selbst gefallen j
obgleich beyde Stadte nur zwey tausend zwey hundert vier
und achtzig Meter (1174 Toisen) und tausend acht hundert
siebzig Meter (959 Toisen) iiber der Meeresflache erhaben
liegen. Zwischen dem Aquator und dem 4ten Breitengrade
hat man dagegen unter vier tausend Metern (ao52 Toiaen)
Hohe nie schneien sehen. Alle diese Verschiedenheiten be-
weisen hinlanglich , dafs ein Naturgemalde der aquatornahen
Lander nicht die ganze heifse Zone zugleich umfassen kann,
Mein Naturgemalde stellt einen senkrechten Durchschnitt
nach einer Flache dar, die durch den Riicken der Andes-
kette, von Osten gegen Westen", gerichtet ist. Man unter-
scheidet in der Zeichnung gegen Westen die Riiste der
Sudsee, eines Oceans, welcher in dieser Gegend allerdinga
den Namen des friedlichen oder stillen Meeres verdient :
denn vom 12, ten Grade siidlicher bis zum 5 ten Grade nord-
licher Breite , nicht aber ausserhalb dieser Zone , wird seine
Oberflache durch keine Sturme beunruhigt. Zwischen dem
Meeresufer und der hohen Cordillere befindet sich das merk- :
wiirdige Thai Cuntisuyu 1 (der westliche Theil des Ronig-
reichs Peru), welches sich weit von Siiden gegen Norden
erstreckt, aber kaum zwanzig bis dreyfsig Seemeilen breit
1 Gleichsam das Westland in der politischen Eintheilung der Incas- Lander.
Garcilasso Comentarios reales , T. I, p. 47.
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■—- " i^n nn^ 1 nniii ■ hi
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DER TROPENLANDEB.
47
ist. Diefes Langenthal , oder vielmehr diese meemahe Ebene ,
ist von 4° So' sudlicher Breite an , gegen Quito oder Chin-
chasuyu hin , mit einer uppigen kraftvollen Vegetation er-
fullt; sudlicher als jener Parallelkreis findet man eine ode,
traurige Sandwiiste. Von den Hiigeln von Amotape an bis
gegen Coquimbo hin kennen die Einwohner dieser Steppe
weder Regen noch Donnerwetter , wahrend dafs jenseits
dieser Hugel , gegen Norden hin , die Wasser viele Monathe
hindurch , unter tosenden , elektrischen Explosionen , wol-
kenbruchahnlich aus der verfinsterten Luft herabstiirzen.
Ich habe das Profil der Andeskette ihren hdchsteii Gip-
fel , den Chimborazo , durchschneiden lassen , welcher unter
i° 27' sudlicher Breite und o° 19' westlich vom Meridian
von Quito liegt. Die Hohe dieses Kolosses ist dreymal im
Jahr 1741 durch die franzosischen und spanischen 1 * Astro-
nomen, und im Jahr 1802 durch mich selbst gemessen
worden. Da diese Messungen halb geodesisch , halb barome-
trisch sind 5 da , je grofser die Hohenwinkel ausfallen sollen ,
um so h©her die Ebene ist , auf welcher man die Grund-
linie zwischen den Standzeichen mifst ; und da in dem Calcul
so betrachtlicher Hohen wahrscheinlich ganz verschiedene
Barometer- und Refraction sformeln befolgt worden sind :
so darf man sich nicht wundern, dafs die dem Chimborazo
bisher zugeschriebenen Hohen so iiberaus verschieden aus-
- - 1 ' - ■
1 Auf einer Karte des Deposito hydrografico de Madrid, liest man beym
Chimborazo die Zahl 7496 varas. Da diese Zahl genau mit Bouguer's 3217
Toisen zusammentrift : so vermuthe ich fast , dafs Malaspina's Expedition den
Chimborazo nicht gemessen habe. 1 Toiae = a,33i6 varus.
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48 NATURGEMALDE
fallen. La Condamine bestimmt ihn auf sechs tausend zwey
hundert vier und sjebzig Meter (3220 Toisen); Don Jorge
Juan, der tiefsinnige spanische Geometer, auf sechs tausend
funf hundert sechs und achtzig Meter (338o Toisen). Wahr-
scheinlich liegen die Ursachen dieser Verschiedenheiten nicht
in der geodesischen Messung, sondern in der.barometrischen
Bestimmung der Hohe , um welche die Standlinie uber der
Meeresflache erhaben ist. Die dem Chimborazo nachsten
Ebenen sind zwey tausend neun hundert Meter (i488 Toi-
sen) hoch. Berechnet man ihre Hohe nach Bouguer's baro-
metrischer Regel : so findet man sie um hundert dreyfsig
oder hundert vierzig Meter (67 oder 72 Toisen) geringer,
als wenn man der Schuckburgischen oder Laplacischen For-
mel der Temperatur-Correction folgt. Die Hohe des Chimbo-
razo , welche La Condamine und Don Jorge Juan angeben >
griindet sich wahrscheinlich auf die Hohe der Stadt Quito,
welche der erstere zu zwey tausend acht hundert. ftinf und
vierzig Meter (i46o Toisen), und der letztere zwey tausend
neun hundert funf und fiinfzig Meter (1^17 Toisen) annimmt.
Die Laplacische Formel gibt dieser Stadt zwey tausend neun
hundert funf und dreyfsig Meter (i5o6 Toisen); und man
darf diesem Resultate , welches aus den von La Condamine
selbst angegebenen Barometerstanden folgt, nicht etwa die
Bouguersche, sogenannte geodesische Operation bey Niguas 1
entgegensetzen , weil diese , wie an einem andern Orte ent-
wickelt werden soil, auf sehr unsicheren Dads beruht. Ist
1 Bouguer, Figure de la terre, p. 166.
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DER TROPENLANDER.
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demnach schon Quito von La Condamine wahrscheinlich
um neun und achtzig Meter (46 Toisen) zu niedrig angege-
ben , welche andere Modificationen mufs nicht die Messung
des Chimborazo durch die Referirung eines Signals auf das
andere , und durch die Annahme einer zu starken Strahlen-
brechung erlitten haben ? Denn La Condamine und Don
Jorge Juan , welche in der Hohe von Caraburu nur um
achtzig Meter (4 1 Toisen), in der von Quito um hundert
und zehn Meter (57 Toisen) von einander abweichen , ent-
fernen sich in der Hohe des Chimborazo um drey hundert
und zehn Meter (160 Toisen), das heifst, um ein Einund-
zwanzigstel des Ganzen 1 von einander, ungeachtet beyde
Astronomen.gemeinschaftlich und mit Instrumenten von fast
gleicher Gtite arbeiteten.
Wahrend meines Aufenthalts in der neuen Stadt Rio-
bamba habe ich durch eine trigonometrische Messung, die
ich in der Bimssteinebene von Tapia angestellt , den hochsten
Gipfel des Chimborazo, bey der Annahme von einem Vier-
zehntel Strahlenbrechung , um drey tausend sechs hundert
und vierzig Meter (1867 Toisen) uber der Ebene erhaben
1 In den neuesten Messungen yon Mechain und Delambre finden sich indefs
noch starkere Differenzen mit alteren Messungen : Puy-Marie, nachCassini, neun
hundert sechs und funfzig Toisen; nach Delambre, acht hundert ein und funfzig
Toisen : Mont-d'or, nach Cassini , tausend acht und vierzig Toisen; nach Delambre,
neun hundert acht und sechzig Toisen. Pic du Midi , nach Mechain , tausend vier
hundert und si ebzig Toisen; nach Vidal, tausend fiinf hundert und sechs Toisen:
Montblanc, nach Deluc, zwey tausend drey hundert ein und neunzig Toisen;
nach Pictet, zwey tausend vier hundert sechs und zwanzig Toisen ; nach Saus-
sure , zwey tausend vier hundert und funfzig Toisen.
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5o NATURGEMALDE
gefunden. Nun gibt meine Barometer -Beobachtung, welche
Herr Gouilly gefalligst nach Laplace's Formel berechnet hat ,
Tapia urn zwey tausend acht hundert sechs und neunzig
Meter (i485 Toisen) iiber dem Meere an. Demnach betragt
die ganze Hohe sechs tausend funf hundert sechs und dreyfsig
Meter (3354 Toisen). Wende ich dagegen Laplace's neue
Refractionsformel auf meine Hohenwinkel an : so finde ich
den Chimborazo sechs tausend funf hundert vier und vierzig
Meter (335y Toisen) hoch; ein Resultat, welches zwischen
die alteren Angaben fallt , aber der Messung des spanischen
Astronomen Don Jorge Juan 1 am nachsten kommt. Die
Lange der von mir gemessenen Standlinie, tausend sieben
hundert zwey Meter (873 Toisen), die Natur.der Winkel
und die Giite meines Ramsdenschen Sextanten lassen mich
hofFen , dafs meine Hohenbestimmung des Chimborazo nicht*
gar viel von der Wahrheit abweicht
Der Gipfel dieses kolossalischen Gebirges hat, Trotz der
Verschiedenheit des Gesteins, einige Ahnlichkeit mit der
Physionomie des Montblanc. Er ist ein grofses Kugelseg-
ment , eine Form , welche auf dem beyliegenden Profile ,
der geringen Distanzscale wegen , nicht hat ausgedriickt
werden kdnnen. Eine Landschaft , welche fur meine Reise-
beschreibung bestimmt ist , wird den Chimborazo in seiner
wahren Gestalt maleriseh darstellen.
Hinter dem Chimborazo erhebt sich in der Zeichnung ein
funf tausend sieben hundert zwey und fiinfzig Meter (2952
1
1 Fiaje a la America merid. p. 98. (Ed. fran$., T. II, p. 11 4-)
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52 NATURGEMALDE
vierzig Seemeilen von uns entfernt war, so horten wir doch
sein briillendes Getose (los bramidos del Cotopaxi nennen
es die Einwohner) wie den Donner des schweren Geschii-
tzes. Im Jahr 1 j/^. vernahm man da6selbe in zwey hundert
und zwanzig Seemeilen Entfernung, bis gegen Honda und
Monpox am Madalenen-Strome hin. Hatte der Vesuv gleiche
Intensitat des vulkanisehen Feuers, oder gleiche unterir-
dische Verbindungen : so miifste man sein Krachen, der
Analogie nach , bis Prag oder Dijon gewahr werden.
. Die Hohe, zu welcher im Profil der Rauch des Cotopaxi
in die Luft steigt , 1st nicht willkiihrlich , sondern nach
wirklichen Messungen angegeben. La Condamine , dessen
Werk ein schwer nachzuahmendes Muster von Genauigkeit
ist, fand, dafs die Flamme im Jahr 17 38 tiber neun hun-
dert Meter (fast 2800 Fufs) hoch tiber dem obern Rande
des Craters aufloderte. Wahrend dieser Explosionen speyt
der Cotopaxi , wie andere Vulkane des Konigreichs Quito ,
eine ungeheure Masse sufeen , oft mit geschwefeltem Hydro-
gen geschwangerten Wassers , mit Kohlenstoff durchdrun-
genen Letten und Fische *, welche kaum von der Hitze
verunstaket sind und zum Geschlecht Pimelodes gehoren.
Es bedarf kaum des Erwahnens , dafs die Projection der
Alte, im Gegensatz des Guagua oder des jungea Pich'incha) tausend Tier hun-
dert drey und sechzig Meter (751 Toisen) im Durchmesser gefunden. Der
Crater des Vesuy soil, im Jahr 1801, etwa sechs hundert uad sechs Meter
(3 12 Toisen) breit gewesen seyn.
1 Pimelodes Cyclopum. S. das erste Heft meiner Beobachtungen aus der Zoo-
Jtpgie und yergleichenden Anatomic.
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54 NATURGEMALDE
werde ich Gelegenheit haben die Natur dieser Profile naher
zu er or tern.
Den ostlichen Abfall der Cordillere stellt die Zeichnung
etwas sanfter als den westlichen vor. Dieser Unterschied
existirt in dem Theile , durch welchen ich die schneidende
Flache gelegt habe. Docli bin ich weit davon entfernt zu
glauben , dafs die ganze Andeskette iiberall diesen steilern
Abfall gegen Westen darbietet , wie BufFon und andere
beriihmte Physiker annehmen. Wer des Landes genau kun-
dig ist , weifs wie wenig man sich es erlauben darf fiber den
fast unbesuchten wesdichen Abhang zu entscheiden , und
wie leicht es ist Nebenketten und einzelne Gebirgsstdcke
mit dem hohen Riicken selbst zu verwechseln , der die gren-
zenlosen , flufsreichen Waldebenen des Beni , Puruz und
Ucayale von dem schmalen Kiistenlande trennt. Die Cordil-
lere ubersteigend , — einmal von Westen gegen Osten , vom
eisigen Paramo des Guamani -> wo man auf drey tausend drey
hundert Meter (1704 Toisen) Hohe , der Cyclopen-Construc-
tion ahnliche Ruinen eines Ynca-Pallastes sieht , herab gegen
den Chinchipe und Amazonen-Flufs; und das andere Mai,
von Osten gegen Westen , von Jaen de Bracamorros iiber Mi-
cuipampa gegen die Sudsee hin, — habe ich deutlich bemerkt,
dafs unter dem 3ten und 6ten Grade siidlicher Breite der
ostliche Abhang der Andes minder sanft als der westliche ist
Herr Hanke, ein genauer und scharfsich tiger Beobachter,
behauptet eben dieses 1 von den fruchtbaren Thalern von
1 In einem Manuscripte (Statistik von Cochabamba ) , das mir der gelehrte
Monch Ctsuero in Lima geliehen.
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56 NATURGEMALDE
Ebene, welche der Amazonen-Flufs ttnd der Guainia (Rio-
Negro) begrenzen , unterbrochen vorgestellt.
So viel von den geognostischen Phdnomenen, welche
ich in dem Contour des Profils auszudriicken gesucht. Im
Innern desselben habe ich die Geographie der Tropen-
pflanzen in dem grofsten Detail entwickelt, welches der
Raum eines einzigen Blattes gestattet. Diese Arbeit grundet
sich auf eigene Beobachtungen ; denn sechs tausend zwey
hundert verschiedene Species von Aquinoctial-Gewachsen
' haben wir , mein Reisegefahrte Bonpland und ich , in fiinf
Jahren auf unseren Excursionen in Siid-Amerika , Mexico ,
und der Insel Cuba gesammelt. Da wir zu gleicher Zeit
astronomische , geodesische und barometrische Messungen
angestellt : so konnen wir nach den Journalen unsrer Expe-
dition fast fur jede gesammelte Pflanze Breitengrad , Maxi-
mum und Minimum der Standhohe iiber der Meeresflache ,
Temperatur der Luft und Beschaffenheit des Bodens und
Natur der in der Nahe anstehenden Gebirgsart angeben.
Den Compafs in der Hand , habe ich , nach Angabe unserer
Manuscripten , in das Profil von Siid-Amerika vorziiglich die
Pflanzen eingetragen, denen die Natur sehr bestimmte Ho-
hengrenzen anzuweisen scheint. Jeder Name ist nach der
beystehenden Meter- und Toisenscale in die dem bezeich-
neten Gewachse zukommende Hohe gesetzt. Wenn eine
Pflanze auf dem Abhange der Cordillere eine breite Zone
einnimmt : so ist diefs oft dadurch ausgedriickt worden , dafs
der Name der Pflanze schrag geschrieben ist. Wenn fast
alle bisher bekannte Arten einer Gattung in einer Hohe
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58 NATURGEMALDE
r
wohlthatige Baum ,' welcher den cortex angosturce liefert :
eine neue Gattung , foliis \ernatis et alternis) , die Matisia
cordata, und die Wachspalme , Ceroxylon andicola, iiber
welche Bonpland dem National-Institut so eben eine eigene
Abhandlung , vorgelesen hat.
Um die Vertheilung der Gewachse.auf dem Erdboden
unter einen allgemeinern Gesichtspunkt zu stellen , habe
ich meine botanische Karte in Regionen abgetheilt, von
denen jede die analogen , in einer Hohe vorkommenden ,
Pflanzenformen in sich begreift. Die Namen dieser Regio-
nen sind mit grdfserer Schrift bezeichnet, wie die Namen
der Provinzen in den geographischen Landkarten.
Wenn man sich von dem Innern des Erdkdrpers, oder
von der Tiefe der Hohlen zu den beschneyten Gipfeln der
Andes erhebt : so trifft man zuerst auf die Region der un^
terirdischen PJlanzen. Der untere Rand des Profils nennt
einige dieser kryptogamischen Gewachse, deren wunderba-
ren Bau Scopoli zuerst erforscht hat, und die ich in meiner
fruhern Jugend in einem eigenen Werke 1 bearbeitet habe.
Specifisch von den Kryptogamen verschieden, welche man
auf der Oberflache der Erde findet , scheinen sie , wie eine
grofse Zahl dieser letzteren , unabhangig vom Breitengrade
und dem Klima. In tiefe Nacht gehtillt, dem Reitze des Son r
nenstrahles fremd, Stickgas und brennbare Luft aushauchend,
breitet sich ihr flockiges Gewebe iiber das feuchte Gestein
unterirdischer Hohlen, und uber die alternde Zimmerung der
* Flora Fribergensis Specimen, plantas crjptogamicas prsesertim subterra-
neas recensensj 1790.
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6o NATURGEMALDE
oft voile drey und vierzig Centimeter (16 Zoll) im Durch-
messer hat. .
Einige Gewachse dieser Region zeigen sonderbare, wenn
gleich . nur scheinbare Abweichungen von den allgemeinen
Gesetzen der geographischen Pflanzenvertheilung. Die siid-
amerikanischen Palmen werden, wie die des alten Konti-
nents , durch Mangel der Warme gehindert iiber tausend
Meter (5 14 Toisen) hoch an dem Abhange der Gebirge
anzusteigen. Ein einziger Palmbaum der Andeskette bietet
die wundersame Erscheinung dar, dafs er, von alien ande-
ren Arten seiner Familie entfernt, erst in der Hohe der
Scheideck und des Gothards- Passes beginnt, und sich mit
uppigem Wuchse fast bis zu der doppelten Hohe der
S,chneekoppe verbreitet.
Der Anblick. einer solchen Alpenpalme in den Schnee-
bergen von Quindiu, unter 4° 32 7 nordlicher Breite, hat
uns auf das lebhafteste .uberrascht.. Ihr oft fiinfzig Meter
(fast 160 Fufs) hoher, schwarzgeringelter Stamm glanzt
von reinem Wachse , welches Herr Vauquelin unter meh-
reren anderen Produkten unserer Expedition , chemisch
untersucht. hat. Diese Wachspalme {Ceroxylon andicola)
haben wir in den Andes von Quindiu und Tolimala ,
zwischen Eichen und Wallnufsbaumen , in einer Berghohe
von achtzehn hundert bis zwey tausend acht hundert
Meter (zwischen 900 und j5oo Toisen) beobachtet.
In der spanischen Beschreibung der Seefahrt des Admiral
Gordoba wird gesagt, dafs man eine Palme in den engen
Schluchten der magellanischen Meerenge, unter dem 53sten
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DER TROPENLANDER.
61
Grade sudlicher Breite (also ineinem Klima, das nicht viel
milder ist.als, das von Nord-Deutschland) gefunden habe.
Diese Nachricht, welche mir in der Havana ein Gefahrte
von jener Expedition miindlich , bestatigt hat , ist um i so
aufFallender , als es selbst unbotanischen Augen unmoglich
scheint, eine Palme mit irgend einem andern Baume , als
hochstens mit einem hochstammigen Farrenkraute zu ver-
wechseln., dessen. Existenz in einem so kalten Klima
nicht. minder sonderbar ware. In Europa wachst der ein-.
heimische Ckamcerops, und die eingeftihrte afrikanische
Dattelpalme, nicht nordlicher als 43° 4P'* *
Bananen-Gewachse (plantce scitaminece) und die bisher
bekannten Heliconien wachsen unter den Tropen nicht
hoher als auf Gebirgsabhangen von vier bis funf hundert
Meter (etwa i4oo Fujfs). Um so mehr sind wir erstaunt
als wir nahe am Gipfel des sogenannten Sattel-Felsens v° n ,
Caracas (la Silla , oder el Cero de Avila , nahe bey Caraval-
leda), zwey tausend ein hundert und funfzig Meter oder
6600 Fufs hoch iiber dem Meere, ein. Pisang^Gewachs fan-
den , das iiber vier Meter (12 Fufs) hoch war, und ein
so dickes Gebiisch bildete, dafs unsere Indianer die grofste
Miihe. hatten , uns mit der Axt einen. engen Fufsweg zu
bahnen. Wir fanden. diese Pflanze nicht' bluhend , aber
dem ganzen Habitus nach ist es eine neue Species von
Heliconia. , welche diese Bergkalte ertragt, und das seltene
Beyspiel eines von Alpenpflanzen umgebenen Bananen-
Gewachses darbietet. . »
Sesumim portulacastrum bedeckt die Meereskiisten von
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62 naturgemAlde
Cumana, wie die unfreundlich kalte Gebirgsebene von Pe-
rote im Konigreich Neu - Spanien ; eine Ebene , welche
zwey tausend drey hundert und vierzig Meter (1200 Toisen)
iiber dem Meere erhaben , und mit efflorescirender Kohlen-
und Kochsalzsaurer Soda angefiillt ist. Pflanzen der Salz-
Steppen scheinen , wie Wassergewachse , unempfindlicher
gegen Klima und barometrischen Luftdruck zu seyri.
Unmittelbar iiber der Region der Palmen und Bananen-
Gewachse liegt die Region der baumartigen Farrerikrauter.
Dieser Erdstrich ist zugleich auch die Region der Fieber-
rinde , nur mit dem Unterschiede , dafs die baumartigen
Polypodien , dem gemafsigten Klima treu , sich auf die Zone
zwischen vier hundert und sechzehn hundert Meter (1200
und 48oo Fufs ) beschranken , und selten zu grofseren
Hohen an den Gebirgsabhangen heransteigen. Mehrere
China -Arten {Cinchona) hingegen bedecken die Andes-
kette bis zwey tausend neun hundert Meter (1487 Toisen)
Hohe. Die orangenfarbene und gelbe Fieberrinde {Cinchona
lanceifolia und Cinchona cordifolia des Mutis) scheuen die
Bergkalte so wenig, dafs man sie in Hohen antrifFt, welche
denen des Watsmann in Tyrol, oder des Canigou bey Per-
pignan gleich sind. Das Thermometer sinkt hier fast bis
zum Eispunkte herab. Die Cinchona -Arten , welche dagegen
das heifse Klima am leichtesten ertragen , und defshalb
am tiefsten in die Thaler herabsteigen , sind die rothe
China {Cinchona oblongifolia) , die ungleichbliithige {Cin-
chona dissimiliflord) und die prachtvolle Cinchona longi-
fiora. Von der letztern habe ich hohe Stamme in Thalern
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64 NATURGEMALDE
Jahrhunderte lang auf das unbedachtsamste von den China-
Schalern ( Cascarilleros ) verfolgt , ist sie selbst in den
berufenen Chinawaldern von Caxanuma und Uritusingu so
selten geworden r dafs man in einer Tagereise oft nur
wenige Stamme davon sieht. Gegenwartig werden auf Be-
fehl der Regierung nur wenige Baume dieser Species (viel-
leicht kaum neun hundert) jahrlich gefallt, wahrend dafs
vor 1779 man oft in einem Jahre funf und zwanzig tau-
send zerstorte.
Mehrere Reisende haben versichert, Chinabaume in den
kaltesten Gebirgsebenen (Paramos), nahe am ewigen Schnee,
etwa vier tausend sechs hundert Meter (2358 Toisen) hoch,
angetroffen zu haben. Aber wahrscheinlich hat botanische
Unkunde einige Arten grofsblattriger Weinmannien , oder
die Winter a grenadensis mit dem Genus Cinchona ver-
wechselt , weil jene Alpenpflanzen , wegen ihres haufigen
GerbestofTs ( tannin ) , bisweilen ebenfalls mit Vortheil als
Fiebertreibende Mittel in den spanischen Colonien gebraucht
werden. Wir haben keinen wahren Chinabaum tiefer gegen
das Meer hin , als sieben hundert Meter ( 359 Toisen ) ,
und boher als zwey tausend neun hundert Meter (i4^7
Toisen ) gesehen. Denn mehrere Pflanzen der heifsen
bildet. Mit dieser Species ist synonym die Cinchona nitida Flor. Peruv. , "welehe
Ruiz sonst Cinchona officinalis nannte, wie auch (nach Zea) Cinchona lanceo-
lata Flor. Per., oder Cinchona glabra Ruiz. Die Cinchona ovata Flor. Per. ist
die Cinchona cordifolia Mut. , und Cinchona longiflora Mut. ist identisch mit
Cinchona grandiflora Flor. Per. Die Cinchona dissimiliflora hat stamina exserta,
folia oblongo-cordata , und corollas limbum tubo longiorem. Die Cinchona' an-
gustifolia des Swartz ist nicht mit Cinchona angustifolia Ruiz zu verwechseln.
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66 NATURGEMALDE
oder China von Cumana , deren Bliithe wir uns frey~
lich noch nicht haben verschaffen konnen , welche aber
wechselsweise stehende Blatter (folia alterna\ und keine
Spur von Afterblattern (stipulce) hat. Dennoch wurde ein
Chemiker leicht die Infusion der Cuspa mit der gelben
Fieberrinde von Santa-Fe (China cordifolia, Mutis) ver-
wechseln. Westlich von Popayan ,. an den Riisten des
Sudmeers, bey Atacamez, wachst ein Baum, dessen Rinde
viele Eigenschaften der Cinchona und Wintera hat , und
doch wahrscheinlich zu keinem dieser beyden Geschlechter
gehort. Die Fieberrinde von Cayenne gibt die Coutarea,
ein Aublet'sches Genus , zu dem die Portlandia hexandra *
gehort. Die Organe aller dieser Pflanzen , welche in den
heifsesten Thalern fast in gleicher Hohe mit der Oberflache
des Meeres wachsen , bilden Produkte , die , ihren che-
mischen Bestandtheilen nach , denjenigen analog sind ,
welche die Cinchona -Arten an unfreundlich kalten Berg-
gehangen zwey tausend acht hundert Meter (14^7 Toisen)
hoch hervorbringen.
In der Beschreibung meiner Reise nach den Tropen-
landern von Amerika , denke ich eine botanische Special-
Karte uber das Genus Cinchona herauszugeben. Diese Karte
zeigt alle Standorte dieser wohlthatigen Pflanze in beyden
Hemispharen an. Man erkennt auf derselben wie die Cin-
chona- Arten sieben hundert Meilen lang, vom zwanzigsten
Grade siidlicher Breite, bis zum eilften Grade nordlicher
1 Ventenat, Tableau da Regne vegetal; II, p. 578.
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DER TROPENLANDER. 67
Breite., auf der Andeskette gruppenweise vertheilt sind.
Der ganze ostliche Abfall dieser Kette, siidlich von Huanuco,
bey den Bergwerken von Tipuani, um Apollobamba und
Yuracarees, ist ein zusammenhangender China -Wald. Hanke
hat ihn bis Santa -Cruz -de -la -Sierra verfolgt. Die Cinchona
scheint nicht weiter ostlich gewandert zu seyn; denn in
den brasilianischen Gebirgen hat man sie noch nicht ent-
deckt, ob diese gleich , wie oben bemerkt worden ist,
durch den Bergriicken von Chiquitos mit den Andes von
Potosi zusammen hangen. Von der hohen Gebirgs-Ebene
von La Paz verbreitet sich das China -Gebusch nordlich
durch die peruanischen Provinzen Guailas und Guamalies
bis Huancabamba und Loxa. Ein Arm dieses Gebusches
lauft* gegen Osten durch die Provinz Jaen , wo um die
berufene Flufsenge (Pongo) von Manseritsche die Uferhugel
des Maranion mit Cinchona-Stammen bekranzt sind. Von
deYi anmuthigen Thalern um Loxa an, dem Garten der
Andesischen Gebirge, erstreckt sich die Fieberrinde durch
das Konigreich Quito bis Cuenca und Alausi. Der westliche
Abhang des Chimborazo ist reichlich damit bedeckt; aber
auf dem hohen Plateau von Riobamba und Quito , wie
auf dem der Provinz Pasto , bis Almaguer hin (in diesem
Thibet der Siidzone), scheint dies kostliche Produkt ganz-
lich zu fehlen. Sollten Erdbeben und die grofsen vulkani-
schen Katastrophen , welche diese kalten Gebirgsebenen
seit Jahrtausenden erleiden , die Zahl der Pflanzenformen
vermindert haben ? Sollten bey diesem ganzlichen Umsturz
grofser Landesstrecken viele Arten untergegangen seyn ?
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68 NATURGEMALDE
Wenigstens glauben wir bemerkt zu haben , dafs in dem
Plateau von Pasto und Quito die Vegetation weniger man-
nigfaltig ist , als in anderen Gegenden , welche eben so
hoch uber der Meeresflache erhaben sind , und ein nicht
minder unfreundliches Klima haben. Ndrdlich von Alma-
guer , in der Provinz Popayan , findet man beyde Abhange
der Andeskette auf einmal jyieder mit China - Gebiischen
geschmiickt. Fast ununterbrochen verbreiten sie sich durch
die Schneeberge von Quindiu und Tolima, durch die hohe
Ebene (La Vega) von Supia , und durch. die fruchtbaren
Berggehange urn Mariquita , Guaduas und Pamplona , bis
zu dem meernahen Gebirge von Santa-Martha undMerida,
in dem heifse Schwefelquellen unter ewigem Schnee her-
vorbrechen. •
Der Sattelberg von Caracas (la Silla de Avila) und das
Bergplateau der Provinz Neu - Andalusien , zum Beyspiel
die Gegend um das Kapuzinerkloster von Caripe , die
Sandsteingebirge des Tumiriquiri , und die berufene Fels-
schneide (Cuchilla) von Guanaguana , sind alle dreyzehn
hundert bis zwey tausend funf hundert Meter ( 700 bis
i3oo Toisen) uber der Meeresflache erhaben. Sie geniefsen
gerade das angenehme Mittelklima, in welchem man nie
der Hitze oder Kalte ausgesetzt ist, und in der die Cin-
chona am besten gedeiht. Das Konigreich Neu-Spanien
hat ebenfalls Gebirgsabh^nge , deren Boden-Hohe und
andere physikalischen Verhaltnisse genau denen der Provinz
Loxa und anderer chinareichen Lander ahnlich sind. Den-
noch hat man weder in der Provinz Neu - Andalusien
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7.o NATURGEMALDE
fiebertreibenden Portlandia , welche Sesse beschreiben wird,
und den nordamerikanischen Freystaaten , in dem M ichaux-
schen Genus Pinknea 1 (Bartrams Musscenda bracteolata) ,
Pflanzenformen gegeben , welche der der Cinchona in
vielen Bliithentheilen analog sind.
In der milden Region der Fieberrinde wachsen in Slid-
Amerika einige Liliengewachse : zum Beyspiel , Cypura und
Sisyrinchium , Melastoma - Baume mit prachtvoll grofsen
violetten Blumen , die strauchartige Bocconia , vielfarbige
Alstromerien , und baumartige hochstammige Passifloren ,
hoch und dick, wie unsere norddeutschen Eichen. Hier
erheben sich das glanzende Macrocnemum, der prachtblu-
mige Wotschi* {Cucullaria) , die gelben Lysianthus, und
der Weinbaum des indianischen Gebirgevolks , die Uva
camarona ( Pavon's Thibaudid) , ein Genus , welches nahe
bey Vaccinium und Ceratostema steht. Unter dem Schatten
balsamischer Styraxbaume bedecken hier immergriine Laub-
Moose, Kcehlreutera , Weissia, Dicranum und Tetraphys ,
den vom haufigen Nebel feuchten Boden. Die Wasserrisse
dieser Bergzone verstecken an steilen Abhangen Dorstenien,
Gunnera , Oxalis und eine Menge unbeschriebener Arum-
Arten.
1 Pinknea pubescens ; S. Persoons treffliche Synopsis plantarum, I, p. 197.
3 Aublet's Vochy ist das Genus Cucullaria in dem Willdenow'schen Pflanzen-
systeme, und die Carola der Flora Bogotensis. Herr Mutis zahlt drey Arten
dieses Geschlechts. Folgende Charaktere hat er mir aus seinen Manuscripten
zu entlehnen erlaubt : 1. Carola augusta, fol. ovatis acumiaatis (die Aublet'sche
Species); a. Carola gumifera, fol. obovatis verticillato-ternis; 3. Carola grandi-
Jlora, fol. verticillatis oblongis.
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DER TROPENLANDER. 71
In siebzehn hundert Meter (872 Toisen) Hohe,'findet
sich Porlieria hygrometrica , der wetterverkundigende
Strauch , den Ruiz und Pavon zuerst beschrieben haberi j
Citrosma, mit aromatisch duftenden Blattern und Friichten;
Hypericum baccatum und cayanense , zahlreiche Eroteum
und Symplocos-Arten. Hdher hinauf als bis zwey tausend
zwey hundert Meter (1128 Toisen), habe ich keine Mimose
gefunden, deren Blatt sich bey der Beriihrung zusammen-
zieht. Die Bergkalte scheint der Reitzbarkeit dieses Pflan-
zengeschlechts diese bestimmte Grenze anzuweisen. Von
zwey tausend sechs hundert Meter (i532 Toisen) an, und
besonders in einer Hohe von drey tausend Meter (i539
Toisen), bilden Accena, Dichondra, Nierembergia , Hydro-
cotile, Nerteria und Atchemilla einen dichten Rasen. Diefs
ist zugleich die Region der Weinmannia , der Eichen und
der Spermacocce. Barnadisia und der andesische Berberis
bilden hier Hecken urn die Kartoffel- und Quinoa-Felder.
Die scharlachblumigen Mutisien umranken hier die Stamme
der Vallea stipularis. Eichen beginnen in den aquatornahen
Regionen der Andes nicht unterhalb siebzehn hundert
Meter (872 Toisen); aber unter dem 17 ten und 22sten
Grade nordlicher Breite , im Konigreich Neu-Spanien, habe
ich sie am Gebirgsabhange bis acht hundert Meter (4 1Q
Toisen) herabsteigen sehen. Sie allein bieten dem Bewohner
der Tropen bisweilen ein schwaches Bild vom Erwachen
der Natur im wiederkehrenden Friihlinge dar : denn sie
verlieren durch Diirre alle Blatter auf einmal , und das
junge frische Griin der neuen Schofslinge kontrastirt dann
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*
72 naturgemAlde
angenehm , in der eintretenden Regenzeit , mit den viel-
farbigen Bliithen des Epidendrums , dessen Wurzeln die
schwarzen rissigen Eichenaste dicht umschlingen.
Ein Baum wundersamer Struktur, aus der Malvenfamilie,
der Cheiranthostemon , fiber welchen Herr Cervantes eine
eigene Monographic zu Mexico herausgegeben , gehdrt eben-
falls dieser Hohe der Eichen -Region an. Bis jetzt ist er
noch nicht in den , dem Aqua tor nachstgelegenen Landern
entdeckt worden. Es war lange ein allgemeiner Glaube,
als existire in der ganzen bekannten Welt nur ein einziges
Individuum dieser Pflanze, der uralte Arbol de las Manitas,
Macpalxochiquahuitl , welcher nahe bey der Stadt Toluca 1 ,
zwey tausend sechs hundert und siebzehn Meter ( 1 545
Toisen) iiber dem Meere, auf einem Porphyr-Felsen wachst.
Mit dem Boabab in Senegambia, mit dem Drachenbaum von
Tenerifla , und der kolossalischen Mimosa in den -Thalern
von Aragua a , ist der Cheiranthostemon von Toluca unstreitig
einer der altesten Bewohner unserer Erde , und , wie jene ,
verjiingt er sich jahrlich noch in Bliithe und Frucht.
Neuerdings hat man mehrere Individuen dieses sonderbaren
Geschlechts in dem Konigreich Guatimala entdeckt 5 und
da der Baum von Toluca sich fast in den Ringmauern der
alten Stadt findet , so wird dadurch wahrscheinlich , dafs
er gepjlanzt worden sey : denn die Garten von Iztapalapan ,
deren Reste Hernandez noch gesehen, bezeugen, dafs die
1 Das alte Tolocan, die Hauptstadt der Provinz der Ma tlanziger , westlich
Ton Mexico.
2 Westlich yon der Stadt Caracas, el Zamang del Gueire genannt.
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DER TROPENLANDER. ft
AzteqUen (die man fur Barbaren verschrieen) Sinn fur die
Kuitur seltener Pflanzen hatten.
Unter dem Aquator finden sich hohe Baume, das' heifst
solche, deren Stamm funfzehn bis zwanzig Meter (4-5 bis
60 Fufs) erreicht, selten hoher als zwey tausend sieben
hundert Meter (i383 Toisen) iiber der Meeresflache. Schon
in der Hohe der Stadt Quito fangen die Baume an zu
erkranken , und ihr Wuchs ist nicht mehr mit dem zu
vergleichen, den sie in den milderen Thalern in der Mit-
telzone , zwischen zwolf hundert und achtzehn hundert
Meter (61 5 und 923 Toisen) erreichen. Um so haufiger
sind hier strauchartige Gewachse. Ich nenne diese Region
die der Barnadesia oder der Duranta Ellisii und Duranta
Mutisii : denn diese drey Pflanzen und die Berber is cha-
rakterisiren die Vegetation der hohen und rauhen Gebirgs-
ebene von. Pasto und Quito , so wie die hohlstammige
Polymnia (Arbol loco), und der durch Wohlgeruch berau-
schende Datura -Baum, die Vegetation von Santa-Fe-de-
Bogota besonders auszeichnen. In der Region der Barnadesia
wachsen Castilleja integrifolia , Castilleja Jissifolia , Colu-
mella, das prachtvolle silberblattrige Embothryum emargi-
natum, und eine Clusia, deren Blume nur vier Staubfaden
enthalt. Der Boden ist hier mit einer grofsen Anzahl von
Calceolarien geschmiickt , deren hochgelbe Blatter angenehm
mit dem frischen Griin des moosigen Rasens kontrastirt.'
Die Natur hat diesen Calceolarien einen Erdstrich ange-
wiesen , welcher sich von Chile aus nicht weiter gegen
Norden , als bis i° l\o' nordlicher Breite erstreckt. Ruiz,
10
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74 NATURGEMALDE
Pavori und Hanke, welche in der Siidzone weiter als ich
vorgedrungen sind , konnen einst bestimmert , wie weit
dieses Pflanzengeschlecht gegen den Siidpol zu gewandert ist.
Noch hdher auf dem Riicken der Andeskette , zwischen
zwey tausend acht hundert und drey tausend drey hundert
Meter 04^7 und 1693 Toisen), liegt die Region der Win-
tera grenadensis und der Escallonia. Diese unwirthbaren
Gegenden (welche die Spanier wegen der dort ewig herr-
schenden schlackig-feuchten Kalte Paramos nennert) sind
nait strauchartigen Gebiischen bedeckt. Der niedrige Stamm
diesei* Gebiische breitet sich in zahliose knorrige , durch
den Sauersioff der Atmosphare halb verkohlte Aste aus,
und tragt eine schirmartige Krone mit kleinen, aber immer-
griinen, glanzenden, lederartigen Blatterri. Einige Stamme
der orangenfarbenen Fieberrinde {Cinchona lanceifolia),
einige Rhexien und Melastomen mit dunkel-violetten , fast
purpurfarbigen Bliithen , verlieren sich irt diese Ein6den.
Alstonid, deren Blatter einen siifslich schmeckenden , aber
sehr heilsamen , starkertdert Thee l geben ; Escallonia tubaf
und einige Andromeda - Arten beschatten hier niedrige
Lobelien, Basellen und die stets bliihende Swertia qua-
dricornis.
Fast alle baumartigen Gewachse, selbst die mit niedrigem
Stamme, horen in drey tausend fiinf hundert Meter (1795
Toisen) Hohe auf. Nur am Vulkan Pichincha , in einem
engen Thale, das vom Ziegelfels des Pichincha (vom Cono
1 El The de Bogota.
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DER TROPENLANDER. ?5
de los Ladrillos) herabkommt, vier tausend ein hundert
Meter (2io3 Toisen) iiber dem Meere , haben wir noch
eine sonderbare Gruppe baumartiger Syngenesen entdeckt,
deren Stamm sieben bis acht Meter (etwa 22 Fufs) erreicht.
Die nahen Mauern von Basalt -Porphyr mildern die Kalte
dieser Gegend.
An die Region der Escallonia grenzt unmittelbar die der
Alpen-Rrauter , welche sich von drey tausend drey hun-
dert bis vier tausend ein hundert Meter (1695 bis 2io5
Toisen ) erstreckt. Hier. wachsen gesellig die Gentianen ,
Staehelinen , und die berufene Espeletia frailexon, welche
im Thai von Bogota * sogar bis zwey tausend sechs; hundert
acht und siebzig Meter (i3y5 Toisen) herabsteigt , und
deren dickwollige Blatter-oft den Indianern, wenn sie die
Nacht auf den eisigen Gebirgsgipfeln iiberfallt, zum Bette
dienen. In dieser Hohe , und bisweilen schon von fallendem
Schnee Tage lang bedeckt, iiberziehen den felsigen Boden
Lobelia nana , Sida pichinchensis T Ranunculus Gusmani ,
Ribes frigidum, Gentiana quitensis , und mehrere andere
Alpenkrauter , welche wir in den nachsten Heften unserer
Planta? aquinoctiales beschreiben werden. Unter den strauch-
artigen Gewachsen sind die Molinen die, welche wir am
Vulkan von Purace bey Popayan , und am Antisana , die
grofste Hohe erreichen gesehen.
1 Ich habe den Frailexon urn die Kapelle de Nuestra Senora del Egypto
gefunden. Diefs ist eine merkwurdige Ausnahme : denn seine untere Grenze ist,
nahe am Aquator, drey tausend neun hundert Meter (2000 Toisen) iiber
dem Meere.
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7 6 NATURGEMALDE
Die Alpen-Krduter werden zwischen vier tausend eih
hundert und vier tausend sechs hundert Meter (2io3 and
2358 Toisen) durch die Region der Graser 1 verdrangt.
Jarava, Stipa, viele neue Arten von Panicum, A vena ,
Agrostis und Dactylis, bedecken gesellig den Bodeh, und
diese Grasflur leuchtet von feme als ein hochgelberTeppich,
den man im Lande mit dem Wort Paxonal bezeichnet.
Der Schriee ruht oft Wochen lang auf dieser Hohe, und
die Rameelschafe {Llamas) steigen dann , vom Hunger
getrieben, zur Region der Alpenkrauter herab.
In vier tausend sechs hundert Meter (2358 Toisen) Hohe,
findet man unter dem Aqua tor kein phanerogamisches Ge-
wachs mehr. Von dieser Grenze an, bis zu der des ewigen
Schnees , beleben sparsam kryptogamische Pflanzen die
verwitternde Rinde des nackten Gesteins. Einige scheinen
sich selbst unter dem ewigen Eise zu verstecken : denn
gegen den Gipfel des Chimborazo hin, fiinf tausend funf
hundert vier und fiinfzig Meter (285o Toisen) uber der
Meeresflaehe, habe ich auf einer vorstehenden scharfkan-
tigen Felsklippe (Grate) noch zwey Flechten, Umbilicaria
pustulata und Verrucaria geographica, vegetirend gefunden.
So ist Leben in alien Raumen der Schopfung verbreitet.
Aber diese einsamen Pflanzen waren auch die letzten
organischen Wesen, welche wir in diesen beeisten Hohen
an dem Boden geheftet gefunden haben.
Bis hieher ist die Vertheilung der Pflanzen geschildert
e
1 La ConcUmine, Voyage a rEc|uaKur, p. /$.
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78 NATURGEMALDE
von Haikia (Armenien) , und der Pic von Teneriffa bewei-
sen hinlanglich, dafs je weiter man gegeri Siiden vordringt,
desto schneidender sich die Pflanzenformen in verschiedenen
Bergzonen von einander absondern. Doch ist auch in ;
unserm nordlichen Theile des gemafsigten Himmelsstriches
diese Absonderung schon auffallend genug , um sie in einem
eigeneh Bilde darzustellen. Man konnte in der Mitte des-
selben die Hohe von vier tausend sieben hundert funf und
siebzig Meter (24^0 Toisen) andeuten , zu der die grofse
europaische Gebirgskette sich im Montblanc erhebt. Der
Abfall dieser Kette mufste auf einer Seite sanfter. gegen das
Nordmeer, auf der andern siidlichen Seite, gegen das mittel-
landische Meer hin , steiler abgebildet werden. Hier erinnern
Chamcerops , Dattelpalmen , und viele Pflanzen des Atlas,
dafs ein wahrscheinlich ehmals trocknes , seit der samo-
thracischen Fluth mit Meerwasser gefiilltes Kalksteinthal ,
Europa von Nord-Afrika getrennt hat. Der ewige Schnee
wiirde in diesem Naturgemdlde der gemafsigten Zone bis
zwey tausend sechs hundert Meter (i332 Toisen) iiber der
Meeresflache , also bis auf eine Grenze herabsteigen , in der
unter dem Aquator noch die Wachspalme, die Fieberrinde
und andere hohe Baume in voller Vegetationskraft stehen.
Die Zone, welche in Europa zwischen den Kiistenlandern
und der Schneegrenze enthalten ist , hat demnach kaum
die Halfte der Breite als die ihr ahnliche unter den Tro-
pen , wahrend dafs die Schneehaube , welche die hochsten
Gebirge Europens (den Montblanc und Mont-Rose) bedeckt,
sechs hundert Meter (307 Toisen) breiter als die ist , welche
ik
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DER TROPENLANDER. 79
den Gipfel des Chimborazo einhullt. Auf den nackten und
steilen Felsen, welch e zwischen dem ewigen Schnee her-
vorragen, hdher als drey tausend ein hundert Meter (1590
Toisen) uber der Meeresflache , wachsen in den Bergen ,
welch e den Montblanc umgeben , Androsace chamcejasma,
Jacq.; Silene acaulis; die Saussure drey tausend vier hun-
dert acht und sechzig Meter (1780 Toisen) hoch gefunden,
die aber auch bis fiinfzehn hundert Meter (769 Toisen) in
die Ebene herabsteigt ; Saxifraga androsacea , Cordamine
alpina , Arabis ccerulea ., Jacq. , und Draba fiirta , Villars ,
(Draba stellata, Willd.). Bis zu diesen beeisten Hohen wan-
dern auch allmahlig aufwarts von der Ebene aus Myosotis
perennis und Androsace earned, deren Stengel immer nie-
driger und niedriger wird. Die letztere ist endlich ein-blumig,
und nimmt den ganzen Gebirgsabfall zwischen tausend und
drey tausend ein hundert Meter (5i3 und 1590 Toisen) ein,
In den Pyrenaen sind, in zwey tausend vier hundert bis
drey tausend vier hundert Meter (i23o und 1744 Toisen)
Hohe , die Klippen nut Cerastium lanatum , Lamarck ,
Saxifraga grcenlandica* Aretia alpina und Artemisia rupes-*
iris bedeckt. Das Cerastium lanatum findet man nicht
einmal unterhalb zwey tausend sechs hundert Meter (*332
Toisen).
Zwischen zwey tausend funf hundert und drey tausend
ein hundert Meter (1281 und 1590 Toisen) Hohe, bilden
auf dem Steingeriille , das den ewigen Schnee der Schwei-
zer-Alpen begrenzt, inselformige Gruppen Saxifraga biflora
(Allionii), Saxifraga oppositifolia , Achillea nana, Achillea
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80 NATURGEMALDE
atrata , Artemisia glacialis , Gentiana nivalis, Ranunculus
alpestris, Ranunculus glacialis, und Juncus trifidus. Etwa$
defer, zwischen drey tausend und funfzehn hundert Meter
(i559 un( ^ 7^9 Toisen), beobachtet man auf den Pyrenaen
Potentilla lupinoides , Willd. , Silene acaulis , Sibbaldia
procumbens , Carex curvula und Carex nigra , Allion. ,
Semperviwm montanum und Sempervivum arachnoideum,
Arnica scorpioides , Androsace villosa und Androsace
cornea. In den Schweizer-AIpen, zwischen zwey tausend
drey, hundert und zwey tausend sieben hundert Meter
(1179 und 1 383 Toisen), da wo der ewige Schnee und
der hohe Gletscher nicht an nacktes Gestein, sondern an
fruchtbare Dammerde grenzt, in Wiesen vom Schneewasser
getranckt , bliihen Agrostis alpina , Saxifraga aspera ,
Saxifraga bryoides , Soldanella alpina , Viola bijlora ,
Primula farinosa , Primula viscosa , Alchemilla penta-
phylla, Salix reticulata, Salix retusa und Salix herbacea,
welche hoher als irgend ein andres Strauchgewachs an den
Bergen hinansteigt. Selbst Tussilago farfara und Scatice
armeria verirren sich von der Ebene bis zu zwey tausend
sechs hundert Meter (i332 Toisen) Hohe. In gleich luft-
dunnen Regionen wachsen in den Pyrenaen Scutellaria
alpina, Senecio persicifolius , Ranunculus alpestris, Ranun-
culus parnassifolius , Galium pyrenaicum , s und Aretia
vitaliana. Unterhalb der Grenze des ewigen Schnees , zwi-
schen funfzehn hundert und zwey tausend fiinf hundert
Meter (769 und 1281 Toisen), findet man in der Alpen-
kette Eriophorum Scheuchzeri , Eriophorum alpinum ,
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DER TROPENLANDER.
81
Gentiana purpurea \ Gentiana grandiflora , Saxifraga
stellaris , Azalea procumbens , Tussilago alpina, Veronica
alpina, Poa alpina , Pinus cembra und Pinus larix ; am
nordlichen Abhange der Pyrenaen, Passerina -geminiflora ,
Passerina nivalis, Merendera bulbocodium 1 , Crocus mul-
tijidus , Fritillaria meleagris , und Anthemis montana.
Etwas tiefer zeigen sich , urn den Montperdu und- in
anderen spanischen Grenzgebirgen , Genista lusitanica ,
Ranunculus Gouani , Narcissus bicolor, Rubus saxatilis ,
und eine Menge schdner Gentianert. Die Alpenrose, Rho-
dodendrum ferrugineum* , liebt in Savoy en und in der
Schweitz eine Hohe von fiinfzehn hundert bis zwey tausend
fiinf hundert Meter (769 und 1281 Toisen). Doch bat
Herr Candolle, dem ich grofstentheils vorstehende Beobacb-
tungen iiber die Hohe schweitzerischer Alpenpflanzen ver-
danke , sie in der Jurakette in der tiefen Schlucht des
Creux-du-vent , also kauni in neun hundert siebzig Meter
(497. Toisen) Hohe gefunden. In den bairischen und tyroler
Alpen beginnt die Alpenrose zwischen acht hundert und
tausend Meter, oder zwischen 4 1Q un d 5i3 Toisen. Nach
Graf Sternberg's Beobachtung , nahert sich Rhododendrum
chamoBcistus weniger der Ebene , als Rhododendrum ferru-
gineum und Rhododendrum hirsutum. Die beyden letzteren
wachsen iibrigens sowohl auf uranfanglichem als auf Floz-
kalkstein, in den Sette communi und dem Berg Sumano,
1 Desfontaines hat diese Pflanze auch am Atlas gefunden.
8 Ramond , Memo ire sur la vegetation des montagnes, in Annales du Museu
d'hist. natur. vol. 4, p.' 5g6. •
m
11
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Sd NATURGEMALDE
der ein tausend zwey hundert sieben und siebzig Meter
(656 Toisen) hoch ist.
Die rankende Linnea borealis , welche bey Berlin , in
^chweden , in Pensylvanien , und an der Nordwestkiiste
von Nord- Atnerika , in Nutka-Sund , in gleicher Hohe mit
der Meeresflache wachst , erscheint in den Schweitzer -Alpen
erst auf Gebirgsabhangen , die funf hundert bis sieben
hundert Meter (162 bis 227 Toisen) iiber dem Ocean
erhaben sind. Man hat diesen birkenahnlichen Strauch im
Wallis , am Ufer des Bergstroms der T&e-noire , und bey
Genf (nach Saussure) am Voirons entdeckt. Gouan be-
hauptet, dafs sie auch in Frankreich bey Espinouse, in
der Gegend von Montpellier, vorkomme.
Unter dem Aquator haben diejenigen Baume , welche
man auf einer Hohe von drey tausend funf hundert Meter
(1795 Toisen) beobachtet, kaum funf bis sechs Meter (i5
Fufs) hohe Stamme. Nur im Ronigreich Neu-Spanien findet
man die merkwiirdige Ausnahme , dafs unter 20 Grad
nordlicher Breite eine Tannenart , welche dem Pinus
strobus iiahe verwandt ist, bis drey tausend neun hundert
Meter (2000 Toisen), ja dafs mehrere Eichenarten bis drey
tausend ein hundert Meter (1590 Toisen) Hohe, an den
Gebirgsabhang hinaufsteigen. Wer mit diesem sonderbaren
Phanomene der Pflanzen-Geographie, mit diesem Lokalein*
flusse des mexikanischen Klimas unbekannt ist, halt es fur
unmoglich , dafs (unter den Tropen) Berge , die er mit
hohen Tannen bis an die Spitze bewachsen sieht , doch •
den Atna , und selbst den Pic von Teneriffa , an Hohe
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£4 NATURGEMALDE
Meter * Toiseti
pneumonanthe . . zwischen o u. 800 od. zwisch. o u. 4 l °
verna 600 — 3ooo ■ 307 — i55g
acaulis 1000 — 3ooo 5i3 — 1539
Gen liana* . ( campestris — ; 1000 — 2400 5i3 — ia5o
ciliata 1200 — 1800 • 6i5 -*- 923
lutea . 1200 — 1600 6i5 — 821
punctata, pilars. 1600 — 2000 821 — 1026
laureola 3oo — 2000 i53 — 1026
Daphne . . < mezereum ..... 1000 — 2000 5i3 — 1026
cneorum — — — — 2000 — 2400 ' 1026 — 1280
elatior *- o — 2200 o — 1128
Primula 1 . . < integrifolia i5oo — 2000 769 — 1026
villosa. . 1800 — 2400 923 — i23o
aquatilis o — 2100 o — 1077
Gouani 5oo — 2000 — — — 256 — 1026
thora ........ •* 1400 — 2000 717 — 1026
pyrenaeus i5oo — 2400 — — — 769 — i23o
Ranunculus ( alpestris ...... 1800 — 2600 923 — i332
amplexicaulis . . . 1800 — 2400 . 923 — i23o
nivalis 2000 — 2800 1026 — 1437
parnassifolius . . . 2400 — 2800 i23o — 1437
glacialis ...... 2400 — 3200 i23o — 1642
/ tridactylides. . . . o — 100 o — 5i
geum 4°° "— 1600 ■ 2o5 — 821
longifolia 800 — 2400 4 l ° — l2 $°
aizoon \. 800 — 2400 — — — — 410 — i23o
pyramidalis .... 1200 — 2000 — — — — 61 5 — 1026
o .« / exarata . ...... 1400 — 1800 ; 718' — 923
**B • • \ ce^pitosa r — 1600 — 5ooo 821 — i53g
oppositifolia. . . . 1600 — 3400 821 — 1744
umbroea ■ ■ 1400. — 1800 718 — 925
granulata. ..... 1200 — 1600 6i5 — 821
groenlandica. . . . 2400 — 34oo : 1230 — 1744
androsacea. .... ■ ■ 2400 — 3400 i23o — 1744
1 Ein scharfeinniger und unermudeter Naturforscher , Graf Sternberg , be-
merkt, dafs Primula marginata, Primula viscosa 3 und Primula farinosa in
den Tyroler-Alpen fast nie unter acht hundert Meter (4 1G Toisen) Hobe ge-
funden werden. Nur die letztere ( eine sonderbare Ausnabme ! ) wachst bey
Regensburg auf niedrigen Hugeln.
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Erica .
• • •
DER TROPENLANDER. 85
Meter Touen
yagans zwischen o u. 900 od. zwisch. o- u. ^.61
vulgaris. ■ — o — aooo — ■ o *— ioa6
tetralix ■ 5oo — 2400 s — — a56 — ia3o
arborea. 55o — 700 a8i — 359
Unter den Saxifragen der Tyroler-Alpen bemerkt man
eben diese Regelmafsigkeit in der Hohe ihres Standorts.
Der Graf von Sternberg, welcher diese Gebirge untersucht,
und von dem wir bald eine interessante Beschreibung des
Monte- Baldo zu erwarten haben, bemerkt, dafs Saxifraga
cotyledon und Saxifraga aizoon schon im romahtischeh
Eisackthale , zwischen Brixen und Botzen, etwa drey hun-
dert und fiinfzig Meter (178 Toisen) iiber der Meeresflache
beginnen. Man kann ihnen folgen bis auf den Gipfel der
Grappa bey Bassano, in sechzehn hundert vier und achtzig
Meter (865 Toisen) Hohe. Sie nehmen demnach eine brei-
tere Zone als in den Pyrenaen ein. Saxifraga ccesta, Saxi-
fraga aspera, und Saxifraga androsacea zeigen sich erst
in einer mittlern Hohe von sieben hundert Meter (359
Toisen) , in den bairischen und tyroler Alpen. Zunachst
auf sie folgen , gegen den Gipfel der Gebirge zu , Saxi-
fraga autumnalis , Saxifraga muscosa, Saxifraga mos-
chata, und Saxifraga petrwa. Die zu hochst wachsenden
Saxifragen sind, nach eben diesem Beobachter, Saxifraga
burseriana und Saxifraga bryoides. Beyde bedecken selbst
die ode Kuppe des lombardischen Monte-Baldo , in zwey
tausend zwey hundert sechs und zwanzig Meter ( 1 143
Toisen) Hohe.
Aber urn die Pflanzen-Geographie vollstandig zu bearbeiten,
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86 NATURGEMALDE
miifste man nicht blofs Naturgemalde fur die Polarlander,
fur die gemdfsigte Zone zwischen dem 4 ost en und 5osten
Grade der Breite, und fiir die Equatorial -Regionen ent-
werfen ; man miifste auch einzelne botanische Rarten fiir
die nordliche und sudliche Hemisphere, und fur den alten
und neuen Kontinent liefern. Die Pflanzen von Chiloe und
Buenos -Ayres sind specifisch von den griechischen und
spanischen verschieden. Die Tropenlander von Afrika und
die gemafsigten Himmelsstriche von Asien besitzen eine
Vegetation, welche mit der siid- und nord-amerikanischen
nur wenige Gewachse gemein hat. Madagascar, dessen hohe
Granitberge Commerson fiir Schneeberge erklart, und an
dessen Kiisten noch neuerlichst Herr du Petit -Thouars
herborisirt hat, der Adamsberg auf Selan (Ceilon), und
der Ophyr auf Sumatra, der, nach Marsden's Beobachtung,
eine Hohe von drey tausend neun hundert sechs und
vierzig Meter (2027 Toisen) ubersteigt, konnten dem mes-
senden Botaniker wichtige Materialien iiber die Pflanzen-
vertheilung in den Gebirgszonen des alten Kontinents
liefern.
Herr Barton in Philadelphia, der mit rastlosem Eifer
Zoologie, Botanik und ihdianisches Sprachstudium umfafst,
beschaftigt sich mit der Geographie der Gewachse in dem
gemafsigten Erdstriche des neuen Kontinents. Er hat im
Jahre 1800 der philosophischen Societat von Pensylva-
nien eine Abhandlung iiber diesen Gegenstand vorgelesen,
welche noch ungedruckt, aber voll der wichtigsten Unter-
suchtiiigen ist. Er bemerkt darinn, dafs die Zahl urspriinglich
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DER TROPENLANDER. 87
wildwachsender, Nord-Amerika und Nord-Europa gemein*
schaftlich zugehorender Pflanzen , weit geringer ist , als
man gewohnlich glaubt. Nicht einmal Sonchus oleraceus
ist einheimisch in dem erstern Welttheile. Mitchella repens
ist, nach Barton, die Pflanze , welche in den nordameri-
kanischen Freystaaten den grofsten Raum einnimmt. Er
findet sie von 28 bis 69 nordlicher Breite. Auch Arbutus
uya ursi erstreckt sich von New-Yersey an bis 72 , wo
Hearne sie beobachtet hat. Dagegen sind auf den engsten
Raum eingeschrankt Gordonia Franchlinii , und die wun-
dervoll reitzbare Dioncea muscipula. Die Mundung des
Ohio in den Missisipy, und die Ufer des letztern bedecken
prachtvolle Pyramidal -Pappeln, Po/pm/ms deltoides, Marshal,
und Salix nigra. Der Astronom, Heir Ellicot ', bemerkt,
dafs die letztere siidlicher als 3i° Breite sehr selten wird.
Dagegen beginnen dort am untern Missisipy die mit Tilr
landsia usneoides bedeckte Cupressus disticha , Laurus
borbonia , Acer negundo , Magnolia grandiflora , Juglans
Paean oder illinoinensis (der schone Juglans mit haselnufs-
artigen Friichten , Juglans rubra, Gartner), und Miegia
macrosperma , Persoon ( Arundo gigantea , Barton ) , ein
sechs und dreyfsig bis zwey und vierzig Fufs hohes Schilf,
das zwischen 3o° 4 q/ un d 32° 2' nordlicher Breite ein
dichtes undurchdringliches Gebiisch bildet. Sehr , sehr
wichtig fur die Pflanzen -Geographie ist die Bemerkung des
Herrn Barton , dafs dieselben Species wesdich von. der
1 Travels to the Missisipy, p. a86.
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88
NATURGEMALDE
Gebirgskette der Alleghany weiter gegen.Norden wandern,
als in den ostlichen adantischen Landern , das heifst , als
in dem schmalen Striche, welcher zwischen dem osdichen
Ocean und dem Gebirge enthalten ist.
jEsculus flava .....
Juglans nigra
Ari&tolochia sypho . 4 .
Nelumbium luteum .
Gleditsia triacanthos.
Gleditsia monosperma
Glycine frutescens . .
Oestlich
Ton den AUeghanj-lf oantaint*
reichtbis 36° nordl. Breite
4i°
38°
4o°
58°
36°
36°
Westlioh
TondenAlleghaay-MooDUioj.
bis 4 a ° nordl. Breite.
bis 44°
bis 4*° '
bis 44°
bis 4i°
bis 39
bis 4°° — — ^~—
v Uberall ist der westliche Erdstrich milder , als der
ostliche Theil der nordamerikanischen Freystaaten. Baum-
wolle wird* mit Vortheil in Tennesee gebaut, und ertragt
nicht das Klima gleicher Breite in Nord - Carolina. Die
osdiche Riiste der Hudsonsbay ist ode und pflanzenleer,
wahrend dafs die westliche mit Vegetabilien geschmuckt
ist. Selbst in der Vertheilung der Tbiere bemerkt Herr
Barton ahnliche Verhaltnisse. Die Klappersehlange (Crotalus
horridus) lindet sich ostlich von den Alleghany -Bergen
nur bis 44 Grad, aber westlich von denselben bis 47
Grad nordlicber Breite. Fehlt es den nord-amerikanischen
Freystaaten an Gebirgen , die sich mehr als zwey tausend
5 Meter iiber die Meeresflache erheben (denn die nicht in
ewigen Schnee reichenden White - Mountains von New-
Hampshire konnen nicht, wie Cutler und Belknap behaup-
ten , drey tausend zwey hundert fiinf und dreyfsig Meter
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DER TROPENLANDER. 89
oder 1660 Toisen hoch seyn) : so sind sie dagegen mit
desto mannigfal tiger en Gewachsen geziert. Pensylvanien ,
Carolina und Virginien haben fast zweymal so viel Eichen-
arten , als ganz Europa hochstammige einheimische Baume
besitzt Unter derselben Breite ist in Nord-Amerika der
Anblick der Vegetation mannigfaltiger und mahlerischer , als
in unserm Welttheile. Gleditsien , Tulpenbaume und Magno-
lien bilden dort mahlerische Rontraste mit dem dunkeln
Griin der Thuya und Tannen. Die Natur hat sich gleich-
sam bestrebt, den Boden der Freyheit mit ihren schonsten
Pflanzenformen zu schmucken.
So viel von dem Theile meines Naturgemaldes , welches
die Vertheilung der Gewachse betrifft. Ich gehe nun zu an-
deren physikalischen Verhaltnissen tiber; denn diese Arbeit
ist dazu bestimmt, alles zu umfassen, was als veranderUch
durch die Hohe des Standorts betrachtet werden kann.
Vierzehn Scalen , welche das Bild einschliefsen , enthalten
gleichsam das Resultat von dem , was die Naturlehre in
ihrem gegenwartigen Zustande in Zahlen darbietet. Dieje-
nigen derselben , welche die Luftwarme , die elektrische
Spannung und den hygrometrischen Zustand der Atmo-
sphare , den Sauerstoffgehalt , die Himmelsblaue , die geo-
gnostischen Verhaltnisse , die Kultur des Bodens und die
Wohnplatze der Thierarten angeben , griinden sich auf
meme eigenen Erfahrungen. Ich darf mir schmeicheln , dafs
selbst dem Naturphilosophen , der alle Mannigfaltigkeit der
Natur den Elementaractionen Einer Materie zuschreibt ,
und der den Weltorganismus durch den nie entschiedenen
12
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90 NATURGEMALDE
Kampf 1 widerstrebender Krafte begriindet sieht, eine sol-
che Zusammenstellung von Thatsachen wichtig seyn mufs.
Der Empyriker zahlt und mifst , was die Erscheinungen
unmittelbar darbieten : der Philosophic der Natur ist es aufc
behalten , das alien Gemeinsame aufzufassen und auf Prin-
cipien zuruckzufiihren.
«
Luftwarme.
Die , in dem Naturgemalde , der Luft gewidmete Scale
driickt den hochsten und niedrigsten Thermometerstand
aus , welcher von fiinf hundert zu fiinf hundert Meter ( 25o
Toisen) Hohe unter den Tropen beobachtet wird.' Eine
grofse Zahl eigener Beobachtungen , oft von Stunde zu
Stunde angestellt, sind zur Bestimmung der mittlern Tem-
pera tur angewandt worden ; eine Mittelzahl , welche natiir-
lich durch alle Beobachtungen und nicht etwa durch die
Extreme begriindet ist. Auch sind Lokalverhaltnisse, beson-
.ders die , welche die nordliche Grenze des Krebswende-
kreises darbietet, geflissentlich vernachlafsigt worden. So
liest man, zum Beyspiel, in meiner Zeichnung, dafs an
den Kiisten, in gleicher Hohe mit der Oberflache des Mee-
res, das hunderttheilige Thermometer nicht unterhalb i8°,5
1 Auf diesen , das Leben in der Natur erhaltenden, Kampf scheint der uralte
Trimurti, die Dreyeinigkeit der Hindus, hinzudeuten. Als der Unsterbliche und
Ewige, der Parabrahma, vom Berge Meru Jtierab die Weltregierung anordnete,
befabl er dem Shiwa zu zerstoren, dem Visnu zu erhalten, und dem Brahma,
mitten im Widerstreit der bey den Gottheiten, fortfahrend zu zeugen und zu
scbaflen.
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DER TROPENLANDER.
9 l
herabsinkt, ungeachtet man es in der Hauptstadt der Insel
Cuba , in der Havana , und weiter ostlich , in Matanzas , oft
auf -+- i°,4 gesehen hat. Aber diese , fur niedrige Tropen-
lander so uberaus auftallende , Winterkalte findet auch nur
in einer Gegend Statt, die schon voile dreyzehn Breiten-
grade nordlicher, als die Zone liegt, bis zu der ich mein
Naturgemalde erstrecke. Sie ist Folge der wiithenden Nord-
sturme , welche die kalten Luftschichten des allzu nahen
Rontinents uber die Insel Cuba jagen. In dem nur wenig
siidlichern, aber von Nord-Amerika fernern Santo -Domingo
erhalt sich das Thermometer , in den Ebenen , das ganze
Jahr hindurch , zwischen io° und 3i°,2 (16 und 25° R.)-
Es bedarf iibrigens wohl kaum der Bemerkung , dafs .alle
angegebenen Thermometer-Beobachtungen im Schatten und
fern vom Reflex der strahlenden Warme angestellt worden
sind.
HOHEN
UBER DER MEERESFLACHE.
HOCHSTE
NIEDRIGSTE
MITTLERE
LUFTWARME.
LUFTWARME.
LUFTWARME.
METER.
TOISEN.
o bis lOOO
bis 5oo
-h 38°,4
H- l8°,5
+ 25°,3
i ooo bis 2000
5oo bis 1000
-+- 3o,o
-+- 12,5
-f- 21,2
2000 bis 3ooo
1000 bis i5oo
-+- 23,7
-f- 1,2
■+■ »8,7
3ooo bis 4ooo
1 5oo bis 2000
+ 20,0
=4= 0,0
+ 9,9
4ooo bis 5ooo
2000 bis 25oo
+ 18,7
- 7,5
-h 3,7
5ooo bis 6000
25oo bis 3ooo
H- 16,0*
10,0*
— 2*
Die Zahlen , welche diese Tafel fiir Hohen angibt , die
funf tausend Meter (2565 Toisen) iibersteigen, sind von
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92 NATURGEMALDE
minderer Genauigkeit , da diese grofsen Hohen bisher zu
wenig und auf zu kurze Zeit besucht worden sind, urn ihre
mittlere Temperatur bestimmen zu konnen. Die Kalte, wel-
cher wir auf den hochsten Gipfeln der Andeskette ausgesetzt
gewesen sind, ist, dem Ausspruch des Tbermometers nach,
nie sehr betrachtlich ; • aber die mindere Menge des einge-
atbmeten Sauerstoffs (als Folge der Luftdunne), die Asthe-
nic des Nervensystems * , und andere noch wenig ergriindete
Ursachen machen diese Bergkalte fur das Gefiihl fast uner-
traglich. Die franzosischen und spanischen Akademiker ha-
ben , in ihrer Hiitte am Vulkan Pichincha , in einer Hohe von
vier tausend sieben hundert fiinf und dreyfsig Meter ( 2428
Toisen), das hunderttheilige Thermometer nur 6° unter dem
Eispunkte herabsinken sehen. Am Chimborazo, nahe an
seinem Gipfel, zeigte mir diefs Instrument noch — 1°,8. Ja
am Vulkan Antisana, auf der betrachtlichen Hohe von fiinf
tausend vier hundert und drey Meter (2773 Toisen), fan-
den wir im Schatten eine Warme von 19 . Der Sonne aus-
gesetzt, war diese Warme so grofs, dafs wir uns entkleideten ,
ungeachtet wir zwey tausend fiinf und sechzig Meter (1060
Toisen) hoher als der Atna , und sechs hundert sieben und
zwanzig Meter (325 Toisen) hoher als der Gipfel des Mont-
Blanc waren.
An Orten, welche man fur die heifsesten der Erde halt,
1 Besonders des gastrischen Systems , alles dessen , -was mit dem untern After-
gehirn, dem Plexus coeliacus, zusammenhangt : daher in grofsen Berghohen die
Neigung turn Erbrechen, eine Bergkrankheit, wie das Seeiibel, mal de mer.
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94 NATURGEMALDE
Erdkorpers nennt, mag ich nicht entscheiden. Die Quell-
wasser geben diese Tjemperatur (wie ein vortreffllicher JJeob-
achter , Herr von Buch , gefunden ) sehr genau an. Nach die-
sem Maasstabe ist das Innere der Erde unter den Tropen
kiihler als man vermuthen sollte. Ich habe in der Provinz
Cumana, auf drey hundert neun und achtzig Meter (200
Tbisen) Hohe, die Quellen zu* 22°,5 (18 R.)j au ^ sieben
hundert neun und siebzig Meter ( 400 Toisen) Hohe, zu 21
( i6°,8 R.); Dev Caraccas , auf tausend drey hundert vier
und zwanzig Meter (680 Toisen) Hohe, zu i6°,2 (i3°R.),
gefunden. Diese Warmegrade sind ,alle geringer, als die
mittlere Temperatur der genannten Standorte.
An der Meereskuste oder in den uniibersehbaren Steppen
(Lianos) von Calabozo und Carf 1 erwarmt sich, wahrend
der sechs Monathe, in denen es nie regnet, dermafsen der
Boden, dafs Sesuvium, Gomphrena, Thalinum, Kyllingia,
einige Mimosen und andere niedrige Krauter, welche der
Wind halb im Sande vergrabt, eine Hitze von 53° ertragen.
In der schwarzen Erde , die den Vulkan von Jorullo , in
Neu-Spanien, umgibt, stieg mein Thermometer bis 6o° 5 und
doch ist diese, vom Rrater im Jahr 1759 ausgeworfene
Erde schon hie und da mit Vegetation bedeckt. Dagegen
erdulden Swertia quadricornis, Stahelinen, Espeletia frai-
lexon und andere Alpenpflanzen der hohen Andeskette das
1 Die Steppe zwischen der Bergkette, langs der Kuste von Caraccas und dem
Apure und Nieder- Orinoco ; so eben, dafs sie iiberall das Biid des Meer-
Horizonts darbietet.
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96 NATURGEMALDE
schneller ist, als in den Luftschichten zwischen der Meeres-
kiiste und zwey tausend und fiinf hundert Meter (1281
Toisen). Diejenige Schicht, in welcher die allmahlige Erkal-
tung gleichsam einen Sprung macht und plotzlich schnell
zunimmt, ist zwischen zwey tausend fiinf hundert Meter
und drey tausend fiinf hundert Meter (i25o und iy5o
Toisen ) , zwischen der Hohe des Gothard und des Atna
enthalten. Freylich kann man leicht einsehen, wie viel die
strahlende Warme , welche durch die Unebenheiten , durch
die Natur und Farbe des Bodens mannigfaltig bestimmt
wird , auf dieses , von mir in den Andes beobachtete , Gesetz
der Warmeabnahme Einflufs haben mufs : freylich wiirde
ein Aeronaute, der sich unter dem Aquator, fern von den
Gebirgen , zum Beyspiel uber der Meeresflache oder in den
unermefslichen Ebenen des Amazonenlandes erhobe, diefs
Gesetz wahrscheinlich etwas anders modificirt finden. Doch
ist zu vermuthen, dafs diese Verschiedenheit der Resultate
sich nicht weit uber vier tausend Meter ( 2o52 Toisen ) Hohe
erstrecken wiirde : denn in diesen luftdunnen p.egionen ist
die Masse der Berggipfel , selbst in der Andeskette , schon
geringe. Sie bieten daselbst nicht mehr so betrachtliche Ebe-
nen dar, und der Einflufs strahlender Warme kann daher
dort nur geringe seyn.
Auf der Reise, welche ich im Junius 1802 nahe bis an
den Gipfel des Chimborazo gemacht, habe ich die Abnahme
der Warme zu hundert sechs und neunzig Meter (101 Toisen)
fur jeden Grad des h under ttheiligen Thermometers gefunden.
A us den mittleren Temperaturen zwischen dem Meeresspiegel
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98 NATURGEMALDE
einem andern One in einer, der ersten Klasse des National-
Instituts vorgelesenen , Abhandlung l entwickelt , wie in dem
Luftmeere, in welches unsre feste Erdmasse eingetaucht ist,
oberhalb vier tausend siebeh hundert Meter (2411 Toisen)
Hohe, die geographische Breite die Tempera tur nur wenig
modificirt, und wie Herr Gay-Lussac (in 48° nordl. Breite)
in den hohen Luftschichten iiberall genau denselben Ther-
mometerstand beobachtete, welchen ich nahe am Aquator,
in gleichen Hohen , auf der Expedition nach dem Gipfel
des Chimborazo, gefunden hatte.
Die Phanomene der Horizontal-Refraction , mit deren
Theorie Laplace gegenwartig beschaftigt ist, scheinen auf
den ersten Blick dieser gleichen Abnahme der Warme in
Luftregionen , die vom Aquator, der geographischen Breite
nach , so ungleich entfernt sind , entgegen zu seyn. Diese
Refraction, welche man seit Bouguer's Zeiten um vier bis
funf Minuten geringer in den TrOpenlandern , als in der
gemafsigten Zone annimmt, lassen nahmlich in den ersteren
auch eine schnellere Abnahme der Warme vermuthen. Aber
man mufs nicht vergessen, dafs, nach Delambre's neueren
Beobachtungen , die Horizontal -Refraction in Europa weit
kleiner, und, nach Le Gentil, in Ostindien unter den Tro-
pen weit grdfser ist, als man sie gewohnlich angibt. In Eu-
ropa kennen wir dazu noch sehr wenig die Warmeabnahme
wahrend der Wintermonathe 5 und da die Horizontal -Refrac-
1 Memoire sur la limite inferieure des neiges perpetuelles et sur le decroisse-
jment du calorique dans les hautes regions de l'atmospliere, lu le 5 Frimaire an i3.
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DER TROPENLANDER. 99
tion von alien Luftschichten abhangt, welche der Lichtstrahl
durchlauft : so ware es sehr moglich , dafs eine ungleiche
Abnahme der Warme in Scbichten , welche hoher als sie-
ben tausend Meter (3591 Toisen), also jenseits aller bishe-
rigen Beobachtungen liegen , die ungleiche Strahlenbrecbung
begrunde. In einer Materie, iiber welche es noch so sehr
an genauen und vervielfaltigten Erfahrungen fehlt, ist es
vorsichtiger , statt sich in Vermuth ungen zu verirren, die
Resultate, wie sie aus den bisherigen Beobachtungen folgen,
unverandert zu liefern.
Luftdruck.
Der Druck, welchen die Atmosphare in verschiedenen
Hohen iiber der Meeresflache ausiibt , ist durch Barometer-
stande bezeichnet, welche nach der Laplacischen Formel fur
barometrische Hohenmessungen berechnet sind. Die Tem-
peratur ist dabey nach dem oben entwickelten Gesetz der
Warmeabnahme supponirt. Sey X die Hohe in Meter aus-
gedriickt; H, der Barometerstand an der Oberflache des
Meeres ; T, die Temperatur ebendaselbst 5 t, die Temperatur,
welche der Hohe X zugehort ; und h, endlich, der gesuchte
Barometerstand fur X : so ist
T X
Log. m=
j 2(T + t)
I 1000
und hat man so die Zahl m gefunden, so ergibt sich
H
h =
m
v 5412/
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lOO
NATURGEMALDE
Nach dieser Formel findet man von funf hundert zu funf
hundert Meter (25o Toisen) folgende Barometerstande.
H O H E N
MITTLERE
TEMPERATUR
BAROMETER HO HEN.
UBER DER MEERESFLACHE.
A JLJ AWJL JL Mmd A^ +wL A %J A^
NACH DEM
HUNDE^TTHEILICEN
IN METER..
IN TOISEN.
THERMOMETER.
IN METER.
IN LINIEN.
M
o
T
4- 253
M
0,76202
337,8
5oo
256
-h 24,0
0,71961
3 19,03
lOOO
5i3
-h 22,6
0,67923
3oi,i8
i5oo
7 6 9
-+- 21,2
0,64l 34
284,28
2000
1026
-h 20,0
0,60 5oi
268,24
25oo
1282
■+■ 18,7
0,57073
2 53,o 5
3ooo
i539
+ 4,4
0,53689
238,o6
35oo
1795
■+■ 9>°
o,5o4i8
223,5o
4ooo
2052
+ 6,4
0,47417
210,20
45oo
23o8
-+- 3,7
o,44553
197,55
5ooo
2565
+ 0,4
0,41823
i85,4o
55oo
2821
— 3,o
0,39206
i 7 3,84
6000
3o 7 8
(- 6,0)
0,36747
162,95
65oo
3334
(— 10,0)
o,34357 %
1 5a,38
7000
3591
(- i3,o)
o,32o35
142,61
75oo
384 7
(- 16,0)
o,3oo68
1 33,36
Die mittleren Luftwarmen oberhalb sechs tausend Meter
(3ooo Toisen) sind hier abermal wenig genau , da sie sich
nicht auf unmittelbare Erfahrungen, sondern nur.auf die,
in tieferen Regionen beobachtete Warmeabnahme griinden.
Saussure hat das Barometer auf dem Gipfel des Mont-Blanc
bis o,435 1 5 Meter (16 Zoll 0,9 Linie) herabsinken sehen.
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DER TROPENLANDER. 101
La Condamine und Bouguer » fanden auf dem Corazon ( siid-
lich von der Stadt Quito) 0,42670 Meter (i5 Zoll 9,2
Linien). Ich bin auf dem Chimborazo zu einer Hohe ge-
langt, in welcher das Barometer nur 0,37717 Meter (i3 Zoll
n,a Linien) zeigte. Aber Herr Gay-Lussac hat in seiner
aerostatischen Reise eine Luftdiinne ertragen, welche durch
einen Barometerstand von 0,3288 Meter (12 Zoll 1,8 Linie)
ausgedriickt wurde.
Die Barometerhohe am Meeresufer habe ich zu 0,76202
Meter (337,8 Linien) bey einer Warme von 25° angenom-
men. So folgt dieselbe aus zahlreichen Beobachtungen ,
welche ich an den Ufern des atlantischen und des stillen
Oceans, in der siidlichen und nordlichen Hemisphare, an-
gestellt habe. Bouguer nahm als Mittelzahl 28 Zoll 1 Linie;
der spanische Geometer Don Jorge Juan, 27 Zoll 1 1,5 Linien
an. La Condamine sagt ausdrucklich : « Wenn die mittlere
<( Barometerhohe unter den Tropen nicht gar geringer als
« 28 Zoll ist , so weicht sie wenigstens nur wenig davon
« ab. » Zwey vortreffliche Barometer , welche ich vor meiner
Abreise aus Europa, wie alle andere von mir gebrauchte
Instrumente , aufs sorgfaltigste mit denen der National -Stern-
warte zu Paris verglichen hatte, und die ohne alle Bescha-
digung nach Siid-Amerika gelangten, haben mich gelehrt,
1 La Condamine, Voyage a Vequateur, p. 58- « Personne n'a vu le barometre .
« si bas dans 1'air libre , et vraisemblablement personne -n'est monte a une plus
« grande bauteur. Nous etions (a la cime du Corazon) a deux mille quatre cent
« soixante-dix toises, et nous pouvions repondre, a quatre ou cinq toises pres,
« de la justesse de cette determination,"
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102 NATURGEMALDE
dafs der mittlere Luftdruck in der heifsen Zone am Meeres-
ufer etwas geringer , als in den gemafsigten Erdstrichen * ist
Shukburg fand denselben in Europa 0,76301 Meter (28 Zoll
2,24 Linien); Fleuriau Bellevue, 0,76427 Meter (28 Zoll 2,8
Linien), bey einer Lufttemperatur von 12 . Dieser Unter-
schied nahmlich , welcher zwischen der heifsen und gemafsigr
ten Zone Statt findet, lafst sich nicht durch den Einflufs
der Warme allein erklaren , urn so weniger als, in den nie-
deren Ebenen des westlichen Theils von Peru , wahrend dafs
die Sonne vier bis fiinf Monathe lang in dickem Nebel ein-
gehiillt ist, das Thermometer bis i5° oder 16 herabsinkt,
ohne den Barometerstand merklich zu afficiren.
Der Luftdruck wechselt in der gemafsigten Zone in dem-
selben Jahre , ja bisweilen in wenigen Monathen , um o,o45
^Trotz der Versuche von Shukburg und Fleuriau ware es doch sehr wiin-
schenswerth, wenn die mittlere Barometerhohe der europaischen Meere, zum
Beyspiel der Ostsee, des atlantischen , mittellandischen, schwarzen (und caspi-
schen) Meeres, mit vorher und nachher sorgjaltig unter sich verglichenen Instru-
mental ausgemittelt wiirde. Poleni's und Toaldo's vieljahrige Beobachtungen
lehren, dafs dieser mittlere Luftdruck gewissen (wahrscheinlich periodischen )
Veranderungen unterworfen ist. Wollen Physiker in kiinftigen Jahrtausenden
einst die Frage untersuchen , ob der Luftdruck zu- oder abgenommen hat: so
warden sie mit Recht unsre Tragheit anklagen, mit der wir unterlassen haben,
im i8ten und lgten Jahrhunderte das Gewicht der Atmosphare so genau zu
bestimmen, als es unsere dermaligen Werkzeuge erlauben. Mittlerer Luftdruck
an den Ufern des Meeres, Intensitat der magnetischen Kraft, Sauerstoffmenge
des Luftkreises, mittlere Warme und Quantitat des gefallenen Regens, sind
Phanomene, uber deren Bestandigkeit oder Wechsel kommende Jahrhunderte
entscheiden werden, wenn wir diese Entscheidung durch sorgfaltige Bestim-
mungen gegenwartig Torbereiten. Wie sehr haben die Physiker auch niclit in
dieser Hinsicht die unermiidete Vorsieht der Aslronomen nachzuahmen !
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io4 NATURGEMALDE
Morgens um neun Uhr ihr Maximum erreicht hat. Von neun
Uhr bisMittag sinkt das Quecksilber gewohnlich nur wenig;
aber diefs Fallen ist stets sehr merklich von zwolf Uhr bis
vier Uhr oder vier Uhr dreyfsig Minuten, wo das Barometer
auf dem niedrigsten Punkte ist. Von diesem Minimum an
steigt es abermals bis eilf Uhr Abends, wo es fast eben so
hoch steht , als um neun Uhr Morgens. Das Barometer sinkt
abermals die ganze Nacht hindurch, vorzuglich von Mitter-
nacht an bis vier Uhr dreyfsig Minuten Morgens. Von die-
sem zwey ten Minimum an erhebt es sich wieder bis neun
Uhr. So gibt es in vier und zwanzig Stunden zwey Ebben
und zwey Fluthen , in denen die nachtlichen ktirzer , als
die taglichen sind. Diese kleinen stiindlichen Veranderungen
habe ich identisch gefunden, am Ufer des AmaEonenflusses ,
in Cumana oder im Callao (dem Hafen von Lima an der
Siidseekuste). Sie erfolgten zu derselben Zeit, in Gegenden,
die vier tausend Meter (2062 Toisen) uber dem Meere erha^
ben liegen, wie in den Ebenen des spanischen Guayana. Sie
scheinen, und diefs ist am aufTallendsten , vollig unabhangig
vom Wechsel der Tempera tur oder dem Einflufs der Wit-
terung iiberhiaupt. Wenn das Barometer einmal im Sinken
ist , von ein und zwanzig Uhr bis vier Uhr ; wenn es einmal
im Steigen ist , von vier Uhr bis eilf Uhr : so unterbrechen
weder Erdbeben , noch Sturmwind, noch mit heftigen Regen-
gussen begleitete Gewitter, seinen Gang. Der Sonnenstand
allein scheint diesen zu lenken. l An einigen Orten habe ich
1 l3ie Kenntnifs der stiindlichen Veranderungen des Luftdruckes macht selbst
den kleinsten Fehler verschwinden , welchen man unter dem Aquator bey baro-
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io6
NATURGEMALDE
Stundliche Veranderungen des Luftdrucks, am 8ten und gten
November 1802, an den Ufern der Sudsee, in 12 3' sud-
licher Breite und 79V 3' westlicher Ldnge von Paris.
ST UND EN.
BAROMETER-
THERMOMETER
THERMOMETER
HYGROMETER
STAND
AM
AH DE» FftBTBH MIT
WAHRE
ZE IT.
IN LINIEN.
BAROMETIR.
UBB 1M tClATTUf.
NACH DELtJC.
Am 8 Nov.
Ufcr
urn io|
336,92
19,0.
i6°3
43,0
11
336,98
i9>°
*9> 5
16,2
16,2
43,7
44
i3
336,72
i4
336,6o
*9> 5
16,2
42
f .
i5
336,65
19.8
i6,5
43
\
i5i
336,62
20,0
16,0
42
16
336,55
i9>°
20,5
16,0
i6,3
42
42,5
i<H
336,8o
S
»7
336,8 7
22,0
16,4
42
-
*7i
336,g5
22,7
17,0
42
20
337,25
23,o
18,0
39
21
337,35
23,o
24,5
i9» 2
20,4
37
3 7 ,5
22^
, 337,i3
oi
336,90
25,5
22,5
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336,7 5
25,9
22,7
34
\
31
336,6o
26,0
23,2
34,5
4
5
336,45
25,5
^5,5
20,5
l8,0
33,6
37
336,5o
8
336,85
25,o
l6,l
39
9
336,95
22,0
l6,5
4o
S
10
336,97 •
22,4
l6,4
42
11
337,i5
20,0
20,5
16,4
16,7
42
42
Hi
336,90
i3
336,84
20,5
16,7
43
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DER TROPENLANDER. 107
Unerachtet ich mehrmals in diesem Abschnitte diese stund-
lichen Variationen des Barometers mit dem Phanomen der
Ebbe und Fluth verglichen , und bemerkt habe , dafs sie mit
dem Stande der Sonne in nicht zu verkennendem Zusam-
menhang stehen: so^glaube ich doch nicht, dafs sie unmit-
telbar und allein in der Attraction dieses Weltkorpers
gegrundet sind. Ware hier Anziehung der Massen im Spiel,
wie in der Ebbe und Fluth des Meeres , warum ist es mir
nie gegliickt , so viele Nachte ich auch darauf aufmerksam
gewesen bin , Einwirkungen des Mondstandes auf die Baro-
meterhohe unter dem Aqua tor zu bemerken ? Herr Mutis,
dessen Scharfsinn nichts entgeht , und der sich seit dreyfsig.
Jahren mit diesem Phanomene in Santa -Fe (2623 Meter
oder i347 Tois'en tiber demMeere) beschaftigt hat, versichert
zwar , daselbst deutliche Spuren dieser Einwirkungen in den
Conjunctionen und Oppositionen entdeckt zu haben. Aber
gesetzt auch , dafs sie wirklich existiren : so scheinen die
stundlichen Barometerveranderungen unter dem Aquator
doch noch zu betrachtlich zu seyn , als dafs sie der Anzie-
hung der Sonne und des Mondes, und der durch sie verur-
sachten Erhebung des Luftmeeres, allein zugeschrieben werden,
konnten. Laplace hat in seinem Meisterwerke , in der Meca-
nique celeste, gezeigt, dafs diese Anziehung unter den vor-
thejlhaftesten Umstanden kaum ein Millimeter betragen
konne. Hangt demnach der periodische Wechsel des Luft-
drucks fast ausschliefslich von dem Sonnenstande ab , und
hat man Grtinde denselben weder der Massen -Attraction
dieses Central - Gestirns , noch den Wirkungen der von
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lo8 NATURGEMALDE
ihm austrahlenden oder wenigstens durch ihn erregten
Warme zuzuschreiben : so darf man vielleicht irgend einen
Einflufs des Sonnenlichtes auf die Atmosphare ahnden.
Naturphilosophische Ideen geben diesen Ahndungen ein
grofseres Gewicht , und Herr Schelling weist an mehreren
Orten seiner Werke 1 scharfsinnig auf die Ubereinstimmung
zwischen dem Gange des Barometers und der Magnetnadel
hin. Ich werde bald an einem andern Orte a ( wenn ich
meine Beobachtungen uber Inclination , stiindliche Declina-
tion und durch die Zahl der Oscillationen gemessene Inten-
sitat $er magnetischen Kraft bekannt mache) auf diesen
Gegenstand zuruckkommen.
Nahe an dem Wendekreise des Rrebses in dem Meer-
busen von Mexico, zwischen dem neunzehnten und drey
und zwanzigsten Grade nordlicher Breite, erkennt man bis-
weilen emen temporaren Einflufs der Wetterveranderungen
auf den Luftdruck. In der Havana und in Vera-Cruz erhebt
4er stiirmende Nordwind , welcher kalte Luftschichten her-
beyfiihrt, das Barometer um ftinf bis sieben Linien. Diesem
Steigen geht ein plotzliches Sinken des Quecksilbers zuvor ,
ein Sinken , welches ein wichtiges und jetzt sorgfahig beob-
achtetes Prognosticon fur die gefahrvolle Schiflahrt in diesem
Meerbusen ist. Das Barometer erhalt sich unveranderlich
hoch , so lange der Sturm wiithet. Kaum ist derselbe vor-
iiber , so tritt mit den Passatwinden ( la Briza) auch sogleich
» Weltseele'S. i5i. Neue Zeitschrift fur speculative Physik, B. 1, St. 2, S. 169.
3 In einer Schrift, -welche ich mit Herrn Biot in Paris gemeinschaftlicn her*-
.ausgebe.
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DER TROPENLANDER. 109
wieder das regelmafsige Spiel der stiindlichen Barometer-
veranderungen ein.
Cotte hat durch Vergleichung einer grofsen Anzahl genauer
Beobachtungen ausgemittelt , dafs in Europa der niedrigste
Stand des Quecksilbers im Durchschnitte zwey Stunden nach
Culmination der Sonne , also zwey Stunden fruher als unter
dem Aqua tor eintritt. Wahrscheinlich existiren auch in
unsrer gemafsigten Zone diese kleinen periodischen Ebben
und Fluthen des Luftmeeres. Vielleicht sind sie nur durch
dievielen Perturbationen einer, an Warmegehalt und Feuch-
tigkeit so oft wechselnden, Atmosphare versteckt, und Mittel-
zahlen , aus vielen tausend stiindlichen Beobachtungen gezo-
gen, wiirden durch Compensation der storenden Ursachen
die Existenz dieser periodischen Oscillationen des Barometers
auch in Europa erweisen. Ohne Mittelzahlen wiirde man
ja selbst nie die kleinsten Modificationen in der Ebbe und
Fluth des atlantischen Oceans entdeckt haben.
Ich kann diesen Abschnitt iiber die Elasticitat der Luft
nicht verlassen, ohne eine physiologische Bemerkung hinzu-
zufugeri. Der Barometerstand in der Stadt Quito ist o, M, 5436*
oder 20 Zoll 1 Liniej in der Stadt Micuipampa , im nordost-
lichen Theile von Peru , 0,^4962 oder 18 Zoll 4 Linien. Die
Bewohner der Meyerey Antisana athmen eine Luft, deren
Elasticitat durch eine Quecksilbersaule von 0,^4692 (17 Zoll
4 Linien) ausgedriickt wird. Herr Gay-Lussac hat das Baro-
meter bis o, M -3288 oder 12 Zoll l-^-Linie sihken sehen. Der
Merisch , der in der Ebene an einen Luftdruck von o, M> 75y9
(28 Zoll) gewohnt ist, widersteht alien diesen Veranderungen.
X
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no NATURGEMALDE
Die Bewohner jener hohen Gebirgsstadte der Andes (Indianer
und weifse Racen) geniefsen der besten und dauerhaftesten
Gesundheit. Fremde klagen zwar in den ersten Tagen ihrer
Ankunft von der Kuste fiber beschwerliche Respiration ,
besonders wenn sie schnell sprechen , oder sich einer starken
Muskelbewegung aussetzen ; aber diese Unbehaglichkeit .
dauert nur kurze Zeit. Sinkt dagegen das Barometer bis
0,4.060 Meter (i5 Zoll), alsdann wird der Einflufs der Luft-
dunne bedeutender. Auf fiinf tausend Meter (2565 Toisen)
Hohe fuhlt man eine auflallende Ermattung , eine Schwache
des ganzen Nervensystems. Man fallt leicht in Ohnmacht,
so gering auch die Anstrengung ist, zu welcher man seine
deprimirten Muskeln zwingt. Schwachere Personen fuhlen
dabey grofse Neigung zum Erbrechen ; und in Hohen , welche
fiinf tausend acht hundert Meter (2975 Toisen) iibersteigen ,
wirkt die , zum Ersteigen der Berge nothige , starke Muskel-
bewegung und der Mangel des aufseren Luftdrucks so sehr
auf die Haute der kleinsten Blutgefafse , dafs das Blut aus
den Lippen , aus dem Zahnfleische und aus den Augen her-
vordringt. Alle diese Erscheinungen wechseln natiirlich mit
der Constitution der Individuen.
Saussure hat auf seinen Alpenreisen beobachtet , dafs der
Mensch mehr als der Maulesel der Luftdiinne widersteht.
Ich habe im Konigreich Neu-Spanien mit vieler Beschwerde
ein Pferd am Cofre de Perote bis drey tausend acht hundert
neun und dreyfsig Meter (1970 Toisen), also hundert und
vier und dreyfsig Meter (69 Toisen) hoher als der Gipfel
des Pico de TenerifFa gebracht. Das Thier hatte eine stoh-
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DER TROPENXANDER. in
nende, beangstigte Respiration, welche nicht als Folge der
Muskelanstrengung zu betrachten war, da die Beangstigung
in tieferen Gegenden verschwand., wo das Gebirge gleich
steil war., Im Ganzen glaube ich bemerkt zu haben , dafs
die weifse Menschenrace in Hohen , welche fiinf tausend
acht hundert Meter (297$ Toisen) nahe kommen , minder
leidet, als die eingeborenen kupferfarbigen Indianer.
Der Luftdruck mufs den wichtigsten Einflufs auf die
vitalen Functionen der Pflanzen , besonders auf die Respi-
ration ihrer Integumente aufsern. Unerachtet die meisten
Rryptogamen , und unter den Phanerogamen viele Graser,
fast gleichgiiltig fiir diese Wirkungen des Luftdrucks scheinen:
so sind andere Gewachse dagegen um so empfindlicher fiir
dieselben. Swertia quadricornis , Espeletia frailexon , die
Stcehelina der Andeskette und viele Gentianen erheischen
einen Barometerstand von o,46o und 0,487 Meter (17 bis
18 Zoll). Viele peruanische Alpenpflanzen wurden, wenn
man sie nacb Europa in die Ebene verpflanzte , daselbst
allenfalls wohl die erforderliche Temperatur, nicht aber
die Luftdiinne finden , an welche ihre Organe gewohnt
sind, und die zu ihrem Gedeihen erforderlich ist.
Feuchtigkeit der Atmosphare.
Eine eigene Scale des Naturgemaldes stellt die allmahlige
Abnahme der Luftfeuchtigkeit unter dem Aquator, vom Ufer
des Meeres bis zu dem Gipfel der Andeskette dar. Die Beob-
achtungen, aus denen ich diese Mittelzahlen deducirt habe,
sind im Schatten bey vollkommner Himmelsblaue , bald mit
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1 12
NATURGEMALDE
dem Saussure'schen , bald mit dem Deluc'schen Hygrometer
angestellt worden, je nachdem das Instrument die Feuch-
tigkeit schnell anzeigen sollte, oder es der Luft lange aus-
gesetzt bleiben konnte. Alle Resultate sind auf Grade des
Saussure'schen Hygrometers und auf die gleiche Temperatur
von 25°,3 reducirt. Saussure's und Dalton's Versuche lehren ,
dafs die Correction durch den verschiedenen Luftdruck ganz-
lich iiberflussig ist.
HOHE
IN METER.
THERMOMETER.
HYGROMETER
oh jr*
VERBESSERUNG
DV ICE Sil
BAROMETER.
HYGROMETER
auf a5°,3
TEMPERATUR
1IDDCIIT.
Meter
Von o zu 1000
+ a5,3
86
86,0
Von 1000 zu 2000
+ 21,2
80
7M
Von 2000 zu 3ooo
+ 18,7
74
64,5
Von 3ooo zu 4ooo
+ 9>°
65
46,5
Von 4ooo zu 5ooo
+ 3,7
54
36,2
Von 5ooo zu 6000
+ 3,o
38
26,7
Diese Tafel wird kiinftig einmal fur die Strahlenbrechung
wichtig seyn , wenn die Theorie der letztern aus mehr umfas-
senden Gesichtspunkten wird betrachtet werden. Die Ab-
nahme der Luftfeuchtigkeit unter dem Aquator betragt, nach
meinen Versuchen, ungefahr neunzig Meter (46,17 Toisen)
fur einen Grad des Saussure'schen Hygrometers.
Trotz der ungeheuren Trockenheit der Luftschichten auf
dem hohen Gipfel der Andes ( wo das Hygrometer bis
46° bey einem Thermometerstande von 3°, 7 herabsinkt =
Hygrometer 3i°,7 Sauss. bey 25°, 3 Warme)j Trotz dieser
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DER TROPENLANDEB.
1 1
Trockenheit der Bergluft , sage ich , befindet sich der Reisende
gerade in diesen Hohen von zwey tausend fiinf hundert bis
drey tausend ftinf hundert Meter (1283 bis 1796 Toisen)
jeden Augenblick in dicken Nebel gehiillt. Dieser Nieder-
schlag ( oder diese mysteridse Wasserbildung ? ) , mag sie
Folge oder Ursache einer starken elektrischen Tension seyn,
gibt der Vegetation der Paramos (oder der hohen Wildnisse)
diefs frische , stets sich erneuernde Grtin , mit dem sie prangt.
In den tieferen Tropenregionen des neuen Rontinents
enthalt eine durchsichtige und viele Monathe lang wolken-
freye Luft , eine grofse Menge Wasser. Deluc hat die Existenz
dieses latenten Wassers auch in Bengalen, durch die Versu-
che seines Sohnes, erwiesen. Diese sonderbare Luftbeschaf-
fenheit ist es, welche die Tropenvegetation wahrend der
fiinf- bis sechsmonathlichen trocknen Jahrszeit erhalt. Hatten
die Pflanzen nicht in einem so hohen Grade die Fahigkeit,
der Luft das Wasser zu entziehen , wie konnte man Baume
und Stauden mit solcher Blatterfulle in Landern geschmiickt
sehen , wo , wie zum Beyspiel in Cumana , oft in acht bis
zehn Monathen weder Regen , noch Thau , noch Nebel fallt ?
In Europa habe ich in der Ebene nie eine Lufttrocken-
heit unter 46° Sauss. bey einer Warme von i5° bemerkt. In
dem zwey tausend zwey hundert fiinf und neunzig Meter
(1177 Toisen) iiber dem Meere erhabenen Thale von Mexico ,
sinkt eben diefs Saussure'sche Hygrometer meist bis l\i° und
44° herab. Wo bleiben die Diinste, welche aus den fiinf,
die Stadt umgebenden Seen taglich emporsteigen ? Denn von
der grofsen Masse kochsalzsaurer und kohlensaurer Soda,
i5
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n4 NATURGEMALDE
welche diese hohe Ebene wie mit ScHneeflockeii bedeckt,
werden sie wohl nicht absorbirt. Diese ungeheure Trocken-
heit der mexicanischen Luft , welche den schadlichsten Ein-
flufs auf die Gesundheit der Einwohner und auf den Acker-
und Gartenbau aufsert , nimmt taglich zu , da man durch
kiinstliche Kanale die Seen zu verringern sucht, und da sich
die Regenmenge in Neu-Spanien (wie in den Antillischen
Inseln) seit fiinfzehn Jahren sichtbar vermindert hat. 1st
diese Abnahme periodisch , oder hangt sie von grofsen kos-
mischen Veranderungen ab ? Was menschliche Industrie auf
der Erdoberflache umwandelt, ist in so grofsew Landstrichen
zu unbedeutend, als dafs man diesen kiinstlichen Verande-
rungen , zum Beyspiel der Ausrottung der Walder in Nord-
Amerika , die Verminderung des Regens , das Seltenerwerden
der Orkane , der grofsen elektrischen Explosionen , und selbst
das des Nordsturmes zwischen Vera -Cruz und der Miindung
des Missisipy zuschreiben diirfte. — Wie grofs mufs nicht
vollends die Lufttrockenheit in Persien seyn , wo man , nach
Chardins Bericht, in der Provinz Rerman, Ha user von Stein-
salzT baut ! Aber wann werden Hygrometer in diese Gegen-
den eindringen ?
Der in der Luft enthaltene Wasserdunst tritt, bald durch
Erniedrigung der Temperatur , bald durch andere noch wenig
ergriindete Ursachen, in sichtbare Blaschen zusammen, de-
ren Gruppirung wir mit dem Worte Wolken bezeichnen.
Die Hohe ihrer untern Schicht, welche ich oftmals geines-
sen , scheint unter den Tropen sehr bestandig zu seyn. Sie
betragt zu jeder Jahreszeit etwa tausend zwey hundert Meter
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DER TROPENLANDER.
n5
(61 5 Toisen) iiber der Meeresflache , und in dieser Hohe mufs
man unstreitig den Grand suchen , warum man am Abharige
der Cordilleren , in der milden. und mitdern Region von
Xalappa und Guaduas ', fast stets in dicken Nebel gehullt ist.
Die grofste Hohe des dicken Gewolkes scheint mir nahe am
Aquator drey tausend drey hundert bis drey tausend sechs
hundert Meter (1693 bis 1846 Toisen) zu betragen. Aber
die merkwiirdigen kleinen Flocken , welche das Landvolk
Schafchen nennt, und deren regelmafsige , striemartige Ver-
theilung fiir eine allgemeine Polaritat spricht, sind gewifs
acht tausend Meter (4io4 Toisen) iiber dem Meere erhaben.
Wir haben diese Schafchen auf demVulkan Antisana noch
hoch iiber uns gesehen. Herr Qay-Lussac erwahnt ihrer auch
in der Beschreibung seiner zwey ten aerostatischen Reise.
Wie specifisch leicht miissen nicht Dunstblaschen seyn ,
welche sich in so luftdiinnen Regionen schwebend erhalten
konnen ! In Europa ist, nach Biot*s und Gay-Lussac's Mes-
sung , die Hohe der untern Wolkenschicht im Sommer eben-
falls tausend ein hundert neun und sechzig Meter (600
Toisen), also der der tiefsten Tropenwolken gleich. Jn den
westlichen Ebenen von Peru losen sich die Diinste nie in
Regen auf. In einem Jahrhunderte- hat man kaum ein Bey-
spiel eines viertelstiindigen Regens. Auch sind, der Bauart
der Hauser wegen , Regengiisse daselbst eben so sehr als
1 Xalappa , westlich von Vera-Cruz ; Guaduas , im Konigreich Neu-Grenada ,
ein Gebirgsstadtchen , in dem die Vicekonige bey der Ankunft von Spanien
ausrunen, urn nicht zu schnell von der Hitze des Magdalenen-Stroms in das
eisige Klima von Santa -Fe iiberzugehen.
»■■■■
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ii6 NATURGEMALDE
Erdbeben zu befurchten. Rtihrt, was man Anziehung der
Wolken gegen die Andeskette nennt, von dem senkrecht
aufsteigenden Luftstrome her, den der Granitsand der er-
warmten Ebenen erregt ?
Die grofste Trockenheit , welche Menschen je in den hohen
Luftschichten beobachtet haben , ist die , welche ebenfalls Herr
Gay-Lussac in funf tausend zwey hundert sieben und sech»
zig Meter (2700 Toisen) Hohe fand. Bey einem Thermo-
meterstande von -+- 4° sank das Saussure'sche Hygrometer bis
27°,5 herab. Reducirt man diefs auf die Temperatur von
25°,3 , welche im Sommer in den Ebenen herrscht : so erhalt
man eine Lufttrockenheit von 2i°,5 des Saussure'schen Hy-
grometers.
Die mittlere Regenmenge, welche in den aquatornahen
Gegenden in einem Jahre failt, betragt 1,89 Meter (70 Zoll).
In sehr feuchten Gegenden , zum Bey spiel in Huayaquil
und Cumanacoa, fallen bis 2,43 Meter (90 Zoll), In Europa
beobachtet man im Durchschnitte 0,69 Meter (22 Zoll). Aber
nahe an der Alpenkette, zum Beyspiel, bey Genf, hat man
(nach einem Durchschnitte von neun Jahren) im Mitteljahre l
0,87 Meter (32 Zoll 7 Linien, nahmlich 3i Zoll 6 Linien
Regen, und 1 Zoll 1 Lime Schneewasser) gefunden. In Eu-
ropa fallt in einer Stunde selten 0,009 Meter (4 Linien)
Regenwasser ; in Huayaquil habe ich o,o35 Meter (1 r. Zoll)
fallen sehen.
» Pictet,Bibl. Britan. 180$, o.° 92$, p. i5a,
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DER TROPENLANDER. 117
Elektrischer Zustand der Luft.
So wie man gegen den Gipfel der Andeskette ansteigt,
sieht man die elektrische Tension der Atmosphare in eben
dem Mafse zunehmen , als Warme und Feuchtigkeit abneh-
men. Die Resultate, welche die elektrometrische Scale auf
dem Naturgemalde enthalt, grunden sich auf Versuche, wel-
che ich auf verschiedenen Hohen in beyden Hemispharen
mit einem Elektrometer angestellt habe , dessen .1, 4 Meter
langer Conduktor , nach Volta's Vorschlag , mit brennendem
Schwamm armirt war. Die tiefen Luftschichten der Tropen-
lander , von der Oberflache des Meeres bis zu einer Hohe
von zwey tausend Meter (1026 Toisen), zeigen gewohnlich
nur eine sehr geringe elektrische Ladung. Nach zehn Uhr
Vormittags habe ich oft nur mit Mtihe einige Bewegung in
dem empfindlichsten Bennet'schen Elektrometer beobachtet.
Alle Elektricitat scheint indefs in den Wolken angehaufl
zu seyn, und gerade dieser Mangel des Gleichgewichts
zwischen den oberen und unteren Luftschichten erregt
heftige elektrische Explosionen , welche periodisch sind und
gewohnlich in der Ebene zwey Stun den nach «der Culmi-
nation der Sonne, also wahrend des Maximums der Warme,
Statt finden. In den Flufsthalern dagegen, an der Magdaleiia,
am Guainia, den die Europaer Rio Negro nennen, und am
Cassiquiare , treten die Gewitter , mit furchtbaren Regen-
giissen begleitet , stets bey Nacht, gegen zwolf oder ein Uhr,
ein — ein Umstand , der dem Reisenden , wenn er im Freyen
zu schlafen gezwungen ist, sehr unbequem fallt. In der
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n8 NATURGEMALDE
mittlern Hohe, zwischen tausend acht hundert und zwey
tausend Metern (923 und 1026 Toisen), sind die elektri-
schen Explosionen am gerauschvollesten. Die Gebirgsebenen
von Caloto und Popayan sind besonders wegen der Frequenz
und Starke des krachenden Donners bekannt. Hoher hin-
auf, am Abhange der Andeskette, uber zwey tausend Meter
(1026 Toisen), sind die Gewitter seltner und weniger
periodisch. Aber hier , und vorzuglich in drey tausend Meter
(1 539 Toisen) Hohe, bildet sich haufiger Hagel, wobey die
Luft oft und auf lange Zeit negativ geladen ist. Diese nega-
tive Elektricitat ist in tieferen, nicht tausend Meter (5i3
Toisen ) iiber dem Meere erhabenen Gegenden iiberaus
selten, und wird kaum auf wenige Augenblicke beobachtet.
Hoher als drey tausend funf hundert Meter ( 1795 Toisen)
werden elektrische Explosionen noch seltner. Der Hagel fallt
dort ohne von Gewittern begleitet zu seyn, und iiber eine
Hohe von drey tausend neun hundert Meter (2006 Toisen)
hinaus, fallt er mit Schnee gemengt, und, was am aufFal-
lendsten ist, selbst mitten in der Nacht. Die den hohen An-
desgipfeln nahen Luftschichten haben stets eine elektrische
Tension , welche das Saussure'sche Elektrometer durch einen
Abstand der Kugeln von vier bis furif Linien ausdriickt.
'Die grofse Lufttrockenheit , Wolkenbildung , Entstehung und
Versehwindung der Dunstblaschen beleben gleichsam in
diesen hohen Regionen das Spiel der Elektricitat. ' Am
Rande der vulkanischen Cratere^geht sie oft schnell vom
Positiven zum Negativen iiber. Dazu sieht man jenseits
der untern Grenze des ewigen Schnees , in den hochsten
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DER TROPENLANDER.
ll 9
Gebirgsebenen , hoch uber sich, haufige leuchtende Erschei-
nungen, welche von keineni Gerausche begleitet sind. Die
aufFallende Menge von Sternschnuppen , welche besoriders
in dem vulkanischen Theile der Cordilleren fallen , und ihre
grofsere Haufigkeit in den warmeren Landern , konnten ver-
muthen lassen, dafs diese Meteore unserm Luftkreise zuge-
horen , wenn nicht ihre ungeheure Hohe und andere
Betrachtungen diese Voraussetzung zu bestreiten schienen.
Himmelsblaue.
Wenn der Bewohner der Ebene sich drey bis vier tausend
Meter ( 1 795 Toisen ) hoch am Gebirgsabhange erhebt , so
iiberrascht ihn der Anblick der dunklern, gleichsam tiefern
Himmelsblaue. Diese Intensitat der Farbe nimmt mit der
Luftdiinne und der geringern Menge von Dunsten zu ,
durch welche der Sonnenstrahl zu uns gelangt. Lichtzer-
streuung, welche die in der Luft schwimmenden Dunst-
blaschen verursachen , lafst die Himmelsblaue nach und
nach verschwinden, und verandert sie in eine graulichweifse,
milchigte Farbe. Je diinner und dunstreiner die Luftmasse
ist, durch welche wir das Sonnenlicht empfangen , desto
mehr naht sich die Farbe des Himmelsgewolbes der ahso-
luten Schwarze , welche wir sehen wiirden , wenn wir ent-
weder an die Oberflache des Luftoceans 1 gelangen konnten,
oder wenn gar keine laterale Dispersion des Lichts, bey
seinem Durchgange durch die Atmosphare, vor sich ginge.
1 Wenn anders eine solche bestimmte, sich abschneidende Grenze denkbar
1st.
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120 . NATURGEMALDE
Das Ryanometer , dessen ich mich auf meiner Expedition
bedient habe, war (nebst einem eboulloir und einem Magne-
tometer) von Paul in Genf verfertigt und von Pictet aufs
sorgfaltigste mit dem Ryanometer verglichen worden, wel-
ches Saussure auf dem Mont-Blanc gebraucht hatte. Alle
Beobachtungen sind im Zenith bey wolkenfreyem Himmel
angestellt. Ich glaube , im Ganzen die Luftblaue dunkler und
energischer unter dem Aqua tor, als in gleicher Hohe in der
gemafsigten Zone gefunden zu haben. Die mittlere Him-
melsblaue ist in Paris (bey einer Sommerwarme von 25°)
zwischen 16 und 17 des Saussure'schen Ryanometers ;
unter den Tropen, ebenfalls in der Ebene, ist sie 23° — ein
Unterschied , welcher wahrscheinlich von der innigern Auf-
losung und gleichmafsigern Vertheilung der Diinste in den
Aquatorial-Regionen herriihrt. Auch sind die schonsten spa-
nischen und italianischen Sommernachte nicht mit der stil-
len Majestat der Tropennachte zu vergleichen. Nahe am
Aquator glanzen alle Gestirne mit ruhigem planetarischem
Lichte. Funkeln ( Scintillation ) ist kaum am Horizonte
bemerkbar. Die schwachsten Fernrohre , welche man aus
Europa nach beyden Indien bringt, scheinen dort an Starke
zugenommen zu haben : so grofs und bestandig ist die Durch-
sichtigkeit der Tropenluft.
Auf dem Gipfel des Mont-Blanc, in vier tausend sieben
hundert fiinf und siebzig Meter (245o Toisen) Hohe, hat
Saussure das Ryanometer auf 39 gesehen. Auf dem Pico
de Tenerifla, am Rande des Craters, schien mjr die Him-
melsblaue 4 l0 « Die aufserordentliche Trockenheit dieses
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DER TROPENLANDER.
1^1
afrikanischen Klima's vermehrt dort die Intensitat der Farbe :
denn der Pico von Teneriffa ist tausend und siebzig Meter
(549 Toisen) tiefer, als der Mont-Blanc. In den siidameri-
kanischen Andes , auf fast ftinf tausend acht hundert Meter
(2975 Toisen) Hohe, beobachtete ich 46° des Kyanometers.
Eben diese dunkle Farbe des Himmels wurde von Gay-Lussac
auf seiner ersten grofsen Luftreise bemerkt. « Auf der Hohe
« von sieben tausend und sechzehn Meter (36oo Toisen) war
« es mir auflallend " (sagt dieser Physiker in seinem Rapport
an das National- Institut) « diefs MaJWolken iiber mir, und
« zwar in einer sehr betrachtlichen Hohe, zu sehen. Ganz
« anders waren dieselben auf meiner ersten Luftreise gela-
« gert. Damals erreichte ihre oberste Schicht kaum tausend
« ein hundert neun und sechzig Meter (600 Toisen), und
« iiber mir war der Himmel von der grofsten Reinheit. Im
« Zenith schien seine Farbe von der grofsten Intensitat ,
« wenigstens so dunkel als Berliner - Blau. )y
Sckwackimg des Lichts bey seinem Durchgange
durch den Lufthreis.
Das Licht der Sonne und der Gestirne wird bey seinem
Durchgange durch den Luftkreis allmahlig geschwacht. Diese
Schwachung, dieses partielle Ersterben des Lichts, welches
mit der Hervorbringung der Erdwarme im innigsten Causal-
Zusammenhange steht, nimmt mit der Dichte der Luft-
schichten zu. Es ist schwacher auf dem Gipfel hoher Berge,
starker in der meeresgleichen Ebene. In der Tafel , welche
dem Naturgemalde beygefiigt ist , hat man die Lichtabnahme
16
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122 NATURGEMALDE
so berechnet , wie sie in einer vollig durchsichtigeri , dunst-
freyen Luft vor sich gehen wurde. (Man vergleiehe Laplace,
in der Exposition du systeme du Monde, vol. I , p. i57«)
Die unbeschreibliche Reinheit der Tropenluft verursacht,
dafs, selbst bey gleicher Hdhe des Standorts iiber der Meeres-
flache , das Licht lebhafter und starker als in Europa ist.
Wie blendend und ermiidend ist nicht in Westindien das
Tageslicht , selbst an Orten wo kein Reflex Statt findet ! Auch
suchen die Europaer sich mehr noch vor nervenschwachen-
der , iiberreitzender Helle , als vor der Warme zu bewahren.
Sie schmelzen dort gleichsam wieder in ihrem Gefiihle
zusammen , was , in den Wirkungen geschieden , doch nur
aus derselben einfachen, aber nie versiegenden Quelle fliefst.
Diese geringere Schwachung der Tageshelle in derTropen-
Region , iiber welche es wichtig ware , Versuche mit dem
Leslie'schen Photometer anzustellen , erweist sich recht auf-
fallend in einer astronomischen Erscheinung. Das rothliche
Licht , welches der ganz verfinsterte Mond , mittelst einer
Inflection der Sonnenstrahlen durch die Erdatmosphare ,
empfangt und zuriicksendet , ist bekanntlich in der gema-
fsigten Zone oft so schwach, dafs die Mondscheibe ganzlich
verschwindet. Dagegen habe ich unter dem zehnten Grade
nordlicher Breite, wo die Luft so iiberaus rein und durch-
sichtig ist , die verfinsterte Mondscheibe mit fast eben so
starkem Lichte glanzen sehen , als der Vollmond hat , wenn
er rothlich in unseren Rlimaten am Horizonte empor steigt
Auffallend ist der Einflufs des Sonnenlichtes auf die
vitalen Functionen der Pflanzen , auf ihre Respiration, auf
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DER TROPENLANDER. 1^3
ihre Farbung und , nach Berthollet , auf die Fixirung des
Stickstoffs in der Facula. Diese Betrachtungen bestatigen
die Vennuthung , dafs die ungeschwachte Helle , welcher
die Alpengewachse , besonders in der Andeskette , ausge-
setzt sind , zu ihrem resindsen und aromatischen Cha-
rakter beytrage.
In dem zweyten Bande meiner Schrift iiber die gereitzte
Muskel- und Nerven - Faser* habe ich Versuche angefiihrt ,
welche einen Einflufs des Sonnenlichtes auf die thierischen
Organe andeuten, der der Warme allein 1 nicht zugeschrie-
ben werden kann. Sollte. nicht diefs sonderbare Gefiihl von
Schwache , iiber welches alle Einwohner von Quito oder
Mexico klagen , wenn sie den , in drey bis vier tausend Meter
(1800 Toisen) Hohe so auftallend stechenden Sonnenstrahlen
ausgesetzt sind ( eine Schwache und Ermiidung , welche gar
nicht der Muskelbewegung , oder der, in der luftdunnern
Region vermehrten Hautrespiration allein zugeschrieben wer-
den kann ) , auf eine solche Nerven - Reitzung des unge-
schwachtern Sonnenlichtes hindeuten ? In der That kenne
ich nichts erschopfenderes , als diefs Sonnenlicht auf der
hohen und kalten Andeskette. Oder kann das gleichsam
noch unerschopfte Licht bey dem Widerstande , den es ,
gegen dichte Korper anprellend, gleichsam zum ersten Male
1 Ich bediena mich der unschadlichen Fiction , von Warme und Licht als von
verschiedenen Stoffen zu reden , unerachtet ich es fur sehr wahrscheinlich finde,
dafs Warme gebundenes Licht, oder Licht freye Warme sej. Aher Trotz der
Identitat der Materie, ist man immerfbrt berechtigt, sie als in zwey verschie-
denen Zustanden zu betrachten. Schelling , Ideen zu einer Philosophic der v
Natur, Th. I, p. 111, n3.
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124 NATURGEMALDE
findet, auf dem Gebirge mehr Warme, als in den luftdich-
teren Regionen der Ebene erregen ?
Strahlenbrechung am Horizonte*
Strahlenbrechung hangt von der Dichtigkeit der Luft-
schichten und von der Abnahme ihres Warmegehalts ab.
Sie ist defshalb nach der Hohe des Standorts des Beobach-
ters verschieden. Laplace hat bewiesen , dafs der Calcul
der Strahlenbrechung sehr verschieden ausfallt , je nach dem
der Winkel unter oder tiber zwolf Grade betragt. In dem
letztern Falle ist der Einflufs des bygroscopischen Zustandes
der Luft sehr geringe. In dem ersten Falle dagegen , wo
der einfallende Strahl gleichsam dicht an der Erdoberflache
hinlauft , wird die Betrachtung der Luftfeuchtigkeit und der
gleichen oder ungleichen Dunstvertheilung sehr wichtig :
denn wenn die Abnahme der Warme in den hoheren
Luftschichten allein die Strahlenbrechung am Horizonte
modificirte ? so sieht man in der That nicht ein , warum
die lelztere unter dem Aquator anders als in der gemafsigten
Zone ist 5 denn im Sommer, zwischen der Meeresfliiche und
der betrachtlichen Hohe von sechs bis sieben tausend Meter,
ist (wie aus Gay^Lussac's und meinen bereits oben beriihrten
Versuchen folgt) die perpendikulare Warmeabnahme in
Europa und in den Rordilleren von Quito wenig verschieden.
Die franzdsischen Akademiker haben auf der Marmortafel ,
welche noch gegenwartig in dem Jesuiten- Collegium aufbe-
wahrt wird, die Strahlenbrechung am Horizonte, unter
dem Aquator, an der Meeresflache 27', in der Hohe der
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DER TROPENLANDER. 125
Stadt Quito 22' 5o", und am Chimborazo , am untern Rande
des ewigen Schnees, 19' 5 1" angegeben. Die Refraction an
der Oberflache des Mondes findet Laplace gar nur 5",
vorausgesetzt , dafs der Dunstkreis dieses Planeten wenig-
stens noch luftdunner als das grdfste Vacuum ist , welches
wir unter der Luftpumpe hervorzubrihgen im Stande sind.
Auf der Gebirgskette der Andes bemerkt man bisweilen
ganze Nachte hindurch , tief am Horizonte , ein schwaches
Licht , welches jenen rund umher erleuchtet. Ich habe diese
Erscheinung mehrmals, besonders in der Meyerey (Hacienda)
von Antisana , im Konigreich Quito , auf zwey tausend zwey
hundert ftinf und neunzig Meter ( 1 177 Toisen) Hohe beob-
achtet. Saussure hat eine ahnliche Erscheinung auf dem Col-
de-Geant , in einer Hohe von drey tausend vier hundert
sechs und zwanzig Meter (1758 Toisen) gesehen. Diese
Erleuchtung scheint Folge einer sonderbaren Reflection des
Sonnenlichtes durch die tieferen, den Horizont umgebenden,
dichten Luftschichten zu seyn. Man vergleiche Biots scharf-
sinnige Erklarung in der A 'stronomie physique, vol, 1,8.277.
Chemische Beschaffenheit (tes Luftkreises,
Das Gemisch elastischer Fhissigkeiten , welches unsern Pla-
neten einhiillt , erstreckt sich bis zu einer Hohe , die fur uns
bisher unermefslich geblieben ist. Nur die Theorie der Licht-
abnahme oder Lichtschwachung , und Bouguer's Versuche
erweisen , dafs die ganze Hohe des Luftkreises , wenn man
ihre Dichtigkeit auf den Eispunkt und auf einen Barome-
terdruck von 0,757 Meter reducirt, nur 7820 Meter (4 01 *
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126 NATURGEMALDE
Toisen ) betragen wurde ( Laplace , Exposition du syst. du
Monde, p. i55). Dagegen deuten Crepuscular-Beobachtungen
an, dafs selbst in 60000 Meter (30784 Toisen) HoHe die
Luftdichtigkeit noch grofs genug ist, um uns bemerkbares
Licht zuruckzusenden.
Man hat noch vor Kurzem geglaubt, dafs die chemische
BeschafFenheit der Atmosphare nicht blofs an einem und
demselben Orte veranderlich sey, sondern auch dafs der
Sauerstofigehalt derselben abnehme , je mehr man sich von
der Ebene entferne. Man schrieb einem Wechsel in dem
Gleichgewichte der Luftarten zu , was allein von der Unvoll-
kommenheit der angewandten eudiometrischen Mittel her-
riihrte. Die Versuche, welche ich vor sieben Jahren uber
das nitrose Gaz bekannt gemacht, haben dazu beygetragen,
diesen Irrthum mehr zu verbreiten.
In diesen letzteren Jahren hatte man angekundigt, dafs
der Sauerstoffgehalt der Atmosphare, statt sieben oder acht
und zwanzig Hunderttheile ( wie ihn Lavoisier und fast alle
Chemiker behaupten), nur zwischen 0,20 und o,23 betrage.
Diese Angabe war noch zu unbestimmt, um sich damit zu
begniigen. Dazu gab unter den beruhmtesten Scheidekiinst-
lern der eine dem Eudiometer den Vorzug, welches der
andere geradehin verwarf. Es schien mir daher (gleich nach
meiner Ruckkunft nach Europa) wichtig, eine neue und
sorgfaltige Arbeit iiber den Luftkreis zu unternehmen , um
die Fragen zu entscheiden : welches eudiometrische Mittel
unter den jetzt bekannten die grofste Genauigkeit verspreche?
ob der Luftkreis 0,2 1 oder 0,2 3 Oxygen enthalte ? wie viele
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DER TROPENLANDER. .127
Tausendtheile Sauer- oder WasserstofF man mit Sicherheit
in einem Luftgemische entdecken konne ? ob die Atmo-
sphere in ihrem Mischungsverhaltnisse bemerkbar verander-
lich sey, oder ob die Behauptung dieser Unveranderlichkeit
nur darauf beruhe , dafs die Quantitat der Veranderung
geringer als die zwey Hunderttheile sey , iiber welche man
in der absoluten Oxygenmenge schwankte ? Ich glaubte
mich zu dieser Arbeit , die ich mit Herrn Gay - Lussac in
einem der Laboratorien der polytechnischen Schule ange-
fangen , um so mehr verpflfchtet , als ich .ein unvollkommnes
Werk meiner friihern Jugend durch ein griindlicheres zu
ersetzen wiinschte. Es geht der Chemie wie der Astronomic
Die Vervollkommnung der Methoden und der Instrumente
•setzt mis in die Lage, sehr kleine Quantitaten mit Sicher-
heit messen zu konnen 5 und es ist gegenwartig nicht mehr
erlaubt , Grofsen zu vernachlafsigen , welche ehemals unbe-
stimmbar schienen. Wir haben, Herr Gay-Lussac und ich »
die ersten Resultate unserer Versuche in einer Abhandlung 1
bekannt gemacht, welche wir in der Sitzung des ersten
Pluvi6se dem National - Institut vorgelegt haben.
In dem gegenwartigen Zustande unserer chemischen Kennt-
nisse ist das Voltaische Eudiometer, oder dasjenige , welches
auf Yerbrennung des Wasserstoflgazes gegriindet ist, alien
anderen vorzuziehen. Es ist das einzige , welches mit Sicher-
heit Mischungsveranderungen entdeckt, die nicht iiber zwey
Tausendtheile Oxygen betragen. Schwefelalkali , Phosphor ,
1 Memoir e sur I 'analyse de I' air atmospherique , par MM. Humboldt et Gay-
Lussac. Paris, i8o5.
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128 NATURGEMALDE
und selbst nitroses Gaz (indem man die Residuen im Fon-
tana'schen Eudiometer mit schwefelsaurem Eisen , oxygenirter
Kochsalzsaure oder Laugensalzen wascht), geben die Sauer-
stofFmenge riur bis ein oder zwey Hunderttheile , und nicht
genauer an. Schwefelalkali , wenn man die Auflosung heifs
anwendet, verschluckt den StickstofF; und wollte man die
ganze beobachtete Absorption dem SauerstofF zuschreiben ,
so wurde man. von diesem dreyfsig bis vierzig Hunderttheile
in der Atmosphare zu entdecken glauben. Dieser Action
heifser Auflosungen von Schwefelalkali , und falschen Voraus-
setzungen Ciber die Menge Oxygen, welche erforderlich ist,
um zwey bis drey Theile nitroses Gaz zu sattigen, mufs man
die Scheel'sche und Lavoisier'sche Behauptung von 0,27
oder 0,28 atmospharischen Oxygens zuschreiben. .
Die wahren constituirenden Bestandtheile des Luftkreises
scheinen demnach zu seyn : 0,210 SauerstofFgaz , 0,787
Stickgaz und o,oo3 Kohlensaure. Die Menge der letztern
haben wir noch nicht so genau als die des Oxygens aus-
gemittelt , und wir haben Ursachen zu glauben , dafs sie
noch etwas geringer als drey Tausendtheile sey : denn
pneumatische Genauigkeit ist uberall schwer zu erhalten ,
wo tropfbare Flussigkeiten eine Zeitlang in Contakt mit
einem Luftgemisch stehen sollen ; weil etwas StickstofF mit
dem SauerstofF und der Kohlensaure absorbirt wird , und
die Flussigkeiten zugleich von den ihnen urspriinglich bey-
gemischten Gazarten hergeben — ein Wechsel von Absorp-
tion und Ausscheidung , welcher den wahren Hergang ver-
steckt , oder wenigstens unkenntlich macht.
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DER TROPENLANDER.
129
Der Luftkreis scheint in seinem chemischen Mischungs-
verhaltnisse , wenigstens in der Menge von Sauer - und
Stickstoff, keinen Veranderungen unterworfen zu seyn.
Wenn diese Veranderungen existiren , so gehen sie wahr-
scheinlich nicht tiber einen Tausendtheil Oxygen : denn
Luft , die wir unter den verschiedenartigsten meteorologi-
schen Verhaltnissen, bey trockner und heiterer Atmosphare ,
im Nebel , wahrend des Schneyens , im Platzregen und bey
Winden sammelten, die aus alien Weltgegenden bliesen,
bot- urts immer zwischen 0,2 1 o und 0,2 1 1 Oxygen dar.
Herr Gay-Lussac hat das merkwiirdige Factum begriin- >
det, dafs in 7016 Meter (36oo Toisen) hohen Luftregionen
die Atmosphare noch dieselben ein und zwanzig Hundert-
theile SauerstofF enthalt , welche man in den Ebenen findet.
Sein Versuch ist der einzige , welcher mit grofser Genauig-
keit iiber die chemische Mischung so hoher Luftschichten
angestellt worden ist ; und wenn andere Physiker », und ich
selbst ehemals, die europaische Bergluft fiir sauerstoffarmer
erklart haben : so hat der Grund dieser Behauptung wahr-
scheinlich in der Unvollkommenheit der angewandten Mittel
gelegen. Nur Lokalumstande konnen eine solche Vermin-
derung der Sauerstoffmenge begriinden 5 und wenn dieselbe
auf dem Gipfel des Pico von Tenerifla oder auf einigen
brennenden Vulkanen der Andeskette Statt findet : so mufs
man die Ursache davon in der Wirkung der Cratere und
in dem Contact der Luft mit brennenden Schwefelmassen
' Volta, Saussure der Vater, und Gruber. Der j linger e Saussure und Volta
haben neuerdings die Idee von dieser Unreinheit ebenfalis aufgegebeu.
»7
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l3o NATURGEMALDE
suchen. Es ist lange schon die wichtige Frage aufgeworfen
worden : ob die atmospharische Luft auch Hydrogen ent-
halte ? Mein Freund Gay-Lussac hat durch seine zweyte
grofse Luftreise bewiesen , dafs wenn diefs Hydrogen in der
Atmosphare vorhanden ist , es in sieben tausend und sech-
zehn Meter (36oo Toisen) Hohe nicht in grofserer Menge
als in der Ebene existirt. Diese Untersuchung haben wir
gegenwartig beyde gemeinschaftlich weiter verfolgt, und durch
zahlreiche Versuche erwiesen , dafs entweder gar keines oder
nicht iiber o,oo3 Wasserstoffgaz in unserm Luftkreise vor-
handen ist : denn diese drey Tausendtheile , einem kunstli-
chen Gemenge von Oxygen und Azote beygemengt, sind
genau durch die von uns befolgte Methode wieder gefunden
worden. Da nun auf der andern Seite Luftgemenge , in
welchen unter sechs Hunderttheilen Hydrogen enthalten sind,
durch den elektrischen Schlag sich nicht entziinden lassen :
so scheint daraus zu folgen , dafs man wenigstens nicht in
dem Sinne der empyrischen Autiphlogistiker , Regen und
andere leuchtende Meteore des Luftkreises durch Verbren-
nung von Sauer- und WasserstofF erklaren konne.
Unter einer Reihe von Versuchen , welche wir , Gay-
Lussac und ich , im Marz i8o5, im Kloster des Mont-
Cenis , in einer Hohe von zwey tausend und sechs und
sechzig Meter (1060 Toisen) iiber dem Meere angestellt,
haben wir Luft in dem Innern einer dicken Wolke gesam-
melt. Sie enthielt ebenfalls 0,211 Oxygen, und war von
der Luft , welche wir von Paris in wohlverschlossenen Fla-
schen mitgebracht, gar nicht verschieden.
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DER TROPENLANDER.
3l
Die bestandige Gleichheit in der chemischen Mischung
des Luftkreises und der Mangel von Hydrogen sind zwey
Facta, welche fur die Theorie der Strahlenbrechung iiberaus
wichtig, ja, man konnte sagen', beruhigend sind. Sie bewei-
sen , dafs die Mathematiker wirklich nur durch das Baro-
meter, das Thermometer und Hygrometer zu corrigiren
brauchen , ohne die grofse Refrangibilitat des Hydrogens
besorgen zu mussen.
Aber ausser dem Oxygen und dem Hydrogen enthalt die
Atmosphare noch eine Menge " anderer gazformiger Diinste,
welche unsere Instrumente nicht anzeigen , und welche wahr-
scheinlich den machtigsten Einflufs auf die Erhaltung unsrer
Gesundheit haben. Thenard hat erst neuerlichst ( Bibl.
me'dieale, T. 9, p. 10 ) durch direkte Versuche gefunden ,
dafs 0,0012 geschwefeltesWasserstoffgaz, der atmospharischen
Luft beygemischt , hinlanglich ist , Thiere , welche dieser
Mischung lange ausgesetzt sind, zu todten. Diese schadli^
chen , uns unbekannten Emanationen , welche wahrschein*
lich grofsentheils von oxygenirter Kochsalzsaure weggebrannt
werden, bilden sich besonders in dem ebenen Theile der
Tropenregionen , wo der Pflanzenwuchs am uppigsten ,
Dammerde und Luft mit zahllosen Insekten angefiillt , und
daher die Masse der absterbenden , organischen Materie am
grofsten ist. Ewige Winds tille , unbeschreibliche Nasse (theils
durch Regengusse , theils durch Flufsiiberschwemmungen ) ,
vermehren diefs Ubel in den dicken Waldungen zwischen
dem Orinoco und dem Amazonenflusse. Aber am gefahr-
vollesten fiir die Gesundheit sind die tiefen , feuchten und
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V
i32 NATURGEMALDE
heifsen Thaler der Andeskette , welche zwolf hundert Meter
(6i5Toisen) tiefe Furchen bilden, und in denen das Ther-
mometer durch Reflection der dunkeln Warmestrahlen tiber
zwey und vierzig Grade steigt. EinAufenthalt wenigerStunden
ist oft schon hinlanglich , um dem europaischen'Reisenden den
furchterlichsten Typhus zu verursachen , wahrend dafs die
kupferfarbenen Eingeborenen dieser Thaler , welche seit
vielen Jahrhunderten diese verderbliche Luft einathmen ,
in mehreren derselben der festesten Gesundheit geniefsen.
So bewundernswiirdig ist die Biegsamkeit der, nach ihrem
Bediirfnifs aneignenden oder ausscheidenden menschlichen
Natur !
Abnahme der Schwere.
Die Abnahme der Schwere , welche mit der Entfernung
des Abstandes vom Mittelpunkl, der Erde wachst, ist schon
auf den geringen Hphen , zu welchen sich unsere Gebirge
erheben , bemerkbar. Da aber die Dichtigkeit der Kordil-
leren sehr verschieden ist : so habe ich es fur niitzlicher
gehalten , die dem Naturgemalde angehangte Tafel nach der
Theorie zu berechnen , als die Data von den wirklich ange-
stellten Versuchen herzunehmen. Ich darf meinen eigenen
um so weniger grofse Zuverlafsigkeit zutrauen , als ich durch
meine beschleunigte Abreise nach den Canarischen Inseln
verhindert wurde, mir den vortrefflichen Apparat zu ver-
schafFen , mit dem Zachs alles umfassender Erfindungsgeist
die Physik bereichert hat. Sey N die Zahl der Oscillationen ,
welche ein einfaches Pendel unter dem "Aquator an der
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DER TROPENLANDER. i33
Oberflache -der Erde macht; sey M die Zahl der Oscilla-
tionen , welche dasselbe Pendel auf einer in Meter ausge-
driickten Hohe H zeigt : so ist
I 5 7 6.65 7 5 7 93 J
Urn durch Vergleichungen die Ansicht mannichfaltiger zu
machen, schalte ich hier folgende Zahlen ein. Beobachtete
Lange des einfachen Secundenpendels in Paris = 1,000000.
Lange des Secundenpendels unter dem Aquator == 0,99669.
Grdfse der E>de : Radius ki der Ebene des Aquators =
6375705 Meter (5271208 Toisen); in der durch beyde Pole
= 6356671 Meter (5261 445 Toisen). Abplattung = 19052
Meter ( 9765 Toisen). Lange eines Grades unter dem Aquator
= 51077,70 Toisen (Bouguer und La Condamine)} in Frank-
reich , in der Breite von 5 1°,552 = 5 i5i6,58 Toisen (Mechain
und Delambre) ; in Schweden, in der Breite von 7 5°, 707
= 5i475,oi Toisen (Melanderhielms Bericht). Man dtirfte
sich vielleicht wundern , dafs ich unter so vielen Zahlen-
verhaltnissen nicht der magnetischen Krafte gedenke. Aber
die Hohe , zu welcher Menschen gelangen , ist zu gering ,
als dafs die Intensitat dieser Krafte davon afficirt werden
konnte , wie Gay - Lussac's Versuche in Europa und die
meinigen in der sudamerikanischen Andeskette beweisen.
(Siehe das von Biot und mir gemeinschaftlich bearbeitete
Memoir e sur les variations du Magnetisme terrestre; i8o5,
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i34 NATURGEMALDE
Geognostische Ansicht.
Die Natur der Gebirgsarten scheint im Ganzen unabhangig
von der geographischen Breite , wie von ihrer Hohe iiber
der Meeresflache : sey es, dafs Luftwarme und Luftdruck
wenig auf die Aggregation der unorganischen Massen gewirkt
baben ; oder sey es , dafs die Bildung der Erdrinde in eine
Epoche fallt , in der jede Region noch nicbt eine eigene ,
durch den Sonnenstand bestimmte , Temperatur hatte. Auch
ist die Hohe der grofsten Gebirge , in Vergleichung mit dem
Erddurchmesser , so gering , dafs kleine Verschiedenheiten
des Niveau's wenig Einflufs auf die grofsen geognostischen
Phanomene haben ausuben konnen. Wirft man einen Blick
auf das Ganze : so erkennt man , dafs fast alle Gebirgsarten
in alien Hohen und unter alien Zonen angetrofTen werden.
Entdeckt man aber auch keinen allgemeinen Zusammen-
hang zwischen der Natur des Gesteins und der Lage des
Orts in Hinsicht auf Breite und Hohe : so kann man den
lokalen Einflufs der Hohe wenigstens nicht in einem einzel-
nen Theile der Erdoberflache verkennen. Stellt man genaue
Beobachtungen iiber ein kleines Gebirgsstiick an : so wird
man gewahr, dafs nicht nur das Streichen und Fallen der
Gebirgsarten einem gewissen Typus folgt, und durch ein
partikulares System 1 von Anziehungskraften (sey es durch
1 So streichen in der Andeskette von Siidamerika , yrie in den Gebirgen von
Venezuela und Neu - Andalusien , Gneifs und Glimmerschiefer gewohnlich,
St 5f des Freyberger Grubenkompasses ; das heifst : ihre Streichungslinie
maclit mit dem Meridian einen Winkel von zwey und fiinfzig Graden, von
Norden aus gegen Osten gerechnet Am Fichtelgebirge und , wie ich' mit
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DER TROPENLANDER.
i35
magnetische oder elektrische Polaritat) bestimmt worden
ist j sondern dafs auch ein Lohalgesetz in der Hdhe Statt
findet , zu welcher sich die alteren oder neueren Formatio-
nen uber der Meeresflache erheben. So bemerkt man, dafs
in gewissen Regionen die Flozgebirge nicht die Hdhe von
drey tausend Meter ( i559 Toisen) iibersteigen; dafs dichter
Kalk, uber achtzehn hundert Meter (925 Toisen) hinaus,
nie mit Sandstein bedeckt ist; dafs der Glimmerschiefer nicht
so hoch , als Gneifs , gegen den Gebirgsriicken ansteigt ; dafs
Conglomerate , welche einer gewissen Hdhe zukommen , nur
Geschiebe von Urgebirgsarten und kein kalkartiges Binde-
mittel enthalten. Fiir eine bestimmte , nicht weit ausge-
dehnte Gegend , kann man eine obere Grenze des Basalts ,
des Flozkalks oder des Gypses entdecken, gerade wie man
obere Grenzen der Fichten und Eichen beobachtet. Diese
Betrachtungen lehren , dafs die Natur selbst es uns nicht
gestattet eihe Scale der Gebirgsarten zu verfertigen , weil
man kleine und partielle Phanomene nicht zu allgemeinen
Gesetzen .erheben kann.
dem vortrefflichen Freiesleben beobachtet, in den westlichen Scbweizer-Alpen
ist diese Ricbtung, wie das Fallen der Urgebirgsarten, ebenfalls sebr baufig.
Im Konigreicb Neu-Spanien ist das berrscbende Streicben St. 7 bis 8. Ein
allgemeines , von dem Alter der Gebirgsarten abbangiges , Streicbungsgesetz ,
welcbes icb vormals geahndet babe , kann in der auftersten Erdrinde , welche
wir beobachten , schon darum nicht Statt finden , weil die ungleich vertbeilten
kleinen Systeme von Kraften sich ungleich einander beschranken. Dafs aber das
Streicben und Fallen, einige neuere Gebirgsarten abgerecbnet, von grofsen
kosmischen Phanomenen , und nicht von der Gestalt der Gebirge abhange, davon
uberzeugt sich jeder leicht , der die Struktur grofser Gebirgsziige in der Natur
selbst studirt hat
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Gpogle
i36 NATURGEMALDE
Die Aquatorial-Regionen des neuen Kontinents bieten
zugleich die hochsten Gebirge und die weit ausgedehntesten
Ebenen der Welt dar : ein Rontrast, welcher darauf hin-
zudeuten scheint , dafs die Rotation unsers Planeten nicht
die Ursache jener so hoch aufgethiirmten Gebirgsmassen ist.
Das hohe asiatische Plateau von Himali und Thibet liegt
ausserhalb der Tropen ; und unter dem sechzigsten Grade
nordlicher Breite erheben sich die Kordilleren zu einer
Hohe , welche der kolossalisehen Berggruppe von , Quito
wenig nachgibt.
Die Andeskette (ihr wahrer Name ist Antis, von Anta,
Rupfer, in* der Quichoa-Sprache) naht sich bevden Polen
fast in gleicher Entfernung. Ihre aufsersten Enden bleiben
kaum neun und zwanzig bis dreyfsig Grade davon entfernt.
Man kann sie von den Granitklippen , welche siidlich vom
Feuerlande liegen , oder von 'Diego Ramirez und dem Cap
Horn bis zum Eliasberg ( nordwestlich von Port Mulgrave )
verfolgen; das heifst, sie erstreckt sich von 56° 27' sudli-
cher, bis 6o° \i' nordlicher Breite. Sie hat demnach an
zwey tausend und fiinf hundert Meilen Lange , bey einer
Breite von kaum dreyfsig bis vierzig Meilen.
Die Hohe dieser Gebirgskette ist weit ungleicher, als man
gewohnlich anzunehmen scheint. In der siidlich en Hemi-
sphare , zwischen dem Chimborazo und Loxa , gibt es ganze
Strecken der Andes , wo der hohe wasserscheidende Ramm
derselben kaum die Hohe des Sanct-Gothard erreicht. In
der nordlichen Zone , in der Landenge von Panama , beson-
ders bey Cupique , erhebt sich das Land kaum zwey hundert
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DER TROPENLANDER. ify
Meter ( 102 Toisen) hoch. Umfafst man mit einem Blicke
die ganze Lange der Andeskette ": so bemerkt man , dafs
sie viermal zu einer ungeheuern Hohe und Machtigkeit
anschwillt. Unter dem sechzehnten Grade der siidlichen
Breite, in Peru; unter dem Aquator selbst, im Konigreich
Quito ; in Neu-Spanien , unter neunzehn Grad nordlicher
Breite ; und endlich , der Ostkiiste von Asien gegeniiber ,
unter dem sechzigsten Grade, sind die Gipfel der Andes
iiberall hoher als der Mont-Blanc : das heifst , sie erreichen
aufs wenigste fiinf bis sechs tausend Meter (2565 bis 3078
Toisen ).
Mehr aber noch", als durch die Hohe selbst, konnen die
Kordilleren durch die MdchtigAeit des hohen Theils ihrer
Gebirgsmassen ( besbnders in Quito und Mexico ) unsere
Einbildungskraft in Erstaunen setzen. Am Vulkan Antisana,
vier tausend ein hundert und fiinf Meter (2106 Toisen)
tiber dem Meere, also hoher als der kegelformige Gipfel des
Pico von TenerifFa, habe ich eine Ebene gefunden, welche
voile zwolf Meilen im Umfange hat. Wenn nian von den
isolirten , sich hier und da thurmahnlich erhebenderi Spitzen
abstrahirt : so kann man unter dem Aquator die mittlere
Hohe des Gebirgsriickens der Andes auf drey tausend und
neun hundert bis vier tausend und fiinf hundert Meter ( 2000
bis 23o8 Toisen ) anschlagen , wahrend dafs die mittlere
Hohe der Alpen und Pyrenaen zwischen zwey tausend fiinf
hundert und zwey tausend sieben hundert Meter ( 1283 bis
i385 Toisen) betragt. Das Hohen verhaltnifs ist demnach fast
= 7-: 4* Die Breite der Pyrenaen und .anderer hoher euro-
18
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i38 NATURGEMALDE
paischen Gebirgsketten betragt ini Durchschnitte nur zehn bis '
zwolf Meilen , wahrend dafs die Andes in dem machtigen
Gebirgsstocke bey Quito ein und zwanzig, in Neu-Spanien
und einem Theile von Peru, zwischen vierzig und sechzig
Meilen breit sind. Diese Betrachtungen geben einen klarern
Begriff von der grofsen Massenverschiedenheit , welche zwi-
schen den Andes , den Alpen und den Pyrenaen Statt findet ,
als die Vergleichung ihrer hochsten Gipfel 1 , welche genau
sechs tausend funf hundert vier und vierzig Meter ( 3357
Toisen) , vier tausend sieben hundert funf und siebzig Meter
(245o Toisen), und drey tausend vier hundert sechs und
dreyfsig Meter ( 1763 Toisen) betragen.
Der hochste Theil der Andes ist fast unter dem Aquator
selbst , eigentlich zwischen ihm und i° 45' siidlicher Breite
en thai ten. Nur an diesem und keinem andern Punkte der
bisher bekannten Erde findet man Berge, welche eine Hohe
von sechs tausend Meter (3078 Toisen) erreichen, oder gar
ubersteigen. Auch gibt cs nur drey so kolossalische Gipfel :
der Chimborazo (hoher, als der Atna auf die Spitze des
Canigou ; hoher , als der S. Gothard auf die Spitze des Pico
von TenerifFa geselzt) , der Cayambe und der Antisana. Nach
einer sehr wahrscheinlichen Tradition der Indianer von Li-
can , ist der Altarberg {el Altar de los Collanes, oder in
der Quichoa-Sprache , Capa-Urcu) einst hoher als der
Chimborazo gewesen, aber unter der Regierung des Ouai-
nia-Abomatha (in, acht Jahre lang dauernden , Nacht ver-
1 Der Chimborazo, Mont- Blanc und Mont- Perdu.
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DER TROPENLANDER. 139
breitenden , vulkanischen Ausbriichen ) eingesturzt. In der
That zeigt der Gipfel dieses merkwurdigen Berges nichts
als gesenkte Horner und Zacken — ein Bild der Zersto-
rung , welches jeden Abend , wenn die niedergehende Sonne
ihre Strahlen an den beeisten Trummern bricht , das pracht-
vollste Farbenspiel darbietet.
Der Chimborazo steht, wie der Mont - Blanc , am sud-
westlichen Ende einer kolossalischen Berggruppe. Von ihm
sudlich, in einer Strecke von hundert und zwanzig Meilen,
reicht keine Spitze der Andeskette in den ewigen Schneew
Die mittlere Hohe des Gebirgriickens betragt daselbst nur
zwischen drey tausend und drey tausend fiinf hundert Meter
, ( i539 ^ na< *79^ Toisen). Noch siidlicher , jenseits des 8teri
Breitengrades , oder von der Provinz Guamachuco an, werden
die beschneyten Gipfel wieder haufiger , vorziiglich in der
Nahe der alten Incas-Stadt Cusco und auf dem Plateau von
La Paz, wo sich die weitberufenen Kegelberge Ilimani und
Cururana erheben. In Chile 1 ist leider kein einziger Berg
durch Messung bestimmt , und am siidlichen Ende dieses
Konigreichs naht sich die Andeskette so sehr der Meeres-
kiiste, dafs man die Rlippeninseln des wenig bekannten
Archipels der Huaytecas gleichsam als abgerissene Trummer
derselben betrachten kann. Hier erreicht der mit ewigem
Sehnee bedeckte Cuptana (der Pico de Teyde fur die Schif-
fer dieser Zone) noch die Hohe von drey tausend Meter
1 Ich habe in dem Memoire sur la limite inferieure de la neige perpetuelle
Grunde angefuhrt, welche die grofse Hohe des Descabezado sehr unwahrschein-
lich machen.
y
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i4o NATURGEMALDE
(1590 Toisen). Aber weiter gegen den Siidpol, in der Nahe
des Cap Pilar, senken sich die Granitberge bis zu drey
hundert neun und achtzig Meter (200 Toisen) herab , und
bilden eine Hugelreihe , welche , ihrer Form wegen , vom
Meere aus sehr hoch erscheint.
Nordlich vom Chimborazo ist die Hohe der Andeskette
nicht minder ungleich. Von i° 45' sudlicher bis 2 nord-
licher Breite erhalt sie sich zwischen fiinf tausend und fiinf
tausend vier hundert Meter (2565 und 2770 Toisen). Die
hier gelegene Provinz Pasto ist eine der hochsten Gebirgs-
steppen der Weh , gleichsam das Tibet des neuen Konti-
nents. Weiter gegen Santa -Fe hin theilt sich die Kordillere
in drey Ketten. Die ostlichere hat keinen ewigen Schnee
von 4° ms 10 ° nordlicher Breite. Aber an ihrem nordlich-
sten Ende , da , wo sie sich gegen Osten wendet und die
Kiistenkette von Caraccas zu bilden anfangt , liegt der mach-
tige Gebirgsstock von Santa-Martha und Merida , der sich
vier tausend sieben hundert bis fiinf tausend Meter (2411
bis 2565 Toisen) iiber dem Meere erhebt, und in dem heifse
Schwefelquellen unter ungeheuern Schneemassen hervor-
brechen. Der mittlere Arm der Andeskette , der mit ewigem
Eise bedeckt ist, zieht sich zwischen dem Cauca und Mag-
dalenen-Thale durch Tolima und Erve bis in das goldhal-
tige Gneifsgebirge von Guamoco, wo er sich unter 8° io /
nordlicher Breite in die niedrigen Hugel von S, Lucar ver'
flacht. Der dritte und westlichste Arm endlich , welcher bey
Barbacoas und Taddo l in Basalt- und Griinstein-Gertillen
1 Jn der gebirgigen Provinz Choco
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DER TROPENLANDER.
l4'l
den Platinasand enthalt , lauft , als niedrige Bergkette , langs
der Riiste des stillen Meeres hin, setzt durch den Isthmus
von Cupique und Panama in die nordliche Halfte des neuen
Kontinents , und fangt erst im Ronigreiche Guatimala an ,
sich allmahlig zu erheben. Von eilf bis siebzehn Graden nord-
licher Breite betragt seine mittlere Hohe zwischen zwey tau-
send sieben hundert und drey tausend fiinf hundert Meter
(i583 und 1795 Toisen). Aber in der Nahe der Hauptstadt
Mexico, unter dem neunzehntep Breitengrade, bildet er einen
ungeheuern Bergstock , der dem von Quito und Cusco
wenig nachgibt. Zwey noch brennende Vulkane, der Popo-
catepec und der Pico de Orizava , iibersteigen hier fiinf
tausend drey hundert Meter (2718 Toisen). Aber diese grofse
Hohe des Bergriickens dauert nur eine kurze Strecke. Im
nordlichen Theile von Anahuac, in der Provinz Neu-Bis-
caya, sind die Andes (hier Sierra madre genannt, und in
viele Zweige getheilt) nicht hoher als die Pyrenaen. Unter
dem fiinf und fiinfzigsten Grade der Breite haben englische
Reisende durch Messung sie gar nur gegen sieben hundert
neun und siebzig Meter (4oo Toisen) hoch gefunden. Man
konnte geneigt seyn , aus diesem allmahligen Abfall zu schlie-
fsen , als verschwinde die Andeskette vollig gegen den Nord-
.pol hin, wenn man nicht unter 6o° i\' nordlicher Breite
die vierte Gebirgsgruppe kennte, deren Gipfel (der Elias-
berg und Montana* de Buen Tiempo) bereits oben genannt
worden sind. Hier und in der Halbinsel Analasca scheinen
die Andes unter dem Meere in Verbindung mit den noch
brennenden Vulkanen von Ramtschatka zu stehen. Die
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i4a NATURGEHAkDE
Gebirge des ostlichen Asiens sind deranach nur eine Fort-
setzung der Gebirgskette des neuen Continents. Wenn es
Wahrscheinlich ist, dafs der grofsere Theil der kupferfarbi-
gen Bewohner von Amerika Mongolischen Ursprungs ist ;
wenn man vielleicht Ursache hat , im nordjichen Hindostan
(im hohen Plateau von Tibet und Butan) den Ursprung
weitverbreiteter religioser Mythen , die fruhesten Keime
menschlichen Kunstsinnes , ja aller menschlichen Bildung
zu suchen : so ist es zwiefach interessant, von jenem Cen-
tral -Punkte auch die hochsten Gebirgszuge unaefs Planeten
ausgehen zu sehen.
Ich hiabe es versucht , mit grofsen Ztigen den Umrifs der
Andeskette zu schildern. Von ihrer innern Struktur und
den Gebirgsarten , die sie einschliefst , gehoren nur folgende
allgemeine Satze in ein Naturgemalde.
Die Tropenregion vereinigt fast alle Gesteinarten , welche
man bisher auf dem ganzen iibrigen Erdkorper entdeckt
hat. Blofs die sonderbare Gebirgsart, welche aus Smaragdit
und Sade besteht, und welche Buch am Mont- Rose sich
zu grofsen Hohen hat aufthiirmen sehen, habe ich in den
Andes nicht angetrbffen ; auch nicht Rogenstein , Rreide
und das sonderbare Gemenge von kornigem Kalkstein und
Serpen tin {Verde antico), welches in Kleinasien 1 undgegen
deri Euphrat hin gemein seyn soil. Existirt aber auf der gan-
zen Oberflache des Erdbodens eine Identitdt in der Natur
1 Auch bey Susa , nordwestlich yon Turin , auf Glimmerschrefer aufgesetzt ,
eine sehr alte , wenig untersuchte und mit einem eigenen Namen zu bezeich-
nende Formation.
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DER TROPENLANDER.
i'43
der Gebirgsarten : so ist die Ubereinstimmung , welch e wir
in den fernsten Gegenden in der Schichtung und Lagerung
oder in dem Alter der Formationen beobachten , nicht min-
der auffallend. tlberall, im Bau der Weltkorper , wie in der
Construklion der Gebirge; in der Schichtung der Forma-
tionen , wie in der blattrigen Textur einzelner Fossilien y
iiberall hat die gestaltende Natur sich durch einfache und
allgemeine Gesetze beschrankt.
Granit ist in der amerikanischen Tropenwelt , wie in den
ubrigen von Physikern beobachteten Theilen des Erdbo-
dens, die alteste Gebirgsart, auf welcher alle andere zu
ruhen scheinen. Er kommt am Fufse der Andeskette zu
Tage heraus , sowohl an der Kuste der Siidsee (zum Bey-
spiel zwischen Lima und Truxillo), als in den ostlichen
Ebenen des Orinoco und Amazonen-Flusses. Er tragt so-
wohl die Ubergangsformationen des hohen Gebirgsriickens ,
als die Flozlagen der Llanos. Der quarzreiche Granit , wel-
cher wenig Glimmer und grofse rothlich-weifse Feldspath-
krystalle einschliefst , scheint unter den Tropen alter , als der
feinkornige Granit mit vielem Glimmer in sechsseitigen
Tafeln krystallisirt. Bald (und meist) ungeschichtet, bald in
regelmafsig streichende und unter gleichem Winkel ein-
schiefsende Lager getrennt , bald durch senkrechte Quer-
kliifte in unregelmafsige Saulen zerspalten , bietet der Granit
der Andes dieselben geognostischen Phanomene, als der
der europaischen Alpenkette , dar. Wie dieser , enthalt er
auch oft jene sonderbaren glimmerreichen Massen 1 , welche
1 An den Obelisken und anderen agyptischen Kunstwerken , die ich hier zu
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i44 KATUBGEMALDE
wie eingewachsene Stilcke eines altern Granits erscheinen ,
und doch wahrscheinlich nur auf lokale Zusammenziehun-
gen in den anschiefsenden Bestandtheilen hindeuten. Speck-
stein , der ( wie ich zu Paris in Herrn Rozier's vortrefllicher ,
in Agypten und Arabien gemachter , Fossiliensammlung gese-
hen) im Granit von Syene, wie im Schweizer-Granit, vor-
kommt , habe ich in Peru , Neu-Grenada , Venezuela , Mexico
und am Ober - Orinoco nie in Granitgebirgen entdeckt.
Eben so wenig Lepidolit, welcher ein partieller Gemengtheil
eines europaischen Granits ist. Titanschorl und Turmaline
sind in siidamerikanischen Graniten sehr selten , doch er-
sterer minder als der letztere. In den geognostischen Samm-
lungen , welche ich dem koniglichen Mineralienkabinette
zu Madrid geschicktj befinden sich sogar Titan-Dendriten,
die ich beyCaraccas gefunden, und die Herr Proust chemisch
untersucht hat , da sie den Braunstein-Dendriten sehr ahn-
lich sehen.
Rom untersucht, bemerke ich eben diese Erschetnung. Der Basalt der Alten,
yon dem ich an einem andern Orte ( in meinen Mineralogischen Beobachtungen
uber einige Basalte am Rhein, 1790) gehandelt, ist grofstentheils nichts anders
als eine ahnliche hornblendreiche Masse, welche agyptische Bildhauer aus dem
Werner'schen Syenit auszuwahlen wufsten. Diefs erk6nnt man deutlich an den
Feldspathtrummern derLowen vor dem heutigen Capitol. Die kolossalischen agyp-
tischen Statuen imCapitolinischen Musaum, besonders die, welche eine thurm-
ahnliche Verzierung auf dem Kopfe und einen Palmzweig in der Hand hat ,
zeigen recht anschaulich den Ubergang vom Granit und Werner'schen' Syenit
zum Basalt der Antiquarier. Ubrigens begreift der schwarze und griine Basalt
der letzteren uranfanglichen Griinstein , Syenit , einen Hornsteinporphyr mit
kleinen fast mikroskopischen Hornblendekrystallen , Lydischen Stein und Kie-
selschiefer in sich.
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DER TROPENLANDER.
1 45
Auf dem Granit , als auf der altesten uns bekannten
Gebirgsart aufgesetzt, und bisweilen selbst mit ihm aiter-
nirend , • erscheint in der Andeskette der Gneifs. Er geht
allmahlich in Glimmerschiefer , wie dieser in den uranfang-
lichen Thonschiefer iiber. Granaten sind in deri Tropen des
neuen Kontinents mehr dem Gneifs , als dem Glimmer-
schiefer eigen. Auch in Afrika, bey Elephantina, also nahe
am Wendekreise des Krebses , hat Rozier den Granat stets
im Gneifs entdeckt. Im. siidlichen Theile von Peru , welcher
in der politischen Landesabtheilung gegenwartig zum Vice-
konigreich Buenos -Ayres gehort, erscheint der Granat sogar
im Porphyr. Ein solcher granatreicher Porphyr bedeekt die
silberreiche Thonschieferkuppe von Potosi. Korniger Kalk-
stein, Chloritschiefer, und uranfanglicher Griinstein bilden
oft untergeordnete Lager im Gneifs und Glimmerschiefer von
Siidamerika. Der hohe Kamm der Andes ist, wie der vieler
deutschen Gebirge, fast iiberall mit Porphyr- und Trappfor-
mationen (Basalt, Mandelstein , Porphyrschiefer und fast
ungemengten Rlingsteinmassen ) bedeekt. Die saulformigen
Absonderungen dieser rathselhaften Gebirgsarten geben den
Kordilleren diese thurmahnlichen , zackigen, grotesken For-
men, an denen man sie von weitem erkennt. Das vulka-
nische Feuer bricht in diesem porphyrartigen Trapp-Gesteine
aus, und es ist ein fur den Geognosten schwer zu losendes
Problem , ob diese Porphyre mit glasigem , faserig verwit-
terndem Feldspath , ob diese Basalte , diese porosen Mandel-
steine , ob Obsidiane , Perl- und Griinstein durcfr Feuer
gebildet , oder ob es fruher erzeugte Gebirgsarten sind , auf
»9
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i46 NATURGEMALDE
welche die vulkanischen Rrafte ihren zerstorenden und iim-
wandelnden Einflufs -ausgeiibt haben.
: Glimmerschiefer ist in der Andeskette , wie in den euro-
paiscben Alpen , ( nachst dem Pbrphyr ) die am weitesten
verbreitete Formation. Er enthalt oft Lager von Graphit und
unierteuft andere spatere Gebirgsarten , wie den Serpen tin
mit Schillerspath und den Jade. Der Serpentin ist (was sehr
auffallend ist ) bisweilen , zum Beyspiele in der Insel Cuba ,'
bey Guana vacoa , und in Neu-Spanien bey Guanaxuato ,
mit Werner'schem Syenit 1 abwechselnd gescbichtet.
Die Identitat der Schichtung , welcbe auf dem gaiizen
Erdboden zu herrschen scheint , wird noch aufFallender ,
wenn man die Flozformationen von Siidamerika mit denen
des alien Rontinents vergleicht. Die bildende Natur , durch
die der Materie einwohnenden Rrafte auf gewisse Prototy-
pen beschrankt , bat dieselben geognostischen Phanomene
am Orinoco , an den mexicanischen Riisten des stillen
Meeres, in Deutschland, Frankreich, Polen, Palastina und
Nieder-Agypten wiederholt. Am Fufse der Andeskette un-
1 lch sage mit Werner'schem Syenit : denn der Syenit der Alten ist grqfsten-
theils Granit. Die Obelisken enthalten, nach Wad's, Pfaff's, Graf Geslers, und
selbst nach Petrini's letzter Untersuchung ( siehe Zoega's Meisterwerk ) , keine
Hornblende. Herr Rozier und andere Gelehrte, welche Bonaparte's Expedition
begleiteten , haben beobachtet , dafs bey Syene wahrer Granit die herrschende '
Gebirgsart ist; dafs aber hier und da in diesem Granit von Syene kleine, wenig-
zusammenhangende Lager von Werner'schem Syenit vorkommen. Dagegen hat
Herr Rozier am Berge Sinai, dem klassischen Boden jiidischer My then , den
( hornblendehaltigen ) Syenit so haufig gefunden , dafs er vorgeschlagen hat ,
seinen Namen in Sinait zu verwandeln.
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DER TROPENLANDER. i^J
terscheidet man zwey Sandsteinformationen , eine altere
mil kieselartigem Bindemittel , Geschiebe von Urges tei-*
nen einschliefsehd , und eine kalkartige mft Brocken von
Flozgebirgsarten ; zwey Gypse, und zwey oder gar drey For-
mationen von dichfem Kalkstein. Ungeheure Flachen von
siebzig bis achtzig tausend Quadratmeilen sind mit altem
Conglomerat bedeckt ,. in dem Trummer von braunem
Eisenstein und, wie in Sachsen und in Agypten bey Suez,
versteintes Holz vorkommen. Auf diesem alien, weit ver-
breiteten Sandsteine ruht die Ralksteinformation , welche
ich "ehemals Alpenkalk* genannt habe , und in welcher die
pelagischen Versteinerungen stets dicht zusammengedrangt ,
oder auf grofsen Hohen isolirt vorkommen. Dunkel rauch-
graue Farbe, kleine Trummer von weifsem Ralkspath, eine
aus dem dichten ins kornige iibergehende Textur, und hau-
fige Schichten von Schieferthon charakterisiren sie in der
Ahdeskette und in Neu-Andalusien, wie in Ober-Bayern und
in Piemont. Dieser Alpenkalkstein dient zur Unterlage einem
blattrigen Gyps, der bisweilen Schwefel und Steinsalz ent-
halt. Auf diesen Gyps folgen neuere Formationen , als eih
zweyter rothlich - weifser dichter Kalkstein, dessen ebener
Bruch an das flachmuscblige grenzt, und der oft Hohlen ent-
halt — ein Kalkstein, der dem des Jura, des Monte-Baldo
und dem von Mittel- Agypten analog ist. Auf diesem Jura-
Halkstein ruht Sandstein mit Jialkartigerti Bindemittel, und
auf' diesem , doch nicht weit verbreitet und oft verdriickt,
1 Siebe meine Schrfft iiber die unterirdischen Gazarten und die Mittel ihren
Nachtheil zu vermindem, 'S. 47. ,
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i48 NATURGEMALDE
faseriger mit Thorigallen gemengter Gyps , und spatere Kalk-
massen, welche Feuer- und Hornstein , ja in der Provinz
Neu-Barcellona selbst agyptischen Riesel 1 einschliefsen. Die
hier geschilderte Folge oder Lagerung der Fldzformationen
ist in den grofsen Ebenen zwischen dem Orinoco , Rio
Negro und Amazonenflusse schwer zn erkennen, weil dort*
alles, was einst das alte Conglomerat zu bedecken schien,
durch spatere Naturrevolutionen weggeschwemmt worden
ist. Aber sie zeigt sich deutlich in der Provinz Cumana
( in der Flozkette des Tumiriquiri ) , in den hohen Gebirgs-
ebenen von Neu-Grenada und im RonigreicK Neu-Spanien,
wo mein Freund, Herr Del Rio, langst vor mir die interes-
santesten Beobachtungen dariiber angestellt hat.
Aber Trotz der angedeuteten Analogie, welche zwischen
beyden Rontinenten und ajlen Zonen in der Natur der
Gebirgsarten , ihrer Schichtung und Lagerung sich findet ,
bieten die Aquatorial - Regionen doch auch mehrere Er-
scheinungen dar , welche ihnen gleichsam ausschliefslich
zugehoren. Eine der auffallendsten ist die ungeheure Meieh-
tigkeit und tlohe , in welcher manalle, dem Granit in Alters-
folge nachstehende Schichten in. den Tropen antrifFt. In
dem westlichen Theile der europaischen Centralkette beste-
hen die hochsten Berggipfel aus Granit. Der Glimmerschiefer
^cheint hier die Hohe von zwey tausend vier hundert Meter
( i23o Toisen) nicht haben iibersteigen zu konnen, wahrend
dafs der Granit im Mont -Blanc noch vier tausend sieben
1 In Agypten selbst fiadet $ich dieter Kissel nie im Kalkstein , sondern in
einem alten Conglomerat, aus welchem auch die Memnons-Statuen bestehen.
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DER TROPENLANDER. l/fo
hundert fiinf und siebzig Meter ( 245o Toisen ) hoch zu Tage
erscheint. In der Andeskette ist diese letzte Gebirgsart fast
stets durch neuere Formationen versteckt. Man konnte viele
Jahre lang in dem Konigreich Quito und in einem grofsen
Theile von Peru und Mexico umherreisen , ohne je den
Granit kennen zu lernen. Am hochsten habe ich , diesen
letztern im neuen Kontinente sich in den Andes von Quin-
diu, und doch nur zu drey tausend fiinf hundert Meter (1795
Toisen) erheben gesehen. Die mit ewigem Schnee bedeckten
Gipfel des Chimborazo , Cayambe und Antisana , zu sechs
tausend fiinf hundert vier und vierzig, fiinf tausend neun
hundert und fiinf , und zu fiinf tausend acht hundert drey
und dreyfsig Meter ( 535y , 5o3o und 2993 Toisen) , beste-
hen aus Porphyr. Dagegen bemerkt man dichten Kalkstein
in • Peru , bey Micuipampa , auf drey tausend sieben hundert
Meter (1897 Toisen): Glimmerschiefer am Tolima, einem
Schneeberge des Konigreichs Neu- Grenada, in vier tausend
fiinf hundert Meter (23o8 Toisen) : Basalt am Vulkan
Pichincha , . unfern der Stadt Quito , auf vier tausend sieben
hundert sechs und dreyfsig Meter (243o Toisen) Hohe t In,
Deutschland hat man den Basalt am hochsten in der Schnee-
grube l , tausend zwey hundert sechs und achtzig Meter
(660 Toisen) hoch , iiber dem Meere gefunden. Mineralogen,
welche den Porphyr des Chimborazo , alle Basalte und Griin-
1 Geognostische Beobachtungen auf Aeispn durch Deutschland und Italien, von
Leopold^von Buck, B. I , S r 12a: eine Schrift, welche von den* Beobachtungs-
geiste und dem bevyundernswiirdigen Genie ihres Verfassers ?eugt, und in
fremden Sprachen bekannt zu werden verdient.
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i5o NATURGEMALDE
steine nicht durch unterirdisches Feuer verandert, sondern
von diesem urspriinglich erzeugt halten , miissen diese Be-
trachtungen iiber die obere Grenze der Formationen fur
nicht minder wichtig halten , da es in der beschreibenden
Geognosie , welche eine zuverlafsige Wissenschaft ist , auf
den gegenwartigen Zustand der Dinge , und nicht auf Ver-
muthungen iiber den Urspriing und die friihesten Katastro-
phen der Natur ankommt.
Die Steinkohlenfloze von Santa-Fe, nahe an dem grofsen
Wasserfalle der Tequendama , liegen zwey tausend sechs
hundert drey und dreyfsig Meter ( 1 352 Toisen ) hoch. Bey
Huanuco in Peru soil man Steinkohlen im dichten Ralk-
stein, in einer Hohe von vier tausend fiinf hundert Meter
(23o8 Toisen) , also fast weit iiber aller jetzigen Vegetation,
entdeckt haben. Das Plateau von Bogota, welches sich zwey
tausend sieben hundert Meter (i383 Toisen) hoch iiber
der Meeresflache erhebt , ist mit Fldzformationen , mit dich-
tem> Ralkstein voll Seemuschel-Versteinerungen, mit Sand-
stein, Gyps und Steinsalz angefiillt. Ich zweifle , dafs man
je irgendwo in Europa Steinsalz oder Steinkohlen iiber zwey
tausend zwey hundert Meter (1128 Toisen) hoch angetrof-
fen hat. Was begriindet diefs Vorkommen derselben Fossi-
lien auf so verschiedenen Hohen unter dem Aquator und
in der gemafsigten Zone ?
Die versteinten Seemuscheln, welche man im alten Kon-
tinent auf der grofsten Hohe entdeckt hat, sind die des
Mont -Perdu, demhochsten Gipfel der Pyrenaen. Sie lie-
gen drey tausend fiinf hundert sechs und sechzig Meter
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DER TROPENLANDER.
idi
(1727 Toisen) uber„dem Meeresspiegel erhaben. In der Ari-
deskette sind die Spiiren orgariischer Korper *def Vorzeit
im Ganzen ziemlich selten , weil Ralkstein und Sandsteine
mit kalkartigem Bindemittel iiberhaupt den Aquatorial-
Regionen von Amerika weniger als unseren Klimaten eigeri
zu seyn scheinen. Doch sind bey Micuipampa , einem Berg-
stadtchen, dessen siidliche geographische Breite ich 6° 45' 38 /;
gefunden habe, Echiniten, Austern- und Herzmuschel-Ver-
steinerungen , zwey hundert Meter (102 Toisen) hoher als
der Gipfel des Pico von Teherifla , auf drey tausend acht
hundert acht und neunzig Meter ( 2000 Toisen ) Hohe ent-
deckt worden. In den Gebirgen von Huancavelica , siidost-
lich von Lima , liegen die Reste alter pelagischer Schaalthiere
gar bis vier tausend drey hundert Meter (2205 Toisen) Hohe.
Alle fossile Elephanten-Rnochen , welche ich aus der hohen
mexicanischen Gebirgsebene , aus der von Suacha bey Santa-
Fe de Bogota , aus Quito und Peru mitgebracht , und unter
welchen Guvier Reste einer neuen, vom Mammut sehr ver-
schiedenen Gattung bemerkt hat , kommen in grofsen Hoheh
wenigstens zwischen zwey tausend drey hundert und zwey
tausend neun hundert Meter ( 1 179 und i488 Toisen ) Hohe
vor. Ich weifs kein Beyspiel, dafs man Elephanten-Knochen
tiefer am Fufse der Andeskette , also in warmen Erdstri-
chen entdeckt hatte ; denn die berufenen Riesen-Knochen,
die ich am Cap von S.' Helena , nordlich vcm Huayaquil ,
habe ausgraben lassen> sind weder von Menschen noch von
Elejphanten, sondernvonmachtigen Seegeschopfen (Cetaceen).
In der gemafsigten Zone sind tausend Meter (5 1 3 Toisen)
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i52 NATURGEMALDE
machtige Schichten schon sehr selten. In Neu-Spanien und
Peru, am steilen Abfalle der Rordilleren oder in tief ein-
gefurchten Thalern , erkennt man eine Machtigkeit der
Porphyrformation von zwey tausend neun hundert bis drey
tausend zwey hundert Meter ( i488 bis 1642 Toisen). Die
Pechstein-Porphyre des Chimborazo sind iiber drey tausend
sieben hundert Meter (1897 Toisen) machtig. DerSandstein
in dem Flozgebirge von Cuenca ( zwischen Quito und Loxa )
hat tausend sechs hundert Meter (821 Toisen) : die sonder-
bare Formation von reinem Quarzfels , ostlich von Caxa-
marca , welche der peruanischen Andeskette eigenthumlich
zu seyn scheint, hat zwey tausend neun hundert Meter
( i488 Toisen) Machtigkeit. Reine dieser weit- und hochr
verbreiteten Gebirgsarten ist durch das Vorkommen fremd- ^
artiger Lager und Floze unterbrochen !
Noch charakterisiren die Aquatorial- Region folgende geo-
gnostische Phanomene , welche an anderen Orten umstand-
lich entwickelt werden sollen : Unbeschreiblich grofse Fre-
quenz und Mannichfaltigkeit der Porphyrformationen ; stetes
Vorkommen der Hornblende », Mangel des Quarzes und Sel-
tenheit des Glimmers in diesem Porphyr ; machtige Schwe-
fellager, nicht etwa im Gyps oder im Kalksteine, sondern,
fern von Vulkanen", in Urgebirgen ; tlberflufs an alien
1 Alle Tropen - Porphyre des neuen Kontinents enthalten Hornblende, meist
zweyerley Feldspath, glasigen und gemeinen, oft Olivin, Augit und etwas Glim-
mer. Bisweilen sind sie polarisirend : so die , welche wir bey Voisaco , in der
Provinz Pasto ( Konigreich Neu - Grenada ) entdeckt , meinem Bayreuther Ser-
pentin - Hornblendschiefer physikalisch ahnlich.
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DER TROPENLANDER. i55
Metallen aufser dem Bley ; das Vorkommen der Pacos-
Schichten oder eines innigen Gemenges von Thonerde ,
oxidirtem Eisen , gediegenem und kochsalzsaurem Silber ;
die verschiedene Hdhe , in welcher die Natur diese Metall-
schatze 1 vertheilt hat, in Peru drey tausend ftinf hundert
bis vier tausend ein hundert Meter (179$ bis 2io3 Toisen)
hoch , und in Neu - Spanien , in milderen Bergregionen ,
kaum tausend sieben hundert oder zwey tausend sechs
hundert Meter ( 872 oder i352 Toisen) hoch; Frequenz
des Quecksilbers , das in der ganzen Andeskette in zahllosen
Gangen zerstreiit ist, aber wenig und meist fruchtlos bear-
beitet wird '
Rein Theil der bekannten Erde ist grofseren vulkanischen
Revolutionen unterworfen , als die Andeskette. Vom. Cap
Horn bis Analasca ; zahlt man noch heut zu Tage iiber vier
und funfzig brennende Vulkane. Die feuerspeyenden Berge ,
welche sich am meisten von der Meereskiiste entfernen , sind
1 Die Fiille silberhal tiger Erze ist so grofs , dafs mit zunehmender Bevolkerung
im Neuen Kontinent das Spanische Amerika, dessen Gold- und Silber- Ausbeute
gegenwartig acht und dreyfsig Millionen Piaster betragt, dieses Produkt wahr-
scheinlich dreymal vergrofsern kann. Neu-Spanien, in dem die Industrie so zu
sagen erst vor Kurzem zu erwacben anfangt, liefert jabrlich zwey und zwanzig
bis flinf und zwanzig Millionen Piaster , wabrend es im Anfange des acbtzebnten
Jabrbunderts kaum eine Ausbeute von fiinf bis sechs Millionen batte ! Die einzige
Miinze der Hauptstadt Mexico hat seit der Entdeckung von Amerika tausend
neun hundert Millionen Piaster nach Europa gesandt , eine ungeheure Summe ,
welche Ton Westen nach Osten geht , und grofsentheils in China und Indostan
existiren mufs. Uber den Silberbergbau und die amerikanische Amalgamation
haben wir vortreflliche Beobachtungen von Herrn Berginspektor Sonnenschmidt
(der viele Jahre lang die Mexicanischen Gebirge durchreiset hat) zu erwarten.
ao
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i54 NATURGEMALDE
der Popocatepec, der, nach meinen astronomischen Lange-
Beobachtungeh , sieben und dreyfsig , und der Cotopaxi , der
vierzig Seemeilen landeinwarts liegt. Die Vulkane von Quito
speyen gegenwartig nicht fliefsende Laven , sondern nach
aufsen verschlackte oder an den Seitenkanten erweichte
Stiicke von Griinstein , Basalt und Perlstein-Porphyr •, Obsi-
dian, Bimsstein , ungesalzenes , aber mit geschwefeltem Hydro-
gen geschwangertes Wasser , ungeheure teigartige Massen von
gekohltem Letten ( in welchem kleine Fische * in zahlloser
Menge eingehiillt sind), und die sonderbare Moya, welche
den Indianern zum Brennmaterial dient , und von der , nach
Vauquelin's Analyse, £ sich ganz wie thierische und vege-
tabilische Substanzen verhalten. In einer mit Indigo sorgsam
bepflanzten mexicanischen Ebene , ein und dreyfsig Meilen
von der Sudseekiiste, ist in der Nacht des i4ten Septembers
1759 der Vulkan Jorullo von zwey bis drey tausend kleinen^
noch rauchenden Regeln ( die Einwohner nennen sie Ofen )
aus der Erde emporgestiegen. Der grofse Vulkan hat in
Rurzem die Hohe yon vier hundert vier und achtzig Meter
( 248 Toisen ) fiber der alten kultivirten Flur , oder tausend
zwey hundert und drey Meter (619 Toisen) fiber der Meeres-
flache erreicht. Sein Rrater ist noch entzundet; aber mit
vieler Arbeit sind wir , Bonpland und ich , zwischen den
oflfenen Spalten bis zu seinem Grunde gelangt. Die in diesem
Rrater gesammelte Luft war betrachtlich mit Rohlensaure
1 Pimelodes Cyclopum. SieVe meine Beobachtungen aus der Zoologie und
vergleichendcn Anatomie , Seite Sg,
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DER TROPENLANDER.
.55
geschwangert. Soil ten vielleicht mehrere Ruppen von weifsem
aufgeldstem Porphyr durch vulkanische Dampfe umgewan-
delte Granite und eines ahnlichen Ursprungs seyn , als Herr
von Buch so scharfsinnig von den empOrgehobenen Porphyren
von Auvergne und Santorino enviesen hat?
Entfernung ^ in welcher Berge auf der Jlfeeres-
Jlache sichtbar sind.
Da mein Naturgemalde eine grofse Menge betrachtlicher
Hohen enthalt : so glaubte ich , dasselbe auch dadurch in-
teressant zu machen , dafs es zugleich die grofstmogliche
Entfernung angebe ,• in welcher erhabene Gegenstande in
der Ebene sichtbar sind. Diese Entfernung hangt bekannt-
lich von der Rrummung der Erde, von der Hohe des
Gegenstandes , und von der Starke der irdischen Refraction
ab. Wegen der Veranderlichkeit des letztern Elementes ist
die Scale mit Vernachlafsigung desselben berechnet worden,
Wenn man die angegebenen Entfernungen ( welche zugleich
auch die Halbmesser des Gesichtskreises auf dem Gipfel der
Berge sind) mit den Weiten vergleicht, in welchen Schiff-
fahrer oft den Pico von TenerifFa , den azorischen Kegel-
berg, den Orizava, die Schneegebirge von Santa - Martha ,
und den Tafelberg gesehen zu haben vorgeben : so mufs
man diesen Unterschied weniger anomalischen Strahlenbre-
chungen , als vielmehr der Unkunde des SchifForts ( der
geographischen Lange und Breite ) zuschreiben. Man glaubt
sich nahmlich weiter von dem gesehenen Gegenstande ent-
fernt, als man wirklich ist. Der. Strahlenbrechung geht es
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i56 NATURGEMALDE
auf dem Meere, wie den Stromungen (Courans), deren
Einflufs oft blofs defshalb ubertrieben wird, weil man
unerwartet auf Rlippen und Inseln sttifst , von denen man
sich , aus Mangel richtiger astronomischer Bestimmungen ,
sehr fern glaubt.
Unter den Tropen , wo die irdische Strahlenbrechung
weit regelmafsiger und minder wechselnd ist , sind Hohen-
winkel von grofsem noch nicht genugsam erkanntem Nutzen
fiir die SchifFahrt. Der Pico von Teyde , der Sattelberg von
Caraccas , und der Orizava an der Kiiste von Vera- Cruz,
sind leitende, von der Natur errichtete Signale, die dem
vorbeysegelnden SchifFer von dem grofsten Nutzen seyn
konnen, wenn er sie gehorig zu benutzen weifs. Ist nahm-
lich die Hohe eines solchen Kiistenberges und seine geogra r
phische Position genau bekanrit ; so konnen sehr einfache
Beobachtungen den Ort der SchifFer bestimmen. Ich habe
in diesen letztverflossenen Jahren viele Beobachtungen dieser
Art , thejls in der Siidsee , theils im atlantischen Oceane
angestellt. Churruca hat sogar Tafeln fiir die Entfernungen
berechnet, in welchen der Pico von TenerifFa sich unter
bestimmten Hdhenwinkeln zeigt
Die Scale , welche das Naturgemalde iiber diesen Gegen-
stand enthalt , bietet zugleich der Einbildungskraft die weiten
Landesstrecken dar, welche das Auge von dem hochsten
Gipfel der Andes iibersehen wiirde> wenn nicht Nebel und
Gewolk den Genufs dieses majestatischen Schauspiels dem
Reisenden so selten machten. Der Durchmesser dieser Stre-
cken wiirde fiir mich ani Chimborazo , bey meiner Reise zu
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DER TROPENLANDER. i5<j
demGipfel desselben, sieben und neunzig Meilen ; er wiirde
fur Herm Gay-Lussac, bey seiner letzten Luftreise, hundert
und sechs Meilen gewesen seyn : aber Wolken haberi uns
beyden den Anblick der niederen Regionen entzogen.
Untere Grenze des ewigen Schnees.
Ich habe oben , wo ich von der allmahligen Abnahme der
Warme in den hohen Luftschichten handelte , Beobachtungen
angefiihrt , welche es wahrscheinlich machen , dafs iiber der
Hohe des Mont -Blanc hinaus diese Abnahme unter den
Tropen dasselbe Gesetz, wie in der gemafsigten Zone, be-
folgt. In diesen hohen Regionen scheint nahmlich die Wir-
kung der strahlenden Warme , welche die Oberflache unsers
luftumflossenen Planeten zuriickschickt , sehr gering zu seyn.
Ihre Temperatur hangt hauptsachlich von einer Zersetzung
der Sonnenstrahlen bey ihrem Durchgange durch die Licht
verschluckenden und daher Helle mindernden Luftschichten
ab. Ganz anders verhalt sich die Abnahme der Warme in
den tieferen Regionen der Atmosphare. Von der Meeres-
flache an bis auf ftinf tausend Meter ( 2565 Toisen ) Hohe
folgt diese Abnahme , wenn man die mittlere Temperatur
vergleicht, anderen Gesetzen als in grofseren Hohen ; denn
da diejenigen Luftschichten, in welchen der ewige Schnee
der Gebirge sich zu*finden anfangt, nach Verschiedenheit
der Breite in verschiedener senkrechter Hohe iiber der
Meeresflache liegen : so darf man mit Sicherheit schliefsen ,
dafs Luftschichten von einerley mittlerer Temperatur sich
in anderen Hohen unter den Tropen , in anderen in der
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i58 NATURGEMALDE
gemafsigten Zone finden. 1st demnach die senkrechte War-
meabnahme unter dem Aquator bekannt ( eine Abnahme ,
welche ich von der Meeresflache bis zur untern Grenze des
ewigen Schnees zu zwey hundert Meter oder hundert und
zwey Toisen, auf einem Grade des hunderttheiligen Ther-
mometers finde ) : so fiihrt uns diese Betrachtung ganz
natiirlich auf ein Mittel , die Hohe des ewigen Schnees
unter alien Breiten durch Rechnung zu beslimmen. Es
kommt blofs darauf an , die Hohe einer Luftschicht zu
finden, deren mittlere Warme = -+• o°,4 se y> eine Warme,
welche der gleich ist , welche ungefahr in dem Anfange der
Schneeregion herrscht. Sey i2°,5 die mittlere Temperatur
der Ebene unter 45° nordlicher Breite : so findet man die
untere Schneegrenze zu 200 (i2°,5 — o ,4)= 2 4 20 Meter
oder 1240 Toisen j ein Resultat, das bis achtzig oder hundert
Meter mit den unmittelbaren Saussure'schen und Trallesi-
schen Messungen iibereinstimmt. Gegen den Nordpol hin
wiirde ein Land, dessen mittlere Temperatur in der Flache
des Meeres -+- 4° ware , den ewigen Schnee in 720 Meter
(369 Toisen) beginnen sehen. Im Allgemeinen findet man
nach dieser Methode die Grenze des ewigen Schnees in
Meter , indem man die durch 6J a s hunderttheilige Thermo-
meter ausgedriickte mittlere Warme der Ebene zwey hundert
Mai nimmt. Eine Formel , in welcher* die Schneegrenze als
Function der Breite vorkame , wiirde weniger genau seyn,
weil das physikalische Klima meist sehr unabhangig von der
geographischen Lage des Orts ist. Dagegen bietet die ange-
^gebene Methode den Vortheil dar , die mittlere Temperatur
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DER TROPENLANDER. 159
eines Landes ohne langjahrige Beobachtungen aus der beob-
achteten Schneehohe, und zwar sie dazu noch durch ein
Vielf aches zu finden. .
Doch ich verlasse spekulative Vermuthungen , welche sich
doch nur auf unvollstandige Inductionen griinden , und
kehre , meinem Plane getreu , zu dem zuriick , was die
empirische Beobachtung unmittelbar gibt. Die Hohe der
untern Schneelinie nahe am Aquator ist eine der bestimm-
testen und unabanderlichsten Erscheinungen , welche die
Natur darbietet. Bouguer bestimmt diese Hohe auf vier
tausend sieben hundert vier und vierzig Meter (2434 Toisen).
Ein Mittel aus vielen Messungen hat mir etwas mehr, unge-
fahr vier tausend acht hundert Meter (2462 Toisen) gegeben.
Ein grofser Theil dieses Unterschiedes beruht auf der von
Bouguer vernachlafsigten Warmecorrection in den Barome-
terformeln , auf der Annahme des Quecksilberstandes am
Meere und auf der verschiedenen Hohe , welche defshalb ,
Bouguer und ich , dem Signal von Caraburu zuschreiben ,
wie an einem andern Orte gezeigt werden soil. Ubrigens
haben die franzosischen Akademiker sehr richtig bemerkt ,
dafs in diesen Aquatorial-Landern , in welchen die Luft-r
temperatur das ganze Jahr hindurch dieselbe ist , die Schnee-
grenze nicht um fiinfzig bis sechzig Meter schwankt, und
dafs sie eine rein abgeschnittene solige Linie bildet , ohne
dafs der Schnee sich an einem Punkte, zum Beyspiele in
den Schluchten und Thalern, tiefer als an den steileren
Abhangen herabzoge.
Es fehlte bis jetzt noch an Messung der Schneelinie gegen
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i6o NATURGEMALDE
die nordliche Grenze der Tropen hin ; und man hatte in
der That vermuthen sollen, dafs vom Aquator bis zum
zwanzigsten Breitengrade die Senkung dieser Linie betracht-
lich seyn konne. Durch barometrische und geodesiche Mes*
sungen , die ich in Neu - Spanien am Schneegebirge von
Toluca , am Cofre de Perote , am Popocatepec und am
Itzaccihuatl angestellt , habe ich gefunden , dafs nahe am
Wendekreise des Krebses der ewige Schnee erst in vier
tausend sechs hundert Meter ( 236o Toisen ) beginnt. Der
Unterschied zwischen dieser Region und dem Aquator be-
tragt also kaum noch zwey hundert Meter (102 Toisen).
Dagegen fallt Schnee, was sehr auffallend ist, in Neu-Spanien
eb en falls zwischen dem neunzehnten und zwanzigsten Grade
der Breite, voile zwey tausend ein hundert Meter ("1077
Toisen) tiefer als in Quito; Beweis genug, dafs die augen-
blicklichen partiellen Erkaltungen bey der Lander sehr ver-
schieden sind, wahrend dafs mittlere Temperatur fast ganz
mit einander iibereinstimmt.
Da Neu-Spanien (das eigentliche alte Anahuac) schon an
die gemafsigte Zone stofst : so ist die Grenze des ewigen
Schnees auch schon darin betrachtlicheren Veranderungen
unterworfen , als man in einem Tropenlande erwarten sollte.
Im Julius habe ich diese Schneegrenze vier tausend sechs
hundert und neunzehn Meter (2372 Toisen ) , im Februar
drey tausend acht hundert und zwanzig Meter (1962 Toisen)
hoch iiber dem Meere angetroffen. Die Andeskette hat, so
weit ich sie kenne , nichts , was man einen eigentlichen
Gletscher nennen konnte. Diese prachtvolle Naturerschei-
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DER TROPENLANDER. 161
nung , die unabhangig von aller Hohe ist , fehlt den Aqua-
torial - Landern ganz , wahrscheinlich weil in denselben nie
sehr viel Schnee auf einmal fallt , und weil die Lufttempe-
ratur jeder Hohe daselbst constant ist. Auf dem Chimborazo
findet man dagegen tiefer als die heutige Schneelinie, wenn
man ^rabt, unter machtigen Sandschichten uralte Schnee-
lagen , welche sonderbare Naturkatastrophen in diese Lage
gebracht haben mdgen , und die fiir eih Alter unsers Pla-
neten zeugen, das vielleicht weiter als der bestrittene Zodiacus
von Dendyra hinaufsteigt ! — Man kennt , leider ! nicht durch
Messungen die Hohe der Schneegrenze unter dem funf
und zwanzigsten und dreyfsigsten Grade der Breite. Unter
dem zwey und vierzigsten und sechs und vierzigsten Grade
betragt sie in Europa ah zwey tausend funf hundert drey
und dreyfsig Meter (i3oo Toisen). Ich habe dieses Gesetz,
welches die Schneelinie zu befolgen scheint , in einer eigenen
Abhandlung untersucht, welche im December 1804 in der
ersten Rlasse des franzosischen National - Instituts verlesen
worden ist.
Siedhitze des kochenden Pt^assers auf : verschie-
denen Hohen ilber der JUee/^es/ldche.
Der Warmegrad , welchen Fliissigkeiten annehmen , ,ehe
sie zum Sieden iibergehen , hangt von ihrer eigenthiimlicheh
chemischen Natur, und zugleich auch von dem Gewichte
der Atmosphare ab , welches auf sie driickt. So wie diefs
Gewicht mit der Hohe wechselt , so verandert sich auch
at
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162
NATURGEMALDE
der Siedpunkt selbst. Die nachstehende Tafel driickt das
Gesetz dieser Erscheinung aus:
HOHE
BAROMETERSTAND.
SIEDHITZE E
>ES WASSERS.
UBER DEM MEERE.
HUNDERTGR.
r£aumcr'sches
THERMOMETER.
THERMOMETER.
Meter
Metar
9
0,7630
100,0
8o,0
1000
0,6792
97, 1
77,7
2000
0,60 5o
94>3
75,4
3ooo
o,5368
9 1 * 3
73,0
4ooo
0,4741
88,1
70,5
5ooo
0,4182
84,7
6 7>7 "
6000
0,3674
81,0
64,8
7000
o,32o3
77'°
61,6
Da von der Oberflache des Meeres an bis zu tausend
Meter ein Grad niedrigern Siedpunktes drey hundert sieben
und fiinfzig Meter Hohenveranderung ausdriickt, und da
zwischen eben dieser Meeresflache und 7000 Meter ein Grad
noch drey hundert und vier Metern zugehort : so kann man
im Allgemeinen annehmen , dafs bis zur Hohe des Mont-
Blanc ein Thermometergrad ungefahr zehn Linien Barome-
terdruck oder drey hundert und vierzig Meter ( iy4 Toisen)
Hohe ausdriickt. Ich habe , wahrend meiner Expedition ,
eine grofse Menge von Beobachtungen iiber den Siedpunkt
des Wassers auf den Gipfeln der hohen Andeskette ange-
stellt. Ahnliche Versuche des Herrn Caldas ( eines jungen
Mannes aus Popayan , der mit rastlosem Eifer sich der
Astronomie und einigen Theilen der Naturbeschreibung
gewidmet), werde ich in meiner Reisebeschreibung bekannt
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DER TROPENLANDER. i63
machen. Diese Arbeit hat freylich fast kein Interesse fur
die Meteorologie 5 selbst die Theorie des Luftdrucks bedarf
ihrer wenig : aber sie zeigt doch, welches Grades der Genauig-
keit die Bergmessungen mittelst des Thermometers fahig
sind , wenn man mit Sicherheit kleine Fractionen eines
Grades angeben kann.
P^erbreitung der Thiere^ nach der Ifohe ihres
Ff^ohnorts betrachtet,
Um das Naturgemalde der Tropen-Regionen vollstandi-
ger zu machen , habe ich eine Scale hinzugefiigt , welche
die Verschiedenheit der Thiergattungen darstellt, die den
schrofFen Abhang der Andeskette bewohnen. So weit nur.
immer die Vegetation in und auf dem Erdkorper hat vor-
dringen konnen , ist thierisches Leben verbreitet. Im Innern
der Bergwerke und Hohlen leben Dermestesarten und ahn-
liche Insekten , welche sich von unterirdischen Schwammen
nahren. Wie sie , dem Lichte entzbgen , aber in der Tiefe
des Meeres , benagen Coriphaenen , der gefrafsige Chactodon,
und zahllose Schaaren von Gewiirmen , den Seetang (JFucus) ,
dessen Friichte mit gallertartigem Schleime iiberzogen sind.
Weiter aufwarts, zwischen der Meeresflache* und tausend
Meter (5i3 Toisen) Hohe, in der Region der Palmen und
Bananengewachse , finden sich Riesen-Schlangen (Boa), der
grasfressende Manati , undKrokodille, die unbeweglich, wie
kolossale Statuen von Erz , mit ofFenem Rachen am Fufse
des Conocarpus ausgestreckt liegen. Diefs ist der Wohhplatz
des wehrlosen Flufsschweins ( Cav ia capybara ) , das , wech-
i
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••! -
i64 NATURGEMALDE
selsweise vom Tiger und Krokodille verfolgt , bald im
Wasser , bald auf dem Lande seine Rettung sucht. Die
Walder dieser heifsen Zone erschallen von dem Regen ver-
kundenden Geheule der Alouaten , von dem vogelartigen
Gezwitscher der kleinen Sapajou-Aflfen, und dem stohnenden
Rlagen des Faulthiers, welches den Stamm der silberblattri-
gen Cecropia hinankriecht. Sie sind das Vaterland der
Papagayen , der buntgefiederten Tanagra und des majesta-
tischen Hocco (Crax pauxi). Der grofse, aber feige ameri-
kanische Lowe , der furchtbarere prachtig gefleckte Jaguar >
und der schwarze Tiger des obern Orinoco , welcher noch
blutdiirstiger als der Jaguar ist, sind die Herren dieser
Walder. Sie stellen dem kleinen indischen Hirsche ( falsch-
lich Cervus mexicanus genannt ) , der Sus tajassu und dem
Ameisenbaren nach , dessen dehnbare Zunge an dem Brust-
beine inserirt ist. Die Luft in dieser heifsen Zone , beson-
ders bis fiinf hundert Meter Hohe (sey es an den Ufern
grofser Fltisse oder in dem Dickicht der Walder, oder an
dem Meeresstrande , wo dieser mit. Schlamm bedeckt ist) r
wimmelt iiberall von giftigen Stechfliegen und Miicken
( Mosquitos ) , deren unbeschreibliche Menge einen grofsen
und so schonen Theil der Erde dem Menschen fast unbe-
wohnbar macht. Zu diesen Mosquitos gesellen sich noch der
Oestrus Mutisii, der seine Eyer mit unglaublicher Schnel-
ligkeit bis in das Muskelfleisch des Menschen legt und
schmerzhafte Geschwiilste erregt; Acari, welche die.Haut wie
einen Acker in parallelen Furchen aufschlitzen (Aradores))
giftige Spinnen , Ameisen und Termiten, deren gefurchtete
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DER TROPENLANDER. i65
Industrie fast alle menschliche Arbeit zerstort. Alle diese
Plagen, von denen die Eingeborenen freylich weniger als
Fremde leiden , verbittern den Lebensgenufs in einer tibri-
gens so wundervoll schonen, allbelebten Natur.
Hdher aufwarts , in der Region der baumartigen Farren-
krauter, zwischen tausend und zwey tausend Meter (5i3 und
1 026 Toisen ) Hohe , findet man nicht mehr Krokodille ,
Riesenschlangen , Manati ( Flufsktihe ) jund Faulthiere. Der
Tiger und die Affen werden selten j aber desto haufiger sind
hier Heerden von Tapir und Nabelschweinen , und der' kleine
Jaguar ( Felts pardalis ). Menschen , Affen und Hunde sind
in dieser Hohe vom Minirfloh (Pulex penetrans) , der in der
heifsern Region seltner als in der mittlern ist, aufs fiirchter-
lichste geplagt. Zwischen zwey und drey tausend Meter (1026
und i539 Toisen), in der obern Region der Cinchona, sind
gar keine Affen mehr, kein Cervus mexicanus ; aber die
schone Tigerkatze ( Felis tigrina ) , Baren und der grofse
Hirsch der Andes. In dieser Hohe, welche zugleich die des
Gotthards ist, sind Menschen -La use , leicler ! sehr haufig.
Zwischen drey und vier tausend Meter ( i539 un< ^ 20 ^2
Toisen ) , in den kalten Gebirgssteppen , lebt die kleine
Lowenart , welche die Peruaner Puma nennen , und deren
Spur wir oft noch hoher aufwarts auf frischgefallenem
Schnee gefunden haben ; der kleine weifsstirnige Bar, und
einige Viverren. Mit Verwunderung habe ich Colibri-Arten
bisweilen bis zur Hohe des Pico von Teneriffa gefunden.
Die Grasfluren und die Region der wollblattrigen Espeletia
(Frailexon)j zwischen vier und ftinf tausend Meter (2o52
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166 NATURGEMALDE
und a565 Toisen), ist von den sogenannten Kameelscha-
fen l , von der Vicuna , dem Guanaco und der Alpaca be-
wohnt, welche in abgesonderten Heerden umher schwarmen.
Llamas finderi sich nur als Hausthiere : denn diejenigen ,
welche am westlichen Abhange des Chimborazo geschossen
werden , sind (so geht die Sage unter den Eingeborenen )
verwildert, als der Inca Tupayupangi die Stadt Lican, den
alten Sitz des Cochocandi von Quito, zerstorte. Die Vicuna
liebt grofse Hohen , wo bisweilen schon Schnee fallt. Trotz
der Nachstellungen , welche sie seit Jahrhunderten erleiden ,
sieht man doch noch , auf dem Andesriicken , Heerden von
drey bis vier hundert, besonders in den Provinzen Pasco
( an den Quellen des Amazonenflusses ) , Guailas und Caxa-r
tambo , besonders in den Gebirgen von Gorgor. Auch um
Huancavelica , Cusco und in der Provinz Gochabamba , wo
das hohe Flufsthal von Cotacages anfangt ; kurz iiberall , wo
der Gebirgsriicken sich zur Hohe des Mont -Blanc erhebt,
ist die Vicuna noch sehr haufig. Dagegen ist es eine recht
auffallende Erscheinung der Thiergeographie , dafs Vicunas
und die ihnen verwandten Gattungen (Alpaca und Guanaco )
die ganze Andeskette, von Chile an bis zum neunten Grade
siidlicher Breite bewohnen, und dafs weiter nordlich, weder
in Quito , noch in den Schnee-Gebirgen von Neu-Grenada ,
noch in Neu-Spanien eine Spur ihrer jetzigen oder ehemali-
gen Existenz zu entdecken ist. Der Straufs von Buenos -Ayres
1 Mit gleichem Rechte konnte man sie Antilopenschafe nennen : denn sie
gleichen zugleich dem Kameele , dem Schafe und den Gazellen.
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DER TROPENLANDEB. 167
bietet ein ahnliches Phanomen dar : er findet sich nicht
nordlich von der Bergkette von Chiquitos , wo die Wal-
dungen durch Grasfluren ( Savanen ) unterbrochen sind ,
und wo dieser Vogel ahnliche Nahrung und ein ahnliches
Klima geniefsen wiirde.
Die Thiere und Pflanzen gehen kaum fiber die Schnee-
grenze hinaus. Unter ewigem Eise vegetiren zwar noch einige
Flechtenarten ; aber unter den Vogeln ist der Condor der ein-
zige , der diese unermefslichen Einoden bewohnt. Wir haben
ihn in einer Hohevon sechs tausend ftinf hundert Meter (3334
Toisen) schweben sehen. Einige Sphinxe und Fliegen , die wir
noch ftinf tausend sechs hundert zwey und fun fzig Meter
(2900 Toisen) hoch antrafen, schienen uns durch senkrecht
aufsteigende Luftstrdme unwillkiihrlich in diese Regionen
gebracht worden zu seyn. Saussure hat sie ebenfalls auf dem
Gipfel des Mont -Blanc, Ramond an den Ufern des hohen
Bergsees am Mont -Perdu gefunden. Sonderbar, dafs diese
Insekten beobachtet worden sind , so oft Menschen sich auf
Gebirgen zu sehr grofsen Hohen erhoben haben,
Diese zoologische Scale , welche hier nur skizirt erscheint ,
enthalt die Grundzuge zu einem zoologischen Gemdlde ,
welches nach Analogie dessen entworfen werden konnte ,
welches ich fur. die Pflanzen - Geographic geliefert habe.
Zimmermann's klassisches Werk stellt die Thiere nach Ver-
schiedenheit der geographischen Lage ihres Wohnorts auf
dem Erdboden dar. Es ware interessant, in einem Profil
die Hohen zu bestimmen, zu welchen sie sich in derselben
Zone , aber in Gebirgslandern erheben.
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168 NATURGEMALDE
Kultur des Bodens.
Wir haben bisher die physikalischen Erscheinungen ent-
wickelt , welche die Tropenwelt darbietet ; die Modificationen
des Luftkreises ; die Natur und Schichtung der Gebirgsmassen;
die vegetabilischen Erzeugnisse des Bodens, und die Thiere,
welche den Gebirgsabhang bewohnen. Es bleibt uns noch
ubrig , einen Blick auf den Menschen und die Objekte des
Pflanzenbaus zu werfen. Von der Oberflache des Oceans
an, bis nahe an den ewigen Schnee, ist die Andeskette von
kupferfarbigen Indianern, wie von afrikanischen und euro-
paischen Ansiedlern bewohnt. Das Bergland , in der poli-
tischen Eintheilung der Incas Antisuyu genannt , ist im
Ganzen sogar weit mehr als die Ebene (Contisuyu) kulti-
virt. Der ackerbauende Fleifs der Volker , ja fast alle pri-
mitive Civilisation des Menschengeschlechts , steht in umge-
kehrtem Verhaltnisse mit der Fruchtbarkeit des Bodens und
mit der Wohlthatigkeit der ihn umgebenden Natur. Je
karger diese ist, je unuberwindlicher die Hindernisse sind,
welche sie entgegen stellt ; desto starker werden menschliche
Krafte aufgeregt, desto friiher werden sie durch Gebrauch
entwickelt. Auch bildeten die Gebirgsvolker von Anahuac,
Cundinamarca und Antisuyu schon grofse , wohl organisirte
politische Gesellschaften 5 schon hatten sie eine intellectuelle
Kultur , welche der Yon China und Japan nahe kam , als
in den fruchtbaren Ebenen , welche sich ostlich von der
Andeskette gegen das Meer hin erstrecken , die Menschen
noch , zerstreut und nackt , ein thierisches Leben fiihrten.
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DER- TROPENLANDER. 169
Wenn aber die moralische Kultur des MenscJiengeschlechts
sich friiher in der gemafsigten , dem Pole nahern Zone , als
in der reichern Tropen-Natur entfwickeln mufste ; wenn man
einsieht , warum diese Kultur friiher auf den hohen Gebirgs-
ebenen der Andes , als an dem IJfer grofser Fliisse begann :
so drangt sich desto lebhafter die Frage auf, warum der
schon gebildete , ackerbauende Mensch nicht in jene gluck-
lichen Klimate zuriickzieht , wo der Boden ungepflegt dar-
bietet was in der kaltern armern Zone ihm nur durch
muhevolle Arbeit abgewonnen werden kann. Was bestimmt
den Indianer in einer Hohe von drey tausend drey hundert
dreyzehn Meter (1 700 Toisen) unter einem eisigen unfreund-
lichen Himmel ein steiniges Erdreich zu beackern, wah-
rend dafs, kaum eine Tagereise von seiner Hutte entfernt,
ganze fruchtbare Ebenen am Fufse des Gebirges unbewohnt
liegen ? Welchen Reitz hat ein Land , wo zu alien Jahrszei-
ten Schnee fallt , wo alle Nachte das Wasser gefriert , und
wo der Felsboden nur mit wenigen kriippligen Strauchen
bedeckt ist ? Dieser Reitz ist der des Vaterlandes ; jener
Bestimmungsgrund liegt in der Macht der Gewohnheit.
In unserm Europa sind die Dorfer , welche am hochsten
liegen , tausend sechs hundert bis tausend neun hundert
Meter (821 bis 974 Toisen) tiber der Oberflache des Meeres
erhaben. So liegt in den Schweizer- und Savoyer- Alpen :
Meter.
Das Dorf Saint- Jacques de Val d'Ayas m einer Hohe von • . . . i63i
Das Dorf Saint -Remy 1604
Toisen.
83 7 .
823.
Das Dorf d'Eleva, am Cramont i3o8 I 672.
22
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170
NATURGEMALDE
Meter.
Das Dorf Lans-le-Bourg am Mont-Cents in einer Hohe von. . i388
Das Dorf Formaza ia65
Toisen.
712.
648.
In den Pyrenaen liegt :
Das Dorf Heas in einer Hohe von i465
Das Dorf Gavarnie i444
Das Dorf Barege 1290
75a.
741.
66a.
Hdher aufwarts gibt es bey uns keine bestandigen Men-
schenwohnungen 1 , sondern nur Sennhiitten , welche die
Hirten im Sommer bewohnen. In Peru dagegen hat man
Stadte, wie Pasco, Huancavelica und Micuipampa, fast in
der Hohe des Pico von Teneriffa , und iiber zweyfach hdher
als der Gipfel der schlesischen Schneekoppe erbaut. Die
ofterwahnte Viehmeyerey am Vulkan Antisana , im Konig-
reiche Quito, liegt gar vier tausend ein hundert und zwolf
Meter (2110 Toisen) iiber dem Meere, und ist vielleicht
der hochste Ort , welchen unsere Race bleibend auf dem
Erdboden bewohnt.
Der Pflanzenbau wird in der Tropenwelt durch die Ver-
schiedenheit der Kiimate bestimmt, welche wiederum eine
Folge der Gebirgshohen sind. Von der Meeresflache an bis
zu tausend Meter ( 5 1 3 Toisen ) Hohe kultiviren die Ein-
geborenen Pisang , Mais , Jatropha , Dioscorea bulbifera ,
1 Ich rechne nicht das Kloster S. Bernhard , welches freylich zwey tausend
vier hundert acht und zwanzig Meter (1346 Toisen) hoch liegt, aher mit den
Wohnungen, welche Menschen sich (aus eigenem Triehe und sich selbst Unter*
halt verschaffend ) auswahlen , keineswegs verglichen werden kann.
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DER TROPENLANDER. 171
Cacao und die dem Cacao verwandte Theobroma Bacao. *
Diefs ist die Region der Ananas, der Orangeh, der Mamea,
des, Nispero (Achras) und so vieler anderen wohlschmecken-
den Friichte. Die Europaer haben hier Zuckerrohr, Indigo
und RafFe eingefiihrt — neue Zweige des Pflanzenbaus ,
welche , statt wohlthatig zu werden , vielmehr Unmoralitat
und grenzenloses Elend iiber das Menschengeschlecht ver-
breitet haben : denn die Einfiihrung afrikanischer Sklaven ,
in dem sie einen Theil des alten Rontinents entvolkert, be-
reitet dem neuen blutige Schauspiele der Zwietracht und
Rachgier.
In der gemafsigtern Zone, zwischen tausend und zwey
tausend Meter (5i3 und 1026 Toisen) werden Zuckerrohr,
Indigo, Pisang und Jatropha Manihot immer seltner. Der
KafFe besonders liebt eine kuhlere Luft und steinigte Berg-
gehange. Baumwolle wird hier noch mit grofsem Vortheil
gepflanzt , aber nicht Cacao und Indigo , welche nur in der
gliihendsten Sonnenhitze gedeihen. Zwar wird im Ronigreich
Quito Zuckerrohr noch in zwey tausend funf hundert drey und
dreyfsig Meter ( i3oo Toisen) Hohe kultivirt ; aber in solchen
Gebirgsebenen bedarf es Schutz vor kalten Winden und
Reflex der strahlenden Warme. Zwischen tausend und tausend
funf hundert Meter ( 5i3 und 769 Toisen ) herrscht das
1 Im Choco. Der Bacao hat eine grofse, ungeheuer harte Frucnt, die der
Cocosnufs iihnlich sieht , und welche die Indianer zu Chocolaten -Tassen yerar-
beiten. Die Zeichnung, die ich davon in Carthago ( in der Provinz Popayan)
gemacht , befindet sich in dem ersten Bande unserer Plant ce cequinoctiales in
Kupfer gestochen ( PL XXX a et XXX b ). :
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172 NATURGEMALDE
Klima , welches der europaische Ansiedler alien anderen
vorzieht , weil in demselben ewig milde Fruhlingsluft weht ,
und die Atmosphare von stechenden Insekten frey ist* Hier
kommen gewisse Friichte , besonders Anona Chirimoya , zu
einer aufserordentlichen Vollkommenheit. Diefs ist die freund-
liche Region , in der Caraccas , Loxa , Guaduas , Popayan ,
Ibague, Huancabamba, Chilpanzingo, Valladolid und Xalappa
liegen ; Stadte , deren Fluren mit anmuthigen , ewig bliiheri-
den Fruchtgarten geschmuckt sind.
Zwischen tausend und tausend zwey hundert Meter (5i 3
und 61 5 Toisen) Hohe beginnt in den Aquinoctial-Landern
des neuen Rontinents die Kultur der eingefiihrten europai-
schen Getreidearten. Diese nahrhaften Graser, stete Begleiter
aller kaukasischen Volker , ertragen , wie der Mensch , die
verschiedensten Klimate , die Tropenhitze und die Ralte ,
welche das ganze Jahr hindurch nahe an der Schneegrenze
herrscht. In der Insel Cuba, in zwey und zwanzig Grade
nordlicher Breite, wird wirklich Weitzen mit vielem Vortheil
kaum hundert und funfzig Meter (77 Toisen) hoch iiber dem
Meere gebaut. In der Provinz Caraccas , zwischen Turmera
und La Victoria, in einer Hohe von fiinf hundert Meter
(256 Toisen), sieht man schone Kornfelder; und, was noch
auffallender ist , in den Thalern von Aragua werden in einer
Ebene dicht neben einander Zuckerrohr , Indigo , Cacao und
europaischer Weitzen kultivirt. Doch gehoren besondere
Lokalumstande dazu , wenn unsere Getreidearten in so nie-
drigen heifsen Gegenden voile Ahren geben sollen. Ihre wahre.
Hohe unter den Tropen, diejenige, in welcher sie iiberall
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DER TROPENLANDER. 173
reiche Arnten versprechen, fangt erst mit tausend vier hun- I
dert Meter (717 Toisen ) , ungefahr mit der Hohe des
Brennerpasses an. Im Konigreich Neu-Spanien, zum Bey-
spiele, schiefst der Weitzen urn Xalappa ( nach meinen
Beobachtungen in 19 3o' 4o" nordlicher Breite , und tau-
send drey hundert zwolf Meter oder 674 Toisen hoch iiber
dem Meere) zwar schnell und iippig in Halme. Man bedient
sich derselben zur Viehfiitterung ; aber die Ahren sind fast
ohne reifes Samenkorn. Selbst der Anfang der eintragli-
chen Weitzen -Kultur ist in Mexico sehr ungleich an dem
ostlichen und westlichen Abfall der Bergkette. Auf jenem
beginnt die Kultur erst im kalten Plateau von Perote in
zwey tausend drey hundert zwey und dreyfsig Meter (1197
Toisen) Hohe; wahrend dafs ich sie in diesem, gegen die
Sudsee hin , bis Chilpanzingo in tausend zwey hundert
neunzig Meter (663 Toisen) Hohe habe herabsteigen sehen.
Aber dieser betrachtliche , jedem Reisenden so auffallende
Unterschied ist zum Theil auch dem Umstande zuzuschrei-
ben , dafs ostlich von Perote das Gebirge sehr prallig und
zur Kultur wenig geschickt ist. Im Ganzen gedeiht euro-
paisches Getreide in Neu-Spanien , wie in Peru , Quito und
Neu- Grenada, am befsten tausend sechs hundert bis zwey
tausend Meter (821 bis 1026 Toisen) hoch uber dem Meere.
Der Mittelertrag dieser fruchtbaren Erdstriche ist funf und
zwanzig bis dreyfsig Korner fiir eines.
Hoher als tausend acht hundert Meter (923 Toisen) bringt
der Pisang selten reife Friichte hervor ; aber die Pflanze
selbst ertragt noch die Bergkalte , welche in zwey tausend
f
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174 NATURGEMALDE
ftinf hundert Meter (1281 Toisen) herrscht : nur sind
Strunk und Blatter hier schon kleiner und weniger saftreich.
In der milden Mittejzone, zwischen tausend sechs hundert
und zwey tausend Meter (821 und 1026 Toisen) herrscht
vorztiglich die Kultur der Cocca (Erythroxylum peru-
vianitm). Wenige Blatter dieser speicheltreibenden , dem
Europaer unschmackhaft scheinenden Pflanze , mit unge-
loschtem Kalk gemengt, nahren den geniigsamen Indiarier
auf langen Reisen in der Cordillere. Zwischen zwey und
drey tausend Meter (1026 und i539 Toisen) Hohe wird
der Ackerbau (Weitzen- und Quinoa - Rultur ) am sorg-
samsten betrieben. Die grofsen Gebirgsebenen , welche sich
gerade in dieser Hohe so haufig in der Andeskette finden ,
und von denen viele funfzig bis sechzig Quadratmeilen
Flacheninhalt haben , begiinstigen diese Rultur. Ihr gleich-
formig ebener ( soliger ) und defshalb leicht zu beackernder
Boden lafst vermuthen , dafs sie alte, $ey es abgelaufene, oder
aus Mangel von Zuflufs durch Verdampfung ausgetrocknete
Seen sind. Wo der Acker iiber drey tausend drey hundert
Meter (1693 Toisen), also fast wie der Gipfel des Atna
uber dem Meere erhaben ist, da werden Nachtfroste und
Hagel oft dem Getreide schadlich. Mais findet sich fast gar
nicht mehr in zwey tausend vier hundert Meter (i23oToisen)
Hohe. Zwischen drey und vier tausend Meter ( i539
und 2o52 Toisen) ist die Hauptkultur die der KartofFel
{Solarium tuberosum) , deren Wurzel oft eine Grofse von
sechs Zoll erreicht, und dabey mehlreicher und wohlschme-
ckender als in Europa ist. In drey tausend vier hundert
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DER TROPENLANDER. 170"
Meter ( 1 744 Toisen ) Hohen saet man nicht mehr Weitzen ,
sondern blofs Gerste , und auch diese leidet hier augen-
scheinlich von der ma n gel n den Warme. Hier sind wir fast
an die obere Grenze aller Pflanzenkultur gelangt : denn drey
tausend sechs hundert Meter ( i846 Toisen) iiber dem Meere
hort sie ganzlich auf. Die Menschen wohnen hier zerstreut
mitten unter zahlreichen Heerden von Llamas , Schafen ,
Pferden und Rindern , welche sich oft bis in die Region
des ewigen Schnees verlieren. So bietet die Scale des Acker-
baus das Bild menschlicher Industrie , von dem Innern der
Bergwerke bis zu dem beschneyten Gipfel der Andes dar.
Hbhe der vornehmsten Berge auf der Erde.
Da alle physikalischen Erscheinungen , welche in dem
Naturgemalde der Tropen angedeutet worden sind, sich an
die Idee von Messung und Hohe ankniipfen : so schien es
interessant , am Ende dieses Versuchs eine Sammlung der ,
in verschiedenen Erdgegenden gemessenen Punkte beyzu-
fugen. Diese Sanunlung , welche die nachfolgende Ubersicht
enthalt, wird unstreitig denen zu merkwiirdigen Verglei-
chungen Anlafs geben, welche die Natur im Grofsen zu
beobachten und ihre geognostischen Ahndungen durch That-
sachen zu begriinden suehen.
Die Zeichnung selbst stellt die grofsten Hohen dar, zu
welchen Menschen 1 bisher iiber der Meeresflache gelangt
1 Die grofste Tiefe, welche Menschen in Bergwerken unter den Tropen (und
vielleicht irgendwo ? ) erreicht haben , 1st die Mina de Valenciana , -welche funf
hundert und zehn Meter (a63 Toisen) tief ist, deren Tiefetes aber noch tausend
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i 7 6 NATURGEMALDE DER TROPENlANDER.
sind, Saussure's Reise nach dem Mont-Blanc bis vier tausend
sieben hundert fiinf und siebzig Meter (2^0 Toisen), Bou-
guers und La Condamine's Reise nach dem Gipfel des
Corazon vier tausend acht hundert vierzehn Meter (2470
Toisen) hoch , und der Punkt , zu welchem ich an dem Chim-
borazo gelangt bin , fiinf tausend acht hundert zwey und
neunzig Meter (3o23 Toisen), fmden sich darauf bemerkt :
aber alle diese Hohen bleiben noch tief unter der zuruck , zu
welcher sich mein Freund , Herr Gay-Lussac , allein in einem
Luftball iiber Paris am i6ten September 1804 erhoben
hat. Er ist noch vier hundert zwey und siebzig Meter ( 2 43
Toisen) hoher als der hochste Gipfel der Andeskette gelangt
I In sieben tausend und sechzehn Meter (36oo Toisen) senk-
| reenter Hohe hat er wichtige Beobachtungen uber den Magne-
| tismus und iiber die chemische Beschaffenheit des. Luft-
] kreises gemacht. Sein Untemehmen wird stets , als ein schemes
I Denkmal menschlicher Ruhnheit und aufopfernder Liebe
il fiir die Wissenschaften betrachtet werden.
1 i
.eclis hundert fiinf nnd neunrig Meter ( 870 Toisen) iiber der Oberflache der
Sudsee erbaben ist. Die bochsten Werke menscblicber Baukunst (die Pjramiden
des Ckops und das Miinster in Strafsburg) baben bundert drey und vierzig und
bundert xvfej und dreyfsig Meter, oder 74 ™d 68 Toben.
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UBERSIGHT
DURCH MESSUNG BESTIMMTER H6HEN.
±J ie Slammer ist da hinzugefugt, wo die Messung sehr ungewifs scheint*
Die mit H bezeichneten Hohen sind von mir selbst bestimmt , sey es baro~
metrisch oder trigonometrisch. Einige derselben werden wahrscheinlich in der
Folgenoch Heine Veranderungen erleiden, dazurAusarbeitunggegenwartiger
Schrift nicht alle Correctionen mit der Genauigkeit angewandt worden sind,
als es die angestellteij Beobachtungen moglich machen. In dem Bande astro-
nomischer Beobachtungen und barometrischer Messungen werden alle von
mir im Neuen Kontinente bestimmte Hohen sorgfaltig berechnet erscheinen.
Alle indischen und spanischen Namen sind so geschrieben, Yfie die Spanier
in Amerika sie zu schreiben pflegen. Um sie gehdrig auszusprechen , rau(s
man defshalb die Regeln der spanischen Aussprache befolgen. Chimborazo
wird Tschimborasfo 5 PichinchaSvird Pitschinscha 5 Chile wird Tschile, fast
Schile; Quito wird Kito; Cupique wird Cupike; Maranon wird Maranion;
Xalappa wird Chalappa; Xagua wird Chagua, fast Hagua, ausgesprochen.
A.
V
GEMESSENE HOHEN.
In Amerika. Ghimbortxo. •
Cayambc-Urcu
Antisana • • •
Cotopaxi . . .
Rucu-Pichincha
UBER
DER
MEERESFLACHE,
IH
IV
METER*.
TO I SEW.
6544
3358
6275
3220
( 6587
338o
> 5905
3o3o
5954
3o55
5833
2993
5878
3oi6
5753
2952
4868
2498
j 4816
r
2471
NAMEN
DER
BEOBACHTER.
Humboldt.
Bouguer, la Condaminc
Don Jorge Juan und
Ulloa.
Bouguer, la Condaminc.
H.
H.
Bouguer.
Bouguer.
if.(nach der Laplace'sch.
Barometerformel.)
Don Jorge Juan.
25
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178
UBERSICHT
GEMESSENE HOHEN.
UBEK DER
MEERESFLACHE ,
1 ■
METSRH.
Guagua Pichincha
Tungurahua, nach den Ausbrii-j
chenvon 1772 und dergrofeen •
Naturrcvolution von 1797.
Vorher im Jahr 1742 . . . .
Stadt Quito
Stadt Santa - F<£ - de - Bogota . •
Stadt Mexico •
Stadt Popayan
Stadt Cuen<ja ( Provinz Quito ) .
Stadt Loxa ( Provinz Quito ) .
Stadt Caxamarca (Peru) . • .
Stadt Micuipampa (Peru). . •
Stadt Garaccas
Meyerey Antisana (Prov.Qui(o)
Popocatepec (der Vulkan von
Mexico ).
Itzaccihuatl ( Sierra Nevada de
Mexico )•
Sitlaltepetel oder Pico de Ori-
zaba ( Neu - Spanien ).
Nauvpantepetel oder Goffre de
Perote ( Neu - Spanien ).
Nevado deToluca(Neu-Spanien)
Vulkan von Jorullo , aus der
Ebene emporgehoben , 1759.
^ Neu -Spanien).
Eliasberg ( Nordwestkiiste von
Amerika).
Montana de Buen - Tiempo
(ebendaselbst).
.Vulkan von Arequipa (Peru) .
Berg Duida, weatlich von den
Orinoco - Quellen?
4740
4988
5io6
2935
2625
2294
i?56
25i4
i960
2748
3557
Bio
4095
5387
479*
53o5
4026
4607
1204
55i3
4549
2693
255i
m
TO If EH.
2432-
2544
2620
i5o6
1347
1177
901
1290
1006
1410
1825
416
2101
2764
2461
2722 .
2066
2364
618
2829
2334
i382
1309
NAMEN
DER
BEOBACHTER.
La Condamine.
H.
La Condaminc.
H. (nach der Laplace'sch
Barometerfonriel ).
H.
H.
H.
H.
H.
H.
JT.
H.
H.
H.
H.
H.
H.
H.
Expedition der spani*
» schen Seefahrer Quadra
und Galeano.
Espinosa.
jr.
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BESTIMMTER HOHEN.
79
I
B.
C.
D.
GEME&SENE HOHEN.
r
Sattelberg (Silla) von Garaccas.
Tumiriquiri , cine Sandstein
kuppe in Neu - Andalusien,
Gipfel der Blauen Berge von
Jamaica.
Iif derSudsee : Mowna-Roa(Sandwich-Inseln)
In Asien. • . . Tumel Mezereb , Spitze des Ii-
banon.
Ophyr (Sumatra). . . . . .
UBER DER
MEERESFLACHE,
i w
METER*.
In Afrika. . Pico de Tcyde
Tafelberg
Morne de Salazes ( ile de la
Reunion ).
In Europa,
in der Alpen-
eette : Mont - Blanc
Mont -Rose. •
Ortler , in Tyrol
Jungfrau . . •
Finsterahovn
Monch
Schreckhorn
Eiger
Breithorn
GroEsglockner , in Tyrol • •
Alt -Els
Aiguille du Dru
a564
190a
22l8
5024
2906
3950
3705
3701
3689
(43i3)
(4687)
(5 180)
1054
33oo
4775
4728
4660
4736
4699
4180
4362
4114
4079
3983
3902
38 9 8
3713
3794
1 ■
TO IIEV.
i3i6
976
ii38
2578
1491
2027
1901
1899
1893
(2213)
(2405)
(2658)
542
1693
2450
2426
23 9 i
2430
2411
2145
2238
2111
2093
2044
2002
2000
1905
*947
NAMEN
DER
BEOBACHTER.
H.
H.
Edward.
Marchand.
La Billardiire ( Icones
plant. Syria* , dec. I , p. 5).
Marsden.
Cordier.
Johnstone.
Borda (nach Shu k burgs
Barometer-Formel).
FeuilU ( geometrisch )•
Heberdcn (geometrisch).
Man. Hernandez (geom.)
La Caille.
LaCaillCy etwas ungewifs.
Saussure ( nach Shuk-
burgs Formel ).
Pictet (geometrisch).
\Deluc ( theils geometr. ,
( theils barometrisch ).
Saussure.
Etwas ungewifs.
Tralles.
Trallcs.
Tralles.
Tralles.
Tralles*
Tralles.
Etwas ungewife.
Tralles.
Saussure*
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i8o
UBERSICHT
GEMESSENE HOHEN.
Wetterhorn
Frau
Doldenhorn
Col-de-G&mt
Rothorn
Le Gramont . . . n
Buet
Watsmann (Oberbayern) . . .
Fourche de Betta
Schneeberg bey Sterzing • • •
Steinsalz yon S. Maurice in Sa-
voyen.
x Steinsalz der Wasserberge in
Tyrol.
Pet tine, Gipfel des Gothard , .
Fcls bey Pafs-Lug (Salzburg). .
Gipfel des Brenner (Tyrol). .
Montanrert • .
Untersberg (Salzburg). . . .
Hohes tan fen (Salzburg) t • •
Pole (Jura) . '.
Alpenpasse von Deutschland ,
derScbweitz und Frankreich,
pacb Italien :
$ber den Mont-Cervin. .
fiber den eol de Seigne .
fiber den grand S. Bernard •
fiber den col Terret . . .
iiber den petit S. Bernard.
iiber den S. Gothard • . .
fiber den Mont-Cenis • •
fiber den Siinplori . . , .
fiber den Spliigen ....
fiber die Rastadter Tauren.
fiber v den Brenner . . .' .
Dept^chi Gsbirge , nordlich an der Alpen-
kette :
{>chneekoppe (Sehlesien), . •
UBER DER
MEERESFLACHE,
METER*.
3720
36 9 9
3666
3426
2935
2732
3075
2941
2633
2522
2188
1652
2722
2l6l
2066
1859
1800
1648
34io
2461
34?8
2321
2192
2075
2066
2oo5
1925
1559
1420
»w
1 w
T O l S E W i
NAMEN
DER
BEOBACHTER.
1909
1898
1881
1758
i5o6
1402
1578
1509
i35i
1294
1123
848
i397
1109
1060
954
924
920
846
1750
1263
1246
1191
1125
io65
1060
1P29
988
800
729
825
Tralles.
Tralles.
Tralles.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Beet.
Saussure.
Buck.
Saussure.
Buch.
Saussure.
Moll.
Buch.
Sausstjre,
Sohleg,
Schieg.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Saussure.
Scheuchzer,
Moll.
Buch.
Gersdorf.
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"X
BESTIMMTER HOHEN.
181
GEMESSENE HOHEN.
Grofse Rad
Tafelfichte .
Hohe Eule •
Zobtenberg.
Brocken • •
Italian ische Gebirge , siidlich yon der Alpen
kette :
Atna . . . . ,
Legnone (eigentlich noch zur
Lombardischen Alpenkette
gehorig).
Monte - Rotondo (Corsica) • .
Monte- d'Oro (Corsica) . . .
Monte -Grosso (Corsica). . .
Monte -Vellino (Apenninen). •
Erix (Sicilien) •'
Monte -Cervello (Corsica) • •
Vesur
Venda , hochster Gipfel der Eu-
ganaen. .
La Fenestra , ein Gipfel des
Monte -Baldo
Monte -Maggiore, der hochste
Gipfel des Monte -Baldo • •
Gebirgskette der Pyrenaen :
Mont '-Perdu, der hochste Gi-
pfel der spanischen Pyrenaen.'
Vignemale , der hochste Gipfel
der franzosischen Pyrenaen
Le Cylindre .......
Maladette
Erster Thurm des Marbore* •
Neouvielle ......
Breche de Roland, • • •
UBER DER
MEERESFLACHE,
IN
METER*.
i5i2
n5o
1079
721
1062
3338
Pic du Midi.
Le Pic long
> 2806
2672
2652
2237
23 9 3
1187
1826
1198
555
2149
2227
3436
3356
3356
3332
3255
3i88
3i55
2943
2935
2865
325 1
1 n
TOISBR.
776
590
554
370
545
1713
1440
1371
i36i
1148
1228
609.
937
6i5
285
no3
1143
i7«
1727
1722
1710
1670
i636
1619
i5io
i5o6
i4 7 o
1668
N A M E N
DER
BEOBACHTER.
Gersdorf
Gersdorf.
Gersdorf. .
Gersdorf.
Deluc.
Saussure ( nach Shuk-
burgs Formel).
Pini.
Perney.
Perney.
Perney.
Shukburg.
Perney.
Shukburg.
Graf Sternberg.
Graf Sternberg.
Graf Sternberg.
Vidal, Ribouly Ramond.
Michain ,etwas ungewifs.
Vidal.
Vidal und Riboul.
Cordier, etwas ungewifs.
Vidal und Riboul.
Ramond.
Ramond*
Vidal und Riboul.
Michain.
Ramond.
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82
UBERSIGHT BESTIMMTER HOHEN.
GEMESSENE HOHEN.
Ganigou
Pic du Montaigu
Pyrenaen - Passe zwischen
Frankreich und Spanien :
Port de Pinede . . . .
Port de Gavernie • •
Port de Cavarere . .
Pafs des Tourmalet • •
In Frankreich , nordlich von den Pyrenaen :
Montagne de Mezin (Cevennes).
Mont-d'Or
Gantal .
Puy-Mary
UBER DER
MEERESFLACHE,
Col-de-Cabre
Puy-de-Ddme
Le Ballon (Vogesen ) . . .
Mont S. Victor (bey Aix) • .
In Spanien , sudlich von den Pyrenaen :
Picacho de la Yeletta (Sierra Ne-
* vada de Grenada) . .
Pallast von S. Ildefonso. • •
In Schweden : Kinekulle .......
In Island • • Sncefials Jokull . • . . .
Hekla
In Spitzbergen: Parnassus -Berg
i ■
METER*.
2808
278l
2376
25l6
233i
2259
3194
2001
1886
2042
1867
1935
i658
i863
1689
1477
1592
1403
970
2249
n55
3o6
1559
ioi3
1194
I H
TOISBV.
1441
1427
1219
1291
II96
1161
1126
1027.
968
1048
953
993
85i
956
867
768
817
720.
498
1154
593
157
800
520
6i3
N AMEN
DER
BEOBACHTER.
Cassini.
Midhain.
Ramond.
Ramond.
Ramond.
Ramond.
Ramond.
Delambre.
Cassini.
Delambre.
Cassini.
Delambre.
Cassini.
Delambre.
Delambre.
Cassini.
Thulis.
Thalacher.
Thalacher.
Bergmann.
Povelsen.
Povelsen.
Lord Mulgrave.
ENDE.
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5f-
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