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Full text of "Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer"

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IDEEN 



ZU EINER 

GEOGRAPHIE DER PFLANZEN 

NEBST 

EINEM NATURGEMALDE 

DER TROPENLANDER, 

Auf Beobachtungen und Messungen gegriindet , welche vom 1 oten 
Grade nordlicher bis zum 1 oten Grade siidlicher Breite , in den 
Jahren 1799, 1800, 1801 , 180a und i8o3 angestellt worden sind, 

VON 

AL. VON HUMBOLDT UND A. BONPLAND. 



BEARBEITET UND HERAUSGEGEBEN VON DEM ERSTERN. 

MIT EINER KUPFERTAFEL. 

TUBINGEN, BEY F. G. COTTA. 

PARIS, BEY F. SCHQELL (rue des macons-sorbonne, n.* 19). 

1807. 



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VORREDE 

JNa'ch' einer fiihfjahrigen Abwesenheit von 
Europa, nach einem Aufenthalte in Landern , 
von welchen viele nie von Naturkundigen besucht 
worden sind, hatte ich vielleicht eilen durfen , 
eine kurze Schilderung meiner Reise bekannt zu 
machen. Ich hatte mirsogar schmeicheln konnen, 
dafs diese Eile den Wunschen des Publikums 
gemafs gewesen ware , von dem ein grofser Theil 
einen so aufmunternden Antheil an meiner per- 
sonlichen Erhaltung und dem Fortgange meiner 
Unternehmungen geaufsert hat. Aber ich nabe 
geglaubt, dafs es nutzlicher fiir die Wissenschaf- 
ten sey , ehe ich von mir selbst und .den Hinder- 
nissen spreche, welche ich in jenen entfernten 
Weltgegenden zu iiberwinden hatte, die Haupt- 



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ii VORREDE. 

resultate der von mir beobachteten Erscheinungen 
in ein allgemeines Bild zusammenzufassen. Dieses 
Naturgemalde ist das Werk, welches ich gegen- 
wartig den Physikern vorzulegen wage, und dessen 
einzelne Theile in meinen nachstfolgenden Arbei- 
ten naher entwickelt werden sollen. 

Ich stelle in diesem Naturgemalde alle Erschei- 
nungen zusammen, welche die Oberllache unsers 
Planeten und der Luftkreis darbietet, der jenen 
einhullt. Naturkundige , welche den dermaligen 
Zustand unsers empirischen Wissens, besonders 
den der Meteorologie kennen , werden sich nicht 
wundern, so viele Gegenstande in so wenigen 
Bogen behandelt zu sehen. Hatte ich langere Zeit 
auf ihre Bearbeitung verwenden konnen , so wiirde 
. mein Werk nur noch kiirzer geworden seyn : 
denn mein. Naturgemalde sollte nur allgemeine 
Ansichten, sichere und durch Zahlcn auszudrii- 
ckende Thatsachen aufstellen. 



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VORREDE. in 

Seit-meiner friihesten Jugend hatte ich Ideen- 
zu einem solchen Werke gesammelt Den ersten 
.Entwurf zu einer Pflanzen-Geographie legte ich 
meinem Freunde Georg Forster, dessen Namen 
ich nie ohne das innigste Dankgefuhl ausspreche, 
vor. Das Studium mehrerer Theile der physika- 
lisch - mathematischen Wissenschaften , dem ich 
mich nachmals gewidmet, hat mir Gelegenheit 
verschafft, meine ersten Ideen zu erweitern. Vor 
allem aber verdanke ich die Material ien zu dieser 
Arbeit meiner Reise nach den Tropenlandern. 
Im Angesichte der Objekte, die ich schildern 
sollte; von einer machtigen, aber selbst durch 
ihren innern Streit wohlthatigen Natur umgeben ; 
am Fufse des Chimborazo , habe ich den grofsern 
Theil dieser Blatter niedergeschrieben. Ich habe 
geglaubt , ihnen den Titel Ideen zu einer Geogra- 
phic der Pflanzen lassen zu miissen. Jeder andere 
unbescheidnere Titel wiirde die Unvollkommen- 



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I 



iv TOR REDE. 

heit meines Versuchs auftallender und ihn selbst 
der Nachsicht des Publikums unwerther gemacht 
haben. 

Dem Felde der empirischen Naturforschung 
getreu, dem mein bisheriges Leben gewidmet 
gewesen ist , habe ich auch in diesenl Werke die 
mannichfaltigen Erscheinungen mehr neben ein- 
ander aufgezahlt, als, eindringend in die Natur 
der Dinge , sie in ihrem innern Zusammenwirken 
geschildert. Dieses Gestandnifs , welches den 
Standpunkt bezeichnet, von welchem ich beur- 
theilt zu werden hoffen darf , soil zugleich auch 
darauf hinweisen , dafs es moglich seyn wird , 
einst ein Naturgemalde ganz anderer und gleich- 
sam hoherer Art naturphilosophisch darzustellen, 
Eine solche Moglichkeit nahmlich, an der ich vor 
meiner Rufckkunft nach Europa fast selbst gezwei- 
felt; eine solche Reduction aller Naturerscheinun- 
gen, aller Thatigkeit und Gebilde, auf den nie 



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V OR REDE. / v 

beendigten Streit entgegengesetzter Grundkrafte 
der Materie, ist durch das kiihne Unternehmen 
eines der tiefsinnigsten Manner unsers Jahrhun- 
derts begriindet worden. Nicht vOllig unbekannt 
mit dem Geiste des Schellingischen Systems, bin 
ich weit von der Meynung entfernt , als konne 
das achte naturphilosophische Studium den em- 
pirischen Untersuchungen schaden , und als soil- 
ten ewig Empiriker und' Naturphilosopheh als 
streitende Pole sich einander abstofsen. Wenige 
Physiker haben lauter als ich iiber das Unbefrie- 
digende der bisherigen Theorien und ihrer Bil- 
dersprache geklagt ; wenige haben so bestimmt 
ihren Unglauben an den specifiken Unterschied 
der sogenannten Grundstoffe geaufsert. ( f^ersuche 
liber die gereitzte Muskel- und Nervenfaser s $. /, 
S. Zy6 und ^22 ; B. II 3 S. 34 ? 4°* ) Wer kann 
daher auch frohern undinnigernAntheil, als ich, 
an einem Systeme nehmen, das, die Atomistik 



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1 



w 



V 



vi vorrede;. 

untergrabend , und von der auch von mir einst 
befolgten einseitigen Vorstellungsart, alle Differenz 
der Materie auf blofse Differenz der Raumerfiil- 
lung und Dichtigkeit zuriickzufuhren , entfernt , 
helles Licht uber Organismus, Warme, magne- 
tische und elektrische, der bisherigen Naturkunde 
so unzugangliche,, Erscheinungen zu verbreiten 
verheifst ? 

Das Naturgemalde , welches ich hier Hefere , 
griindet sich auf Beobachtungen , die ich theils 
allein, theils mit Herrn Bonpland gemeinschaft- 
lich angestellt habe. Durch die Bande inniger 
Freundschaft viele Jahre lang mit einander ver- 
bunden , die mannichfaltigen Beschwerden thei- 
lend, denen man in unkultivirten Landern und 
unter dem Einflusse bosartiger Klimate ausgesetzt 
ist ^ haben wir beschlossen , dafs alle Arbeiten , wel- 
che als Friichte unserer Expedition zu betrachten 
sind , unsere beyden Namen zugleich fiihren sollen. 



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VORREDE. vii 

Wahrend der Redaction dieses Werks zu Paris, 
habe ich oft des Raths der vortrefflichen Manner 
bedurft, mit denen ich das Gliick habe in genauen 
Verbindungen zu leben. Herr Laplace , dessen 
Name meiner Lobspriiche nicht bedarf , hat seit 
meiner Riickkunft aus Philadelphia die warmste 
Theilnahme an der Ausarbeitung meiner unter 
den Tropen gesammelten Beobachtungen bezeugt. 
Aufldarend was ihn umgibt durch die Fulle seiner 
Kenntnisse und die Kraft seines Genies, ist sein 
Umgang von eben so belebendem wohlthatigem 
Einflusse fur mich geworden, als fur alle junge 
Manner, denen er gern seine wenige Mufse aut 
opfert 

Die Pflichten der Freundschaft fordern mich 
auf , nicht minder dankbar Herrn Biot, Mitglied 
der ersten Klasse des National-Insti tuts, zu nennen. 
Der Scharfsinn des Physikers ist so gliicklich in 
ihm mit der Starke des Mathematikers vereinigt, 



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vin VORREDE. 

dafs auch er mir bey der Bearbeitung meiner Rei- 
sebeobachtungen sehr niitzlich geworden ist. Er 
selbst hat die Tafeln fur die Horizontal-Refraction 
und die Lichtschwachung berechnet. 

MehrereThatsachen iiber die Wanderungen der 
Fruchtbaume, habe ich aus Herrn Sickler s vortreff- 
licher Schrift entlehnt. Herr Decandplle und Herr 
Ramond haben mir interessante Beobachtungen 
iiber den Stand der Gewachse in den Schweizer- 
und Pyrenaischen Gebirgen mitgetheilt. Andere 
verdanke ich den klassischen Schriften meines viel- 
jahrigen Freundes und Lehrers Willdenow. Es 
schien nicht unwichtig, einen Riickblick auf die 
gemafsigte Zone zu werfen ? und die Vertheilung 
europaischer Pflanzen mit der der sudamerikani- 
schen zu vergleichen. 

Herr Delambre hat mein Tableau der Berg- 
hohen mit mehreren , nie bekannt gemachten 
eigenen Messungen vermehrt. Ein Theil der mei- 



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V O R R E D E. ix 

nigen ist nach der neuen Laplaceschen Barome- 
terformel durch Herrn Prony berechnet worden. 
Eben derselbe hat mit der gefalligsten Bereitwil- 
ligkeit die Berechnung von mehr als vier hun- 
dert Messungen iibernommen. 

Ich beschaftige mich gegenwartig mit der Bear- 
beitung des Bandes, welcher meine astronomi- 
schen Beobachtungen enthalten soil. Ein Theil 
derselben ist bereits dem Langen-Biireau in Paris 
zur Pruning vorgelegt worden. Es wiirde voreilig 
seyn, vor der Vollendung dieses astronomischen 
Bandes , die geographischen Karten , welche ich 
gezeichnet , oder die Reisebeschreibung selbst 
herauszugeben , da Lage und Hohe eines Orts 
fast auf alle physikalische und moralische Erschei- 
nungen einen nahern oder entferntern Einflufs 
haben. Ich darf mir schmeicheln , dafs besonders 
die Langen-Bestimmungen, zu denen ich wah- 
rend der miihseligen Schiffahrt auf dem Orinoco, 



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x VORREDE. 

dem Cassiquiare und dem Rio Negro Gelegenheit 
gehabt habe, denjenigen interessant seyn werden, 
welche den mangelhaften Zustand der Geographie 
des Innern von Siid-Amerika kennen. Trotz der 
genauen Beschreibung , welche der Pater Caulin 
von dem Cassiquiare geliefert , haben neuere 
Geographen doch wieder die grofsten Zweifel 
iiber die Verbindungsart des Orinoco mit dem 
Amazonenflusse geaufsert. Da ich selbst in diesen 
Gegenden mit astronomischen Werkzeugen gear- 
beitet habe, so erwartete ich freylich nicht, dafs 
man mich mit Bitterkeit ' tadeln wiirde , wenn ich 
den Lauf der Berge und Fliisse nicht immer in 
der Natur so finde, als sie die Karte von La Cruz 
angibt : aber es ist das gewohnliche Schicksal der 
Reisenden , da zu misfallen , wo sie hergebrachten 
Meinungen widersprechen. Nach vollendeter Her- 

1 Geographie mQderne de PinKerton, traduite par Walkenaer, T. VI, 
p. 174-177. 



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VORREDE. xi 

ausgabe meiner astronomischen Beobachtungen , 
wie der der barometrischen und geodesischen 
Messungen , werden meine ubrigen Arbeiten 
schnell hinter einander dem Publikum vorgelegt 
werden konnen : denn erst nach der Bearbeitung 
aller jetzt vorrathigen Materialien , werde ich 
mich mit der neuen Expedition beschaftigen , 
deren Plan ich entworfen, und von der ich hoffe, 
dafs sie grofse Aufklarung iiber die wichtigsten 
magnetischen und meteorologischen Erscheinun- 
gen verbreiten soil. 

Ich kann die ersten Resultate meiner Reise nach 
den Tropenlandern nicht bekannt machen , ohne 
diese Gelegenheit zu benutzen ? der spanischen 
Regierung, welche fiinf Jahre lang mein Unter- 
nehmen eines so besondern Schutzes gewurdigt 
hat , den Tribut meines tiefen und ehrerbietigen 
Dankes darzubringen. Mit einer Freyheit arbei- 
tend , die vorher nie einem Fremden oder einem 



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VORREDE. 



Privat-Manne zu Theil geworden ist, unter einer 
edeln Nation, die im Drange der Begebenheiten 
ihre Eigenthiimlichkeit erhalten hat, habe ich in 
jenen fern en Weltgegenden fast kein anderes Hin- 
dernifs gekannt, als das was die Natur den Men- 
schen . entgegensetzt. So wird das Andenken an 
meinen Aufenthalt in dem neuen Kontinente stets 
mit dem lebhaftesten Dankgefuhle fur die liebe- " 
voile Behandlung begleitet seyn , welche ich , in 
den spanischen Colonien beyder Hemispharen, 
wie in dem nordamerikanischen Freystaate, von 
alien Rlassen der Einwohner erfahren habe. 



Rom, im- Julius i8o5. 



Al. von Humboldt. 



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IDEEN 



ZU EINER 



GEOGRAPHIE DER PFLANZEN. 



lJ i e Untersuchungen der Naturforscher sind gewohnlich 
nur auf Gegenstande beschrankt , welche einen sehr geringen 
Theil der Pflanzenkunde umfassen. Sie beschaftigen sich 
fast allein mit Aufsuchung neuer Arten , mit Beschreibung 
der aufsern Form derselben, und mit den Kennzeichen, 
nach deren Ahnlichkeit sie in Klassen oder Familien verei- 
nigt werden. 

Dieses physiognomischeStudium der organischenGeschopfe 
ist unstreitig das wichtigste Fundament aller Naturbeschrei- 
bung. Ohne dasselbe konnen selbst diejenigen Theile der 
Botanik, welche auf das Wohl der menschlichen Gesellschaft 
einen mehr unmittelbaren Einflufs zu haben scheinen, wie 
die Lehre von den Heilkraften der Pflanzen , von ihrer 
Kultur und ihrem technischen Gebrauche , keine bedeu- 
tenden Fortschritte machen. So wiinschenswerth es dem- 
nach aber auch ist, dafs viele Botaniker sich ausschliefslich 
diesem weitumfassenden Studium widmen mogen ; so sehr 
auch die natiirliche Verkettung der Formen einer philoso- 
phischen Behandlung fahig ist : so ist es dennoch nicht 



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2 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

minder wichtig die Geographic der Pflanzen zu bearbeiten, 
eine Disciplin , von welcher kaum nur der Name existirt, 
und welche die interessantesten Materialien zur Geschichle 
misers Planeten enthalt. 

Sie betrachtet die Gewachse nach dem Verhaltnisse ihrer 
Vertheilung in den verschiedenen Klimaten. Fast grenzen- * 
los, wie der Gegenstand den sie behandelt, enthiillt sie 
unseren Augen die unermefsliche Pflanzendecke , welche, 
bald diinner, bald dichter gewebt, die allbelebende Natur 
iiber den nackten Erdkorper ausgebreitet hat. Sie verfolgt 
die Vegetation von den luftdiinnen Hohen der ewigen 
Gletscher bis in die Tiefe des Meeres, oder in das Innere 
des Gesteins, wo in unterirdischen Hohlen Kryptogamen 
wohnen , die noch so unbekannt als die Gewiirme sind , 
welche sie nahren. 

Der obere Rand dieser Pflanzendecke liegt, wie der des 
ewigen Schnees, hoher oder tiefer, nach dem Breitengrade 
der Orte oder nach der Schiefe der warmenden Sonnen- 
strahlen. Aber die untere Grenze der Vegetation. bleibt uns 
vollig unbekannt : denn genaue Beobachtungen , welche man 
iiber die unterirdischen Gewachse beyder Hemispharen an- 
gestellt hat , lehren , dafs das Innere der Erde iiberall belebt 
ist r wo organische Keime Raum zur Entwickelung und eine 
sauerstoffhaltige Fliissigkeit zur Ernahrung gefunden haben. 
Jene schroften beeisten Klippen , die hoch iiber der Wol- 
kenschichte hervorragen , sind mit Laubmoosen und Flech- 
tenarten bewachsen. Ihnen ahnliche Kryptogamen breiten, 
bald buntgefarbt, bald von blendender Weisse, ihr weiches 



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DER PFLANZEN. 5 

faseriges Gewebe iiber die Stalaktiten-Wande unterirdischer 
Grotten und iiber das feuchte Holz der Bergwerke aus. So 
nahern sich gleichsam die aufsersten Grenzen der Vegetation, 
und bringen Formen hervor, deren einfacher Bau von den 
Physiologen noch wenig erforscht ist. 

Aber die Pflanzen-Geographie ordnet die Gewachse nieht 
blofs nach Verschiedenheit der Rlimate und Berghohen, in 
welchen sie sich finden ; sie betrachtet dieselben nicht blofs 
nach den wechselnden Graden des Luftdruckes ,- der Tempe- 
ratur , der Feuchtigkeit und elektrischen Tension , unter 
welchen sie sich entwickeln : sie unterscheidet unter den 
zahllosen Gewachsen des Erdkorpers, wie unter den Thieren, 
zwey Klassen 1 , die in ihrem Verhaltnisse gegen einander (und 
so zu sagen in ihrer Lebensweise) weit von einander abstehen. 

Einige wachsen einzeln und zerstreut. So in der gemas- 
sigten Zone, in Europa, $olanum dulcamara, Lychnis dioica, 
Polygonum bistorta, Anthericum liliago , Crataegus aria, 
TVeissiapaludosa, Polytrichumpiliferum, Fucus saccharinus, 
Clavaria pistillaris , und Agaricus procerus : so unter den 
Wendekreisen , im neuen Kontinent, Theophrasta americana, 
Lysianthus longifolius , Hevea , die meisten Cinchona-Arten , 
Vallea stipularis, Anacardiurn caracoli, Quassia simaruba, 
Spondias mombin , Manettia reclinata , und Gentiana 
aphylla. 

Andere Gewachse , gesellig vereinigt , gleich Ameisen und 



1 Ich habe auf diesen Unterschied und auf andere Verhaltnisse der Pflan- 
zen-Geographie schon in meiner Flora Fribergensis (1795) aufmerksam gemacht. 



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4 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

» 

Bienen , bedecken ganze Erdstrecken , von denen sie alle 
von ihnen verschiedene Pflanzen ausschliefsen. Zu dieseh 
gehort das Heidekraut (Erica vulgaris), die Erdbeeren (Fra- 
garia vesca), Vaccinium myrtillus , Polygonum aviculare, 
Cyperus fuscus , Air a canescens, Pinus sylvestris , Sesuvium 
portulacastrum , Rhizophora mangle, Croton argenteum, 
Convolvulus brasiliensis , Brathys juniperina , Escallonia 
myrtilloides, Bromelia liaratas, Sphagnum palustre , Poly- 
trichum commune , Fucus natans, Spharia digitata, Lichen 
hcematomma, Cladonia paschalis , und Thcel&phora hirsuta. 
Ob ich gleich unter diesen geselligen Pflanzen manche 
siidamerikanische mit aufgezahlt habe : so ist ihr Vorkommen 
in den Tropenlandern doch im Ganzen seltener, als in der 
gemafsigten Zone , wo ihre Menge den Anblick der Vegeta- 
tion einformiger und defshalb unmalerischer macht. Von 
dem Ufer des Orinoco bis zu deni des Amazonen-Stroms 
und des Ucayale , in einer Ebene von mehr als drey hundert 
Meilen, ist das Land ein ununterbrochener dichter Wald. 
Hinderten nicht trennende Fltisse , so konnten Affen , die 
fast die ausschliefslichen Bewohner dieser Einode sind , ohne 
die Erde zu beruhren, von Zweige zu Zweige sich schwin- 
gend , aus der nordlichen Hemisphare in die sudliche iiber- 
gehen. Aber diese unermefslichen Waldungen bieten dem 
Auge nicht das ermiidende Schauspiel der geselligen Pflanzen 
dar. Jeder Theil ist mit anderen Formen geschmiickt. Hier 
stehen dichtgedrangt Psychotria , buchenblatterige Mimosen 
und immerbliihende Melastoma : dort verschlingen die 
hohen Zweige Casalpinien ,. mit Vanille umrankte Feigen- 



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DER PFLANZEN. 5 

baume , Lecythis - Arten , und die von gerinnbarer Milch * 
strotzenden Heveen. Rein Gewachs iibt hier verdrangende 
Herrschaft iiber die anderen aus. 

Ganz anders sind die Pflanzen in ,der Gegend der Tro- 
penlander vertheilt, welche an Neu- Mexico und Louisiana 
grenzt. Zwischen dem siebzehnten und zwey und zwan- 
zigsten Grade nordlicher Breite ist eine kalte , zwey tausend 
Meter (6000 Fufs) iiber den Meerspiegel erhabene Gebirgs- 
ebene(Anahuacnennen die Eingeborenen dieses Land), dicht 
mit Eichen und mit einer Tannen - Art bewachsen , welche 
sich dem Pinus strobus naht. Liquidambarbaume , Arbutus 
madronno, und andere gesellige Pflanzen bedecken in den 
anmuthigen Thalern von Xalapa den ostlichen Abfall der 
mexicanischen Gebirgskette. Boden, Klima, Pflanzen, For- 
men , ja die ganze Ansicht des Landes , nehmen hier einen 
Charakter an , welcher der gemafsigten Zone anzugehoren 
scheint , und den man innerhalb der Wendekreise , in glei- 
cher Berghohe , in Siidamerika nirgends beobachtet. Die 
Ursache dieses sonderbaren Phanomens liegt wahrscheinlich 
grofstentheils in der Gestalt des neuen Rontinents, der an 
Breite iibermafsig zunehmend hoch gegen den Nordpol an- 
steigt - y wodurch das Rlima von Anahuac kalter wird , als 
es nach des Landes Lage und Hohe seyn solite. Canadische 
Pflanzen sind so auf dem hohen Gebirgs-Riicken allmahlich 
gegen Suden gewandertj und nahe am Wendekreise des 



1 Kautschuk, durch Absorption des atmosptarischen Oxygens sich aus der 
Milch abscheidend. 



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6 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

Krebses sieht man jetzt die feuerspeyenden Berge von Mexico 
mit denselben Tannen bewachsen, welche den nordlichen 
Quellen des Gila und Missury eigen sind. 

In Europa ist die grofse Katastrophe, welche durch plotz- 
liches Anschwellen der Binnenwasser erst die Dardanellen 
und nachher die Saulen des Herkules durchbrochen und 
das breite Thai des Mittelmeers ausgehohlt hat, dem Ueber- 
gang afrikanischer Pflanzen hinderlich gewesen. Nur die 
wenigen , welche man in Neapel , in Sicilien und in dem 
siidlichen Frankreich findet , sind wahrscheinlich , wie die 
Aflfen von Gibraltar , vor diesem Durchbruche eingewandert. 
Die Kalte der pyrenaischen Gebirgspasse beweist , dafs sie 
unmittelbar von Siiden her, aus dem Berberen-Lande ,'und 
nicht durch Spanien von Sudwesten her, gekommen sind. 
In den folgenden Jahrtausenden hat das landerscheidende, 
aber fur SchifFahrt , gegenseitigen Verkehr und intellectuelle 
Rultur des Menschengeschlechts so wichtige Mittelmeer , 
diese Einwanderung unmoglich gemacht, und die siideuro- 
paische Vegetation kontrastirt defshalb mit der von Nieder- 
Agypten und den nordatlantischen Rusten. Nicht so ist die 
Pflanzen vertheilung zwischen Canada und der mexicanischen 
Landenge. Beyde Lander haben gleichsam ihre Gewachse 
gegen einander ausgetauscht , und die Huge! , welche das 
Thai von Tenochtitlan begrenzen , sind fast mit denselben 
Baumenbedeckt, welche unter dem fiinf und vierzigstenBrei- 
tengrade nordlich vom Rranichgebirge und dem Salzsee von 
Timpanogos, vegetiren. Wenn Ktinstler diesen mexicani- 
schen Theil der Tropenregion besuchten , um in demselben 



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DER PFLANZEN. 7 

den Charakter der Vegetation zu studiren , wiirden sie dort 
vergebens die Pracht und Gestaltverschiedenheit der Aqui- 
noctial - Pflanzen suchen. Sie wiirden in dem Parallel der 
westindischen Inseln Walder von Eichen , Tannen und 
zweyzeiligen Cypressen finden ; Walder , welche die ermu- 
dende Einformigkeit der geselligen Pflanzen von Canada , 
Nordasien und Europa, darbieten. 

Es ware ein interessantes Unternehmen, auf botanischen 
Special -Kar ten die Landerstrecken anzudeuten, welche diese 
gesellige Verbindung von Gewachsen einerley Art auf dem 
Erdboden einnehmen. Sie wiirden sich in langen Ziigen 
darstellen, die, Unfruchtbarkeit verbreitend, alle Rultur um 
sich her verdrangen , und bald als Heiden , bald als uner- 
mefsliche Grasfluren (Steppen, Savanen), bald als undurch- 
dringlicheWaldungen ,demVerkehre desMenschengeschlechts 
fast grofsere Hindernisse , als Berge und Meer , entgegen- 
stellen. So beginnt das Heideland, diese Gruppirung der Erica 
vulgaris. Erica tetralix , des Lichen icmadophila und Lichen 
hcematomma , von der Nordspitze von Jutland , und dehnt 
sich siidlich, durch Holstein und Liineburg", bis iiber den 
zwey und fiinfzigsten Breitengrad hinaus. Von da wendet 
es sich gegen Westen, und reicht, durch die Granitebenen 
von Minister und Breda, bis an die Riisten des englischen 
Oceans. Seit vielen Jahrhunderten herrschen diese Pflanzen 
in den nordischen Landern. Die Industrie der Anwohner , 
gegen Jen e Alleinherrschaft ankampfend, hat ihnen bisher 

'Fast bis 5a n 27'. 



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,/ 



8 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

nur wenig Raum abgewonnen. Aber diese neugefurchten 
Acker , diese Eroberungen des Kunstfleifses , die allein wohl- 
thatigen fur die Menschheit, bilden Inseln von frischem 
Grun in der oden Heide. Sie erinnern an jene Oasen , 
welche den Keim des vegetabilischen Lebens mitten in den 
todten Sandwiisten Lybiens bewahren. 

Ein Laubmoos , Sphagnum palustre , welches den Tropen 
und den gemafsigten Klimaten gleich eigen ist , bedeckte 
ehemals, einen betrachdichen Theil von Deutschland. Die 
haufigen Torfmoore in den baltischen und westdeutschen 
Landern bezeugen, wie weit jene geselKge Pflanze dort 
einst verbreitet war : denn die neueren Moore verdanken 
zwey Sumpf- Kryptogamen , dem Sphagnum und Mnium 
serpillifolium, ihren Ursprung , wahrend dafs der Torf alterer 
Formation aus zusammengehauften Meer-Ulven und koch- 
salzhaltigen Fucus-Arten entstanden ist, und daher oft auf 
einem Bette kleiner Seemuscheln ruht. Durch Ausrottung 
der Walder haben ackerbauende Volker die Nasse des 
Klima vermindert. Die Sumpfe sind nach und nach abge- 
trocknet, und das Sphagnum , welches den Nomaden des 
alten Germaniens ganze Landerstrecken unbewohnbar 
machte , ist durch nutzbare Gewachse verdrangt worden. 

Unerachtet das Phanomen der geselligen Pflanzen der 
gemafsigten Zone hauptsachlich und fast ausschliefslich 
angehort : so liefern die Tropenlander doch auch einige 
Beyspiele davon. Den langen Riicken der Andeskette in 
einer Hohe von drey tausend Meter iiber dem Meere ( fast 
93oo Schuh), bedecken in einformigen Ziigen die gelbblii- 



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DER PFLANZEN. 9 

hende Schite (Brathys juniperina) , Schitimani , (Brathys 
ovata), Jarava, eine Grasart, die dem Papporophorum 
verwandt ist , myrtillblattrige Escallonia , mehrere Arten 
strauchartiger Molinen , und die Tourrettia , dere*n nahrendes 
Mark der Indianer oft aus Durftigkeit den Baren streitig 
macht. In den brennend heifsen Ebenen zwischen dem 
Chinchipe und dem Amazonenflusse wachsen gesellig silber- 
blattriger Croton, Godoya, und die mit farbigen Bracteen 
bedeck te Bougainvittea, In den Grasfluren (Savanen) des 
Nieder-Orinoco wachsen Kyllingia , reitzbare Mimosen , und , 
wo eine Quelle ausbricht , die facherige Morizpalme mit pur- 
purrothen zapfenartigen Friichten. Eben so haben wir im 
Ronigreiche Neu-Granada, zwischen Turbaco und Mahates, 
am Madalenen-Strome , wie an dem westlichen Abfall der 
Schnee-Alpen von Quindiu, fast ununterbrochene Walder 
von Bambus - Schilf und pisangblattrigen Heliconien gefun-^ 
den. Aber diese Gruppen geselliger Pflanzen sind stets 
minder ausgedehnt und seltener unter den Wendekreisen-, 
als in der gemafsigten und kalten Zone der nordlichen Erde. 
Um iiber die ehemalige Verbindung nahegelegener Kon- 
tinente zu entscheiden , grundet sich der' Geognost auf die 
ahnliche Struktur der Kiisten , auf die Schichtung und 
Lagerung ihrer Gebirgsarten , die gleichen Menschen- und 
Thier-Racen , die sie bewohnen , und auf die Untiefen des 
angrenzenden Meeres. Die Geographie der Pflanzen kann 
nicht minder wichtige Materialien fiir diese Art der Unter- 
suchungen liefern. Sie betrachtet die Gewachse, welche 
Ost-Asien mit Kali for ni en und Mexico gemein hat. Sie 



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I 

ii 



1 ». 



I 



10 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

macht es wahrscheinlich , dafs Sud-Amerika sich vor der 
Entwickelung organischer Keime auf dem Erdboden von 
Afrika getrennt, und dafs beyde Rontinente mit ihren ost- 
lichen und westlichen Ufern einst, gegen den Nordpol hin, 
zusammengehangen haben. . Durch sie geleitet kann man in 
das Dunkel eindringen, welches den friihesten Zustand 
unsers Planeten einhiillt , um zu entscheiden, ob nach den 
chaotischen Wasserfluthen die trocknende Erdrinde an vielen 
Orten zugleich mit verschiedenen Pflanzenarten bedeckt 
worden ist, oder ob (nach der uralten Mythe vieler Volker) 
alle vegetabilischen Keime sich zuerst in einer Gegend ent- 
wickelt haben , von wo sie , auf schwer zu ergriindenden 
Wegen und der Verschiedenheit der Rlimate trotzend , 
nach alien Weltgegenden gewandert sind. 

Die Geographie der Pflanzen untersucht , ob man unter 
den zahllosen Gewachsen der Erde gewisse Urformen ent- 
decken , und ob man die specifische Verschiedenheit als 
Wirkung der Ausartung und als Abweichung von einem 
Prototypus betrachten kann. Sie loset das wichtige und oft 
bestrittene Problem, ob es Pflanzen gibt, die alien Rlima- 
ten , alien Hohen und alien Erdstrichen eigen sind ? 

Wenn ich es wagen durfte, allgetneine Folgerungen aus 
dem zu ziehen , was ich selbst in einem geringen Theile 
beyder Hemispharen beobachtet : so sollte ich vermuthen, 
dafs einige kryptogamische Pflanzen die einzigen sind , wel- 
che die Natur uberall* hervorbringt. Dicranum scoparium, 

1 Auch Herr Sctwarz fand €uropaisclie Moose , Funaria hjrgrometrica , Dicranum 



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DER PFLANZEN. 11 

Polytrichum commune, Verrucaria sanguined und Ver- 
rucaria limitata Scopoli, wachsen unter alien Breiten, in 
Europa wie unter dem Aquator , auf dem Riicken hoher 
Gebirge wie an den Meereskusten , iiberall wo sie Schatten 
und Feuchtigkeit finden. 

Am Ufer des Madalenen-Flusses , zwischen Honda und 
der Agyptiaca , in einer Ebene wo das Thermometer unUn- 
terbrochen fiinf und zwanzig bis acht und zwanzig Grade 
< zeigt , am Fufse der Ochroma und des grofsblattrigen Macro- 
cnemum, haben wir Moosdecken gefunden , so dicht gewebt 
und von so frischem Griin , als man sie nur in schwedischen 
oder norddeutschen Waldern beobachtet. Wenn andere 
Reisende behaupten , dafs Laubmoose und alle Kryptogamen 
iiberhaupt in der heifsen Zone selten sind : so liegt der 
Grund dieser Behauptung unstreitig darinn , dafs sie nicht 
tief genug ins Innere der Walder eindrangen , sondern nur 
durre Kiisten oder kultivirte Inseln besuchten. Von den 
Flechten finden sich sogar viele derselben Art unter alien 
Graden der Breite in der Nord- und Siidzone. Sie scheinen 
fast unabhangig vom Einflufse des Rlima, wie die Gebirgs- 
arten , auf denen sie wachsen , und von denen kaum eine 
irgend einem Theile der Erde ausschliefslich zugehort. 

Unter den phanerogamischen Pflanzen kenne ich keine , 
deren Organe biegsam genug sind , um sich alien Zonen 
und alien Hohen des Standorts anzueignen. Mit Unrecht 
hat man drey Gewachsen , der Alsine media , der Fraga- 

glaucum und Biyum serpillifolium , auf den blauen Bergen in Jamaika , deren 
Hohe zwey tausend zwey hundert und sechzehn Meter ( n38Toisen) betragt. 



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12 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

ria vesca und dem Solanum nigrum, den Vorzug dieser 

Biegsamkeit zugeschrieben , dessen sich der Mensch allein 

und einige Hausthiere erfreuen, die ihn umgeben. Schon 

die pensylvanische und canadische Erdbeere ist von unserer 

europaischen verschieden. "Von der letzterrt glaubten wir 

zwar , Bonpland und ich , einige Pflanzen in Siidamerika 

entdeckt zu haben , als wir zu Fufse uber die Schneegebirge 

von Quindiu aus dem Madalenenthale in das Flufsthal des 

Gauca kamen. Die wilde Natur dieses Theils der Andeskette, 

die Einsamkeit jener Walder von Wachspalmen , duftendem 

Styrax und baumartigen Passifloren, die Unkultur der an- 

grenzenden Gegenden; alle diese Umstande scheinen den 

Verdacht auszuschliefsen , als hatten Vogel, oder gar die 

Hand des Menschen, zufallig den Samen dieser Erdbeeren 

verstreut. Fanden wir aber wirklich Fragaria vesca ? Wiirde 

die Bluthe , wenn wir sie gesehen hatten , uns nicht Ver- 

schiedenheiten zwischen der andesischen und europaischen 

Fragaria gezeigt haben , da so manche andere Arten dieses 

Geschlechts durch die feinsten Niiancen von einander ab- 

weichen ? Mehrere deutsche und schwedische Gewachse , 

welche man ehemals auf den Granitklippen des Feuerlan- 

des, der Staateninsel, und an den Kiisten der magellanischen 

Meerenge, beobachtet zu haben glaubte, sind, bey naherer 

Untersuchung des Charakters, von Decandolle, Willdenow* 

und Desfontaines , als analoge, aber von den europaischen 

verschiedene , Species erkannt worden. 

1 Siehe den vortrefllich ausgearbeiteten Abschnitt, Geschichte der Pflanzen -, 
in Willdenovr's Grundr, der Kriwterkunde , iBoa , S. 5o4« 



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DER PFLANZEN. i3 

Ich darf wenigstens mit Zuversicht behaupten , dafs in 
den vier Jahren, die ich in Sudamerika in beyden Hemi- 
spharen herborisirt, ich nie ein einziges wildwachsendes , 
dem neuen Kontinente vor seiner Entdeckung zugehoriges, 
europaisches Gewachs beobachtet habe. Von vielen Pflanzen, 
zum Beyspiel von Alsine media, Solanum nigrum, Sonchus 
oleraceus, Apium graveolens , und Portulaca oleracea, darf 
man blofs behaupten , dafs sie , wie die Volker der kaukasi- 
schen Race , iiber einen betrachtlichen Theil der nordlichen 
Erdstriche verbreitet sind. Ob sie auch in den siidlicheren 
Landern existiren , in welchen man sie bisher noch nicht 
entdeckt hat, ist eine unzubeantwortende Frage. Naturfor- 
scher sind bisher noch so wenig in das Innere des afrikar 
nischen , siidamerikanischen und neuhollandischen Konti~ 
nents eingedrungen ; wir diirfen uns so wenig schmeicheln, 
die Flora dieser Lander vollstandig zu kennen , wahrend 
dafs man in Europa taglich unbeschriebene krautartige 
Gewachse, in dem vielbesuchten Pensylvanien sogar unbe- 
schriebene Baume 1 , entdeckt, dafs es vorsichtiger ist, sich 
iiber diesen Punkt aller allgemeinen apodiktischen Aussprii- 
che zu enthalten. Der Botaniker wiirde sonst leicht in den 
Fehler der Geognosten verfallen , von denen viele den ganzen 
Erdkorper nach dem Modelle der Hiigel 3 konstruiren , welche 
ihnen zunachst liegen. 

Um iiber das grofse Problem von der Wanderung der 

1 Den Oehl ^ Nu&baum , Pjrolaria , Michaux. 

* Der Brocken , der Montmartre , der Vesuv , der Peak von Derbyshire , der 
Saleve und Heinberg. 



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l4 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

Vegetabilien zu entscheiden, steigt die«Geographie der Pflan- 
zen in das Innere der Erde hinab , urn dort die Denkniahler 
der Vorzeit zu befragen , als versteintes Holz , Gewachs- 
Abdriicke , Torflagen , Steinkohlen , Flotze und Damin- 
erde 1 , welche die Grabstatte der ersten Vegetation unsers 
Planeten sind. Betroflfen findet sie siidindische Friichte , 
Palmenstamme , baumartige Farrenkrauter , Pisangblatter 
und den Bambos der Tropenliinder, in den Erdschichten 
des kalten Nordens vergraben. Sie untersucht, ob diese 
Pflanzen heifser Rlimate , wie Elephantenzahne , Tapir- , 
Krokodill- und Didelphis-Gerippe , die man neuerdings in 
Europa entdeckt hat , zur Zeit allgemeiner Wasserbedeckun- 
gen, durch die Gewalt der Meeresstrome vom Aquator her 
in die gemafsigten Zonen angeschwemmt worden sind , oder 
ob einst diese nordlichen Rlimate selbst Pisanggebiische 
und Elephanten , Rrokodille und baumartiges Bambos-Schilf 
erzeugten. 

Die Ruhe , in der man jene indischen Produkte oft fami- 
lienweise geschichtet entdeckt, scheinet der erstern Hypo- 
these , astronomische Griinde scheinen der letztern entgegen 
zu stehen. Aber vielleicht sind grofse Veranderungen der 
Klimate.moglich, ohne zu einer gewaltsamen Bewegung der 
Erdachse und zu Perturbationen seine Zuflucht zu nehmen , 
welche der gegenwartige Zustand der physikalischen Astro- 
nomie wenig wahrscheinlich macht. 

Wenn alle geognostischen Phanomene bezeugen , dafs die 

1 Siehe Steffens geistvolle Abhaudlung in Schellings Zeitschrift fur spekulative 
Physik, B. 1 , S. 160. 



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DER PFLANZEN. 



i5 



Rinde unsers Planeten noch spathin fliissig war ; wenn 
man aus der Natur und aus der Lagerung der Gebirgsarten 
schliefsen darf , dafs die Niederschlage und die Erhartung 
der Felsmassen auf dem ganzen Erdboden nicht gleichzeitig 
erfolgt sind : so sieht man ein , wie bey dem Ubergange 
der Materie aus dem fliissigen in den festen Zustand, wie 
bey dem Erstarren und dem Anschusse der Gebirge um 
gemeinschaftiiche Kerne, eine ungeheure Masse yonWarme- 
stoff frey geworden ist , und wie diese locale Entbindung, 
wenigstens auf eine Zeit lang, die Lufttemperatur einzelner 
Gegenden, unabhangig vom Stande der Sonne, bat erhohen 
konnen. Wurde aber eine solche temporare Erhohung der 
Luftwarme von so langer Dauer gewesen seyn , als es die 
Natur der zu erklarenden Phanomene erheischt ? 

Die Veranderungen , welche man seit Jahrhunderten in 
der Lichtstarke mehrerer Gestirne beobachtet hat, begiin- 
stigen die Vermuthung, dafs dasjenige, welches das Centrum 
unsers Systems ausmacht , ahnlichen Modificationen von 
Zeit zu Zeit unterworfen ist. Sollte eine vermehrte Inten- 
sitat der Sonnenstrahlen einst Tropenwarme iiber die dem 
Nordpole nahen Lander verbreitet haben ? Sind diese Ver- 
anderungen , welche die Tropen - Regionen veroden , und 
Lappland den Aquinoctial - Pflanzen , den Elephanten und 
Rrokodillen , bewohnbar machen wiirden , periodisch ; oder 
sind sie Wirkungen vorubergehender Perturbationen unsers 
Planetar- Systems ? Alle diese Untersuchungen kniipfen die 
Geographie der Pflanzen an die Geognosie an. Lichtver- 
breitend iiber die Urgeschichte der Erde, bietet sie der 



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i6 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

Phantasie des Menschen ein weites und fast noch unbear- 
beitetes Feld dar. 

Die Pflanzen , welche den Thieren in Hinsicht auf Reitz- 
empfanglichkeit der Organe und auf die Natur reitzender 
Potenzen so nahe verwandt sind, unterscheiden sich von 
den Thieren wesentlich durch die Epoche ihrer Wande- 
rungen. Diese , wenig beweglich in .der friihern Kindheit, 
verlassen ihre Heimath erst wenn sie herangewachsen sind: 
jene , an den Boden gewurzelt nach ihrer Entwickelung , 
stellen ihre Reisen noch im Samenkorne , gleichsam im Eye , 
an, welches durch Federkronen , Luftbalge, Fliigelansatze und 
elastische Retten (Elater oder Catenula der Morchantien ) , 
zu Luft- und Wasser - Reisen geschickt ist. Herbstwinde, 
Meeresstrome und Vogel begunstigen diese Wanderungen; 
aber ihr Einflufs , so grofs er auch ist , verschwindet gegen 
den, welchen der Mensch auf die Verbreitung der Gewachse 
auf dem Erdboden ausubt. 

Wenn der Nomade , sey es durch die nachziehende Menge 
an einen Meeresarm gedrangt , sey es durch andere uniiber- 
steigliche Natur-Hindernisse gezwungen, endlich sein irrendes 
Leben aufgibt : so beginnt er sogleich einige zur Nahrung und 
Rleidung niitzliche Thiere und Pflanzen um sich zu versam- 
meln. Diefs sind die ersten Spuren des Ackerbaues. Langsam 
ist bey den nordlichen Volkern dieser Lfbergang aus dem 
Jagerleben zum Pflanzenbaue : friiher ist die Ansiedelung 
bey vielen Bewohnern der Tropenlander. In jener waldrei- 
chen Flufswelt , .zwischen dem Orinoco und dem Maraiion , 
hindert der iippige Pflanzenwuchs den Wilden sich aus- 



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DER PFLANZEN. 17 

schliefslich von der Jagd zu nahren. Die Tiefe und Schnel- 
ligkeit der Strome , Uberschwemmungen , Blutgier der 
Krokodille und Tiegerschlangen ( Boa ) , machen den Fisch- 
fang oft eben so fruchtlos als beschwerlich. Die Natur 
zwingt hier den Menschen zum Pflanzenbaue. Nothgedrungen 
versammelt er einige Pisangstamme, Carica papaya, J atropha 
und nahrendes Arum una seine Hiitte. Dieser Acker , wenn 
man so die Vereinigung weniger Gewachse nennen darf , 
ersetzt dem Indianer viele Monathe lang , was Jagd , Fisch- 
fang und die wildwachsenden Fruchtbaume des Waldes 
ihm versagen. So modificiren Klima und Boden , mehr noch 
als Abstammung, die Lage und die Sitten des Wilden. Sie 
bestimmen den Unterschied zwischen den beduinischen 
Hirtenvolkern und den Pelasgern der altgriechischen Eichen- 
walder, zwischen diesen und den jagdliebenden Nomaden 
am Mississipi. 

Einige Pflanzen , welche der Gegenstand des Garten- und 
A.ckerbaues sind , haben seit den fernsten Jahrhunderten 
das wandernde Menscbengeschlecht von einem Erdstriche 
zu dem andern begleitet. So folgte in Europa die Weinrebe 
den Griechen , das Korn den Romern , Baumwolle den 
Arabern. Im neuen Kontinente haben die Tulteker, aus 
unbekannten nordischen Landern iiber den Gilastrom ein- 
brechend, den Mais iiber Mexico und die siidlichen Gegen- 
den verbreitet. Kartoffeln und Quinoa findet man iiberall 
wo die Gebirgsbewohner des alten Kondinamarca .» durch- 

1 Das Kpni^reich.Neu- Granada. 



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18 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

gezogen sind. Die Wanderungen dieser efsbaren Pflanzen 
sind gewifs; aber ihr erstes und urspriingliches Vaterland 
bleibt uns ein eben so rathselhaftes Problem , als das Vater- 
land der verschiedenen Menschen-Racen , die wir schon in 
den friihesten Epochen, zu welchen Vdlkersagen aufsteigen, 
fast uber den ganzen Erdboden verbreitet finden. Siidlich 
und ostlich vom kaspischen Meere , am Ufer des Oxus 
und in den Thalern von Kurdistan, dessen Berge mit ewi- 
gem Schnee bedeckt sind, findet man ganze Gebiische von 
Citronen-, Granat-, Birnen-und Rirschbaumen. Alle Obst- 
arten, welche unsere Garten zieren, scheinen dort wild zu 
wacbsen. Ich sage scheinen; denn ob diefs ihr urspriingli- 
ches Vaterland sey, oder ob sie dort einst gepflegt, nach- 
mals verwildert sind, bleibt um so ungewisser, als uralt 
die Rultur des Menschengeschlechts, und daher auch der 
Gartenbau, in diesen Gegenden ist. 

Doch lehrt die Geschichte wenigstens , dafs jene frucht- 
baren Gefilde zwischen dem Euphrat und Indus , zwischen 
dem kaspischen See und dem persischen Meerbusen, Europa 
die kostbarsten vegetabilischen Produkte geliefert haben. 
Persien hat uns den Nufsbaum und die Pfirsiche ; Armenien 
(das heutigeHaikia), dieAprikose; Rlein-Asien, den siifsen 
Kirschbaum und die Rastanie 5 Syrien , die Feige , die Gra- 
nate, den Ohl- und Maulbeerbaum geschenkt. Zu Cato's 
Zeiten kannten die Romer weder sufse Kirschen , noch 
Pfirsiche , noch Maulbeerbaume. Hesiod und Homer er- 
wahnen schon des Ohlbaums , der in Griechenland und auf 
den Inseln des Agaischen Meeres kultivirt wurde. Unter 



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DER PFLANZEN. 



*9 



Tarquin dem Alten existirte kein Stamm desselben, weder 
in Italien , noch in Spanien , noch in Afrika. Unter dem 
Consulate des Appius Claudius war das Ohl in Rom noch 
sehr theuer ; aber zu Plinius Zeiten sehen wir den Ohlbaum 
schon nach Frankreich und Spanien verpflanzt. 

Die Weinrebe, welche wir jetzt kultiviren , scheinet Europa 
fremd zu seyn. Sie wachst wild an den Kusten des kaspi- 
schen Meeres, in Armenien und Karamanien. Von Asien 
wanderte sie nach Griechenland , von Griechenland nach 
Sicilien. Phocaer brachten den Weinstock nach dem siid- 
lichen Frankreich , Romer pflanzten ihn an die Ufer des 
Rheins und der Donau. Auch die Vitis-Arten, welche man 
wild in Neu- Mexico und Canada findet, und welche dem 
zuerst von Normannern entdeckten Theile von Amerika 
.den Namen Wineland verschafften , sind von der jetzt uber 
Pensylvanien , Mexico, Peru und Chili verbreiteten Vitis 
vinifera specifisch verschieden. 

Ein Kirschbaum, mit reifen Friichten beladen , schmiickte 
den Triumph des Lucullus. Die Bewohner Italiens sahen 
damals zuerst dieses asiatische Produkt , welches der Dictator 
nach seinem Siege iiber den Mithridates aus deni Pontus 
mitbrachte. Schon ein Jahrhundert spater waren Kirschen 
gemein in Frankreich , in England und Deutschland. 1 

So verandert der Mensch nach Willkiihr die urspriingliche 
Vertheilung der Gewachse, und versammelt um sich die 

1 Einige Bbtaniker behaupten , dais die kleine Varietat von Primus avium in 
Deutschland wild sey. Von Pflaumen und Birnen haben die Romer nur die 
grofseren schoneren Abarten aus Syrien eingefuhrt. 



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20 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

Erzeugnisse der entlegensten Klimate. In Ost- und West- 
Indien , in den Pflanzungen der Europaer , bietet ein enger 
Raum den Raffee aus Yemen , das Zuckerrohr aus China , 
den Indigo aus Afrika , und viele andere Gewachse dar, 
welche beyden Hemispharen zugehoren : ein Anblick, der 
um so interessanter ist , als er in die Phantasie des Beob- 
achters das Andenken an eine wunderbare Verkettung von 
Begebenheiten hervorruft, welche das Menschengeschlecht 
iiber Meer und Land , durch alle Theile der Erde getrieben 
haben. 

Wenn aber auch der rastlose Fleifs ackerbauender Volker 
eine Zahl nutzbarer Pflanzen ihrem vaterlandischen Bode'n 
entrissen , und sie gezwungen hat , alle Klimate und alle 
Berghohen zu bewohnen : so ist durch diese lange Knecht- 
schaft ihre urspriingliche Gestalt doch nicht merklich ver- 
andert worden. Die Kartoffel , welche in Chili drey 
tausend und funf hundert Meter ( fast 11,000 Schuh) hoch 
iiber dem Meere kultivirt wird , tragt dieselbe Bliithe , als 
die , welche man in die Ebenen von Sibirien verpflanzt hat. 
Die Gerste , welche die Pferde des Atriden nahrte ', war 
unbezweifelt dieselbe, als die, welche wir heute noch ein- 
ernten. Alle Pflanzen und Thiere, welche gegenwartig den 
Erdboden bewohnen , scheinen seit vielen Jahrtausenden 
ihre charakteristische Form nicht verandert zu haben. Der 
Ibis, welchen man unter Schlangen- und Insekten-Mumien 
in den agyptischen Katakomben findet , und dessen Alter 
vielleicht selbst iiber das der Pyramiden hinausreicht ; dieser 
Ibis ist identisch mit dem, welpher gegenwartig an dem 



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DER PFLANZEN. 



21 



sumpfigen Ufer des Nils fischt. 1 Diese Uebereinstimmtingen , 
diese Bestandigkeit der Form, beweisen, dafs die kolossali- 
schen Thiergerippe und die wunderbar gestalteten Pflanzen r 
welche das. Innere der Erde einschliefst , nicht einer Ausar- 
tung jetzt vorhandener Species zuzuschreiben sind, sondern 
dafs sie vielmehr einen Zustand unsers Planeten ahnden 
lassen, welcher von der jetzigen Anordnung der Dinge ver- 
schieden, und zu alt ist, als dafs die Sagen des vielleicht 
spater entstandenen Menschengeschlechts bis in ihm auf- 
steigen konnten. 

Indem der Ackerbau die Herrschaft fremder eingewan- 
derter Pflanzen iiber die einheimischen begrundet,werden 
diese nach und nach auf einen engen Raum zusammen ge- 
drangt. So macht die Kultur den Anblick des europaischen 
Bodens einformig, und diese Einformigkeit ist den Wuh- 
schen des Landschaftmalers , wie denen des im Freyen 
forschenden Botanikers , gleich eritgegen. Zum Gliicke fiir 
beyde ist aber diefe scheinbare Ubel nur auf einen kleinen 
Theil der gemafsigten Zone eingeschrankt , in welchem Yolks' 
menge und moralische Bildung der Menschen am meisteh 
zugenommen haben. In der Tropenwelt ist menschliche 
Kraft zu schwach, urn eine Vegetation zubesiegen, welche 
den Boden unserna Auge entzieht, und nichts unbedeckt 
lafst , als den Ocean und die Flujsse. 

Die urspriingliche Heimath derjenigen Gewachse , welche 
das Menschengeschlecht seit seiner friihesten Rindheit zu 

1 Beyde fmdet mau in dem Museum der Naturgeschichte zu Paris neb^u 
einander aufgestellt. 



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22 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

begleiten scheinen , ist in eben solches Dunkel vergraben , 
als das Vateriand der meisten Hausthiere. Wir wissen nicht, 
woher jene Grasarten kamen, auf deren mehlreichen Samen 
hauptsachlich die Nahrung aller kaukasischen und mongo- 
lischen Volker beruht. Wir kennen nicht die Heimath der 
Cerealien, des Weitzens, der Gerste, des Hafers und des 
Rockens. Diese letztere Grasart scheint noch nicht einmal 
von den Rdmern kultivirt worden zu seyn. Zwar suchen 
altgriechische My then den Ursprung des Weitzens in den 
Fluren von Enna in Sicilien 5 zwar haben Reisende behaup- 
tet , die Gerste in Nordasien , am Ufer des Samara *, der in 
die Wolga fliefst , den Spelz in Persien* bey Hamadan , und 
den Rocken in Kreta, wildwachsend entdeckt zu haben: 
aber diese Thatsachen bediirfen einer genauern Untersu- 
chung; es ist so leicht einheimische Pflanzen mit fremden 
zu verwechseln, die, der Pflege und Herrschaft des Menschen 
.entflohen, verwildernd ihre alte Freyheit in den Waldern 
wieder finden. Auch die Gewachse , auf welchen der Reich- 
thum aller Bewohner der heifsen Zone beruht, Pisang, 
Melon enbaume , Cocospalmen , Jatropha und Mais , hat man 
noch nirgends urspriinglich wildwachsend beobachtet. Frey- 
lich habe ich mehrere Stamme der ersteren , fern von mensch- 
Hchen Wohnungen , mitten in den Waldern am Cassiquiare 
und Tuamini gesehen : vielleicht aber hat sie doch die Hand 

1 Im Asiatischen Kaptschak, im Lande Orenburg. 

2 Auf einem Berge, vier Tagereisen von Hamadan, fand Michaux wilden 
Spelz. Er vermuthete , dafa Triticum hjrbernum und Triticum cestivum in Persien 
ein$t ebenfalls wildwachsend entdeckt werden wiirden. 



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DER PFLANZEN. a5 

des Menschen dahin versetzt ; denn der Wilde dieser Regio- 
nen , duster , ernst und mifstrauischen Gemiiths , wahlt ab- 
gelegene Schluchten , urn seine kleinen Pflanzungen anzu- 
legen , Pflanzungen , die er , wechselliebend nach kindischer 
Art , bald wieder verlafst und mit anderen umtauscht. Die 
verwilderten Pisangstamme und die Melonenbaume 1 schei- 
nen dann bald Erzeugnisse des Bodens, auf dem sie sich mit 
einheimischen Gewachsen zusammengesellen. Eben so wenig 
habe ich je erfahren konnen , wo im neuen Kontinente die 
KartofFel wild wachse : diese wohlthatige Pflanze, auf deren 
Kultur sich grofsentheils die Bevolkerung des unfruchtbaren 
nordlichen Europa griindet, hat man nirgends in unkul- 
tivirtem Zustande gefunden, weder in Nordamerika, noch 
in der Andeskette von Neu- Granada, Quito, Peru, Chili 
und Ghiquitos; ungeachtet die Spanier mehreren Gebirgs- 
ebenen den tauschenden Namen ,• Paramo de las Papas > 
geben. 

Durch diese und ahnliche Untersuchungen verbreitet die 
Geographie der Pflanzen Licht iiber den Ursprung des Acker- 
baues, dessen Objekte. so verschieden sind als die Abstam- 
mung der Volker , als ihr Kunstfleifs , und das Klima , unter 
welchem sie wohnen. In das Gebiet dieser Wissenschaft 
gehoren Betrachtungen iiber den Einflufs einer mehr oder 
weniger reitzenden Nahrung auf die Energie des Charakters , 
Betrachtungen iiber lange Seefahrten und Kriege , durch 
welche feme Nationen vegetabilische Produkte sich zu ver- 

1 Ich meyne Carica papaya ; denn Carica posoposa glaube ich oft nwprung- 
lich wild gesehen zu haben. 



1 



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^4 IDEEN ZrU EINER GEOGRAPHIE 

schafFen oder zu verbreiten suchen. So greifen die Pflanzen 
gleichsam in 'die moralische und politische Geschichte des 
Menschen ein : denn wenn Geschichte der Naturobjekte 
freylich nur als Naturheschreibung gedacht werden kann ; so 
jiehmen dagegen , nrich dem Ausspruche eines tiefsinnigen 
Denkers % selbst Naturveranderungen einen acht historischen 
Charakter an, wenn sie Einflufs auf menschliche Begeben- 
heiten haben.. 

Alle diese Verhaltnisse sind unstreitig fur sich schon hin- 
langlich , um den weiten Umfang der Disciplin zu schildem , 
welche wir mit dem nicht ganz passenden Namen einer 
Pflanzen-Geographie belegen. Aber der Mensch , der Gefiihl 
fiir die Schonheit der Natur hat , freuet sich darinn zugleich 
auch die Losung mancher moralischen und asthetischen 
Probleme zu finden. Welchen Einflufs hat die Vertheilung 
der Pflanzen auf dem Erdboden , und der Anblick derselben 
auf die Phantasie und den Kunstsinn der Volker gehabt ? 
worinn besteht der Charakter der Vegetation dieses oder 
jenes Landes ? wodurch wird der Eindruck heiterer oder 
ernster Stimmung modificirt , welche die Pflanzenwelt in 
dem Beobachter erregt ? Diese Untersuchungen sind um 
so interessanter , als sitf unmittelbar mit den geheimnifs- 
vollen Mitteln zusammenhangen , durch welche Landschaft- 
malerey und zum Theil selbst beschreibende Dichtkunst, 
ihre Wirkung hervorbringen. 

Die Natur im Grofsen betrachtet , der Anblick von Fluren 

1 Schelling's System des transcendentalen Idealismus , S. 4i3. 



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DER PFLANZEN. 



25 



und Waldung, gewahrt einen Genufs, welcher wesentlich 
von dem verschieden ist, welchen die Zergliederung eines 
organischen Korpers und das Studium seiner bewunderns- 
wiirdigsten Struktur erzeugt. Hier reitzt das Einzelne die 
Wifsbegierde , dort wirken Massen auf die Phantasie. Wie 
andere Gefiihle erweckt das frische Grim der Wiesen , und 
der dunkle Schatten der Tannen ? Wie andere die Walder 
der gemafsigten Zone und die der Tropenlander , in welchen 
die schlanken Stamme der Palmen hoch iiber dem dick- 
belaubten Gipfel der Hymenaen gleichsam einen Saulengang 
bilden ? Ist die Verschiedenhek dieser Gefiihle in der Natur 
und Grofse der Massen , in der absoluten Schonheit oder 
in dem Rontraste und der Gruppirung der Pflanzenformen 
gegriindet ? Worinn liegt der malerische Vorzug der Tro- 
penvegetation ? Welche physionomischen Unterschiede beob- 
achtet man zwischen den afrikanischen Gewachsen und 
denen von Siidamerika , zwischen den Alpenpflanzen der 
Andeskette und denen der Pyrenaen oder der Gebirge von 
Habesh ? 

Unter der fast zahllosen Menge von Vegetabilien , welche 
die Erde bedecken , erkennt man bey aufmerksamer Beob- 
achtung einige wenige Grundgestalten , auf welche man 
wahrscheinlich alle iibrigen zuriickfiihren kann , und welche 
eben so viele Familien oder Gruppen bilden. Ich begniige 
mich hier siebzehn derselben zu nennen , deren Studium 
dem Landschaftsmaler besonders wichtig seyn mufs. 

1. Bananenform : Pisanggewachse , Musa, Heliconia , Stre- 
litzia. Ein fleischiger , hoher , krautartiger Stamm , aus zarten , 

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$6 



IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIC 



silberweifsen , oft schwarzgeflammten Lamellen gebildet. 
Breite, zarte , -seidenartig glanzende, quergestreifte, fast lilien- 
artige Blatter , von denen die jiingeren , gelblichgriin und 
eingerollt, senkrecht emporwachsen, indem die alteren, vom 
Winde zerrissen , mit den Spitzen , wie die Krone der 
Palmen , abwarts gebeugt sind. Goldgelbe langlichte Friichte, 
traubenartig zusammengehauft. 

2. Palmenform. Ein hoher , ungetheilter , geringelter 
und gegen die Mitte oft bauchiger und stachliger Schaft, 
auf dem sich eine Krone von gefiederten oder facherarti- 
gen Blattern majestatisch erhebt. Am Ende des Stammes 
meist zweyklappige Blumenscheiden , aus welchen die Rispe 
ausbricht. 

3. Form der baumartigen Farrerikrauter. Den Palmen 
ahnlich , aber der Schaft minder hoch und schlank , schwarz- 
rissig , mit zarten und schiefgestreiften , hellgriinen , am 
Rande zierlich gekerbten , fast kohlartigen Blattern. Keine 
Blumenscheiden. 

4- Aloe- Form: Agave, Aloe, Yucca, einige Euphorben, 
Pourretia. Steife, oft blaulichgriine , glatte, stechendspitzige 
Blatter. Hohe Bliithen. Stangel , die aus der Mitte entsprin- 
gen und sich bisweilen kandelaberartig theilen. Einige Arten 
erheben die strahlige Krone auf nackten , geringelten , oft 
schlangenartig gewundenen Stammen. 

5. Pothosform: Arum, Pothos, Dracontium. Glanzende, 
grofse, oft spiefs- und pfeilformige , durchlocherte Blatter. 
Lange, hellgriine , saftige, meist rankende Stangel. Dicke, lang- 
liche Blumen. Kolben, aus weifslichen Scheiden ausbrechend. 



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DER PFLANZEN. 



2 7 



6. Form der Nadelholzer: alle Folia acerosa, Pinus, Taxus, 
Gupressus, einige Proteen , selbst Banksien , Erica-Arten und 
die ( durch angeerbte Monstrositat ? ) ungefiederten neu - hoi- 
landischen Mimosen grenzen an die Pinusform. Die Krone , 
bald pyramidal , wie Lerchenbaume und Cypressen , bald 
schirm- , fast palmartig sich ausbreitend ,. wie Pinus pinea. 

7. Form der Orchideen : Fpidendrum, Serapias, Orchis. 
Einfache , fleischige , hellgriine Blatter , mit buntfarbigen , 
wunderbar gestalteten Bliithen , oft parasitisch; die grdfste 
Zierde der Tropenvegetation. 

8. Mimosenform : Mimosa , Gleditschia , Tamarindus , 
Porlieria. Alle fein gefiederte Blatter, zwischen welchen 
die Blaue des Himmels angenehm durchschimmert. Weit- 
schattige Kronen , oft schirmartig gedriickt. 

9. Mahenform: Sterculia, Hibiscus, Ochroma, Cavanil- 
lesia (Flor. Per.). Dickstammige Baume mit grofsen, wei- 
chen, meist lappigen Blattern (foliis lobatis) und pracht- 
vollen Saulenblumen (Columniferce des Linne). 

10. Rebenform: Lianen, Vitis, Paullinia, Clematis, Mu- 
tisia. Rankende Gewachse mit rissigen holzigen Stammen 
und vielfach zusammengesetzten Blattern. Die Bliithen meist 
in Doldentrauben und Rispen. 

1 1. Lilienform : Pancratium, Fritillaria , Iris. Stammlose 
Gewachse mit langen , einfachen , hellgriinen , zartgestreiften , 
oft schwertformigen und zweyzeiligen , aufrecht stehenden 
Blattern, und mit zarten, prachtvollen Bliithen, bald in 
Scheiden ( Spaihacea des Linne ) , bald ohne Scheiden 
C Coronarias des Linne ). 



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28 IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 

12. Cactusform : die Cerei. Vielkantige , fleischige , blatt- 
lose , oft gestachelte , saulenformig ansteigende , theils kron- 
leuchterartig getheilte Gewachse , mit schongefarbten aus der 
fast unbelebt scheinenden Masse ausbrechenden Blumen. 

1 3.* Casuarinenform : Casuarina , Equisetum. Blattlose 
Gewachse , vom einfachsten aufsern Baue , mit weichen , 
diinnen , gegliederten , in der Lange gestreiften Stangeln. 

i4- Gras- und Schilf- Form. 

i5. Form der Laubmoose. 

16. Form der Blatterflechten. 

17. Form der Hutschwdmme. 

Diese physionomischen Abtheilungen weichen oft von 
denen ab , welche die Botaniker in ihren so genannten na- 
tiirlichen Systemen aufstellen. Bey jenen kommt es allein 
auf grofse Umrisse , auf das an , was den Charakter der 
Vegetation , und folglich den Eindruck bestimmt , den der 
Anblick der Gewachse und ihre Gruppirung auf das 
Gemiith des Beobachters macht. Die eigentlich botanischen 
Rlassificationen griinden sich dagegen auf die kleinsten , 
dem gemeinen Sinne gar nicht auffallenden , aber bestan- 
digsten und wichtigsten Theile der Befruchtung. Es ware 
gewifs ein treffliches, eines gebildeten Kiinstlers wiirdiges 
Unternehmen , die Physionomien jener Pflanzengruppen , 
fiir deren Beschreibung es selbst den reichsten Sprachen 
an Ausdriicken fehlt , nicht in Biichern oder Treibhausern , 
sondern in der Natur selbst , in ihrem Vaterlande zu studi- 
ren , und sie treu und lebendig darzustellen. Hohe Palmen , 
welche die machtigen, federartig gekrauselten Blatter iiber 



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DER PFLANZEN. 



^9 



einGebuschvon Heliconien und Pisanggewachsen schwingen; 
dornige , schlangenartig aufgerichtete Cactusstamme , mitten 
unter bliihenden Liliengewachsen ; ein baumartiges Farren- 
kraut von mexicanischen Eichen umgeben : welche malerische 
Gegenstande fur den Pinsel eines gefuhlvollen Kiinstlers ! 

Auf der Schonheit der einzelnen Formen, auf dem Ein- 
klange oder dem Kontraste, welcher aus ihrer natiirlichen 
Gruppirung entsteht , auf der Grofse der organischen Massen 
und der Intensitat des Grimes beruht der Vegetations- 
Charakter einer Zone. Viele Gestalten , und gerade die 
schonsten , die der Palmen , der Bananengewachse und der 
baumartigen Farrenkrauter und Graser , fehlen ganzlich den 
nordlicheren Erdstrichen. Andere , zum Beyspiele die der 
gefiederten Blatter, sind darinn sehr selten und minder zart. 
Die Zahl der baumartigen Pflanzen ist darinn geringer, ihre 
Krone minder hoch und belaubt, seltener mit grofsen pracht- 
vollen Bliithen geziert , als in den Tropenlandern. In diesen 
allein hat die gestaltende Natur sich ergotzt , alle Pflanzenfor- 
men zu vereinigen. Selbst die der Nadelhdlzer , welche auf deri 
ersten Anblick zu fehlen scheinen , finden sich nicht blofs 
auf dem hohen Riicken der Andes , sondern selbst in den 
warmeren Thalern von Xalapa , und hier und da * bey Loxa. 



1 Tannen , Cypressen und Juniperus sind drey Geschlechter , die sich in Menge 
in der nordlichen Tropenzone , z. B. in Neu- Spanien , finden. Dagegen scheinen 
sie in der siidlichen, wenn gleich auf dem Gehirge ehen so kalten, Tropenzone, 
sehr selten. In der hohen Andeskette von Santa -Fe, Popayan und Quito , habe 
ich kein anderes Nadelholz, als ein Paar Stamme einer Cupressusart , in den 
Waldern von Quindiu und bey Loxa , gefunden, 



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3o 



IDEEN ZU EINER GEOGRAPHIE 



Die Physionomie der Vegetation hat unter dem Aquator 
im Ganzen mehr Grofse, Majestat und Mannichfaltigkeit , 
als in der gemafsigten Zone. Der Wachsglanz der Blatter* 
ist dort schdner, das Gewebe des Parenchyma lockerer, 
zarter und saftvoller. Rolossalische Baume prangen dort 
ewig mit grofseren , vielfarbigeren , duftenderen Blumen, 
als bey uns niedrige, krautartige Stauden. Alte durch Licht 
verkohlte Stamme sind mit dem frischen Laube, der Paul- 
linien , mit Pothos und mit Orchideen gekranzt , deren 
Bluthe oft die Gestalt* und das Gefieder der Colibri nach- 
ahmt, welchen sie den Honig darbietet. 

Dagegen entbehren die Tropen fast ganz das zarte Griin 
der weiten Grasfluren und Wiesen. Ihre Bewohner kennen 
nicht das wohlthatige Gefiihl des im Friihlinge wieder er- 
wachenden , sich schnell entwickelnden Pflanzenlebens. Die 
sorgsame Natur hat jedem Erdstriche eigene Vorzuge ver- 
liehen. Die vegetabilische Fiber , bald dichter , bald lockerer 
gewebt; Gefafse, ausgedehnt und von Saft strotzend, oder 
frtih verengt und zu knorriger Holzmasse erhartend, gro- 
fsere oder geringere Intensitat der Farbe , nach Mafsgabe 
des Desoxidations - Prozesses , welchen der reitzende Licht- 
strahl erregt : diese und ahnliche Verhaltnisse bestimmen den 
Charakter der Vegetation in jeder Zone. 

Die grofse Hohe , zu welcher der Boden sich iiber der 

1 Ein recht eigentlicher Wachsglanz , da dieses Wachs von Proust in Madrid 
chemisch ausgeschieden worden ist. 

a Die Indianer nehmen yon dieser vogelahnlichen Gestalt der Epidendra oft 
die specifischen Namen her. 



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DER PFLANZEN. 3i 

Wolkenregion unter dem Aquator erhebt , gewahrt den Ein- 
wohnern dieser Gegend das sonderbare Schauspiel , dafs sie 
aufser den »Bananengewachsen und Palmen auch yon Pflan- 
zenformen umgeben sind , welche man oft den europaischen 
und' nordasiatischen Rlimaten eigen glaubt. Die heifsen 
Thaler der Andeskette sind mit Heliconien und feinblattri- 
gen Mimosen geschmuckt. Hdher herauf wachsen baum- 
artige Farrenkrauter , und die Pflanze , deren Rinde das 
wohlthatigste Heilmittel gegen das Fieber enthalt. In dieser 
milden Region der Cinchona und weiter aufwarts , erheben 
sich Eichen , Tanrten , Cypressen , Berberis , Brombeerstrau- 
che, Ellern, und eine Menge von Gewachsen, denen'wir 
eine nordische Physionomie zuzuschreiben gewohnt sind. 
So geniefset der Tropenbewohner den Anblick aller Pflan- 
zenformen. Die Erde ofFenbaret ihm auf ein Mai alle ihre 
vielfachen Bildungen , wie die gestirnte Himmelsdecke von 
Pole zu Pole ihm keine ihrer leuchtenden Welten verbirgt. 
Die Volker Europens geniefsen diesen Vorzug nicht. Viele 
Pflanzenformen bleiben ihnen auf immer unbekannt. Die 
krankenden Gewachse , welche Luxus oder Wifsbegierde 
in unsere Treibhauser einzwangt, erinnern uns nur an das, 
was wir entbehren : sie bieten ein verzerrtes, unvollkom- 
menes Bild von der Pracht der Tropen vegetation dar. Aber 
in dem Reichthume und der Kultur der Sprache, in der 
regen Phantasie der Dichter und Maler , finden die Europaer 
einen befriedigenden Ersatz. Der Zauber nachahmender 
Riinste versetzt sie in die fernsten Theile der Erde. Wessen 
Gefiihl regsam fur diesen Zauber, wessen Geist gebildet 



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32 



IDEEN ZU EINER GEOGR. DER PFL. 



genug ist, urn die Natur in alien ihren Thatigkeiten zu 
umfassen , der schaflt sich in der Einsamkeit einer oden 
Heide gleichsam eine innere Welt : er eignet sich zu , was 
die Riihnheit des Naturforschers , Meer und Luft dur,ch- 
schifFend, auf dem Gipfel beeister Berge oder im Innern 
unterirdischer Hohlen , entdeckt hat. Hier sind wir auf den 
Punkt gelangt , wo Kullur der Volker und Wissenschaft 
am unbestrittensten auf das individuelle Gltick einwirken. 
Durch sie leben wir zugleich in dem verflossenen und in 
dem gegenwartigen Jahrhunderte. Um uns versammelnd was 
menschlicher Fleifs in den fernsten Erdstrichen aufgefunden , 
bleiben wir alien gleich nahe. Ja, die Kenntnifs von dem 
innern , geheimen Spiele der Naturkrafte , lafst uns bey 
vielen selbst Schltisse fur die Zukunft wagen , und die Riick- 
kehr grofser Erscheinungen vorher bestimmen. So schafFt 
Einsicht in den Weltorganismus einen geistigen Genufs, 
und eine innere Freyheit, die mitten unter den Schlagen 
des Schicksals von keiner aufsern Macht zerstort werden 
kann. 



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NATURGEMALDE 

DER 

TROPENLANDER, 

Nach Beobachtungen und Messungen , welche 
zwischen dem zehnten Grade nordlicher und 
dem zehnten Grade siidlicher Breite, in den 
Jahren 1799 bis i8o3 angestellt worden sind. 



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Wenn man von der Meeresflache zum Gipfel hoher 
Gebirge emporsteigt, so verandert sich nach und nach die 
Ansicht des Bodens und die Reihe physikalischer Erschei- 
nungen, welche der Luftkreis darbietet. Die Pflanzen der 
Ebene.verlieren sich unter Alpengewachse von mannichfal- 
tiger Bildung. Den hohen Waldbaumen folgt niedriges Ge- 
biisch mit knorrigen Astenj diesem folgen duftende Krauter, 
deren zartwollige Oberflache mit gegliederten Saugrdhren 
besetzt ist. Weiter hinauf , in luftdunneren Hohen , *wachseri 
gesellig die Graser, und an die einformige Grasflur stofst 
die Region der kryptogamischen Gewachse. Flechtenarten 
liegen hier einsiedlerisch unter ewigem Schnee vergraben, 

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34 



NATURGEMALDE 



und bezeichnen die obere Grenze der organischen Schopfung. 
Mit dem Anblicke der Pflanzendecke verandern sich auch 
die Gestalten der Thiere. Andere leben in den hochschat- 
tigen Waldern der Ebene , andere in den Grasfluren der 
Alpen, welche ewig der schmelzende sauerstofFreiche ' Schnee 
benetzt. Selbst das Gestein , die unorganische Masse des 
Erdkorpers, verandert seine Natur, je weiter es sich tiber 
die Meeresflache erhebt. Oft finden sich die spateren Granit 
bedeckenden Formationen nur bis zu einer gewissen Hohe, 
und der Gipfel der Gebirge besteht.aus demselben Urge- 
stein , auf dem alle andere Gebirgsarten zu ruhen scheinen , 
wenigstens so tief , als Menschen bisher in das Innere unsers 
Planeten eingedrungen sind. Oft ist, selbst auf dem hohen 
Rucken der Cordilleren , der Granit unter neueren Forma- 
tionen versteckt. Felsen, vier tausend Meter (2o53 Toisen) 
iiber dem jetzigen Meeresspiegel erhaben , schliefsen eine 
Welt von pelagischen Muscheln und versteinten Rorallen 
in sich. Basaltkuppen , Perlstein , Obsidiane und groteske , 
thurmahnliche , Felsen von Porphyrschiefer sind hier und 
da auf dem Gebirgskamme zerstreut. Ihr Vorkommen legt 
der Geognosie schwer zu losende Probleme auf. Aber nicht 
blofs Pflanzen , Thiere und Gestein , selbst der Luftkreis , 
das Gemisch gasartiger Flussigkeiten , welches die Erde ein- 
hiillt , und dessen obere Grenze wir nicht kennen ; selbst 



1 Sur V Analyse de lair atmospherique , par Humboldt et Gay-Lussac, p.3£. 
Die Luft, welche man aus dem Schneewasser durch Kochen entwickelt, ist 
oxygenreicher als atmospharische Luft, aber nicht als die Luft des Flufs- und 

Regenwassers. 



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DER TROPENLANDER. 55 

der Luftkreis bietet auffallende Verschiedenheiten dar, je 
nachdem man sich von der Ebene entfernt. Warme und 
Druck nehmen ab , indem Trockenheit und elektrische 
Spannung zunehmen. Die Himmelsblaue wifd tiefer und 
dunkler , je mehr man sich erhebt. Die Hohe des Stand- 
orts modificirt zugleich die Abnahme der Sehwere , den 
Warmegrad des kochenden Wassers , die Intensitat der 
Sonnenstrahlen und ihre Refraction. So unendlich gering 
auch , verglichen mit dem Erddurchmesser , der Abstand 
ist, una den wir uns von dem Mittelpunkte des Spharoids 
entfernen : so ist diese Entfernung doch schon hinlanglich, 
uns gleichsam in eine Schopfung zu versetzen , und uns 
grofsere Verschiedenheiten in Naturprodukten und Klima 
bemerken zu lassen , als ein betrachtlicher Wechsel geogra- 
phischer Breite darbieten wiirde. 

Diese Verschiedenheiten sind allerdings alien Zonen eigen, 
wo die Natur hohe Gebirgsketten gebildet hat -. doch sind 
sie minder aufiallend in der gemafsigten Region , als unter 
dem Aquator, wo der Riicken der Cordilleren sich fiinf 
bis sechs tausend Meter (2565 bis 3078 Toisen) iiber die 
Oberflache des Oceans erhebt, und wo jeder Hohe eine 
eigene und unveranderliche Temperatur zugehort. Zwar 
' finden sich in der Nahe des Nordpols Berge , welche den 
Kolossen des Ronigreiches Quito wenig nachgeben , und 
deren Existenz auf den ersten Blick der Meynung ungiinstig 
scheint , als habe die Rotation unsers Planeten auf die An- 
haufung der Gebirgsmassen unter den Tropen gewirkt. Der 
Elias-Berg auf der Nordwest-Kiiste von Nord - Amerika , 



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36 NATURGEMALDE 

unter 6o° 21'ndrdlicher Breite, erhebt sich zu einer Hohe 1 
von fiinf tausend vier hundert ein und vierzig Metern 
(2792 Toisen) ; der Pico de Buen Tiempo erreicht eben- 
daselbst die Hohe von vier tausend vier hundert neun und 
achtzig Metern (23o4 Toisen). In unserer mittlern Breite 
von fiinf und vierzig Graden hat der Mont - Blanc vier 
tausend sieben hundert vier und fiinfzig Meter (244° Toisen), 
und ich glaube, man darf ihn als den hochsten Gipfel des 
alten Kontinentes betrachten, so lange als die Berge von 
Pue-Koachim a (das heifst das nordliche Schneeland, Tibet) 
und die nordwestlichen Gebirge von China , welche , der 
Sage nach , hoher als der Chimborazo sind , ungemessen 
bleiben. 

Aber unter fiinf und vierzig und sieben und vierzig 
Graden nordlicher Breite in der gemafsigten Zone senkt 
sich die untere Grenze des ewigen Schnees, welche zu- 
gleich auch fast die Grenze alles organischen Lebens ist, 
bis zwey tausend fiinf hundert und dreyfsig Meter ( 1 3oo 
Toisen) herab. Urn die Fulle verschiedenartiger Thier- und 
Pflanzenformen zu entwickeln , um die Mannichfaltigkeit 
meteorologischer Erscheinungen hervorzubringen , bleibt 
demnach der Natur auf dem Abhange der Gebirge in unserm 
mildern Erdstriche kaum die Halfte des Raumes, welchen 
ihr die Tropen darbieten , wo in den Cordilleren die Vege- 

1 Relacion del Viaje hecho por las Golettas Sutil y Mexicana en el A. 1792, 
para reconocer el Estrecho de Fuca (por D. n Dionisio Galeano y D. a Cay eta no 
Valdes), p. 122. 

* Samuel Turner's Gesandschaftsreise nach Bootan , S. 5oo. 



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DER TROPENLANDER. ' 5j 

tation erst in einer Hohe von vier tausend sieben hundert 
und neunzig Metern (2460 Toisen) aufhort. In den Gebir- 
gen der nordlichen Himmelsstriche erhoht im Sommer die 
Schiefe der auffallenden Sonnenstrahlen und die ungleiche 
Dauer der Tage so sehr die Temperatur des Luftkreises , 
dafs der Unterschied der Warme in der Ebene und in 
funfzehn hundert Meter ( 7 5o Toisen) Hohe oft fast ganz 
' unbemerkbar wird : defshalb finden sich viele Pflanzen, 
welche am Fufse unserer Alpen wachsen , auch auf den 
hohen Gipfeln derselben. Die kalten Herbstnachte zerstoren 
nicht ihre Organisation. Derselben Erniedrigung der Tempe- 
ratur wtirden diese Gewachse einige Monathe spater auch 
in der Ebene ausgesetzt seyn. Einige Gebirgspflanzen der 
Pyrenaen und der sudspanischen Schneekette (Sierra nevada 
de Grenada ) wandern tief in die Thaler herab. Sie finden 
dort eine Warme , welche sie bisweilen auch , wenn gleich 
auf kiirzere Zeit, in hdheren Standpunkten erfahren hatten. 
Unter den Wendekreisen dagegen, in einer senkrechten 
Hohe von vier tausend und acht hundert Metern (2400 Toi- 
sen) auf dem weiten Berggelander , welches von den Pal- 
men- und Pisanggebiischen der meeresgleichen Ebene bis 
zum ewigen Schnee ansteigt, folgen die verschiedenen KJi- 
mate , gleichsam schichtenweise liber einander gelagert. In 
jeglicher Hohe erleidet die Luftwarme das ganze Jahr hin- 
durch nur unbedeutende Veranderungen. Das Gewicht der 
Atmosphare , ihre elektrische Ladung , ihre Feuchtigkeit , 
alles ist regelmafsigen , periodischen Veranderungen unter- 
worfen, deren unwandelbare Gesetze urn so leichter zu 



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38 NATURGEMALDE 

entdecken sind, als die Erscheinungen unverwickelter , min- 
der in Perturbationen versteckt sind. Aus diesem Zustande 
der Dinge folgt , dafs junter den Tropen jeder Hohe eigene 
Bedingnisse zugehoren, und dafs diese Bedingnisse eine so 
grofse Verschiedenheit organischer Formen begriinden , dafs 
in der peruanischen Andeskette ein Gebirgsabhang von tau- 
send Metern (5oo Klaftern) mehr Mannichfaltigkeit in Na- 
turerzeugnissen darbietet , als eine vierfach grofsere Flache 
in der gemafsigten Zone. 

Ich habe es gewagt , ein physikalisches Gemalde der Aqui- 
noctiallander zu entwerfen. Ich habe versucht, alle Erschei- 
nungen zusammenzustellen , welche der Boden und der 
Luftkreis , von den Kusten des stillen Meeres an bis zum 
Gipfel der Cordilleren, dem Beobachter darstellt. Dasselbe 
Gemalde umfafst 

Vegetation ; 

Thiere ; 

Geognostische Verhaltnisse ; 

Ackerbau ; 

Luftwarme ; 

Grenzen des ewigen Schnees; 

Elektrische Tension der Atmosphare; 

Abnahme der Gravitation; 

Dichtigkeit der Luft; 

Intensitat der Himmelsblaue ; 

Schwachung des Lichts beym Durchgange durch die 
• Luftschichten ; 

Strahlenbrechung am Horizonte und Siedhitze des 



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DER TROPENLANDER. 39 

Wassers in verschiedenen Hdhen uber der Meeres- 

flache. 
Una die Erscheinungen der Tropenlander leichter mit 
denen der gemafsigten Zone zu vergleichen , sind noch an- 
dere Verhaltnisse , zum Beyspiel, 

Berghohen in verschiedenen Weltgegenden , nebst den 

Entfernungen , in welchen sie ohne irdische Strah- 

lenbrechung sichtbar seyn wurden , 
hinzugefugt worden. 

Dieses Naturgemalde beruhrt demnach gleichsam alle Er- 
scheinungen , mit deneri ich mich ftinf Jahre lang wahrend 
meiner Expedition nach den Tropenlandern beschqftigt habe. 
Es enthalt die Hauptresultate der Arbeiten, welche ich in 
den folgenden Banden naher entwickeln werde. Eine solche 
Schilderung der Natur heifser Klimate schien mir nicht blofs 
an sich selbst interessant fur den empyrischen Physiker; 
sondern ich schmeichelte mir auch , dafs sie besonders lehr- 
reich und fruchtbar durch die Ideen werden wiirde, die sie 
in dem Geiste derer erregen konnte, welche Sinn fiir allge- 
meine Naturlehre haben und dem Zusammenwirken der 
Rrafte nachspiiren. In der grofsen Verkettung von Ursachen 
und Wirkungen darf kein StofF,. keine Thatigkeit isolirt 
betrachtet werden. Das Gleichgewicht , welches mitten 
unter den Perturbationen scheinbar strei tender Elemente 
herrscht, diefs Gleichgewicht geht aus dem freyen Spiel dy- 
namischer Rrafte hervor; und ein vollstandiger Uberblick 
der Natur, der letzte Zweck alles physikalischen Studiums, 
kann nur dadurch erreicht werden, dafs keine Kraft, keine 



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4o NATURGEMALDE 

Formbildung vernachlafsigt , und dadurch der Philosophic 
der Natur ein weites, fruchtversprechendes Feld vorberei- 
tet wird. 

Wenn ich einer Seits hoffte , dafs mein Naturgemalde 
neue und unerwartete Ideen in denen erzeugen konnte , 
welche die Miihe nicht scheuen eine Zusammenstellung zahl- 
reicher Thatsachen zu studiren : so glaubte ich andrer Seits 
auch , dafs mein Entwurf fahig ware die Einbildungskraft 
zu beschafligen , und derselben einen Theil des Genusses 
zu verschaffen , welcher aus der Beschauung einer so wun- 
dervollen , grofsen , oft furchtbaren und doch stets wohl- 
thatigen Natur entspringt. Diese Fulle organischer Gestalten , 
auf dem schroffen Abhange des Gebirges familienweise ver- 
theiltj dieser Ubergang vom iippigen Wuchs der Palmenwal- 
der und der von Saft strotzenden Heliconien zur diirfligen 
Vegetation der ewigbeschneiten Grasflur; diese Pflanzen 
und Thiergestalten durch das Klima jeder Berghohe und 
den Luftdruck bestimmt; diese glanzende Schneedecke, 
welche «dem Organismus uniibersteigbare Grenzen setzt, 
aber diese Grenzen unter dem Aqua tor zwey tausend zwey 
hundert Meter (1100 Toisen) hoher hinaufschiebt als in 
unsrer gemafsigten Zone; das unterirdische Feuer, durch 
unbekannte Krafte und Stoffe ernahrt, bald in niedrigen 
Hiigeln ausbrechend wie im Vesuv, bald in fiinfFach hohe- 
ren Vulkanen wie im kegelformigen Gipfel des Cotopaxi ; 
diese Meeresmuscheln , welche der Bergbewohner auf iso- 
lirten Klippen viele tausend Meter iiber der Meeresflache. 
anstaunt , und welche ihn an die friihesten Ratastrophen 



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DER TROPENLANDER. 



4t< 



der Vorwelt erinnern ; diese einsamen Luftregionen end- 
lich , zu welchen kiihner Muth und edle Wifsbegierde den 
Aeronauten ' leitet : alle diese Gegenstande , in ein Natur- 
gemalde vereinigt, sind gewifs fahig die Phantasie auf das 
vielfachste zu beschaftigen, und in ihr neue und lebendige 
Bildungen zu gestalten. Auf diese Weise behandelt, konnte 
eine Schilderung der Tropen-Natur Wifsbegierde und Einbil- 
dungskraft zugleich riahren , und zum Studium der Physik 
selbst diejenigen anreitzen , welchen bisher diese reiche 
Quelle des intellectuellen Genusses verschlossen geblieben ist. 

Indem ich diese Ideen entwickle , rede ich nicht sowohl 
von der Arbeit, welche ich in diesem Werke liefere, als 
vielmehr von der Ausfiihrung, deren ich ein Naturgemalde 
der Aquinoctial-Lander fahig halte. Der gegenwartige Yersuch 
bedarf der Nachsicht des Publikums urn so mehr, als er 
mitten unter den heterogenesten Beschaftigungen ausgear- 
beitetworden ist. Gestatten neue Unternehmungen , zu denen 
ich mich vorbereite , mir kiinftig Mufse und Ruhe : so hoffe 
ich , diesem Naturgemalde eine grofsere Vollstandigkeit zu 
geben ; denn botanische Karten werden das Schicksal der 
bisher sogenannten geographischen haben , und sich ihrer 
Vollkommenheit allmahlig nur dadurch nahern , dafs sich 
die Zahl genauer Beobachtungen und Messungen vermehrt. 

Ich habe die erste Skizze dieser Arbeit an der Kiiste der 
Sudsee , im Hafen Von Huayaquil entworfen im Februar 
i8o3, als ich von Lima zuriickkehrte , und mich zu der 

1 Herrn Gay-Lussac's Yersuche, im September 1804. 



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42 NATURGEMALDE 

SchifTahrt hach Acapulco vorbereitete. Eine Copie dieser 
Skizze schickte ich sogleich Herrn Mutis nach Santa -Fe- 
de -Bogota. Dieser vortreffliche Botaniker, mit dem ich in 
den innigsten Freundschaftsverhaltnissen gelebt, ware mehr 
als irgend jemand im Stande gewesen meine Beobachtungen 
zu berichtigen , und sie durch die seinigen zu erweitern. 
Vierzig Jahre lang bat er das Kdnigreich Neu- Grenada 
durchreist , und die Tropenpflanzen auf alien Hohen unter- 
sucht , in den durren Sandebenen von Carthagena , an 
den schonen Ufern des Madalenen - Stromes , wie auf den 
Hiigeln von Turbaco, wo Gustavia augusta, Nectandra san- 
guined und die kolossalischen Stamme des Anacardium 
Caracoli ein dickes Gebiisch bilden. Herr Mutis hat einige 
Jahre lang auf den hohen Gebirgsebenen von Pamplona 
4ind Mariquita , andere Jahre am ostlichen Abfall der 
Andeskette , nahe bey dem Stadtchen Ibague gelebt , einem 
Aufenthalte, der durch ewige Milde der Luft, iippigen 
Pflanzenwuchs und malerische Berggehange auch mir un- 
vergefslich geworden ist. Kein anderer Botaniker hat mehr 
Gelegenheit gehabt, wichtige Beobachtungen iiber die Geo- 
graphic der Pflanzen einzusammeln, da er wahrend des Her- 
barisirens stets barometrische Hohenmessungen angestellt , 
und die hohen Gipfel der Cordilleren so vielfaltig bestiegen 
hat } Gipfel , auf welchen Escallonia myrtilloides , Wvntera 
granatensis und die ewig bliihende Befaria (Bejaria), die 
Alpenrose der Tropenwelt, den fast nackten Felsen bedecken. 
Auch Herr Hanke , welcher den ungliicklichen Alessandro 
Malaspina auf seiner SchifTahrt begleitet hat , wird viele Mate- 



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DER TROPENLANDER. 



45 



rialien zu einer Arbeit wie die meinige besitzen. Zehn Jahre 
lang durchstreift er mit rastlosem Eifer die Andeskette von 
Cochabamba , einen Arm , der die Gebirge von Potosi mit den 
brasilianischen vereinigt. Nicht minder wichtige Beobach- 
tungen fur die Pflanzen-Geographie haben wahrscbeinlich die 
Herren Sesse und Mocino gesammelt, welche, mit den vege- 
tabilischen Schatzen von Neu-Spanien beladen , so eben nach 
Europa zuriickgekehrt sind. Sie haben in einem Lande 
gearbeitet , wo die Vegetation sich von den brennendheissen 
Riisten von Vera- Cruz und Yucatan bis zum ewigen Schnee 
der Vulkane, bis zum Sitlaltepetl (Pico de Orizaba) und 
zum Popocatepec erhebt. Leider aber hat mein Aufenthalt 
in Mexico und in den nordamerikanischen Freystaaten mich 
gehindert mit alien diesen gelehrten Botanikern in Verkehr 
zu treten , und ihren Rath bey der Ausarbeitung dieses Natur-* 
gemaldes zu benutzen. 

Die Zeichnung, welche ich selbst in Huayaquil entwor- 
fen , ist in Paris von einem grofsen Kiinstler , Herrn Schon- 
berger , weiter ausgefuhrt worden. Um dieser Ausfuhrung 
diejenige Vollendung zu geben ,. welche zum Kupferstich 
nothig ist, hat Herr Turpin die letzte Hand daran gelegt. 
Ein Bild, welches an nebenstehende Scalen profilartig ge- 
bunden ist, kann an sich keiner sehr malerischen Aus- 
fiihrung fahig bleiben. Alles was geometrische Genauigkeit 
erheischt , ist dem EfFekt entgegen. Die Vegetation sollte 
eigentlich blofs als Masse sichtbar seyn , und daher wie in 
militarischen Planen angedeutet werden. Doch habe ich 
geglaubt, dafs ich es mir erlauben diirfte, in der Ebene 



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44 NATURGEMALDE 

(gleichsam im Vorgrunde) die zartblattrigen Pisanggebiische 
und die hohen Stamme der Palmen bestimmter auszudrii- 
cken. Man sieht Musagewachse und Facherpalmen allmahlig 
sich in kleinblattrige Laubbaume, diese sich in niedriges 
Gestrauch , das Gestrauch sich in die Grasflur verlieren. Die 
Region der Graser reicht so weit als die lockere Erdschicht, 
welche diinner und diinner sich iiber dem Berggipfel aus- 
breitet. Moose , inselformig an den kliiftigen Felswanden 
vertheilt, Blatterflechten und buntfarbige Psoren bestimmen 
stufenweise die obere Begrenzung der Pflanzendecke. Ge- 
schmackvoller ware vielleicht das Ganze ausgefallen, wenn 
keine Zahl , keine Beobachtung um den Umrifs der An- 
deskette selbst geschrieben worden ware. Aber in dieser 
geographischen Vorstellung sollten zwey sich oft fast aus- 
schliefsende Bedingungen zugleich erfiillt werden, Genauig- 
keit der Projection und malerischer Eflfekt. Wie weit es uns 
gegluckt ist diese Schwierigkeit zu iiberwinden , miissen wir 
der Entscheidung des Publikums iiberlassen. 

Das Naturgemalde der Tropenlander umfafst alle physi- 
kalischen Erscheinungen , welche die Oberflache der Erde 
und der Luftkreis von dem loten Grade nordlicher bis zum 
loten Grade siidlicher Breite darbietet. Pflanzen- und Thier- 
formen , und vorziiglich die meteorologischen Phanomene , 
nehmen, im neuen Welttheile, vom loten bis zum 23sten 
Grade der Breite einen der Aquatorregion so ganz unahn- 
lichen Charakter an , dafs es unrichtig gewesen ware dasselbe 
Naturgemalde bis an die Wendekreise selbst auszudehnen. 



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DER TROPENLANDER. 



45 



Nach den geodesischen Messungen , welche ich im Konigreich 
Neu-Spanien angestellt, senkt sich die untere Schneelinie 
unter neunzehn Graden ndrdlicher Breite noch nicht tiefer 
als vier tausend sechs hundert Meter (236o Toisen) herab , 
das heifst, der ewige Schnee fangt dort nur um zwey hundert 
Meter (io4 Toisen) frtiher als unter dem Aqua tor an. Dage- 
gen geben die Nahe der gemafsigten Zone ; die Stromungen 
in den oberen Luftregionen ; der Einflufs, den in jeder Hemi*- 
sphare der nahere Pol auf die abweichende Richtung der 
Passatwinde ausubt, und andere Ursachen, welche von der 
Konfiguration des Kontinents abhangen, den unter dem 
sosten und a3sten Breitengrade gelegenen Landern ein 
Klima und einen Vegetationscharakter , den man unter den 
Tropen kaum erwarten sollte. Im Lande Anahuac (im jetzi- 
gen Neu-Spanien) wachsen die Tannen (Pinus) bis drey 
tausend neun hundert vier und dreyfsig Meter (2019 Toisen) 
hoch iiber der Meeresflache; und kaum sechs hundert funf- 
zig Meter (332 Toisen) unterhalb der Schneegrenze habe ich 
noch Stamme von neun Decimetern (3 Fufs) Dicke gefunden , 
wahrend dafs siidlicher unter dem 5ten und 6ten Breiten- 
grade hohe Baume kaum noch auf Bergen von drey tausend 
fiinf hundert Metern (1795 Toisen) wachsen. In der Insel 
Cuba sinkt das Thermometer an der Meereskiiste im Win- 
ter bisweilen bis zum Eispunkte 1 herab. Ganze Tage erhalt 

* * ' ' 1 ■ I 1 , . > , 1 1 ^ ! | ■ ■ , 1 1 , , w^^^m^mm^m 

$ 

1 Wo nicht das Gegentheil ausdriicklich bemerkt ist, wird in dieser Schrift 
die Warme stets nach dem hunderttheiligen ( Reaumurschen ) Quecksilberther- 
mometer bestimmt. Unter Meilen verstehe ich Seemeilen, zwanzig auf einen 
Grad, jede zu fiinf tausend fiinf hundert fiinf und funfzig Metern (a85o Toisen). 



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46 NATURGEMALDE 

es sich auf sieben Graden , wahrend dafs man es auf der 
Riiste von Vera- Cruz und in S. Domingo, in einer wenig 
siidlichern Breite ■■, nie unter siebzehn Graden sieht. In Neu- 
Spanien ist Schnee in den Strafsen der Hauptstadt Mexico, 
im Ronigreich Michoacan ist er in Valladolid selbst gefallen j 
obgleich beyde Stadte nur zwey tausend zwey hundert vier 
und achtzig Meter (1174 Toisen) und tausend acht hundert 
siebzig Meter (959 Toisen) iiber der Meeresflache erhaben 
liegen. Zwischen dem Aquator und dem 4ten Breitengrade 
hat man dagegen unter vier tausend Metern (ao52 Toiaen) 
Hohe nie schneien sehen. Alle diese Verschiedenheiten be- 
weisen hinlanglich , dafs ein Naturgemalde der aquatornahen 
Lander nicht die ganze heifse Zone zugleich umfassen kann, 
Mein Naturgemalde stellt einen senkrechten Durchschnitt 
nach einer Flache dar, die durch den Riicken der Andes- 
kette, von Osten gegen Westen", gerichtet ist. Man unter- 
scheidet in der Zeichnung gegen Westen die Riiste der 
Sudsee, eines Oceans, welcher in dieser Gegend allerdinga 
den Namen des friedlichen oder stillen Meeres verdient : 
denn vom 12, ten Grade siidlicher bis zum 5 ten Grade nord- 
licher Breite , nicht aber ausserhalb dieser Zone , wird seine 
Oberflache durch keine Sturme beunruhigt. Zwischen dem 
Meeresufer und der hohen Cordillere befindet sich das merk- : 
wiirdige Thai Cuntisuyu 1 (der westliche Theil des Ronig- 
reichs Peru), welches sich weit von Siiden gegen Norden 
erstreckt, aber kaum zwanzig bis dreyfsig Seemeilen breit 

1 Gleichsam das Westland in der politischen Eintheilung der Incas- Lander. 
Garcilasso Comentarios reales , T. I, p. 47. 



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DER TROPENLANDEB. 



47 



ist. Diefes Langenthal , oder vielmehr diese meemahe Ebene , 
ist von 4° So' sudlicher Breite an , gegen Quito oder Chin- 
chasuyu hin , mit einer uppigen kraftvollen Vegetation er- 
fullt; sudlicher als jener Parallelkreis findet man eine ode, 
traurige Sandwiiste. Von den Hiigeln von Amotape an bis 
gegen Coquimbo hin kennen die Einwohner dieser Steppe 
weder Regen noch Donnerwetter , wahrend dafs jenseits 
dieser Hugel , gegen Norden hin , die Wasser viele Monathe 
hindurch , unter tosenden , elektrischen Explosionen , wol- 
kenbruchahnlich aus der verfinsterten Luft herabstiirzen. 

Ich habe das Profil der Andeskette ihren hdchsteii Gip- 
fel , den Chimborazo , durchschneiden lassen , welcher unter 
i° 27' sudlicher Breite und o° 19' westlich vom Meridian 
von Quito liegt. Die Hohe dieses Kolosses ist dreymal im 
Jahr 1741 durch die franzosischen und spanischen 1 * Astro- 
nomen, und im Jahr 1802 durch mich selbst gemessen 
worden. Da diese Messungen halb geodesisch , halb barome- 
trisch sind 5 da , je grofser die Hohenwinkel ausfallen sollen , 
um so h©her die Ebene ist , auf welcher man die Grund- 
linie zwischen den Standzeichen mifst ; und da in dem Calcul 
so betrachtlicher Hohen wahrscheinlich ganz verschiedene 
Barometer- und Refraction sformeln befolgt worden sind : 
so darf man sich nicht wundern, dafs die dem Chimborazo 
bisher zugeschriebenen Hohen so iiberaus verschieden aus- 

- - 1 ' - ■ 

1 Auf einer Karte des Deposito hydrografico de Madrid, liest man beym 
Chimborazo die Zahl 7496 varas. Da diese Zahl genau mit Bouguer's 3217 
Toisen zusammentrift : so vermuthe ich fast , dafs Malaspina's Expedition den 
Chimborazo nicht gemessen habe. 1 Toiae = a,33i6 varus. 



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48 NATURGEMALDE 

fallen. La Condamine bestimmt ihn auf sechs tausend zwey 
hundert vier und sjebzig Meter (3220 Toisen); Don Jorge 
Juan, der tiefsinnige spanische Geometer, auf sechs tausend 
funf hundert sechs und achtzig Meter (338o Toisen). Wahr- 
scheinlich liegen die Ursachen dieser Verschiedenheiten nicht 
in der geodesischen Messung, sondern in der.barometrischen 
Bestimmung der Hohe , um welche die Standlinie uber der 
Meeresflache erhaben ist. Die dem Chimborazo nachsten 
Ebenen sind zwey tausend neun hundert Meter (i488 Toi- 
sen) hoch. Berechnet man ihre Hohe nach Bouguer's baro- 
metrischer Regel : so findet man sie um hundert dreyfsig 
oder hundert vierzig Meter (67 oder 72 Toisen) geringer, 
als wenn man der Schuckburgischen oder Laplacischen For- 
mel der Temperatur-Correction folgt. Die Hohe des Chimbo- 
razo , welche La Condamine und Don Jorge Juan angeben > 
griindet sich wahrscheinlich auf die Hohe der Stadt Quito, 
welche der erstere zu zwey tausend acht hundert. ftinf und 
vierzig Meter (i46o Toisen), und der letztere zwey tausend 
neun hundert funf und fiinfzig Meter (1^17 Toisen) annimmt. 
Die Laplacische Formel gibt dieser Stadt zwey tausend neun 
hundert funf und dreyfsig Meter (i5o6 Toisen); und man 
darf diesem Resultate , welches aus den von La Condamine 
selbst angegebenen Barometerstanden folgt, nicht etwa die 
Bouguersche, sogenannte geodesische Operation bey Niguas 1 
entgegensetzen , weil diese , wie an einem andern Orte ent- 
wickelt werden soil, auf sehr unsicheren Dads beruht. Ist 

1 Bouguer, Figure de la terre, p. 166. 



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DER TROPENLANDER. 



49 



demnach schon Quito von La Condamine wahrscheinlich 
um neun und achtzig Meter (46 Toisen) zu niedrig angege- 
ben , welche andere Modificationen mufs nicht die Messung 
des Chimborazo durch die Referirung eines Signals auf das 
andere , und durch die Annahme einer zu starken Strahlen- 
brechung erlitten haben ? Denn La Condamine und Don 
Jorge Juan , welche in der Hohe von Caraburu nur um 
achtzig Meter (4 1 Toisen), in der von Quito um hundert 
und zehn Meter (57 Toisen) von einander abweichen , ent- 
fernen sich in der Hohe des Chimborazo um drey hundert 
und zehn Meter (160 Toisen), das heifst, um ein Einund- 
zwanzigstel des Ganzen 1 von einander, ungeachtet beyde 
Astronomen.gemeinschaftlich und mit Instrumenten von fast 
gleicher Gtite arbeiteten. 

Wahrend meines Aufenthalts in der neuen Stadt Rio- 
bamba habe ich durch eine trigonometrische Messung, die 
ich in der Bimssteinebene von Tapia angestellt , den hochsten 
Gipfel des Chimborazo, bey der Annahme von einem Vier- 
zehntel Strahlenbrechung , um drey tausend sechs hundert 
und vierzig Meter (1867 Toisen) uber der Ebene erhaben 






1 In den neuesten Messungen yon Mechain und Delambre finden sich indefs 
noch starkere Differenzen mit alteren Messungen : Puy-Marie, nachCassini, neun 
hundert sechs und funfzig Toisen; nach Delambre, acht hundert ein und funfzig 
Toisen : Mont-d'or, nach Cassini , tausend acht und vierzig Toisen; nach Delambre, 
neun hundert acht und sechzig Toisen. Pic du Midi , nach Mechain , tausend vier 
hundert und si ebzig Toisen; nach Vidal, tausend fiinf hundert und sechs Toisen: 
Montblanc, nach Deluc, zwey tausend drey hundert ein und neunzig Toisen; 
nach Pictet, zwey tausend vier hundert sechs und zwanzig Toisen ; nach Saus- 
sure , zwey tausend vier hundert und funfzig Toisen. 

7 



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5o NATURGEMALDE 

gefunden. Nun gibt meine Barometer -Beobachtung, welche 
Herr Gouilly gefalligst nach Laplace's Formel berechnet hat , 
Tapia urn zwey tausend acht hundert sechs und neunzig 
Meter (i485 Toisen) iiber dem Meere an. Demnach betragt 
die ganze Hohe sechs tausend funf hundert sechs und dreyfsig 
Meter (3354 Toisen). Wende ich dagegen Laplace's neue 
Refractionsformel auf meine Hohenwinkel an : so finde ich 
den Chimborazo sechs tausend funf hundert vier und vierzig 
Meter (335y Toisen) hoch; ein Resultat, welches zwischen 
die alteren Angaben fallt , aber der Messung des spanischen 
Astronomen Don Jorge Juan 1 am nachsten kommt. Die 
Lange der von mir gemessenen Standlinie, tausend sieben 
hundert zwey Meter (873 Toisen), die Natur.der Winkel 
und die Giite meines Ramsdenschen Sextanten lassen mich 
hofFen , dafs meine Hohenbestimmung des Chimborazo nicht* 
gar viel von der Wahrheit abweicht 

Der Gipfel dieses kolossalischen Gebirges hat, Trotz der 
Verschiedenheit des Gesteins, einige Ahnlichkeit mit der 
Physionomie des Montblanc. Er ist ein grofses Kugelseg- 
ment , eine Form , welche auf dem beyliegenden Profile , 
der geringen Distanzscale wegen , nicht hat ausgedriickt 
werden kdnnen. Eine Landschaft , welche fur meine Reise- 
beschreibung bestimmt ist , wird den Chimborazo in seiner 
wahren Gestalt maleriseh darstellen. 

Hinter dem Chimborazo erhebt sich in der Zeichnung ein 

funf tausend sieben hundert zwey und fiinfzig Meter (2952 

1 

1 Fiaje a la America merid. p. 98. (Ed. fran$., T. II, p. 11 4-) 



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52 NATURGEMALDE 

vierzig Seemeilen von uns entfernt war, so horten wir doch 
sein briillendes Getose (los bramidos del Cotopaxi nennen 
es die Einwohner) wie den Donner des schweren Geschii- 
tzes. Im Jahr 1 j/^. vernahm man da6selbe in zwey hundert 
und zwanzig Seemeilen Entfernung, bis gegen Honda und 
Monpox am Madalenen-Strome hin. Hatte der Vesuv gleiche 
Intensitat des vulkanisehen Feuers, oder gleiche unterir- 
dische Verbindungen : so miifste man sein Krachen, der 
Analogie nach , bis Prag oder Dijon gewahr werden. 
. Die Hohe, zu welcher im Profil der Rauch des Cotopaxi 
in die Luft steigt , 1st nicht willkiihrlich , sondern nach 
wirklichen Messungen angegeben. La Condamine , dessen 
Werk ein schwer nachzuahmendes Muster von Genauigkeit 
ist, fand, dafs die Flamme im Jahr 17 38 tiber neun hun- 
dert Meter (fast 2800 Fufs) hoch tiber dem obern Rande 
des Craters aufloderte. Wahrend dieser Explosionen speyt 
der Cotopaxi , wie andere Vulkane des Konigreichs Quito , 
eine ungeheure Masse sufeen , oft mit geschwefeltem Hydro- 
gen geschwangerten Wassers , mit Kohlenstoff durchdrun- 
genen Letten und Fische *, welche kaum von der Hitze 
verunstaket sind und zum Geschlecht Pimelodes gehoren. 
Es bedarf kaum des Erwahnens , dafs die Projection der 



Alte, im Gegensatz des Guagua oder des jungea Pich'incha) tausend Tier hun- 
dert drey und sechzig Meter (751 Toisen) im Durchmesser gefunden. Der 
Crater des Vesuy soil, im Jahr 1801, etwa sechs hundert uad sechs Meter 
(3 12 Toisen) breit gewesen seyn. 

1 Pimelodes Cyclopum. S. das erste Heft meiner Beobachtungen aus der Zoo- 
Jtpgie und yergleichenden Anatomic. 



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54 NATURGEMALDE 

werde ich Gelegenheit haben die Natur dieser Profile naher 
zu er or tern. 

Den ostlichen Abfall der Cordillere stellt die Zeichnung 
etwas sanfter als den westlichen vor. Dieser Unterschied 
existirt in dem Theile , durch welchen ich die schneidende 
Flache gelegt habe. Docli bin ich weit davon entfernt zu 
glauben , dafs die ganze Andeskette iiberall diesen steilern 
Abfall gegen Westen darbietet , wie BufFon und andere 
beriihmte Physiker annehmen. Wer des Landes genau kun- 
dig ist , weifs wie wenig man sich es erlauben darf fiber den 
fast unbesuchten wesdichen Abhang zu entscheiden , und 
wie leicht es ist Nebenketten und einzelne Gebirgsstdcke 
mit dem hohen Riicken selbst zu verwechseln , der die gren- 
zenlosen , flufsreichen Waldebenen des Beni , Puruz und 
Ucayale von dem schmalen Kiistenlande trennt. Die Cordil- 
lere ubersteigend , — einmal von Westen gegen Osten , vom 
eisigen Paramo des Guamani -> wo man auf drey tausend drey 
hundert Meter (1704 Toisen) Hohe , der Cyclopen-Construc- 
tion ahnliche Ruinen eines Ynca-Pallastes sieht , herab gegen 
den Chinchipe und Amazonen-Flufs; und das andere Mai, 
von Osten gegen Westen , von Jaen de Bracamorros iiber Mi- 
cuipampa gegen die Sudsee hin, — habe ich deutlich bemerkt, 
dafs unter dem 3ten und 6ten Grade siidlicher Breite der 
ostliche Abhang der Andes minder sanft als der westliche ist 
Herr Hanke, ein genauer und scharfsich tiger Beobachter, 
behauptet eben dieses 1 von den fruchtbaren Thalern von 

1 In einem Manuscripte (Statistik von Cochabamba ) , das mir der gelehrte 
Monch Ctsuero in Lima geliehen. 



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56 NATURGEMALDE 

Ebene, welche der Amazonen-Flufs ttnd der Guainia (Rio- 
Negro) begrenzen , unterbrochen vorgestellt. 

So viel von den geognostischen Phdnomenen, welche 
ich in dem Contour des Profils auszudriicken gesucht. Im 
Innern desselben habe ich die Geographie der Tropen- 
pflanzen in dem grofsten Detail entwickelt, welches der 
Raum eines einzigen Blattes gestattet. Diese Arbeit grundet 
sich auf eigene Beobachtungen ; denn sechs tausend zwey 
hundert verschiedene Species von Aquinoctial-Gewachsen 
' haben wir , mein Reisegefahrte Bonpland und ich , in fiinf 
Jahren auf unseren Excursionen in Siid-Amerika , Mexico , 
und der Insel Cuba gesammelt. Da wir zu gleicher Zeit 
astronomische , geodesische und barometrische Messungen 
angestellt : so konnen wir nach den Journalen unsrer Expe- 
dition fast fur jede gesammelte Pflanze Breitengrad , Maxi- 
mum und Minimum der Standhohe iiber der Meeresflache , 
Temperatur der Luft und Beschaffenheit des Bodens und 
Natur der in der Nahe anstehenden Gebirgsart angeben. 

Den Compafs in der Hand , habe ich , nach Angabe unserer 
Manuscripten , in das Profil von Siid-Amerika vorziiglich die 
Pflanzen eingetragen, denen die Natur sehr bestimmte Ho- 
hengrenzen anzuweisen scheint. Jeder Name ist nach der 
beystehenden Meter- und Toisenscale in die dem bezeich- 
neten Gewachse zukommende Hohe gesetzt. Wenn eine 
Pflanze auf dem Abhange der Cordillere eine breite Zone 
einnimmt : so ist diefs oft dadurch ausgedriickt worden , dafs 
der Name der Pflanze schrag geschrieben ist. Wenn fast 
alle bisher bekannte Arten einer Gattung in einer Hohe 



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58 NATURGEMALDE 

r 

wohlthatige Baum ,' welcher den cortex angosturce liefert : 
eine neue Gattung , foliis \ernatis et alternis) , die Matisia 
cordata, und die Wachspalme , Ceroxylon andicola, iiber 
welche Bonpland dem National-Institut so eben eine eigene 
Abhandlung , vorgelesen hat. 

Um die Vertheilung der Gewachse.auf dem Erdboden 
unter einen allgemeinern Gesichtspunkt zu stellen , habe 
ich meine botanische Karte in Regionen abgetheilt, von 
denen jede die analogen , in einer Hohe vorkommenden , 
Pflanzenformen in sich begreift. Die Namen dieser Regio- 
nen sind mit grdfserer Schrift bezeichnet, wie die Namen 
der Provinzen in den geographischen Landkarten. 

Wenn man sich von dem Innern des Erdkdrpers, oder 
von der Tiefe der Hohlen zu den beschneyten Gipfeln der 
Andes erhebt : so trifft man zuerst auf die Region der un^ 
terirdischen PJlanzen. Der untere Rand des Profils nennt 
einige dieser kryptogamischen Gewachse, deren wunderba- 
ren Bau Scopoli zuerst erforscht hat, und die ich in meiner 
fruhern Jugend in einem eigenen Werke 1 bearbeitet habe. 
Specifisch von den Kryptogamen verschieden, welche man 
auf der Oberflache der Erde findet , scheinen sie , wie eine 
grofse Zahl dieser letzteren , unabhangig vom Breitengrade 
und dem Klima. In tiefe Nacht gehtillt, dem Reitze des Son r 
nenstrahles fremd, Stickgas und brennbare Luft aushauchend, 
breitet sich ihr flockiges Gewebe iiber das feuchte Gestein 
unterirdischer Hohlen, und uber die alternde Zimmerung der 

* Flora Fribergensis Specimen, plantas crjptogamicas prsesertim subterra- 
neas recensensj 1790. 



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6o NATURGEMALDE 

oft voile drey und vierzig Centimeter (16 Zoll) im Durch- 
messer hat. . 

Einige Gewachse dieser Region zeigen sonderbare, wenn 
gleich . nur scheinbare Abweichungen von den allgemeinen 
Gesetzen der geographischen Pflanzenvertheilung. Die siid- 
amerikanischen Palmen werden, wie die des alten Konti- 
nents , durch Mangel der Warme gehindert iiber tausend 
Meter (5 14 Toisen) hoch an dem Abhange der Gebirge 
anzusteigen. Ein einziger Palmbaum der Andeskette bietet 
die wundersame Erscheinung dar, dafs er, von alien ande- 
ren Arten seiner Familie entfernt, erst in der Hohe der 
Scheideck und des Gothards- Passes beginnt, und sich mit 
uppigem Wuchse fast bis zu der doppelten Hohe der 
S,chneekoppe verbreitet. 

Der Anblick. einer solchen Alpenpalme in den Schnee- 
bergen von Quindiu, unter 4° 32 7 nordlicher Breite, hat 
uns auf das lebhafteste .uberrascht.. Ihr oft fiinfzig Meter 
(fast 160 Fufs) hoher, schwarzgeringelter Stamm glanzt 
von reinem Wachse , welches Herr Vauquelin unter meh- 
reren anderen Produkten unserer Expedition , chemisch 
untersucht. hat. Diese Wachspalme {Ceroxylon andicola) 
haben wir in den Andes von Quindiu und Tolimala , 
zwischen Eichen und Wallnufsbaumen , in einer Berghohe 
von achtzehn hundert bis zwey tausend acht hundert 
Meter (zwischen 900 und j5oo Toisen) beobachtet. 

In der spanischen Beschreibung der Seefahrt des Admiral 
Gordoba wird gesagt, dafs man eine Palme in den engen 
Schluchten der magellanischen Meerenge, unter dem 53sten 



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DER TROPENLANDER. 



61 



Grade sudlicher Breite (also ineinem Klima, das nicht viel 
milder ist.als, das von Nord-Deutschland) gefunden habe. 
Diese Nachricht, welche mir in der Havana ein Gefahrte 
von jener Expedition miindlich , bestatigt hat , ist um i so 
aufFallender , als es selbst unbotanischen Augen unmoglich 
scheint, eine Palme mit irgend einem andern Baume , als 
hochstens mit einem hochstammigen Farrenkraute zu ver- 
wechseln., dessen. Existenz in einem so kalten Klima 
nicht. minder sonderbar ware. In Europa wachst der ein-. 
heimische Ckamcerops, und die eingeftihrte afrikanische 
Dattelpalme, nicht nordlicher als 43° 4P'* * 

Bananen-Gewachse (plantce scitaminece) und die bisher 
bekannten Heliconien wachsen unter den Tropen nicht 
hoher als auf Gebirgsabhangen von vier bis funf hundert 
Meter (etwa i4oo Fujfs). Um so mehr sind wir erstaunt 
als wir nahe am Gipfel des sogenannten Sattel-Felsens v° n , 
Caracas (la Silla , oder el Cero de Avila , nahe bey Caraval- 
leda), zwey tausend ein hundert und funfzig Meter oder 
6600 Fufs hoch iiber dem Meere, ein. Pisang^Gewachs fan- 
den , das iiber vier Meter (12 Fufs) hoch war, und ein 
so dickes Gebiisch bildete, dafs unsere Indianer die grofste 
Miihe. hatten , uns mit der Axt einen. engen Fufsweg zu 
bahnen. Wir fanden. diese Pflanze nicht' bluhend , aber 
dem ganzen Habitus nach ist es eine neue Species von 
Heliconia. , welche diese Bergkalte ertragt, und das seltene 
Beyspiel eines von Alpenpflanzen umgebenen Bananen- 
Gewachses darbietet. . » 

Sesumim portulacastrum bedeckt die Meereskiisten von 



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62 naturgemAlde 

Cumana, wie die unfreundlich kalte Gebirgsebene von Pe- 
rote im Konigreich Neu - Spanien ; eine Ebene , welche 
zwey tausend drey hundert und vierzig Meter (1200 Toisen) 
iiber dem Meere erhaben , und mit efflorescirender Kohlen- 
und Kochsalzsaurer Soda angefiillt ist. Pflanzen der Salz- 
Steppen scheinen , wie Wassergewachse , unempfindlicher 
gegen Klima und barometrischen Luftdruck zu seyri. 

Unmittelbar iiber der Region der Palmen und Bananen- 
Gewachse liegt die Region der baumartigen Farrerikrauter. 
Dieser Erdstrich ist zugleich auch die Region der Fieber- 
rinde , nur mit dem Unterschiede , dafs die baumartigen 
Polypodien , dem gemafsigten Klima treu , sich auf die Zone 
zwischen vier hundert und sechzehn hundert Meter (1200 
und 48oo Fufs ) beschranken , und selten zu grofseren 
Hohen an den Gebirgsabhangen heransteigen. Mehrere 
China -Arten {Cinchona) hingegen bedecken die Andes- 
kette bis zwey tausend neun hundert Meter (1487 Toisen) 
Hohe. Die orangenfarbene und gelbe Fieberrinde {Cinchona 
lanceifolia und Cinchona cordifolia des Mutis) scheuen die 
Bergkalte so wenig, dafs man sie in Hohen antrifFt, welche 
denen des Watsmann in Tyrol, oder des Canigou bey Per- 
pignan gleich sind. Das Thermometer sinkt hier fast bis 
zum Eispunkte herab. Die Cinchona -Arten , welche dagegen 
das heifse Klima am leichtesten ertragen , und defshalb 
am tiefsten in die Thaler herabsteigen , sind die rothe 
China {Cinchona oblongifolia) , die ungleichbliithige {Cin- 
chona dissimiliflord) und die prachtvolle Cinchona longi- 
fiora. Von der letztern habe ich hohe Stamme in Thalern 



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64 NATURGEMALDE 

Jahrhunderte lang auf das unbedachtsamste von den China- 
Schalern ( Cascarilleros ) verfolgt , ist sie selbst in den 
berufenen Chinawaldern von Caxanuma und Uritusingu so 
selten geworden r dafs man in einer Tagereise oft nur 
wenige Stamme davon sieht. Gegenwartig werden auf Be- 
fehl der Regierung nur wenige Baume dieser Species (viel- 
leicht kaum neun hundert) jahrlich gefallt, wahrend dafs 
vor 1779 man oft in einem Jahre funf und zwanzig tau- 
send zerstorte. 

Mehrere Reisende haben versichert, Chinabaume in den 
kaltesten Gebirgsebenen (Paramos), nahe am ewigen Schnee, 
etwa vier tausend sechs hundert Meter (2358 Toisen) hoch, 
angetroffen zu haben. Aber wahrscheinlich hat botanische 
Unkunde einige Arten grofsblattriger Weinmannien , oder 
die Winter a grenadensis mit dem Genus Cinchona ver- 
wechselt , weil jene Alpenpflanzen , wegen ihres haufigen 
GerbestofTs ( tannin ) , bisweilen ebenfalls mit Vortheil als 
Fiebertreibende Mittel in den spanischen Colonien gebraucht 
werden. Wir haben keinen wahren Chinabaum tiefer gegen 
das Meer hin , als sieben hundert Meter ( 359 Toisen ) , 
und boher als zwey tausend neun hundert Meter (i4^7 
Toisen ) gesehen. Denn mehrere Pflanzen der heifsen 

bildet. Mit dieser Species ist synonym die Cinchona nitida Flor. Peruv. , "welehe 
Ruiz sonst Cinchona officinalis nannte, wie auch (nach Zea) Cinchona lanceo- 
lata Flor. Per., oder Cinchona glabra Ruiz. Die Cinchona ovata Flor. Per. ist 
die Cinchona cordifolia Mut. , und Cinchona longiflora Mut. ist identisch mit 
Cinchona grandiflora Flor. Per. Die Cinchona dissimiliflora hat stamina exserta, 
folia oblongo-cordata , und corollas limbum tubo longiorem. Die Cinchona' an- 
gustifolia des Swartz ist nicht mit Cinchona angustifolia Ruiz zu verwechseln. 



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66 NATURGEMALDE 

oder China von Cumana , deren Bliithe wir uns frey~ 
lich noch nicht haben verschaffen konnen , welche aber 
wechselsweise stehende Blatter (folia alterna\ und keine 
Spur von Afterblattern (stipulce) hat. Dennoch wurde ein 
Chemiker leicht die Infusion der Cuspa mit der gelben 
Fieberrinde von Santa-Fe (China cordifolia, Mutis) ver- 
wechseln. Westlich von Popayan ,. an den Riisten des 
Sudmeers, bey Atacamez, wachst ein Baum, dessen Rinde 
viele Eigenschaften der Cinchona und Wintera hat , und 
doch wahrscheinlich zu keinem dieser beyden Geschlechter 
gehort. Die Fieberrinde von Cayenne gibt die Coutarea, 
ein Aublet'sches Genus , zu dem die Portlandia hexandra * 
gehort. Die Organe aller dieser Pflanzen , welche in den 
heifsesten Thalern fast in gleicher Hohe mit der Oberflache 
des Meeres wachsen , bilden Produkte , die , ihren che- 
mischen Bestandtheilen nach , denjenigen analog sind , 
welche die Cinchona -Arten an unfreundlich kalten Berg- 
gehangen zwey tausend acht hundert Meter (14^7 Toisen) 
hoch hervorbringen. 

In der Beschreibung meiner Reise nach den Tropen- 
landern von Amerika , denke ich eine botanische Special- 
Karte uber das Genus Cinchona herauszugeben. Diese Karte 
zeigt alle Standorte dieser wohlthatigen Pflanze in beyden 
Hemispharen an. Man erkennt auf derselben wie die Cin- 
chona- Arten sieben hundert Meilen lang, vom zwanzigsten 
Grade siidlicher Breite, bis zum eilften Grade nordlicher 

1 Ventenat, Tableau da Regne vegetal; II, p. 578. 



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DER TROPENLANDER. 67 

Breite., auf der Andeskette gruppenweise vertheilt sind. 
Der ganze ostliche Abfall dieser Kette, siidlich von Huanuco, 
bey den Bergwerken von Tipuani, um Apollobamba und 
Yuracarees, ist ein zusammenhangender China -Wald. Hanke 
hat ihn bis Santa -Cruz -de -la -Sierra verfolgt. Die Cinchona 
scheint nicht weiter ostlich gewandert zu seyn; denn in 
den brasilianischen Gebirgen hat man sie noch nicht ent- 
deckt, ob diese gleich , wie oben bemerkt worden ist, 
durch den Bergriicken von Chiquitos mit den Andes von 
Potosi zusammen hangen. Von der hohen Gebirgs-Ebene 
von La Paz verbreitet sich das China -Gebusch nordlich 
durch die peruanischen Provinzen Guailas und Guamalies 
bis Huancabamba und Loxa. Ein Arm dieses Gebusches 
lauft* gegen Osten durch die Provinz Jaen , wo um die 
berufene Flufsenge (Pongo) von Manseritsche die Uferhugel 
des Maranion mit Cinchona-Stammen bekranzt sind. Von 
deYi anmuthigen Thalern um Loxa an, dem Garten der 
Andesischen Gebirge, erstreckt sich die Fieberrinde durch 
das Konigreich Quito bis Cuenca und Alausi. Der westliche 
Abhang des Chimborazo ist reichlich damit bedeckt; aber 
auf dem hohen Plateau von Riobamba und Quito , wie 
auf dem der Provinz Pasto , bis Almaguer hin (in diesem 
Thibet der Siidzone), scheint dies kostliche Produkt ganz- 
lich zu fehlen. Sollten Erdbeben und die grofsen vulkani- 
schen Katastrophen , welche diese kalten Gebirgsebenen 
seit Jahrtausenden erleiden , die Zahl der Pflanzenformen 
vermindert haben ? Sollten bey diesem ganzlichen Umsturz 
grofser Landesstrecken viele Arten untergegangen seyn ? 



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68 NATURGEMALDE 

Wenigstens glauben wir bemerkt zu haben , dafs in dem 
Plateau von Pasto und Quito die Vegetation weniger man- 
nigfaltig ist , als in anderen Gegenden , welche eben so 
hoch uber der Meeresflache erhaben sind , und ein nicht 
minder unfreundliches Klima haben. Ndrdlich von Alma- 
guer , in der Provinz Popayan , findet man beyde Abhange 
der Andeskette auf einmal jyieder mit China - Gebiischen 
geschmiickt. Fast ununterbrochen verbreiten sie sich durch 
die Schneeberge von Quindiu und Tolima, durch die hohe 
Ebene (La Vega) von Supia , und durch. die fruchtbaren 
Berggehange urn Mariquita , Guaduas und Pamplona , bis 
zu dem meernahen Gebirge von Santa-Martha undMerida, 
in dem heifse Schwefelquellen unter ewigem Schnee her- 
vorbrechen. • 

Der Sattelberg von Caracas (la Silla de Avila) und das 
Bergplateau der Provinz Neu - Andalusien , zum Beyspiel 
die Gegend um das Kapuzinerkloster von Caripe , die 
Sandsteingebirge des Tumiriquiri , und die berufene Fels- 
schneide (Cuchilla) von Guanaguana , sind alle dreyzehn 
hundert bis zwey tausend funf hundert Meter ( 700 bis 
i3oo Toisen) uber der Meeresflache erhaben. Sie geniefsen 
gerade das angenehme Mittelklima, in welchem man nie 
der Hitze oder Kalte ausgesetzt ist, und in der die Cin- 
chona am besten gedeiht. Das Konigreich Neu-Spanien 
hat ebenfalls Gebirgsabh^nge , deren Boden-Hohe und 
andere physikalischen Verhaltnisse genau denen der Provinz 
Loxa und anderer chinareichen Lander ahnlich sind. Den- 
noch hat man weder in der Provinz Neu - Andalusien 



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7.o NATURGEMALDE 

fiebertreibenden Portlandia , welche Sesse beschreiben wird, 
und den nordamerikanischen Freystaaten , in dem M ichaux- 
schen Genus Pinknea 1 (Bartrams Musscenda bracteolata) , 
Pflanzenformen gegeben , welche der der Cinchona in 
vielen Bliithentheilen analog sind. 

In der milden Region der Fieberrinde wachsen in Slid- 
Amerika einige Liliengewachse : zum Beyspiel , Cypura und 
Sisyrinchium , Melastoma - Baume mit prachtvoll grofsen 
violetten Blumen , die strauchartige Bocconia , vielfarbige 
Alstromerien , und baumartige hochstammige Passifloren , 
hoch und dick, wie unsere norddeutschen Eichen. Hier 
erheben sich das glanzende Macrocnemum, der prachtblu- 
mige Wotschi* {Cucullaria) , die gelben Lysianthus, und 
der Weinbaum des indianischen Gebirgevolks , die Uva 
camarona ( Pavon's Thibaudid) , ein Genus , welches nahe 
bey Vaccinium und Ceratostema steht. Unter dem Schatten 
balsamischer Styraxbaume bedecken hier immergriine Laub- 
Moose, Kcehlreutera , Weissia, Dicranum und Tetraphys , 
den vom haufigen Nebel feuchten Boden. Die Wasserrisse 
dieser Bergzone verstecken an steilen Abhangen Dorstenien, 
Gunnera , Oxalis und eine Menge unbeschriebener Arum- 
Arten. 

1 Pinknea pubescens ; S. Persoons treffliche Synopsis plantarum, I, p. 197. 

3 Aublet's Vochy ist das Genus Cucullaria in dem Willdenow'schen Pflanzen- 
systeme, und die Carola der Flora Bogotensis. Herr Mutis zahlt drey Arten 
dieses Geschlechts. Folgende Charaktere hat er mir aus seinen Manuscripten 
zu entlehnen erlaubt : 1. Carola augusta, fol. ovatis acumiaatis (die Aublet'sche 
Species); a. Carola gumifera, fol. obovatis verticillato-ternis; 3. Carola grandi- 
Jlora, fol. verticillatis oblongis. 



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DER TROPENLANDER. 71 

In siebzehn hundert Meter (872 Toisen) Hohe,'findet 
sich Porlieria hygrometrica , der wetterverkundigende 
Strauch , den Ruiz und Pavon zuerst beschrieben haberi j 
Citrosma, mit aromatisch duftenden Blattern und Friichten; 
Hypericum baccatum und cayanense , zahlreiche Eroteum 
und Symplocos-Arten. Hdher hinauf als bis zwey tausend 
zwey hundert Meter (1128 Toisen), habe ich keine Mimose 
gefunden, deren Blatt sich bey der Beriihrung zusammen- 
zieht. Die Bergkalte scheint der Reitzbarkeit dieses Pflan- 
zengeschlechts diese bestimmte Grenze anzuweisen. Von 
zwey tausend sechs hundert Meter (i532 Toisen) an, und 
besonders in einer Hohe von drey tausend Meter (i539 
Toisen), bilden Accena, Dichondra, Nierembergia , Hydro- 
cotile, Nerteria und Atchemilla einen dichten Rasen. Diefs 
ist zugleich die Region der Weinmannia , der Eichen und 
der Spermacocce. Barnadisia und der andesische Berberis 
bilden hier Hecken urn die Kartoffel- und Quinoa-Felder. 
Die scharlachblumigen Mutisien umranken hier die Stamme 
der Vallea stipularis. Eichen beginnen in den aquatornahen 
Regionen der Andes nicht unterhalb siebzehn hundert 
Meter (872 Toisen); aber unter dem 17 ten und 22sten 
Grade nordlicher Breite , im Konigreich Neu-Spanien, habe 
ich sie am Gebirgsabhange bis acht hundert Meter (4 1Q 
Toisen) herabsteigen sehen. Sie allein bieten dem Bewohner 
der Tropen bisweilen ein schwaches Bild vom Erwachen 
der Natur im wiederkehrenden Friihlinge dar : denn sie 
verlieren durch Diirre alle Blatter auf einmal , und das 
junge frische Griin der neuen Schofslinge kontrastirt dann 



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* 



72 naturgemAlde 

angenehm , in der eintretenden Regenzeit , mit den viel- 
farbigen Bliithen des Epidendrums , dessen Wurzeln die 
schwarzen rissigen Eichenaste dicht umschlingen. 

Ein Baum wundersamer Struktur, aus der Malvenfamilie, 
der Cheiranthostemon , fiber welchen Herr Cervantes eine 
eigene Monographic zu Mexico herausgegeben , gehdrt eben- 
falls dieser Hohe der Eichen -Region an. Bis jetzt ist er 
noch nicht in den , dem Aqua tor nachstgelegenen Landern 
entdeckt worden. Es war lange ein allgemeiner Glaube, 
als existire in der ganzen bekannten Welt nur ein einziges 
Individuum dieser Pflanze, der uralte Arbol de las Manitas, 
Macpalxochiquahuitl , welcher nahe bey der Stadt Toluca 1 , 
zwey tausend sechs hundert und siebzehn Meter ( 1 545 
Toisen) iiber dem Meere, auf einem Porphyr-Felsen wachst. 
Mit dem Boabab in Senegambia, mit dem Drachenbaum von 
Tenerifla , und der kolossalischen Mimosa in den -Thalern 
von Aragua a , ist der Cheiranthostemon von Toluca unstreitig 
einer der altesten Bewohner unserer Erde , und , wie jene , 
verjiingt er sich jahrlich noch in Bliithe und Frucht. 
Neuerdings hat man mehrere Individuen dieses sonderbaren 
Geschlechts in dem Konigreich Guatimala entdeckt 5 und 
da der Baum von Toluca sich fast in den Ringmauern der 
alten Stadt findet , so wird dadurch wahrscheinlich , dafs 
er gepjlanzt worden sey : denn die Garten von Iztapalapan , 
deren Reste Hernandez noch gesehen, bezeugen, dafs die 

1 Das alte Tolocan, die Hauptstadt der Provinz der Ma tlanziger , westlich 
Ton Mexico. 

2 Westlich yon der Stadt Caracas, el Zamang del Gueire genannt. 



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DER TROPENLANDER. ft 

AzteqUen (die man fur Barbaren verschrieen) Sinn fur die 
Kuitur seltener Pflanzen hatten. 

Unter dem Aquator finden sich hohe Baume, das' heifst 
solche, deren Stamm funfzehn bis zwanzig Meter (4-5 bis 
60 Fufs) erreicht, selten hoher als zwey tausend sieben 
hundert Meter (i383 Toisen) iiber der Meeresflache. Schon 
in der Hohe der Stadt Quito fangen die Baume an zu 
erkranken , und ihr Wuchs ist nicht mehr mit dem zu 
vergleichen, den sie in den milderen Thalern in der Mit- 
telzone , zwischen zwolf hundert und achtzehn hundert 
Meter (61 5 und 923 Toisen) erreichen. Um so haufiger 
sind hier strauchartige Gewachse. Ich nenne diese Region 
die der Barnadesia oder der Duranta Ellisii und Duranta 
Mutisii : denn diese drey Pflanzen und die Berber is cha- 
rakterisiren die Vegetation der hohen und rauhen Gebirgs- 
ebene von. Pasto und Quito , so wie die hohlstammige 
Polymnia (Arbol loco), und der durch Wohlgeruch berau- 
schende Datura -Baum, die Vegetation von Santa-Fe-de- 
Bogota besonders auszeichnen. In der Region der Barnadesia 
wachsen Castilleja integrifolia , Castilleja Jissifolia , Colu- 
mella, das prachtvolle silberblattrige Embothryum emargi- 
natum, und eine Clusia, deren Blume nur vier Staubfaden 
enthalt. Der Boden ist hier mit einer grofsen Anzahl von 
Calceolarien geschmiickt , deren hochgelbe Blatter angenehm 
mit dem frischen Griin des moosigen Rasens kontrastirt.' 
Die Natur hat diesen Calceolarien einen Erdstrich ange- 
wiesen , welcher sich von Chile aus nicht weiter gegen 
Norden , als bis i° l\o' nordlicher Breite erstreckt. Ruiz, 

10 



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74 NATURGEMALDE 

Pavori und Hanke, welche in der Siidzone weiter als ich 
vorgedrungen sind , konnen einst bestimmert , wie weit 
dieses Pflanzengeschlecht gegen den Siidpol zu gewandert ist. 

Noch hdher auf dem Riicken der Andeskette , zwischen 
zwey tausend acht hundert und drey tausend drey hundert 
Meter 04^7 und 1693 Toisen), liegt die Region der Win- 
tera grenadensis und der Escallonia. Diese unwirthbaren 
Gegenden (welche die Spanier wegen der dort ewig herr- 
schenden schlackig-feuchten Kalte Paramos nennert) sind 
nait strauchartigen Gebiischen bedeckt. Der niedrige Stamm 
diesei* Gebiische breitet sich in zahliose knorrige , durch 
den Sauersioff der Atmosphare halb verkohlte Aste aus, 
und tragt eine schirmartige Krone mit kleinen, aber immer- 
griinen, glanzenden, lederartigen Blatterri. Einige Stamme 
der orangenfarbenen Fieberrinde {Cinchona lanceifolia), 
einige Rhexien und Melastomen mit dunkel-violetten , fast 
purpurfarbigen Bliithen , verlieren sich irt diese Ein6den. 
Alstonid, deren Blatter einen siifslich schmeckenden , aber 
sehr heilsamen , starkertdert Thee l geben ; Escallonia tubaf 
und einige Andromeda - Arten beschatten hier niedrige 
Lobelien, Basellen und die stets bliihende Swertia qua- 
dricornis. 

Fast alle baumartigen Gewachse, selbst die mit niedrigem 
Stamme, horen in drey tausend fiinf hundert Meter (1795 
Toisen) Hohe auf. Nur am Vulkan Pichincha , in einem 
engen Thale, das vom Ziegelfels des Pichincha (vom Cono 

1 El The de Bogota. 



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DER TROPENLANDER. ?5 

de los Ladrillos) herabkommt, vier tausend ein hundert 
Meter (2io3 Toisen) iiber dem Meere , haben wir noch 
eine sonderbare Gruppe baumartiger Syngenesen entdeckt, 
deren Stamm sieben bis acht Meter (etwa 22 Fufs) erreicht. 
Die nahen Mauern von Basalt -Porphyr mildern die Kalte 
dieser Gegend. 

An die Region der Escallonia grenzt unmittelbar die der 
Alpen-Rrauter , welche sich von drey tausend drey hun- 
dert bis vier tausend ein hundert Meter (1695 bis 2io5 
Toisen ) erstreckt. Hier. wachsen gesellig die Gentianen , 
Staehelinen , und die berufene Espeletia frailexon, welche 
im Thai von Bogota * sogar bis zwey tausend sechs; hundert 
acht und siebzig Meter (i3y5 Toisen) herabsteigt , und 
deren dickwollige Blatter-oft den Indianern, wenn sie die 
Nacht auf den eisigen Gebirgsgipfeln iiberfallt, zum Bette 
dienen. In dieser Hohe , und bisweilen schon von fallendem 
Schnee Tage lang bedeckt, iiberziehen den felsigen Boden 
Lobelia nana , Sida pichinchensis T Ranunculus Gusmani , 
Ribes frigidum, Gentiana quitensis , und mehrere andere 
Alpenkrauter , welche wir in den nachsten Heften unserer 
Planta? aquinoctiales beschreiben werden. Unter den strauch- 
artigen Gewachsen sind die Molinen die, welche wir am 
Vulkan von Purace bey Popayan , und am Antisana , die 
grofste Hohe erreichen gesehen. 

1 Ich habe den Frailexon urn die Kapelle de Nuestra Senora del Egypto 
gefunden. Diefs ist eine merkwurdige Ausnahme : denn seine untere Grenze ist, 
nahe am Aquator, drey tausend neun hundert Meter (2000 Toisen) iiber 
dem Meere. 



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7 6 NATURGEMALDE 

Die Alpen-Krduter werden zwischen vier tausend eih 
hundert und vier tausend sechs hundert Meter (2io3 and 
2358 Toisen) durch die Region der Graser 1 verdrangt. 
Jarava, Stipa, viele neue Arten von Panicum, A vena , 
Agrostis und Dactylis, bedecken gesellig den Bodeh, und 
diese Grasflur leuchtet von feme als ein hochgelberTeppich, 
den man im Lande mit dem Wort Paxonal bezeichnet. 
Der Schriee ruht oft Wochen lang auf dieser Hohe, und 
die Rameelschafe {Llamas) steigen dann , vom Hunger 
getrieben, zur Region der Alpenkrauter herab. 

In vier tausend sechs hundert Meter (2358 Toisen) Hohe, 
findet man unter dem Aqua tor kein phanerogamisches Ge- 
wachs mehr. Von dieser Grenze an, bis zu der des ewigen 
Schnees , beleben sparsam kryptogamische Pflanzen die 
verwitternde Rinde des nackten Gesteins. Einige scheinen 
sich selbst unter dem ewigen Eise zu verstecken : denn 
gegen den Gipfel des Chimborazo hin, fiinf tausend funf 
hundert vier und fiinfzig Meter (285o Toisen) uber der 
Meeresflaehe, habe ich auf einer vorstehenden scharfkan- 
tigen Felsklippe (Grate) noch zwey Flechten, Umbilicaria 
pustulata und Verrucaria geographica, vegetirend gefunden. 
So ist Leben in alien Raumen der Schopfung verbreitet. 
Aber diese einsamen Pflanzen waren auch die letzten 
organischen Wesen, welche wir in diesen beeisten Hohen 
an dem Boden geheftet gefunden haben. 

Bis hieher ist die Vertheilung der Pflanzen geschildert 

e 

1 La ConcUmine, Voyage a rEc|uaKur, p. /$. 



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78 NATURGEMALDE 

von Haikia (Armenien) , und der Pic von Teneriffa bewei- 
sen hinlanglich, dafs je weiter man gegeri Siiden vordringt, 
desto schneidender sich die Pflanzenformen in verschiedenen 
Bergzonen von einander absondern. Doch ist auch in ; 
unserm nordlichen Theile des gemafsigten Himmelsstriches 
diese Absonderung schon auffallend genug , um sie in einem 
eigeneh Bilde darzustellen. Man konnte in der Mitte des- 
selben die Hohe von vier tausend sieben hundert funf und 
siebzig Meter (24^0 Toisen) andeuten , zu der die grofse 
europaische Gebirgskette sich im Montblanc erhebt. Der 
Abfall dieser Kette mufste auf einer Seite sanfter. gegen das 
Nordmeer, auf der andern siidlichen Seite, gegen das mittel- 
landische Meer hin , steiler abgebildet werden. Hier erinnern 
Chamcerops , Dattelpalmen , und viele Pflanzen des Atlas, 
dafs ein wahrscheinlich ehmals trocknes , seit der samo- 
thracischen Fluth mit Meerwasser gefiilltes Kalksteinthal , 
Europa von Nord-Afrika getrennt hat. Der ewige Schnee 
wiirde in diesem Naturgemdlde der gemafsigten Zone bis 
zwey tausend sechs hundert Meter (i332 Toisen) iiber der 
Meeresflache , also bis auf eine Grenze herabsteigen , in der 
unter dem Aquator noch die Wachspalme, die Fieberrinde 
und andere hohe Baume in voller Vegetationskraft stehen. 
Die Zone, welche in Europa zwischen den Kiistenlandern 
und der Schneegrenze enthalten ist , hat demnach kaum 
die Halfte der Breite als die ihr ahnliche unter den Tro- 
pen , wahrend dafs die Schneehaube , welche die hochsten 
Gebirge Europens (den Montblanc und Mont-Rose) bedeckt, 
sechs hundert Meter (307 Toisen) breiter als die ist , welche 



ik 



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DER TROPENLANDER. 79 

den Gipfel des Chimborazo einhullt. Auf den nackten und 
steilen Felsen, welch e zwischen dem ewigen Schnee her- 
vorragen, hdher als drey tausend ein hundert Meter (1590 
Toisen) uber der Meeresflache , wachsen in den Bergen , 
welch e den Montblanc umgeben , Androsace chamcejasma, 
Jacq.; Silene acaulis; die Saussure drey tausend vier hun- 
dert acht und sechzig Meter (1780 Toisen) hoch gefunden, 
die aber auch bis fiinfzehn hundert Meter (769 Toisen) in 
die Ebene herabsteigt ; Saxifraga androsacea , Cordamine 
alpina , Arabis ccerulea ., Jacq. , und Draba fiirta , Villars , 
(Draba stellata, Willd.). Bis zu diesen beeisten Hohen wan- 
dern auch allmahlig aufwarts von der Ebene aus Myosotis 
perennis und Androsace earned, deren Stengel immer nie- 
driger und niedriger wird. Die letztere ist endlich ein-blumig, 
und nimmt den ganzen Gebirgsabfall zwischen tausend und 
drey tausend ein hundert Meter (5i3 und 1590 Toisen) ein, 
In den Pyrenaen sind, in zwey tausend vier hundert bis 
drey tausend vier hundert Meter (i23o und 1744 Toisen) 
Hohe , die Klippen nut Cerastium lanatum , Lamarck , 
Saxifraga grcenlandica* Aretia alpina und Artemisia rupes-* 
iris bedeckt. Das Cerastium lanatum findet man nicht 
einmal unterhalb zwey tausend sechs hundert Meter (*332 
Toisen). 

Zwischen zwey tausend funf hundert und drey tausend 
ein hundert Meter (1281 und 1590 Toisen) Hohe, bilden 
auf dem Steingeriille , das den ewigen Schnee der Schwei- 
zer-Alpen begrenzt, inselformige Gruppen Saxifraga biflora 
(Allionii), Saxifraga oppositifolia , Achillea nana, Achillea 



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80 NATURGEMALDE 

atrata , Artemisia glacialis , Gentiana nivalis, Ranunculus 
alpestris, Ranunculus glacialis, und Juncus trifidus. Etwa$ 
defer, zwischen drey tausend und funfzehn hundert Meter 
(i559 un( ^ 7^9 Toisen), beobachtet man auf den Pyrenaen 
Potentilla lupinoides , Willd. , Silene acaulis , Sibbaldia 
procumbens , Carex curvula und Carex nigra , Allion. , 
Semperviwm montanum und Sempervivum arachnoideum, 
Arnica scorpioides , Androsace villosa und Androsace 
cornea. In den Schweizer-AIpen, zwischen zwey tausend 
drey, hundert und zwey tausend sieben hundert Meter 
(1179 und 1 383 Toisen), da wo der ewige Schnee und 
der hohe Gletscher nicht an nacktes Gestein, sondern an 
fruchtbare Dammerde grenzt, in Wiesen vom Schneewasser 
getranckt , bliihen Agrostis alpina , Saxifraga aspera , 
Saxifraga bryoides , Soldanella alpina , Viola bijlora , 
Primula farinosa , Primula viscosa , Alchemilla penta- 
phylla, Salix reticulata, Salix retusa und Salix herbacea, 
welche hoher als irgend ein andres Strauchgewachs an den 
Bergen hinansteigt. Selbst Tussilago farfara und Scatice 
armeria verirren sich von der Ebene bis zu zwey tausend 
sechs hundert Meter (i332 Toisen) Hohe. In gleich luft- 
dunnen Regionen wachsen in den Pyrenaen Scutellaria 
alpina, Senecio persicifolius , Ranunculus alpestris, Ranun- 
culus parnassifolius , Galium pyrenaicum , s und Aretia 
vitaliana. Unterhalb der Grenze des ewigen Schnees , zwi- 
schen funfzehn hundert und zwey tausend fiinf hundert 
Meter (769 und 1281 Toisen), findet man in der Alpen- 
kette Eriophorum Scheuchzeri , Eriophorum alpinum , 



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DER TROPENLANDER. 



81 



Gentiana purpurea \ Gentiana grandiflora , Saxifraga 
stellaris , Azalea procumbens , Tussilago alpina, Veronica 
alpina, Poa alpina , Pinus cembra und Pinus larix ; am 
nordlichen Abhange der Pyrenaen, Passerina -geminiflora , 
Passerina nivalis, Merendera bulbocodium 1 , Crocus mul- 
tijidus , Fritillaria meleagris , und Anthemis montana. 
Etwas tiefer zeigen sich , urn den Montperdu und- in 
anderen spanischen Grenzgebirgen , Genista lusitanica , 
Ranunculus Gouani , Narcissus bicolor, Rubus saxatilis , 
und eine Menge schdner Gentianert. Die Alpenrose, Rho- 
dodendrum ferrugineum* , liebt in Savoy en und in der 
Schweitz eine Hohe von fiinfzehn hundert bis zwey tausend 
fiinf hundert Meter (769 und 1281 Toisen). Doch bat 
Herr Candolle, dem ich grofstentheils vorstehende Beobacb- 
tungen iiber die Hohe schweitzerischer Alpenpflanzen ver- 
danke , sie in der Jurakette in der tiefen Schlucht des 
Creux-du-vent , also kauni in neun hundert siebzig Meter 
(497. Toisen) Hohe gefunden. In den bairischen und tyroler 
Alpen beginnt die Alpenrose zwischen acht hundert und 
tausend Meter, oder zwischen 4 1Q un d 5i3 Toisen. Nach 
Graf Sternberg's Beobachtung , nahert sich Rhododendrum 
chamoBcistus weniger der Ebene , als Rhododendrum ferru- 
gineum und Rhododendrum hirsutum. Die beyden letzteren 
wachsen iibrigens sowohl auf uranfanglichem als auf Floz- 
kalkstein, in den Sette communi und dem Berg Sumano, 



1 Desfontaines hat diese Pflanze auch am Atlas gefunden. 
8 Ramond , Memo ire sur la vegetation des montagnes, in Annales du Museu 
d'hist. natur. vol. 4, p.' 5g6. • 



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Sd NATURGEMALDE 

der ein tausend zwey hundert sieben und siebzig Meter 
(656 Toisen) hoch ist. 

Die rankende Linnea borealis , welche bey Berlin , in 
^chweden , in Pensylvanien , und an der Nordwestkiiste 
von Nord- Atnerika , in Nutka-Sund , in gleicher Hohe mit 
der Meeresflache wachst , erscheint in den Schweitzer -Alpen 
erst auf Gebirgsabhangen , die funf hundert bis sieben 
hundert Meter (162 bis 227 Toisen) iiber dem Ocean 
erhaben sind. Man hat diesen birkenahnlichen Strauch im 
Wallis , am Ufer des Bergstroms der T&e-noire , und bey 
Genf (nach Saussure) am Voirons entdeckt. Gouan be- 
hauptet, dafs sie auch in Frankreich bey Espinouse, in 
der Gegend von Montpellier, vorkomme. 

Unter dem Aquator haben diejenigen Baume , welche 
man auf einer Hohe von drey tausend funf hundert Meter 
(1795 Toisen) beobachtet, kaum funf bis sechs Meter (i5 
Fufs) hohe Stamme. Nur im Ronigreich Neu-Spanien findet 
man die merkwiirdige Ausnahme , dafs unter 20 Grad 
nordlicher Breite eine Tannenart , welche dem Pinus 
strobus iiahe verwandt ist, bis drey tausend neun hundert 
Meter (2000 Toisen), ja dafs mehrere Eichenarten bis drey 
tausend ein hundert Meter (1590 Toisen) Hohe, an den 
Gebirgsabhang hinaufsteigen. Wer mit diesem sonderbaren 
Phanomene der Pflanzen-Geographie, mit diesem Lokalein* 
flusse des mexikanischen Klimas unbekannt ist, halt es fur 
unmoglich , dafs (unter den Tropen) Berge , die er mit 
hohen Tannen bis an die Spitze bewachsen sieht , doch • 
den Atna , und selbst den Pic von Teneriffa , an Hohe 



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£4 NATURGEMALDE 

Meter * Toiseti 

pneumonanthe . . zwischen o u. 800 od. zwisch. o u. 4 l ° 

verna 600 — 3ooo ■ 307 — i55g 

acaulis 1000 — 3ooo 5i3 — 1539 

Gen liana* . ( campestris — ; 1000 — 2400 5i3 — ia5o 

ciliata 1200 — 1800 • 6i5 -*- 923 

lutea . 1200 — 1600 6i5 — 821 

punctata, pilars. 1600 — 2000 821 — 1026 

laureola 3oo — 2000 i53 — 1026 

Daphne . . < mezereum ..... 1000 — 2000 5i3 — 1026 

cneorum — — — — 2000 — 2400 ' 1026 — 1280 

elatior *- o — 2200 o — 1128 

Primula 1 . . < integrifolia i5oo — 2000 769 — 1026 

villosa. . 1800 — 2400 923 — i23o 

aquatilis o — 2100 o — 1077 

Gouani 5oo — 2000 — — — 256 — 1026 

thora ........ •* 1400 — 2000 717 — 1026 

pyrenaeus i5oo — 2400 — — — 769 — i23o 

Ranunculus ( alpestris ...... 1800 — 2600 923 — i332 

amplexicaulis . . . 1800 — 2400 . 923 — i23o 

nivalis 2000 — 2800 1026 — 1437 

parnassifolius . . . 2400 — 2800 i23o — 1437 

glacialis ...... 2400 — 3200 i23o — 1642 

/ tridactylides. . . . o — 100 o — 5i 

geum 4°° "— 1600 ■ 2o5 — 821 

longifolia 800 — 2400 4 l ° — l2 $° 

aizoon \. 800 — 2400 — — — — 410 — i23o 

pyramidalis .... 1200 — 2000 — — — — 61 5 — 1026 

o .« / exarata . ...... 1400 — 1800 ; 718' — 923 

**B • • \ ce^pitosa r — 1600 — 5ooo 821 — i53g 

oppositifolia. . . . 1600 — 3400 821 — 1744 

umbroea ■ ■ 1400. — 1800 718 — 925 

granulata. ..... 1200 — 1600 6i5 — 821 

groenlandica. . . . 2400 — 34oo : 1230 — 1744 

androsacea. .... ■ ■ 2400 — 3400 i23o — 1744 

1 Ein scharfeinniger und unermudeter Naturforscher , Graf Sternberg , be- 
merkt, dafs Primula marginata, Primula viscosa 3 und Primula farinosa in 
den Tyroler-Alpen fast nie unter acht hundert Meter (4 1G Toisen) Hobe ge- 
funden werden. Nur die letztere ( eine sonderbare Ausnabme ! ) wachst bey 
Regensburg auf niedrigen Hugeln. 



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Erica . 



• • • 



DER TROPENLANDER. 85 

Meter Touen 

yagans zwischen o u. 900 od. zwisch. o- u. ^.61 

vulgaris. ■ — o — aooo — ■ o *— ioa6 

tetralix ■ 5oo — 2400 s — — a56 — ia3o 

arborea. 55o — 700 a8i — 359 



Unter den Saxifragen der Tyroler-Alpen bemerkt man 
eben diese Regelmafsigkeit in der Hohe ihres Standorts. 
Der Graf von Sternberg, welcher diese Gebirge untersucht, 
und von dem wir bald eine interessante Beschreibung des 
Monte- Baldo zu erwarten haben, bemerkt, dafs Saxifraga 
cotyledon und Saxifraga aizoon schon im romahtischeh 
Eisackthale , zwischen Brixen und Botzen, etwa drey hun- 
dert und fiinfzig Meter (178 Toisen) iiber der Meeresflache 
beginnen. Man kann ihnen folgen bis auf den Gipfel der 
Grappa bey Bassano, in sechzehn hundert vier und achtzig 
Meter (865 Toisen) Hohe. Sie nehmen demnach eine brei- 
tere Zone als in den Pyrenaen ein. Saxifraga ccesta, Saxi- 
fraga aspera, und Saxifraga androsacea zeigen sich erst 
in einer mittlern Hohe von sieben hundert Meter (359 
Toisen) , in den bairischen und tyroler Alpen. Zunachst 
auf sie folgen , gegen den Gipfel der Gebirge zu , Saxi- 
fraga autumnalis , Saxifraga muscosa, Saxifraga mos- 
chata, und Saxifraga petrwa. Die zu hochst wachsenden 
Saxifragen sind, nach eben diesem Beobachter, Saxifraga 
burseriana und Saxifraga bryoides. Beyde bedecken selbst 
die ode Kuppe des lombardischen Monte-Baldo , in zwey 
tausend zwey hundert sechs und zwanzig Meter ( 1 143 
Toisen) Hohe. 

Aber urn die Pflanzen-Geographie vollstandig zu bearbeiten, 



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86 NATURGEMALDE 

miifste man nicht blofs Naturgemalde fur die Polarlander, 
fur die gemdfsigte Zone zwischen dem 4 ost en und 5osten 
Grade der Breite, und fiir die Equatorial -Regionen ent- 
werfen ; man miifste auch einzelne botanische Rarten fiir 
die nordliche und sudliche Hemisphere, und fur den alten 
und neuen Kontinent liefern. Die Pflanzen von Chiloe und 
Buenos -Ayres sind specifisch von den griechischen und 
spanischen verschieden. Die Tropenlander von Afrika und 
die gemafsigten Himmelsstriche von Asien besitzen eine 
Vegetation, welche mit der siid- und nord-amerikanischen 
nur wenige Gewachse gemein hat. Madagascar, dessen hohe 
Granitberge Commerson fiir Schneeberge erklart, und an 
dessen Kiisten noch neuerlichst Herr du Petit -Thouars 
herborisirt hat, der Adamsberg auf Selan (Ceilon), und 
der Ophyr auf Sumatra, der, nach Marsden's Beobachtung, 
eine Hohe von drey tausend neun hundert sechs und 
vierzig Meter (2027 Toisen) ubersteigt, konnten dem mes- 
senden Botaniker wichtige Materialien iiber die Pflanzen- 
vertheilung in den Gebirgszonen des alten Kontinents 
liefern. 

Herr Barton in Philadelphia, der mit rastlosem Eifer 
Zoologie, Botanik und ihdianisches Sprachstudium umfafst, 
beschaftigt sich mit der Geographie der Gewachse in dem 
gemafsigten Erdstriche des neuen Kontinents. Er hat im 
Jahre 1800 der philosophischen Societat von Pensylva- 
nien eine Abhandlung iiber diesen Gegenstand vorgelesen, 
welche noch ungedruckt, aber voll der wichtigsten Unter- 
suchtiiigen ist. Er bemerkt darinn, dafs die Zahl urspriinglich 



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DER TROPENLANDER. 87 

wildwachsender, Nord-Amerika und Nord-Europa gemein* 
schaftlich zugehorender Pflanzen , weit geringer ist , als 
man gewohnlich glaubt. Nicht einmal Sonchus oleraceus 
ist einheimisch in dem erstern Welttheile. Mitchella repens 
ist, nach Barton, die Pflanze , welche in den nordameri- 
kanischen Freystaaten den grofsten Raum einnimmt. Er 
findet sie von 28 bis 69 nordlicher Breite. Auch Arbutus 
uya ursi erstreckt sich von New-Yersey an bis 72 , wo 
Hearne sie beobachtet hat. Dagegen sind auf den engsten 
Raum eingeschrankt Gordonia Franchlinii , und die wun- 
dervoll reitzbare Dioncea muscipula. Die Mundung des 
Ohio in den Missisipy, und die Ufer des letztern bedecken 
prachtvolle Pyramidal -Pappeln, Po/pm/ms deltoides, Marshal, 
und Salix nigra. Der Astronom, Heir Ellicot ', bemerkt, 
dafs die letztere siidlicher als 3i° Breite sehr selten wird. 
Dagegen beginnen dort am untern Missisipy die mit Tilr 
landsia usneoides bedeckte Cupressus disticha , Laurus 
borbonia , Acer negundo , Magnolia grandiflora , Juglans 
Paean oder illinoinensis (der schone Juglans mit haselnufs- 
artigen Friichten , Juglans rubra, Gartner), und Miegia 
macrosperma , Persoon ( Arundo gigantea , Barton ) , ein 
sechs und dreyfsig bis zwey und vierzig Fufs hohes Schilf, 
das zwischen 3o° 4 q/ un d 32° 2' nordlicher Breite ein 
dichtes undurchdringliches Gebiisch bildet. Sehr , sehr 
wichtig fur die Pflanzen -Geographie ist die Bemerkung des 
Herrn Barton , dafs dieselben Species wesdich von. der 

1 Travels to the Missisipy, p. a86. 



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88 



NATURGEMALDE 



Gebirgskette der Alleghany weiter gegen.Norden wandern, 
als in den ostlichen adantischen Landern , das heifst , als 
in dem schmalen Striche, welcher zwischen dem osdichen 
Ocean und dem Gebirge enthalten ist. 



jEsculus flava ..... 

Juglans nigra 

Ari&tolochia sypho . 4 . 
Nelumbium luteum . 
Gleditsia triacanthos. 
Gleditsia monosperma 
Glycine frutescens . . 



Oestlich 
Ton den AUeghanj-lf oantaint* 

reichtbis 36° nordl. Breite 



4i° 
38° 
4o° 

58° 
36° 
36° 



Westlioh 
TondenAlleghaay-MooDUioj. 

bis 4 a ° nordl. Breite. 

bis 44° 

bis 4*° ' 

bis 44° 

bis 4i° 

bis 39 

bis 4°° — — ^~— 



v Uberall ist der westliche Erdstrich milder , als der 
ostliche Theil der nordamerikanischen Freystaaten. Baum- 
wolle wird* mit Vortheil in Tennesee gebaut, und ertragt 
nicht das Klima gleicher Breite in Nord - Carolina. Die 
osdiche Riiste der Hudsonsbay ist ode und pflanzenleer, 
wahrend dafs die westliche mit Vegetabilien geschmuckt 
ist. Selbst in der Vertheilung der Tbiere bemerkt Herr 
Barton ahnliche Verhaltnisse. Die Klappersehlange (Crotalus 
horridus) lindet sich ostlich von den Alleghany -Bergen 
nur bis 44 Grad, aber westlich von denselben bis 47 
Grad nordlicber Breite. Fehlt es den nord-amerikanischen 
Freystaaten an Gebirgen , die sich mehr als zwey tausend 
5 Meter iiber die Meeresflache erheben (denn die nicht in 
ewigen Schnee reichenden White - Mountains von New- 
Hampshire konnen nicht, wie Cutler und Belknap behaup- 
ten , drey tausend zwey hundert fiinf und dreyfsig Meter 



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DER TROPENLANDER. 89 

oder 1660 Toisen hoch seyn) : so sind sie dagegen mit 
desto mannigfal tiger en Gewachsen geziert. Pensylvanien , 
Carolina und Virginien haben fast zweymal so viel Eichen- 
arten , als ganz Europa hochstammige einheimische Baume 
besitzt Unter derselben Breite ist in Nord-Amerika der 
Anblick der Vegetation mannigfaltiger und mahlerischer , als 
in unserm Welttheile. Gleditsien , Tulpenbaume und Magno- 
lien bilden dort mahlerische Rontraste mit dem dunkeln 
Griin der Thuya und Tannen. Die Natur hat sich gleich- 
sam bestrebt, den Boden der Freyheit mit ihren schonsten 
Pflanzenformen zu schmucken. 

So viel von dem Theile meines Naturgemaldes , welches 
die Vertheilung der Gewachse betrifft. Ich gehe nun zu an- 
deren physikalischen Verhaltnissen tiber; denn diese Arbeit 
ist dazu bestimmt, alles zu umfassen, was als veranderUch 
durch die Hohe des Standorts betrachtet werden kann. 
Vierzehn Scalen , welche das Bild einschliefsen , enthalten 
gleichsam das Resultat von dem , was die Naturlehre in 
ihrem gegenwartigen Zustande in Zahlen darbietet. Dieje- 
nigen derselben , welche die Luftwarme , die elektrische 
Spannung und den hygrometrischen Zustand der Atmo- 
sphare , den Sauerstoffgehalt , die Himmelsblaue , die geo- 
gnostischen Verhaltnisse , die Kultur des Bodens und die 
Wohnplatze der Thierarten angeben , griinden sich auf 
meme eigenen Erfahrungen. Ich darf mir schmeicheln , dafs 
selbst dem Naturphilosophen , der alle Mannigfaltigkeit der 
Natur den Elementaractionen Einer Materie zuschreibt , 
und der den Weltorganismus durch den nie entschiedenen 




12 



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90 NATURGEMALDE 

Kampf 1 widerstrebender Krafte begriindet sieht, eine sol- 
che Zusammenstellung von Thatsachen wichtig seyn mufs. 
Der Empyriker zahlt und mifst , was die Erscheinungen 
unmittelbar darbieten : der Philosophic der Natur ist es aufc 
behalten , das alien Gemeinsame aufzufassen und auf Prin- 
cipien zuruckzufiihren. 

« 

Luftwarme. 

Die , in dem Naturgemalde , der Luft gewidmete Scale 
driickt den hochsten und niedrigsten Thermometerstand 
aus , welcher von fiinf hundert zu fiinf hundert Meter ( 25o 
Toisen) Hohe unter den Tropen beobachtet wird.' Eine 
grofse Zahl eigener Beobachtungen , oft von Stunde zu 
Stunde angestellt, sind zur Bestimmung der mittlern Tem- 
pera tur angewandt worden ; eine Mittelzahl , welche natiir- 
lich durch alle Beobachtungen und nicht etwa durch die 
Extreme begriindet ist. Auch sind Lokalverhaltnisse, beson- 
.ders die , welche die nordliche Grenze des Krebswende- 
kreises darbietet, geflissentlich vernachlafsigt worden. So 
liest man, zum Beyspiel, in meiner Zeichnung, dafs an 
den Kiisten, in gleicher Hohe mit der Oberflache des Mee- 
res, das hunderttheilige Thermometer nicht unterhalb i8°,5 



1 Auf diesen , das Leben in der Natur erhaltenden, Kampf scheint der uralte 
Trimurti, die Dreyeinigkeit der Hindus, hinzudeuten. Als der Unsterbliche und 
Ewige, der Parabrahma, vom Berge Meru Jtierab die Weltregierung anordnete, 
befabl er dem Shiwa zu zerstoren, dem Visnu zu erhalten, und dem Brahma, 
mitten im Widerstreit der bey den Gottheiten, fortfahrend zu zeugen und zu 
scbaflen. 



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DER TROPENLANDER. 



9 l 



herabsinkt, ungeachtet man es in der Hauptstadt der Insel 
Cuba , in der Havana , und weiter ostlich , in Matanzas , oft 
auf -+- i°,4 gesehen hat. Aber diese , fur niedrige Tropen- 
lander so uberaus auftallende , Winterkalte findet auch nur 
in einer Gegend Statt, die schon voile dreyzehn Breiten- 
grade nordlicher, als die Zone liegt, bis zu der ich mein 
Naturgemalde erstrecke. Sie ist Folge der wiithenden Nord- 
sturme , welche die kalten Luftschichten des allzu nahen 
Rontinents uber die Insel Cuba jagen. In dem nur wenig 
siidlichern, aber von Nord-Amerika fernern Santo -Domingo 
erhalt sich das Thermometer , in den Ebenen , das ganze 
Jahr hindurch , zwischen io° und 3i°,2 (16 und 25° R.)- 
Es bedarf iibrigens wohl kaum der Bemerkung , dafs .alle 
angegebenen Thermometer-Beobachtungen im Schatten und 
fern vom Reflex der strahlenden Warme angestellt worden 
sind. 



HOHEN 








UBER DER MEERESFLACHE. 


HOCHSTE 


NIEDRIGSTE 


MITTLERE 






LUFTWARME. 


LUFTWARME. 


LUFTWARME. 


METER. 


TOISEN. 








o bis lOOO 


bis 5oo 


-h 38°,4 


H- l8°,5 


+ 25°,3 


i ooo bis 2000 


5oo bis 1000 


-+- 3o,o 


-+- 12,5 


-f- 21,2 


2000 bis 3ooo 


1000 bis i5oo 


-+- 23,7 


-f- 1,2 


■+■ »8,7 


3ooo bis 4ooo 


1 5oo bis 2000 


+ 20,0 


=4= 0,0 


+ 9,9 


4ooo bis 5ooo 


2000 bis 25oo 


+ 18,7 


- 7,5 


-h 3,7 


5ooo bis 6000 


25oo bis 3ooo 


H- 16,0* 


10,0* 


— 2* 



Die Zahlen , welche diese Tafel fiir Hohen angibt , die 
funf tausend Meter (2565 Toisen) iibersteigen, sind von 



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92 NATURGEMALDE 

minderer Genauigkeit , da diese grofsen Hohen bisher zu 
wenig und auf zu kurze Zeit besucht worden sind, urn ihre 
mittlere Temperatur bestimmen zu konnen. Die Kalte, wel- 
cher wir auf den hochsten Gipfeln der Andeskette ausgesetzt 
gewesen sind, ist, dem Ausspruch des Tbermometers nach, 
nie sehr betrachtlich ; • aber die mindere Menge des einge- 
atbmeten Sauerstoffs (als Folge der Luftdunne), die Asthe- 
nic des Nervensystems * , und andere noch wenig ergriindete 
Ursachen machen diese Bergkalte fur das Gefiihl fast uner- 
traglich. Die franzosischen und spanischen Akademiker ha- 
ben , in ihrer Hiitte am Vulkan Pichincha , in einer Hohe von 
vier tausend sieben hundert fiinf und dreyfsig Meter ( 2428 
Toisen), das hunderttheilige Thermometer nur 6° unter dem 
Eispunkte herabsinken sehen. Am Chimborazo, nahe an 
seinem Gipfel, zeigte mir diefs Instrument noch — 1°,8. Ja 
am Vulkan Antisana, auf der betrachtlichen Hohe von fiinf 
tausend vier hundert und drey Meter (2773 Toisen), fan- 
den wir im Schatten eine Warme von 19 . Der Sonne aus- 
gesetzt, war diese Warme so grofs, dafs wir uns entkleideten , 
ungeachtet wir zwey tausend fiinf und sechzig Meter (1060 
Toisen) hoher als der Atna , und sechs hundert sieben und 
zwanzig Meter (325 Toisen) hoher als der Gipfel des Mont- 
Blanc waren. 

An Orten, welche man fur die heifsesten der Erde halt, 



1 Besonders des gastrischen Systems , alles dessen , -was mit dem untern After- 
gehirn, dem Plexus coeliacus, zusammenhangt : daher in grofsen Berghohen die 
Neigung turn Erbrechen, eine Bergkrankheit, wie das Seeiibel, mal de mer. 



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94 NATURGEMALDE 

Erdkorpers nennt, mag ich nicht entscheiden. Die Quell- 
wasser geben diese Tjemperatur (wie ein vortreffllicher JJeob- 
achter , Herr von Buch , gefunden ) sehr genau an. Nach die- 
sem Maasstabe ist das Innere der Erde unter den Tropen 
kiihler als man vermuthen sollte. Ich habe in der Provinz 
Cumana, auf drey hundert neun und achtzig Meter (200 
Tbisen) Hohe, die Quellen zu* 22°,5 (18 R.)j au ^ sieben 
hundert neun und siebzig Meter ( 400 Toisen) Hohe, zu 21 
( i6°,8 R.); Dev Caraccas , auf tausend drey hundert vier 
und zwanzig Meter (680 Toisen) Hohe, zu i6°,2 (i3°R.), 
gefunden. Diese Warmegrade sind ,alle geringer, als die 
mittlere Temperatur der genannten Standorte. 

An der Meereskuste oder in den uniibersehbaren Steppen 
(Lianos) von Calabozo und Carf 1 erwarmt sich, wahrend 
der sechs Monathe, in denen es nie regnet, dermafsen der 
Boden, dafs Sesuvium, Gomphrena, Thalinum, Kyllingia, 
einige Mimosen und andere niedrige Krauter, welche der 
Wind halb im Sande vergrabt, eine Hitze von 53° ertragen. 
In der schwarzen Erde , die den Vulkan von Jorullo , in 
Neu-Spanien, umgibt, stieg mein Thermometer bis 6o° 5 und 
doch ist diese, vom Rrater im Jahr 1759 ausgeworfene 
Erde schon hie und da mit Vegetation bedeckt. Dagegen 
erdulden Swertia quadricornis, Stahelinen, Espeletia frai- 
lexon und andere Alpenpflanzen der hohen Andeskette das 



1 Die Steppe zwischen der Bergkette, langs der Kuste von Caraccas und dem 
Apure und Nieder- Orinoco ; so eben, dafs sie iiberall das Biid des Meer- 
Horizonts darbietet. 



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96 NATURGEMALDE 

schneller ist, als in den Luftschichten zwischen der Meeres- 
kiiste und zwey tausend und fiinf hundert Meter (1281 
Toisen). Diejenige Schicht, in welcher die allmahlige Erkal- 
tung gleichsam einen Sprung macht und plotzlich schnell 
zunimmt, ist zwischen zwey tausend fiinf hundert Meter 
und drey tausend fiinf hundert Meter (i25o und iy5o 
Toisen ) , zwischen der Hohe des Gothard und des Atna 
enthalten. Freylich kann man leicht einsehen, wie viel die 
strahlende Warme , welche durch die Unebenheiten , durch 
die Natur und Farbe des Bodens mannigfaltig bestimmt 
wird , auf dieses , von mir in den Andes beobachtete , Gesetz 
der Warmeabnahme Einflufs haben mufs : freylich wiirde 
ein Aeronaute, der sich unter dem Aquator, fern von den 
Gebirgen , zum Beyspiel uber der Meeresflache oder in den 
unermefslichen Ebenen des Amazonenlandes erhobe, diefs 
Gesetz wahrscheinlich etwas anders modificirt finden. Doch 
ist zu vermuthen, dafs diese Verschiedenheit der Resultate 
sich nicht weit uber vier tausend Meter ( 2o52 Toisen ) Hohe 
erstrecken wiirde : denn in diesen luftdunnen p.egionen ist 
die Masse der Berggipfel , selbst in der Andeskette , schon 
geringe. Sie bieten daselbst nicht mehr so betrachtliche Ebe- 
nen dar, und der Einflufs strahlender Warme kann daher 
dort nur geringe seyn. 

Auf der Reise, welche ich im Junius 1802 nahe bis an 
den Gipfel des Chimborazo gemacht, habe ich die Abnahme 
der Warme zu hundert sechs und neunzig Meter (101 Toisen) 
fur jeden Grad des h under ttheiligen Thermometers gefunden. 
A us den mittleren Temperaturen zwischen dem Meeresspiegel 



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98 NATURGEMALDE 

einem andern One in einer, der ersten Klasse des National- 
Instituts vorgelesenen , Abhandlung l entwickelt , wie in dem 
Luftmeere, in welches unsre feste Erdmasse eingetaucht ist, 
oberhalb vier tausend siebeh hundert Meter (2411 Toisen) 
Hohe, die geographische Breite die Tempera tur nur wenig 
modificirt, und wie Herr Gay-Lussac (in 48° nordl. Breite) 
in den hohen Luftschichten iiberall genau denselben Ther- 
mometerstand beobachtete, welchen ich nahe am Aquator, 
in gleichen Hohen , auf der Expedition nach dem Gipfel 
des Chimborazo, gefunden hatte. 

Die Phanomene der Horizontal-Refraction , mit deren 
Theorie Laplace gegenwartig beschaftigt ist, scheinen auf 
den ersten Blick dieser gleichen Abnahme der Warme in 
Luftregionen , die vom Aquator, der geographischen Breite 
nach , so ungleich entfernt sind , entgegen zu seyn. Diese 
Refraction, welche man seit Bouguer's Zeiten um vier bis 
funf Minuten geringer in den TrOpenlandern , als in der 
gemafsigten Zone annimmt, lassen nahmlich in den ersteren 
auch eine schnellere Abnahme der Warme vermuthen. Aber 
man mufs nicht vergessen, dafs, nach Delambre's neueren 
Beobachtungen , die Horizontal -Refraction in Europa weit 
kleiner, und, nach Le Gentil, in Ostindien unter den Tro- 
pen weit grdfser ist, als man sie gewohnlich angibt. In Eu- 
ropa kennen wir dazu noch sehr wenig die Warmeabnahme 
wahrend der Wintermonathe 5 und da die Horizontal -Refrac- 



1 Memoire sur la limite inferieure des neiges perpetuelles et sur le decroisse- 
jment du calorique dans les hautes regions de l'atmospliere, lu le 5 Frimaire an i3. 



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DER TROPENLANDER. 99 

tion von alien Luftschichten abhangt, welche der Lichtstrahl 
durchlauft : so ware es sehr moglich , dafs eine ungleiche 
Abnahme der Warme in Scbichten , welche hoher als sie- 
ben tausend Meter (3591 Toisen), also jenseits aller bishe- 
rigen Beobachtungen liegen , die ungleiche Strahlenbrecbung 
begrunde. In einer Materie, iiber welche es noch so sehr 
an genauen und vervielfaltigten Erfahrungen fehlt, ist es 
vorsichtiger , statt sich in Vermuth ungen zu verirren, die 
Resultate, wie sie aus den bisherigen Beobachtungen folgen, 
unverandert zu liefern. 

Luftdruck. 

Der Druck, welchen die Atmosphare in verschiedenen 
Hohen iiber der Meeresflache ausiibt , ist durch Barometer- 
stande bezeichnet, welche nach der Laplacischen Formel fur 
barometrische Hohenmessungen berechnet sind. Die Tem- 
peratur ist dabey nach dem oben entwickelten Gesetz der 
Warmeabnahme supponirt. Sey X die Hohe in Meter aus- 
gedriickt; H, der Barometerstand an der Oberflache des 
Meeres ; T, die Temperatur ebendaselbst 5 t, die Temperatur, 
welche der Hohe X zugehort ; und h, endlich, der gesuchte 
Barometerstand fur X : so ist 

T X 

Log. m= 



j 2(T + t) 

I 1000 



und hat man so die Zahl m gefunden, so ergibt sich 

H 



h = 



m 



v 5412/ 



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lOO 



NATURGEMALDE 



Nach dieser Formel findet man von funf hundert zu funf 
hundert Meter (25o Toisen) folgende Barometerstande. 



H O H E N 


MITTLERE 








TEMPERATUR 


BAROMETER HO HEN. 


UBER DER MEERESFLACHE. 


A JLJ AWJL JL Mmd A^ +wL A %J A^ 

NACH DEM 










HUNDE^TTHEILICEN 






IN METER.. 


IN TOISEN. 


THERMOMETER. 


IN METER. 


IN LINIEN. 


M 

o 


T 




4- 253 


M 
0,76202 


337,8 


5oo 


256 


-h 24,0 


0,71961 


3 19,03 


lOOO 


5i3 


-h 22,6 


0,67923 


3oi,i8 


i5oo 


7 6 9 


-+- 21,2 


0,64l 34 


284,28 


2000 


1026 


-h 20,0 


0,60 5oi 


268,24 


25oo 


1282 


■+■ 18,7 


0,57073 


2 53,o 5 


3ooo 


i539 


+ 4,4 


0,53689 


238,o6 


35oo 


1795 


■+■ 9>° 


o,5o4i8 


223,5o 


4ooo 


2052 


+ 6,4 


0,47417 


210,20 


45oo 


23o8 


-+- 3,7 


o,44553 


197,55 


5ooo 


2565 


+ 0,4 


0,41823 


i85,4o 


55oo 


2821 


— 3,o 


0,39206 


i 7 3,84 


6000 


3o 7 8 


(- 6,0) 


0,36747 


162,95 


65oo 


3334 


(— 10,0) 


o,34357 % 


1 5a,38 


7000 


3591 


(- i3,o) 


o,32o35 


142,61 


75oo 


384 7 


(- 16,0) 


o,3oo68 


1 33,36 



Die mittleren Luftwarmen oberhalb sechs tausend Meter 
(3ooo Toisen) sind hier abermal wenig genau , da sie sich 
nicht auf unmittelbare Erfahrungen, sondern nur.auf die, 
in tieferen Regionen beobachtete Warmeabnahme griinden. 
Saussure hat das Barometer auf dem Gipfel des Mont-Blanc 
bis o,435 1 5 Meter (16 Zoll 0,9 Linie) herabsinken sehen. 



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DER TROPENLANDER. 101 

La Condamine und Bouguer » fanden auf dem Corazon ( siid- 
lich von der Stadt Quito) 0,42670 Meter (i5 Zoll 9,2 
Linien). Ich bin auf dem Chimborazo zu einer Hohe ge- 
langt, in welcher das Barometer nur 0,37717 Meter (i3 Zoll 
n,a Linien) zeigte. Aber Herr Gay-Lussac hat in seiner 
aerostatischen Reise eine Luftdiinne ertragen, welche durch 
einen Barometerstand von 0,3288 Meter (12 Zoll 1,8 Linie) 
ausgedriickt wurde. 

Die Barometerhohe am Meeresufer habe ich zu 0,76202 
Meter (337,8 Linien) bey einer Warme von 25° angenom- 
men. So folgt dieselbe aus zahlreichen Beobachtungen , 
welche ich an den Ufern des atlantischen und des stillen 
Oceans, in der siidlichen und nordlichen Hemisphare, an- 
gestellt habe. Bouguer nahm als Mittelzahl 28 Zoll 1 Linie; 
der spanische Geometer Don Jorge Juan, 27 Zoll 1 1,5 Linien 
an. La Condamine sagt ausdrucklich : « Wenn die mittlere 
<( Barometerhohe unter den Tropen nicht gar geringer als 
« 28 Zoll ist , so weicht sie wenigstens nur wenig davon 
« ab. » Zwey vortreffliche Barometer , welche ich vor meiner 
Abreise aus Europa, wie alle andere von mir gebrauchte 
Instrumente , aufs sorgfaltigste mit denen der National -Stern- 
warte zu Paris verglichen hatte, und die ohne alle Bescha- 
digung nach Siid-Amerika gelangten, haben mich gelehrt, 



1 La Condamine, Voyage a Vequateur, p. 58- « Personne n'a vu le barometre . 
« si bas dans 1'air libre , et vraisemblablement personne -n'est monte a une plus 
« grande bauteur. Nous etions (a la cime du Corazon) a deux mille quatre cent 
« soixante-dix toises, et nous pouvions repondre, a quatre ou cinq toises pres, 
« de la justesse de cette determination," 



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102 NATURGEMALDE 

dafs der mittlere Luftdruck in der heifsen Zone am Meeres- 
ufer etwas geringer , als in den gemafsigten Erdstrichen * ist 
Shukburg fand denselben in Europa 0,76301 Meter (28 Zoll 
2,24 Linien); Fleuriau Bellevue, 0,76427 Meter (28 Zoll 2,8 
Linien), bey einer Lufttemperatur von 12 . Dieser Unter- 
schied nahmlich , welcher zwischen der heifsen und gemafsigr 
ten Zone Statt findet, lafst sich nicht durch den Einflufs 
der Warme allein erklaren , urn so weniger als, in den nie- 
deren Ebenen des westlichen Theils von Peru , wahrend dafs 
die Sonne vier bis fiinf Monathe lang in dickem Nebel ein- 
gehiillt ist, das Thermometer bis i5° oder 16 herabsinkt, 
ohne den Barometerstand merklich zu afficiren. 

Der Luftdruck wechselt in der gemafsigten Zone in dem- 
selben Jahre , ja bisweilen in wenigen Monathen , um o,o45 

^Trotz der Versuche von Shukburg und Fleuriau ware es doch sehr wiin- 
schenswerth, wenn die mittlere Barometerhohe der europaischen Meere, zum 
Beyspiel der Ostsee, des atlantischen , mittellandischen, schwarzen (und caspi- 
schen) Meeres, mit vorher und nachher sorgjaltig unter sich verglichenen Instru- 
mental ausgemittelt wiirde. Poleni's und Toaldo's vieljahrige Beobachtungen 
lehren, dafs dieser mittlere Luftdruck gewissen (wahrscheinlich periodischen ) 
Veranderungen unterworfen ist. Wollen Physiker in kiinftigen Jahrtausenden 
einst die Frage untersuchen , ob der Luftdruck zu- oder abgenommen hat: so 
warden sie mit Recht unsre Tragheit anklagen, mit der wir unterlassen haben, 
im i8ten und lgten Jahrhunderte das Gewicht der Atmosphare so genau zu 
bestimmen, als es unsere dermaligen Werkzeuge erlauben. Mittlerer Luftdruck 
an den Ufern des Meeres, Intensitat der magnetischen Kraft, Sauerstoffmenge 
des Luftkreises, mittlere Warme und Quantitat des gefallenen Regens, sind 
Phanomene, uber deren Bestandigkeit oder Wechsel kommende Jahrhunderte 
entscheiden werden, wenn wir diese Entscheidung durch sorgfaltige Bestim- 
mungen gegenwartig Torbereiten. Wie sehr haben die Physiker auch niclit in 
dieser Hinsicht die unermiidete Vorsieht der Aslronomen nachzuahmen ! 



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io4 NATURGEMALDE 

Morgens um neun Uhr ihr Maximum erreicht hat. Von neun 
Uhr bisMittag sinkt das Quecksilber gewohnlich nur wenig; 
aber diefs Fallen ist stets sehr merklich von zwolf Uhr bis 
vier Uhr oder vier Uhr dreyfsig Minuten, wo das Barometer 
auf dem niedrigsten Punkte ist. Von diesem Minimum an 
steigt es abermals bis eilf Uhr Abends, wo es fast eben so 
hoch steht , als um neun Uhr Morgens. Das Barometer sinkt 
abermals die ganze Nacht hindurch, vorzuglich von Mitter- 
nacht an bis vier Uhr dreyfsig Minuten Morgens. Von die- 
sem zwey ten Minimum an erhebt es sich wieder bis neun 
Uhr. So gibt es in vier und zwanzig Stunden zwey Ebben 
und zwey Fluthen , in denen die nachtlichen ktirzer , als 
die taglichen sind. Diese kleinen stiindlichen Veranderungen 
habe ich identisch gefunden, am Ufer des AmaEonenflusses , 
in Cumana oder im Callao (dem Hafen von Lima an der 
Siidseekuste). Sie erfolgten zu derselben Zeit, in Gegenden, 
die vier tausend Meter (2062 Toisen) uber dem Meere erha^ 
ben liegen, wie in den Ebenen des spanischen Guayana. Sie 
scheinen, und diefs ist am aufTallendsten , vollig unabhangig 
vom Wechsel der Tempera tur oder dem Einflufs der Wit- 
terung iiberhiaupt. Wenn das Barometer einmal im Sinken 
ist , von ein und zwanzig Uhr bis vier Uhr ; wenn es einmal 
im Steigen ist , von vier Uhr bis eilf Uhr : so unterbrechen 
weder Erdbeben , noch Sturmwind, noch mit heftigen Regen- 
gussen begleitete Gewitter, seinen Gang. Der Sonnenstand 
allein scheint diesen zu lenken. l An einigen Orten habe ich 

1 l3ie Kenntnifs der stiindlichen Veranderungen des Luftdruckes macht selbst 
den kleinsten Fehler verschwinden , welchen man unter dem Aquator bey baro- 



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io6 



NATURGEMALDE 



Stundliche Veranderungen des Luftdrucks, am 8ten und gten 
November 1802, an den Ufern der Sudsee, in 12 3' sud- 
licher Breite und 79V 3' westlicher Ldnge von Paris. 



ST UND EN. 


BAROMETER- 


THERMOMETER 


THERMOMETER 


HYGROMETER 






STAND 


AM 


AH DE» FftBTBH MIT 




WAHRE 


ZE IT. 


IN LINIEN. 


BAROMETIR. 


UBB 1M tClATTUf. 


NACH DELtJC. 


Am 8 Nov. 


Ufcr 

urn io| 


336,92 


19,0. 


i6°3 


43,0 




11 


336,98 


i9>° 
*9> 5 


16,2 
16,2 


43,7 
44 




i3 


336,72 




i4 


336,6o 


*9> 5 


16,2 


42 


f . 


i5 


336,65 


19.8 


i6,5 


43 


\ 


i5i 


336,62 


20,0 


16,0 


42 




16 


336,55 


i9>° 
20,5 


16,0 
i6,3 


42 
42,5 




i<H 


336,8o 


S 


»7 


336,8 7 


22,0 


16,4 


42 


- 


*7i 


336,g5 


22,7 


17,0 


42 




20 


337,25 


23,o 


18,0 


39 




21 


337,35 


23,o 
24,5 


i9» 2 
20,4 


37 

3 7 ,5 




22^ 


, 337,i3 




oi 


336,90 


25,5 


22,5 


34 




0* 


336,7 5 


25,9 


22,7 


34 


\ 


31 


336,6o 


26,0 


23,2 


34,5 




4 
5 


336,45 


25,5 
^5,5 


20,5 
l8,0 


33,6 

37 


336,5o 




8 


336,85 


25,o 


l6,l 


39 




9 


336,95 


22,0 


l6,5 


4o 


S 


10 


336,97 • 


22,4 


l6,4 


42 




11 


337,i5 


20,0 
20,5 


16,4 
16,7 


42 
42 




Hi 


336,90 




i3 


336,84 


20,5 


16,7 


43 



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DER TROPENLANDER. 107 

Unerachtet ich mehrmals in diesem Abschnitte diese stund- 
lichen Variationen des Barometers mit dem Phanomen der 
Ebbe und Fluth verglichen , und bemerkt habe , dafs sie mit 
dem Stande der Sonne in nicht zu verkennendem Zusam- 
menhang stehen: so^glaube ich doch nicht, dafs sie unmit- 
telbar und allein in der Attraction dieses Weltkorpers 
gegrundet sind. Ware hier Anziehung der Massen im Spiel, 
wie in der Ebbe und Fluth des Meeres , warum ist es mir 
nie gegliickt , so viele Nachte ich auch darauf aufmerksam 
gewesen bin , Einwirkungen des Mondstandes auf die Baro- 
meterhohe unter dem Aqua tor zu bemerken ? Herr Mutis, 
dessen Scharfsinn nichts entgeht , und der sich seit dreyfsig. 
Jahren mit diesem Phanomene in Santa -Fe (2623 Meter 
oder i347 Tois'en tiber demMeere) beschaftigt hat, versichert 
zwar , daselbst deutliche Spuren dieser Einwirkungen in den 
Conjunctionen und Oppositionen entdeckt zu haben. Aber 
gesetzt auch , dafs sie wirklich existiren : so scheinen die 
stundlichen Barometerveranderungen unter dem Aquator 
doch noch zu betrachtlich zu seyn , als dafs sie der Anzie- 
hung der Sonne und des Mondes, und der durch sie verur- 
sachten Erhebung des Luftmeeres, allein zugeschrieben werden, 
konnten. Laplace hat in seinem Meisterwerke , in der Meca- 
nique celeste, gezeigt, dafs diese Anziehung unter den vor- 
thejlhaftesten Umstanden kaum ein Millimeter betragen 
konne. Hangt demnach der periodische Wechsel des Luft- 
drucks fast ausschliefslich von dem Sonnenstande ab , und 
hat man Grtinde denselben weder der Massen -Attraction 
dieses Central - Gestirns , noch den Wirkungen der von 



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lo8 NATURGEMALDE 

ihm austrahlenden oder wenigstens durch ihn erregten 
Warme zuzuschreiben : so darf man vielleicht irgend einen 
Einflufs des Sonnenlichtes auf die Atmosphare ahnden. 
Naturphilosophische Ideen geben diesen Ahndungen ein 
grofseres Gewicht , und Herr Schelling weist an mehreren 
Orten seiner Werke 1 scharfsinnig auf die Ubereinstimmung 
zwischen dem Gange des Barometers und der Magnetnadel 
hin. Ich werde bald an einem andern Orte a ( wenn ich 
meine Beobachtungen uber Inclination , stiindliche Declina- 
tion und durch die Zahl der Oscillationen gemessene Inten- 
sitat $er magnetischen Kraft bekannt mache) auf diesen 
Gegenstand zuruckkommen. 

Nahe an dem Wendekreise des Rrebses in dem Meer- 
busen von Mexico, zwischen dem neunzehnten und drey 
und zwanzigsten Grade nordlicher Breite, erkennt man bis- 
weilen emen temporaren Einflufs der Wetterveranderungen 
auf den Luftdruck. In der Havana und in Vera-Cruz erhebt 
4er stiirmende Nordwind , welcher kalte Luftschichten her- 
beyfiihrt, das Barometer um ftinf bis sieben Linien. Diesem 
Steigen geht ein plotzliches Sinken des Quecksilbers zuvor , 
ein Sinken , welches ein wichtiges und jetzt sorgfahig beob- 
achtetes Prognosticon fur die gefahrvolle Schiflahrt in diesem 
Meerbusen ist. Das Barometer erhalt sich unveranderlich 
hoch , so lange der Sturm wiithet. Kaum ist derselbe vor- 
iiber , so tritt mit den Passatwinden ( la Briza) auch sogleich 



» Weltseele'S. i5i. Neue Zeitschrift fur speculative Physik, B. 1, St. 2, S. 169. 
3 In einer Schrift, -welche ich mit Herrn Biot in Paris gemeinschaftlicn her*- 
.ausgebe. 



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DER TROPENLANDER. 109 

wieder das regelmafsige Spiel der stiindlichen Barometer- 
veranderungen ein. 

Cotte hat durch Vergleichung einer grofsen Anzahl genauer 
Beobachtungen ausgemittelt , dafs in Europa der niedrigste 
Stand des Quecksilbers im Durchschnitte zwey Stunden nach 
Culmination der Sonne , also zwey Stunden fruher als unter 
dem Aqua tor eintritt. Wahrscheinlich existiren auch in 
unsrer gemafsigten Zone diese kleinen periodischen Ebben 
und Fluthen des Luftmeeres. Vielleicht sind sie nur durch 
dievielen Perturbationen einer, an Warmegehalt und Feuch- 
tigkeit so oft wechselnden, Atmosphare versteckt, und Mittel- 
zahlen , aus vielen tausend stiindlichen Beobachtungen gezo- 
gen, wiirden durch Compensation der storenden Ursachen 
die Existenz dieser periodischen Oscillationen des Barometers 
auch in Europa erweisen. Ohne Mittelzahlen wiirde man 
ja selbst nie die kleinsten Modificationen in der Ebbe und 
Fluth des atlantischen Oceans entdeckt haben. 

Ich kann diesen Abschnitt iiber die Elasticitat der Luft 
nicht verlassen, ohne eine physiologische Bemerkung hinzu- 
zufugeri. Der Barometerstand in der Stadt Quito ist o, M, 5436* 
oder 20 Zoll 1 Liniej in der Stadt Micuipampa , im nordost- 
lichen Theile von Peru , 0,^4962 oder 18 Zoll 4 Linien. Die 
Bewohner der Meyerey Antisana athmen eine Luft, deren 
Elasticitat durch eine Quecksilbersaule von 0,^4692 (17 Zoll 
4 Linien) ausgedriickt wird. Herr Gay-Lussac hat das Baro- 
meter bis o, M -3288 oder 12 Zoll l-^-Linie sihken sehen. Der 
Merisch , der in der Ebene an einen Luftdruck von o, M> 75y9 
(28 Zoll) gewohnt ist, widersteht alien diesen Veranderungen. 



X 



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no NATURGEMALDE 

Die Bewohner jener hohen Gebirgsstadte der Andes (Indianer 
und weifse Racen) geniefsen der besten und dauerhaftesten 
Gesundheit. Fremde klagen zwar in den ersten Tagen ihrer 
Ankunft von der Kuste fiber beschwerliche Respiration , 
besonders wenn sie schnell sprechen , oder sich einer starken 
Muskelbewegung aussetzen ; aber diese Unbehaglichkeit . 
dauert nur kurze Zeit. Sinkt dagegen das Barometer bis 
0,4.060 Meter (i5 Zoll), alsdann wird der Einflufs der Luft- 
dunne bedeutender. Auf fiinf tausend Meter (2565 Toisen) 
Hohe fuhlt man eine auflallende Ermattung , eine Schwache 
des ganzen Nervensystems. Man fallt leicht in Ohnmacht, 
so gering auch die Anstrengung ist, zu welcher man seine 
deprimirten Muskeln zwingt. Schwachere Personen fuhlen 
dabey grofse Neigung zum Erbrechen ; und in Hohen , welche 
fiinf tausend acht hundert Meter (2975 Toisen) iibersteigen , 
wirkt die , zum Ersteigen der Berge nothige , starke Muskel- 
bewegung und der Mangel des aufseren Luftdrucks so sehr 
auf die Haute der kleinsten Blutgefafse , dafs das Blut aus 
den Lippen , aus dem Zahnfleische und aus den Augen her- 
vordringt. Alle diese Erscheinungen wechseln natiirlich mit 
der Constitution der Individuen. 

Saussure hat auf seinen Alpenreisen beobachtet , dafs der 
Mensch mehr als der Maulesel der Luftdiinne widersteht. 
Ich habe im Konigreich Neu-Spanien mit vieler Beschwerde 
ein Pferd am Cofre de Perote bis drey tausend acht hundert 
neun und dreyfsig Meter (1970 Toisen), also hundert und 
vier und dreyfsig Meter (69 Toisen) hoher als der Gipfel 
des Pico de TenerifFa gebracht. Das Thier hatte eine stoh- 



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DER TROPENXANDER. in 

nende, beangstigte Respiration, welche nicht als Folge der 
Muskelanstrengung zu betrachten war, da die Beangstigung 
in tieferen Gegenden verschwand., wo das Gebirge gleich 
steil war., Im Ganzen glaube ich bemerkt zu haben , dafs 
die weifse Menschenrace in Hohen , welche fiinf tausend 
acht hundert Meter (297$ Toisen) nahe kommen , minder 
leidet, als die eingeborenen kupferfarbigen Indianer. 

Der Luftdruck mufs den wichtigsten Einflufs auf die 
vitalen Functionen der Pflanzen , besonders auf die Respi- 
ration ihrer Integumente aufsern. Unerachtet die meisten 
Rryptogamen , und unter den Phanerogamen viele Graser, 
fast gleichgiiltig fiir diese Wirkungen des Luftdrucks scheinen: 
so sind andere Gewachse dagegen um so empfindlicher fiir 
dieselben. Swertia quadricornis , Espeletia frailexon , die 
Stcehelina der Andeskette und viele Gentianen erheischen 
einen Barometerstand von o,46o und 0,487 Meter (17 bis 
18 Zoll). Viele peruanische Alpenpflanzen wurden, wenn 
man sie nacb Europa in die Ebene verpflanzte , daselbst 
allenfalls wohl die erforderliche Temperatur, nicht aber 
die Luftdiinne finden , an welche ihre Organe gewohnt 
sind, und die zu ihrem Gedeihen erforderlich ist. 

Feuchtigkeit der Atmosphare. 

Eine eigene Scale des Naturgemaldes stellt die allmahlige 
Abnahme der Luftfeuchtigkeit unter dem Aquator, vom Ufer 
des Meeres bis zu dem Gipfel der Andeskette dar. Die Beob- 
achtungen, aus denen ich diese Mittelzahlen deducirt habe, 
sind im Schatten bey vollkommner Himmelsblaue , bald mit 



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1 12 



NATURGEMALDE 



dem Saussure'schen , bald mit dem Deluc'schen Hygrometer 
angestellt worden, je nachdem das Instrument die Feuch- 
tigkeit schnell anzeigen sollte, oder es der Luft lange aus- 
gesetzt bleiben konnte. Alle Resultate sind auf Grade des 
Saussure'schen Hygrometers und auf die gleiche Temperatur 
von 25°,3 reducirt. Saussure's und Dalton's Versuche lehren , 
dafs die Correction durch den verschiedenen Luftdruck ganz- 
lich iiberflussig ist. 



HOHE 
IN METER. 


THERMOMETER. 


HYGROMETER 

oh jr* 
VERBESSERUNG 

DV ICE Sil 

BAROMETER. 


HYGROMETER 

auf a5°,3 

TEMPERATUR 

1IDDCIIT. 


Meter 

Von o zu 1000 


+ a5,3 


86 


86,0 


Von 1000 zu 2000 


+ 21,2 


80 


7M 


Von 2000 zu 3ooo 


+ 18,7 


74 


64,5 


Von 3ooo zu 4ooo 


+ 9>° 


65 


46,5 


Von 4ooo zu 5ooo 


+ 3,7 


54 


36,2 


Von 5ooo zu 6000 


+ 3,o 


38 


26,7 



Diese Tafel wird kiinftig einmal fur die Strahlenbrechung 
wichtig seyn , wenn die Theorie der letztern aus mehr umfas- 
senden Gesichtspunkten wird betrachtet werden. Die Ab- 
nahme der Luftfeuchtigkeit unter dem Aquator betragt, nach 
meinen Versuchen, ungefahr neunzig Meter (46,17 Toisen) 
fur einen Grad des Saussure'schen Hygrometers. 

Trotz der ungeheuren Trockenheit der Luftschichten auf 
dem hohen Gipfel der Andes ( wo das Hygrometer bis 
46° bey einem Thermometerstande von 3°, 7 herabsinkt = 
Hygrometer 3i°,7 Sauss. bey 25°, 3 Warme)j Trotz dieser 



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DER TROPENLANDEB. 



1 1 



Trockenheit der Bergluft , sage ich , befindet sich der Reisende 
gerade in diesen Hohen von zwey tausend fiinf hundert bis 
drey tausend ftinf hundert Meter (1283 bis 1796 Toisen) 
jeden Augenblick in dicken Nebel gehiillt. Dieser Nieder- 
schlag ( oder diese mysteridse Wasserbildung ? ) , mag sie 
Folge oder Ursache einer starken elektrischen Tension seyn, 
gibt der Vegetation der Paramos (oder der hohen Wildnisse) 
diefs frische , stets sich erneuernde Grtin , mit dem sie prangt. 

In den tieferen Tropenregionen des neuen Rontinents 
enthalt eine durchsichtige und viele Monathe lang wolken- 
freye Luft , eine grofse Menge Wasser. Deluc hat die Existenz 
dieses latenten Wassers auch in Bengalen, durch die Versu- 
che seines Sohnes, erwiesen. Diese sonderbare Luftbeschaf- 
fenheit ist es, welche die Tropenvegetation wahrend der 
fiinf- bis sechsmonathlichen trocknen Jahrszeit erhalt. Hatten 
die Pflanzen nicht in einem so hohen Grade die Fahigkeit, 
der Luft das Wasser zu entziehen , wie konnte man Baume 
und Stauden mit solcher Blatterfulle in Landern geschmiickt 
sehen , wo , wie zum Beyspiel in Cumana , oft in acht bis 
zehn Monathen weder Regen , noch Thau , noch Nebel fallt ? 

In Europa habe ich in der Ebene nie eine Lufttrocken- 
heit unter 46° Sauss. bey einer Warme von i5° bemerkt. In 
dem zwey tausend zwey hundert fiinf und neunzig Meter 
(1177 Toisen) iiber dem Meere erhabenen Thale von Mexico , 
sinkt eben diefs Saussure'sche Hygrometer meist bis l\i° und 
44° herab. Wo bleiben die Diinste, welche aus den fiinf, 
die Stadt umgebenden Seen taglich emporsteigen ? Denn von 
der grofsen Masse kochsalzsaurer und kohlensaurer Soda, 



i5 



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n4 NATURGEMALDE 

welche diese hohe Ebene wie mit ScHneeflockeii bedeckt, 
werden sie wohl nicht absorbirt. Diese ungeheure Trocken- 
heit der mexicanischen Luft , welche den schadlichsten Ein- 
flufs auf die Gesundheit der Einwohner und auf den Acker- 
und Gartenbau aufsert , nimmt taglich zu , da man durch 
kiinstliche Kanale die Seen zu verringern sucht, und da sich 
die Regenmenge in Neu-Spanien (wie in den Antillischen 
Inseln) seit fiinfzehn Jahren sichtbar vermindert hat. 1st 
diese Abnahme periodisch , oder hangt sie von grofsen kos- 
mischen Veranderungen ab ? Was menschliche Industrie auf 
der Erdoberflache umwandelt, ist in so grofsew Landstrichen 
zu unbedeutend, als dafs man diesen kiinstlichen Verande- 
rungen , zum Beyspiel der Ausrottung der Walder in Nord- 
Amerika , die Verminderung des Regens , das Seltenerwerden 
der Orkane , der grofsen elektrischen Explosionen , und selbst 
das des Nordsturmes zwischen Vera -Cruz und der Miindung 
des Missisipy zuschreiben diirfte. — Wie grofs mufs nicht 
vollends die Lufttrockenheit in Persien seyn , wo man , nach 
Chardins Bericht, in der Provinz Rerman, Ha user von Stein- 
salzT baut ! Aber wann werden Hygrometer in diese Gegen- 
den eindringen ? 

Der in der Luft enthaltene Wasserdunst tritt, bald durch 
Erniedrigung der Temperatur , bald durch andere noch wenig 
ergriindete Ursachen, in sichtbare Blaschen zusammen, de- 
ren Gruppirung wir mit dem Worte Wolken bezeichnen. 
Die Hohe ihrer untern Schicht, welche ich oftmals geines- 
sen , scheint unter den Tropen sehr bestandig zu seyn. Sie 
betragt zu jeder Jahreszeit etwa tausend zwey hundert Meter 



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DER TROPENLANDER. 



n5 



(61 5 Toisen) iiber der Meeresflache , und in dieser Hohe mufs 
man unstreitig den Grand suchen , warum man am Abharige 
der Cordilleren , in der milden. und mitdern Region von 
Xalappa und Guaduas ', fast stets in dicken Nebel gehullt ist. 
Die grofste Hohe des dicken Gewolkes scheint mir nahe am 
Aquator drey tausend drey hundert bis drey tausend sechs 
hundert Meter (1693 bis 1846 Toisen) zu betragen. Aber 
die merkwiirdigen kleinen Flocken , welche das Landvolk 
Schafchen nennt, und deren regelmafsige , striemartige Ver- 
theilung fiir eine allgemeine Polaritat spricht, sind gewifs 
acht tausend Meter (4io4 Toisen) iiber dem Meere erhaben. 
Wir haben diese Schafchen auf demVulkan Antisana noch 
hoch iiber uns gesehen. Herr Qay-Lussac erwahnt ihrer auch 
in der Beschreibung seiner zwey ten aerostatischen Reise. 
Wie specifisch leicht miissen nicht Dunstblaschen seyn , 
welche sich in so luftdiinnen Regionen schwebend erhalten 
konnen ! In Europa ist, nach Biot*s und Gay-Lussac's Mes- 
sung , die Hohe der untern Wolkenschicht im Sommer eben- 
falls tausend ein hundert neun und sechzig Meter (600 
Toisen), also der der tiefsten Tropenwolken gleich. Jn den 
westlichen Ebenen von Peru losen sich die Diinste nie in 
Regen auf. In einem Jahrhunderte- hat man kaum ein Bey- 
spiel eines viertelstiindigen Regens. Auch sind, der Bauart 
der Hauser wegen , Regengiisse daselbst eben so sehr als 

1 Xalappa , westlich von Vera-Cruz ; Guaduas , im Konigreich Neu-Grenada , 
ein Gebirgsstadtchen , in dem die Vicekonige bey der Ankunft von Spanien 
ausrunen, urn nicht zu schnell von der Hitze des Magdalenen-Stroms in das 
eisige Klima von Santa -Fe iiberzugehen. 



»■■■■ 



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ii6 NATURGEMALDE 

Erdbeben zu befurchten. Rtihrt, was man Anziehung der 
Wolken gegen die Andeskette nennt, von dem senkrecht 
aufsteigenden Luftstrome her, den der Granitsand der er- 
warmten Ebenen erregt ? 

Die grofste Trockenheit , welche Menschen je in den hohen 
Luftschichten beobachtet haben , ist die , welche ebenfalls Herr 
Gay-Lussac in funf tausend zwey hundert sieben und sech» 
zig Meter (2700 Toisen) Hohe fand. Bey einem Thermo- 
meterstande von -+- 4° sank das Saussure'sche Hygrometer bis 
27°,5 herab. Reducirt man diefs auf die Temperatur von 
25°,3 , welche im Sommer in den Ebenen herrscht : so erhalt 
man eine Lufttrockenheit von 2i°,5 des Saussure'schen Hy- 
grometers. 

Die mittlere Regenmenge, welche in den aquatornahen 
Gegenden in einem Jahre failt, betragt 1,89 Meter (70 Zoll). 
In sehr feuchten Gegenden , zum Bey spiel in Huayaquil 
und Cumanacoa, fallen bis 2,43 Meter (90 Zoll), In Europa 
beobachtet man im Durchschnitte 0,69 Meter (22 Zoll). Aber 
nahe an der Alpenkette, zum Beyspiel, bey Genf, hat man 
(nach einem Durchschnitte von neun Jahren) im Mitteljahre l 
0,87 Meter (32 Zoll 7 Linien, nahmlich 3i Zoll 6 Linien 
Regen, und 1 Zoll 1 Lime Schneewasser) gefunden. In Eu- 
ropa fallt in einer Stunde selten 0,009 Meter (4 Linien) 
Regenwasser ; in Huayaquil habe ich o,o35 Meter (1 r. Zoll) 
fallen sehen. 

» Pictet,Bibl. Britan. 180$, o.° 92$, p. i5a, 



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DER TROPENLANDER. 117 

Elektrischer Zustand der Luft. 

So wie man gegen den Gipfel der Andeskette ansteigt, 
sieht man die elektrische Tension der Atmosphare in eben 
dem Mafse zunehmen , als Warme und Feuchtigkeit abneh- 
men. Die Resultate, welche die elektrometrische Scale auf 
dem Naturgemalde enthalt, grunden sich auf Versuche, wel- 
che ich auf verschiedenen Hohen in beyden Hemispharen 
mit einem Elektrometer angestellt habe , dessen .1, 4 Meter 
langer Conduktor , nach Volta's Vorschlag , mit brennendem 
Schwamm armirt war. Die tiefen Luftschichten der Tropen- 
lander , von der Oberflache des Meeres bis zu einer Hohe 
von zwey tausend Meter (1026 Toisen), zeigen gewohnlich 
nur eine sehr geringe elektrische Ladung. Nach zehn Uhr 
Vormittags habe ich oft nur mit Mtihe einige Bewegung in 
dem empfindlichsten Bennet'schen Elektrometer beobachtet. 
Alle Elektricitat scheint indefs in den Wolken angehaufl 
zu seyn, und gerade dieser Mangel des Gleichgewichts 
zwischen den oberen und unteren Luftschichten erregt 
heftige elektrische Explosionen , welche periodisch sind und 
gewohnlich in der Ebene zwey Stun den nach «der Culmi- 
nation der Sonne, also wahrend des Maximums der Warme, 
Statt finden. In den Flufsthalern dagegen, an der Magdaleiia, 
am Guainia, den die Europaer Rio Negro nennen, und am 
Cassiquiare , treten die Gewitter , mit furchtbaren Regen- 
giissen begleitet , stets bey Nacht, gegen zwolf oder ein Uhr, 
ein — ein Umstand , der dem Reisenden , wenn er im Freyen 
zu schlafen gezwungen ist, sehr unbequem fallt. In der 



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n8 NATURGEMALDE 

mittlern Hohe, zwischen tausend acht hundert und zwey 
tausend Metern (923 und 1026 Toisen), sind die elektri- 
schen Explosionen am gerauschvollesten. Die Gebirgsebenen 
von Caloto und Popayan sind besonders wegen der Frequenz 
und Starke des krachenden Donners bekannt. Hoher hin- 
auf, am Abhange der Andeskette, uber zwey tausend Meter 
(1026 Toisen), sind die Gewitter seltner und weniger 
periodisch. Aber hier , und vorzuglich in drey tausend Meter 
(1 539 Toisen) Hohe, bildet sich haufiger Hagel, wobey die 
Luft oft und auf lange Zeit negativ geladen ist. Diese nega- 
tive Elektricitat ist in tieferen, nicht tausend Meter (5i3 
Toisen ) iiber dem Meere erhabenen Gegenden iiberaus 
selten, und wird kaum auf wenige Augenblicke beobachtet. 
Hoher als drey tausend funf hundert Meter ( 1795 Toisen) 
werden elektrische Explosionen noch seltner. Der Hagel fallt 
dort ohne von Gewittern begleitet zu seyn, und iiber eine 
Hohe von drey tausend neun hundert Meter (2006 Toisen) 
hinaus, fallt er mit Schnee gemengt, und, was am aufFal- 
lendsten ist, selbst mitten in der Nacht. Die den hohen An- 
desgipfeln nahen Luftschichten haben stets eine elektrische 
Tension , welche das Saussure'sche Elektrometer durch einen 
Abstand der Kugeln von vier bis furif Linien ausdriickt. 
'Die grofse Lufttrockenheit , Wolkenbildung , Entstehung und 
Versehwindung der Dunstblaschen beleben gleichsam in 
diesen hohen Regionen das Spiel der Elektricitat. ' Am 
Rande der vulkanischen Cratere^geht sie oft schnell vom 
Positiven zum Negativen iiber. Dazu sieht man jenseits 
der untern Grenze des ewigen Schnees , in den hochsten 



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DER TROPENLANDER. 



ll 9 



Gebirgsebenen , hoch uber sich, haufige leuchtende Erschei- 
nungen, welche von keineni Gerausche begleitet sind. Die 
aufFallende Menge von Sternschnuppen , welche besoriders 
in dem vulkanischen Theile der Cordilleren fallen , und ihre 
grofsere Haufigkeit in den warmeren Landern , konnten ver- 
muthen lassen, dafs diese Meteore unserm Luftkreise zuge- 
horen , wenn nicht ihre ungeheure Hohe und andere 
Betrachtungen diese Voraussetzung zu bestreiten schienen. 

Himmelsblaue. 

Wenn der Bewohner der Ebene sich drey bis vier tausend 
Meter ( 1 795 Toisen ) hoch am Gebirgsabhange erhebt , so 
iiberrascht ihn der Anblick der dunklern, gleichsam tiefern 
Himmelsblaue. Diese Intensitat der Farbe nimmt mit der 
Luftdiinne und der geringern Menge von Dunsten zu , 
durch welche der Sonnenstrahl zu uns gelangt. Lichtzer- 
streuung, welche die in der Luft schwimmenden Dunst- 
blaschen verursachen , lafst die Himmelsblaue nach und 
nach verschwinden, und verandert sie in eine graulichweifse, 
milchigte Farbe. Je diinner und dunstreiner die Luftmasse 
ist, durch welche wir das Sonnenlicht empfangen , desto 
mehr naht sich die Farbe des Himmelsgewolbes der ahso- 
luten Schwarze , welche wir sehen wiirden , wenn wir ent- 
weder an die Oberflache des Luftoceans 1 gelangen konnten, 
oder wenn gar keine laterale Dispersion des Lichts, bey 
seinem Durchgange durch die Atmosphare, vor sich ginge. 




1 Wenn anders eine solche bestimmte, sich abschneidende Grenze denkbar 



1st. 



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120 . NATURGEMALDE 

Das Ryanometer , dessen ich mich auf meiner Expedition 
bedient habe, war (nebst einem eboulloir und einem Magne- 
tometer) von Paul in Genf verfertigt und von Pictet aufs 
sorgfaltigste mit dem Ryanometer verglichen worden, wel- 
ches Saussure auf dem Mont-Blanc gebraucht hatte. Alle 
Beobachtungen sind im Zenith bey wolkenfreyem Himmel 
angestellt. Ich glaube , im Ganzen die Luftblaue dunkler und 
energischer unter dem Aqua tor, als in gleicher Hohe in der 
gemafsigten Zone gefunden zu haben. Die mittlere Him- 
melsblaue ist in Paris (bey einer Sommerwarme von 25°) 
zwischen 16 und 17 des Saussure'schen Ryanometers ; 
unter den Tropen, ebenfalls in der Ebene, ist sie 23° — ein 
Unterschied , welcher wahrscheinlich von der innigern Auf- 
losung und gleichmafsigern Vertheilung der Diinste in den 
Aquatorial-Regionen herriihrt. Auch sind die schonsten spa- 
nischen und italianischen Sommernachte nicht mit der stil- 
len Majestat der Tropennachte zu vergleichen. Nahe am 
Aquator glanzen alle Gestirne mit ruhigem planetarischem 
Lichte. Funkeln ( Scintillation ) ist kaum am Horizonte 
bemerkbar. Die schwachsten Fernrohre , welche man aus 
Europa nach beyden Indien bringt, scheinen dort an Starke 
zugenommen zu haben : so grofs und bestandig ist die Durch- 
sichtigkeit der Tropenluft. 

Auf dem Gipfel des Mont-Blanc, in vier tausend sieben 
hundert fiinf und siebzig Meter (245o Toisen) Hohe, hat 
Saussure das Ryanometer auf 39 gesehen. Auf dem Pico 
de Tenerifla, am Rande des Craters, schien mjr die Him- 
melsblaue 4 l0 « Die aufserordentliche Trockenheit dieses 



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DER TROPENLANDER. 



1^1 



afrikanischen Klima's vermehrt dort die Intensitat der Farbe : 
denn der Pico von Teneriffa ist tausend und siebzig Meter 
(549 Toisen) tiefer, als der Mont-Blanc. In den siidameri- 
kanischen Andes , auf fast ftinf tausend acht hundert Meter 
(2975 Toisen) Hohe, beobachtete ich 46° des Kyanometers. 
Eben diese dunkle Farbe des Himmels wurde von Gay-Lussac 
auf seiner ersten grofsen Luftreise bemerkt. « Auf der Hohe 
« von sieben tausend und sechzehn Meter (36oo Toisen) war 
« es mir auflallend " (sagt dieser Physiker in seinem Rapport 
an das National- Institut) « diefs MaJWolken iiber mir, und 
« zwar in einer sehr betrachtlichen Hohe, zu sehen. Ganz 
« anders waren dieselben auf meiner ersten Luftreise gela- 
« gert. Damals erreichte ihre oberste Schicht kaum tausend 
« ein hundert neun und sechzig Meter (600 Toisen), und 
« iiber mir war der Himmel von der grofsten Reinheit. Im 
« Zenith schien seine Farbe von der grofsten Intensitat , 
« wenigstens so dunkel als Berliner - Blau. )y 

Sckwackimg des Lichts bey seinem Durchgange 

durch den Lufthreis. 

Das Licht der Sonne und der Gestirne wird bey seinem 
Durchgange durch den Luftkreis allmahlig geschwacht. Diese 
Schwachung, dieses partielle Ersterben des Lichts, welches 
mit der Hervorbringung der Erdwarme im innigsten Causal- 
Zusammenhange steht, nimmt mit der Dichte der Luft- 
schichten zu. Es ist schwacher auf dem Gipfel hoher Berge, 
starker in der meeresgleichen Ebene. In der Tafel , welche 
dem Naturgemalde beygefiigt ist , hat man die Lichtabnahme 

16 




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122 NATURGEMALDE 

so berechnet , wie sie in einer vollig durchsichtigeri , dunst- 
freyen Luft vor sich gehen wurde. (Man vergleiehe Laplace, 
in der Exposition du systeme du Monde, vol. I , p. i57«) 

Die unbeschreibliche Reinheit der Tropenluft verursacht, 
dafs, selbst bey gleicher Hdhe des Standorts iiber der Meeres- 
flache , das Licht lebhafter und starker als in Europa ist. 
Wie blendend und ermiidend ist nicht in Westindien das 
Tageslicht , selbst an Orten wo kein Reflex Statt findet ! Auch 
suchen die Europaer sich mehr noch vor nervenschwachen- 
der , iiberreitzender Helle , als vor der Warme zu bewahren. 
Sie schmelzen dort gleichsam wieder in ihrem Gefiihle 
zusammen , was , in den Wirkungen geschieden , doch nur 
aus derselben einfachen, aber nie versiegenden Quelle fliefst. 

Diese geringere Schwachung der Tageshelle in derTropen- 
Region , iiber welche es wichtig ware , Versuche mit dem 
Leslie'schen Photometer anzustellen , erweist sich recht auf- 
fallend in einer astronomischen Erscheinung. Das rothliche 
Licht , welches der ganz verfinsterte Mond , mittelst einer 
Inflection der Sonnenstrahlen durch die Erdatmosphare , 
empfangt und zuriicksendet , ist bekanntlich in der gema- 
fsigten Zone oft so schwach, dafs die Mondscheibe ganzlich 
verschwindet. Dagegen habe ich unter dem zehnten Grade 
nordlicher Breite, wo die Luft so iiberaus rein und durch- 
sichtig ist , die verfinsterte Mondscheibe mit fast eben so 
starkem Lichte glanzen sehen , als der Vollmond hat , wenn 
er rothlich in unseren Rlimaten am Horizonte empor steigt 

Auffallend ist der Einflufs des Sonnenlichtes auf die 
vitalen Functionen der Pflanzen , auf ihre Respiration, auf 



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DER TROPENLANDER. 1^3 

ihre Farbung und , nach Berthollet , auf die Fixirung des 
Stickstoffs in der Facula. Diese Betrachtungen bestatigen 
die Vennuthung , dafs die ungeschwachte Helle , welcher 
die Alpengewachse , besonders in der Andeskette , ausge- 
setzt sind , zu ihrem resindsen und aromatischen Cha- 
rakter beytrage. 

In dem zweyten Bande meiner Schrift iiber die gereitzte 
Muskel- und Nerven - Faser* habe ich Versuche angefiihrt , 
welche einen Einflufs des Sonnenlichtes auf die thierischen 
Organe andeuten, der der Warme allein 1 nicht zugeschrie- 
ben werden kann. Sollte. nicht diefs sonderbare Gefiihl von 
Schwache , iiber welches alle Einwohner von Quito oder 
Mexico klagen , wenn sie den , in drey bis vier tausend Meter 
(1800 Toisen) Hohe so auftallend stechenden Sonnenstrahlen 
ausgesetzt sind ( eine Schwache und Ermiidung , welche gar 
nicht der Muskelbewegung , oder der, in der luftdunnern 
Region vermehrten Hautrespiration allein zugeschrieben wer- 
den kann ) , auf eine solche Nerven - Reitzung des unge- 
schwachtern Sonnenlichtes hindeuten ? In der That kenne 
ich nichts erschopfenderes , als diefs Sonnenlicht auf der 
hohen und kalten Andeskette. Oder kann das gleichsam 
noch unerschopfte Licht bey dem Widerstande , den es , 
gegen dichte Korper anprellend, gleichsam zum ersten Male 

1 Ich bediena mich der unschadlichen Fiction , von Warme und Licht als von 
verschiedenen Stoffen zu reden , unerachtet ich es fur sehr wahrscheinlich finde, 
dafs Warme gebundenes Licht, oder Licht freye Warme sej. Aher Trotz der 
Identitat der Materie, ist man immerfbrt berechtigt, sie als in zwey verschie- 
denen Zustanden zu betrachten. Schelling , Ideen zu einer Philosophic der v 
Natur, Th. I, p. 111, n3. 



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124 NATURGEMALDE 

findet, auf dem Gebirge mehr Warme, als in den luftdich- 
teren Regionen der Ebene erregen ? 

Strahlenbrechung am Horizonte* 

Strahlenbrechung hangt von der Dichtigkeit der Luft- 
schichten und von der Abnahme ihres Warmegehalts ab. 
Sie ist defshalb nach der Hohe des Standorts des Beobach- 
ters verschieden. Laplace hat bewiesen , dafs der Calcul 
der Strahlenbrechung sehr verschieden ausfallt , je nach dem 
der Winkel unter oder tiber zwolf Grade betragt. In dem 
letztern Falle ist der Einflufs des bygroscopischen Zustandes 
der Luft sehr geringe. In dem ersten Falle dagegen , wo 
der einfallende Strahl gleichsam dicht an der Erdoberflache 
hinlauft , wird die Betrachtung der Luftfeuchtigkeit und der 
gleichen oder ungleichen Dunstvertheilung sehr wichtig : 
denn wenn die Abnahme der Warme in den hoheren 
Luftschichten allein die Strahlenbrechung am Horizonte 
modificirte ? so sieht man in der That nicht ein , warum 
die lelztere unter dem Aquator anders als in der gemafsigten 
Zone ist 5 denn im Sommer, zwischen der Meeresfliiche und 
der betrachtlichen Hohe von sechs bis sieben tausend Meter, 
ist (wie aus Gay^Lussac's und meinen bereits oben beriihrten 
Versuchen folgt) die perpendikulare Warmeabnahme in 
Europa und in den Rordilleren von Quito wenig verschieden. 

Die franzdsischen Akademiker haben auf der Marmortafel , 
welche noch gegenwartig in dem Jesuiten- Collegium aufbe- 
wahrt wird, die Strahlenbrechung am Horizonte, unter 
dem Aquator, an der Meeresflache 27', in der Hohe der 



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DER TROPENLANDER. 125 

Stadt Quito 22' 5o", und am Chimborazo , am untern Rande 
des ewigen Schnees, 19' 5 1" angegeben. Die Refraction an 
der Oberflache des Mondes findet Laplace gar nur 5", 
vorausgesetzt , dafs der Dunstkreis dieses Planeten wenig- 
stens noch luftdunner als das grdfste Vacuum ist , welches 
wir unter der Luftpumpe hervorzubrihgen im Stande sind. 
Auf der Gebirgskette der Andes bemerkt man bisweilen 
ganze Nachte hindurch , tief am Horizonte , ein schwaches 
Licht , welches jenen rund umher erleuchtet. Ich habe diese 
Erscheinung mehrmals, besonders in der Meyerey (Hacienda) 
von Antisana , im Konigreich Quito , auf zwey tausend zwey 
hundert ftinf und neunzig Meter ( 1 177 Toisen) Hohe beob- 
achtet. Saussure hat eine ahnliche Erscheinung auf dem Col- 
de-Geant , in einer Hohe von drey tausend vier hundert 
sechs und zwanzig Meter (1758 Toisen) gesehen. Diese 
Erleuchtung scheint Folge einer sonderbaren Reflection des 
Sonnenlichtes durch die tieferen, den Horizont umgebenden, 
dichten Luftschichten zu seyn. Man vergleiche Biots scharf- 
sinnige Erklarung in der A 'stronomie physique, vol, 1,8.277. 

Chemische Beschaffenheit (tes Luftkreises, 

Das Gemisch elastischer Fhissigkeiten , welches unsern Pla- 
neten einhiillt , erstreckt sich bis zu einer Hohe , die fur uns 
bisher unermefslich geblieben ist. Nur die Theorie der Licht- 
abnahme oder Lichtschwachung , und Bouguer's Versuche 
erweisen , dafs die ganze Hohe des Luftkreises , wenn man 
ihre Dichtigkeit auf den Eispunkt und auf einen Barome- 
terdruck von 0,757 Meter reducirt, nur 7820 Meter (4 01 * 



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126 NATURGEMALDE 

Toisen ) betragen wurde ( Laplace , Exposition du syst. du 
Monde, p. i55). Dagegen deuten Crepuscular-Beobachtungen 
an, dafs selbst in 60000 Meter (30784 Toisen) HoHe die 
Luftdichtigkeit noch grofs genug ist, um uns bemerkbares 
Licht zuruckzusenden. 

Man hat noch vor Kurzem geglaubt, dafs die chemische 
BeschafFenheit der Atmosphare nicht blofs an einem und 
demselben Orte veranderlich sey, sondern auch dafs der 
Sauerstofigehalt derselben abnehme , je mehr man sich von 
der Ebene entferne. Man schrieb einem Wechsel in dem 
Gleichgewichte der Luftarten zu , was allein von der Unvoll- 
kommenheit der angewandten eudiometrischen Mittel her- 
riihrte. Die Versuche, welche ich vor sieben Jahren uber 
das nitrose Gaz bekannt gemacht, haben dazu beygetragen, 
diesen Irrthum mehr zu verbreiten. 

In diesen letzteren Jahren hatte man angekundigt, dafs 
der Sauerstoffgehalt der Atmosphare, statt sieben oder acht 
und zwanzig Hunderttheile ( wie ihn Lavoisier und fast alle 
Chemiker behaupten), nur zwischen 0,20 und o,23 betrage. 
Diese Angabe war noch zu unbestimmt, um sich damit zu 
begniigen. Dazu gab unter den beruhmtesten Scheidekiinst- 
lern der eine dem Eudiometer den Vorzug, welches der 
andere geradehin verwarf. Es schien mir daher (gleich nach 
meiner Ruckkunft nach Europa) wichtig, eine neue und 
sorgfaltige Arbeit iiber den Luftkreis zu unternehmen , um 
die Fragen zu entscheiden : welches eudiometrische Mittel 
unter den jetzt bekannten die grofste Genauigkeit verspreche? 
ob der Luftkreis 0,2 1 oder 0,2 3 Oxygen enthalte ? wie viele 



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DER TROPENLANDER. .127 

Tausendtheile Sauer- oder WasserstofF man mit Sicherheit 
in einem Luftgemische entdecken konne ? ob die Atmo- 
sphere in ihrem Mischungsverhaltnisse bemerkbar verander- 
lich sey, oder ob die Behauptung dieser Unveranderlichkeit 
nur darauf beruhe , dafs die Quantitat der Veranderung 
geringer als die zwey Hunderttheile sey , iiber welche man 
in der absoluten Oxygenmenge schwankte ? Ich glaubte 
mich zu dieser Arbeit , die ich mit Herrn Gay - Lussac in 
einem der Laboratorien der polytechnischen Schule ange- 
fangen , um so mehr verpflfchtet , als ich .ein unvollkommnes 
Werk meiner friihern Jugend durch ein griindlicheres zu 
ersetzen wiinschte. Es geht der Chemie wie der Astronomic 
Die Vervollkommnung der Methoden und der Instrumente 
•setzt mis in die Lage, sehr kleine Quantitaten mit Sicher- 
heit messen zu konnen 5 und es ist gegenwartig nicht mehr 
erlaubt , Grofsen zu vernachlafsigen , welche ehemals unbe- 
stimmbar schienen. Wir haben, Herr Gay-Lussac und ich » 
die ersten Resultate unserer Versuche in einer Abhandlung 1 
bekannt gemacht, welche wir in der Sitzung des ersten 
Pluvi6se dem National - Institut vorgelegt haben. 

In dem gegenwartigen Zustande unserer chemischen Kennt- 
nisse ist das Voltaische Eudiometer, oder dasjenige , welches 
auf Yerbrennung des Wasserstoflgazes gegriindet ist, alien 
anderen vorzuziehen. Es ist das einzige , welches mit Sicher- 
heit Mischungsveranderungen entdeckt, die nicht iiber zwey 
Tausendtheile Oxygen betragen. Schwefelalkali , Phosphor , 

1 Memoir e sur I 'analyse de I' air atmospherique , par MM. Humboldt et Gay- 
Lussac. Paris, i8o5. 



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128 NATURGEMALDE 

und selbst nitroses Gaz (indem man die Residuen im Fon- 
tana'schen Eudiometer mit schwefelsaurem Eisen , oxygenirter 
Kochsalzsaure oder Laugensalzen wascht), geben die Sauer- 
stofFmenge riur bis ein oder zwey Hunderttheile , und nicht 
genauer an. Schwefelalkali , wenn man die Auflosung heifs 
anwendet, verschluckt den StickstofF; und wollte man die 
ganze beobachtete Absorption dem SauerstofF zuschreiben , 
so wurde man. von diesem dreyfsig bis vierzig Hunderttheile 
in der Atmosphare zu entdecken glauben. Dieser Action 
heifser Auflosungen von Schwefelalkali , und falschen Voraus- 
setzungen Ciber die Menge Oxygen, welche erforderlich ist, 
um zwey bis drey Theile nitroses Gaz zu sattigen, mufs man 
die Scheel'sche und Lavoisier'sche Behauptung von 0,27 
oder 0,28 atmospharischen Oxygens zuschreiben. . 

Die wahren constituirenden Bestandtheile des Luftkreises 
scheinen demnach zu seyn : 0,210 SauerstofFgaz , 0,787 
Stickgaz und o,oo3 Kohlensaure. Die Menge der letztern 
haben wir noch nicht so genau als die des Oxygens aus- 
gemittelt , und wir haben Ursachen zu glauben , dafs sie 
noch etwas geringer als drey Tausendtheile sey : denn 
pneumatische Genauigkeit ist uberall schwer zu erhalten , 
wo tropfbare Flussigkeiten eine Zeitlang in Contakt mit 
einem Luftgemisch stehen sollen ; weil etwas StickstofF mit 
dem SauerstofF und der Kohlensaure absorbirt wird , und 
die Flussigkeiten zugleich von den ihnen urspriinglich bey- 
gemischten Gazarten hergeben — ein Wechsel von Absorp- 
tion und Ausscheidung , welcher den wahren Hergang ver- 
steckt , oder wenigstens unkenntlich macht. 



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DER TROPENLANDER. 



129 



Der Luftkreis scheint in seinem chemischen Mischungs- 
verhaltnisse , wenigstens in der Menge von Sauer - und 
Stickstoff, keinen Veranderungen unterworfen zu seyn. 
Wenn diese Veranderungen existiren , so gehen sie wahr- 
scheinlich nicht tiber einen Tausendtheil Oxygen : denn 
Luft , die wir unter den verschiedenartigsten meteorologi- 
schen Verhaltnissen, bey trockner und heiterer Atmosphare , 
im Nebel , wahrend des Schneyens , im Platzregen und bey 
Winden sammelten, die aus alien Weltgegenden bliesen, 
bot- urts immer zwischen 0,2 1 o und 0,2 1 1 Oxygen dar. 

Herr Gay-Lussac hat das merkwiirdige Factum begriin- > 
det, dafs in 7016 Meter (36oo Toisen) hohen Luftregionen 
die Atmosphare noch dieselben ein und zwanzig Hundert- 
theile SauerstofF enthalt , welche man in den Ebenen findet. 
Sein Versuch ist der einzige , welcher mit grofser Genauig- 
keit iiber die chemische Mischung so hoher Luftschichten 
angestellt worden ist ; und wenn andere Physiker », und ich 
selbst ehemals, die europaische Bergluft fiir sauerstoffarmer 
erklart haben : so hat der Grund dieser Behauptung wahr- 
scheinlich in der Unvollkommenheit der angewandten Mittel 
gelegen. Nur Lokalumstande konnen eine solche Vermin- 
derung der Sauerstoffmenge begriinden 5 und wenn dieselbe 
auf dem Gipfel des Pico von Tenerifla oder auf einigen 
brennenden Vulkanen der Andeskette Statt findet : so mufs 
man die Ursache davon in der Wirkung der Cratere und 
in dem Contact der Luft mit brennenden Schwefelmassen 

' Volta, Saussure der Vater, und Gruber. Der j linger e Saussure und Volta 
haben neuerdings die Idee von dieser Unreinheit ebenfalis aufgegebeu. 

»7 




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l3o NATURGEMALDE 

suchen. Es ist lange schon die wichtige Frage aufgeworfen 
worden : ob die atmospharische Luft auch Hydrogen ent- 
halte ? Mein Freund Gay-Lussac hat durch seine zweyte 
grofse Luftreise bewiesen , dafs wenn diefs Hydrogen in der 
Atmosphare vorhanden ist , es in sieben tausend und sech- 
zehn Meter (36oo Toisen) Hohe nicht in grofserer Menge 
als in der Ebene existirt. Diese Untersuchung haben wir 
gegenwartig beyde gemeinschaftlich weiter verfolgt, und durch 
zahlreiche Versuche erwiesen , dafs entweder gar keines oder 
nicht iiber o,oo3 Wasserstoffgaz in unserm Luftkreise vor- 
handen ist : denn diese drey Tausendtheile , einem kunstli- 
chen Gemenge von Oxygen und Azote beygemengt, sind 
genau durch die von uns befolgte Methode wieder gefunden 
worden. Da nun auf der andern Seite Luftgemenge , in 
welchen unter sechs Hunderttheilen Hydrogen enthalten sind, 
durch den elektrischen Schlag sich nicht entziinden lassen : 
so scheint daraus zu folgen , dafs man wenigstens nicht in 
dem Sinne der empyrischen Autiphlogistiker , Regen und 
andere leuchtende Meteore des Luftkreises durch Verbren- 
nung von Sauer- und WasserstofF erklaren konne. 

Unter einer Reihe von Versuchen , welche wir , Gay- 
Lussac und ich , im Marz i8o5, im Kloster des Mont- 
Cenis , in einer Hohe von zwey tausend und sechs und 
sechzig Meter (1060 Toisen) iiber dem Meere angestellt, 
haben wir Luft in dem Innern einer dicken Wolke gesam- 
melt. Sie enthielt ebenfalls 0,211 Oxygen, und war von 
der Luft , welche wir von Paris in wohlverschlossenen Fla- 
schen mitgebracht, gar nicht verschieden. 



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DER TROPENLANDER. 



3l 



Die bestandige Gleichheit in der chemischen Mischung 
des Luftkreises und der Mangel von Hydrogen sind zwey 
Facta, welche fur die Theorie der Strahlenbrechung iiberaus 
wichtig, ja, man konnte sagen', beruhigend sind. Sie bewei- 
sen , dafs die Mathematiker wirklich nur durch das Baro- 
meter, das Thermometer und Hygrometer zu corrigiren 
brauchen , ohne die grofse Refrangibilitat des Hydrogens 
besorgen zu mussen. 

Aber ausser dem Oxygen und dem Hydrogen enthalt die 
Atmosphare noch eine Menge " anderer gazformiger Diinste, 
welche unsere Instrumente nicht anzeigen , und welche wahr- 
scheinlich den machtigsten Einflufs auf die Erhaltung unsrer 
Gesundheit haben. Thenard hat erst neuerlichst ( Bibl. 
me'dieale, T. 9, p. 10 ) durch direkte Versuche gefunden , 
dafs 0,0012 geschwefeltesWasserstoffgaz, der atmospharischen 
Luft beygemischt , hinlanglich ist , Thiere , welche dieser 
Mischung lange ausgesetzt sind, zu todten. Diese schadli^ 
chen , uns unbekannten Emanationen , welche wahrschein* 
lich grofsentheils von oxygenirter Kochsalzsaure weggebrannt 
werden, bilden sich besonders in dem ebenen Theile der 
Tropenregionen , wo der Pflanzenwuchs am uppigsten , 
Dammerde und Luft mit zahllosen Insekten angefiillt , und 
daher die Masse der absterbenden , organischen Materie am 
grofsten ist. Ewige Winds tille , unbeschreibliche Nasse (theils 
durch Regengusse , theils durch Flufsiiberschwemmungen ) , 
vermehren diefs Ubel in den dicken Waldungen zwischen 
dem Orinoco und dem Amazonenflusse. Aber am gefahr- 
vollesten fiir die Gesundheit sind die tiefen , feuchten und 



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V 



i32 NATURGEMALDE 

heifsen Thaler der Andeskette , welche zwolf hundert Meter 
(6i5Toisen) tiefe Furchen bilden, und in denen das Ther- 
mometer durch Reflection der dunkeln Warmestrahlen tiber 
zwey und vierzig Grade steigt. EinAufenthalt wenigerStunden 
ist oft schon hinlanglich , um dem europaischen'Reisenden den 
furchterlichsten Typhus zu verursachen , wahrend dafs die 
kupferfarbenen Eingeborenen dieser Thaler , welche seit 
vielen Jahrhunderten diese verderbliche Luft einathmen , 
in mehreren derselben der festesten Gesundheit geniefsen. 
So bewundernswiirdig ist die Biegsamkeit der, nach ihrem 
Bediirfnifs aneignenden oder ausscheidenden menschlichen 
Natur ! 

Abnahme der Schwere. 

Die Abnahme der Schwere , welche mit der Entfernung 
des Abstandes vom Mittelpunkl, der Erde wachst, ist schon 
auf den geringen Hphen , zu welchen sich unsere Gebirge 
erheben , bemerkbar. Da aber die Dichtigkeit der Kordil- 
leren sehr verschieden ist : so habe ich es fur niitzlicher 
gehalten , die dem Naturgemalde angehangte Tafel nach der 
Theorie zu berechnen , als die Data von den wirklich ange- 
stellten Versuchen herzunehmen. Ich darf meinen eigenen 
um so weniger grofse Zuverlafsigkeit zutrauen , als ich durch 
meine beschleunigte Abreise nach den Canarischen Inseln 
verhindert wurde, mir den vortrefflichen Apparat zu ver- 
schafFen , mit dem Zachs alles umfassender Erfindungsgeist 
die Physik bereichert hat. Sey N die Zahl der Oscillationen , 
welche ein einfaches Pendel unter dem "Aquator an der 



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DER TROPENLANDER. i33 

Oberflache -der Erde macht; sey M die Zahl der Oscilla- 
tionen , welche dasselbe Pendel auf einer in Meter ausge- 
driickten Hohe H zeigt : so ist 

I 5 7 6.65 7 5 7 93 J 

Urn durch Vergleichungen die Ansicht mannichfaltiger zu 
machen, schalte ich hier folgende Zahlen ein. Beobachtete 
Lange des einfachen Secundenpendels in Paris = 1,000000. 
Lange des Secundenpendels unter dem Aquator == 0,99669. 
Grdfse der E>de : Radius ki der Ebene des Aquators = 
6375705 Meter (5271208 Toisen); in der durch beyde Pole 
= 6356671 Meter (5261 445 Toisen). Abplattung = 19052 
Meter ( 9765 Toisen). Lange eines Grades unter dem Aquator 
= 51077,70 Toisen (Bouguer und La Condamine)} in Frank- 
reich , in der Breite von 5 1°,552 = 5 i5i6,58 Toisen (Mechain 
und Delambre) ; in Schweden, in der Breite von 7 5°, 707 
= 5i475,oi Toisen (Melanderhielms Bericht). Man dtirfte 
sich vielleicht wundern , dafs ich unter so vielen Zahlen- 
verhaltnissen nicht der magnetischen Krafte gedenke. Aber 
die Hohe , zu welcher Menschen gelangen , ist zu gering , 
als dafs die Intensitat dieser Krafte davon afficirt werden 
konnte , wie Gay - Lussac's Versuche in Europa und die 
meinigen in der sudamerikanischen Andeskette beweisen. 
(Siehe das von Biot und mir gemeinschaftlich bearbeitete 
Memoir e sur les variations du Magnetisme terrestre; i8o5, 



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i34 NATURGEMALDE 

Geognostische Ansicht. 

Die Natur der Gebirgsarten scheint im Ganzen unabhangig 
von der geographischen Breite , wie von ihrer Hohe iiber 
der Meeresflache : sey es, dafs Luftwarme und Luftdruck 
wenig auf die Aggregation der unorganischen Massen gewirkt 
baben ; oder sey es , dafs die Bildung der Erdrinde in eine 
Epoche fallt , in der jede Region noch nicbt eine eigene , 
durch den Sonnenstand bestimmte , Temperatur hatte. Auch 
ist die Hohe der grofsten Gebirge , in Vergleichung mit dem 
Erddurchmesser , so gering , dafs kleine Verschiedenheiten 
des Niveau's wenig Einflufs auf die grofsen geognostischen 
Phanomene haben ausuben konnen. Wirft man einen Blick 
auf das Ganze : so erkennt man , dafs fast alle Gebirgsarten 
in alien Hohen und unter alien Zonen angetrofTen werden. 

Entdeckt man aber auch keinen allgemeinen Zusammen- 
hang zwischen der Natur des Gesteins und der Lage des 
Orts in Hinsicht auf Breite und Hohe : so kann man den 
lokalen Einflufs der Hohe wenigstens nicht in einem einzel- 
nen Theile der Erdoberflache verkennen. Stellt man genaue 
Beobachtungen iiber ein kleines Gebirgsstiick an : so wird 
man gewahr, dafs nicht nur das Streichen und Fallen der 
Gebirgsarten einem gewissen Typus folgt, und durch ein 
partikulares System 1 von Anziehungskraften (sey es durch 

1 So streichen in der Andeskette von Siidamerika , yrie in den Gebirgen von 
Venezuela und Neu - Andalusien , Gneifs und Glimmerschiefer gewohnlich, 
St 5f des Freyberger Grubenkompasses ; das heifst : ihre Streichungslinie 
maclit mit dem Meridian einen Winkel von zwey und fiinfzig Graden, von 
Norden aus gegen Osten gerechnet Am Fichtelgebirge und , wie ich' mit 



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DER TROPENLANDER. 



i35 



magnetische oder elektrische Polaritat) bestimmt worden 
ist j sondern dafs auch ein Lohalgesetz in der Hdhe Statt 
findet , zu welcher sich die alteren oder neueren Formatio- 
nen uber der Meeresflache erheben. So bemerkt man, dafs 
in gewissen Regionen die Flozgebirge nicht die Hdhe von 
drey tausend Meter ( i559 Toisen) iibersteigen; dafs dichter 
Kalk, uber achtzehn hundert Meter (925 Toisen) hinaus, 
nie mit Sandstein bedeckt ist; dafs der Glimmerschiefer nicht 
so hoch , als Gneifs , gegen den Gebirgsriicken ansteigt ; dafs 
Conglomerate , welche einer gewissen Hdhe zukommen , nur 
Geschiebe von Urgebirgsarten und kein kalkartiges Binde- 
mittel enthalten. Fiir eine bestimmte , nicht weit ausge- 
dehnte Gegend , kann man eine obere Grenze des Basalts , 
des Flozkalks oder des Gypses entdecken, gerade wie man 
obere Grenzen der Fichten und Eichen beobachtet. Diese 
Betrachtungen lehren , dafs die Natur selbst es uns nicht 
gestattet eihe Scale der Gebirgsarten zu verfertigen , weil 
man kleine und partielle Phanomene nicht zu allgemeinen 
Gesetzen .erheben kann. 

dem vortrefflichen Freiesleben beobachtet, in den westlichen Scbweizer-Alpen 
ist diese Ricbtung, wie das Fallen der Urgebirgsarten, ebenfalls sebr baufig. 
Im Konigreicb Neu-Spanien ist das berrscbende Streicben St. 7 bis 8. Ein 
allgemeines , von dem Alter der Gebirgsarten abbangiges , Streicbungsgesetz , 
welcbes icb vormals geahndet babe , kann in der auftersten Erdrinde , welche 
wir beobachten , schon darum nicht Statt finden , weil die ungleich vertbeilten 
kleinen Systeme von Kraften sich ungleich einander beschranken. Dafs aber das 
Streicben und Fallen, einige neuere Gebirgsarten abgerecbnet, von grofsen 
kosmischen Phanomenen , und nicht von der Gestalt der Gebirge abhange, davon 
uberzeugt sich jeder leicht , der die Struktur grofser Gebirgsziige in der Natur 
selbst studirt hat 




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i36 NATURGEMALDE 

Die Aquatorial-Regionen des neuen Kontinents bieten 
zugleich die hochsten Gebirge und die weit ausgedehntesten 
Ebenen der Welt dar : ein Rontrast, welcher darauf hin- 
zudeuten scheint , dafs die Rotation unsers Planeten nicht 
die Ursache jener so hoch aufgethiirmten Gebirgsmassen ist. 
Das hohe asiatische Plateau von Himali und Thibet liegt 
ausserhalb der Tropen ; und unter dem sechzigsten Grade 
nordlicher Breite erheben sich die Kordilleren zu einer 
Hohe , welche der kolossalisehen Berggruppe von , Quito 
wenig nachgibt. 

Die Andeskette (ihr wahrer Name ist Antis, von Anta, 
Rupfer, in* der Quichoa-Sprache) naht sich bevden Polen 
fast in gleicher Entfernung. Ihre aufsersten Enden bleiben 
kaum neun und zwanzig bis dreyfsig Grade davon entfernt. 
Man kann sie von den Granitklippen , welche siidlich vom 
Feuerlande liegen , oder von 'Diego Ramirez und dem Cap 
Horn bis zum Eliasberg ( nordwestlich von Port Mulgrave ) 
verfolgen; das heifst, sie erstreckt sich von 56° 27' sudli- 
cher, bis 6o° \i' nordlicher Breite. Sie hat demnach an 
zwey tausend und fiinf hundert Meilen Lange , bey einer 
Breite von kaum dreyfsig bis vierzig Meilen. 

Die Hohe dieser Gebirgskette ist weit ungleicher, als man 
gewohnlich anzunehmen scheint. In der siidlich en Hemi- 
sphare , zwischen dem Chimborazo und Loxa , gibt es ganze 
Strecken der Andes , wo der hohe wasserscheidende Ramm 
derselben kaum die Hohe des Sanct-Gothard erreicht. In 
der nordlichen Zone , in der Landenge von Panama , beson- 
ders bey Cupique , erhebt sich das Land kaum zwey hundert 



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DER TROPENLANDER. ify 

Meter ( 102 Toisen) hoch. Umfafst man mit einem Blicke 
die ganze Lange der Andeskette ": so bemerkt man , dafs 
sie viermal zu einer ungeheuern Hohe und Machtigkeit 
anschwillt. Unter dem sechzehnten Grade der siidlichen 
Breite, in Peru; unter dem Aquator selbst, im Konigreich 
Quito ; in Neu-Spanien , unter neunzehn Grad nordlicher 
Breite ; und endlich , der Ostkiiste von Asien gegeniiber , 
unter dem sechzigsten Grade, sind die Gipfel der Andes 
iiberall hoher als der Mont-Blanc : das heifst , sie erreichen 
aufs wenigste fiinf bis sechs tausend Meter (2565 bis 3078 
Toisen ). 

Mehr aber noch", als durch die Hohe selbst, konnen die 
Kordilleren durch die MdchtigAeit des hohen Theils ihrer 
Gebirgsmassen ( besbnders in Quito und Mexico ) unsere 
Einbildungskraft in Erstaunen setzen. Am Vulkan Antisana, 
vier tausend ein hundert und fiinf Meter (2106 Toisen) 
tiber dem Meere, also hoher als der kegelformige Gipfel des 
Pico von TenerifFa, habe ich eine Ebene gefunden, welche 
voile zwolf Meilen im Umfange hat. Wenn nian von den 
isolirten , sich hier und da thurmahnlich erhebenderi Spitzen 
abstrahirt : so kann man unter dem Aquator die mittlere 
Hohe des Gebirgsriickens der Andes auf drey tausend und 
neun hundert bis vier tausend und fiinf hundert Meter ( 2000 
bis 23o8 Toisen ) anschlagen , wahrend dafs die mittlere 
Hohe der Alpen und Pyrenaen zwischen zwey tausend fiinf 
hundert und zwey tausend sieben hundert Meter ( 1283 bis 
i385 Toisen) betragt. Das Hohen verhaltnifs ist demnach fast 
= 7-: 4* Die Breite der Pyrenaen und .anderer hoher euro- 

18 




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i38 NATURGEMALDE 

paischen Gebirgsketten betragt ini Durchschnitte nur zehn bis ' 
zwolf Meilen , wahrend dafs die Andes in dem machtigen 
Gebirgsstocke bey Quito ein und zwanzig, in Neu-Spanien 
und einem Theile von Peru, zwischen vierzig und sechzig 
Meilen breit sind. Diese Betrachtungen geben einen klarern 
Begriff von der grofsen Massenverschiedenheit , welche zwi- 
schen den Andes , den Alpen und den Pyrenaen Statt findet , 
als die Vergleichung ihrer hochsten Gipfel 1 , welche genau 
sechs tausend funf hundert vier und vierzig Meter ( 3357 
Toisen) , vier tausend sieben hundert funf und siebzig Meter 
(245o Toisen), und drey tausend vier hundert sechs und 
dreyfsig Meter ( 1763 Toisen) betragen. 

Der hochste Theil der Andes ist fast unter dem Aquator 
selbst , eigentlich zwischen ihm und i° 45' siidlicher Breite 
en thai ten. Nur an diesem und keinem andern Punkte der 
bisher bekannten Erde findet man Berge, welche eine Hohe 
von sechs tausend Meter (3078 Toisen) erreichen, oder gar 
ubersteigen. Auch gibt cs nur drey so kolossalische Gipfel : 
der Chimborazo (hoher, als der Atna auf die Spitze des 
Canigou ; hoher , als der S. Gothard auf die Spitze des Pico 
von TenerifFa geselzt) , der Cayambe und der Antisana. Nach 
einer sehr wahrscheinlichen Tradition der Indianer von Li- 
can , ist der Altarberg {el Altar de los Collanes, oder in 
der Quichoa-Sprache , Capa-Urcu) einst hoher als der 
Chimborazo gewesen, aber unter der Regierung des Ouai- 
nia-Abomatha (in, acht Jahre lang dauernden , Nacht ver- 

1 Der Chimborazo, Mont- Blanc und Mont- Perdu. 



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DER TROPENLANDER. 139 

breitenden , vulkanischen Ausbriichen ) eingesturzt. In der 
That zeigt der Gipfel dieses merkwurdigen Berges nichts 
als gesenkte Horner und Zacken — ein Bild der Zersto- 
rung , welches jeden Abend , wenn die niedergehende Sonne 
ihre Strahlen an den beeisten Trummern bricht , das pracht- 
vollste Farbenspiel darbietet. 

Der Chimborazo steht, wie der Mont - Blanc , am sud- 
westlichen Ende einer kolossalischen Berggruppe. Von ihm 
sudlich, in einer Strecke von hundert und zwanzig Meilen, 
reicht keine Spitze der Andeskette in den ewigen Schneew 
Die mittlere Hohe des Gebirgriickens betragt daselbst nur 
zwischen drey tausend und drey tausend fiinf hundert Meter 
, ( i539 ^ na< *79^ Toisen). Noch siidlicher , jenseits des 8teri 
Breitengrades , oder von der Provinz Guamachuco an, werden 
die beschneyten Gipfel wieder haufiger , vorziiglich in der 
Nahe der alten Incas-Stadt Cusco und auf dem Plateau von 
La Paz, wo sich die weitberufenen Kegelberge Ilimani und 
Cururana erheben. In Chile 1 ist leider kein einziger Berg 
durch Messung bestimmt , und am siidlichen Ende dieses 
Konigreichs naht sich die Andeskette so sehr der Meeres- 
kiiste, dafs man die Rlippeninseln des wenig bekannten 
Archipels der Huaytecas gleichsam als abgerissene Trummer 
derselben betrachten kann. Hier erreicht der mit ewigem 
Sehnee bedeckte Cuptana (der Pico de Teyde fur die Schif- 
fer dieser Zone) noch die Hohe von drey tausend Meter 




1 Ich habe in dem Memoire sur la limite inferieure de la neige perpetuelle 
Grunde angefuhrt, welche die grofse Hohe des Descabezado sehr unwahrschein- 
lich machen. 



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i4o NATURGEMALDE 

(1590 Toisen). Aber weiter gegen den Siidpol, in der Nahe 
des Cap Pilar, senken sich die Granitberge bis zu drey 
hundert neun und achtzig Meter (200 Toisen) herab , und 
bilden eine Hugelreihe , welche , ihrer Form wegen , vom 
Meere aus sehr hoch erscheint. 

Nordlich vom Chimborazo ist die Hohe der Andeskette 
nicht minder ungleich. Von i° 45' sudlicher bis 2 nord- 
licher Breite erhalt sie sich zwischen fiinf tausend und fiinf 
tausend vier hundert Meter (2565 und 2770 Toisen). Die 
hier gelegene Provinz Pasto ist eine der hochsten Gebirgs- 
steppen der Weh , gleichsam das Tibet des neuen Konti- 
nents. Weiter gegen Santa -Fe hin theilt sich die Kordillere 
in drey Ketten. Die ostlichere hat keinen ewigen Schnee 
von 4° ms 10 ° nordlicher Breite. Aber an ihrem nordlich- 
sten Ende , da , wo sie sich gegen Osten wendet und die 
Kiistenkette von Caraccas zu bilden anfangt , liegt der mach- 
tige Gebirgsstock von Santa-Martha und Merida , der sich 
vier tausend sieben hundert bis fiinf tausend Meter (2411 
bis 2565 Toisen) iiber dem Meere erhebt, und in dem heifse 
Schwefelquellen unter ungeheuern Schneemassen hervor- 
brechen. Der mittlere Arm der Andeskette , der mit ewigem 
Eise bedeckt ist, zieht sich zwischen dem Cauca und Mag- 
dalenen-Thale durch Tolima und Erve bis in das goldhal- 
tige Gneifsgebirge von Guamoco, wo er sich unter 8° io / 
nordlicher Breite in die niedrigen Hugel von S, Lucar ver' 
flacht. Der dritte und westlichste Arm endlich , welcher bey 
Barbacoas und Taddo l in Basalt- und Griinstein-Gertillen 

1 Jn der gebirgigen Provinz Choco 



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DER TROPENLANDER. 



l4'l 



den Platinasand enthalt , lauft , als niedrige Bergkette , langs 
der Riiste des stillen Meeres hin, setzt durch den Isthmus 
von Cupique und Panama in die nordliche Halfte des neuen 
Kontinents , und fangt erst im Ronigreiche Guatimala an , 
sich allmahlig zu erheben. Von eilf bis siebzehn Graden nord- 
licher Breite betragt seine mittlere Hohe zwischen zwey tau- 
send sieben hundert und drey tausend fiinf hundert Meter 
(i583 und 1795 Toisen). Aber in der Nahe der Hauptstadt 
Mexico, unter dem neunzehntep Breitengrade, bildet er einen 
ungeheuern Bergstock , der dem von Quito und Cusco 
wenig nachgibt. Zwey noch brennende Vulkane, der Popo- 
catepec und der Pico de Orizava , iibersteigen hier fiinf 
tausend drey hundert Meter (2718 Toisen). Aber diese grofse 
Hohe des Bergriickens dauert nur eine kurze Strecke. Im 
nordlichen Theile von Anahuac, in der Provinz Neu-Bis- 
caya, sind die Andes (hier Sierra madre genannt, und in 
viele Zweige getheilt) nicht hoher als die Pyrenaen. Unter 
dem fiinf und fiinfzigsten Grade der Breite haben englische 
Reisende durch Messung sie gar nur gegen sieben hundert 
neun und siebzig Meter (4oo Toisen) hoch gefunden. Man 
konnte geneigt seyn , aus diesem allmahligen Abfall zu schlie- 
fsen , als verschwinde die Andeskette vollig gegen den Nord- 
.pol hin, wenn man nicht unter 6o° i\' nordlicher Breite 
die vierte Gebirgsgruppe kennte, deren Gipfel (der Elias- 
berg und Montana* de Buen Tiempo) bereits oben genannt 
worden sind. Hier und in der Halbinsel Analasca scheinen 
die Andes unter dem Meere in Verbindung mit den noch 
brennenden Vulkanen von Ramtschatka zu stehen. Die 



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i4a NATURGEHAkDE 

Gebirge des ostlichen Asiens sind deranach nur eine Fort- 
setzung der Gebirgskette des neuen Continents. Wenn es 
Wahrscheinlich ist, dafs der grofsere Theil der kupferfarbi- 
gen Bewohner von Amerika Mongolischen Ursprungs ist ; 
wenn man vielleicht Ursache hat , im nordjichen Hindostan 
(im hohen Plateau von Tibet und Butan) den Ursprung 
weitverbreiteter religioser Mythen , die fruhesten Keime 
menschlichen Kunstsinnes , ja aller menschlichen Bildung 
zu suchen : so ist es zwiefach interessant, von jenem Cen- 
tral -Punkte auch die hochsten Gebirgszuge unaefs Planeten 
ausgehen zu sehen. 

Ich hiabe es versucht , mit grofsen Ztigen den Umrifs der 
Andeskette zu schildern. Von ihrer innern Struktur und 
den Gebirgsarten , die sie einschliefst , gehoren nur folgende 
allgemeine Satze in ein Naturgemalde. 

Die Tropenregion vereinigt fast alle Gesteinarten , welche 
man bisher auf dem ganzen iibrigen Erdkorper entdeckt 
hat. Blofs die sonderbare Gebirgsart, welche aus Smaragdit 
und Sade besteht, und welche Buch am Mont- Rose sich 
zu grofsen Hohen hat aufthiirmen sehen, habe ich in den 
Andes nicht angetrbffen ; auch nicht Rogenstein , Rreide 
und das sonderbare Gemenge von kornigem Kalkstein und 
Serpen tin {Verde antico), welches in Kleinasien 1 undgegen 
deri Euphrat hin gemein seyn soil. Existirt aber auf der gan- 
zen Oberflache des Erdbodens eine Identitdt in der Natur 

1 Auch bey Susa , nordwestlich yon Turin , auf Glimmerschrefer aufgesetzt , 
eine sehr alte , wenig untersuchte und mit einem eigenen Namen zu bezeich- 
nende Formation. 



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DER TROPENLANDER. 



i'43 



der Gebirgsarten : so ist die Ubereinstimmung , welch e wir 
in den fernsten Gegenden in der Schichtung und Lagerung 
oder in dem Alter der Formationen beobachten , nicht min- 
der auffallend. tlberall, im Bau der Weltkorper , wie in der 
Construklion der Gebirge; in der Schichtung der Forma- 
tionen , wie in der blattrigen Textur einzelner Fossilien y 
iiberall hat die gestaltende Natur sich durch einfache und 
allgemeine Gesetze beschrankt. 

Granit ist in der amerikanischen Tropenwelt , wie in den 
ubrigen von Physikern beobachteten Theilen des Erdbo- 
dens, die alteste Gebirgsart, auf welcher alle andere zu 
ruhen scheinen. Er kommt am Fufse der Andeskette zu 
Tage heraus , sowohl an der Kuste der Siidsee (zum Bey- 
spiel zwischen Lima und Truxillo), als in den ostlichen 
Ebenen des Orinoco und Amazonen-Flusses. Er tragt so- 
wohl die Ubergangsformationen des hohen Gebirgsriickens , 
als die Flozlagen der Llanos. Der quarzreiche Granit , wel- 
cher wenig Glimmer und grofse rothlich-weifse Feldspath- 
krystalle einschliefst , scheint unter den Tropen alter , als der 
feinkornige Granit mit vielem Glimmer in sechsseitigen 
Tafeln krystallisirt. Bald (und meist) ungeschichtet, bald in 
regelmafsig streichende und unter gleichem Winkel ein- 
schiefsende Lager getrennt , bald durch senkrechte Quer- 
kliifte in unregelmafsige Saulen zerspalten , bietet der Granit 
der Andes dieselben geognostischen Phanomene, als der 
der europaischen Alpenkette , dar. Wie dieser , enthalt er 
auch oft jene sonderbaren glimmerreichen Massen 1 , welche 

1 An den Obelisken und anderen agyptischen Kunstwerken , die ich hier zu 



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i44 KATUBGEMALDE 

wie eingewachsene Stilcke eines altern Granits erscheinen , 
und doch wahrscheinlich nur auf lokale Zusammenziehun- 
gen in den anschiefsenden Bestandtheilen hindeuten. Speck- 
stein , der ( wie ich zu Paris in Herrn Rozier's vortrefllicher , 
in Agypten und Arabien gemachter , Fossiliensammlung gese- 
hen) im Granit von Syene, wie im Schweizer-Granit, vor- 
kommt , habe ich in Peru , Neu-Grenada , Venezuela , Mexico 
und am Ober - Orinoco nie in Granitgebirgen entdeckt. 
Eben so wenig Lepidolit, welcher ein partieller Gemengtheil 
eines europaischen Granits ist. Titanschorl und Turmaline 
sind in siidamerikanischen Graniten sehr selten , doch er- 
sterer minder als der letztere. In den geognostischen Samm- 
lungen , welche ich dem koniglichen Mineralienkabinette 
zu Madrid geschicktj befinden sich sogar Titan-Dendriten, 
die ich beyCaraccas gefunden, und die Herr Proust chemisch 
untersucht hat , da sie den Braunstein-Dendriten sehr ahn- 
lich sehen. 



Rom untersucht, bemerke ich eben diese Erschetnung. Der Basalt der Alten, 
yon dem ich an einem andern Orte ( in meinen Mineralogischen Beobachtungen 
uber einige Basalte am Rhein, 1790) gehandelt, ist grofstentheils nichts anders 
als eine ahnliche hornblendreiche Masse, welche agyptische Bildhauer aus dem 
Werner'schen Syenit auszuwahlen wufsten. Diefs erk6nnt man deutlich an den 
Feldspathtrummern derLowen vor dem heutigen Capitol. Die kolossalischen agyp- 
tischen Statuen imCapitolinischen Musaum, besonders die, welche eine thurm- 
ahnliche Verzierung auf dem Kopfe und einen Palmzweig in der Hand hat , 
zeigen recht anschaulich den Ubergang vom Granit und Werner'schen' Syenit 
zum Basalt der Antiquarier. Ubrigens begreift der schwarze und griine Basalt 
der letzteren uranfanglichen Griinstein , Syenit , einen Hornsteinporphyr mit 
kleinen fast mikroskopischen Hornblendekrystallen , Lydischen Stein und Kie- 
selschiefer in sich. 



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DER TROPENLANDER. 



1 45 



Auf dem Granit , als auf der altesten uns bekannten 
Gebirgsart aufgesetzt, und bisweilen selbst mit ihm aiter- 
nirend , • erscheint in der Andeskette der Gneifs. Er geht 
allmahlich in Glimmerschiefer , wie dieser in den uranfang- 
lichen Thonschiefer iiber. Granaten sind in deri Tropen des 
neuen Kontinents mehr dem Gneifs , als dem Glimmer- 
schiefer eigen. Auch in Afrika, bey Elephantina, also nahe 
am Wendekreise des Krebses , hat Rozier den Granat stets 
im Gneifs entdeckt. Im. siidlichen Theile von Peru , welcher 
in der politischen Landesabtheilung gegenwartig zum Vice- 
konigreich Buenos -Ayres gehort, erscheint der Granat sogar 
im Porphyr. Ein solcher granatreicher Porphyr bedeekt die 
silberreiche Thonschieferkuppe von Potosi. Korniger Kalk- 
stein, Chloritschiefer, und uranfanglicher Griinstein bilden 
oft untergeordnete Lager im Gneifs und Glimmerschiefer von 
Siidamerika. Der hohe Kamm der Andes ist, wie der vieler 
deutschen Gebirge, fast iiberall mit Porphyr- und Trappfor- 
mationen (Basalt, Mandelstein , Porphyrschiefer und fast 
ungemengten Rlingsteinmassen ) bedeekt. Die saulformigen 
Absonderungen dieser rathselhaften Gebirgsarten geben den 
Kordilleren diese thurmahnlichen , zackigen, grotesken For- 
men, an denen man sie von weitem erkennt. Das vulka- 
nische Feuer bricht in diesem porphyrartigen Trapp-Gesteine 
aus, und es ist ein fur den Geognosten schwer zu losendes 
Problem , ob diese Porphyre mit glasigem , faserig verwit- 
terndem Feldspath , ob diese Basalte , diese porosen Mandel- 
steine , ob Obsidiane , Perl- und Griinstein durcfr Feuer 
gebildet , oder ob es fruher erzeugte Gebirgsarten sind , auf 

»9 



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i46 NATURGEMALDE 

welche die vulkanischen Rrafte ihren zerstorenden und iim- 
wandelnden Einflufs -ausgeiibt haben. 

: Glimmerschiefer ist in der Andeskette , wie in den euro- 
paiscben Alpen , ( nachst dem Pbrphyr ) die am weitesten 
verbreitete Formation. Er enthalt oft Lager von Graphit und 
unierteuft andere spatere Gebirgsarten , wie den Serpen tin 
mit Schillerspath und den Jade. Der Serpentin ist (was sehr 
auffallend ist ) bisweilen , zum Beyspiele in der Insel Cuba ,' 
bey Guana vacoa , und in Neu-Spanien bey Guanaxuato , 
mit Werner'schem Syenit 1 abwechselnd gescbichtet. 

Die Identitat der Schichtung , welcbe auf dem gaiizen 
Erdboden zu herrschen scheint , wird noch aufFallender , 
wenn man die Flozformationen von Siidamerika mit denen 
des alien Rontinents vergleicht. Die bildende Natur , durch 
die der Materie einwohnenden Rrafte auf gewisse Prototy- 
pen beschrankt , bat dieselben geognostischen Phanomene 
am Orinoco , an den mexicanischen Riisten des stillen 
Meeres, in Deutschland, Frankreich, Polen, Palastina und 
Nieder-Agypten wiederholt. Am Fufse der Andeskette un- 



1 lch sage mit Werner'schem Syenit : denn der Syenit der Alten ist grqfsten- 
theils Granit. Die Obelisken enthalten, nach Wad's, Pfaff's, Graf Geslers, und 
selbst nach Petrini's letzter Untersuchung ( siehe Zoega's Meisterwerk ) , keine 
Hornblende. Herr Rozier und andere Gelehrte, welche Bonaparte's Expedition 
begleiteten , haben beobachtet , dafs bey Syene wahrer Granit die herrschende ' 
Gebirgsart ist; dafs aber hier und da in diesem Granit von Syene kleine, wenig- 
zusammenhangende Lager von Werner'schem Syenit vorkommen. Dagegen hat 
Herr Rozier am Berge Sinai, dem klassischen Boden jiidischer My then , den 
( hornblendehaltigen ) Syenit so haufig gefunden , dafs er vorgeschlagen hat , 
seinen Namen in Sinait zu verwandeln. 



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DER TROPENLANDER. i^J 

terscheidet man zwey Sandsteinformationen , eine altere 
mil kieselartigem Bindemittel , Geschiebe von Urges tei-* 
nen einschliefsehd , und eine kalkartige mft Brocken von 
Flozgebirgsarten ; zwey Gypse, und zwey oder gar drey For- 
mationen von dichfem Kalkstein. Ungeheure Flachen von 
siebzig bis achtzig tausend Quadratmeilen sind mit altem 
Conglomerat bedeckt ,. in dem Trummer von braunem 
Eisenstein und, wie in Sachsen und in Agypten bey Suez, 
versteintes Holz vorkommen. Auf diesem alien, weit ver- 
breiteten Sandsteine ruht die Ralksteinformation , welche 
ich "ehemals Alpenkalk* genannt habe , und in welcher die 
pelagischen Versteinerungen stets dicht zusammengedrangt , 
oder auf grofsen Hohen isolirt vorkommen. Dunkel rauch- 
graue Farbe, kleine Trummer von weifsem Ralkspath, eine 
aus dem dichten ins kornige iibergehende Textur, und hau- 
fige Schichten von Schieferthon charakterisiren sie in der 
Ahdeskette und in Neu-Andalusien, wie in Ober-Bayern und 
in Piemont. Dieser Alpenkalkstein dient zur Unterlage einem 
blattrigen Gyps, der bisweilen Schwefel und Steinsalz ent- 
halt. Auf diesen Gyps folgen neuere Formationen , als eih 
zweyter rothlich - weifser dichter Kalkstein, dessen ebener 
Bruch an das flachmuscblige grenzt, und der oft Hohlen ent- 
halt — ein Kalkstein, der dem des Jura, des Monte-Baldo 
und dem von Mittel- Agypten analog ist. Auf diesem Jura- 
Halkstein ruht Sandstein mit Jialkartigerti Bindemittel, und 
auf' diesem , doch nicht weit verbreitet und oft verdriickt, 

1 Siebe meine Schrfft iiber die unterirdischen Gazarten und die Mittel ihren 
Nachtheil zu vermindem, 'S. 47. , 



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i48 NATURGEMALDE 

faseriger mit Thorigallen gemengter Gyps , und spatere Kalk- 
massen, welche Feuer- und Hornstein , ja in der Provinz 
Neu-Barcellona selbst agyptischen Riesel 1 einschliefsen. Die 
hier geschilderte Folge oder Lagerung der Fldzformationen 
ist in den grofsen Ebenen zwischen dem Orinoco , Rio 
Negro und Amazonenflusse schwer zn erkennen, weil dort* 
alles, was einst das alte Conglomerat zu bedecken schien, 
durch spatere Naturrevolutionen weggeschwemmt worden 
ist. Aber sie zeigt sich deutlich in der Provinz Cumana 
( in der Flozkette des Tumiriquiri ) , in den hohen Gebirgs- 
ebenen von Neu-Grenada und im RonigreicK Neu-Spanien, 
wo mein Freund, Herr Del Rio, langst vor mir die interes- 
santesten Beobachtungen dariiber angestellt hat. 

Aber Trotz der angedeuteten Analogie, welche zwischen 
beyden Rontinenten und ajlen Zonen in der Natur der 
Gebirgsarten , ihrer Schichtung und Lagerung sich findet , 
bieten die Aquatorial - Regionen doch auch mehrere Er- 
scheinungen dar , welche ihnen gleichsam ausschliefslich 
zugehoren. Eine der auffallendsten ist die ungeheure Meieh- 
tigkeit und tlohe , in welcher manalle, dem Granit in Alters- 
folge nachstehende Schichten in. den Tropen antrifFt. In 
dem westlichen Theile der europaischen Centralkette beste- 
hen die hochsten Berggipfel aus Granit. Der Glimmerschiefer 
^cheint hier die Hohe von zwey tausend vier hundert Meter 
( i23o Toisen) nicht haben iibersteigen zu konnen, wahrend 
dafs der Granit im Mont -Blanc noch vier tausend sieben 

1 In Agypten selbst fiadet $ich dieter Kissel nie im Kalkstein , sondern in 
einem alten Conglomerat, aus welchem auch die Memnons-Statuen bestehen. 



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DER TROPENLANDER. l/fo 

hundert fiinf und siebzig Meter ( 245o Toisen ) hoch zu Tage 
erscheint. In der Andeskette ist diese letzte Gebirgsart fast 
stets durch neuere Formationen versteckt. Man konnte viele 
Jahre lang in dem Konigreich Quito und in einem grofsen 
Theile von Peru und Mexico umherreisen , ohne je den 
Granit kennen zu lernen. Am hochsten habe ich , diesen 
letztern im neuen Kontinente sich in den Andes von Quin- 
diu, und doch nur zu drey tausend fiinf hundert Meter (1795 
Toisen) erheben gesehen. Die mit ewigem Schnee bedeckten 
Gipfel des Chimborazo , Cayambe und Antisana , zu sechs 
tausend fiinf hundert vier und vierzig, fiinf tausend neun 
hundert und fiinf , und zu fiinf tausend acht hundert drey 
und dreyfsig Meter ( 535y , 5o3o und 2993 Toisen) , beste- 
hen aus Porphyr. Dagegen bemerkt man dichten Kalkstein 
in • Peru , bey Micuipampa , auf drey tausend sieben hundert 
Meter (1897 Toisen): Glimmerschiefer am Tolima, einem 
Schneeberge des Konigreichs Neu- Grenada, in vier tausend 
fiinf hundert Meter (23o8 Toisen) : Basalt am Vulkan 
Pichincha , . unfern der Stadt Quito , auf vier tausend sieben 
hundert sechs und dreyfsig Meter (243o Toisen) Hohe t In, 
Deutschland hat man den Basalt am hochsten in der Schnee- 
grube l , tausend zwey hundert sechs und achtzig Meter 
(660 Toisen) hoch , iiber dem Meere gefunden. Mineralogen, 
welche den Porphyr des Chimborazo , alle Basalte und Griin- 



1 Geognostische Beobachtungen auf Aeispn durch Deutschland und Italien, von 
Leopold^von Buck, B. I , S r 12a: eine Schrift, welche von den* Beobachtungs- 
geiste und dem bevyundernswiirdigen Genie ihres Verfassers ?eugt, und in 
fremden Sprachen bekannt zu werden verdient. 



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i5o NATURGEMALDE 

steine nicht durch unterirdisches Feuer verandert, sondern 
von diesem urspriinglich erzeugt halten , miissen diese Be- 
trachtungen iiber die obere Grenze der Formationen fur 
nicht minder wichtig halten , da es in der beschreibenden 
Geognosie , welche eine zuverlafsige Wissenschaft ist , auf 
den gegenwartigen Zustand der Dinge , und nicht auf Ver- 
muthungen iiber den Urspriing und die friihesten Katastro- 
phen der Natur ankommt. 

Die Steinkohlenfloze von Santa-Fe, nahe an dem grofsen 
Wasserfalle der Tequendama , liegen zwey tausend sechs 
hundert drey und dreyfsig Meter ( 1 352 Toisen ) hoch. Bey 
Huanuco in Peru soil man Steinkohlen im dichten Ralk- 
stein, in einer Hohe von vier tausend fiinf hundert Meter 
(23o8 Toisen) , also fast weit iiber aller jetzigen Vegetation, 
entdeckt haben. Das Plateau von Bogota, welches sich zwey 
tausend sieben hundert Meter (i383 Toisen) hoch iiber 
der Meeresflache erhebt , ist mit Fldzformationen , mit dich- 
tem> Ralkstein voll Seemuschel-Versteinerungen, mit Sand- 
stein, Gyps und Steinsalz angefiillt. Ich zweifle , dafs man 
je irgendwo in Europa Steinsalz oder Steinkohlen iiber zwey 
tausend zwey hundert Meter (1128 Toisen) hoch angetrof- 
fen hat. Was begriindet diefs Vorkommen derselben Fossi- 
lien auf so verschiedenen Hohen unter dem Aquator und 
in der gemafsigten Zone ? 

Die versteinten Seemuscheln, welche man im alten Kon- 
tinent auf der grofsten Hohe entdeckt hat, sind die des 
Mont -Perdu, demhochsten Gipfel der Pyrenaen. Sie lie- 
gen drey tausend fiinf hundert sechs und sechzig Meter 



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DER TROPENLANDER. 



idi 



(1727 Toisen) uber„dem Meeresspiegel erhaben. In der Ari- 
deskette sind die Spiiren orgariischer Korper *def Vorzeit 
im Ganzen ziemlich selten , weil Ralkstein und Sandsteine 
mit kalkartigem Bindemittel iiberhaupt den Aquatorial- 
Regionen von Amerika weniger als unseren Klimaten eigeri 
zu seyn scheinen. Doch sind bey Micuipampa , einem Berg- 
stadtchen, dessen siidliche geographische Breite ich 6° 45' 38 /; 
gefunden habe, Echiniten, Austern- und Herzmuschel-Ver- 
steinerungen , zwey hundert Meter (102 Toisen) hoher als 
der Gipfel des Pico von Teherifla , auf drey tausend acht 
hundert acht und neunzig Meter ( 2000 Toisen ) Hohe ent- 
deckt worden. In den Gebirgen von Huancavelica , siidost- 
lich von Lima , liegen die Reste alter pelagischer Schaalthiere 
gar bis vier tausend drey hundert Meter (2205 Toisen) Hohe. 
Alle fossile Elephanten-Rnochen , welche ich aus der hohen 
mexicanischen Gebirgsebene , aus der von Suacha bey Santa- 
Fe de Bogota , aus Quito und Peru mitgebracht , und unter 
welchen Guvier Reste einer neuen, vom Mammut sehr ver- 
schiedenen Gattung bemerkt hat , kommen in grofsen Hoheh 
wenigstens zwischen zwey tausend drey hundert und zwey 
tausend neun hundert Meter ( 1 179 und i488 Toisen ) Hohe 
vor. Ich weifs kein Beyspiel, dafs man Elephanten-Knochen 
tiefer am Fufse der Andeskette , also in warmen Erdstri- 
chen entdeckt hatte ; denn die berufenen Riesen-Knochen, 
die ich am Cap von S.' Helena , nordlich vcm Huayaquil , 
habe ausgraben lassen> sind weder von Menschen noch von 
Elejphanten, sondernvonmachtigen Seegeschopfen (Cetaceen). 
In der gemafsigten Zone sind tausend Meter (5 1 3 Toisen) 



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i52 NATURGEMALDE 

machtige Schichten schon sehr selten. In Neu-Spanien und 
Peru, am steilen Abfalle der Rordilleren oder in tief ein- 
gefurchten Thalern , erkennt man eine Machtigkeit der 
Porphyrformation von zwey tausend neun hundert bis drey 
tausend zwey hundert Meter ( i488 bis 1642 Toisen). Die 
Pechstein-Porphyre des Chimborazo sind iiber drey tausend 
sieben hundert Meter (1897 Toisen) machtig. DerSandstein 
in dem Flozgebirge von Cuenca ( zwischen Quito und Loxa ) 
hat tausend sechs hundert Meter (821 Toisen) : die sonder- 
bare Formation von reinem Quarzfels , ostlich von Caxa- 
marca , welche der peruanischen Andeskette eigenthumlich 
zu seyn scheint, hat zwey tausend neun hundert Meter 
( i488 Toisen) Machtigkeit. Reine dieser weit- und hochr 
verbreiteten Gebirgsarten ist durch das Vorkommen fremd- ^ 
artiger Lager und Floze unterbrochen ! 

Noch charakterisiren die Aquatorial- Region folgende geo- 
gnostische Phanomene , welche an anderen Orten umstand- 
lich entwickelt werden sollen : Unbeschreiblich grofse Fre- 
quenz und Mannichfaltigkeit der Porphyrformationen ; stetes 
Vorkommen der Hornblende », Mangel des Quarzes und Sel- 
tenheit des Glimmers in diesem Porphyr ; machtige Schwe- 
fellager, nicht etwa im Gyps oder im Kalksteine, sondern, 
fern von Vulkanen", in Urgebirgen ; tlberflufs an alien 



1 Alle Tropen - Porphyre des neuen Kontinents enthalten Hornblende, meist 
zweyerley Feldspath, glasigen und gemeinen, oft Olivin, Augit und etwas Glim- 
mer. Bisweilen sind sie polarisirend : so die , welche wir bey Voisaco , in der 
Provinz Pasto ( Konigreich Neu - Grenada ) entdeckt , meinem Bayreuther Ser- 
pentin - Hornblendschiefer physikalisch ahnlich. 



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DER TROPENLANDER. i55 

Metallen aufser dem Bley ; das Vorkommen der Pacos- 
Schichten oder eines innigen Gemenges von Thonerde , 
oxidirtem Eisen , gediegenem und kochsalzsaurem Silber ; 
die verschiedene Hdhe , in welcher die Natur diese Metall- 
schatze 1 vertheilt hat, in Peru drey tausend ftinf hundert 
bis vier tausend ein hundert Meter (179$ bis 2io3 Toisen) 
hoch , und in Neu - Spanien , in milderen Bergregionen , 
kaum tausend sieben hundert oder zwey tausend sechs 
hundert Meter ( 872 oder i352 Toisen) hoch; Frequenz 
des Quecksilbers , das in der ganzen Andeskette in zahllosen 
Gangen zerstreiit ist, aber wenig und meist fruchtlos bear- 

beitet wird ' 

Rein Theil der bekannten Erde ist grofseren vulkanischen 
Revolutionen unterworfen , als die Andeskette. Vom. Cap 
Horn bis Analasca ; zahlt man noch heut zu Tage iiber vier 
und funfzig brennende Vulkane. Die feuerspeyenden Berge , 
welche sich am meisten von der Meereskiiste entfernen , sind 



1 Die Fiille silberhal tiger Erze ist so grofs , dafs mit zunehmender Bevolkerung 
im Neuen Kontinent das Spanische Amerika, dessen Gold- und Silber- Ausbeute 
gegenwartig acht und dreyfsig Millionen Piaster betragt, dieses Produkt wahr- 
scheinlich dreymal vergrofsern kann. Neu-Spanien, in dem die Industrie so zu 
sagen erst vor Kurzem zu erwacben anfangt, liefert jabrlich zwey und zwanzig 
bis flinf und zwanzig Millionen Piaster , wabrend es im Anfange des acbtzebnten 
Jabrbunderts kaum eine Ausbeute von fiinf bis sechs Millionen batte ! Die einzige 
Miinze der Hauptstadt Mexico hat seit der Entdeckung von Amerika tausend 
neun hundert Millionen Piaster nach Europa gesandt , eine ungeheure Summe , 
welche Ton Westen nach Osten geht , und grofsentheils in China und Indostan 
existiren mufs. Uber den Silberbergbau und die amerikanische Amalgamation 
haben wir vortreflliche Beobachtungen von Herrn Berginspektor Sonnenschmidt 
(der viele Jahre lang die Mexicanischen Gebirge durchreiset hat) zu erwarten. 

ao 



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i54 NATURGEMALDE 

der Popocatepec, der, nach meinen astronomischen Lange- 
Beobachtungeh , sieben und dreyfsig , und der Cotopaxi , der 
vierzig Seemeilen landeinwarts liegt. Die Vulkane von Quito 
speyen gegenwartig nicht fliefsende Laven , sondern nach 
aufsen verschlackte oder an den Seitenkanten erweichte 
Stiicke von Griinstein , Basalt und Perlstein-Porphyr •, Obsi- 
dian, Bimsstein , ungesalzenes , aber mit geschwefeltem Hydro- 
gen geschwangertes Wasser , ungeheure teigartige Massen von 
gekohltem Letten ( in welchem kleine Fische * in zahlloser 
Menge eingehiillt sind), und die sonderbare Moya, welche 
den Indianern zum Brennmaterial dient , und von der , nach 
Vauquelin's Analyse, £ sich ganz wie thierische und vege- 
tabilische Substanzen verhalten. In einer mit Indigo sorgsam 
bepflanzten mexicanischen Ebene , ein und dreyfsig Meilen 
von der Sudseekiiste, ist in der Nacht des i4ten Septembers 
1759 der Vulkan Jorullo von zwey bis drey tausend kleinen^ 
noch rauchenden Regeln ( die Einwohner nennen sie Ofen ) 
aus der Erde emporgestiegen. Der grofse Vulkan hat in 
Rurzem die Hohe yon vier hundert vier und achtzig Meter 
( 248 Toisen ) fiber der alten kultivirten Flur , oder tausend 
zwey hundert und drey Meter (619 Toisen) fiber der Meeres- 
flache erreicht. Sein Rrater ist noch entzundet; aber mit 
vieler Arbeit sind wir , Bonpland und ich , zwischen den 
oflfenen Spalten bis zu seinem Grunde gelangt. Die in diesem 
Rrater gesammelte Luft war betrachtlich mit Rohlensaure 



1 Pimelodes Cyclopum. SieVe meine Beobachtungen aus der Zoologie und 
vergleichendcn Anatomie , Seite Sg, 



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DER TROPENLANDER. 



.55 



geschwangert. Soil ten vielleicht mehrere Ruppen von weifsem 
aufgeldstem Porphyr durch vulkanische Dampfe umgewan- 
delte Granite und eines ahnlichen Ursprungs seyn , als Herr 
von Buch so scharfsinnig von den empOrgehobenen Porphyren 
von Auvergne und Santorino enviesen hat? 

Entfernung ^ in welcher Berge auf der Jlfeeres- 

Jlache sichtbar sind. 

Da mein Naturgemalde eine grofse Menge betrachtlicher 
Hohen enthalt : so glaubte ich , dasselbe auch dadurch in- 
teressant zu machen , dafs es zugleich die grofstmogliche 
Entfernung angebe ,• in welcher erhabene Gegenstande in 
der Ebene sichtbar sind. Diese Entfernung hangt bekannt- 
lich von der Rrummung der Erde, von der Hohe des 
Gegenstandes , und von der Starke der irdischen Refraction 
ab. Wegen der Veranderlichkeit des letztern Elementes ist 
die Scale mit Vernachlafsigung desselben berechnet worden, 
Wenn man die angegebenen Entfernungen ( welche zugleich 
auch die Halbmesser des Gesichtskreises auf dem Gipfel der 
Berge sind) mit den Weiten vergleicht, in welchen Schiff- 
fahrer oft den Pico von TenerifFa , den azorischen Kegel- 
berg, den Orizava, die Schneegebirge von Santa - Martha , 
und den Tafelberg gesehen zu haben vorgeben : so mufs 
man diesen Unterschied weniger anomalischen Strahlenbre- 
chungen , als vielmehr der Unkunde des SchifForts ( der 
geographischen Lange und Breite ) zuschreiben. Man glaubt 
sich nahmlich weiter von dem gesehenen Gegenstande ent- 
fernt, als man wirklich ist. Der. Strahlenbrechung geht es 



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i56 NATURGEMALDE 

auf dem Meere, wie den Stromungen (Courans), deren 
Einflufs oft blofs defshalb ubertrieben wird, weil man 
unerwartet auf Rlippen und Inseln sttifst , von denen man 
sich , aus Mangel richtiger astronomischer Bestimmungen , 
sehr fern glaubt. 

Unter den Tropen , wo die irdische Strahlenbrechung 
weit regelmafsiger und minder wechselnd ist , sind Hohen- 
winkel von grofsem noch nicht genugsam erkanntem Nutzen 
fiir die SchifFahrt. Der Pico von Teyde , der Sattelberg von 
Caraccas , und der Orizava an der Kiiste von Vera- Cruz, 
sind leitende, von der Natur errichtete Signale, die dem 
vorbeysegelnden SchifFer von dem grofsten Nutzen seyn 
konnen, wenn er sie gehorig zu benutzen weifs. Ist nahm- 
lich die Hohe eines solchen Kiistenberges und seine geogra r 
phische Position genau bekanrit ; so konnen sehr einfache 
Beobachtungen den Ort der SchifFer bestimmen. Ich habe 
in diesen letztverflossenen Jahren viele Beobachtungen dieser 
Art , thejls in der Siidsee , theils im atlantischen Oceane 
angestellt. Churruca hat sogar Tafeln fiir die Entfernungen 
berechnet, in welchen der Pico von TenerifFa sich unter 
bestimmten Hdhenwinkeln zeigt 

Die Scale , welche das Naturgemalde iiber diesen Gegen- 
stand enthalt , bietet zugleich der Einbildungskraft die weiten 
Landesstrecken dar, welche das Auge von dem hochsten 
Gipfel der Andes iibersehen wiirde> wenn nicht Nebel und 
Gewolk den Genufs dieses majestatischen Schauspiels dem 
Reisenden so selten machten. Der Durchmesser dieser Stre- 
cken wiirde fiir mich ani Chimborazo , bey meiner Reise zu 



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DER TROPENLANDER. i5<j 

demGipfel desselben, sieben und neunzig Meilen ; er wiirde 
fur Herm Gay-Lussac, bey seiner letzten Luftreise, hundert 
und sechs Meilen gewesen seyn : aber Wolken haberi uns 
beyden den Anblick der niederen Regionen entzogen. 

Untere Grenze des ewigen Schnees. 

Ich habe oben , wo ich von der allmahligen Abnahme der 
Warme in den hohen Luftschichten handelte , Beobachtungen 
angefiihrt , welche es wahrscheinlich machen , dafs iiber der 
Hohe des Mont -Blanc hinaus diese Abnahme unter den 
Tropen dasselbe Gesetz, wie in der gemafsigten Zone, be- 
folgt. In diesen hohen Regionen scheint nahmlich die Wir- 
kung der strahlenden Warme , welche die Oberflache unsers 
luftumflossenen Planeten zuriickschickt , sehr gering zu seyn. 
Ihre Temperatur hangt hauptsachlich von einer Zersetzung 
der Sonnenstrahlen bey ihrem Durchgange durch die Licht 
verschluckenden und daher Helle mindernden Luftschichten 
ab. Ganz anders verhalt sich die Abnahme der Warme in 
den tieferen Regionen der Atmosphare. Von der Meeres- 
flache an bis auf ftinf tausend Meter ( 2565 Toisen ) Hohe 
folgt diese Abnahme , wenn man die mittlere Temperatur 
vergleicht, anderen Gesetzen als in grofseren Hohen ; denn 
da diejenigen Luftschichten, in welchen der ewige Schnee 
der Gebirge sich zu*finden anfangt, nach Verschiedenheit 
der Breite in verschiedener senkrechter Hohe iiber der 
Meeresflache liegen : so darf man mit Sicherheit schliefsen , 
dafs Luftschichten von einerley mittlerer Temperatur sich 
in anderen Hohen unter den Tropen , in anderen in der 



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i58 NATURGEMALDE 

gemafsigten Zone finden. 1st demnach die senkrechte War- 
meabnahme unter dem Aquator bekannt ( eine Abnahme , 
welche ich von der Meeresflache bis zur untern Grenze des 
ewigen Schnees zu zwey hundert Meter oder hundert und 
zwey Toisen, auf einem Grade des hunderttheiligen Ther- 
mometers finde ) : so fiihrt uns diese Betrachtung ganz 
natiirlich auf ein Mittel , die Hohe des ewigen Schnees 
unter alien Breiten durch Rechnung zu beslimmen. Es 
kommt blofs darauf an , die Hohe einer Luftschicht zu 
finden, deren mittlere Warme = -+• o°,4 se y> eine Warme, 
welche der gleich ist , welche ungefahr in dem Anfange der 
Schneeregion herrscht. Sey i2°,5 die mittlere Temperatur 
der Ebene unter 45° nordlicher Breite : so findet man die 
untere Schneegrenze zu 200 (i2°,5 — o ,4)= 2 4 20 Meter 
oder 1240 Toisen j ein Resultat, das bis achtzig oder hundert 
Meter mit den unmittelbaren Saussure'schen und Trallesi- 
schen Messungen iibereinstimmt. Gegen den Nordpol hin 
wiirde ein Land, dessen mittlere Temperatur in der Flache 
des Meeres -+- 4° ware , den ewigen Schnee in 720 Meter 
(369 Toisen) beginnen sehen. Im Allgemeinen findet man 
nach dieser Methode die Grenze des ewigen Schnees in 
Meter , indem man die durch 6J a s hunderttheilige Thermo- 
meter ausgedriickte mittlere Warme der Ebene zwey hundert 
Mai nimmt. Eine Formel , in welcher* die Schneegrenze als 
Function der Breite vorkame , wiirde weniger genau seyn, 
weil das physikalische Klima meist sehr unabhangig von der 
geographischen Lage des Orts ist. Dagegen bietet die ange- 
^gebene Methode den Vortheil dar , die mittlere Temperatur 



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DER TROPENLANDER. 159 

eines Landes ohne langjahrige Beobachtungen aus der beob- 
achteten Schneehohe, und zwar sie dazu noch durch ein 
Vielf aches zu finden. . 

Doch ich verlasse spekulative Vermuthungen , welche sich 
doch nur auf unvollstandige Inductionen griinden , und 
kehre , meinem Plane getreu , zu dem zuriick , was die 
empirische Beobachtung unmittelbar gibt. Die Hohe der 
untern Schneelinie nahe am Aquator ist eine der bestimm- 
testen und unabanderlichsten Erscheinungen , welche die 
Natur darbietet. Bouguer bestimmt diese Hohe auf vier 
tausend sieben hundert vier und vierzig Meter (2434 Toisen). 
Ein Mittel aus vielen Messungen hat mir etwas mehr, unge- 
fahr vier tausend acht hundert Meter (2462 Toisen) gegeben. 
Ein grofser Theil dieses Unterschiedes beruht auf der von 
Bouguer vernachlafsigten Warmecorrection in den Barome- 
terformeln , auf der Annahme des Quecksilberstandes am 
Meere und auf der verschiedenen Hohe , welche defshalb , 
Bouguer und ich , dem Signal von Caraburu zuschreiben , 
wie an einem andern Orte gezeigt werden soil. Ubrigens 
haben die franzosischen Akademiker sehr richtig bemerkt , 
dafs in diesen Aquatorial-Landern , in welchen die Luft-r 
temperatur das ganze Jahr hindurch dieselbe ist , die Schnee- 
grenze nicht um fiinfzig bis sechzig Meter schwankt, und 
dafs sie eine rein abgeschnittene solige Linie bildet , ohne 
dafs der Schnee sich an einem Punkte, zum Beyspiele in 
den Schluchten und Thalern, tiefer als an den steileren 
Abhangen herabzoge. 

Es fehlte bis jetzt noch an Messung der Schneelinie gegen 



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i6o NATURGEMALDE 

die nordliche Grenze der Tropen hin ; und man hatte in 
der That vermuthen sollen, dafs vom Aquator bis zum 
zwanzigsten Breitengrade die Senkung dieser Linie betracht- 
lich seyn konne. Durch barometrische und geodesiche Mes* 
sungen , die ich in Neu - Spanien am Schneegebirge von 
Toluca , am Cofre de Perote , am Popocatepec und am 
Itzaccihuatl angestellt , habe ich gefunden , dafs nahe am 
Wendekreise des Krebses der ewige Schnee erst in vier 
tausend sechs hundert Meter ( 236o Toisen ) beginnt. Der 
Unterschied zwischen dieser Region und dem Aquator be- 
tragt also kaum noch zwey hundert Meter (102 Toisen). 
Dagegen fallt Schnee, was sehr auffallend ist, in Neu-Spanien 
eb en falls zwischen dem neunzehnten und zwanzigsten Grade 
der Breite, voile zwey tausend ein hundert Meter ("1077 
Toisen) tiefer als in Quito; Beweis genug, dafs die augen- 
blicklichen partiellen Erkaltungen bey der Lander sehr ver- 
schieden sind, wahrend dafs mittlere Temperatur fast ganz 
mit einander iibereinstimmt. 

Da Neu-Spanien (das eigentliche alte Anahuac) schon an 
die gemafsigte Zone stofst : so ist die Grenze des ewigen 
Schnees auch schon darin betrachtlicheren Veranderungen 
unterworfen , als man in einem Tropenlande erwarten sollte. 
Im Julius habe ich diese Schneegrenze vier tausend sechs 
hundert und neunzehn Meter (2372 Toisen ) , im Februar 
drey tausend acht hundert und zwanzig Meter (1962 Toisen) 
hoch iiber dem Meere angetroffen. Die Andeskette hat, so 
weit ich sie kenne , nichts , was man einen eigentlichen 
Gletscher nennen konnte. Diese prachtvolle Naturerschei- 



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DER TROPENLANDER. 161 

nung , die unabhangig von aller Hohe ist , fehlt den Aqua- 
torial - Landern ganz , wahrscheinlich weil in denselben nie 
sehr viel Schnee auf einmal fallt , und weil die Lufttempe- 
ratur jeder Hohe daselbst constant ist. Auf dem Chimborazo 
findet man dagegen tiefer als die heutige Schneelinie, wenn 
man ^rabt, unter machtigen Sandschichten uralte Schnee- 
lagen , welche sonderbare Naturkatastrophen in diese Lage 
gebracht haben mdgen , und die fiir eih Alter unsers Pla- 
neten zeugen, das vielleicht weiter als der bestrittene Zodiacus 
von Dendyra hinaufsteigt ! — Man kennt , leider ! nicht durch 
Messungen die Hohe der Schneegrenze unter dem funf 
und zwanzigsten und dreyfsigsten Grade der Breite. Unter 
dem zwey und vierzigsten und sechs und vierzigsten Grade 
betragt sie in Europa ah zwey tausend funf hundert drey 
und dreyfsig Meter (i3oo Toisen). Ich habe dieses Gesetz, 
welches die Schneelinie zu befolgen scheint , in einer eigenen 
Abhandlung untersucht, welche im December 1804 in der 
ersten Rlasse des franzosischen National - Instituts verlesen 
worden ist. 

Siedhitze des kochenden Pt^assers auf : verschie- 
denen Hohen ilber der JUee/^es/ldche. 

Der Warmegrad , welchen Fliissigkeiten annehmen , ,ehe 
sie zum Sieden iibergehen , hangt von ihrer eigenthiimlicheh 
chemischen Natur, und zugleich auch von dem Gewichte 
der Atmosphare ab , welches auf sie driickt. So wie diefs 
Gewicht mit der Hohe wechselt , so verandert sich auch 



at 



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162 



NATURGEMALDE 



der Siedpunkt selbst. Die nachstehende Tafel driickt das 
Gesetz dieser Erscheinung aus: 



HOHE 


BAROMETERSTAND. 


SIEDHITZE E 


>ES WASSERS. 




UBER DEM MEERE. 




HUNDERTGR. 


r£aumcr'sches 






THERMOMETER. 


THERMOMETER. 


Meter 


Metar 








9 


0,7630 


100,0 


8o,0 


1000 


0,6792 


97, 1 


77,7 


2000 


0,60 5o 


94>3 


75,4 


3ooo 


o,5368 


9 1 * 3 


73,0 


4ooo 


0,4741 


88,1 


70,5 


5ooo 


0,4182 


84,7 


6 7>7 " 


6000 


0,3674 


81,0 


64,8 


7000 


o,32o3 


77'° 


61,6 



Da von der Oberflache des Meeres an bis zu tausend 
Meter ein Grad niedrigern Siedpunktes drey hundert sieben 
und fiinfzig Meter Hohenveranderung ausdriickt, und da 
zwischen eben dieser Meeresflache und 7000 Meter ein Grad 
noch drey hundert und vier Metern zugehort : so kann man 
im Allgemeinen annehmen , dafs bis zur Hohe des Mont- 
Blanc ein Thermometergrad ungefahr zehn Linien Barome- 
terdruck oder drey hundert und vierzig Meter ( iy4 Toisen) 
Hohe ausdriickt. Ich habe , wahrend meiner Expedition , 
eine grofse Menge von Beobachtungen iiber den Siedpunkt 
des Wassers auf den Gipfeln der hohen Andeskette ange- 
stellt. Ahnliche Versuche des Herrn Caldas ( eines jungen 
Mannes aus Popayan , der mit rastlosem Eifer sich der 
Astronomie und einigen Theilen der Naturbeschreibung 
gewidmet), werde ich in meiner Reisebeschreibung bekannt 



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DER TROPENLANDER. i63 

machen. Diese Arbeit hat freylich fast kein Interesse fur 
die Meteorologie 5 selbst die Theorie des Luftdrucks bedarf 
ihrer wenig : aber sie zeigt doch, welches Grades der Genauig- 
keit die Bergmessungen mittelst des Thermometers fahig 
sind , wenn man mit Sicherheit kleine Fractionen eines 
Grades angeben kann. 

P^erbreitung der Thiere^ nach der Ifohe ihres 

Ff^ohnorts betrachtet, 

Um das Naturgemalde der Tropen-Regionen vollstandi- 
ger zu machen , habe ich eine Scale hinzugefiigt , welche 
die Verschiedenheit der Thiergattungen darstellt, die den 
schrofFen Abhang der Andeskette bewohnen. So weit nur. 
immer die Vegetation in und auf dem Erdkorper hat vor- 
dringen konnen , ist thierisches Leben verbreitet. Im Innern 
der Bergwerke und Hohlen leben Dermestesarten und ahn- 
liche Insekten , welche sich von unterirdischen Schwammen 
nahren. Wie sie , dem Lichte entzbgen , aber in der Tiefe 
des Meeres , benagen Coriphaenen , der gefrafsige Chactodon, 
und zahllose Schaaren von Gewiirmen , den Seetang (JFucus) , 
dessen Friichte mit gallertartigem Schleime iiberzogen sind. 
Weiter aufwarts, zwischen der Meeresflache* und tausend 
Meter (5i3 Toisen) Hohe, in der Region der Palmen und 
Bananengewachse , finden sich Riesen-Schlangen (Boa), der 
grasfressende Manati , undKrokodille, die unbeweglich, wie 
kolossale Statuen von Erz , mit ofFenem Rachen am Fufse 
des Conocarpus ausgestreckt liegen. Diefs ist der Wohhplatz 
des wehrlosen Flufsschweins ( Cav ia capybara ) , das , wech- 



i 



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••! - 



i64 NATURGEMALDE 

selsweise vom Tiger und Krokodille verfolgt , bald im 
Wasser , bald auf dem Lande seine Rettung sucht. Die 
Walder dieser heifsen Zone erschallen von dem Regen ver- 
kundenden Geheule der Alouaten , von dem vogelartigen 
Gezwitscher der kleinen Sapajou-Aflfen, und dem stohnenden 
Rlagen des Faulthiers, welches den Stamm der silberblattri- 
gen Cecropia hinankriecht. Sie sind das Vaterland der 
Papagayen , der buntgefiederten Tanagra und des majesta- 
tischen Hocco (Crax pauxi). Der grofse, aber feige ameri- 
kanische Lowe , der furchtbarere prachtig gefleckte Jaguar > 
und der schwarze Tiger des obern Orinoco , welcher noch 
blutdiirstiger als der Jaguar ist, sind die Herren dieser 
Walder. Sie stellen dem kleinen indischen Hirsche ( falsch- 
lich Cervus mexicanus genannt ) , der Sus tajassu und dem 
Ameisenbaren nach , dessen dehnbare Zunge an dem Brust- 
beine inserirt ist. Die Luft in dieser heifsen Zone , beson- 
ders bis fiinf hundert Meter Hohe (sey es an den Ufern 
grofser Fltisse oder in dem Dickicht der Walder, oder an 
dem Meeresstrande , wo dieser mit. Schlamm bedeckt ist) r 
wimmelt iiberall von giftigen Stechfliegen und Miicken 
( Mosquitos ) , deren unbeschreibliche Menge einen grofsen 
und so schonen Theil der Erde dem Menschen fast unbe- 
wohnbar macht. Zu diesen Mosquitos gesellen sich noch der 
Oestrus Mutisii, der seine Eyer mit unglaublicher Schnel- 
ligkeit bis in das Muskelfleisch des Menschen legt und 
schmerzhafte Geschwiilste erregt; Acari, welche die.Haut wie 
einen Acker in parallelen Furchen aufschlitzen (Aradores)) 
giftige Spinnen , Ameisen und Termiten, deren gefurchtete 



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DER TROPENLANDER. i65 

Industrie fast alle menschliche Arbeit zerstort. Alle diese 
Plagen, von denen die Eingeborenen freylich weniger als 
Fremde leiden , verbittern den Lebensgenufs in einer tibri- 
gens so wundervoll schonen, allbelebten Natur. 

Hdher aufwarts , in der Region der baumartigen Farren- 
krauter, zwischen tausend und zwey tausend Meter (5i3 und 
1 026 Toisen ) Hohe , findet man nicht mehr Krokodille , 
Riesenschlangen , Manati ( Flufsktihe ) jund Faulthiere. Der 
Tiger und die Affen werden selten j aber desto haufiger sind 
hier Heerden von Tapir und Nabelschweinen , und der' kleine 
Jaguar ( Felts pardalis ). Menschen , Affen und Hunde sind 
in dieser Hohe vom Minirfloh (Pulex penetrans) , der in der 
heifsern Region seltner als in der mittlern ist, aufs fiirchter- 
lichste geplagt. Zwischen zwey und drey tausend Meter (1026 
und i539 Toisen), in der obern Region der Cinchona, sind 
gar keine Affen mehr, kein Cervus mexicanus ; aber die 
schone Tigerkatze ( Felis tigrina ) , Baren und der grofse 
Hirsch der Andes. In dieser Hohe, welche zugleich die des 
Gotthards ist, sind Menschen -La use , leicler ! sehr haufig. 
Zwischen drey und vier tausend Meter ( i539 un< ^ 20 ^2 
Toisen ) , in den kalten Gebirgssteppen , lebt die kleine 
Lowenart , welche die Peruaner Puma nennen , und deren 
Spur wir oft noch hoher aufwarts auf frischgefallenem 
Schnee gefunden haben ; der kleine weifsstirnige Bar, und 
einige Viverren. Mit Verwunderung habe ich Colibri-Arten 
bisweilen bis zur Hohe des Pico von Teneriffa gefunden. 
Die Grasfluren und die Region der wollblattrigen Espeletia 
(Frailexon)j zwischen vier und ftinf tausend Meter (2o52 



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166 NATURGEMALDE 

und a565 Toisen), ist von den sogenannten Kameelscha- 
fen l , von der Vicuna , dem Guanaco und der Alpaca be- 
wohnt, welche in abgesonderten Heerden umher schwarmen. 
Llamas finderi sich nur als Hausthiere : denn diejenigen , 
welche am westlichen Abhange des Chimborazo geschossen 
werden , sind (so geht die Sage unter den Eingeborenen ) 
verwildert, als der Inca Tupayupangi die Stadt Lican, den 
alten Sitz des Cochocandi von Quito, zerstorte. Die Vicuna 
liebt grofse Hohen , wo bisweilen schon Schnee fallt. Trotz 
der Nachstellungen , welche sie seit Jahrhunderten erleiden , 
sieht man doch noch , auf dem Andesriicken , Heerden von 
drey bis vier hundert, besonders in den Provinzen Pasco 
( an den Quellen des Amazonenflusses ) , Guailas und Caxa-r 
tambo , besonders in den Gebirgen von Gorgor. Auch um 
Huancavelica , Cusco und in der Provinz Gochabamba , wo 
das hohe Flufsthal von Cotacages anfangt ; kurz iiberall , wo 
der Gebirgsriicken sich zur Hohe des Mont -Blanc erhebt, 
ist die Vicuna noch sehr haufig. Dagegen ist es eine recht 
auffallende Erscheinung der Thiergeographie , dafs Vicunas 
und die ihnen verwandten Gattungen (Alpaca und Guanaco ) 
die ganze Andeskette, von Chile an bis zum neunten Grade 
siidlicher Breite bewohnen, und dafs weiter nordlich, weder 
in Quito , noch in den Schnee-Gebirgen von Neu-Grenada , 
noch in Neu-Spanien eine Spur ihrer jetzigen oder ehemali- 
gen Existenz zu entdecken ist. Der Straufs von Buenos -Ayres 



1 Mit gleichem Rechte konnte man sie Antilopenschafe nennen : denn sie 
gleichen zugleich dem Kameele , dem Schafe und den Gazellen. 



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DER TROPENLANDEB. 167 

bietet ein ahnliches Phanomen dar : er findet sich nicht 
nordlich von der Bergkette von Chiquitos , wo die Wal- 
dungen durch Grasfluren ( Savanen ) unterbrochen sind , 
und wo dieser Vogel ahnliche Nahrung und ein ahnliches 
Klima geniefsen wiirde. 

Die Thiere und Pflanzen gehen kaum fiber die Schnee- 
grenze hinaus. Unter ewigem Eise vegetiren zwar noch einige 
Flechtenarten ; aber unter den Vogeln ist der Condor der ein- 
zige , der diese unermefslichen Einoden bewohnt. Wir haben 
ihn in einer Hohevon sechs tausend ftinf hundert Meter (3334 
Toisen) schweben sehen. Einige Sphinxe und Fliegen , die wir 
noch ftinf tausend sechs hundert zwey und fun fzig Meter 
(2900 Toisen) hoch antrafen, schienen uns durch senkrecht 
aufsteigende Luftstrdme unwillkiihrlich in diese Regionen 
gebracht worden zu seyn. Saussure hat sie ebenfalls auf dem 
Gipfel des Mont -Blanc, Ramond an den Ufern des hohen 
Bergsees am Mont -Perdu gefunden. Sonderbar, dafs diese 
Insekten beobachtet worden sind , so oft Menschen sich auf 
Gebirgen zu sehr grofsen Hohen erhoben haben, 

Diese zoologische Scale , welche hier nur skizirt erscheint , 
enthalt die Grundzuge zu einem zoologischen Gemdlde , 
welches nach Analogie dessen entworfen werden konnte , 
welches ich fur. die Pflanzen - Geographic geliefert habe. 
Zimmermann's klassisches Werk stellt die Thiere nach Ver- 
schiedenheit der geographischen Lage ihres Wohnorts auf 
dem Erdboden dar. Es ware interessant, in einem Profil 
die Hohen zu bestimmen, zu welchen sie sich in derselben 
Zone , aber in Gebirgslandern erheben. 



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168 NATURGEMALDE 

Kultur des Bodens. 

Wir haben bisher die physikalischen Erscheinungen ent- 
wickelt , welche die Tropenwelt darbietet ; die Modificationen 
des Luftkreises ; die Natur und Schichtung der Gebirgsmassen; 
die vegetabilischen Erzeugnisse des Bodens, und die Thiere, 
welche den Gebirgsabhang bewohnen. Es bleibt uns noch 
ubrig , einen Blick auf den Menschen und die Objekte des 
Pflanzenbaus zu werfen. Von der Oberflache des Oceans 
an, bis nahe an den ewigen Schnee, ist die Andeskette von 
kupferfarbigen Indianern, wie von afrikanischen und euro- 
paischen Ansiedlern bewohnt. Das Bergland , in der poli- 
tischen Eintheilung der Incas Antisuyu genannt , ist im 
Ganzen sogar weit mehr als die Ebene (Contisuyu) kulti- 
virt. Der ackerbauende Fleifs der Volker , ja fast alle pri- 
mitive Civilisation des Menschengeschlechts , steht in umge- 
kehrtem Verhaltnisse mit der Fruchtbarkeit des Bodens und 
mit der Wohlthatigkeit der ihn umgebenden Natur. Je 
karger diese ist, je unuberwindlicher die Hindernisse sind, 
welche sie entgegen stellt ; desto starker werden menschliche 
Krafte aufgeregt, desto friiher werden sie durch Gebrauch 
entwickelt. Auch bildeten die Gebirgsvolker von Anahuac, 
Cundinamarca und Antisuyu schon grofse , wohl organisirte 
politische Gesellschaften 5 schon hatten sie eine intellectuelle 
Kultur , welche der Yon China und Japan nahe kam , als 
in den fruchtbaren Ebenen , welche sich ostlich von der 
Andeskette gegen das Meer hin erstrecken , die Menschen 
noch , zerstreut und nackt , ein thierisches Leben fiihrten. 



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DER- TROPENLANDER. 169 

Wenn aber die moralische Kultur des MenscJiengeschlechts 
sich friiher in der gemafsigten , dem Pole nahern Zone , als 
in der reichern Tropen-Natur entfwickeln mufste ; wenn man 
einsieht , warum diese Kultur friiher auf den hohen Gebirgs- 
ebenen der Andes , als an dem IJfer grofser Fliisse begann : 
so drangt sich desto lebhafter die Frage auf, warum der 
schon gebildete , ackerbauende Mensch nicht in jene gluck- 
lichen Klimate zuriickzieht , wo der Boden ungepflegt dar- 
bietet was in der kaltern armern Zone ihm nur durch 
muhevolle Arbeit abgewonnen werden kann. Was bestimmt 
den Indianer in einer Hohe von drey tausend drey hundert 
dreyzehn Meter (1 700 Toisen) unter einem eisigen unfreund- 
lichen Himmel ein steiniges Erdreich zu beackern, wah- 
rend dafs, kaum eine Tagereise von seiner Hutte entfernt, 
ganze fruchtbare Ebenen am Fufse des Gebirges unbewohnt 
liegen ? Welchen Reitz hat ein Land , wo zu alien Jahrszei- 
ten Schnee fallt , wo alle Nachte das Wasser gefriert , und 
wo der Felsboden nur mit wenigen kriippligen Strauchen 
bedeckt ist ? Dieser Reitz ist der des Vaterlandes ; jener 
Bestimmungsgrund liegt in der Macht der Gewohnheit. 

In unserm Europa sind die Dorfer , welche am hochsten 
liegen , tausend sechs hundert bis tausend neun hundert 
Meter (821 bis 974 Toisen) tiber der Oberflache des Meeres 
erhaben. So liegt in den Schweizer- und Savoyer- Alpen : 



Meter. 

Das Dorf Saint- Jacques de Val d'Ayas m einer Hohe von • . . . i63i 
Das Dorf Saint -Remy 1604 



Toisen. 

83 7 . 
823. 



Das Dorf d'Eleva, am Cramont i3o8 I 672. 

22 



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170 



NATURGEMALDE 



Meter. 



Das Dorf Lans-le-Bourg am Mont-Cents in einer Hohe von. . i388 
Das Dorf Formaza ia65 



Toisen. 

712. 

648. 



In den Pyrenaen liegt : 



Das Dorf Heas in einer Hohe von i465 

Das Dorf Gavarnie i444 

Das Dorf Barege 1290 



75a. 
741. 
66a. 



Hdher aufwarts gibt es bey uns keine bestandigen Men- 
schenwohnungen 1 , sondern nur Sennhiitten , welche die 
Hirten im Sommer bewohnen. In Peru dagegen hat man 
Stadte, wie Pasco, Huancavelica und Micuipampa, fast in 
der Hohe des Pico von Teneriffa , und iiber zweyfach hdher 
als der Gipfel der schlesischen Schneekoppe erbaut. Die 
ofterwahnte Viehmeyerey am Vulkan Antisana , im Konig- 
reiche Quito, liegt gar vier tausend ein hundert und zwolf 
Meter (2110 Toisen) iiber dem Meere, und ist vielleicht 
der hochste Ort , welchen unsere Race bleibend auf dem 
Erdboden bewohnt. 

Der Pflanzenbau wird in der Tropenwelt durch die Ver- 
schiedenheit der Kiimate bestimmt, welche wiederum eine 
Folge der Gebirgshohen sind. Von der Meeresflache an bis 
zu tausend Meter ( 5 1 3 Toisen ) Hohe kultiviren die Ein- 
geborenen Pisang , Mais , Jatropha , Dioscorea bulbifera , 



1 Ich rechne nicht das Kloster S. Bernhard , welches freylich zwey tausend 
vier hundert acht und zwanzig Meter (1346 Toisen) hoch liegt, aher mit den 
Wohnungen, welche Menschen sich (aus eigenem Triehe und sich selbst Unter* 
halt verschaffend ) auswahlen , keineswegs verglichen werden kann. 



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DER TROPENLANDER. 171 

Cacao und die dem Cacao verwandte Theobroma Bacao. * 
Diefs ist die Region der Ananas, der Orangeh, der Mamea, 
des, Nispero (Achras) und so vieler anderen wohlschmecken- 
den Friichte. Die Europaer haben hier Zuckerrohr, Indigo 
und RafFe eingefiihrt — neue Zweige des Pflanzenbaus , 
welche , statt wohlthatig zu werden , vielmehr Unmoralitat 
und grenzenloses Elend iiber das Menschengeschlecht ver- 
breitet haben : denn die Einfiihrung afrikanischer Sklaven , 
in dem sie einen Theil des alten Rontinents entvolkert, be- 
reitet dem neuen blutige Schauspiele der Zwietracht und 
Rachgier. 

In der gemafsigtern Zone, zwischen tausend und zwey 
tausend Meter (5i3 und 1026 Toisen) werden Zuckerrohr, 
Indigo, Pisang und Jatropha Manihot immer seltner. Der 
KafFe besonders liebt eine kuhlere Luft und steinigte Berg- 
gehange. Baumwolle wird hier noch mit grofsem Vortheil 
gepflanzt , aber nicht Cacao und Indigo , welche nur in der 
gliihendsten Sonnenhitze gedeihen. Zwar wird im Ronigreich 
Quito Zuckerrohr noch in zwey tausend funf hundert drey und 
dreyfsig Meter ( i3oo Toisen) Hohe kultivirt ; aber in solchen 
Gebirgsebenen bedarf es Schutz vor kalten Winden und 
Reflex der strahlenden Warme. Zwischen tausend und tausend 
funf hundert Meter ( 5i3 und 769 Toisen ) herrscht das 

1 Im Choco. Der Bacao hat eine grofse, ungeheuer harte Frucnt, die der 
Cocosnufs iihnlich sieht , und welche die Indianer zu Chocolaten -Tassen yerar- 
beiten. Die Zeichnung, die ich davon in Carthago ( in der Provinz Popayan) 
gemacht , befindet sich in dem ersten Bande unserer Plant ce cequinoctiales in 
Kupfer gestochen ( PL XXX a et XXX b ). : 



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172 NATURGEMALDE 

Klima , welches der europaische Ansiedler alien anderen 
vorzieht , weil in demselben ewig milde Fruhlingsluft weht , 
und die Atmosphare von stechenden Insekten frey ist* Hier 
kommen gewisse Friichte , besonders Anona Chirimoya , zu 
einer aufserordentlichen Vollkommenheit. Diefs ist die freund- 
liche Region , in der Caraccas , Loxa , Guaduas , Popayan , 
Ibague, Huancabamba, Chilpanzingo, Valladolid und Xalappa 
liegen ; Stadte , deren Fluren mit anmuthigen , ewig bliiheri- 
den Fruchtgarten geschmuckt sind. 

Zwischen tausend und tausend zwey hundert Meter (5i 3 
und 61 5 Toisen) Hohe beginnt in den Aquinoctial-Landern 
des neuen Rontinents die Kultur der eingefiihrten europai- 
schen Getreidearten. Diese nahrhaften Graser, stete Begleiter 
aller kaukasischen Volker , ertragen , wie der Mensch , die 
verschiedensten Klimate , die Tropenhitze und die Ralte , 
welche das ganze Jahr hindurch nahe an der Schneegrenze 
herrscht. In der Insel Cuba, in zwey und zwanzig Grade 
nordlicher Breite, wird wirklich Weitzen mit vielem Vortheil 
kaum hundert und funfzig Meter (77 Toisen) hoch iiber dem 
Meere gebaut. In der Provinz Caraccas , zwischen Turmera 
und La Victoria, in einer Hohe von fiinf hundert Meter 
(256 Toisen), sieht man schone Kornfelder; und, was noch 
auffallender ist , in den Thalern von Aragua werden in einer 
Ebene dicht neben einander Zuckerrohr , Indigo , Cacao und 
europaischer Weitzen kultivirt. Doch gehoren besondere 
Lokalumstande dazu , wenn unsere Getreidearten in so nie- 
drigen heifsen Gegenden voile Ahren geben sollen. Ihre wahre. 
Hohe unter den Tropen, diejenige, in welcher sie iiberall 



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DER TROPENLANDER. 173 

reiche Arnten versprechen, fangt erst mit tausend vier hun- I 

dert Meter (717 Toisen ) , ungefahr mit der Hohe des 
Brennerpasses an. Im Konigreich Neu-Spanien, zum Bey- 
spiele, schiefst der Weitzen urn Xalappa ( nach meinen 
Beobachtungen in 19 3o' 4o" nordlicher Breite , und tau- 
send drey hundert zwolf Meter oder 674 Toisen hoch iiber 
dem Meere) zwar schnell und iippig in Halme. Man bedient 
sich derselben zur Viehfiitterung ; aber die Ahren sind fast 
ohne reifes Samenkorn. Selbst der Anfang der eintragli- 
chen Weitzen -Kultur ist in Mexico sehr ungleich an dem 
ostlichen und westlichen Abfall der Bergkette. Auf jenem 
beginnt die Kultur erst im kalten Plateau von Perote in 
zwey tausend drey hundert zwey und dreyfsig Meter (1197 
Toisen) Hohe; wahrend dafs ich sie in diesem, gegen die 
Sudsee hin , bis Chilpanzingo in tausend zwey hundert 
neunzig Meter (663 Toisen) Hohe habe herabsteigen sehen. 
Aber dieser betrachtliche , jedem Reisenden so auffallende 
Unterschied ist zum Theil auch dem Umstande zuzuschrei- 
ben , dafs ostlich von Perote das Gebirge sehr prallig und 
zur Kultur wenig geschickt ist. Im Ganzen gedeiht euro- 
paisches Getreide in Neu-Spanien , wie in Peru , Quito und 
Neu- Grenada, am befsten tausend sechs hundert bis zwey 
tausend Meter (821 bis 1026 Toisen) hoch uber dem Meere. 
Der Mittelertrag dieser fruchtbaren Erdstriche ist funf und 
zwanzig bis dreyfsig Korner fiir eines. 

Hoher als tausend acht hundert Meter (923 Toisen) bringt 
der Pisang selten reife Friichte hervor ; aber die Pflanze 
selbst ertragt noch die Bergkalte , welche in zwey tausend 



f 



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174 NATURGEMALDE 

ftinf hundert Meter (1281 Toisen) herrscht : nur sind 
Strunk und Blatter hier schon kleiner und weniger saftreich. 
In der milden Mittejzone, zwischen tausend sechs hundert 
und zwey tausend Meter (821 und 1026 Toisen) herrscht 
vorztiglich die Kultur der Cocca (Erythroxylum peru- 
vianitm). Wenige Blatter dieser speicheltreibenden , dem 
Europaer unschmackhaft scheinenden Pflanze , mit unge- 
loschtem Kalk gemengt, nahren den geniigsamen Indiarier 
auf langen Reisen in der Cordillere. Zwischen zwey und 
drey tausend Meter (1026 und i539 Toisen) Hohe wird 
der Ackerbau (Weitzen- und Quinoa - Rultur ) am sorg- 
samsten betrieben. Die grofsen Gebirgsebenen , welche sich 
gerade in dieser Hohe so haufig in der Andeskette finden , 
und von denen viele funfzig bis sechzig Quadratmeilen 
Flacheninhalt haben , begiinstigen diese Rultur. Ihr gleich- 
formig ebener ( soliger ) und defshalb leicht zu beackernder 
Boden lafst vermuthen , dafs sie alte, $ey es abgelaufene, oder 
aus Mangel von Zuflufs durch Verdampfung ausgetrocknete 
Seen sind. Wo der Acker iiber drey tausend drey hundert 
Meter (1693 Toisen), also fast wie der Gipfel des Atna 
uber dem Meere erhaben ist, da werden Nachtfroste und 
Hagel oft dem Getreide schadlich. Mais findet sich fast gar 
nicht mehr in zwey tausend vier hundert Meter (i23oToisen) 
Hohe. Zwischen drey und vier tausend Meter ( i539 
und 2o52 Toisen) ist die Hauptkultur die der KartofFel 
{Solarium tuberosum) , deren Wurzel oft eine Grofse von 
sechs Zoll erreicht, und dabey mehlreicher und wohlschme- 
ckender als in Europa ist. In drey tausend vier hundert 



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DER TROPENLANDER. 170" 

Meter ( 1 744 Toisen ) Hohen saet man nicht mehr Weitzen , 
sondern blofs Gerste , und auch diese leidet hier augen- 
scheinlich von der ma n gel n den Warme. Hier sind wir fast 
an die obere Grenze aller Pflanzenkultur gelangt : denn drey 
tausend sechs hundert Meter ( i846 Toisen) iiber dem Meere 
hort sie ganzlich auf. Die Menschen wohnen hier zerstreut 
mitten unter zahlreichen Heerden von Llamas , Schafen , 
Pferden und Rindern , welche sich oft bis in die Region 
des ewigen Schnees verlieren. So bietet die Scale des Acker- 
baus das Bild menschlicher Industrie , von dem Innern der 
Bergwerke bis zu dem beschneyten Gipfel der Andes dar. 

Hbhe der vornehmsten Berge auf der Erde. 

Da alle physikalischen Erscheinungen , welche in dem 
Naturgemalde der Tropen angedeutet worden sind, sich an 
die Idee von Messung und Hohe ankniipfen : so schien es 
interessant , am Ende dieses Versuchs eine Sammlung der , 
in verschiedenen Erdgegenden gemessenen Punkte beyzu- 
fugen. Diese Sanunlung , welche die nachfolgende Ubersicht 
enthalt, wird unstreitig denen zu merkwiirdigen Verglei- 
chungen Anlafs geben, welche die Natur im Grofsen zu 
beobachten und ihre geognostischen Ahndungen durch That- 
sachen zu begriinden suehen. 

Die Zeichnung selbst stellt die grofsten Hohen dar, zu 
welchen Menschen 1 bisher iiber der Meeresflache gelangt 

1 Die grofste Tiefe, welche Menschen in Bergwerken unter den Tropen (und 
vielleicht irgendwo ? ) erreicht haben , 1st die Mina de Valenciana , -welche funf 
hundert und zehn Meter (a63 Toisen) tief ist, deren Tiefetes aber noch tausend 



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i 7 6 NATURGEMALDE DER TROPENlANDER. 

sind, Saussure's Reise nach dem Mont-Blanc bis vier tausend 
sieben hundert fiinf und siebzig Meter (2^0 Toisen), Bou- 
guers und La Condamine's Reise nach dem Gipfel des 
Corazon vier tausend acht hundert vierzehn Meter (2470 
Toisen) hoch , und der Punkt , zu welchem ich an dem Chim- 
borazo gelangt bin , fiinf tausend acht hundert zwey und 
neunzig Meter (3o23 Toisen), fmden sich darauf bemerkt : 
aber alle diese Hohen bleiben noch tief unter der zuruck , zu 
welcher sich mein Freund , Herr Gay-Lussac , allein in einem 
Luftball iiber Paris am i6ten September 1804 erhoben 
hat. Er ist noch vier hundert zwey und siebzig Meter ( 2 43 
Toisen) hoher als der hochste Gipfel der Andeskette gelangt 
I In sieben tausend und sechzehn Meter (36oo Toisen) senk- 

| reenter Hohe hat er wichtige Beobachtungen uber den Magne- 

| tismus und iiber die chemische Beschaffenheit des. Luft- 

] kreises gemacht. Sein Untemehmen wird stets , als ein schemes 

I Denkmal menschlicher Ruhnheit und aufopfernder Liebe 

il fiir die Wissenschaften betrachtet werden. 

1 i 



.eclis hundert fiinf nnd neunrig Meter ( 870 Toisen) iiber der Oberflache der 
Sudsee erbaben ist. Die bochsten Werke menscblicber Baukunst (die Pjramiden 
des Ckops und das Miinster in Strafsburg) baben bundert drey und vierzig und 
bundert xvfej und dreyfsig Meter, oder 74 ™d 68 Toben. 



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UBERSIGHT 

DURCH MESSUNG BESTIMMTER H6HEN. 



±J ie Slammer ist da hinzugefugt, wo die Messung sehr ungewifs scheint* 
Die mit H bezeichneten Hohen sind von mir selbst bestimmt , sey es baro~ 
metrisch oder trigonometrisch. Einige derselben werden wahrscheinlich in der 
Folgenoch Heine Veranderungen erleiden, dazurAusarbeitunggegenwartiger 
Schrift nicht alle Correctionen mit der Genauigkeit angewandt worden sind, 
als es die angestellteij Beobachtungen moglich machen. In dem Bande astro- 
nomischer Beobachtungen und barometrischer Messungen werden alle von 
mir im Neuen Kontinente bestimmte Hohen sorgfaltig berechnet erscheinen. 
Alle indischen und spanischen Namen sind so geschrieben, Yfie die Spanier 
in Amerika sie zu schreiben pflegen. Um sie gehdrig auszusprechen , rau(s 
man defshalb die Regeln der spanischen Aussprache befolgen. Chimborazo 
wird Tschimborasfo 5 PichinchaSvird Pitschinscha 5 Chile wird Tschile, fast 
Schile; Quito wird Kito; Cupique wird Cupike; Maranon wird Maranion; 
Xalappa wird Chalappa; Xagua wird Chagua, fast Hagua, ausgesprochen. 



A. 



V 
GEMESSENE HOHEN. 



In Amerika. Ghimbortxo. • 

Cayambc-Urcu 

Antisana • • • 
Cotopaxi . . . 

Rucu-Pichincha 



UBER 


DER 


MEERESFLACHE, 


IH 


IV 


METER*. 


TO I SEW. 


6544 


3358 


6275 


3220 


( 6587 


338o 


> 5905 


3o3o 


5954 


3o55 


5833 


2993 


5878 


3oi6 


5753 


2952 


4868 


2498 


j 4816 

r 


2471 



NAMEN 

DER 

BEOBACHTER. 



Humboldt. 

Bouguer, la Condaminc 

Don Jorge Juan und 

Ulloa. 
Bouguer, la Condaminc. 
H. 
H. 

Bouguer. 
Bouguer. 
if.(nach der Laplace'sch. 

Barometerformel.) 
Don Jorge Juan. 

25 



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178 



UBERSICHT 



GEMESSENE HOHEN. 



UBEK DER 

MEERESFLACHE , 



1 ■ 

METSRH. 



Guagua Pichincha 

Tungurahua, nach den Ausbrii-j 
chenvon 1772 und dergrofeen • 
Naturrcvolution von 1797. 

Vorher im Jahr 1742 . . . . 

Stadt Quito 

Stadt Santa - F<£ - de - Bogota . • 

Stadt Mexico • 

Stadt Popayan 

Stadt Cuen<ja ( Provinz Quito ) . 
Stadt Loxa ( Provinz Quito ) . 
Stadt Caxamarca (Peru) . • . 
Stadt Micuipampa (Peru). . • 

Stadt Garaccas 

Meyerey Antisana (Prov.Qui(o) 

Popocatepec (der Vulkan von 
Mexico ). 

Itzaccihuatl ( Sierra Nevada de 
Mexico )• 

Sitlaltepetel oder Pico de Ori- 
zaba ( Neu - Spanien ). 

Nauvpantepetel oder Goffre de 
Perote ( Neu - Spanien ). 

Nevado deToluca(Neu-Spanien) 

Vulkan von Jorullo , aus der 
Ebene emporgehoben , 1759. 
^ Neu -Spanien). 

Eliasberg ( Nordwestkiiste von 
Amerika). 

Montana de Buen - Tiempo 
(ebendaselbst). 

.Vulkan von Arequipa (Peru) . 

Berg Duida, weatlich von den 
Orinoco - Quellen? 



4740 

4988 

5io6 
2935 

2625 
2294 
i?56 

25i4 
i960 
2748 
3557 
Bio 
4095 

5387 

479* 
53o5 

4026 
4607 

1204 

55i3 

4549 
2693 

255i 



m 

TO If EH. 



2432- 

2544 

2620 

i5o6 

1347 
1177 

901 
1290 
1006 
1410 
1825 

416 
2101 

2764 

2461 

2722 . 

2066 
2364 

618 

2829 

2334 
i382 
1309 



NAMEN 

DER 

BEOBACHTER. 



La Condamine. 
H. 

La Condaminc. 

H. (nach der Laplace'sch 

Barometerfonriel ). 
H. 
H. 
H. 
H. 
H. 
H. 
JT. 
H. 
H. 



H. 

H. 

H. 
H. 

H. 

Expedition der spani* 

» schen Seefahrer Quadra 

und Galeano. 

Espinosa. 

jr. 



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BESTIMMTER HOHEN. 



79 



I 



B. 
C. 



D. 



GEME&SENE HOHEN. 



r 



Sattelberg (Silla) von Garaccas. 

Tumiriquiri , cine Sandstein 
kuppe in Neu - Andalusien, 

Gipfel der Blauen Berge von 
Jamaica. 

Iif derSudsee : Mowna-Roa(Sandwich-Inseln) 

In Asien. • . . Tumel Mezereb , Spitze des Ii- 
banon. 

Ophyr (Sumatra). . . . . . 



UBER DER 

MEERESFLACHE, 



i w 

METER*. 



In Afrika. . Pico de Tcyde 



Tafelberg 

Morne de Salazes ( ile de la 
Reunion ). 



In Europa, 
in der Alpen- 

eette : Mont - Blanc 



Mont -Rose. • 

Ortler , in Tyrol 

Jungfrau . . • 

Finsterahovn 

Monch 

Schreckhorn 

Eiger 

Breithorn 

GroEsglockner , in Tyrol • • 

Alt -Els 

Aiguille du Dru 



a564 
190a 

22l8 

5024 
2906 

3950 

3705 
3701 

3689 

(43i3) 

(4687) 

(5 180) 

1054 

33oo 

4775 
4728 

4660 

4736 
4699 
4180 
4362 

4114 
4079 
3983 
3902 
38 9 8 
3713 
3794 



1 ■ 

TO IIEV. 



i3i6 
976 

ii38 
2578 
1491 

2027 

1901 
1899 

1893 

(2213) 
(2405) 

(2658) 
542 

1693 

2450 

2426 

23 9 i 

2430 
2411 
2145 

2238 
2111 
2093 
2044 
2002 
2000 
1905 

*947 



NAMEN 

DER 
BEOBACHTER. 



H. 
H. 

Edward. 

Marchand. 

La Billardiire ( Icones 
plant. Syria* , dec. I , p. 5). 

Marsden. 

Cordier. 

Johnstone. 

Borda (nach Shu k burgs 

Barometer-Formel). 
FeuilU ( geometrisch )• 
Heberdcn (geometrisch). 
Man. Hernandez (geom.) 
La Caille. 

LaCaillCy etwas ungewifs. 

Saussure ( nach Shuk- 
burgs Formel ). 

Pictet (geometrisch). 
\Deluc ( theils geometr. , 
( theils barometrisch ). 

Saussure. 

Etwas ungewifs. 

Tralles. 

Trallcs. 

Tralles. 

Tralles. 

Tralles* 

Tralles. 

Etwas ungewife. 

Tralles. 
Saussure* 



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i8o 



UBERSICHT 



GEMESSENE HOHEN. 



Wetterhorn 

Frau 

Doldenhorn 

Col-de-G&mt 

Rothorn 

Le Gramont . . . n 

Buet 

Watsmann (Oberbayern) . . . 

Fourche de Betta 

Schneeberg bey Sterzing • • • 

Steinsalz yon S. Maurice in Sa- 

voyen. 

x Steinsalz der Wasserberge in 

Tyrol. 

Pet tine, Gipfel des Gothard , . 

Fcls bey Pafs-Lug (Salzburg). . 

Gipfel des Brenner (Tyrol). . 

Montanrert • . 

Untersberg (Salzburg). . . . 
Hohes tan fen (Salzburg) t • • 

Pole (Jura) . '. 

Alpenpasse von Deutschland , 
derScbweitz und Frankreich, 
pacb Italien : 

$ber den Mont-Cervin. . 

fiber den eol de Seigne . 

fiber den grand S. Bernard • 

fiber den col Terret . . . 

iiber den petit S. Bernard. 

iiber den S. Gothard • . . 

fiber den Mont-Cenis • • 

fiber den Siinplori . . , . 

fiber den Spliigen .... 

fiber die Rastadter Tauren. 

fiber v den Brenner . . .' . 

Dept^chi Gsbirge , nordlich an der Alpen- 

kette : 

{>chneekoppe (Sehlesien), . • 



UBER DER 

MEERESFLACHE, 



METER*. 



3720 
36 9 9 

3666 
3426 
2935 
2732 
3075 

2941 
2633 

2522 
2188 

1652 

2722 
2l6l 
2066 
1859 
1800 

1648 



34io 
2461 
34?8 

2321 

2192 
2075 
2066 
2oo5 
1925 
1559 
1420 



»w 



1 w 

T O l S E W i 



NAMEN 

DER 

BEOBACHTER. 



1909 
1898 
1881 
1758 
i5o6 
1402 
1578 
1509 
i35i 
1294 

1123 

848 

i397 
1109 
1060 
954 
924 
920 
846 



1750 
1263 
1246 
1191 

1125 

io65 

1060 

1P29 

988 

800 

729 



825 



Tralles. 

Tralles. 

Tralles. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Beet. 

Saussure. 

Buck. 

Saussure. 

Buch. 

Saussure. 

Moll. 

Buch. 

Sausstjre, 

Sohleg, 

Schieg. 

Saussure. 



Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Saussure. 

Scheuchzer, 

Moll. 

Buch. 



Gersdorf. 



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"X 



BESTIMMTER HOHEN. 



181 



GEMESSENE HOHEN. 



Grofse Rad 
Tafelfichte . 
Hohe Eule • 
Zobtenberg. 
Brocken • • 



Italian ische Gebirge , siidlich yon der Alpen 
kette : 

Atna . . . . , 

Legnone (eigentlich noch zur 

Lombardischen Alpenkette 

gehorig). 
Monte - Rotondo (Corsica) • . 
Monte- d'Oro (Corsica) . . . 
Monte -Grosso (Corsica). . . 
Monte -Vellino (Apenninen). • 

Erix (Sicilien) •' 

Monte -Cervello (Corsica) • • 

Vesur 

Venda , hochster Gipfel der Eu- 

ganaen. . 

La Fenestra , ein Gipfel des 

Monte -Baldo 

Monte -Maggiore, der hochste 

Gipfel des Monte -Baldo • • 

Gebirgskette der Pyrenaen : 

Mont '-Perdu, der hochste Gi- 
pfel der spanischen Pyrenaen.' 
Vignemale , der hochste Gipfel 

der franzosischen Pyrenaen 
Le Cylindre ....... 

Maladette 

Erster Thurm des Marbore* • 
Neouvielle ...... 

Breche de Roland, • • • 



UBER DER 

MEERESFLACHE, 



IN 
METER*. 



i5i2 
n5o 
1079 
721 
1062 



3338 



Pic du Midi. 
Le Pic long 



> 2806 
2672 

2652 

2237 
23 9 3 
1187 
1826 
1198 

555 

2149 
2227 

3436 
3356 

3356 

3332 
3255 
3i88 
3i55 
2943 
2935 
2865 
325 1 



1 n 

TOISBR. 



776 
590 
554 
370 
545 



1713 
1440 
1371 

i36i 

1148 

1228 

609. 

937 
6i5 

285 

no3 

1143 

i7« 

1727 

1722 

1710 
1670 
i636 
1619 
i5io 
i5o6 
i4 7 o 
1668 



N A M E N 

DER 

BEOBACHTER. 



Gersdorf 
Gersdorf. 
Gersdorf. . 
Gersdorf. 
Deluc. 



Saussure ( nach Shuk- 
burgs Formel). 

Pini. 

Perney. 
Perney. 
Perney. 
Shukburg. 

Perney. 
Shukburg. 

Graf Sternberg. 

Graf Sternberg. 

Graf Sternberg. 

Vidal, Ribouly Ramond. 
Michain ,etwas ungewifs. 

Vidal. 

Vidal und Riboul. 

Cordier, etwas ungewifs. 

Vidal und Riboul. 

Ramond. 

Ramond* 

Vidal und Riboul. 

Michain. 

Ramond. 



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82 



UBERSIGHT BESTIMMTER HOHEN. 



GEMESSENE HOHEN. 



Ganigou 



Pic du Montaigu 

Pyrenaen - Passe zwischen 
Frankreich und Spanien : 

Port de Pinede . . . . 

Port de Gavernie • • 

Port de Cavarere . . 

Pafs des Tourmalet • • 

In Frankreich , nordlich von den Pyrenaen : 
Montagne de Mezin (Cevennes). 

Mont-d'Or 



Gantal . 
Puy-Mary 



UBER DER 

MEERESFLACHE, 



Col-de-Cabre 



Puy-de-Ddme 

Le Ballon (Vogesen ) . . . 
Mont S. Victor (bey Aix) • . 

In Spanien , sudlich von den Pyrenaen : 

Picacho de la Yeletta (Sierra Ne- 
* vada de Grenada) . . 

Pallast von S. Ildefonso. • • 

In Schweden : Kinekulle ....... 

In Island • • Sncefials Jokull . • . . . 
Hekla 

In Spitzbergen: Parnassus -Berg 



i ■ 

METER*. 



2808 
278l 
2376 



25l6 

233i 
2259 
3194 

2001 
1886 
2042 
1867 
1935 
i658 
i863 
1689 
1477 
1592 
1403 
970 



2249 
n55 

3o6 
1559 
ioi3 

1194 



I H 
TOISBV. 



1441 

1427 
1219 



1291 
II96 

1161 
1126 



1027. 

968 

1048 

953 

993 
85i 

956 

867 

768 

817 

720. 

498 



1154 
593 

157 
800 

520 

6i3 



N AMEN 

DER 

BEOBACHTER. 



Cassini. 

Midhain. 

Ramond. 



Ramond. 
Ramond. 
Ramond. 
Ramond. 



Delambre. 

Cassini. 

Delambre. 

Cassini. 

Delambre. 

Cassini. 

Delambre. 

Delambre. 

Cassini. 

Thulis. 



Thalacher. 

Thalacher. 

Bergmann. 

Povelsen. 

Povelsen. 

Lord Mulgrave. 



ENDE. 



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5f- 



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