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DRS BUCH
KOHELETH
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The University of Chicago
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DAS BUCH
KOHELETH
EIN DEUTUNGSVERSUCH
VON
OBERRABBINER
DR. JOSEPH CARLEBACH
FRANKFÜRT A. M. 1936
HERMON-VBRLAG
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der Judenfraga
Fi'aaMürt a. M,
L. C. Oo-op Furob.
1656604
MEINEM FRIJHVOIiLBNDETEN FREUNDE
DR. LEO DEUTSCHLINDER S.A.
ZUM GEDÄCHTNIS
DEM GENIALEN LEHREB UND ERZIEHER,
DEM AUEOPEERUNGSVOIiliEN GRÜNDER
UND LEITER DES KEREN HATORA UND DBS
BETH JAKOB SCHULWERKS
I N H A LT S A N G A B E
Seite
Einleitung 7—11
Erster Teil
I. Es bleibt doch alles beim Alten (Kap. 1.2-11) 13—15
II. Wie Koheleth zum Pessimisten wurde
(Kap. 1,12-2,26) • ... .15—21
m. Alles hat seine Zeit (Kap. 3, 1-15) . . . .21—23
IV. Die Weltschau (Kap. 3, 16-6. 12) 24-32
Anmerkungen 33 — 35
Zweiter Teil
V. Besinnung (Kap. 7) 36—42
VI. Des Lebens Widersprüche (Kap. 8-9.3) . . 42—46
VII. Du lebst ja nochl (Kap. 9, 4-10, 20) ... 46-52
VIIL Nutze geschäftig die Stundel (Kap. 11, 1-8) 52—53
IX. Freue dich der Tage der Kraft !
(Kap. 11,9-12,8) 53—56
X. Nachwort (Kap. 12.9-14) 57—59
Anmerkungen 60
Koheleth im wechselnden Urteil der Zeiten . . . 61—77
EINLEITUNG
Es gibt wohl niemanden, der sich je mit
unserem T'oaah bescshäftigt hat, den nicht das
Rätsel 'buch Koiheletih dauernd in seinen
Bann zieht. Immer wieder fragen wir von neuem:
was bat i^eser große „König von Jerusalem",
dieser tiefe Kenner des Menschenlebens, der
Vielerfahrene, der alles Glück und Leid der
Menschen an seinem Leib verspürt hat, was hat
er mit seinem Buche gemeint und uns sagen
wollen?
Ist es wirklich ein Buch der Resignation, der
Verzweiflung, die über alle Menschendinge den
Stab bricht, mit dem schauerlichen Verdikt: ^d,t
^Sil' iiCs ist doch alles nichtig, eitel tmd unbedeu-
tend"? Ist Koheleth wirklich das Buch des Pes-
simismus, des Mißtrauens und der Abwertimg
aller Menschen dinge?
Wir wollen erneut einen Versuch machen,
dem Geheimnis des Buches auf die Spur zu kom-
men. Wir wollen in freier Uebersetzung
durch Einsohaltung einiger Verbindimigsbrücken*)
den Gedankengang des Ganzen leicht verständ-
lich machen. Wir werden dabei auch vor derber
Wiedergabe der Einzelwendung nicht zxirück-
scheuen.
Nur wenige Worte soUen über das Ziel des
Buches vorausgeschickt werden.
Es gibt zweierlei Pessimismus: den der Selbst-
zerfleisohung und den der Selbstbefreiung; einen
*) Angedeutet durch eckige Klammern [].
solchen, der uns jeden Augenblick des G 1 ü k -
k e s verbittert und vergällt, und einen andern,
der tuxs unabhängig vom Unglück macht, jeder
noch so großen Enttäuschung des Lebens ihren
Stachel nimmt.
Von dieser zweiten Art ist das Buch Kohe-
leth. Es will dich lehren: komme dir in dei-
nem Leide nicht als ausgesuchter
Unglückspinsel vor.
Nimm dein Leid nicht für allzu wichtig,
Schicksalsschläge sind nun einmal ein Teil des
Menschenloses.
Menschenleben erhebt sich erst auf dem
Bewußtsein sieiner Fragwürdigkeit.
Man darf auf die Dauer und Absolutheit und
Folgeniohtigkeit in .Mensohendingen nicht rech-
nen. Würde alles im Leben so verlaufen, wie
wir es wünschten, wir stets von den Wellen des
Schicksals leicht und sicher dahingetragen wer-
den, dann würde eine Frage vom Optimismus
oder Pessimismus nicht auftauchen. Erst in den
widerspruchsvollen Verwicklungen des Daseins
erhebt sich das große Fragezeichen, das Prob-
lem vom Sinn und von der Bedeutung des Einzel-
nen, Da ist es dann wichtig, die Dinge richtig ein-
zuschätzen und vor dem Mißerfolg nicht zu ver-
zagen und zu erbeben. Wir übertreiben
die Bedeutung alles Einzelnen und
kennen seinen wirklichen Rang nicht. Darum
soll man der Waihnheit Max ins Auge sehen,
damit man an ihr nicht zerbreche,
Koheleth ist das Buch gedämpf-
ter Lebensfreude, der um die Tra-
gik des Seins wissenden Freude. Es
ist das Buch der Demut, des sich nicht selbst-
vergöttemdcn und verabsolutierenden Menschen,
Sein Sinn ist, dich zu lehren; nichts in der Welt
kann dich verführen, im Materiellen, in Vermö-
gen und Besitz, in Ehre und Anerkennung, in
Macht und Erfolg den Inhalt des Lebens zu sehen.
Sein unverrückbarer Sinn liegt jen-
seits, in Gott und Seinen Geboten,
Des Lebens Glück ist zwar der Augen-
blick, aber ohne Prätension, ohne Gewähr sei-
ner Dauer, ohne Anspruch aaif seinen Bestand;
ja, in der Gewißheit seiner Vergänglichkeit, sei-
ner Unzuverlässigkeit, Freude ist gut, ist Ge-
winn, aber nur, weim sie unter genügender Re-
serve uns erfüllt. Und gerade angesichts des
Todes wind der Augenblick ohne Enttäuschung
zum glücklichen Besitz.
Wenn du die wahre Lage der Weltdinge, ihre
Einförmigkeit, ihre Relativität dir ganz klar
machst, so wird dir das zum Trost gereichen.
Kennst du das Leben, wie es wirklich ist, so
kann dir die frohe Stimmung der Stunde nicht
geraubt werden.
Koheleth ist kein Buch des falschen Op-
timismus, nicht ein Opium der Seele, dem
schlimmes Erwachen folgt, des Selbstvergessens
und der Selbsttäuschung, sondern das Buch des
wachen Weisen, der jedes Glück, das ihn be-
sonders trifft, als ein Geschenk des Schicksals
dankbar hinnimmt, der aber das Unglück, weil
es ja nicht ihn besonders trifft, mit Gleichmut
zu ertragen weiß.
Auch die Form des Buches entspricht der
Unstetigkeit und Zerrissenheit alles Menschen-
lebens. Es ist in Aphorismen geschrieben;
es ist jede Erfahrung wie eine eigne Ueber-
raschtmg dargestellt, als ein Plötzliches, das
den vorurteilslosen Beschauer des Lebens über-
kommt: roi'ßi, nißißi, jodati, ponißi, ich habe ge-
sehen, erprobt, in Erfahrong gebracht, mich zu-
gewandt, so gibt der Weise seine Erfaihrungen
wieder. Und das Widerspruchsvolle, die be-
grenzte Bedeutung jeder Lebenserfahrung spie-
gelt sich in einem Sckzack, in einem Hin und
Her der Linienführung. Keine Lebenserfahrung
gilt für alle Fälle; nie darf vom Einzelnen ein
falscher Aaialogieschliuß auf das Ganze hergelei-
tet werden.
So führt uns der Weise durch alle Stadien
des Lebens hindurch. Solange das liebe Ich im
Vordergrunde steht, wird die letzte Lebenssumme
doch immer ein Unbefriedigtsein bleiben, ja sie
kann sich bis zum Lebenshaß steigern.
Der Blick auf die große Welt, ihr Auf
und Ab, ihr Hin und Her, ihre Wandlungen und
Schwankungen zeigen uns dann, daß kein Mensch
mit seinem Unglück alleinsteht, daß alle Men-
schen seine Leidensgenossen sind.
Und dann kommt der Tod als der große
Wegweiser des Lebens, Er allein lehrt
dich, was Ewigkeitswert haben kann und welche
Stimmung uns auf dieser Erde beseelen soll. Und
er gibt uns die große Geduld, den Ernst des
Lebensgefühls, die Bescheidenheit und Weisheit
zum Gehorsam gegen Gottes Gesetz und Gottes
Fügungen, Der Tod gerade zeigt dir,
wie unendlich wertvoll der Augen-
blick zum guten Wirken ist. Heut'
10
schaffen, das ist recht getan. Nutze die Stunde,
keine kehrt wieder. Jede kannst du mit Glücks-
gehalt erfüllen, ehe es zu spät ist und Alters-
schwäche und Tod deinem Wirken ein Halt
setzen.
Aus dem Ernst des Todes nimmt die Seele
den Schwung, über alle Fragwürdigkeit des
Menschseins sich durch Gott und Sein Gebot
emporzuschwingen.
11
E R S T ERTE I T,
Worte des Koheleth,
eineis Nachkommea Davids,
Königs in Jenisalem.
ES BLEIBT DOCH ALLES BEIM ALTEN.
(Kap, 1, 2—11.)
2 Eitelkeit der Eitelkeiten, spricht Koheleth,
Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel.
Was hat der Mensch von all seiner Müh',
Daß er sich müht hier -unter der Sonne?
Ein Geschlecht geht, ein Gesohlecht kommt,
Die Erde bleibt immer auf dem gleichen Fleck,
S Aufstrahlt die Sonne tmd wieder untergeht die
Sonne
Und strebt dorthin, wo erneut sie aufgeht.
Zum Süden geht, nach Norden dreht.
Es 'dreht imd dreht xmd geht der Wind,
Und in seine Kreise kehrt wieder der Wind.
Alle Bäche gehen ins Meer,
Und das Meer wird nicht voll.
Und dorthin, wohin die Bäche gehen.
Werden sie immer weiterhin gehen.
So sind alle Dinge ohn' Rast und Ruh'.
Kein Mensch kann's zu Ende reden.
Kein Auge kann je satt sich sehen.
Kein Ohr kann jemals voll sich hören.
Was war, wird weiter sein.
Und was geschehen ist, wird weiter gesohehn,
Es gilbt nichts Neuics unter der
Sonne.
13
10 Und ist da einmal etwas, daß man denkt:
ach, sieth ein Nieues!
Es war schon in den Ewigkeiten, die vor uns
waren-
Nur bleibt die Erinnrung an die Frühren nicht,
Und auch die Spätren werden nimmer im Ge-
dächtnis bleiben
Bei denen, die nach ihnen kommen.
Dieser erste Abschnitt des Buches bildet wie
alle folgenden jeder in sich ein geschlossenes
Ganze, Der 'Leitsatz des 'hakaiul hewel; alles in
der Welt ist zu unbedeutetnid, um davon viel
Wesens zu machen, wird eben von verschiede-
nen Gesichtspimkten hergeleitet.
Die erste Betrachtung mündet in den Satz:
alles ist schon dagewesen, Sie baut sich mit Recht
vor allem auf den großen Kreislauf der Dinge
in der Natur, auf das ewige Gleichmaß, das un-
ter dem wechselnden Mond herrscht, Sic be-
trachtet auch das Menschengeschehen als ein-
gereiht in diesen großen Kreislauf, und trotz
aller Entwicklungen auf Erden hleibt das Men-
schenganze in den gleichen Rahmen einge-
spaimt. Und wenn daher die kleinen Weltstür-
mer aufstehen und glauben, sie ha'ben die Welt
auf den Kopf gestellt, sie hätten eine Gestal-
tung herbeigeführt, die die Menschheit „erlöst"«
die eine unerhörte, noch nie dagewesene Neu-
formung der Dinge im Gefolge bat, so wird doch
immer die überlegene Kraft des dem Menschen
gegebenen Naturgefüges, aus dem wir nicht ent-
rinnen können, sich geltend machen, und nach-
dem der erste Rausch des Neuen verrauscht ist,
14
sich herausstellen, daß alles auf demselben Fleck
geblieben ist wie vorher. Darum ist auch das
Scheitern deiner großen Pläne solch Unglück
nicht; es geht dir eben nicht anders als all
denen, die sich darum gemüht, das perpetuum
mobile zu entdecken.
IL
WIE KOHELETH ZUM PESSIMISTEN WURDE.
(Kap. 1, 12—2, 26.)
1,12 Ich, Koheleth, war König über Israel in Je-
rusalem, Da verlegte ich mich idarauf, mit Weis-
heit allem, was imter dem Himmel geschieht,
forschend nachzugehen, eine böse Leidenschaft,
die Gott den Menschenkindern gegeben hat, da-
ran sich abzuquälen. So habe ich alles Gesche-
hen mitangesehen, das sich unter der Sonne ab-
spielt. Ach, siehe da, alles ist nichtig, eine Jagd
15 nach Wind! Alles krumm, das man nicht ge-
rade machen kann, mangelhaft, das man nicht als
voll zählen kann. Da mußte ich mir bekennen:
Ich habe doch mehr und tiefere Weisheit be-
sessen als alle vor mir in Jerusalem, und mein
Herz hatte so tiefen Einblick in alles Erkenn-
bare. Ich hatte es doch darauf angelegt, Weis-
15
hcit und Torheit, Erkenntnis und Narrhciti alles
zu erforschen, und sehe nun ein, daß dies nur
ein sinnloses Bestreben ist. Je mehr Weisheit
man hat, desto uniglüciklicher ist man; je tiefer
man eindringt in die Erkenntnis, desto leidvoller
ist das Leben.
2j Da sagte ttdh mir; ach, weg diamit! Ich werde
es mit der Flreude versuchen, einmal die guten
Seiten des Lebens zu sehen. Ach, gar bald sah
ich: es ist umsonst. Zum Lachen sage ich: du
bist toll, zur Freude: was kannst du leisten?
3 Aber da sann ich in meinem Herzen aus:
vielleiciht ibeides zusammea. Mit
Wein mir den Leib traktieren umd Weis-
heit pflegen, zugleich aber auch ein biß-
chen den leichten Narreteien sich hingeben,
bis daß ich sehe, was das Beste für die
Menschenkinder ist, was sie hier tmter dem
Himmel tun könnten in ihren paar Lebens-
tagen. Ich fing's großzügig an, baute mir Häu-
ser, pflanzte mir Weinberge, schuf mir Gärten
und Parks und pflanzte darin alle möglichen
Fruchtarten, machte mir kunstvolle Wjisser-
werke, um die Wälder und Bäume zu tränken,
kaufte mir Sklaven, Mägde, hatte ein großes
Gesinde; Herden von Rindern imd Schafen in
großer Zahl gehörten mir, mehr als allen, die vor
mir waren in Jerusalem. Ich sammelte mir auch
Silber und Gold, »die Kostbattkeiten der Könige
16
und Länder, verschaffte mir Sänger und Sän-
gerinnen unid, was Menschen Freude macht, Kut-
schen und Sänften, Es wiar eine Pracht größer als
alles, iwas je vor mir in Jeriusalem gewesen ist,
10 Und meine Weisheit blieb mir dabei treu. Nichts,
was meine Augen verlangten, versagte ich ihnen,
entzog meinem Herzen keine Freude, Denn
mein Herz hatte wirklich Freude an all meiner
Mühe, und das war ija mein Ziel bei all meiner
Mühe,
ii [Und als nun alles fertig war], und ich mich
meinen Werken, die ich mit meinen Händen
geschaffen hatte, zuwandte, die Mühe schaute,
die ich auf die Vollendung gewandt, siehe da:
alles war eitel, vergebliches Wollen, es gibt
nichts Wertvolles unter der Sonne,
j2 Nun überlegte ich mir aber gar, kluger
und närrischer Weise zugleich: was wird das für
ein Mensch sein, der mir einst als König nach-
folgt, und mit was für Eigenschaften wird er
ausgestattet .sein? — Es ist natürlich nicht gleich-
gültig, ob er klug oder ein Narr ist, denn immer-
hin ist Weisheit soviel besser als Torheit, wie
das Liöht höher steht als die Finsternis, Der
Weise hat die Augen im Kopfe, der Narr, der
tappt immer im Finstern, Und einmal werde ich
doch sterben müssen, denn ein Schicksal trdfft
]5 uns alle. Genau wie jeder Narr werde ich auch
ins Gras beißen, was nützt mir da alle meine
17
Weisheit? Und der Weise ist ibei deni Narren der
Zuktöift für immer vergessen. Ja, schon in den
allemäohsten Tagen denkt keiner mehr an ihn.
Es ist schrecklich, wie ein gleiches Todessohick-
sal den Weisen wie den Narren trifft, D a
haßte ich das Leben. Da ward mir
widerlich alles Geschehen, das unter der Sonne
20 geschieht, das sinnlose, windige Treiben! Da
haßte ich meinen Sohaffensdünkel, alle meine
Mühe, mit der ich mich gemüht unter der Sonne,
denn ich muß sie ja einem Menschen lassen, der
einmal nach mir kommt, von dem ich nicht weiß,
ob er weise oder närrisch ist. Und er wird dann
schalten und walten über alle meine Mühe, die
ich so klug aufgewandt unter der Sonine, Ach, es
ist sinnlos! Da packte mich Gleichgültigkeit und
Verzweiflung wegen all der Mühe, die ich mich
gemüht unter der Sonne, daß ein Mensch, der
mit Weisheit und Fähigkeit und Klugheit sich
gemüht, dem lachenden Erbea., der nichts dafür
getan, alles in den Schoß werfen muß. Das ist
sinnlos und ein schlimmes Uebel. Denn was hat
der Mensch von all seiner Mühe, von all dem
Sinnen tmd Klügeln, mit dem er sich müht imter
der Sonne, daß er sein Leben lang Leiden gedul-
det, Verdruß und Aerger gehaibt, auch in der
Nacht nicht hat Ruihe finden können? Ach, es
ist alles eitel,
24 Es gibt nur ein Gutes für den Mensohcn; jetzt
18
essen und trinken und Freude liaben von sedner
Mühe. Nur mußte auch hier ich einsehen, daß
das von einer höheren Macht abhängt, denn wer
könnte wohl besser und schneller zum Genuß
kommen als ich? Nein, auch ihierin ist der Mensch
nicht unabhängig- Wem Gott gut sein will, dem
gibt Er zu seiner Weisheit auch noch die Freude
dazu, aber dem Pechvogel gibt Er eine Leiden-
schaft zu sammeln und einzuheimsen, um es dann
dem zu überlassen, der Gott gefällt. Ist djis nicht
Unsinn und ein Jagen nach Wind?
Der zweite Abschnitt ist die erschütternde
Selbstbiographie des Koheleth, Sie ist das
große Gegenstück zur Fanstdichtumg, Hier wie
dort strebt ein Mensch von ungeheurer Begabung,
von größten inneren Ausmaßen und von unbe-
grenzten materiellen Möglichkeiten nach einem
bißchen Glück, nach dem Augenblick, zu dem er
sagen möchte: verweile doch, du bist so schön.
Hier wie dort die schmerzhafte Erkenntnis, daß
wir nichts wissen können, daß die ewige Frage
nach dem Was und Wie der Welt, nach dem
Wesen der Dinge immer nur zu neuem tragi-
schem ignorabimus führt, daß der Dumme mit
seinen Illusionen glücklicher ist als der Weise,
der dem Medusenhaupt der Wahrheit ins Ange-
sicht sieht-
Dann folgt der verzweifelte Versuch, durch
leichte Freuden dem Leben Sinn zu geben, der
bei Koheleth viel schneller zum iScheitem kommt,
weil sich die Seele mit Ekel von der Tollheit
ausgelassenen Lebensgenusses abwendet. End-
19
lioh die packende Schilderung, wie Koheleth
durch großartige Schöpfungen seinem Tage In-
halt geben will. Solange seine Pläne nicht ver-
wirklicht, solange ihre Vollendung ihn in Span-
nung erihält, er die Freude des Wachsens und
des allmählichen Aufbaues seiner Unternehmun-
gen mitansohaut, solange ist es tatsächlich in ihm
ruhig. Aber als nun alles vollendet ist, das Ziel
erreicht vor ihm liegt, da überkommt ihn die-
selbe Leere wie zu Anfang, da ist auch wieder
alles hewel, eine große Selbsttäuschung gewe-
sen. Das ist eigentlich die tiefste Lebenserfah-
rung, Alle Wünsche, alle Pläne haben nur so-
lange Bedeutung, als sie nicht erreicht sind. Die
erreichte Million macht den Bettler nicht rei-
cher. Und diese Erfahrung wirkt so verbitternd,
daß jetzt über den Weisen alle idie zerstörerischen
Gedanken und Sorgen über die Zuktmft kommen j
was wird einst mit all meinen Schöpfungen wer-
den, wenn ich nicht mehr da bin imid der lachende
Erbe mit ihnen skrupellos schalten tmd walten
kann? Jetzt steigert sich sein Widerwille zu
Resignation und Lebenshaß. Gerade diese Stelle
des Buches ergreift uns am gewaltigsten. Wer
alles besitzt, wem alles gelungen, wem alles zur
Verfügung steht, gerade den schüttelt die Krank-
heit vollständigsten Lebensüberdrusses. Die
Meisten wissen gar nicht, wie dankbar sie sein
müssen, idaß die kleinen und großen Sorgen des
Alltags sie noch Etwas für das Morgen wün-
schen lassen, daß sie die schale Blasiertheit
dessen nicht kennen lernen, der alle seine
Wünsche und Strebungen hat vollenden können.
* *
*
20
m,
ALLES HAT SEINE ZEIT
(Kap. 3, 1—15.)
3j Jeder Mensch ist zeitgebimden, mtd. alles
Geschäft unter dem Himmel hat seine Stunde.
Zur bestimmten Stunde wirst du geboren,
zur bestimmten Stunde wirst du sterben. Was
zu bestimmter Zeit du gepflanzt, wird zur
bestimmten Zeit man wieder aus dem Boden
reißen. Zu fester Stunde mußt du Wunden
schlagen, um sie zu andrer Frist wieder zu
heilen. Jetzt einreißen, dann bauen, jetzt wei-
nen, dann lachen, jetzt klagen, dann tanzen.
5 Manchmal muß man Steine fortwerfen, manch-
mal muß man sie wieder sammeln. Manchmal
darf man küssen, und manchmal muß man sich
davon fernhalten. Heute suchen, morgen weg-
werfen, heute hüten, morgen preisgeben; jetzt
zerreißen, dann wieder zusammennäh^i, erst
schweigen, dann reden. Es gibt eine Zeit zu
lieben und gibt eine Zeit zu hassen, eine zum
Krieg, eine zum Frieden.
9 Was hat man also faleibend von dem, was
man mit soviel Mühe vollbringt? Es ist
schließlich weiter nicihts als ein Trieb, den
Gott dem Menschen gegeben, sich damit ab-
zuquälen. Alles hat Er zwar für die rechte
21
Zeit schön gemacht, hat auch die große Sicht
auf Welt und Ewigkeit ims eingepflanzt. Und
doch wird nimmer der Mensch des großen
Gotteswerkes von Anfang ibis Ende Herr,
12 So erkannte ich, daß bei allem nichts Gu-
tes ist als nur, sich zu freuen und sich in sei-
nem Leben eine gute Stunde zu bereiten. Aller-
dings ist für jedermann essen, trinken tmd
Freude haben können auch nur ein Geschenk,
dcis von Gott abhängt. Denn wie Er's da oben
macht, das ist nun ein für alle Mal, so wie es
ist. Man kann nichts dazutun, nichts davonneh-
men, kann nur sich in Ehrfurcht davor beu-
gen, wie Er's bestimmt hat. An dem, was ver-
gangen, ist doch gewiß nichts zu ändern, aber
selbst was sein wird, ist schon festgelegt. Gott
weiß schon, es durchzuführen.
Dieser dritte Abschnitt behandelt das Ge-
setz von der Relativität aller Dinge.
Er will den ewig Trägen und Unwandelbaren
eine kleine Lehre geben, denen, die immer am
Gleichen kleben und nicht sehen wollen, daß
die Welt sich unter ihnen geändert hat, denen,
die meinen, was einmal gültig war, werde immer
in Geltung bleiben; die, weil sie einmal das Rechte
der Stunde getroffen haben, ntm vermeinen, das
müßte in allen Stunden recht sein. Aber die
Welt hat verschiedene Zeitsttmden, Und wenn
die Uhr vorgerückt ist, gilt ein andres Rezept
als gestern. Diesen Menschen der Beharrung
22
führt der Weise mit einer gemssen Ironie eine
Tabelle vor Augen, die scheinbar Trivialitäten
sagt wie die, daß man bei der Geburt nicht ge-
storben ist und beim Sterben nicht geboren
wird. Wenn aber der Mensch tmd sein Ttm
in allem von der Zeit abhängt, dann gehörte ein
weltumfassender Verstand dazu, immer zur rich-
tigen Zeit das Richtige zu tun, tmd da dieser ims
Menschenkindern fehlt, so tappen wir meist im
Dunklen, und es ist nur ein Glückszu£all, daß
wir auf die richtige Karte gesetzt haben.
Hast Du aber solchen Glückstreffer gezogen,
d^m nimm die Freude darüber dankbar als eine
Gabe Gottes wahr.
* *
*
IV.
DIE WELT SCHAU.
(Kap, 3, 16—6, 12.)
3,J6 Schau ich mich mm um hier unter der
Sonne, was habe ich da noch gesehen! Wo
Recht gesprochen werden sollte, da herrscht's
Verbrechen, wo Menschlichkeit herrschen
sollte, da herrscht's Verbrechen, Und weiß ich
tausendmal im Herzen, daß Gott einst sie alle
richten wird, den Bösen wie den Guten, daß
es für alles Wollen und Ttm dort drüben
noch einmal eine Stunde gibt; aber hier auf
23
Erden da muß ich mir über die Menschen be-
kennen, die Gott von allen Wesen auserlesen
hat, daß sie in ihrer Eigenherrlichkeit wie die
Tiere aussehen. Alles 2^all, beim Menschen
wie beim Tiere! Ein Zufall für sie alle; wie
die sterben, sterben ■Jene, Ein Lebensodem bei
ihnen allen; ein Vorzug des Menschen vor dem
20 Tier ist nicht da, denn alles ist eitel. Alles
igeht zu einem Ort, war von Staub, wird
wieder zu Staub, Wer kennt den Unterschied
zwischen den Lebensgeistern der Menschen,
die einst nach oben steigen, und denen der
Tiere, die mit ihnen in die Gruft der Erde
versinken? Ach, es ist doch das einzig Gute,
sich seines Tuns zu freuen, denn sonst hat der
Mensch nichts. Wer kann ihn das sehen lassen,
was einmal in allem Jenseits «ein wird?
4j Seh ich mich aber gar um und erblicke all
das Unrecht, das unter der Sonne geschieht,
wie die Unterdrückten weinen und keiner sie
tröstet, dann lobe ich mir die Toten, die längst
tot sind, gegenüber den Lebenden, die immer
noch leben, und denke: besser als beide ist
der Niegeborene, der all das böse Tun nicht
mitansehen muß, das unter der Sonne ge-
schieht,
4 Da sehe ich ferner all das Mühen der Men-
schen, all ihre Fähigkeiten, die sie bei ihrem
Tun entfalten, was ist es? Neid und Miß-
24
gunst des einen gegen den atidem. Nichts
sonst. Alles ist eitel tind ein Jagen nach
Wind, Dort ist ein fauler Narr, der die
Hände verschränkt und sein eigen Fleisch auf-
frißt; dort wieder ein Uebereifriger, der nie
genug haben kann, nicht weiß, daß besser eine
Handvoll mit Freude, als beide Hände voll mit
Mühen und Jagen nach Wind,
Und wieder so eine Torheit unter der
Sonne, Der ewig Einsame, der alleinsteht,
ohne Genossen, hat nicht Sohn, noch Bruder
und müht sich tot und kann sich nicht reich
genug sehen. Aber für wen mühst du dich und
entziehst deiner Seele jedes Glück? Das ist
doch Unsinn und böser Drang,
Da sind doch besser zwei zusammen daran
als so ein Einsamer. Die haben doch wenig-
stens von ihrer Mühe einen guten Lohn, So-
gar wenn sie beide fallen, kann einer den
andern aufrichten, während der Einsame, wenn
er stürzt, niemanden hat, der ihn aufrichtet.
Ja, wenn sogar die zwei am Boden liegen
bleiben, so ist's ihnen doch warm ums Herz,
Der Einsame aber, wie sollte ihm warm wer-
den? Und wenn einer gegen die zwei Gewalt
anwenden wollte, die zwei vereint können
schon dem Gegner standhalten. Und wenn's
gar drei sind, ein dreifacher Faden wird nicht
so schnell reißen.
25
13 [Hat es einer einmal zu etwas gebracht], ist
wie ein König, dann wird er alt und dumm
und versteht sich nicht mehr zurechtzufinden,
weiß nicht, daß auch er aus Ketten zur Größe
gelangt ist, daß auch er bei all seiner könig-
lichen Macht als Armer geboren ist. Und da
kommt denn ein junger, armer, aber kluger
Kerl und stellt sich an seine Stelle, und alles
läuft ihm nach. Er, der jtmge, ist gut daran,
hat den Erfolg, Wie sie vorher dem Alten
gebuhlt, so machen sie es jetzt mit dem Jtm-
gen. Ach, aber einige Zeit später, dann werden
sie auch an ihm keine Freude mehr haben.
Denn auch der Erfolg ist eitel und Jagen nach
Wind,
17 [Und weiter. Das Frömmeln, der Leichtsinn
■in den göttlichen Dingen!] Du, solltest dich doch
hüten, mit grobem Fuß ins Gotteshaus zu ge-
hen. Weißt du nicht, daß es besser ist, zu ge-
horchen als wie Narren Opfer zu bringen?
Aber sie wissen gar nicht, wie schlecht sie
5,/ handeln. Nicht den Mimd so voreilig voll neh-
men, eins, zwei, drei, unüberlegten Sinnes vor
Gott Versprechungen machen. Denn Gott ist im
Himmel tmd du auf der Erde, und deshalb sei
sparsam mit deinen Worten. Wie die Phan-
tasten träumen, so jene Narren mit ihren al-
bernen Gebeten und Versprechungen. Wenn
du Gott etwas gelobst, dann solltest du es
26
■doch erfüllen. Meinst du, Er hat an den Nar-
ren Freude? Was du gelobt hast, zahle, sonst
gelobe doch lieber nicht, als daß du gelobst
und nicht bezahlst. Laß dich doch nicht von
deinem Plappermund stets neu in Sünde ver-
stricken; iwas willst du nachher vor Seinen;
fordernden Boten zitternd sagen: es war nur
aus Versehen gesagt. Wariun soll Gott über
dein Wortgeklingel zürnen und dafür deiner
Hände Werk strafen? Laß doch die Trätime-
reien, den Unsimi imd die \äelen Worte xmd
fürchte lieber Gott!
[Und wie sieht es in der Gesellschaft aus!]
Du wirst Unterdrückung des Armen, Raub an
Recht und an Menschlichkeit gewahren. Man
braucht zwar nicht viel darüber zu staunen
imd zu reden. Es gibt noch höhere Instanzen.
Ueber dem Hohen ist noch ein Höherer tmd
über diesem noch Allerhöchste. Und dann,
auch ein König hat seine Grenzen, auch er
braucht das Stück Brot; die Erde hat über
Alle Gewalt, und der König ist an den schlich-
ten Bauersmann gewiesen,
[Umd die Geldgierigen!] Wer das Geld liebt,
wird nie satt des Geldes, Wer nur die Fülle
liebt, er kommt nie zur Ernte. Was soll ihm
alles! Je mehr Güter er häuft, desto mehr Mit-
esser stellen sich ein. Was hat der Besitzer
mehr davon als den trügerischen Anblick! Ein
27
einfacher Arbeiter k^inn süß schlafen, ab er
viel oder wenig ißt; aber er, der Reiche, sein
voller Bauch läßt ihn nicht schlafen,
]2 Und noch schlimmer geht's manchmsJ mit
dem 'Geld hier unter der Sonne. Schon manch-
mal ist der Reichtum den Besitzern wie eine
böse Krankheit zum Unglück geworden; ver-
loren geht der Reichtum auf schlimme Weise,
und dann steht er nüt seinen Kindern da tmd
hat nichts in der Hand, Nackt, wie er aus dem
Mutterleibe gekommen, kehrt er wieder zu-
rück, und von all seinen Mühen nimmt er
nichts mit, Ist es nicht überhaupt wie eine
böse Krankheit, daß, wie man gekommen, man
gehen muß? Daß man gar nichts hat von all
der Mühe, daß man sein Leben lang sein Brot
verdüstert gegessen, in ewiger Aufregunig und
Leid und Zorn! Dann sag ich mir doch: da
ist's doch gut imd schön: man ißt und trinkt
und sucht ein bißchen Glück von all der Mühe
unter der Sonne in den gezählten Tagen, die
einem Gott gibt. Das ist idoch das Einzige,
was uns bleibt. Ja, für jedermann, dem Gott
Reichtum und Güter gegeben und die Macht
dazu, sie zu genießen, für sich dadurch etwas
Glück davonzutragen und sich zu freuen an
seiner Mühe, äst das eine besondre Gabe Got-
tes, die man schnell engreifen muß. Denn lange
geht's sicher nicht, wenn man an die wenigen
28
Tage denkt, die man zu leben (hat; so freue
■dich, daß eine höhere Macht deiner Herzens-
freude zustimmt,
6,1 Es ist ein Böses hier unter der Sonne und
trifft die Menschen gar häufig, daß einem
Gott Reichtum und Güter unid Ehren gibt, man
sich nichts versagen muß, was man begehrt,
und doch läßt eine höhere Macht einen nichts
davon genießen. Ein fremder Mann ißt's auf.
Das ist ein Widersinn xmd eine böse Krank-
heit, Und hätte einer hundert Kinder und
lebte viele Jahre und hätte der Tage reich-
lich, aber zuletzt kann er seine Seele doch
nicht satt machen mit all dem Gut, stirbt
arm, hat nicht einmal ein rechtes Begräbnis,
ich sag', da wär's besser; nicht geboren. Mit
nichts zu kommen und in Finsternis zu gehen
und seinen Ruhm mit Finsternis bedeckt zu
5 sehen, da ist's noch immer besser: die Sonne
nie gesehen uad gekannt zu haben. Und hätte
jemand tausend mal tausend Jahre gelebt, und
am Schluß hat er doch das Glück nicht ge-
sehen, was soll's? Dann geht's ja doch zu
jenem Ort da draußen, wo alles hingehen muß.
Und schließlich geht's uns allen so. Alle
mühen wir uns für unseren iMund, und doch
wird nie der Lebcnsdrang gesättigt. Ganz
gleich, ob ich weise oder dumm, ob ich
Aermster noch so geschickt durchs Leben zu
29
steuern wußte. IDie Augen spiegeln uns immer
Schöneres vor, als nachher wirklich der Seele
zukommt; ach, es ist Täuschung, Jagen nach
18 Wind, Alles ist vorausbestimmt, iMensch bleibt
Mensch, man kann nicht rechten mit den hö-
heren Gewalten, Und tausend Dinge ver-
schlimmern noch des Lebens Widersinn, zumal
uns armen Menschen. Wer weiß, was dem
Menschen im Leben gut tut in seines elenden
Lebens gezählten Tagen, die er wie ein Schat-
ten verbringt? Und was nachher unter der
Sonne sein wird, wer kanns ihm sagen?
Ntm folgt im vierten Abschnitt die große
W e 1 1 « n s c b a u, Lose aneinandergereiht, wer-
den vereinzelte, aber typische Erfahrungen des
Lebens vor uns gestellt, wie wenn uns der Weise
plötzlich über die Erde emporhübe xmd aus der
Vogelsperspektive Umschau halten ließe über
alles das, was sich dort unten abspielt. Da sehen
wir die Einrichtungen, die moralischer Kultur
dienen sollten, in ihr Gegenteil verkehrt, und
das viele Leid, das über die Menschen kommt,
weil an den Stätten des Gerichts das Unrecht
herrscht. Wir schauen in das geschäftige Treiben
der Menschen tmd sehen, wie bei den meisten
nur Neid imd Eifersucht die Triebfeder ihres
Handelns ist; wir sehen die große Torheit der
Hagestolzen und Egoisten, die immer nur für
das liebe Ich sorgen; wir sehen die Laune der
Menge, die wetterwendisch bald diesem, bald
jenem zujubelt; wir sehen den Leichtsinn selbst
30
in religiösen Dingen, in Gebet und Gelübde;
wir sehen den vielen Mißbrauch der Gewalt und
Macht und erfahren besonders eindringlich die
Nutzlosigkeit, ja Verderblioh'keit von Besitz imd
Reichtum, Der Weise registriert nicht nur diese
Erfahrungen, er bringt auch oft seine bessere
Einsicht für das Verhalten des Lebens zum Aus-
druck. Dadurch ist der Gedankengang nicht ge-
radlinig, es fällt bei aller negativen Erfahrung
auch manches Sprüchlein der Weisheit ab. Aber
es bleibt doch die Grundeinsioht: nur selten hat
die äußere Kidtur den Menschen zufrieden ge-
macht; nur selten kann die Bilanz eines Men-
schendaseins lauten: es war glücklich gewesen.
Vor allem darf man keinen vor dem Tode glück-
lich preisen. Es ist das Schlimmste des Sohlim-
men, wenn auf ein Leben des Glückes und der
Zufriedenheit am Schlüsse ein Ende des Schrek-
kens folgt. Da wäre es besser nicht geboren.
Auch diese Weltsohau alber ist voll der
Warnung tmd der Mahnung. Aus allen Verirrun-
gen und Mißerfolgen müssen wir lernen, vor fal-
scher Einschätztmg der Verhältnisse auf der Hut
zu sein, vor allem nicht das Leben unnötig zu
belasten mit Entbehrlichem und Wertlosem,
woran wir alkuleicht zu Fall kommen, „Denn
es gibt viele Dinge, die marbim hewel sind, die
die Eitelkeit des Daseins nur noch steigern."
Wie der Wind desto stärker treibt, Je größer die
Angriffsfläche des Segels ist, so wächst die Ge-
fahr eines verfehlten Lebens mit dem Mehr an
Entbehrlichem, das wir vom Leben fordern. Das
ist der große Betrug des Materiellen, das uns
Freuden vorgaukelt, das uns in der Begierde nach
31
Genuß und im Genuß nach Begierde verschmach-
ten läßt, das ist es, was allzuoft das .Menschen-
leben in Sinnlosigkeit enden läßt.
Wie schon beim Abschnitt IL u. III, wird aber
im Hiniblick auf Eitelkeit und Fraglidhkeit aller
Menschendinge jedem gesagt; sei darum froh
und dankbar mit jeder glücklichen Stunde, die
dir zuteil wird. Wenn das Leben so rätselhaft
ist, so verlange nicht zuviel, und wenn dich in
diesem Augenblick Glück und Freude treffen,
so danke Gott und sei zufrieden. Durch diese
Folgerung allein rückt Koheleth ab von all den
Philosophen des Trübsinns und der Verneinung,
Und wenn seine Worte auch manchmal den
ihren ähnlich klingen, wenn zwei dasselbe sagen,
ist es nicht dasselbe.
32
ANMERKUNGEN.
Beachte im 1, 5 — 7 enst den Kredslaiif der Sonne,
dann den des Windes, dann den des Wassers, denn
nur durch die Sonnenstrahlung wird der Wind und
werden alle Niederschläge bewirkt. Fein ist auch in
Vers 6 das nachgestellte Subjekt horuach, wodurch
das Subjekt des vorhergehenden Satzes noch nach-
wirkt und auch auf die Wanderung der Sonne in der
Ekliptik angespielt wird, andererseits angedeutet ist,
daß der Wind erst durch die Luft Strömung spür-
bar ist.
1, 17. Erst wer voll/gehaltig an Wissen und
Kenntnis, der darf darangehen, das Wesen der Weis-
heit zu ergründen.
1, 13. Das laanaius in feiner Doppeldeutigkeit:
dadurch unglücklich zu sein (wie Ps. 116, 10, ani
onissi) und: sich damit aibzugeben, darauf eine Ant-
wort zu suchen.
2, 12, Konstruktion des Verses schwer; seine Deu-
tung ergibt sich jedoch aus Vers 18 eindeutig durch
die Worte: loodom schejih'je acharoj, auf den Nach-
folger, der hier alsi Nachfolger eines Königs beson-
ders unter die Lupe genommen werden muß. Diese
Frage nach dem Nachfolger kann wohl als töricht
bezeichnet werden, wie der Takomd dem Chiskija
sagen läßt; was gehen dich die Geheimnisse Gottes
an! Dieser Thronerbe kommt zu seiner Stellung nicht
aus eigner Kraft, sondern es ascher kwor oßuhu, mit
allem ausgestattet, wozu die Früheren ihn schon ge-
macht haben. Der Vers wäre also zu übersetzen: nun
wandte ich mich dazu, mir vor Augen zu stellen in
Weisheit, aiber in vollkommener Torheit zugleich:
wais ist das für ein Mensch, der dem König nachfolgt
mit allem, wozu man ihn gemacht hat?
2, 13. Die Stelle ist typisch für den Zickzack der
Gedanken, Obwohl vorher die Weisheit abgewertet
war, heißt es, daß doch die Weisheit nicht zu ver-
achten ist, aiber dennoch gleich wieder, daß das
Schicksal den Narren gleich behandelt mit den
Weisen, im Guten wie im Bösen, ihm einen Thron
schenkt und ihn nachher begräbt.
33
2, 26, Das laohaute miuß u. E. nicht durchaus
dem Sünder heißen, somdem heißt dem P«chvogel,
dem Unglücklichen, Gerad« idie Zweddieutigkeit der
Begriffe von tauw lefonow und chaute rechtfertigt
die ganze Verzweiflung des Weisen.
3, 14, elaukim jewakesch es nirdof = Er nimmt
das Verjagte wieder auf. Nie 'geht das göttliche Ziel
verloren, Er nimmt's wieder auf und bringt's zur
Durchführung,
3, 15, Der plötzliche Uebergang durch das weaud
heißt: „und noch Schlimmeres omd noch Schreck-
licheres habe ich gesehn". Nicht nur unzeitgemäß, zur
unrechten Stunde sind des Menschen Schöpfungen,
sondern sinnwidrig, es wird ihr Äel in ihr Gegenteil
verkehrt,
3, 17. Das l'worom elaukim entweder nach Ibn
Esra zu deuten: Ich sagte mir betreff der Menschen-
kinider, däe Gott ihat auserwählen, höherstellen wollen
(zu ergänzen; ascher chof ez l'woromjji; oder nach
Raschi: sie z\i belehren, zu prüfen,
4, 5. Auch ein interessantes Beispiel für den Zick-
zackweg der Gedaxiken. Alles Tun ist Neid. Soll man
deshalb nichts tun? Nein, es ist ein Narr, der die
Hände verschränkt, Soll man im Tun sich verzehren?
Nein, besser eine Hand voll mit Freude . , .
4, 13 — 16, Wir haben die Verse sehr frei über-
setzt, um sie in das sonst bei der Weltschau geübte
Schema einzufügen. Die Verse zeigen deutlich, wie
die einzelnen Erfahrungen für sich allein niederge-
schrieben und erst nachher wie Perlen an einer Kette
aufgereiht sind,
5, 8 etwas breit übersetzt. Bei melech l'ssode nee-
wod ist ein isch zu ergänzen; melech l'isch ssode
neewo<d (wie in Daniel 9, 23 ki chamudaus atto, statt
isch chamudaus),
5, 17, tauw ascher jofe. An diese Worte hat man
ganz unmögliche Konsequenzen geknüpft. Es soll in
ihnen eine Anspielung an die Kalagathia der Grie-
chen liegen, und der Verfasser wird daher in die
34
hellenistische Epoche versetzt. In Wirklichkeit ist
die Wendung nichts anderes als das hine ma tauw
luna naim des Psalms 133. Die Fretide der Stunde
ist ein Gut, sie ist gleichzeitig auch li«b und schön.
Gerad« das aischer dazwischen z«igt, daß nicht eine
feste Wendung als Vorbild ihr zu Grunde liegt,
5, 19. maa'ne, wie ani ee'ne es haschomajlm
(Hos. 2, 23) freiwillig anrufen, willfahren, ziu Willen
sein.
6, 4 — 5, Vers» 4 beziehen wir aiuf den Enttäusch-
ten, Vers 5 auf den Ungeborenen. „Und hätte man
die Sonne nie gesehen, man hätte mehr der Freude
als Jener",
35
ZWEITER TEIL
V.
BESINNUNG.
(Kap. 7.)
[Laß -den holden Duft der Dinge, der alles
7,1 Lebende trügerisch umikleidet,] Der Name, der
bleibt, ist besser als duft'gcs Oel; der Todestag
kann mehr dir sagen als der Tag der Geburt.
Besser ist's, ins Traiierhaus zu gehen als zum
Gelage, denn dort wird man an das Ende alles
iMenschliohen erinnert, und der Lebende kommt
zur Besinnung. Der Ernst ist besser als Lachen,
denn bei ernstem Gesicht kommt man erst zu
Verstand, Die Weisen denken ans Trauerhaus,
5 die Narren an das der Freuden. Und besser
ist's, das Schelten des Weisen zu hören als
die süßen Melodien der Narren. Denn ihr La-
chen ist nur wie Feuergeknister der Dornen
unter einem Topfe, ist eitles Nichts. Ihr Ge-
quengel kaim einen Weisen von Sinnen brin-
gen und alle ihm verliehene Klugheit zunichte
machen. Nein, lieber ans Ende der Dinge den-
ken als an den Anfang; das lehrt Geduld, und
der Geduldige sieht tiefer als der Hochfahrende.
9 Darum sollst du aber in deinem Siime noch
lange nicht griesgrämig werden. Weltschmerz
ruht nur in der Narren Schöße, Sag nicht: wie
kommt's, daß die Tage früher soviel besser
36
waren als heute? So fragt man nicht in Weis-
heit.
11 Freue dich aller Gaben, der Weisheit und
deines Erbteiles an Gütern, die -du hast. Alles
ist gut für uns Erdenwandler. (Manchmal hilft
Weisiheit, manchmal das Geld, wenn die erstere
auch höher steht, denn nur die Weisheit kann
uns das Leben erhalten. Füg' dich in Gottes
Walten, Wer kann gerade machen das, was Er
dir krumm gemacht? Am Tag der Freude sei
freudig, am Tag des Unglüöks füge dich! Beide
hat sie Gott gemacht, diesen und jenen, so daß
der Mensch hinter Sein Geheimnis nicht kom-
men kann,
15 Ich, der ich alles in meinen schlimmen Ta-
gen beobachtet habe, sah es vorkommen, daß
ein Frommer an seiner Frömmigkeit zugrunde
ging, und daß ein Egoist sidh durch seine Selbst-
sucht das Leben verlängerte. Wolle eben nicht
zu fromm sein und klügle in. deinem Gewissen
nicht zuviel. Warum willst du irre werden?
Handle auch nicht zu selbstsüchtig imid sei
nicht engstirnig ! Warum willst du vorzeitig dein
Leben verscherzen? iSelbst^atäußenmg oder
Selbstsucht? Ergreife das eine und laß vom
anderen auch nicht ganz idie Hand. Wer Gott
fürchtet, findet schon den richtigen Weg, Um
so mehr, wenn man mit richtiger Weisheit
alles überlegt, denn die Weisiheit gibt dem
37
Weisen mehr Kraft als den zehn Stärksten
im Staat. Und kein Mensch ist so fromm auf
Erden, daß er das Gute täte und nicht sündigte.
^^ Dein Sinn sei nur nicht überempfindlich
gegen all die Worte, die and'ere Leute reden;
wenn du wirklich einmal deinen Diener auf
dich losfliuohen hörst, im Herzen weißt du
doch, wie oft auch du anderen geflucht.
23 All >dies ihabe ich in Weisheit erprobt; und
dennoch, so oft ich dachte, ich möchte des
Welträtsels Herr werden, es blieb mir weit
entrückt. Entrückt, was es immer sei, und tief,
tief, wer kann es finden?
25 Jetzt WcUidte ich mich in meinem Sinn, der
stets forschend und weisheitsuchend sich Rech-
nung legte, vor allem der Frage zu; woher
stammt die Verirmng des ßösen, die Torheit,
die Tollheit? Da finde ich immer wieder: bit-
terer als der Tod ist das Weib- Ihr Herz ist
voll Ränken und Tücken, sie legt dir Fesseln
an die Hände. Wer vor Gott als gut bestehen
will, der wird vor ihr davonlaufen, der Sünder
kommt durch sie zu Fall, Denn sieh! Das habe
ich gefunden, sagt Koheleth, einmal ums
andere mal, als ich die Lebensreohniung
machte: unter Tausend fand ich, soviel meine
Seele immer wieder suchte, wohl einen Mann,
aber ein Weib fand ich auch tmter sovielen
nicht. Außerdem habe ich folgendes gefunden:
38
G Ott hatdenMenscihen gerade und
richtig gemacht, Sie aber, die
Menschen selbst, sie suchen sich
der Künsteleien viele.
Die große Besinnung, der der zweite Teil un-
seres Buches gewidmet ist, beginnt mit Kapitel 7,
Der Tod wird der Lehrmeister des
Lebens.
Hier liegt die große Zäsur des Buches, Hier
schlägt die Stimmung völlig um. Galt es bisher,
sowohl dem Jubilo des Lebens entgegenzutreten
als all den Jammerseligen, die wegen ihres aus-
gesuchten Pechs im Leben zu klagen nicht auf-
hören, die in ihrer verhärmten iSeele eine Stunde
des Glückes nicht auskosten wollen, die ihnen
zuteil wird; galt es kurz Leistung und Leiden
des Lebens beide als nicht so wichtig und be-
deutend in die richtigen Grenzen zu weisen, so
soll der zweite Teil gerade den großenWert
des Lebens, jeder Stunde und ijedes Augen-
blickes für das Wirken des Menschen heraus-
stellen.
Diesen Umschwung bewirkt derGedanke
des Todes, Auch in neueren philosophischen
Betrachtungen ist wieder der Tod in das Zen-
trum aller Lebensbesinnung gerückt. Das Sein des
Menschen, sagt Heidegger, ist ein Sein zum Tode,
Die Lebensangst, die Sorge sei daher die eigent-
liche existenzielle Weise des iMenschseins.
Franz Rosenzweig wiederum begründet
mit dem Tod die Notwendigkeit emer Offen-
barung. Weil der Tod als das letzte Wort
der Schöpfung inioht das letzte Wort für den
Menschen überhaupt sein kann, darum müsse
die Natur über sich selbst hinausweisen auf
etwas, was den Tod überwindet, auf die in der
Offenbanmg sich zeigende Liebe Gottes, die stär-
ker ist als der Tod.
Auch Koheleth macht den Tod als solchen
zum eigentlichen Ausgangsptmkt für die Bedeu-
tung des Lebens. Gerade weil allem Menschen-
wirken mit dem Tode die imabweisbare Grenze
gesetzt ist, weil seinem Wollen und Vollbringen
nur beschränkte Zeit zur Verfügung steht, ge-
rade darum darf das Leben nicht spielerisch
vertan werden, wird jeder Stunde unendlicher
Wert zuteil. Die Gewißheit des Todes stößt ge-
wissermaßen den Menschen ins Leben zurück.
Ob der Gewißheit des Todes darf die Stunde
auch nicht vertrauert werden, denn nur die
Freude ist der Flügel zum Wirken und Tun,
Die Urmenschheit bis zur Sintflut war durch
die lange Lebensdauer, die ihr gewährt war, ver-
dorben worden. Der Termin des Todes war so-
weit hinausgerückt, daß der Gedanke vom Wert
des Lebens, von der Kostbarkeit einer Stunde
ihr nicht kam. So mußte sie verfallen. Der neue
Bund, den Gott mit der Menschheit schloß, der
ihr zusicherte, daß eine allgemeine Vernich-
tungskatastrophe nicht wieder eintreten solle,
hatte zur Voraussetzung, daß das Menschenleben
verkürzt wird. „Nicht soll Mein Geist im Men-
schen allzulange walten, da. er doch ein fleisch-
lich Wesen ist, so sollen seine Tage nur 120
Jaihre währen," Je kürzer die Spanne des Le-
bens, um so gewisser, daß der Tod den Men-
schen zur Besinnung bringt.
40
Allerdings ist auch die Lebensdauer kein me-
chanisches Rechenexempel. Vom Mensohenstand-
punkt aus gesehen, hat nur allzuoft Gott die Lose
der Lebensdauer fedsch verteilt. An der Länge
des Lebens gemessen, müßte mancher Verbrecher
sich als ider besondere Liebling Gottes fühlen
können. Ueber das letzte Geheimnis der Ver-
teilung der Lebenslose muß Koheleth bekennen,
daß es ewig dem Menschen vorenthalten bleibe.
Aber daraus darf keine Resignation folgen.
Dein Leben allein und der Gedanke an d e i -
n e n Tod müssen dich bestimmen, mit jeder dir
verliehenen Kraft dein Lebenswerk anzupacken;
bald mit inneren Fähigkeiten, bald mit Geld und
Gut. Dabei fällt das köstliche Wort: ihü t e dich
vor allen Verstiegenheiten. Auch
religiöse Ideale führen in ihrer Uebertreibiung
zum Wahnsinn; auch ein gesunder Egoismus ist
Lebensnotwendigkeit,
Nur zwei Warnungen werden dem an seine
Lebensarbeit Herantretenden gesagt: erstens sei
nicht so empfindlich gegen das Urteil der Welt.
Auch der von dir Abhängige wird oft dir fluchen.
Und zweitens: hüte dich vor dem Weibe! All-
zuoft hat es in großer Menschen Leben eine ge-
fährliche iRoUe gespielt und ihre Lebenslinie ab-
gebogen, daß sie in den Abgrund führte. Man
hat aus diesem Letzten einen Stoßseufzer S a -
1 o m o s herausgehört, dessen große Weisheit
und ruhmvolle Regierung am Weibe Schiffbruch
erlitten haben,
Gerade an dieser Stelle folgt daim ein Wort,
das den Inbegriff aller Weisheit darstellt:
„schlicht und grade hat Gott den Menschen ge-
41
macht, sie aber in ihrer Aufgeblasenheit
(w'hemo) suchen der Berechnungen imd Künste-
leien viele,"
Hat nicht Gott das Weib geschaffen, ihr den
Zauber des Wesens, Reiz und Schönheit gegeben,
den Mann zu beglücken? Und statt diese ihre
Fähigkeiten zur Beseligung des Mannes zu be-
nutzen, wird sie oft sein Verderben.
So ist's mit allem. Die zivilisatorische Verfei-
nerung und Hypertrophie, die lauter unnütze Be-
dürfnisse erzeugt, den Menschen immer an-
spruchsvoller macht, hat ihn seiner schlichten
Natürlichkeit, Einfachheit und Unkompliziert-
heit verlustig gehen lassen. In seiner geistigen
Ueberlegenheit, die ihm zum Segen werden, kul-
turschöpfcrisch ihn beglücken sollte, ist er im
Getriebe der Maschinen und im Steinmeer der
Paläste zum Sklaven der Umwelt geworden.
Sehnsuchtsvoll schreit es in ihm nach Rückkehr
zur Natur,
So steht der arme Kulturmensch vor all den
unzählbaren Hindernissen und Hemmungen einer
graden Lebensbahn, die er sich selbst aufgetürmt
hat. Die ,, gesellschaftlichen Ansprüche" erdrük-
ken ihn. Wie glücklich könnte er sein, wenn er
so schlicht und grade wandelte, wie Gott ihn ge-
schaffen!
* *
*
VI,
DES LEBENS WIDERSPRÜCHE,
(Kap. 8—9, 3.)
gj Wer ist wohl weise genug, daß alle Wider-
sprüche er zum Ausgleich bringen könnte?
42
Solche Weisheit würde ihm das Angesicht
strahlen lassen; vor allen Andern wäre er
durch seine Gedankenmacht ausgezeichnet.
Ich kann dir nur sagen: erfülle treu des Wel-
tenkönigs Gebot, dem wir in heiligem Eid Ge-
horsam geschworen. Nur nicht voreilig sich
Ihm entziehen wollen, nicht in etwas Schlech-
tem Ihm gegenüber verharren, der tun kann,
was Er will, dessen Königswort allgewaltig
ist, dem keiner sagen kann; was tust du! Wer
aber seine Pflicht getan, der braucht um keine
böse Folge sich zu sorgen, und ein weises Herz
muß wissen: für alles schlägt die Stunde des
Gerichts, Denn noch immer kam die Stunde
des Gerichts, wenn des Menschen Schlech-
tigkeit zu groß war.
[Die Menschen denken zwar nie daran.] Man
weiß aber nicht, was sein wird, wer könnte es
uns sagen? Aber wie noch nie ein Mensch den
Wind hat einfangen können, um ihn zu lenken,
so kann der Mensch auch an des Todes Tage
nicht mehr den Herrn spielen, kann, wenn ihm
Gott den Krieg erklärt, Ihm nicht entrinnen,
und alle Tücken können ihn nicht retten.
Das alles habe ich über das Geschehen
hier unter der Sonne erfahren und beherzigt,
in einer Zeit, da gewalttätig ein Mensch über
den andren zu seinem Unglück herrschte. Da-
mals sah ich Verbrecher, zum Verscharren reif.
43
an heiliger Stätte einherwandeln, während die
Braven in der Stadt dauernd vergessen blieben.
Welch Widersinn!
11 [Und <doch lasse diclh nioht täuschen!]
Weil idas böse Ttm nicht so schnell seinen
Richtspruch findet, darum ist das Herz der
Menschen selbstsicher und davon erfüllt, das
Böse zu tun. Gewiß, mancher Sünder hat
hundert Jahre lang das Böse geübt und Gott
ihm geduldig zugesehen. Trotzdem weiß ich,
daß das letzte Glück nur den Gottesfürchti-
gen, die in Fxu"cht vor Ihm wandeln, zuteil
wird, (Dem Schlechten bleibt das Glück ver-
sagt, und nur wie ein Schatten lebt er lange
dahin, weil er keine Furcht vor Gott kennt.
Doch ist's auf lEndcn schlimm, daß manche
Fromme ein iSdhicksail 'haben wie Verbrecher
und daß es Böse gibt, denen es ergeht, als ob
sie 'Wer weiß wie fromm sind, loh muß be-
kennen, das ist schrecklich.
15 Aber dennoch lobe ich mir die Freude.
Denn hier unter der Soime gibt's nichts Bes-
seres als essen, trinken und froh sein. Es ist
gewissermaßen für all sein Mühsal ein Vor-
schuß, den ihm Gott unter der Sonne in sei-
nem Leben gibt. Denn wollte ich in erkennender
Sicht dies täuschende Durcheinander auf Er-
den durchschauen wie so mancher, dessen
Auge bei Tag und Nacht keinen Schlaf findet
44
über all diesen Widersprüchen, dann mußte
ich einsehen: es ist ja Gottes Werk, da kann
kein iMensch ihindtirchfinden durch all das Ge-
schehen unter der Sonne, Und soviel der
Mensch sich auch müht, es zu finden, es ge-
lingt ihm nicht, und wollte der Weise sich an-
maßen, es zu erkennen, er kann's nicht er-
reichen.
i>l So mußte ich es beherzigen und mir klar
machen, daß die Frommen und die Weisen,
und wer ihnen dient, in einer höheren Hand
sind, daß ihnen manchmal mit Liebe, manch-
mal mit Haß begegnet wird, kein Mensch ver-
steht, was alles ihrer wartet. Aussehen tut's,
als hätte alles ein Schicksal, als wenn der Zu-
fall hinraffe den Frommen wie den Schlechten,
den Guten und Reinen wie den Unreinen, den
Opferfreudigen wie den, der niemals opfert;
den Frommen wie den Sünder, den leichtsinnig
Schwörenden wie den, der den Schwur fürch-
tet. Ja, es ist etwas Schlimmes bei allem, was
unter der Sonne geschieht, daß scheinbar alles
Schicksal Zufall ist und so der Menschen
Herzen voll Sünde imd Tollheit sind, solange
sie leben, und denken: nachher ist man tot.
Noch einmal kehrt der Weise zu den großen
Widersprüchen des Lebens zurück. Es ist, als
sehe er den iMenschen, der nun beschlossen hat,
45
den Tag und seine Aufgaben ernst zu nehmen,
immer wieder zurückgeschreckt durch die ver-
wirrende Irrationalität der Erlebnisse, Es gibt da
eben keinen anderen Rat, als in Gottergebenheit
und Gottesfurcht 'die Dinge hinziunehmen und mit
dem Bewußtsein erfüllter Pflicht die Verantwor-
tung Gott zu überlassen.
Nur das Eine wird erklärend igesagt, daß die
göttliche Geduld gegen den Sünder eine Prü-
fung für den Guten ist, daß er geraide seine
Gottergebeniheit auch mit dem Opfer d«s Ver-
standes 'beweisen muß, der sich durch alle Un-
gereimtheiten von der Bahn des gottgewollten
Leibens nicht abschrecken läßt. Es liegt darin
eine Hindeutung auf das alte Problem der
Theodizee, der Gereöhtigkeit Gottes in
der Erdenwal tung. Mache es dir doch kW,
daß diese soheimbare Ungerechtigkeit Gottes eine
Notwendigkeit zur Erhaltung der menschlichen
Wahlfreiheit bilde. Wer würde noch zu
eigner Entscheidung zwischen Gut und Böse den
Mut haben, wenn der „Spruch über alles
Schlechte schnell erfolgen" würde, oder wenn
uns nicht der Dämon des Herzens einredete, daß
„das Grab uns eine sichere Zuflucht vor dem Zu-
griff Gottes gäbe?"
VII,
DU LEBST JA NOCH!
(Kap, 9, 4—10, 20).
g^4 Aber, solang man noch im Leben veran-
kert ist, hat man noch Hoffnung, Einem leben-
46
den Hund gebührt der Vorrang vor einem toten
Löwen. Die Lebendigen im sorgenden Wissen
vom Tode können noch etwas Rechtes scshaffen,
aber die Toten, sie ikönnen für nichts mehr sor-
gen, können sioh kein Verdienst mehr erwerben,
Ihr Andenken ist vergessen, auoh ihre Liebe,
auch ihr Haß, auch ihr Eifer, alles ist vorbei; sie
haben keinen Anteil mehr an allem, was unter
der Sonne geschieht. Du aber lebst ja noch!
Geh und iß i n F r e u d e d e i n B r o t und
trinke in Froihsino deinen Wein,
denn Gott hat noch an deinem Tun
Gefallen, In jedem Augenblick seien
deine Kleider rein, fehle das Oel auf dei-
nem Haupte nicht. Richte dir das Leben ein
mit einem Weibe, das du liebst, die wenigen
flüchtigen Tage, die dir Gott unter der Sonne
gegeben hat. Es ist dein einziger Anteil am
Leben und an deiner Mühe, mit der du dich
unter der Sonne mühst. Was du nur immer er-
reichen kannst mit deiner Kraft, das tue. Denn
es gibt kein Leisten und kein Klügeln und
keine Weisheit mehr dort unten im Grabe, wo-
hin du gehst,
11 [Nur glaube nicht, daß auch alles dir gelin-
gen müsse,] Immer wieder habe ich unter der
Sonne gesehen; nicht gerade die Schnellen ka-
men vorwärts und nicht gerade die Starken er-
rangen den Sieg. Kluge hatten kein Brot, Be-
47
gabte keinen Reichtum und Wissende kein
Glück, als ob Gelingen und Mißlingen bei allen
nur ein Zufall wäre. Und niemand weiß, wann
ihm die Stimde schlägt. Wie die Fische im
bösen Netz gefangen werden und wie die Vö-
gel auf der Leimrute kleben, ebenso werden
auch die Menschlein gepackt in der Unglücks-
stunde, die plötzlich über sie herfällt,
1^ Oft sah ich auch, wie die Weisheit hier auf
Erden, und wenn sie mir noch so groß erschien,
nicht zur Anerkennimg kommt. Da ist z. B.
eine kleine Stadt mit wenig Menschen, tmd
gegen sie zieht ein großer König, umzingelt
sie, baut wider sie große Bollwerke. Und
drinnen findet sich ein armer Mann, aber ein
Weiser, der rettet die Stadt durch seine Weis-
heit, und doch kümmert sich kein Mensch um
diesen Armen, Da war doch wirklich die Weis-
heit besser als Körperkraft, Aber wenn einer
arm ist, dann ist seine Weisheit nichts wert
und seine Worte werden nicht gehört, Worte
der Weisen klingen eben sanft imd leise;
schreien tut nur, wer über Narren herrscht,
Weisheit ist besser als Waffen des Krieges.
Sie kann eine ganze Stadt retten, und ein Lump
/O^/ kann alles Glück der Welt zerstören. Wie
Schmeißfliegen das kostbarste Oel verderben,
so ein bißchen Narrheit die herrlichste, ehr-
würdigste Weisheit, Der Weise hat sein Herz
auf dem rechten Fleck, der Narr wendet es
immer verkehrt an. Bei allem, was er tut,
fehlt ihm der Verstand, Aber von allen andern
sagt er; sie sind närrisch,
[Füg' dich aiuch ins Leben ^draußen, wie es
^ immer gehen mag,] Wenn der Zorn des Herr-
schers dich trifft, bleibe du dir treu in deinem
Standpunkte, Geduld verhütet viel Unglück,
Denn hier imter der Sonne da sieht's unglück-
licherweise manchmal aus, als hätte sich der
Allgewaltige geirrt. Die Narrheit thront hoch
oben, und die Vornehmen sitzen ganz unten
in der Niedertmg. Sklavengesindel stolziert zu
Pferd, und Fürsten gehen wie Knechte auf der
Erde, Und doch lehne dich nicht auf. Wer eine
Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wer den Zaun
einreißt, den beißt die Schlange, Wer Steine
wälzen will, kommt daran zu Schaden, und
wer Bäume umhackt, ist von ihrem Falle selbst
10 bedroht. Ist gar das Eisen zu stumpf, weil
man es nicht genügend geschärft, so wird man
vergebens die Kräfte anstrengen; bessere Vor-
bereitung wäre Klugheit gewesen. Und wenn
eine Schlange beißt trotz aller Beschwörungs-
künste, was hast du großer Schlangenbeschwö-
rer erreicht? Mit weisem Wort allerdings
ist manches zu erlangen. Denn den Mund des
Weisen umspielt die Huld, die Lippen des Nar-
ren führen ihn ins Verderben, Mit Narrheit
49
fängt sein Mund an und verstrickt sich nach-
her in böse Tollheit, Der Narr häuft Reden
ohne Ende, er redet von der Zukunft, als
wüßte er Bescheid, wer aber hat es ihm vor-
ausgesagt, was später sein wird? So mühen
die Narren sich ohne Erfolg, weil sie nicht
Weg noch Steg im iStaat kennen,
15 Zähme dich also, ohne Zucht gehst du zu-
grunde. Wehe dir Land, wenn ein Knabe in dir
herrscht, wenn deine Fürsten von früh an beim
Mahle sitzen; heil einem Land, wo freie Män-
ner herrschen, wo Fürsten zur rechten Zeit
genießen, kraftvoll, nicht mit Leidenschaft,
Sonst verfällt durch Faulheit der Balken, durch
Nichtstun träuft das Dach, Zur Belustigung
macht man Gastmähler, Wein muß das Leben
fröhlich machen, Geld muß alles zur Stelle
schaffen. Aber wenn du das auch weißt,
20 schweig! Selbst in deinen Gedanken fluche
einem König nicht und in deinem vertraulichen
Schlaf gemach fluche keinem großen Herrn! Es
gibt immer einen Vogel des Himmels, der die
Stimme weiterträgt, und etwas Befiedertes,
was dein Wort ausplaudern kann.
Hier nimmt das Buch einen freudigen An-
lauf, es klingt aus einem anderen Ton, Wenn der
Tod ims als die Grenzsetzung unserer Arbeit
täglich bevorsteht, damn ist ja die Tatsache, daß
wir noch leben, selbst ein Beweis, daß unser
50
Wollen und Wirken Gott willkommen ist. Und da-
rum können wir unsere Lebensarbeit mit Freude
angreifen und sollen sehen, daß dem bescheide-
nen stillen Familienglücke auch in unserer Hütte
Einlaß gewährt wird.
Wohl werden wir das Maß des Glüokes
nicht im Verhältnis zu Verdienst und Tugend
stehen sehen; werden erleben, daß oft die Retter
der Gesamtheit, die mit ihrer Weisheit die
Menschheit vor Untergang bewahren, verkannt
werden oder unbeachtet bleiben. Aber das ist
einmal untrennbar vom Wirken des Edlen; es
vollzieht sich im Stillen, es tritt nicht prahlerisch
auf die Gasse, selbst auf die Gefahr, dann immer
im Verborgenen zu bleiben. Es trägt eben sei-
nen Lahn in sich selbst. Solche B e s c fe ei d e n-
heit und Zurück ihaltung ist echtes
Kennzeichen des Weisen und Edlen.
Darum endet dieser Abschnitt mit einer
Warnung vor allem Gewalttäti-
gen, UmstürzlerisChen, Revolutionären. Ern-
stes Wirken und verantwortungsvolles Schaf-
fen ist ein Aufbau, nicht ein Einreißen^
Und diejenigen, die mit Gewalt das Gute
herbeiführen wollen, die nicht anders als
mit einer großen Revolution die verkehrte Ord-
nung der Welt gerade rücken zu können glau-
ben, sie wissen nicht, wieviele tausend sittliche
Gefahren mit jeder Verletzung der geltenden
Ordnimg verbimden sind, wie die Schlangen un-
beachtet nisten in den Lücken der Steinzäune,
der Grenzmarken, idie bisher gegolten haben.
Mit dies-er Zoirückihalttmig des Weisen verträgt
sich auch alles Schreierische nicht, all das viele
51
Reden, mit dem der Narren Mund sich selbst
benebelt. Nur durch stilles, ruhiges Wirken
schaffst du dir das Glück des Weisen,
Der Schluß des Abschnittes wirft noch einen
Blick auf die Großen der Welt, auf jene Herren,
die in Wirklichkeit nur Sklaven des Sinnenge-
nusses sind, „Heil dir Land, wenn dein König
ein freier Mann ist." Aber ein Herrscher im
Kleinen ist jeder Mensohl in dem ihm selbst
gewiesenen Bezirk. Jedem ist also ins Stamm-
buch geschrieben; sei nicht kindisch nasch-
haft in deinem eigenen Hause, genieße wie ein
freier Mann, sei fleißig, und glaube nicht, daß
dein Geld jede Verschwendung rechtfertige. Sei
auch zurückhaltend in der Kritik, Du wirst dich
sonst baß verwundern, wie deine geheimsten Ge-
danken und Reden bald auf allen Straßen her-
umgetragen werden,
VIII,
NUTZE GESCHÄFTIG DIE STUNDE!
(Kap, 11, 1—8,)
11,1 Wirf dein Brot aufs Wasser, Im Laufe der
Tage wirst du es wiederfinden, Fang sieben-
erlei und achterlei an. Du weißt ja nicht, was
davon mißlingt auf der Erde. Und guck nicht
zuviel aus! Sind die Wolken voll, deuin werden
sie Regen auf die Erde ausgießen, und ob der
Baum nach Süden oder nach Norden fällt,
wohin er fällt, da liegt er. Wer immer nach
52
dem Wind ausschaut, kommt nicht zum Säen;
wer immer nach den Wolken späht, kommt
nicht zum Ernten, Wie du nicht weißt, welchen
Weg der Wind geht, und nicht weißt, was sich
im mütterlichen Schöße im Geheimen vollen-
det, so kennst du auch das Werk Gottes nicht,
der das All gestaltet. Am Morgen säe deine
Saat, doch auüh am Abend laß deine Hand
nicht feiern. Du weißt nicht, was gelingt, die-
ses oder jenes, oder ob beides zugleich gut
wird.
Und süß ist das Licht; es ist so lieb für die
Augen, die Sonne zu sehen. Und wenn ein
Mensch auch viele Jahre lebt, er freue sich
mit allen und denke daran: es kommen noch
finstere Tage, deren wird es genug geben, wo
alles, was kommt, leidvoll ist,
* *
*
IX,
FREUE DICH DER TAGE DER KRAFT!
(Kap. 11, 9—12, 8.)
Freue dich, Jüngling, deiner Jugendzeit,
laß dein Herz froh sein in den Tagen deiner
Freiheit, leb dich aus in allem, was dein Herz
begehrt und was deine Augen sehen; doch
wisse, daß für alles dieses Gott einmal von dir
Rechenschaft fordert. Darum halte das
53
Gemeine fern aus deinem Herzen, das Böse
nimm <w&g von deinem 'Leib! Auch Jugend und
12,1 dunkles Lookenihaar vergehen.
Darum denke deines Schöpfers
in den Tagen deiner Jugend tm:d
freien Wahl. Nachher kommen Tage, die
sind häßlich, da kommen Jahre, wo du
sagst: ich mag sie nicht. Dann verfin-
stert sich die Sonne und ihr Licht, der
Mond und die Sterne, Immer sieht es wolken-
grau aus, wenn auch eben der Regen vorüber
ist. Dann werden zittrig die Glieder, die dein
Häuschen hüteten, es zittern all die starken
Helden deines Leibes, Still steht die Mühle
deiner Zähne, der wenigen, die du noch hast,
und dunkel wird's da oben in der Augen Lu-
ken, Es schließen sich des Leibes Pforten nach
draußen, wenn das Klappern der Mühle still
geworden. Es flieht der Schlaf beim leisen
Vogelschrei, es verstummen all die freund-
5 liehen Sänger der Kehle, Immer hat man Angst:
das ist zu hoch, da kann man nicht hinaufge-
langen; auf jedem Weg ist Schrecken, Wie
ein Mandelbaüm wird man weiß, es schleppt
sich die Hüfte, die einst wie die Heuschrecke
springen konnte, die Willenskraft ist zerstört,
und langsam geht der Mensch zu seiner ewigen
Ruhestätte, wo die Totenkläger umgehen auf
der Gasse, Da reißt der silberne Strick des
54
Rückenmarks, da zerbirst die Goldschale des
Hirns, da zerbricht der Krug, der speisefüh-
rende, am Magenxandj wie ein Rad, so rollt
er in die Grube, Dann kehrt der Staub zur
Erde zurück, der er entstammte, und der Geist
kehrt zurück zu Gott, der ihn gegeben. Ja, so
vergeht alles, alles, sagt iKoheleth, alles ist
vergänglich , , ,
In diesen Abschnitten steigert sich das Buch
zum Fortissimo, Mit Eindringlichkeit wird der
Mensch hier aus der Lethargie und aus der
Gleichgültigkeit herausgerissen und an seine Le-
bensarbeit gemahnt. Wirke in der Weite und in
der Nähe, am Abend und am Morgen, frage nicht
lange, ergreife alles, damit etwas davon wenig-
stens gelinge.
Dann kommt der große Aufruf zur
Freude, zur verantwortungsbewußten Freude,
zum glücklichen Siohbewußtwerden, daß man
die Hände und die Augen rühren kann,
daß die Welt so schön und das Licht so süß ist,
daß man jede Kraft nützen tmd fruchtbar ma-
chen darf, wenn man sich nur vor Augen hält,
daß man für die Verwendimg eines jeden Split-
ters der eigenen Kraft einmal Rechnung legen
soll lund muß.
Noch einmal wiederholt der Weise diesen
Appell zu freudvoller Ausnutzung der Jahre der
Kraft im HinbUcik auch atif die Tage des Alters,
des Vorboten baüdiigen Todes, Wie dieser den
Menschen ins Leben getrieben, so soll uns auch
55
der Gedanke an das Schwinden der Kräfte die
Zeit der vollen persönlichen Entfaltung au einer
noch wertvolleren Lebensepoche machen, die
reiche Jugend nicht zu vertändeln, die größte
Möglichkeit iadividuellen Wirkens nicht unge-
nützt verstreichen zu lassen.
Erschütternd ist dann die Schilderung des
Alters; für jedes Glied des Leibes findet der
Weise einen neuen passenden Vergleich, Noch
einmal wird damit der ganze Leib des Menschen
in seiner Schönheit uns vorgeführt. Jedes Organ
ist eine neue Gottesgalbe; jede ermöglicht volle-
res Wirken und höhere Lebensfreude; um jedes
einzelnen willen haben wir eine größere Ver-
pflichtung gegen das Leben,
Aber sie alle sind vergänglich, nichts bleibt.
Leise hat der Begriff des hakaul hewel eine
Wandlung erfahren. War es beim Beginn mehr
der Sinn; alles ist unwichtig, unbedeutend, darf
dich weder traurig noch übermütig machen, so
ist es jetzt der Sinn; alles ist vergänglich,
aiUes nur geliehen, alles nur zu vorübergehender
Nutznießung dir anvertraut. Alles, weil vergäng-
lich, muß dich zur schnellen Erfüllung deiner
Lebensaufgabe führen, zur dankbaren Bejahung
der Stunde, da du dich dieser Güter noch freuen
kannst.
56
X.
NACHWORT.
(Kap. 12, 9— Ende.)
J2,9 Koheleth war auch sonst wohl weise, wußte
immer neu dem Volk Erkenntnis zu lehren. Mit
feinem Ohr, mit tiefer Forschung hat er man-
cherlei Sprüche verfaßt.
JO Wie gern hätte Koheleth dir liebere Worte
gesagt, aber wer redlich schreibt, der muß die
bittere Wahrheit aussprechen. Der Weisen
Worte tun oft weh wie die Stacheln und
pflanzen sich wie Pflöcke in das Fleisch; aber
sie sind haltekräftig, sie stammen von dem
einen großen Menschheitshirten. Beachte sie
wohl, mein Sohn. Aber außer diesen wozu tau-
senderlei Bücher schaffen ohne Ende mit un-
endlichem Studium und Aufwand der Kräfte?
Es bleibt der Weisheit letzter Schluß, drin
alles enthalten: fürchte Gott und übe
S e i n e G '6 fo o t e , d a s i s t id e s M e n s c h-
s e i n s g a n z e r S i n n. Denn alles Tnn, Gott
bringt es ins Gericht, und sei es noch so ge-
heim, das Gute wie das Böse.
Wie entschuldigend für die bitteren Worte,
die er gesprochen, fügt der Weise noch ein Nach-
wort hinzu. War es nicht hart, daß er uns aus
allen Illusionen gerissen, daß «r dem Sohluck
57
und Jau den Traum zerstört, Könige zu sein? Die
Feder hat ihn fast wider Willen dazu geführt,
so bittere Wahrheit zu sagen, wie eben der Wei-
sen Wort nicht unseren Neigungen schmeichelt,
sondern, wie der Stachel das störrische Tier auf
den richtigen Weg führt, so uns von allen Irr-
tümern und Irrgängen des Lebens befreit,
AU die henbe Weisheit läßt wenigstens das
Eine in vollendeter Leuohtkreift vor uns er-
strahlen: ider Gedanke 'an Gott und an, idie Ver-
antwortlichkeit des Lebens ist das Einzige, was
dem vergänglichen Menschendasein seinen Sinn
gibt.
Ueb erblickt man den Gesamtinhalt des Bu-
ches, so ergibt sich für die Disposition eine deut-
lich erkennbare Zweiteilung des Ganzen; der
Teil mehr negativen Inhaltes von Kapitel
1 — 6, der positive von 7 bis Ende,
Der erste Teil spricht mehr zu den Lebens-
sicheren, die die Wandelbarkeit des Schick-
sals noch nicht kennen gelernt haben, die im
glücklichen Genuß einer freundlichen, sonnen-
beschienenen Gegenwart sich und ihre Leistun-
gen überschätzen.
Der zweite Teil wendet sich vor allem an die
Kleinmütigen und Verzweifelten,
die sich in die bequeme Philosophie hineinreden
wollen, daß der Mensch ja doch nur ein Staub-
korn, ein vergängliches Nichts ist, tm.d deshalb
mit Achselzucken jede Leistung ablehnen, die
dem Augenblick Bedeutung geben könnte.
58
Beide Abschnitte aber erfüllt die gleiche
Tendenz, das gleiche Ziel; wie führt der
Pessimismus zur Lebensbejahung?
Schopenhauer hat einmal den Optimismus
eine ruchlose Weltanschauung genaimt, weil er
sich über alles Leid imd alle Tränen der Welt,
über alle Unvollkommenheit, Halbheit und Wi-
dersprüche leichten Sinnes hinwegsetzt- Der Jude
ist kein Optimist des Heute, er kennt alles
edle und unedle Unglück; er ist nur Optimist des
Morgen, der Messiaszeit,
Jedem Augenblick des Jetzt ist alle Bitterkeit
einer unvollkommenen Erdenwelt beigemischt.
Dieses Weltleid soll man nie vergessen; es darf
nicht mit Lachen voll sein der Mund in dieser
Welt.
Der Augenblick muß ver-ewigt, mit der Ewig-
keit des Gottesreiohes in Verbimdimg gesetzt
werden. Darum hat iMensohsein mir «inen Sinn,
wenn der Augenblick durch den Gedanken an
Gott und durch seine Erfüllung mit den Gottes-
geboten eine Vorwegnahme des Morgen ist, ein
tätiger Beitrag zur kommenden, zur messiani-
schen Welt.
59
A N M E RK U N G E N.
7, 14. Der Schluß 'des Verses schwer, weil unklar,
worauf sich das acharow bezieht. EHe meisten Erklä-
rer beziehen es auf das vorhergehende eladkim, weil
nun einmal der Mensch Ihm in nichts nachspüren
kann.
8, 2. <anii pi melech schmaur! Nach dem aoi zu er-
;gän'zen: siage dir, rate dir. oder wie uns scheint, das
ani schmaur auseinandergezogen aus der Futuralform
eschmaur. Ich, ich werde immer den Befehl des Königs
befolgen.
8, 10. Das kwurim entweder (wie Rasclu{)i: wert,
verscharrt zu werden, so wie jumas hamesj der dem
Tod Verfallene, oder aber wie das talmudische ki-
bura = Knäuel = Häufung, dann im Sinne von; ich
sah die Bösen z u h a u 1 Nach Ibn Esra soll der
Stamm k w r auch Palast bedeuten, dann würde der
feine Sinn herauskommen: in Paläste eingetan.
60
KOHELETH IM WECHSELNDEN URTEIL
DER ZEITEN.
Koheleth ist ein Buch sui generis, ganz be-
sonderer Art, ein Einzelgänger inoenhalb der
biblischen Literatur, Es bildet mit dem Spruch-
buch Misohle ein Werk der Chochmah, der
Weisheit; aber selbst von diesem hebt es sich
in Sprache und Methode völlig ab. Es klingt beim
ersten Eindruck wie aus einer anderen Welt;
als stamme es nicht aus den heiligen Hallen
gotterfüllter Weltbetraohtung; es läßt scheinbar
einen kalten Windzug aius den Bereichen kühler,
skeptischer, blasierter Vernünftelei in die Glau-
bensglut der andren Bibelteile strömen. Darin
liegt sein Reiz, sein eigenartiger Zauber,
Wie es unter den religiösen Menschen ver-
schiedene Typen gibt, Schwärmer imd Kritiker,
Männer religiöser Begeisterung und solche ru-
higen Verstandes; Lehrer selbstgewisser apodik-
tischer Ueberzeugung und solche, die niemals
mit den Problemen zu Ende kommen und in stil-
ler Selbstbesoheidiung „wir wissen nicht" spre-
chen, so sind auch die Einzelbücher der Bibel
aus verschiedenartiger Glaubenshaltimg, von
Gottesmännern höchst lindividueller Prägimg ge-
sohrieben. Darum kann keines entbehrt werden,
bilden erst die 24 Bücher der heiligen Schrift
vereint die Bibel, die vollständige Offenbarung
Gottes,
Aber ein Buch so originaler Besonderheit wie
Koheleth gab und gibt leichter Anlaß, ihm das
Bürgerrecht in der biblischen Welt, sein« Behei-
matung auf den heiligen Bergen Israels streitig
61
zu machen, mit einem gewissen Behagen festzu-
stellen, daß Koheleths Auffassung gar nicht die
jüdische sei, daß sie von fernher geholt und durch
launische Zufälle sich im Kanon eingenistet haibe.
Zunächst kann sich die Kritik nioht genug
darin tun, das Buch möglichst spät anzusetzen,
,,Dde vollständig aramäisch diurohsetzte Sprache,
die Gräzismen (?) und die Vertrautheit mit Ideen
griechischer Philosophie" sollen zeigen, daß das
Buch nicht vor 300 v, tmserer Zeitrechnung ge-
schrieben sein kann. Als Begründung heißt es:
die Schrift setze eine Zeit völliger Anarchie im
Lande voraus, z, B, 4, 13 — 16; 10, 16 — ^20; in
3, 13 — 18 liege eine Anspielung auf die Belage-
rung von Syrakus durch die Römer im Jahre 212
und ihre Verteidigung durch Archimedes. Auf
Koheleth ihabe epikuräische, stoische und he-
raklitische Weisheit in wirrem Durcheinander
eingewirkt; man vergleiche dazu besonders „den
ganz unjüdischen Gedanken vom ewigen, gleich-
mäßigen Wechsel alles Geschehenden und die
Verherrlichung der Freude," Aber „ein -Philosoph
sei er doch nicht. Die Konfusion stecke in des
Verfassers Kopf, der im übrigen ein gründlicher
Kenner und unbestechlicher Beurteiler des wirk-
lichen Lebens war," (ScUin; Einl, ins alte Testa-
ment, S, 156—57,)
Wir finden in den angezogenen Stellen keine
Spur einer Anarchie im Lande, Koheleth spricht
dort vom wechselnden Beifall der Menschen und
von dem wilden Sinnengenuß xmfreier Fürsten,
und was sich angeblich auf Archimedes bezieht,
redet von einer „kleinen Stadt mit wenig Men-
schen, in der nachher niemand des weisen Ret-
62
ters gedacht" hatte. Alle Einzelheiten passen auf
Archimedes ganz und gar nicht, der in höchster
Achtung bei Freund tuid Feind stand imd eine
gewaltige Stadt gegen den Römer verteidigte,
jedoch nicht zu retten vermochte. Aber, gibt
es nicht auch sonst Beispiele, daß Weise eine
Stadt zu schützen wußten? Hat nicht Simon der
Gerechte Jerusalem von Alexander dem Großen
durch seine Weisheit errettet? Hat nicht Rabbi
Jochanan ben Sakkai vom Kaiser Vespasian die
Rettung Jawnes erlangt? Warum kann jener
Weise nicht Joseph gewesen .sein, der das Aegyp-
terland durch seine Weisheit vor dem Verhun-
gern bewahrte und von dem es nachher in dar
Bibel heißt; es stand ein neuer König auf, der
Joseph nicht kannte? Der Tübinger Theologe P.
V o 1 z , der offenbar etwas vorsichtiger ist, ur-
teilt; „Jedenfalls möchten wir uns hüten, zeit-
geschichtliche Ereignisse, wie Koheleth sie in
4, 13 — 16 imd 9, 13—16 erzählt, mit bestimmten,
uns zufällig ibekannten Ereignissen gleichzuset-
zen; das erlaubt unsre geri.nge Einzelkenntnis
der Geschichte nicht. Neuerdings will man Ko-
heleth zum Parteigänger der Sadduzäer machen,
mit denen er sich in manchem berührt. Die Par-
tei ist aber erst nach den Makkabäerkämpfen
im Gegensatz zu den Pharisäern entstanden;
zudem ist Koheleth mehr als ein Partedmann ge-
Griechisohe Wendungen kommen im Buche
überhaupt nicht vor. Die falsche Deutung von
tauw ascher jofe (5, 17) in Richtung einer grie-
chischen Entlehntmg haben wir bereits gekenn-
zeichnet. Auch aramäische Anklänge können wir
63
in dem Buche nicht entdecken. Wir sehen viel-
mehr im Stil des Buches die echte, zu allen Zei-
ten im jüdischen Volke gängige Volks-
sprache, Das Buch lehnt mit Bewußtsein den
klassischen Stil der Poesie imd das Pathos der
Propheten ab. Es ist nicht in edelgewählter Fas-
sung gehalten, sondern in der „Sprache der Wei-
sen", die immer das volkstümliche Idiom bevor-
zugten. Dieses aber klang seit altersher viel stär-
ker an das Aramäische an.
Zu unserer Ueberraschung aber mußten wir
hören, daß der Gedanke vom gleichmäßigen
Wechsel und die Verherrlichung der Freude ganz
unjüdische Gedanken sind. Sind etwa auch der
Satz in der Genesis von dem ewigen gleichmäßi-
gen Wechsel von Sommer und Winter, Kälte und
Hitze, Tag und Nacht; oder das jesajanische herr-
liche Wort: die Blume verwelkt, das Gras ver-
dorrt, nur das Wort unseres Gottes besteht ewig;
oder die vielen Schilderungen in Hiob von der
Vergänglichkeit des Glücks, von den Großen
und Reichen, die, wenn sie verschwunden sind,
ihr Ort nicht wiedererkennt, w lau jakirenu aud
mekaumau ganz unjüdisch? Sind femer die Worte:
dienet Gott mit Freude; der vielfache Befehl des
Deuteronomiums : du sollst dich freuen vor dei-
nem Gott, du sollst nur freudig sein, ganz unjü-
disch? Das Spruohbuch des Jescihua ben
Sira, von welchem angeblich Koheleth ,,eine
ganze Welt trenne", sagt:
Kap. 14, 14:
Laß dir nicht einen guten Tag entgehen und den
dir zukommenden Anteil an einem erlaubten
Genüsse laß nicht an dir vorübergehen.
64
Kap, 30, 21—23;
Gib dich nicht der Traurigkeit hin und plage
dich nicht selbst dadurch, daß du dir Sorge
machst.
Frohsinn im Herzen ist Leben für den Menschen,
und Freude schafft jedem langes Leben,
Emmntre dich selbst und rede deinem Herzen zu,
und Traurigkeit wisse weit weg von dir zu
halten.
Denn viele hat schon die Traurigkeit getötet,
und es liegt kein Nutzen in ihr.
Kap. 14, 15—19:
Alles Fleisch wird alt wie ein Gewand;
denn von Urzeit her besteht das Gesetz:
„Du wirst sterben"!
Wie die grünen Blätter eim dichtbelaubten
Baume —
die einen wirft er ab, die anderen aber läßt er
wieder wachsen:
Ebenso ist's mit dem Geschlechte von Fleisch
und Blut,
dcis eine stirbt, das andere aiber wird geboren.
Jedes Werk, das irdisch ist, nimmt ein Ende,
-und der, der es herstellt, geht mit ihm dahin.
Er hat mithin auch diese „ganz unjüdischen"
Gedanken von der Freude und vom ewigen
Wechsel.
So ist die gesamte Behauptung von Entleh-
nungen aus griechischer Philosophie unhaltbar.
Es sind nur idie selbstverständlichen Anklänge,
die sich infolge der gleichen ernsten oder freu-
digen Lebensbetrachtung bei allen Denkern fin-
65
den werden. War etwa Schiller ein Epikuräer,
weil er das Lied an die Freude gesxmgen?
Daß Koheleth kein Stoiker ist, liegt au£
der Hand, Nirgends wird bei ihm die Apathie,
die Unbeweglichkeit der Seele durch die Ereig-
nisse als Ideal hingestellt, „Am Tage des Glük-
kes sei froh — aber nicht etwa innerlich unbe-
wegt' — und am Tage des Unglücks bedenke,
daß auch diesen Gott geschaffen," Vor U e b e r-
schätzung der Ereignisse des Lebens wird
von ihm gewarnt, doch nicht etwa vor innerer
Teilnahme .und Ergriffenlheit,
Aber es ist eben so wenig im Koheleth Ge-
dankengut des Epikur zu finden. Nirgends
ist im Koheleth igesagt, 'daß die Lust das
einzsige Ziel des Lebens sei, daß Tugenden nur
Wert haben, weil sie zur Lust führen.
Wir wollen die Frage jedoch einer gründ-
licheren Darlegung unter ziiehen; sind in Ko-
heleth epikurädschc Elemente enthalten? Oder
richtiger formuliert: ist die Auffassung des Ko-
heleth der des Epikur imd seiner Schule ver-
wandt? Für Epikur ist die Lust das einzig wahre
und höchste Gut, denn jedes Wesen strebe na-
türlicherweise nach Lust, Keine Art von Lust sei
an sich selbst zu verwerfen, manche aber um der
Folgen willen zu meiden, Lust sei vor allem
Freisein von Schmerzen, ja, die Austilgung des
Schmerzes sei der Gipfel der Lust. Es gibt aber
auch positiv Gefühle der Lust, imd wo sie
herrscht, da habe Traurigkeit keine Stätte.
Einen Wertunterschied in der Qualität der Lust,
wonach die eine als edel, die andere als minder
edel und unedel zu bezeichnen wäre, kennt das
66
epikuräische System nicht. „Prinzipiell ist die
epikuräische Ethik ein System des Egoismus,
denn der eigene Vorteil, der auf die eigene Lust
hinatisläuft, soll überall maßgebend sein. Eine
Pflichtenlehre und eine autoritative Ethik haben
in der epikuräischen Lehre keinen Platz"
(Ueberweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der
PbÜosophie 1903, L S, 316 ff,).
Allerdings kann man nach Epikur nicht an-
genehm leben, ohne einsichtig, wohlanständig und
gerecht zu leben, und umgekehrt: dies nicht,
ohne daß ein angenehmes Leben die Folge ist.
Dem Weisen ist ein Leben der Lus t
gesichert.
Man braucht nur diese Sätze sich einmal vor
Augen zu führen, um einzusehen, daß Koheleth
mit diesen Gedankengängen auch nicht 'die Spur
einer Aehnlichkeit aufweist. Was Koheleth er-
strebt, ist Freude, nicht Lust, die echte
Freude, micht gemeine Freude am bloßen sinn-
lichen Genuß, die er als toll gleich am Anlang
(2, 2) zurückweist. Der Selbstsucht erklärt er den
Krieg. Fem er; eine Gewäihr, sich die Freuide zu
schaffen, gibt es nach Koheleth durchaus nicht.
Sie ist ein Geschenk Gottes, das man dankbar
hinnehmen soll, nicht der sichere Preis philoso-
phischer Leibenskunst,
Der wesentlichste Unterschied zwischen
beiden aber liegt in der Bewertung des Todes.
„Wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr daj
und solang wir sind, ist der Tod nicht da, so
daß der Tod uns nichts angeht," sagt Epikur.
Gerade hier aber geht Koheleth andere Wege.
67
Für ihn ist der Tod eine der entscheidenden
Tatsachen alles Menschenlebens. Stets soll
unsere iHinfälÜgkeit und unser Ende uns vor
Augen stehen, soll die Stunde des Sterbens
uns an die Pflichten der Gegenwart erinnern.
Und wenn von einer Eitelkeit des Lebens ge-^
sprochen wird, so liegt sie nur in dem Mühen
unter der Sonne, in der Verstrickung
des bloß Irdischen, Dieses Wort: „unter der
Sonne" zieht sich wie ein roter Faden durch
das ganze Buch, und es weist auf eine höhere
Welt hin, eine Ueberwelt über der Sonne, eine
Welt des Geistigen und Ethischen, in der es
nichts Eitles imd Vergängliches gibt. Der Tod
aber wird zur großen Gerichtsstunde, zum
Augenblick der Rechntmgslegung vor Gott, Da-
her kann nur eine verantwortungsbe-
wußte Freude gelten, eine solche, vor der
man sich dereinst nicht vor Gott zu schämen
bat. Daher ist auch für Koheleth jeder Genuß
nur ein Mittel, um freudiger Stimmung sich
seiner Aufgabe zu widmen, „Geh und iß in
Freude dein Brot und trink frohen Herzens
deinen Wcdn, denn Gott bat Wohlgefallen an
deinem Tun,"
Mit Recht ist der Epikuräismus
die verachtetste Form einer Philo-
sophie im Judentum geworden. Ko-
heleths Worte können zwar, wenn man einzelne
aus dem Zxisammenhange herausgreift, mißver-
standen werden, aber nur die Oberflächlichkeit,
die nicht den Sinn des Ganzen erfassen will und
kemn, wird das Buch mißdeuten. Diese Gefahr
besteht allerdings. Schon im Midrasch lesen wir:
68
es wollten die Weisen das Buch Koheleth aus der
Bibel entfernen, weil sich darin Worte finden,
die sich wie Leugntmg und heidnische Lebensge-
sinnung anhören, (nautim lezaid minus), als wäre
jede Bindung aufgehoben und kein Richter und
kein Gericht vorhanden, (hutro hor'zuo wies din
wies daijin,)^) Sohon der Talmud klagt: ,iSa-
lomo, dein Buch scheint voll innerer Wider-
sprüche zu sein!" Die Weisen stellten es daher
ausidrücklich fest, daß bei tieferem Nachdenken
sich die Anklänge ans Heidnische als Schein er-
weisen und alle Widersprüche bei gründlicher
Einsicht verschwinden.-)
Das Buch des Predigers hatte kein anderes
Schicksal als in unseren Tagen wohl alle Werke
der heiligen Literatur. Man reißt Einzelnes aus
dem Zusammenhang und knüpft an dessen falsche
Deuttmg die unmöglichsten Folgerxmgen, Um
wieviel mehr, daß Koheleth Mißdeutungen aus-
gesetzt werden konnte. Wir können tms vor-
stellen, daß in leichtsinnigen Zeiten, ewa im Be-
ginn des ^Hellenismus, als Ausgelassenheit und
roher Sinnesgenuß ins heilige Land eindrangen,
mancher Jüngling mit Worten des Koheleth auf
den Lippen sich seines flatterhaften Tims rühmte,
In solchen Zeiten mag das Sanhedrin darüber be-
raten haben, ob es nicht besser wäre, ein sol-
ches Buch zu apokryphieren, ehe es der laxen
Moral Vorschubdienste leiste. Sic haben es
nicht getan, denn es ist ja klar, daß nicht, weil
^) Wajikra rabba 28.
'') Sabbat 30b,
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das Buch epikuräisolie Gesinnung einflößte, der
Einzelne von der Baihn der Sittenstrenge abging,
Sandern umgekehrt; weil seine Lüsternheit an
Leichtlebigkeit Gefallen fand, versuchte er zy-
nisch und frivol seinen Abfall mit dem Feigen-
blatt herajusgegriffener Koheleth-Verse zu ver-
decken, Koheieth ist eben ein Buch
für Denker, es ist ein Buch der Weisheit,
es führt bis an .die Grenze. Es will den
Menschen in seiner ircüsohen Selbstsicherheit
irre machen, es folgt ihm auf dem Pfad seiner
menschlichen Schwäche, aller Entartungen sei-
ner Selbstsucht, der Hybris seiner Gewalttaten,
der Unersättlichkeit seines Besitzstrebens, um
ihn am Ende sehen zu lassen, daß er Phantomen
sich verschriebeai, daß alles dies eitel ist.
Aber es will auch eben so sehr jener Skepsis
entgegentreten, der das Schicksal ein sinnloses
Glücksspiel ist und die deshalb den Mut zum
großen Glauben nicht finden kann. Beiden will
das Buch den rechten Weg weisen: den Erden-
sioheren 'und den Zweiflern, den Stolzen und den
Kleinmütigen, Zu beiden spricht iKoheleth offen,
ernst, ungeschminkt und unverblümt; und übt
seine WiAung grade als ein Buch der
W a h r ih a f ti g k e i t , der d e n k e r i s c h e n
Ehrlichkeit,
So richtet sich von selbst auch jene einsei-
tige Beurteilung, die in dem Buche Glaubens-
haltungen vermissen will, die erst den vollen
religiösen Menschen ausmachen, „An Glaube,
Hoffnung, Liebe ist Koheieth arm gewesen, in
der Wahrheit war er groß", urteilt Volz,
„Koheieth hat Glauben gehabt, aber ihm fehlte
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die Liebe und Hoffnung," sagt Sellin, Beide Ur-
teile sind gleich falsch, aus Voreingenommenheit
erwachsen. Wer zum Denker als Denker spricht,
wer aus der Kraft der Lebenserfahrung Beweise
erbringen, den Widerstrebenden durch die
Ueberlegenheit seiner Erkeimtnis überzeugen
will, der kann und darf nicht an Gefühle appel-
lieren, die dem Partner nur als eine Schwäche,
als Mangel an Fähigkeit, seinen Gedankengang
mit geistigen Waffen zu Ende zu führen, erschei-
nen müssen. Es ist eine Ungerechtig-
keit.einemSchriftsteUernichtauf
seinen Standort zu folgen, von dem
aus er sein Thema behandeln will, Koheleth ist
kein Buch der Prophetie unid kein Psalter, kein
Buch glaubensseligen Schwärmens, sondern nüch-
ternen Ernstes. Wer aber tiefer zu sehen, zwi-
schen den Zeilen zu lesen versteht, dem klingt
grade aus diesem Buche das wärmste Mitgefühl
mit dem Leid der Welt, ein Herz, das blutet
ob all der Entartungen und Mißbräuche, ob der
falschen Lebensauffassung und törichten Ver-
zweiflung entgegen. Dieses Buch ist voll
der Liebe, weil es den Lieb es armen
zur Liebe hinführen will; dieses
Buch ist voll der Hoffnung, weil es
das Tor des Hoffens dem öffnet, für
den es bisher verschlossen war,
Grade dieses Buch hat, wie vielfache Erfahrung
bestätigt. Unzähligen in Zeiten innerer Verar-
mung imd der Untröstlichkeit zum Herzen ge-
sprochen; die bittere Wahrheit hat Unglückliche
aufgerichtet, weil es ihr eigenstes letztes Sor-
gen und Empfinden aussprach, Weil sie sich selbst
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erst an der Offenheit dieses Buches verstehen
gelernt haben. Durch dieses Buch haben diejeni-
gen die Welt wieder werten gelernt, denen sie
in der Tat als völlig eitel vorgekommen ist.
Das gilt vor allem auch für einen Punkt, in
dem die voreilige Kritik an Koheleth zu nörgeln
nicht unterlassen kann; in Bezug auf seinen
Glauben an die Unsterblichkeit, ein
das Jenseits. Grade idie Zurückhaltung, mit wel-
cher Koheleth dieses heilige Geheimnis des gläu-
bigen Menschen behandelt, ist bewundernswert
und von 'höchstem Eindruck. Er hätte es billig
gehabt, mit der Waffe des Unsterbliohkeitsglau-
bens dem Diesseits auf den Leib zu rücken. Dann
aber hätte das ganze Buch seine Wirkung ver-
fehlt. Erst dadurch, daß es scheinbar sich ganz
einstellt auf die Erdenwelt und durch diese
Blickstarre die Einseitigkeit des Irdischen ad
absurdum führt, grade dadurch gewinnt der Satz
von der „Eitelkeit der Eitelkeiten" solche Ein-
dringlichkeit, wird der Mensch mit /all seinen ir-
dischen Schätzen so arm, wird der Tod solch
ernster Mahner, wird die Verantwortlichkeit des
Lebens zum höchsten Gedanken und zum wich-
tigsten Impuls für die Erfüllung der Stunde, Und
der Unsterblichkeitsgedanke wird nicht zmn
Quietiv, zu einem Gedanken der Beseligung und
Beglückung, sondern zur Vollendung des Ver-
antwortungsbewußtseins, zum Ge-
danken des Gerichts. „Dort drüben ist nichts
mehr gutzumachen. Alles noch so Verborgene
bringt Gott ins Gericht, wenn der Geist zu Ihm
zurückkehrt, der ihn gegeben,"
Koheleth ist ein männliches Buch; es ist
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ein Arzt der Seele, dem wir luns um so lieber
anvertrauen, dessen bittere Medizin wir desto
williger nehmem, als wir in iiim den aufrichtigen
und aufrechten, aller Grenzen seiner Kirnst und
unserer Natur bewußten Weisen verebren.
Wer war nun dieser Weise, der
große Lebenskenner, der in 'diesem Buche
spricht? Daß Koheleth nur eine Umsohrei-
bung ist, liegt schon dn dem Namen selbst.
Ein Feminiftuan seiner Form nach, bedeutet
es offenbar die Versammlung, in der die
Weisheit verkündet wurde. Im Buch tritt
Koheleth entweder als Femkiium (oder bes-
ser als Neutrum) auf oder sonst als Mas-
culinum, wo ein Baal zu ergänzen ist, ,,der
Lehrer der Volksversammlung". Mit Bestimmt-
heit nennt er sich einen Nachkommen Davids,
einen König von Jerusalem, Esistganzaus-
gesc blossen, daß irgend ein Weiser
e s g ew agt hätte, sich als Koni g von
Jerusalem uns vorzustellen, wenn
es nicht der Wirklichkeit entspro-
chen hätte. Solch plumpe Anmaßung ist un-
ausdenkbar. Da bleibt keine Wahl als die Ueber-
lieferung, die .als den Verfasser S a 1 o m o , den
weisen König, hinstellt. Die Meimmg, als könne
ein Verfasser aus der hellenistischen Zeit über-
haupt in Frage kommen, ist schon deshalb ab-
wegig, weil kein Buch aus ijener Epoche mehr in
die Reihe der heiligen Schriften aufgenommen
werden konnte. Wenn wir wohl auch aus späte-
rer Zeit eine Diskussion darüber hören, ob be-
stimmte Bücher im Kanon verbleiben sollen
oder nicht, wenn es auch denkbar gewesen wäre,
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daß ein späteres Sanhedrin einem Buch die Zuge-
hörigkeit zu der Reihe der 24 heiligen Schriften
verwehrt hätte, weil es zu Irrtümern und Miß-
deutungen Anlaß gegeben, aber niemals ist in so
später Epoche eine neu aiuftauohende Schrift für
wert befunden, in die Bibel aufgenommen zu
werden. Und wir 'haben griade an. dem späten
Spruchbuch des S i r a c h den vollsten Beweis,
daß der Kanon abgeschlossen beim Beginn der hel-
lenistischen Zeit vorlag, so daß alle anderen Mei-
nungen als Lufthypothesen anzusehen sind. Das
Sanhedrin in Jerusalem hat vom Beginn der hel-
lenistischen Epoche an mit Leidenschaft gegen
das Eindringen des griechischen Denkens und der
griechischen Lebensauffassimg in dem jüdischen
Daseinsbezirk gekämpft. Es ist einfach undenk-
bar, daß ein Buch, in der damaligen Zeit ge-
schrieben, das auch nur im Leisesten an stoische
oder epikuräische Philosophie anklingt, je wür-
dig befunden wäre, in die Bibel aufgenommen zu
werden. Die Mitglieder des Sanhedrin, die wegen
ihrer Feindschaft gegen ^ede griechische Assi-
milation fast alle mit ihrem Blute haben büßen
müssen, hätten vielleicht ein Buch, das wie Ko-
heleth mit der befehdeten fremden Auffassung
Verwandtschaft zeigt, verbieten können; nie
und nimmer aiber würiden siic es in den Kanon
neu aufgenommen haben.
Köstlich klingt es, wenn V o l z schreibt:
die Weite des Horizonts und die Stim-
mting des ganzen Büchleins lassen vermuten,
daß der Verfasser in einer Großstadt lebte, aber
schwerlich „in der engen und bürgerlich nüch-
ternen Luft Jerusalems"; er entscheide sich da-
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her für Alexandrien, Wir wissen diemgegenüber,
daß in der Zeit Salomos „g^nz Israel aß und
trank und fröhlich war" (Kön, 4, 20), daß „man
von allen Völkern kam, von allen Königen; der
Erde, um die Weisheit Salomos zu hören," (das.
5, 14), daß Jesajas (22, 2) Jerusalem die frohe,
lebenerfüllte Feste nennt, daß Nebukadnezar jü-
dische Knaben, klug in jeder Weisheit, voll Er-
kenntnis und Wissen (Dan, 1, 4) an seinen Hof
fesseln wollte. Können wir da noch an eine enge
und bürgerlich nüchterne Luft Jerusalems glau-
ben? Für uns, für die ein jüdischer Weiser nicht
bei den Epikuräern Scheinweisheit zu borgen
braucht, denen es selbstverständlich ist, daß die
Quelle des Geistes in Israel reich genug spru-
delte, um nicht von Fremden etwas entlehnen zu
müssen, wird Koheleth grade dadiirch so be-
deutsam, weil es die Lebenssiumme und das er-
schütternde Lebensbekenntnis eines der Größ-
ten unsres Volkes ist, dem aiber seine Macht und
seine Weisheit in den Tagen des Alters zum
Verhängnis geworden. Wir hören aus diesem
Buche den Widerhall aller der Schwierigkeiten,
die sich wie düstere Wolken über .dem Ende der
Regierungszeit Salomos zusammenzogen. Die
Unzufriedenheit im Volk, die nur miühsam unter-
drückte Auflehnung der Nordstämme, der Hoch-
mut im Herzen seines Sohnes ituid Erbnachfol-
gers, die viele Gewalt, die die Beeunten Salomos
in seinem eignen N/amen übten imd der zu steu-
ern er schon nicht mehr fähig war, seine Ver-
strickung in die Gewalt fremder Weiber, gegen
die er, der mächtige König, zu schwach sich
fühlte, die Sinnlosigkeit all des Prunkes und
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der ätißeren Größe, für die er in seiner Regie-
rung gestrebt hatte, alles das klingt aus diesem
Buche zwischen den Zeilen 'hervor. Man kann die
Anspielungen gradezu mit Händen greifen, wie
auch der T a r g u m des Buches immer wieder auf
die Ereignisse laus Sailomos eignem Leben als
Illustration der Worte verweist. Die Angst, daß
alle Uebersteigerimg von Prunk und iMacht sich
einst bitter rächen werde, daß das Gericht nicht
ausbleiben könne, durchzittert dieses Buch, Man
macht sich künstlich blind, wenn man es dem
Salomo abspricht und in andere Zeiten vertagen
will. Nein, die großartigste Illustration des Bu-
ches ist der Hintergrund der ausgehenden salo-
monischen Zeit mit ihrem satten Reichtum, mit
ihrer Veräußerlichung, mit ihren Enttäuschun-
gen, mit ihrem drohenden Zusammenbruch. Ko-
beleih ist gewissermaßen ein Testament der
Warnung, an die Adresse dessen gerichtet, der
nachher sprach: hat mein Vater euch mit Ruten
gezüchtigt, werde ich euch mit Skorpionen züch-
tigen.
Allerdings ist dieses Buch so gehalten, daß
jede Epoche des Ztiisammenbruchs einer Kultur
in ihm ihren Spiegel findet. Es vermeidet mit
Absicht jede eindeutige Anspielung auf irgend-
welche speziellen Verhältnisse. Es paßt in jedes
Leben der Unruhe und in jede Zeit der Krisen,
es ist rein menschlich, es spricht nicht nur zu
Juden, es spricht zu jedem, dem Gott und Sein
Gebot als der Sinn alles Lebens über den Trüm-
mern der Erdenherrlichkeit aufgeht. Es ist ein
Buch zeitloser Geltung, wemi aiuoh be-
stimmte Epochen besonders es zu ergründen und
76
zu verstehen fähig sein werden. Ich glaube,
daß auch unsere Zeit einen ge-
schärften Blick für die Kraft und
die Wahrheit dieses Buches gewon-
nen hat.
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