MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
-i
E.H S'T'E 5 .STUCK,
J n I i u s i 7: 3.2*
i w» i « i»»n ' "«' « 'ww > '^»w < n " i w^^— ■>■■> ■■, , P-m pt i* mm i w ^' ■ ■>■ '
BERLIN,
in tier neiien. Berllnifcli'en Mufikhandlungi
u
I n h a 1 t.
• - Scite
i. Ueber die Natur der Tone, von Hrn.
Prediger Horftig zu Eulo in der Nieder-
laufitz. *
s. Rezenfionen.
a) Ueber Kunzens Holger Danske dder
Oberon. 5
b) — Witthauers 6 Clav. Son. fur Lieb-
haber und angehende Clavierfpieler.
ifte Sanuul. 14
c) — Rufts Allegretto graziofo con Varia-
zioni. 16
3. Berichtigungen und ZuTatze zmn Gcr-
berfchen Lexicon der Tonkunftler etc.
von J. F. Reichardt. * —
4. Starke des Konigl. Preufs. Orchefters im '
Jahre 1791. 19
5. Nachrichten aus Briefen; aus
a) B — nn, 20
b) Gattingen, c) Frankfurt am Main, d)
Stra&burg, fix
Seite
e u. f) Pari*. 22
6. Nachricht von merkwurdlgen Tonkiinft-
lern< fiS
7. — ■ — von einem neuerfundenen mu-
fikalifchen Inftruuxente , welches bisjetzt
noch keinen Nahmen hat, und das mart
etwa Nagelclavier nennen konnte, aus
Deflau. fl/j.
8. Mufikauffiihrung in Berlin. 0,5
g. Proteftation des Hrn. CanonikiM Sterkel. — ■
10) Fingerzeige fur denkende und forfchen-
de TonkilnJUer. M
11) Anekdoten. aj
Mufikjliicke.
1. Chanfon de Nicodeme dans la Iune par
le coufin Jacques. So-
2. — — — — — — 3i
3. Der Wald. In Mufik gefetzt von J. F.
Keichardt. 3ft
Mufik zu Goethe's Werken,
i)oH Johann Friedricji Reichardt.
Unter diefeni Titel kiindigen wir dein inu-
fikalifchen Publikum die glucklichfteh und vol-
lendetften Arbeiten des Hrn. Capellmeifter Rei-
chardt an, zu deren Empfehlung wir hier nur
fagen ltiogen, dafs Poefie und Mufik vielleicht
nie fchoner und inniger vereint einhergingen,
als in den Arbeiten diefer beiden fiir einander
gefchafFenen Manner; Der erfte Theil wird die
Couipolitionen zu alien fangbaren Oden und
Liedem dus achten Bandes der nenen Ausgabe
von Goethe's Schriften enthalten. Man prantt-
merirt oder fubfcribirt daranf nach Gefallen Ri-
iteii Thaler (den Friedrichscl'or zu 5 Rthlr. ge-
rechnet). Sobald fich eine hinlangliche Anzuhl
Liebhaber ge'meldet haben, wird der Druck be-
gonnen und die Zeit der Erfcheinung des erften
Bandes befununt, zugleich auch der zweite Band,
der das Singefpiel Enuin und Elmire enthalten
wird , angekundigt werden. Aufser der unter-
zeichneten Handlung nehmen alle wichtige deut-
fche Mufikliandlungen, und Buchhandlungcn die>
fich niit Mufikalien abgeben, Subfcription und
Pranuineration an. Jedein andern, der fich da-
nu't bemuhen Will, geben wir das 6te Exempl.
frei.
Berlin, den loten May, 1792.
Die neue Berlinifche Mufikhandlung.
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
EPtSTES STUCK.
/ u I
i u s i 7 9 z.
1. Ueber die Natur dei- Tone.
Vom Uerrn Trediger Horjlig zu Eulo in der Niedcrlaufitz,
Wir haben in unfrer dcutfchen Sprache ver-
fchiedne Ausdrikke fiir die Empfindungen,
vrelche in nnfe-" Gehororganen erzeugt vverden.
Die vorzuglichften darunter find dieWorter: Ton,
Schall, Laut nnd Klang. Mit dem Worte Lant,
bezeichnen wir im weiten Sinne alle und jede
F.indriicke, die auf unfer Ohr gemacht werden,
im engern Sinne fchliefscn wir die Tone insbe-
fondre davoj) aus. .Schall bedeutet gewohnlich
einen undcutlichcn Lam, der im Anfange ziem-
lich heftig empfunden vvird, der fich aber nach
nnd nach fchw.icht nnd znlet/.r ganz verliert.
Das Wort Ivlang brauchen wir gern vom Zufam-
iiK'ii.v'mcn veiithiedner Korper; daher fagen wir
Wohiklang, wenn diefe Ktirper mit einander iiber-
eiiutiinnien. Znweilen brauchen wir es aber audi
mir von eincni K6rjn>r, der ans verfchiedenarti-
gen Theilen zufanuuengefer/.t ift. Z. B. von einer
Giocke. DerAusdrnckTon unterfcheidet fich von
alien vorhergehenden durdi verfta'ndlichcEmpnn-
dung des Holicn nndTiefen, oder wenn man es
genauer zergliedert, dnrch die einformigen nnd
regelmafsigen Schwingungen derLuft, die unfer
Ohr crfchi tttem.
Weil dadurch nnfre Gehornerven ebenfalls
einfiinnig; nnd regelmal'sig erfthi'utert werden,
dicle Erldiiiiterung aber cine angenehme Etnpfin-
dnng vernrladit/r.) find ans dem Grunde die
Tone unlcr all«.Mi Goin'ireinpfuidungen die einzi-
gen, vvilche auf Sdidnhuit geeriindetc Anfpriiche
uiachcn und dadurch ciii Gegenftand fiir den Ge-
fcbuiack werden ktinncn. D.iher konvmt es, dafs
die Tonkuid'l oder Mnlik ihren Rang unter den
fchonen Kiinfl.cn gefiniiieu l.at,- deren e.i°"entli-
clier Zweck es ift, da» Schone den Menfchen
geniefsbar zu machen. Schcin aber nerinen wir
alles das, was unmittelbar angenehm unfre Sin-
ne rulirt.
Der Sinn des Gehors gehort, fo wie der Sinn
des Gefichtb, ohne Widerrede unter die edlern
und vorziiglichern Sinne, die fich von den nie-
drigern, grobern Sinnen des Geruchs, Gefchmackg
und Gefiihls befonders dadurch untcrfcheiden, dafs
fie fich cines Mittolorgans bedienen, ohne welches
in ihren Wcrkzeugcn keine Empfindung moglich
ware. Diefes Mittelorgan heifst beym Ohre, Luft.
Es ill nicht moglich, dafs wir etwas durchs Gehor
empfinden kiinnen, ohne dafs die Luft erfchiittert
werde, die nnfer Ohr umgiebt. Ich wahle mit
Fleifs den Ausdruck EiTchiitterung, weil das Wort
Bcwegung zu wenig fagt. Die heftigfteBewegung
der Luft bringt fo lange keinen Laut hervor, als
fie in einer vollig graden Richtung fortlauft. Der
ftarkfte Wind kann mein Ohr beruhren, ich bore
ihn nicht eber, bis die von ihm bewegten Baume
die Luft erfchiittern, oder meine fliegenden Haare
und Kleider ein Geraufch verurfachen, oder an-
dre dem Winde enlgegenftehende Korper durch
ihr Aufhalten ein Saufen hervorbringen. Ini Ge-
gentheile kann der leifefte Hauch in eine Pfeife,
die zartefte Beriihrung einer Ilanuonikaglocke
eine fehr lebhafte Erfchiitterung in der Luft er-
zeugen. Dafs wir unter dem Worte: Erfchutte-
rung, ein fchnelles Hin - und Herbewegen ver-
ftehn , giebt fchon der Sprachgebrauch.
Lufterfchutterung kann alfo keine andre Art
von Bewegung, als eine folche andeuten, wo die
Luft in Tehr fchnellen Zeitranmen hin und her be-
wegt wird. Eine folchc Bebung der Luft ift es,
die fich in nnfer Ohr driingt, untl dafelbft einige
kleine, unlufdirdblidi kimillidie Werkzeuge in
Bewegung fet/t. , vernioge welcher unfre Nerven
affidrt werden. Diefe Nervenfchwingungen ftim-
nien mit den Eindrikken, welche die Luft in un-
fern Gchihorgane.n erzengt hat, auf das genaufte
i'l herein. Sie find ftark oder fchwach, fchnell oder
langfam, regelmafsig oder unregelmafsig, je nach-
dem es die Lufterfdiultenmgen find. Auf diefe
Art find wir ini Stande, den Unterfdiicd der Lau-
te oder Tone zu vernehmen, der fich auf die
zahllufen Verfchiedenheiten von Lufterfchutte-
rnng griindet. Diefe Verfchicdenheit findet ih-
ren erlten Gnind in der verfchiednen Befchaffen-
heit der Kijrper, welche durch ihre Erfchutternn-
gen die Luft in Bewegung fetzen. Es wi'irde uns
unmoglich feyn, einem Korper cine folche Be-
hung initzutheilen, wie zur Er/eugung eines
Tons erfordert wird, wofern nicht alle nati'uli-
chen Korper, bald mehr, bald weniger die merk-
wi'irdige Eigenfchaft batten : jedem Eindrucke,
der auf fie von einem andern bewegten Korper
genmclit wird, augenblicklich zu widerftehn.
Diefe Eigenfchaft nennen wir ElahMcitat. Sie ill
es, der wir alle unfre Gehdrempfindungen zu
verdanken haben. Wir nennen aber nnr die Kor-
per elaftifch, bey denen fich diefe fonderbare Ei-
genfchaft in einem merklichen Grade iiufsert. In
(lem Augenblicke, wo die aufsern Theile eines
folclien elafiifchen Korpers von einem fremden
Koi-per beri'ihrt, und zwar fo beri'ihrt werden.,
dafs fie aus ihrer vorigen Lage weichen mi'uTen,
ohne dafs der Korper felbft weichen darf — in
demfelben Augenblicke ftreben audi diefe Theile
fchon wieder zuriick und treten wi'uklich wieder
in ihre vorige Lage , fobald der Druck auf hort.
Dauert nun diefer Druck nicht langer, al3 der
Zeitraum a - oii einer Schwingung, der- n ein fol-
cher Korper vermdge feiner Spannkraft fahig ift,
fo entftcht daclurcli eine Erfchi'itterung in dem
elaftifchen Korper, von deren Dafeyji man fich
mit dem Auge fugar iiberzeugen kann, wenn man
nur zum Beyfpiel mit einem h.iiten Korper eine
Glocke beri'ihrt, die man zuvor nut feinem Sande
iiberftreut hat.
Auf diefe Art nun wird die Luft, welche (]en
crfchiitterten Korper umgiebt, ebenfalls vernioge
ihrer Elafticitat in eine Erfchuttertmg verfetzt, ilie
der vollkommen ahnlich feyn nails, welche fie
erzengt hat. Diefe Luflerfchiilterung pflanzt fich
von alien Seiten des beriihrten Korpers urn fo
weiter fort, je heftiger die Luft erfchiittert wiir-
de, und je weniger lie durch die in iiir befmdli-
rhen Waller- oder Erdiheile von ihrer Spannkraft
verlohren hat. Trift fie auf ihrem Wege ein Ohr
an , fo erzengt fie in demfelben die Emp.fmdung,
wekhe wir Horen nennen.
Die elafiifchen Korper konnen aber auf eine
doppelte Art erfchi'iUert werden, entweder dmxh
einen ein/.elnen Stofs oii-r. durch eine fortgefetz-
te Bcriihnmg. Das erfie haben wir zu erkla'ren
verfucht. Das andrc wollen wir jetzt erklaren.
Man denke fich eine aufgefpanntc Violin-
fayte. Man beriihre i\a mit einem gewohnlichen
Bogen. Irulem es fdieint, ais wollten wir die
Sayle damit fortftofsen, weicht fie auf einen Au-
geublick um lo \ iel zuri'ick, als es der Grad ihrer
Spannung erlaubt. Diefe Spannung aber ift audi
Urfache, warum fie nii.lit weiter weichen kann,
als fie mit Gewait zuruckgedriickt wird.
£ Sobald nun die Sayte nicht mehr weichen
kann, glitfcht fie Ichnell unter dem Bogen hin-
weg, um ihre vorige Lage einzunchmen. Sie
wird aber von dem fortftreichenden Bogen augen-
blicklich wieder gefafst, und aufs neue aus Hirer
Lage verdra'ngt. D.u lurch entflelit alsdann die Er«
fchutterung, welche den Ton dizeugt, und dio
nothwendig fo lange in glehher Starke fortdauern
mufs, als ich den fortftreichenden Bogen an die
Sayte drucke.
Aber nicht jeder Laut, den wir vernehmen,
gleicht dem Tone einer Violinfayte.
Es wird alfo noting feyn zu unterfuchen,
woher es konnne, dafs manche Korper, wenn
fie beriihrt werden, nur einen nuverfi.'indlichen
Schall von fich horen lalfen , andre hingegen ei-
nen verfta'ndlichen Ton angeben , bey welchem
man Hdhe und Tiefe unterfcheiden und benier-
ken kann. Alle Korper in tier Natur find aus un-
zahlichen einfachen TJieilen zufanuncjigefnizt.
Diefe einfachen Theile kiumen Ti'.h cin.-uuler ahn-
lich oder uri.ihnlicJi feyn. YiMl'ig rcine Ki'iiper,
deren Beftaniilheile alle ohne Aiisualmic einaniler
vollkommen alndi.h uaK.-n, lalfen. fich uirgends
aulreffen. Die Koiper unlerh lieiden fich aber
doch gar merklich. vmi cinandcr durch den grd-
fsern oder geringern Gra.i ihrer Beinigkeit. Man
vergleidie nur einmal IJolz und Glas, — eine
Schnnr und eine D.irmfayte mit einander, um
fichliievon recht (innlidizu iiberzeugen.
Je reiner nun aber ein Korper ift, je gleich-
artiger die Theile find, aus denen er beflelit —
defto gleichariiaer mufs die ErfchiUterurig feyn,
in die er bey jeder fremden Beri'ihruns verfetzt
wird. Jeder einzelne Theil weicht. al-f.mn bey
der Beri'ihrnng umfo viel zuriick, als alle andern
zuriickweichen, jeder nimmt feinen vorigen Plate
in demfelben Angenbl'ike wieder em, wo ihn
alle tibrige Theikiicu » innelunen. Dies erzeugt
eine Bebung, die nut iltm Gettihle des Reinen
11 ml Kinlaciien uiilenn Olive fchmeichelt, urul
vnti der wir eeuiungen werden, zn fagen, dafs
fie viel fdumer tind anmuthsvoller anf unfre Ner-
ven wiirkc, als jede andre Bebung, die tins die
verworrne, nntereinander laufende Ungleichheit
ihrer Schwingungen empfinden lafst.
Das Wefen des Tons beruht alfo anf der
Gleidiformigkeit von Luftfchwingungen , die un-
fenu Otire einplindlich werden, unci unlern N er-
ven ebenfalls eijie gleichformigeSchwingung init-
theilen. In dein Grade, worm diefe Glcichfor-
jnigkeit nns intmer inehr empfmdbar wird, in
dcudelben Grade wachft auch die Reinigkeit des
Tons, den wir einpfmden.
Jeder denkende Lefer wird hoffentlicli ein
Vergniigen darin finden, die Betrachtungen fiber
die Entftehungsart dell'en , was wir Ton zu xien-
rien pilegen, welche ich durch das Vorhergehcnde
liabe veranlalfen wollen, bis ins Unendliche fort-
znfetzen. Sie werden ihn dahin leiten, dafs er
von felbft einfehen wird: Ton unterfcheide /ich
vom leeren Schalle durch die deutlich bemerkten
gleichzeitigen Bebnngen der Luft. Danus er-
giebt fich von felbft, dafs der Ton eine glcichfor-
anige Beriihrunsc dcrNerven er/eugen niidfe ; und
cine naliere Unterfuchuiig der nattirlichcn Be-
fchaffenhcit unfejs Nerve: jgebandes lehrt ans, dafs
in einer foldien gleithlormigen Erfchiitterung un-
l'rer Nerven das Wefen einer jeden angenehmen
Empfindung zu futhen fey. *) Hierin liegt der
Grund, warum der Ton jedem Menfchenohre an-
gendnner feyn mufs, als der bloll'e Scball. Ich
zucille, ob man der Behauptung etwas griindli-
ches werde entgegen fetzen kiinnen, dafs wir nach
unferm Sprachgehraiuhe alle Dinge fchon zu nen-
nen p/legen, welche fa'hig find, eine Nervener-
i'chiitterung unmittelbar Jiervorzubringen, die
von einer angenehmen Empfindung begleitet
wird. **) Diefe Wahrnelnnung berechliget un$,
den Tonen das Pradicat von Schonheit beiztile-
gen, welches wir dem leeren Schalle nicht ein-
raumen durfen. Jeder Ton an fich macht eine
abfolute Schonheit ans. Aber diefe Schonheit
kann nach Verfchiedenheit der Materie, welche
die Erfchiitterung erzeugt, und der Organe, wel-
che die Erfchiitterung auffangen, unendlich ver-
fchieden feyn.
Je nachdem der Ton reiner oder nnreiner,
holier oder tiefer, Jftarker oder fchwacher ift, je
nachdem kann er auch von meinem Ohre ange-
nehmer oder unangenehmer empfunden werden.
Was die Reinigkeit des Tons betrift, eine
Eigenfchaft delfelben, die fich durch das unver-
mifchteGefiihl vollkonunen gleichzeitiger Bebun-
gcu anki'mdigt, fo ift es unleugbar, dafs je mehr
dem Tone von diefer Eigenfchaft zukommt, defto
angenehiner mufs auch die Empfindung feyn, die
er hervorbringt , das heifst , je reiner der Ton ift,
defto fchoner mufs er feyn.
Man verwerhfele diefe Reinigkeit nicht mit
dem, was der Tonkiinftler gewohnlich unter Rei-
nigkeit des Tons verfteht, wenn er ihn mit an-
dern Tonen vergleicht, die entweder in der Har-
monie zngleich gehiirt werden, oder in der Me-
lodic auf einander folgen. Hier ift die Rede
nur von einfachen Tonen, die aufser alter Ver-
bindung mit andern Tonen betrachtet werden.
Ein folcher einfacher Ton ift um fo viel
reiner,
1) je reiner die Made ift, deren .Erfchiitte-
rung den Ton hervorbringt. Rein ift die Mall'e,
wenn fie ans lauter gleicharligen Theilen be-
fteht. Gleichartige Theile bringen eine gleich-
formige Erfchiitterung hervor, und auf diefer
allein beruht ja die Reinigkeit jedes einzelnen
Tons. Man beurtheile nach diefen Gefetzen die
verfchiedne Wiirkung, welche einzelne Tone
verfchiedner Arten von Inftrumenten hervor-
bringen. Unter alien tonfa'higen Malfen ift una
*) D.u Ncrvcn beruhrt werden niiiflen, wenn cine
J'.mjjiiiiiliiiii; Li/.in^t werden foil, dariiber winl
ki.iu Siri.ii enuichen ; aber von wcldicr Art die
J'.ci uliiuncj fi-vn ninlii', wenn man die F.nipfin-
(binu; aii£eiirliin m>iiiir-u foil und welche Galtung
von " Jii^t Hi-linicn F.inpilndiinAen den N.dimen fchtv-
jiir JiinjiJiiidiiiii'f'i yinli<ne,~ darflbcr hat man fich
bi$ di'lt-n Au^enblick nodi niclu fo ganz vcrehii-
gen Lonnen.
**) Alle fclirtnen FmpfinJiuijren munen zn»leirh an-
geuebuia Enipfindioig«ii l«yn. Aber uich't jedu aa-
eenehme Empfindung yevdicnt den Nalimcn einer
Fcliiiiien F.mpJiiidui'i;T Der Anbliak eines nn»e/i.il-
tcien Hol/Jianfeiis Kann bey einer felir [ireni'en
Wiuterkalte tin felir angcnehines Gefchl in inij*
crzenjien, fo wie das Ranfclien des Fufstritts ei-
ner mir bekannien, gelicbicn VeiTon. Nicht der
finnlichc Eindnick, fondtrn die dadurch erweck-
ten Ideen find cs t die in beyden Fallen meiite
Nerven in cine fitfse Bebmis; verfetzen. So fchwa
diefe Tdei'ii feyn kiinnen, fo >vnnig branchen e*
die fiiinliilicii "Ge^enfMn.le y.n (eyn, "Vrelche fie zu*
f.illi^erwc-ife verajilalst lia'ozu.
A a
gegenwiirtig wohl keine rein ere bekannt, als
GI1S3 (e? miikte denn cine ausgefudit feine
Darmhdie feyn), *'t <-'"> daher wold eiii W'tin-
der, wenn nodi Kcin Ton von irgcnd ciiiClll
Initruinente den Ton cincr Harmonica an Rei-
nigkeit erreidit hat. *) Wenn die Erbauer uri-
frer nmfikalifdien Infinuuente nur auf diefen
einzigen Umfland mehr Bi'ickfkht neiuuen woll-
ten, wie viel wi'irde nit'.r fdiun dadurdi die
Tonkunft an Yollkmnmenhcit gewinnen ! Aber
wie mandie Pllichten lallen fid) audi biennis
fur den practifdien Tonkimftler abieitcn, theils
dafiir ?n forsen, dais iein hifrruuient Jich nie
mit frentdartigen Tlieilen vermifche, theils aber
and) darauf zn felin , dafs die TJieile des In-
/huments , wekhe bey der Hervorbringnng dec
Tons der umuittelbaren Beriihrung ansgefetzt
find, nut vorziiglkher Sorgfalt gewahlt werden.
2) Der Ton ift ferner um fo viel reiner,
je mehr der tonende Korper von andern unrei-
nern Kurpern abgefondert und ii'oKrL werden
kann. Mit irgend etwat mufs jeder tonende
Korper wohl gefafft werden. Aber da die Er-
fahrung lehrt, dafs jecier bewegte Korper feine
Beweg)ingen den Kbrpern mittheilt, die ihn
zunachft beriihren, fo hat man anf der Einen
Seite dafi'vr zn forgen, data der tonende Korper
von folcben Dingen umgeben fey, die ihn we-
der in feinen Scliwineungen hindern, nodi die
Sdiwingungen atifkmgen nnd durch ihre unrei-
nen JVIaflen fortpfl.mzen : auf der andern Seite
nmls man fidi hiiten, bey Hervorbringnng des
Tons den Korper, wekher tiinen foil, auf eine
Art zu beriihren, wekhe die Erfdiiitterung des
Korpers augenblitklich hemint oder ungleichfor-
mig madit. Beyfpiele zu diefen Erfahrungs-
Xatzen laffen fidi in Menge denken.
5. Der Ton ift aber audi um fo viel rei-
ner, je reiner das Mittelorgnn , die I.uft ift,
wekhe feine Fibrationen nnfern Gehornerven
amttheilt. Um meinen Lefern liievon nur eini-
ge Begriffe zu geben, bifte idi fie, fidi an das
Vergmiiien zu erinnern, wehhes il . * ompi inidt-n
haben, wenn bey eineui fti'.lsn, ru'.igen Abeii-le
einc .Mn/ick aus der Feme iii.H'n vii>.^f,on k-nt--,
oder weini fie be.y cineiri f/i'ihen M-Jigon zu der
Zeit, wo die gauze Natur nodi um iie her in
tiefen Sdi'.uminer verfenkt war, durch fanl'le
Tone geweckt wurden. Wir tinmen uns un-
inoglkh von alien den Eindri'icken Berhenfdiaft
ablegen, die am geraiifdivolleu Tage durdi rau-
fendlaltige Lufterfdiutleiungeri auf nnfer Ohr
gemacht werden. Wir glaiiben vielleidit nur
einen Ton zu horcn, weil grade diefer Ton
jetzl die ftarkften Bebungen in uniem Gelior-
iierven hertrorbihigt ; und tlodi wird diefer eine
Ton von viel en taufend Erich it iLviungeri der
Luft durdifdmitten und dutthkreuzt, die voil
alien Seilen her, aus dtr N.ihe und Feme, auf
uns eindiirigen; die fidi duixh die feinlien Ouf-
mmgen unfrer verfihlofgr.en Tiniren, durdi die
unfiditbarften Fugeu mehrerer Dielen und Wan-
de einen Weg zu miferm Ohre bahntn. Nun
denke man /ich das dumpfe Geraufdi mehrerer
Concertfale und mufikalifdien AJiembleen — die
Gegenwart fo vieler AJenfchen, von denen jeder
eir.zelne d<)di irgend einige TJieildien Luft in
Bewegung fetzt — man denke ildi die median!*
fchen Verriditungen aller der Werkzcuge, deren
fortdauernde Beweglichkeit die Tone hervorbrin-
get; olme nodi auf die Eindrucke zu rechnen,
weldie von aufsenher durdi die erfchiitterte Luft
in den Verfannnlungsfaal eindringen werden, fo
kann man leicht begreifen, dafs fehr wenig Men-
fchen von der Annuilh und Siifsigkeit reinex
Tone deutliche Vorftellungen haben inogen.
Alle diefe Betrachtungen, verbunden nxit den
vorigen, geben es uns den'Tub genug zn erken-
nen, dafs die vollkonimenfte Pic ir.igkeif des Tons
ein lileal fey, rkin fich dor Ki'mftler uhne Auf-
In'iren nahern kann, olme es jenuils vollig zu
eireidien.
*) Fan ftberan. 1 ! wfhltfames Mhtol, den Ton «n
vcikJioiicru, und die Unreini^iviu dtr M.in't- cints
toiicndca Kurptrs durdi Kiin'ft *n vcrlicfli 111 , ift
dk- Rt fraction der Tciuc. i\I<ui miifs mlimlidi, fo
viel cs nnr iinmcr die Scliw'.iclic des Tons ( rlan-
bcii will, zn vcrliindern FuditMi, dafs dtv Lnft-
fuil5, .Icr don Tun fortiifl.m/.t , niclu in cr.idt>r
JLim'i- das OLr L'-rfllire. l).idtirch wird in dtv Ma-
lik die ndimliche Schonlicit er/engt, die in der
lWdliltivy durch din Reflexion der LicJitfir.ihku
bcjrii Ilcllduukd fu.iitl..ir wird. Um iieli d.ivoti
Bc&riRc zn nindiciii diirf man fich nur die .uijic-
iivJfin\e £)npfiiiduwg verg. -euwirtijjcn, die iu iin»
durdi cinr Mufil aus der Feine oder in einem he-
n.!c hb.11 n.n Ziinii!' r trw.tkt wird. Man ciflW. mid
deckt tin Kl.wier und btoljadiie den Un.tiichied,
Vrcli her St, m findci, wenn der Ton cnuvtdcr den
Ci.idi'ii \V ( ji zn unft.rm Olnc iiehmen Luui, oder
durdi ('n;vvti>. cijlnn f»;« *eitet wird. l»n crOeni
l'A\t ifi. die "r.ni'»fiudimc in u 11 form Olive allcr-
din^'! /i.irktr uncf klh.iFter, aln'r audi ?.iij>lcidv
miner und im.iiiji« nchiner, als in dem zweyteu
I'alle, wo die Lull um vicles gefinfiijiel nnd »c-
jiiikleri in unfer Ohr driuilt, nnd un'i Weni^er
den tc.iicndeii Koi^per mit alien fcincn Jkitaudtlwi-
len, als den Ton fdbft tmpfmden l.ihi.
Wenn iibvigens die Schdnheit eines einfa-
chen Tons einzig und allein auf fciaer Reinig-
keit beruht, lb wiirden alle Menfihen duriiber
cinig feyn, was fi'ir ein Ton das feyn miiife,
dem nun Schimheit nitht abfprechen konne.
Allein dcr Ton hat noch fo manche andre
Eigcnhhaftcn, wodurch er in uns eine bald
nu-'hr, bald weniger aiigoneinne Einpfindung er-
zeugen kaim. llohe und Tiefe, .Starke und
Sthwache des Tons inachen auf nnl'er Ohr gar
verfchiedne Eindriicke: je nachdem unfre finnli-
clien Organe fefter oder lockerer gebaut — fthlaf-
fcr oder ftrenger gefpannt — viel Oder wenig an-
gegriffen nnd beriihrt worden fmd. Der Klang
tier Mufcheln, Horner nnd Bocken, der das Ohr
des gefitteleu Europaers mit den widrigften Eni-
plindungen beftiirmr, kann Hannonie der Spha-
ren in dem Ohre eines Wilden feyn, deiren ftar-
ke Nerven eine viel lebhaftere Eifchiuteriing ver-
langen, als der Ton irgend cincs fanftem In-
ftriunents hervorzubringcn im Stande ware. Der
muntre Ton eines hellen Blasinftruinents, der
mit mi fern lebhaften Gefi'ihlen heme fympathi-
iirte, kann niorgen auf unfre losgefpanntcre
Nerven einen unertraglicb. widrigen Eindruck
inachen.
Sehen wiv anf den Ban der menfchlichen
Organifation, welchen Lnlerfdiied werden wir
da gewahr. Alter nnd Gefchlecht , Geburt und
Erzichung, Stand nnd Verhaltnill'e, Clima nnd
Nahmngsnuttcl , Ruhe und Thatigkiit modifici-
ren unfre kurperlichen Organe bald fo, bald an-
ders, je*hachdem es deni Zufalle gut daucht.
Und diefe fo verfthietlen inodilicirten Organe
find anfserdem noch einein ewig fortdauernden
Wechfel von Veranderlichkeit unterworfen.
Eine feuchte oder trortne Atmofphare, ein
ftiirkendes oder fthwachendes Nahrungsmittel,
eine frohe oder widrige Begebenheit giebt ttn-
fern Nerven augenblicklith einen andern Ton
an. Wie ift es moglich, mit Gewifsheit zu be-
Itimmen, welchen Grad von Sliirke oder Schwa-
che, von Lebhaftigkeit oder SanWieit der Be-
ruhrung, unfre Nerven in jedem Momente un-
frer Empfindiingsfahigkeit angenehm afficiren
werde.
Noch'inehr Ri'ickfitht verdient der Umftand,
den ich Nervendiat nennen niothte. Jede be-
riihrte Nerve erfchlafft in dem Grade, in wel-
chem fie beriihrt worden ift. Eine Nerven-
fchwingung, welche allzulange fortdauert, nuifs
das angenehme Gefidil, woinit fie anfanglich be-
gleitet wimle, zulezt in eine widrige und un«
erir.igliche EnipGndung verwandeln — daraus
lalfen iich die Annehnilichkeiten der Abwechle-
lungen von Tcnen erklaren; fo wie das Mifs-
behagen , welches wir dariiber empfinden wi'ir-
den, wenn ein und derfelbe Ton, fo angenehm
er auch an fich feyn mochte, in gleicher Starke,
ununterbrochen das Ohr erfchiitterte.
Daraus lafst es fich erklaren, wie auch die
fi'iflefte Mufik durch Uebermaafs das Ohr ermii-
den und uns zuletzt die Freuden dor Tonkunft
weniger geniefsbar machen konne. Erklaren
lafst es fich, wie es zugeht, dafs beym friihen
Erwachen am Morgen jeder amuuthsvolle Ton
einen doppelt fchiinen Eindruck auf unfre ge-
fchonten Organe niache: nnd wie begreiflich es
fey, dafs der Freund der Tonkunft von alien
Inftnunenten iminer wieder auf das fanfte Cla-
vier zuriickkonune, fiir defl'en fortdauernden
Werth unter alien gefitteten Menfchen, die ih-
rei\ Sinn furs Schone nur einigennafsen ver-
feinert haben, man fich auf imnier verbiirgen
kann.
Alles bisher gefagte betrift bios die Natur
nnd das Wefen einfacher Tone , ohne Beziehung
auf hannonifche oder welodifche Vervieifalti-
gung derfelben.
Diefes letztre wurde eine eigne Unterfu*
chung erfordem, an welcher der Verfafler die-
fes Anffatzes gegenwiirtig durch feine Zcitbe-
fchriinkungen gelundert wild.
2. RECENSIONEK.
Jlolgcr Unnske oder Ohcron. Mine Oper in
drey Aden. Clavier anszug von Fricdrich
Ludiiig Jeinilius Kunzen. Heraiisgegeben
•van C. F- Cramer. Copenhagen 1790. Ge~
drncht bty S. Sonuicl'fen. (i5q Seiten gr.
Queer -On. J'rch 5 R1I1. - Ift in der neuen
BerJ. M11X. Handl. auf dcr Jiigeibriicke zu
haben.)
Von einer Opermmific , die man oline den
Gmndtext, mit einer blofsen Ueberfetzung nur
im Clavierauszuge, vor fich hat, den Werth an-
zugeben, Ami fie als fclbftftandiges, nur den Re-
geln der Compofition uiiterwori'enes, Werk fiir
iich behauptet, den ihr als Nachbilduug gegi be-
ner Gegenftande das getroffenc Original — il.rem
Verfaifer der wolilverftandne Dichter Beyfall
A3 '
winkend — zuerkennt, den im vollften Miafse
der zum Empfin leri unil Bemtheilen ties .Scho-
nen gleich fain'ge Zufchauer fuhlt, wenn fie an
dem Orte, den boy .Strafe tier Lahmung Hirer
jugendiichften Ki\ifte fie gegeu einen amltm nit lit
veriaufchcn darf, auf tier jUiihne, von ihren Ge-
fpielen, Art ion, Tanz, Decoration etc. f«>
unterftutzt, als diefelbcn uuterftut/end, in je L-m
Jieitze I'thimmert mid mn fich her j.-di.-s arbei-
tende Glied im Fcuer ra (Holer Tiuiigk'.-it unier-
halt, — cine fob he .Mufic in jeder Hhcklidit
mch alien ihren Theilen zu wiudii.en, wjiui
man nit.ht bey tier Vorftelluiig gewefen, nitht
einmal die Parti tur hat; Hire Wurkung mit ileu
der Abficht des Compouiften zur Regel dienen-
i)cn Gefetzen zu vergleichen — ift ein felir mil's-
lithes Unternehmen, ein fchwi'iriger Frozefs, in
deiu ein Ilandbaber der kritifchon Gefel/.e lehr
behutfant verfahren nntl gleich im voraus deiu
leicht verleUten Ki'mliler die Appellation von
jedem einzelnen Urtheile an einen befl'er Unter-
richteten vorbehalten mufs. Auf Fltigeln der
finnonden Begeiiterung fuhrte den Tonkiinftler
lein Genius vor die Bi'ihne; liier fah er idea-
lifch, wai er hervorbringen wollte, nach deiu,
was er hier fah, machte er einen Anfchlag aul"
mannigfaltige Vertheilung mit Reiz gepaarter
Schonheiten; eine grofse Schaar erwartete von
ilun Befehle, die Ausfuhrung eines vielumfaf-
fenden Plans zu verfuchen, jedem ift fein Plata
angevviefen, das grofse Spiel beginnt iuid en-
digt, — aber er, ihr Anfuhrer, hat noch anau-
cherley Fehler enldeckt:
Hier ift die Tonfolge zu gefchroben in ein-
ander, angftlich, gezwungen, dort zu rah.h,
zu wenig veivveilend unci den Ausdmck
anhaltcnd, oder fie f.'illt ins fchleppende,
das Gcwinde der Mitielaccorde umgaiut ih-
ren kulmen Fittig; hier £ It ein Accord /.n
voll, die Tone vertragen wetler Verdoppc-
lung ihrer felbft, noch Vorhalteii oder Vur-
greifen anderer, andern Accorden eigen-
thiimlichen, Tone, dort ift eincr zu leer;
hier l'ehli's der Declamation an Wahrheit
des Ausdrucks, dort an Sthimheit ties Ge-
langes; an der Stimmenverlheilung tadelt
der bin und wieder nitht befriedigte Beit/,
der lnflnmiente noch allerlev ; diefen Satz
ftofrt die nach der zweyten Violine augeln-
de Bratfihe von fich — ihn nehmen Vio-
loncell oder Faioti mil Freud en an ; jener
veriinderr einige Uepptekeiten in Simplici-
tat und geht von der Flute znr Oboe fiber;
einen andern iheilen in umgekehrter Ord-
nung der I-age die Flutuu nut den Violinen ;
dort zanken Violine und Trompete (V!» mil
den Vorrang: jene will in der N-uhahinwjij;
bei'ler als diefe das au?driirken k»'Uen, v..,s
di;*le da atisdrtickL, wo fie, z. B. i»u \~ ■•}.,< -,
nicht nachahmt, — uml ein £• hulz Ipruhi.
der Viulino den Vorzug /11 ; noth erfdi Ikit
da und tlorlher kleine Beit hwerdeu iiber
Mangel eines hoherii Grades d.-r A;'i>'itabi-
- liut, in deren Einrifhtung Ilaytln, der — ■
liberal! Her/eiiaki'uuiiger — die Seele aut.Ii
der Inftnunenre und iiire Kr.iite bis auf die.
verborgenften W'inke'zuge kennl, iiuuier la
ghicklith ift. —
Diefe Fehler werden verheflert, das idealifcbc
•Sjiiel \\!rd tifter wiederhohlt, und nun wirft der
Coinponift feine fiir Formen becirese Malfen
aids Papier bin. Aber auf l'o uncnoiiih vieles,
befmders auch die Wahl und B.-handiung tier
Infirumente, er dabey Bedarht liimnu , l'o ift
das Clavier und die einfame oder gefellfchaft-
liche Unlerhaltung an demfelben doch geraile
das, worauf er gar nicht zuriuklieht: und nun
iolite es moglith ieyn, dafs, gegen jene Orche-
lleriuulic in der einen WagfVlujIe, in die andere
diefe Clavienuufic gewoifen, diefe mit jener
gleich woge? deiu urfpruiioiithen , felbitftain'i-
gen, fichern, unbedingten VVerlhe jener voll-
wangigen Schiinheit der unterfch<)bene, depen-
dente, unfichere, bedingte diel'er hagem Gelh It
an die Seite zu ftellen ware? und tlal's an Triim-
mern eines Dianentenu>els die in C»n»]»agnie-
Packhauler verbaut Jin-.', ei-i Ihumelfter reel von
zerlhirter Guif-se mitl Stln'hiiieii melu*, als die
gelchehene ZciTtorung erkeniH.e? — . Gewils ift
das idcht moglich; felbft derjeni^e, der eine
Mufic in voller Auffiihrung geliort bat, dem
/ur Wiederhohlung des GenuIlV's am Clavit r die
Erinneriuig Hire Hand !i i<-i , mid fur di-.i in
f.i weit die Ausziipe z<;ujt?iit eiiion Weilh h;'»
bt-n, liiulet oft vide ^hiiie, tl.i- drnt Geliiotc
hier wieder zu erkeniici ; und tier V\ rf.dler die-
fes Auflalzes wiiitle full k<-!ii tuYenllicbes Ui-
theil idler das geiueiul' liai'ilit he W«*rk tier Her-
reii Baagefen und Kun/eii, ihren ErIHing in
diefcr Gaining, erlauben, wenn er nitht bey
zufalliuer Gegenwart in (J ipei.ii.igon diefe Oper,
von tlen fimfmal, die lie d.d'flbii geceben leyn
wild, viermal geh<>ri — fie m horen, darf er
wohl I'agen, das Glmk geliabl ItaLJe, derm fie
ill ein wahrcs Gcuieprtiduckr, untl wild — nitht
melu gegeben! diejeni^en, tlie — Goit vn-\'$
quo jure? — aus cinem gevvill'cii Grundc an ih-
rer Zuruckhaltuug Sthnhl fintl , follen, win die
Natlnicluen aus Copenhagen In. ten, dem an-
dera gefiunten Publicum — /.»/«,\/i dum reges
dclirank slrhlrix ~- ihr Gc fallen an denden, am
demliaUamldion, lV ; .a/..(;i l h:i., IXiuichen iibei-
fefzten Uj.rn.Uiii iuitihfilt-1!, <d:ne i» dielen Ge-
fdimaik iit'.l Sii-.cii %-.-■. vi Srt-i.'kH Carricaturcn
das wtit ;i-i";:»n.Mi.ioi-c \urh.»juicjill)n jenes Grun-
deS 7.11 hi'llU'ikcl).
Zuvor ab.-r finises von dem Terrein ilcs
Cimiiii>ii:ririi, tie-in Text der Oner; obgleich der
Heir Prof, (.i.uiit-r in dcr Vorrede zu feiner
Ueberft-fzui.:: ..lie auth befonders abgedruckt ilt)
alles vorweggciuumuen zu haben fcheint.
So del Celegenheit dcr Dichter dem Com-
ponilten gent-ben, alle Kufte dcr Mufic in Ar-
beit zu letzen, fo maiinigfailig die Scenen, ver-
fdiieden die Charade-re, abweihfelnd die Lei-
clenfchaften , und zu eineiu fdnmen Ganzen fidi
vereinigend die Thcile find , l-» rein (wir ralen
bier nodi nicbt von der L ebtrl"euung) ilie Sj.ra-
chc, nallend die Wakl der Ausdnuke, fchoii
die Diction, leicbl die Wrlilkalion, mid fo lelir
alios S-wache mid Il.m.'Imii. dcr Leid-.-nfchaften,
foliilk-b in fo wen di.cinluh miuiialifdi ilt; la
wrnis die, felbft cine" aiiijvnelinie Lee line ge-
wahrende, 0{>er Haupttuder zu liaben ftheinr,
— einer inf.chr.e denn ileii Doppeljdan des Stiicks,
die Verniil'. buns; der I eemvdi mit derMenfchen-
welt, mnl di :" V. rhi.iliu;2. des Coiiiifdieii mit
dem Tia.:if«lien dalnr h.di.'r., - lb lial lie doth
Febler; aber fafi alb; m.-i diefe vnn dcr An,
dafs lie bey dc.- Auli'.ih.in.c verbell'ei t werden
konnen, mid lie verdieuoii d.dier in zwieladier
Riickficht eine befondro Anzeige.
Rin Febler ilt es, dafs im Anfangc des er-
ften mid drillen Act-* >W ■ Nenen, wo es dunkle
"Nadu iff, gar zu lange daiiern. So wie die
Dunkelheit iiberbanpt keni Gegeuffand de* Rei-
tzes ii't, fo wird lie bey der iiberniaf>ii,en Dauer
bier belbmie's daium widerlidi, weil mir eine
Oder zwey Perfonen auf der Buhne find, mid
zwar folche, die man nitht kennt, fi'ir die man
eft Intevcife bek"iiimen f.dl. Eine Unfeiwdts-
Icone im Urphcus, z. E. Ibuteniilc fich wohl
obne fr.ierwog-nden Pilegeihnn, w< il die Men-
go der Fir ion" kerne Lotve fins Ange hilar; mid
die achte So.nc des d.i;ten Acts hi r im O he-
ron, tin dunkle? Gef.ingnifs, thnt vortrcllidie
Wiukini'/, dviin wir kennen da ilen urifd.uldig
Ldden i'.n .ii.d haben It i;on voiherTheil an fei-
j.rm .Stl.i.klal tcuniiuiivn ; audi k. in Sliuin,
Blitz, Domier, phyiX he E.lthdnunp en , zu de-
rcn hi'.uii.'ien M..i\ rr.iir.r.Liw,: 1 : dcr DiJiU'r in ob-
crwahnten .St-ncn den Maidiinenmeiltur rcqui-
virt hat, Llvveu tl.i nidit «K ii I.indruck der iMu-
fic uiul der Action. Ditfe bvyden Fchlcr jui'illen
und k«nn»n we seer a unit , wmigftens vennm-
,lert werden. Gai./. die duiikle N;icht und das
i.liiirild.c Stiinnen, Di.nncrr , BiiL/en enilcr-
nen, gelit iddit an, ilt au.h .lie AWitht d.elor
Erinnerung nitht; aber <iie Nadu kanii wemger
dnukcl fevn, im erfteu Art Idion, S. c6 des
CI. Aii>/-. beym Einlriit. de> Larphetto zu fdiwm-
den anfangeii mid mil Oberon- Erfdn-immg in
Tag verwandelt fevn. Elien fo braudit man's
nitht fo haulig uiid furduerlidi liurnilniil.-n,
blitzen und donnern lalfen, als vorgefdiricben
fteht: dels wird fidi die Mufic freuen.
Einen Anachronism fcheint der Dichter be-
gangen zu habun, dafs er Bezia dem Langulaf-
fer zur Brant eicbt , el:e die That, dereiitwegen
fie's wnrde, di«- Erlegnng des Luwen gefthehen
war, urn deren Preis jener Holgern betrog. Zwar
nennt Btzia Langulaffers Nanien nitht, fpridit
fie riur von cinein linftern BWiutigain, den fie
hafst, uml einem au? Weften fich nahemden,
der fie erretten moge; und fo kann man, da es
iibrigens gewifs war, dafj Langnlafl'er, kehrte
mit Sieg cr zuriitk, l\e/ia's Hand erhalten wiir-
de, ficirdenken, dais es eben jelvt die Zeit ift,
da Bezia ihn entweiler mit Sieg wiederkehrend,
folglich als ihren Verlobten, oder die Nachricht
eiries iibeln Ablaufs crwartel ; aber man gerath
mir durch nuibfaiue* Znfaninienfiellen und Ver-
«l..ii.hcn auf diefe Diltinction, uml giebt willi-
ger der uahcr liegenden Vtnllellung Bamu, dafs
tiimijjihirend zuriu.kgckehrt Lanpulaffer IVhon
ii idler, als wir l\eiix das edtemal fehen, wie-
der da gewefen ; und diefer Wideiftreit zwilchen
einer weit zu fu then den und einer nahe liegen-
den Vmftellung, wovon le/tere die unrichlige
ilt, fthadet der Sadie ein wenig.
Die hii'ufige Scener,wandelung im dritten
Act, die der Vorzug, ('elleii in diefer Biitkficht
der zwey to Act fich riihint, vielleicht. idler die
Gebuhr zum Gegenftarul des Tadelns erhebt,
lafst fidi nicht andern ; wenn aber der Einwand
gegri'indel ware, dafs am Schlufce ties Stiicks
Oberons und Tirariicns \Viede.ve.iinigmig weiii-
ger, ala im eilieri und zwey ten Att ih re Tren-
nung, mit IlaiuMiins un.l Interelie fur die Zu
fchauer dargcficlk worden, fo niodile dem nacll-
geholfen werden koiuien.
Bcym Vergk-id-en der Ueberfetzung mit
dem Original vennil-t man, eins e.GS.em> andre
gerechnet , an .Si.nke, Pratifion des Austhmks,
Bi'mduiig der Gi'dankeu nidiLs reelles , vielmuhr
ift m.uithe.- (icdantke bald gegeu einen thick-
lichern iiu-geianfcht, bald durch pairende Neben-
zuge bereidieil, bald durch cine in Betrell dcu
3
Locals ang^mersnerc Spv.iche individueller ge-
xnadir, iiu-.l durdigehemU das, was der Mufti
zii fagen ha I , feinem Character nodi emeu
Grad iiiihcr gebradit worden; mul Kleinigkdie.n
abgeiedniet, wiircle der Deutfche Text fidi eb<\u
lo leichf, als der Daniiche fingen lailen, wcisn
Hr. Cramer Xlili iimuer an das Schema tier Ver-
di im Original gebunden, unci den lUim, war's
audi nur in den Liedern, den kleinen F.ien-
choren unci den kurzzeiligen Alien wie.kigt eo-
ben hiitre. Die leyeilkhe Dedamasi'm ulnie
Mufic hak-t vielSeidil den Reim, fetblt in l\ed-
tativen nii.t Mulic; aber gewil's die Aluiic, wo
Ihr Gang abgemeil'en, ihre Melodieen an Rhyth-
lims ^ebundner Gehrig find, liebt ilm. purch
die bisweilige Abweidmng von den Einfchnit-
ten der Verfu des Originals ift cs z. B. gekom-
jnen, dafs in Rezia's Arie aiu Ende des erften
Acts die Zeilen:
O Tlnuiie, die mir den Blick rerdiiniinext ,
Vcrkundiin iiahendev St-Ii&keueii.
Vcrtrockr.e nkln, du liinnnelstli.iut
in der Folge der Wiediihohiung diefe Geftalt
annehmen t
Du, die fan ft mir den Blick nmd.taimerfi,,
Seli^kcitcn dem Sdunorz vcrkhndeft,
Vcrlrockne niramer, Erhaltcriu!
und dadurch die Siingerin, wenn fie niclit angft-
lich auf die Worte Acht giebt — was man von
keinem .Sanger fordern darf - leicht in ElTeU-
fhirende Venvirrung bringen, Halt hn Original
die Zeilen:
Men a den kildrcr, den fodo Smcitc,
Og V-llyfi flynger fig <»n mil Ilkrtc,
O' Frv2tcu fmilcr i ll.i^bet* Faru!
nnveriindcrt hleP'cn, mir die von feVbfi Akfdued
Tii'hmenden PartiUeln men und .'^ r (ilm n, uu.f;
weaLdkn, urn! dei Sanger, uhue jnit JJewuk'-
fcyn an die Wortc zu denkeu, nie iiiitedilo
treflen wild.
Knn endiich anf die Mufic zu koimnrn,
tVurfte in dem bisherigrn fclion zu viel ivralin.i-
rtHi'ili lit-? senior leyn, urn audi hier wicueiuiu
Ailgciueines wrauszuh'.iuken. Ohue Einkitung
denn !
Oleicli die Overture kuivlijt ein^n "faru
von Kraft nnd einen eiiin.fituku Kun :ki .sn,
der, bev .luf-'Mordenaichc it Keidrjiimu an v>J'»
k-miiueu gefsfsren, 7U» Heite £-.-dkheiu-n tit-—
d'nk.'.n, l'eiti«k( s it im Grbramh u -r irdmifdi-
]■■.!' =i!. hen flegchi hefit/I , feine Dar.'tdlnii^u
auiic!i;ii<ii zu nndien, dais iie ^ireuv C<j>ien
fcincr iitalihliCu OrLmale find. Di.-fe Ik-ni. r-
kung i)'.(timmt, \vr:ui Ji«' riih-'a iJi, lien Cie-*
/;d!tsj)U!..t, aus w-JiiK in Vi-.-fi.'»i -e wider SVLul-
gert'ih'i^l-.ek, iil.- in aUcn V."i:rkon del" Gc:ies
voil'jimiifji, hdratliii-t wrrden miiuVn. Ditie
find und bleil'eu licl<idip.ing der Sihoniicir,
behaupicu aber jede^mal mil Medit ihren l'!atz 9
wenn fie anf tier eincn Seite nidir i\en Bdtz
erhohen, alu auf der andern t'.]<*. Sdi.'inheit ver-
Wtzen. Nur wenn keine d«i!^l?khen Cidlliion
fie erzeugt hat, wenn keine Norm ihre ]\ed:t-
1'ertigung auf fich liintnit, wenn fie cine Gebmt
der Nadilafsigkeit, Uebtreilung oder Unv.-illen-
beit find, dami vcrdicnen fie den T-adel der
Sdiule.
Die Overture brftelit aus mehrern Tlieilen,
deicii Mannd'ai/;*, .uts uathher folgenden Stu-
(k«'u g'-'.iniuuieu, p-i'hiikr rrvveitert und zu ci-
nesii Gaji/.en vmi i. , .i'-'i--:r Wurkung verbunden
find. Do: erfiv 'J b<il, •Sdierasmius Tan/, worin
die Hole die erf; en \ iertLalb Zeilen — im Pre.
fto fiir erne FloLe la ft zu viel! *) — folo rpielt,
umerfdieidet fidi durth Aufmerkfamkeit erre-
gende Originalilat, kiuidet l)eliimnit den comi-
fdien Character der einen Parcie an, und lal'^t,
was die Ausfiihnnig des Thema belrift, nidits
tjx verlangen iibrig. Der folgende 'J'lieii, evnften
Characters, hebt mil dem fchmelzendeu Gelim-
ge an, durdi den in der zweyten Scene des er»
lien Acts Oberum Eihheinung angekiindig* wink
Von diufeiu gd:l- durdi dueu iM'»bfi-;i..:J!«-n,
frur:!:wi'iira!reii(!--u l'.-iitfr^'::ig /it dem, uathher
il- liewit ie! 1% ii'ii ji::: v. !:'<.> ii-.i'iiimei^kji, k-i/i*n
'I ii'il , w.niii Oivn.n- ki ij^eiidi- Sijmuie: ,,!//-
/«t' •■'..•, 7 i.'i.-ir'xi ! ^/. // /:/.• .. ./i , /.'//•//.'...'• f.c/ tfi du
it i t-Lr'. '* wm alr.vc id. -In.ien 1 I i(cn :iui Uboeik
t».ii(ivl, u.it « 1 -• j 1 1 iii.u l.'.iuL-n tijauleu j.»*a;eu cin-
and'rr k.t!ii;»: «. ji •!■ r T«>;.ni..f.i:ji ei.ien Coirrali. her-
vori.iiiiu' • durdi den lit it diek- Slt'.k IVine in-
di\ kiulk lk'ii";i:mc ii.liert. Dem Sdihiis tier
Overture, mil i < i- die JLmhnc full uiTn »,
idnuiegt i.:ie I'.:!.-.: .; ( ij lidi an, in der Obn.u;»
j.ui:mer;uiu Kiag..* ( -*■ Slumigeheul und Doji-
ner«
*) VieJleiJn iuIilu' es fidi auilt tmcli bcfl'cf aus, vsrciui li::c Violinu dkCen Saix binienn Sicjs fj>i<j:e.
nerfthlage folJten fie nicht begleiten oder un-
terbrechen! ) mit ruhrnntcm fanften Nach-
hall der Oboe und fcndanfdienden Echo clie
Lid'te theilt, mid — wenn noch in unfem Zei-
ten das Schkkful erdici'teter Wefen auf der
Sdiaubiihne interelfiren k.sim — AHer Herzen
7.(1 ftilb.m iVlitleiil rrwddii. Wahrer und Ichsi-
Tit*r heivlicher Gefang allenthalben ; befonders
tMiVf.il /.ur wdilgewanlten llaiiunnie die Zei-
Je: Ilor Obrrom rur/u fitter Klagcnl des Ueber-
gii»g in d moll: Joch it i-h\ nur JZc/w luufcitct
)//••/! Was das individuelle fubjective Gefidii Ei-
iiigvr t.idcln wild , ilt das kkinc Melisma am
S>"!itufs. S.dche IS.ii.ucn find k = iiicr, oiler finer
fu leinen Regel, die fu g-it, aU keine ift, nn-
tenvorfen, dais man darin jcdcm fdmci Ge-
fciiuiack laifen mills. Anders aber vcrlult ^5
iicii mit tier Elilion in der Zeile: Um dich, ILr-
zurn'' im lilAgc'dufi : \vu das Erfordemifs der
let. bten Vernvuuliihkeit dem Dichter die Weg-
werimig d'js kmivoials in Hizuiiitc nicht fug-
lich hiugclui lall'cn kann.
Der Einleitung in: folgende Recitativ ift
die Ueberfcluift zu geben vergeffen: Oberan
Jpringt anj von feinttu Silz. /lb und zu find
jDonncrfchl.~igc »c/i it ironlrit. In dicfem Reci-
tative, das gut dcdaudri Hi nud Xicli leichtor
fmgen la'fst, ah in. mi be Slillcii der fol<:cridcii,
ift iL"r L'ebergang vmn uiidicn Drcyklange auf
d init /im Ba.% , diirili Vxtijiianh'iund auf b,
nach bexuniart auf // mit dem Schlwls in der
Toraca r r — man kann nicht fagen zu rafch,
denn eine weifli'iweifende Modulation wiirde
die Sache nur noch fddeditcr machen, fondcrn
— etwas gcl'ucht oder gczwungei). Hat der
Componift elwa die folgende Arie fruher a,e-
lnacht, als den Sdilufs des Rccilativs? ilafs er
deswegen Jiach e zu kommen genothigt war?
Der Arie erfetzt ilnen Mangel an Originalitat
cin lebhafter Yortrag, ftarke Accentuirung der
hervorftcchenden Tone und Gebchrdenausdruck
des Sanguis. Naclda'fsigkeiten, wie der Seite
i5, Syft. w 4, Tact 3, wo das a der Mittelftinnne
den ganzen Tact dauern und an das folgende
gebunden feyn I'ollte, auf deigleichen man an
mehrein Stellcn des Clavieraus/iigs liofsr, merkt
tine offene ehrlichc Ciilik leicht an, da I'd fie in
der Parlilui die GelLilt der l'ehler nicht haben,
rugt lie daher nur im Allgemeinen und iiber-
l.ilsL fie der Yerbdl'erung ei'nes jeden, der daran
Aeigernifs nehmc-n kuniite.
Die 7werfo .Scene: ein dnnkler Wald , TTol-
ger und Siheia- f mi>i davorne, liiiiciiiwolleiid —
JUatht mit ilen hodeii foS' endcii zid'aiunicn ci-
gentlich nur Eine Scene aus. Wenn bej nnge-
zwiiiigenti VerJjiignung des Ritter - und Hel-
dendiaracteis Holger iloch nut ciner gewiffen
Wiirde fpridit, mid Schcrasmin nidit einen Ge-
cken oder plujiijien Bauerkiiecht fpielt, fondern
wie ein treuherziger , um feinen Herrn beforg-
ter, nur a us Ammeideichtglaubigkeit furcbtfa-
mer, angenehmer, recht lieber Alter mit einer
gewiflen Heimlichkeit piaudert, fo kann der Re-
cilativdialog S. i5 die nut Drtlieil beabfichligte
Wiirkiuig nicht verfelilen : Ilarmonie und De-
clamation Und gut geiroffeu; leuiere ift in den
Hauptaccenten der njtiulidien }\ct\e lehr nahe
gebraclit. Rey -Jnu Lento S. 17 ilt die Ueber-
lc!n lit vergellen : Sic jrtzcii fich je-.irr auf e/-
ii'ii Stubl'i-u. Holder Ttrtit-fL ficli in Geilan-
Ufii iv iltrttul Sc/icrannin J •>rt/>/„u.iert. Die bar-
te Zeile : Junift Juittji tin Arci, die nur ein
aulVerordentlich gelenkiges Organ deutlich ans-
Iprechen kann, hutle Heir Cr. in fein Verzeich-
juls von KjtHJ^cv/st/; 'jff/.»'.t/t«/; aufnehmen k«in-
ncn, welches er im vierten Theil feines Com-
inentars iiber Kloj'ftock gegeben hat. — Der
gefchiikt eingeifochtenen Romanzc, woriu Sche-
rasiiiin feiner Hcrzeiisbeklemmung Luft macht,
erhalten iluvn Character des Dr.ftern und .Schauer-
lii-ien /.weckmJlsig gewaldt und befch.ifligr die
oblijaien Rralfclien jnit durchgankeln !en Flc-
ti*n; und bey iter rerm.ite im di ii ten Tact vorm
Ende lielm die mit Eleifs gefct/.len (^uiiiien an
ihrem rechlen Ort. Das nadifte kleine Recila-
tiv, worin cine kiihne Modulation mit Macht
das Herz erfcluittert, leitet in ein grofses Duett
zwifihen Holger und .Scherasniiu ein, das mini.
nigi'allige 5chonheitcn res Aechtcomifchen ein-
lihliefst, denen felbft tLe Uneiiijd'anglidikcit fiir
Eindjikke da nicht langer widerftehn kann, wo
5. 25 die Stimmen zukimmengehen. Seite CD,
wo die Inftrumeiite im gelchwiiidern Zeitmaaf»
gegen cinandcr wirbeln ,"fieut nuin fich Syft. 3
einen alien Freund wieder zu fuulen; und die-
fem Satz dankt der folgende, in welchem die
Violinen den Rji's in ihre Figuren aufi.chmen,
<lie Vorbereilung feiner heni'chenden Triolen-
bewegung.
Wenn der folgende Theil diefer Scene, die
Syniphonie S. cC bis oben S. 5o, in der zwey
Orchelter mit cinandcr abwechfeln, auf der
Biihne nicht die voile grolse Wiukung Unit,
wclche man beyin Cl.uiere lich davon ver-
fpridit, fo Heal daiin ein Verfehen des Coin-
]>oniIicu, dais die Aclcurs bey cin paar Siellen
in die Mulic des liinlcm On hellers cinfimjLcn,
ohne von dem vovderu unleiltut/l /11 weideiu
Sonfl ift cs walir, was llolaer final, uuJ der
Jj
JO
wonneMvuckte Zuhiirer wiederhohlt's niitilnn: 5 etwas berirhrisl werden: An 1 1: wie fain da
St'l/cer //o/dluutl J/e/adi/c/ier Ton\ uicfchmn- fmdet, mi'ifste der SaU entwcdor drevftiniinig
rhelnd luubert dcin /f'otuicgtfaiigl — Dcuii urn j,i der Mittc blofs c bchalien, bis d tlaranf f„l-
den Hegeln des Satzes ihr Ilecht nicht zu kraii- gen kann, oder vieritiiuwis uugefahr i'o se-
kt-n, mills (was I'chon bey der Overture hatle lonut L\n;
gelchehen konnen) bey S. 29, Syft. c, T. 4 unci
ft
^ :
H<£9-
:p>:
/-
-P-*-^
«^ — P-I
-*p~* — *-•-
—y-~ — P- 1 --
e
-O-
-I —
3f E^E^S^zt :
E£-™Efe
Freutc man vorher S. 26 fich der Wieder-
kehr eines Bekannten, lb gerath uian jelzt in
Entzucken, da S. Si eine etas innigften Gefiihls
voile Paffage, aus der erften Arie Oberons, wie-
derkommt. So ein einziger Zug beweifet in
eben dem Grade, dafs dei Componift feinen Ge-
genftand nicht blofs theilweife iiberfchauet bat,
als er zur Hervorbringung der in den lueiilen
Opern vermifsten, erft dnrch Gli'ick ein Ziel
des Bcftrebens gewordenen, Einheit beytragt.
Am Schlufs des Terzetts erfcheint denn
plotzlich Oberon, und eine frenule Modulation,
S. 53, Syft. 1, wo die Tonica c verlall'end der
Componift fich in as als Tonica feftzufetzen ei-
nen Augenblick fcheint, fchnell aber wiecler ein-
lenkt, (wobei indefTen nicht verhittet vvorden,
dafs man Tact 6 ant f die kleine Terz ervvartet,
wo die grofse ftelit) rnft neue Krafte der ge-
fpannten Aufmerklainkeit herbei. Das kleine
Chor hinter der Buhne, von lb licblichem als
fafslichcm Volksgefange , das tifter wiederkommt
und eine Hauptrulle in der ganzen Opt-r iiber-
•ninunt, kann feiiier Wi'irkung leicht verfehlen,
wenn die tiefen Blasinftruanente und die Ma'n-
norftimmen (wie das in Copenhagen der Fall
•w;'r) zu Hark gegen die discantlTihrcnilen In-
ftrmiente und Stimmen find: letztere miigen
libber ein Uebergewicht haben, falls es, ein ge-
naucs Verhaltnifs zu beobachten, zu fchwi'irig
».V;yn follte.
Die folgenden Recitative, bis wo Oberon
Abfchied ninunt, dinften neben den Sdmlzi-
fchen j, die denn allc&, was je von Recitaliven
geniacht ift und Recitativ geheifsen Jiaf , hinter
iich laifen, einen Platz vmlicnen : fo fehr find
fie walner und fchoner Ausdruck des Wohlwol-
lens, der zartlichen Belbrglichkeit, des Mulli-
einfprechens; der Ergebenheit, des Vertrauensj
der Zuverficht. Belbnders zeichnen fich ans,
der euergilche Zurnf: Sey ftan'A fey f*fc\ J -J
Held iu der Frit fung\ uiul iler •Siegniariche Ab-
fchied: JS'itr J-on\ mir £rude fort] mid Sieg be-
gleite dich\ Doch fcheint ilie harnionifthe Fort-
fchreitung bisweilen ins Grelle zu fallen, z. E.
S. 55. Syft. 4, wo zur Verbiiulung der in Ei-
ner Pro])ofition ilehenden Redetheile zwar dif-
fonirende Accorde allerdings nutbig waren, aber
doclr nicht fo fchneidende. Fehler der Decla-
mation, wie die S. 84. in nie vcrletzter L'u-
fc/tidd etc. und S. 87 wie herrlich ift die Tit*
gend etc. auf dergleichen man inehrerwarta
ftofst, finden fich lei ten im Danifchen Original,
und midfen biiligerweile deni Coiirponiften rmr
dann auf i'eine Bechnung gefclnieben wenlen,
wenn er, ohne wefentlich zu a'ndern, die Ti'u-
folge geiiau den DeuM'Jien Worten anzupaQ'en
im Stande gowefen ware; wtkhes im let/tem
Beifpiel der Fall ift. — Die Zeilen, 'ie S. 55
und .j.6 Scbuiasniin hat, rinnen aus achter co-
niifcher Ader; fo audi der poffierliche Tanz, der
indellen vom Parterre eini^e nliilsigung der Bei-
fallsaiilVening verlangt, iim nicht in widriger
Lache erlauft zu wenien. An der fi'ifsen Arie
S. 5q wiirde man, dafs der zweyte Theil nicht
hat langer leyn, oder wicilerhohlt werden diir-
fen, nodi mehr, als gefthieht, bedanern, wenn
Hi". Kunzen nidit durch Ilinzufugung des Nach-
l'piels einen Theil der Erwarl.ung gefangen ge-
noniiuen, und fur einen gefduueuligen Ueber-
<:ang in chs folgende Chor g.:forgt ^ha'rte. In
.Icin Duett: JEr fiuva/id, womit Holger und
Scherasanin abgehen, und wovon das Elide aus
11
der Feme de? Wnlde? ed:urt wird, durarreri-
iirt der Cumpoi iii den lu:b":t .Sdiera-miin tlurth
eiiicn vnt'roiljc ucn /ua, ir.iU-m c-i ihu die Wor-
to: in\ f'atcrltiiid \v.\l tine prairnaiMen Stlin-
fudit , die einen fdnen Anliiidi des Gomifthen
hat, wiederhohlen l;d -.L : Sd-.iTamdn geht genie
nut, aber das V.itorland , adi ti.it; liebe Vatedand,
• — er mag es vvuhl fell /wanzig Jalne-i jiicliL
gelehen liiibeid — liegt dem guten Alten doch
jiahcr am lleizen,
Bis hieher find \dr Finem Haupttbeilc der
Entwickehuig gefolgl:: Obcr.m in feiner Eim'nle
hhmachtei nadi Wiederveremiirune; nut Tita-
nia, k-iner GaMin; ein Streit ha tie lie bciile
geMcinU, und die Bedims wiig ihrer Yerfolu.ung
war, ein liebcndes 1/aar zu linden, das in alien
Prufungen des Schickfals einander treu biiebe.
Obei'on verzweifelrid : „J.ihr)uiudcrte Juhn oer-
gehens wicli hoffai] — /■•/«• fiudn uittcrni Mon-
de uicltt FJiiai. Einm treucii Liebeudeii]" —
verfchwindei ; wir follen ilm einen neuen Ver-
i'udi wag-en lean: ein filler Jiiiigling, Holger,
ein knlmor Kilter, der einen fchwi'irigen Auf-
trag femes Kailcrs auszufuhren vor hat, erfdieint,
mit feinem Knappen auf der Fahrt nach Bagdad
"begriffen, vor einem be/auberien Walde, chnxii
den iln- Weg geht. Sdi aa-min verfndit, wen-
det alles an, dais Hnlgcr einen amlcrn Weg
im'iae w.'lhlen: veracbem: ,, Holders Bnlen kennt
keine Furdii. u Indent fie luneingdicn wollen,
crhebt ein GeuiUer iidi und t.';r.i.V l.cblidi aus
der Feme: neucr Anh'.H for Sdverasmin, z'un
Flielm zu ratheu: ,,/hr iutfv/n-iula //ohlluut
lockt zum J'vrderben in Sc/dingcu wis bin] "
Aber Holgern „zaubevL in \Vum12 der Sduuei-
chelgefang, " er will der Siinuue errgegen, die
ihn ruft, reifst hdi los von Scherasmin; indels
fteht pldtzlich vor iiim Oberon da: „/J'i/l/iom-
rr/eiif mciu Holger] — ich kenno die//, van der
tT ieg k an jc/iun Aanut' ich dic/t mid lieble dull]
— wcifs des Kaifers Bcfehl ! — I)ir J'ulgt rneiii
JBeiftand , bleibi Jxirder , ivia bislier , der rcincu
Tuge/id dein Ilerz getrcn ! — JDeiner harrt das
J'clibitfte JLoos der Liebe ; doch hall feft im
Blick des Zieles Krone] fey ftark, J'ey fcft>
fey Held , fey trcii ! bis ziim lode ! " Holgeni
1'ullt Oberons Rede mit nie empfundner Zuver-
fidit: „Sieh nicin flerzl es giebl ficli ganz ill
dcine milde Hand; — nimnier briciib es den
Bund mit dir, den Tug-end fcldofs ! " und Obe-
rom un/ichtbares Gefolge preift in fern en Cho-
ren die Tugcnden der Trene, des Muths und
tier Standhafiigkeil. ; indd's Scherasmin leife und
ritternd den letzten feiner Verliidie wagt, dem
JilfenkOnig biifen Leumiuul luachi; „der Gvli-
fvybciwn Uchclt nie ein Eugel , und predigt
ule ein i:-J<i/c/;<>/\" worauf hierfi'tr unci „fiir
dur l.xkern Jnpend Si'uuien" die Strafe des ge-
zwungejien T.m/c-, und aid* diefe denn audi
Sdierasmins Vertnnien zu Oberon folgt, wel-
ches durdi tiui Zauberhtii-ii, cieil'en magifche
Kraft Oberon bey der L'eb- rreirhung an Hol-
ger befchreibt, und nodi nieln durdi das, Sche*
rasmiiien ah Sdiineizensgeld zvi TJieil wer-
dende, Gefdienk eincs Beihers mit unleerbarer
Neige, nodi fefter uird. JeUt ift Oberon ver-
feliCviinden, und indeui audi fein Meld mis an*
den Aug"]! kommt, nach Bagdad eileml und
untervvegs das Ab.-nlhener mit dem Lbwen be-
Aehcnd, wodurdi fein Anljnudi anf den Preii
des Jviuipfcs f.i begrimdot, als Langulaffers
Falfdiheir und Belrugerei iiis Ofi'enbare gefetzt
wird; ijffnet l'i« h in Bagdad die Scene: Kezia,
die Sultansiuchter, ihre Hand dem verfprochen,
der ala Erlcger des verwi'dteuden Ungeheiiers zu-
riickerwartet wird, erfdieint. In leiditer Mor-
gentracht unrnhig auf dem Sojdia fclilummernd
Jieht fie im Traiuu (J J arallele zu Hermanns
Trau m in Rl lpitocks diitten Bardiet). einen
Theil deifen, was wiirklich gefchieht; zwifchen
Abfcheu gegen Langulafl'er unci Sehnen nach
Holger, zwiichen Furcht des Aergften und Hoff-
mujg des Erfehnteften bin und her geworfen,
endlich der letztern in die Anne finkend, ver-
liehrt fie fich wicder beyni Sch.ill finer dranlsen
geln'irten, die hodi/eitliche Feier des Tags ver-
kundeiiden Miiiic; unci der erfte Act fcliliclst.
In diefer Scene bemerkt man an clem Reci-
tativ dreyerley Form: Symfonie (herrfdiendcJ
Inftrumentalpartie), in welche, wie zufalliger-
v/eife, die Singftinime einfa'llt; Symfonie unci
rhythmilchen Gefang fo in einamlcr gellochten,
dais keins die Hauplpartie heifsen kanu; unci
endlich unrhythmifchen (Secco- Recitativ-) Ge-
fang, zn welchem als der Hauptpariie das Or-
chel'ter eine untergeordnete Begleitung liefert.
Die Alifdiung diefer drey Formen, aus welcher
dem fogenannten Rocitatif oblig; fein eigentli-
ther hochfter Gharacter entfpriefst, erzeugt eine
Mannigfaltigkeit, durdi die ein folches Recita-
tiv fclion an /ich reitzend wird. Um fo jnehr
aber fellelt es die ganze Seele, wenn reitzvoller
Mifchung der Fonnen geniereiche Erfmdung der
Materie entfjiricht. Ehre dem Tonkiinftler, der,
wie hier Heir K. zu einer folchen Bemerkting
Anlafs giebt! Schdne Stellen anzeidmen lafst
dies Recitativ nitht; alles darin ift fchon. Wo-
bey freundJicli Bey fall nickend ein Gomponift
verweilen wird, der felber furs Theater arbeitet
und fich auf kleine noihwentlige Ki'uifte der
B2
ai
Pnlltik verfteht, deren Vernachlafsigung einen
iibriaens richiigft calculirten Effect hintertreibt,
ift S. 5j, Syft. 3, die Stelle, wo die Trompete,
welche hhuer der Scene einfallen foil, einen
Accord vorlindet, der dadurch, dais er eine un-
befiimmte Zeit liegen bleibt, alle Schwiirigkei-
ten des EiiitreLens und Tempohaltens entfenit.
Daffelbe lludet man auf a'hnliche Art am Schlufs
der Arie beobachtet. Aeufserft characterifiifch und
ausclrucksvnll ift in diefer das Thenia, das fdion
Avegen feiner befreuidlichen Modulation der
VViederhuhliing bedurfte; febr leidenfchaftlich
die Stelle: C) Seelc, ivas fchweifft du umher
in Schufuc?tc\ etc. — und von Urtheil zeugt,
S. 61 nach der Fermate, die Benutzung und
Erweiterung des vorher gleicli auf das Thenia
gefolgten Satzes. Aber nicht zn loben ift S.
61, Syft. 4., T. 4 der Scheinfchlufs auf ais 11 lit
Sextquint. Zwey Tact vorher fteht diefer Ac-
cord an feinem rechten Ort unter dem Worte
Schmerz ; eben deswegen aber hier unter dem
YVoite Struhl (de/i Sc/tmerz durchbrach der
H°ff" u "g St raid} am unrechten.
Der zwey te Act ift beynahe nur Eine grofse
Scene, aber die reichhaltigfte, lebendigfte, ge-
prangvollfte, die je mi.: Mulic auf die Biilme
gebracht worden. So wie der Vorhang aufgebt,
blicken wir in einen priichtigen Saal des Sul-
tanlihen Pallafies auf einen grofsen Chor reich-
gekleidetcr Tanzer und Tanzerinnen, Beclien-
ten am Bagdadfchen Hofe, die der Gelegenheit
wahrnehmen, da fie einmal frey athmen, recht
nach Herzensluft fich auslafTen konnen. Die
Mulic hierzii, worin der Componift den gliick-
lichften Gebrauch vom Tiirkfchen Becken und
Triangel gemacht bat, und worin unter andern
hcli befonders das letzte Couplett in f moll S.
68 Jii.it dem verlangerten Rhythnms, durch ge-
nievollen Ausdnuk des zi'igellofen Freudefau-
melns auszeichnet, vereinigt mit dem erf order-
lichen Character des halbrohen, mehr l\eiz, als
man glauben follte, dafs fich damit verbinden
liefse. Aber warum hat der Componift das Bal-
let mit der Gavotte fchliefsen kitten? warmn
nicht, (wie es gewifs urfpri'mglich gewefen) mit
dem Stuck, welches als Zwifchenact gefpielt
winl? Diets letztcre fteht, da es eine Erweite-
rung desjenigen Stiicks ift, womit das Ballet
anhebt, eben fo da, wie ein Commentar ubcr
oder vor dem Text. Lieber hatte zum Zwi-
fchenact der Text, das crtte Stuck des Ballets ge-
nommen, und auf folche Art zweynial gefpielt
werden nuigen. Und das mufs audi! dann
bleibt dem Continental- fein rechter Platz, und
audi erft dann verfteht man recht die Bedeu- moglich machen fullte
tung der fich jugenden Ausweichungen in ent-
fernte Tonarten,
Dem Tanze macht die Ankunft der Hoch-
zeitsgafte ein Ende. Aus dem langen, mit Spiel
und Gefang begleiteten, Zuge treten Sultan
Buurmann, Rezia und Langulaffer heraus und
fetzen /ich, nebft einigen Veziren und Emirn,
an die Tafel, die znr Seite im Vorgrunde ge-
deckt fteht. Vor ihnen trill auf der andern
Seite aus dem Chor der Spieler und Sanger ein
Heroic! , und nach dielVm der Mufti hervor, der,
nach Chriftenmanier zu reden, die Training ver-
richtet. Der pompdfe Marfch, der den Zug her-
einbegleitet, la 1st befonders die Stelle beiner-
ken, avo das elende Sclavenvolk feine tiefuie-
drigfte Unterlhanigkeit be/.eigt: fl'ir ftiirzcu t'iu
vor deities Tulbans Herrlichkeil ! O Uchle dci-
nen KnecJtteu ztt\ etc. Die Einfegnungsceremo-
nie ift von unbefchreiblicher vis coniicu ; lelblt
ohne Action beym Clavier in einer aufgeraum-
ten Gefellfchaft ift fie das. Die Einbildungs-
kraft ftelle fich nur in der Rolle des Mufti kei-
ne Carricalur vor, fondern, avxc Herr Muftedt
fie in Copenhagen ganz Aortrellich fpielte, ei-
nen gravitiitfehen, durch Bauch, Bait und io-
noren Bafs aulserlich ehrwurdigen Pontifex, der
nichts daAon ahndet, dais feine BegritTe und
Ausdriicke ein paar Jahrhunderte zu alt find.
Becht Schulzifch ift am Schlufs diefer Cereiuo-
nie auch der bacchantifche Rundgefang; und den
Cianz fetzt diefer Meifterl'cene das kleine pathe-
tifche Maeftofo auf, das der imiuer larmender
und Avilder gewordenen Freude plotzlich ein
Ende macht, indem, von Scherasmin begleitet s
Holger hereintritt und fich A r or den Sultan
ftellt. Vortrefflich in feiner Anrede, die Decla-
mation und das Accompagnement. Es brauchte
niclit dariiber gefetzt zn leyji, dufs die Anl wort
S. 78 ich keiuie d.iclt , der Sultan mit A-erbifs-
ncm Zorn giebt: die Mdodie und die beyden
nachfchlagenden Arrorde lafi'en den Ausdruck
nicht A'erfehlen. \'on dem Ausdruck der Be-
ftiirzung des Hofgefinclels: ivi.r hem ten dich\
tt>ir kcnncti Jlolgcr] mag beym Claviere man
fich alles Gnte verfpreclien ; gleichwohl nahm
aber diefe Stelle fich nicht gut aus. Etwas Avar
daran avoIiI die Steiligkeit der Acteurs Schuld,
aber im Grunde Avar es doch hanptfacblich
Schuld der Mufic , der es hier an der Eigen-
fchaft des Effectmachens fehlt: der Acteur ift
da genothigt, Ausdruck in die Melodie zu le-
gen, anftatt dafs umgekehrt die Melodie dem
Acteur den Ausdruck' an die Hand geben und
ihm das Verfehlen delfelben gewiilermaafsen un-
15
Holger erklart, warum er gekommen: Eine
Locke, Sultan] deities Harts, die fordert Curl;
. , und diefcs (indem er Hezia k ill's t) ach , ver-
langet Hal-gets Sehnfucht. Eine himmlifche
Melodie, die lct/.te Zeile! — tlann faint er,
ohne jemand zu Worte kominen zu lairen, ge-
gen Buurmann und Langulaffer fort; feixie
Kundbarmachung, dafs letzterer ein Weichlhig
und Betniger ill, erha'lt die Aufmerkfamkeit
noch einen Augeublick in Spannung; nun aber
fpringt wiithend der Sultan auf: Hu] greift tnir
diefen Iliitid] — Beym Klirren der Sabel ver-
gifst in Rezias Umarmung Holger fich und feine
Gefahr; aber Scherasmin eilt hinzu und ftofst
ins tanzenniachende Horn. Man verfetze fich
mit feiner Einbildungskraft vor die Buhne, und
denke fich die jetzige Scene ! Glaubt man nichts
als Tanzgeti'umnel vorzufuulen, fo merke man
imter an dem doch eimnal auf den Sultan! Er
ranzt mit, gleicb den iibrigen ; aber er bleibt
beftandig . . Saltan, jetzt zum erftenmal in fei-
nem Leben Beldil annelmiender Despot. Er
halt am langften Stand gegen die Macbt des
Zaubers. Selbft tla fie bereits ihn mit fortwir-
belt, veniith noch jede Gebehrde, jede Handbe-
wegung, jeder Tritt, jede Wendung fein kraf-
tigeres Stniuben. Wer zuletzt vor Ermattung
hinfinkt, ift er ; und im Fallen noch raft er,
fein: Tiidtet, Sclaveti] knirfchcnd , alle Krafte
zum verzweifeltften Widerftande zulaimnen. In
diefem Geift Ipielte, fo meilterhaft als Sdirijder
feinen King Lear, Heir Knutzen in Copenha-
gen ieinen Sultan Buurmann. Die Mnfic die-
fes Ballets entfpricht zur volll'ten Bewunderung
dem Character, den die Situation von ihr for-
dert. Zmn sJnfchaueti deutlich ift das hartna-
ckige Straubt-n der Tanzenden ausgedriickt, und
in angemeiTener Auf- und Abftufung, Scheras-
mins frohe Laune dazwifchen ergofien, bilden
durch Neuheit der Darftellung und Mannigfal-
tigkeit der Ausweichungen wenige fruchtbare
Hauptfa'tze ein grofses Ganze, das von der ge-
iibten Meifterhand feines Verfalfers die vortref-
lichflen Symfonien, Quartetten und dergleichen
Inftrumental- Compofitionen erwarten liefse. —
Ift aber diefe Mufic den Veitstanzern peinlich,
und wiude fie, noch langer dauernd, auch den
Znfchaner zu eriuiiden anfangen, fo koirunt dem
letztern die angenehme Erf'rifchung: der fchmel-
zende Gefang Holgers: Dich hab' ich , Hezia]
und Reziens: Dich hab' ich, Holger \ ganz zu
rec liter Zeit. Solche kleine Satze, als diefer
hier, find eine von den Eigenthiimliehkeiten der
dramatifcheti Mufic, und wenn lie dem CoiU-
poniften ganz gelingen, dafs feine Melodieen
namlich nicht allein vollkommen den Worten
anpalfend, fondern dabey auch in iich vollendet
find, keine weitere Ausfiihrung verlangen laf-
fen, fo treffen fie wie ein Blitzftrahl das Herz.
Nur auf den wiirken fie nicht, der, an die un-
dramatifche Opernmufic der Italia'ner gewohnt,
blofs fich die Oliren kitzeln zu lalfen koramt;
aber eben diefs erhoht iliren Werth, und em-
pfielt ihren Gebrauch. Diefe Oper ift reich an
folchen epigrammatifchen Schonheiten, und Heir
Kunzen da if fich auf feine muficalifchen Aus-
bildungen derfelben ein wenig zu gute thun.
Jetzo fchneidet Holger eine Locke von Buur-
manns Bart ab ; Langulaffer kriecht wahrend der
Operation heran, Holgern einen Dolchftich bey-
zubringen ; Rezia bemerkt es , Scherasmin ftofst
gefchwind aus alien Kraften ins Horn, *) und
nun erfcheint, in der fiebenten Scene, Oberon,
deiren machtiges: Verfchwiudet] die Buhne rei-
nigt. Wenn S. go, Syft. 3 das Horn oder bey-
de Horner das g f was da Septime wird, recht
ftark angeben, fo braucht man keinen Sturm,
Donner und Blitz zu machen; wenigftens war'
auf den Nothfall Ein Schlag imnier genug. Ein
gutes Beyfpiel zweckmafsig angebrachter und
wohl getroffener Mahlerey eines fichtbaren Ge-
genftandes, wie oben des Straubens, liefert S.
91 die Mahlerey des Verfcheuchens ; und ein
linnreicher Einfall ift es, dafs der Componift
die hierzu erfundene Figur noch wahrend der
folgenden Gefangszeilen in dem Accoinpagne*
ment herrfchen lafst.
Das folgende Quartett, in welchem Oberon
die Liebenden einen Blick in ihr kiinftiges
Schickfal thun lafst: Ach, es drohn euch noch
Gefahren] und fie zur Standhaftigkeit ermahnf.
Doch , umriiigten euch auch JLeiden , bleibt der
Tugend enig trett ] gehort nicht zu den origina-
len Genieproducten , deren Erfindung und Dar-
ftellung oft langes qualendes Ueberlegen koftet,
nicht zu den Stricken , auf die der Componift
eigentlich einen Werth fetzt, aber defto mehr
zu denen, die, das Medium der Kunftkenner*
*) Es verfirJ.it /i« J) wohl von felhfi, iip.h man fich
unirr (\cm Arteur, der SrhcrasinJn.s Rollc- I'pielt,
ktiiK.11 Naclnwaciut-r deaikt. £s wiude eckelhaft
hernuskommen, wenn ev wflrklich einen Ton
lierauswCU'gte.
B 3
1'r
ft ha ft nicht bediirfend , vielmehr es ganz i'lber-
uYifsig madicnd und als unnutz in den Winkel
ftellend . mit eincr, fait unerklarbar fcliciren-
den, Lebbaftigkeit auf jedermann wiirken. Vmi
keiuem Stuck war die Wi'irkung in Copenha-
gen allgeiueiner, als von diefenrQuartelt, and
es erwarb clef Kunzenfchen Mufe einen Veteb-
rer, der, von Vorurtheilen eingenoiiunen, fidi
darauf gefet/t hatte, (wie er hemach lei bit be-
kannte) nichts fchon zu finden.
Zu dem Schlufschor diefes Acts denke man
itch die ftlione Grupphung der Abgehenden:
Oberon zwifchen Holger nnd Rezia, feine Anne
ihnen um den Leib gefchlungen ; die Elfen, wie
fie einen Halbcirkel fchliefsen, und jene, indem
fie ihnen folgen, unvenuerkt dean Angc ent-
ziehen.
Der dritte Act, in welchem der Dichter
vielerley zufammen drangen gemufst: Titaniens
Verlangen nach dem Gatten, ihren Antheil an
Holger unci Rezia, das Schickfal diefer beyden
jctzt von Oberon verlafsnen, die Verfucho iler
Verfiihrung denen fie ;:usgefet/.t find, ibr tu-
gcndhnfter Widerftand , c ie aid' den Sdieiterhau-
ten fie verfolgende Rathe; endlich zuiu Sieg
ihrer Treue der Lnhn des Kampi'es etc. — ill
erllannlich mannigfaltig und bietet auf jeder
Seite, befonders aber die achte Scene, die fo
uberaus ruhrend ift, als hatte Gluck fie gefchrie-
ben, den reichften Stoff zum Lobe des Com-
poniften dar. Ihn durchzugehen , ift aber die-
l'er Auffatz wohl fchon zu lang fi'ir den Plan
diefer Blatter gerathen, und der VerfalTer wircl
fich begnugen miiiTen, wenn der Redacteur ihm.
nur noch zu Einer Anmerkung Piatz geltattet.
Sprache des Zorns, der Wuth, der Rache,
der Verzweiflung ift nirgends, am wenigften aut'
der Buline, ein vortheilhafter Gegenftand tier
Vocalmufic, weil er zur YVahrheit des Ausdnicks
eine Heftigkeit erfodert, die fich mit dem Ge-
fange nicht vertragt: der Gefang, felbit die fyl-
labifehfte notirte Declamation, wird Gekreifch.
Einzelne kurze Ausbriiche der Raferey komieii
gem mit unterlaufen; wenn es aber ganze lan-
ge Scenen find, wie hier die der slUnanJu-
ris, lb ift die Sangerin in grofser Verlegenlieit.
Kunftgriffe verfchlagen nichts; und da es bier
unmoglich ift, einen hochften Grad der Voll-
kommenheit ifolirt gedachter Action mit einem
hochften Grade der Vollkommenheit ifolirt ge-
dachten Gefanges zu verbinden, da fich keine
Vereinigung zu einem einzigen hochften Grade
denken liifrt, wo iii den Theilen etwas ift,, das
full g^genfeitig einander auFrcn>»- und vcrnirh-
let ; i » kann jede Kimiieh-y nicht andcr.-*, als
bl'iio /ur Aufdeckung der iUifs.'ieiiigkdt Uyira-
gi'ii , und es bleibt nichts iibrig, als der einen
Panic a • i f Roften der andein gerecht zu wer-
deii , iMUweder den Gefang der Action o ler die
Ail ion dem Gefangc zu unterordnen. Madame
J'iV(.-l"r, die in Copenhagen die Rolle der Al-
Jiuuil'aris fpielte, und bis auf Viiiuolitat des
Singeus allts dazu Erlbiierlii lie in fich verei-
nigi , verlitchte es auf beviie Arten, gab das
einemal dem Gefange, was des Gefanges ift, mni
milderte fo vid erlbrderlith die Heftigkeit der
Action; das andremal agitte Cm niit aller Starke
der Leidenfchaft und man horie aus ibrem Mun-
de nur abgeftofsene Laute, keine gereihete To-
ne. Dem einen wird cliefs, ck-iii andeni j ncs
gel'allen; foil indelfcn der Gelclimack fich be-
ftimiut fi'ir etwas erklaren, fo diirfte man ge-
ftelien midlV.n, dafs lutzteies nicht xlie believe
Art ill. Vigileirht dauer, weil die Voculnaific
allenthalben deplacirt ift, wo uer Gefang nicht
heivlciit, und weil Lier der Gefang, als zur
fiaupila'.hc giinaclit, ijuiner noch juehr Frcy-
heit ziun Agiren Jal~t, als uni.':eke!nt. das Agi-
rcn aim Smgen. Diefu Beli.uJitiuig indclien
bey Seite gefetzt, mag Almaufaris in den wi'i-
tenden Stenen fnigen, olme zu agiren, odc-r
agiren olme zu iinc.^11, - Aug' und Uhr ver-
weilen dennoch mil dem gr.'dsten Interell'e bey
den Gegenftanden, wohin tlurt die Sclmufpiele-
rin, hier die iiu innerften ei fchiitternde Inftru-
mentalmuiic das Parterr hinziehen.
Seeks Clavierfonaben ftlr Liebhaber und an-
gehende Clavlcrfju 'der , von J. G. IT'itl-
hauer. Erfte Sammlung. Berlin, beym
Autor, bei Alaurcr und in der neucn Mu-
fikliaiullung. (K>>(i.en i JUbl. , wer aber bis
Ende des liaYhftfolgonden Auguftmnnats mit
18 Gr. Preuls. Cour. auf die '2te Sammlung
priinumerirt, crlult auch dicfe erfte Sauuu-
lung fi'ir ib Gr.)
Hr. W. zeigt fich auch in diefen Clavier-
fonaten als der vorziiglich brave Clavierfpieler
und Componift aus der grol'sen Bachfchen Schu-
le, fur den ihn das deutfche mufikalifche Pu-
blikum fchon langft kennt und fthiitzt, und
macbt den Claviertpielern ein gewifs angeneh-
mes Gefdienk mit diefem Werke. Man fieht
an diefen Sonaten, was ein achter Claviermei-
fter angehende Spieler nennt, und was er ihnen
zumuthet. Angehende Spieler aus der neueren
leichteren, oder vielmehr leichu'iimigen und
I'J
leichtfingrigen Schule werden diefe Sonaten Modiilationen. Des gewohnliuien V^ergmj?*
fcliwerlich als fur fich pafiend anfehen. Diefes nu erften Iheil jedes SaLzes nach der Duiiuname.
Unvemxogen mag fie aber darauf lei ten, den des Haupttons nicht zu S^^V.^ 01 " 1 "^"
wahren ariVndlichen Lehrer zufuchen, imd lb ionders m clem zweiten lhede die Aus*ei-
hat dann Hr. W. den Clavierfpielem und der cbung nach der Secunde des Haupttons una * on
Kunft felbft zugleich einen angenehmen Dienft ihr nach der rJominante zu oft vor: z. 13. b. 1.
geleiftet. Dafs^Hr. W. dm meiften Satzen und 2. 4.. 8. 27. 5o.
fiberall, wo es einer beftinuuten Andeutnng be- Q flie , uelo(1 if c i ie Einheit des Satzes
durfte, dieFingerretzungbe»gezeiclinethar.,murs fimlen ° h . aurserfi . felten verfto r, en . Nur . S . 9,
den meiften Spielern und lelbft vxelen Leluern s ft# - Qf Tact x ffen flie Triolen, und S. 19 u.
fehr willkommen feyn. Man weils, we olt £ o die Sedizehntheile nicht zu den Figuren des
geart
da hinausziehen. 2U i| lrer Empfehlung dienen.
Ein Hauptverdienft diefer Sonaten kann die- Nur aus der Ueberzeugung , dafs die Kri-
fes feyn dais fie bey angehenden Spielern das tik mit den Arbeiten eines Mannes, den fie
Gefuhl fin- Ordnung, Zufannnenhang und Ein- gerne vielen Andern zum Mufter und Fuhrer
heit Widen kcVnnen. Die harmonifchc und empfole, nicht fcharf genug zu Werke gelien
rythmifdie Behandlung ifi duichgangig gut unci kann, und audi Hrn. W. felbft zu i'lberzeugen,
lobenswiirdi";. (Eiuiae kleine iiberfehene Nadi- dais feiiie Arbeit den Kririker zu ganzer Auf-
lafsigkeiten, die der "Beurtheiler inunev leiditer merkfamkeit gereitzt und gefeftct hat, wollen
beobachtet, als der Arbeiter, wollen wir her- wir nodi einige kleine Nachlafsigkeiten in tier
nach amnerken.) Was die Erfmdung anbelangt, hannonifdien und rythmifclien Behandlung an-
fo batten wir wohl gewiinfcht, dafs Hr. W. iidi merken. S. 22 im zweyten Tact follte in der
etwas weniger an die alte Sonatenfonii gehalten linken Hand die Vervvandlung des JDis in d
hatte. Die drey Stiicke jeder Sonate, von de- in derfelben Stinune vor fich gelien und nicht
nen das erfte und letzte ein lebhafter und das in der unterften Stinime die e belialten und
mittelfte ein Iangfamer Salz ill, von denen das nut der obern in cis znfannnentreten ki'innte.
erfte und letzte inuner im Hauptton und das S. 5o, Syft. 5, Tact 2 ift das es im Bafs, das
mittelfte in ein em nachft verwandten Tone auf e im Dilkant fchnell folgt, eine eben fol-
geht, geben den Sonaten einen etwas einformi- die Hiirte, die noch obendrein zu einer Aus-
gen und weniger reitzenden und befchuftigen- weichung fiihrt, die durch das folgende Des
den Charaktei\ Die Abweichung von jener dem lb viel d kurz vorhergegangen ift, fehr
Form ift mu fo mebr zu wimfchen, da die hart wird. Auf derfelben Seite ift auf dem
Form an fich eine ungluckliche Erfmdung ift. zweyten Syftem im dritten Tact audi die None
Die unnati'uliche und ganz willkuhrliche Neben- \ n der IMittelftimme von grofser Harte, die
einanderftellung heterogener Satze fallt befon- Sechfte ware da viel heifer angebracht. S. 22
ders bey der erften Soiiate auf, in der ein au- Syft. 2, Tact 1 ift die ttuhe von einem halben
fserft ruhiger, felbft etwas fchwermiithiger Satz Tacte in der Adagio -Bewegung auf dem Septi-
zwifchen zwey lebbaften Satzen fteht. Und in menakkord zu grofs, als dafs die Terze da
der fi'mften Sonate ift die Ruckkehr in die wei- entbehrt werden konnte. Gauz anders ift der
che Tonart des erften Satzes um fo unangeneh- Fall in den lebliafteren Satzen S. 17, SyCt. 1,
aucr, da diefe Tonart an fich etwas iingftliches T. 2; S. 17, Syft. 5 im letztcn Tacte; S. 12,
unci beunrubigendes hat, das fich zu folchen Syft. 2, T. 5; S. 10, Syft. 2, T. 8; S. 4, Syft.
lebhaften Iuftrumentalfatzen, wie diefer letzte 2, T. 2 und in dem Tacte vor dem Schlufse,
Satz ift, nie recht pafst, und hier um fo weni- wo die Terze audi fehlt, aber der fchnellen-
ger, da das vorliergeliende Adagio in Edur einen Bewegung wegen keine merkliche Leere verur-
lehr ernften beftinuuten Cliarakter hat. Das facht. S. 22, Syft. 2 am Ende follte ftatt d mit
menfchlidie Ilerz feimt fich aus der Angft in einem \> c mit einem Doppelkreutze ftelien,
Buhe zu kommen, und widerftrebt dem ent- und eben fo S. 25, Syft 2, '.TV 2, ftatt g mit
gegenftehenden Gauge. einem ij, f mit einem x-
Audi wird jene EinfSrmigkeit noch etwas Von rytlmiifchen Nachlafsigkeiten befinnen
vennehit chirch einige zu oft wiedeikoiruiaende wir uns Fo eben nur atif die bcyden letzten
iG
Tacte S. 7, die da zu viel find. Wenn da nocli
ein befonderer Schlufs angehangt werden follte,
fo midst' es nach Art der Rythmen gefchehen,
aus denen das gauze Stuck befteht.
All dies find kleine Flecken, die bey einer
wiederholten Ausgabe, welcbe diefe zur Bildung
fo fehr gefchickten Sonaten gewifs erleben wer-
den, fehr leicht zu a'ndern find.
7. F
Allegretto graziofo con fariazioni per il
Cembalo , compofle e dedicate alV Jlluftris-
[ima cd Oneratijjima Contefja Giannetta di
Schulenburg di Clo/ierroda, da Federico
Guglielmo Ruft, JDirettore di Mufica di
Sua Altezza Screnijpma, il Principe di
Deffau. A Berolino Stampato e fi vende
nel Negozio nuovamente eretto, (Koftet
16 Gr.)
Herr Mufikdirector Ruft ift fchon langft als
trefiicher Klavierfpieler und braver Klavierkom-
ponift bekannt; und audi diefe Vaiiazionon iiber
ein hubfches Thema , die nicht gerade durdiaus
in fteifer Form gefchrieben find, zeugen von
gutein Gefchmack und gefalliger Sclireibart.
Die beigefugten Cadenzen konnten vielleicht
von einem ftrengen Rigoriften fur ein iiberflu-
fsige3 Bouquet gehalten werden; allein ehe Fer>
mat en bey manchem Fuller und Erganzer, der
bey folcher Gelegenbeit all feine erlernte Herr-
lichkeit wie aus einem Fruclithorn uber das
GriiTbrett hergiefst, ibrem Scbickfal iiberlalTen
werden, ift es inmier beirer, etwas Schickliches
in diefer Art wenigftens anzudeuten. — Uebri-
gens find diefe Var. rein im Satze, der Grund-
baf> ftreot, wie fich's audi gehort, iiberall her-
vor, und da fie nicbt fdiwer find, fo werden
fie Klavieiliebhaber ganz angenehm unterhalten.
Das Aer.fsere derfelben ift zudem recht nett
und fchon, und Rec. freut fich, dafs die neue
Bed. Mulikhandlung gleich bey ihren erften
Werken auf fo etwas mit ihr Augenmerk rich-
tet. Der Notenftich ift felten fo rein und ge«.
fchmackvoll , als bey diefen Variationen.
Moclite doch Hr. Ruft in fich feibft und in
feiner Lage Aufmunterung genug linden, um
einmal etwas aus dem Sdiatze feiner grofsern
gearbeileten Sonaten, die Ree. offers von ihm
feibft mit uniibertreflidier Rundung, Beftimmt-
heit und Fertigkeit fpielen zu horen das Ver-
gniigen hatte, herzugeben. Aber leider ift es
nun einmal fo, dafs Kunftler, bey fo geringer
Aufmunterung von S'eiten des Publikums , es
lieber bey einer eigenen biiufsbxhen Kunft-
fcbwelgerey bewenden laJTen!
5. Bericlitigungen und Zufatze, zura Gerberfchen Lexicon der Ton*
kunftler u. f. w. von J. F. Reicliardt.
Bianehi (Francesco) lebt itzt in Venedig
und ift einer der allerangenehmften und belieb-
teften italianifchen Componiften. 1787 fchrieb
er in Venedig die ernfthafte Operetta: // De-
fertor Francefe. Das Gediclit war eine Ueber-
fetzung des franzofifchen Deferteurs. Die Ita-
lianer bielten es fiir eine Entheiligung des gro-
fsen Operntbeaters , dafs ihre un- oder iiber-
menfchlichen Caftraten gemeine menfchliche
Perfonagen vorftellen, und ihre Augen mit biir-
gerlichen Kleidungen und landlichen Dekoratio-
nen fich bejielfen follten, und pfiffen das Stuck
aus, obneraditet Bianehi und das Orchefter und
alle eifrigen Mufikdilettanten fchrieen, es fey
des Meifters befte Arbeit. Das Stuck follte nicbt
wieder auf das Theater kommen. Die Herzu-
gin von Curland, die damals eben in Venedig
war, erwiefs dem guten Meifter aber den Lie-
besdienft, und bat um eine wiederholte Vorftel-
lung, und nun geliel das Stiick allgemein und
ward oft wiederholt. Der Compoiuft hat mir
im vorigen Jahre den dritten Akt diefer Ope-
rette, als eine feiner beften Arbeiten felbft ge-
geben. Aufser denen von ihm angezeigten Sa-
chen bat er nodi die beyden Oratorien : Agar
und Joas komponirt, die bey der Auffiihrung
in Venedig im vorigen Jahre viel Wirkung llu-
ten. Es zeichnete fich dabey vorzi'iglicb aus :
Bianca Sachekti, eine junge Sangerin im
Confervatorio dei JHendieanti , mit einer vor-
treflidicn, vollen, reinen, klingenden Contr' Alt-
ftinune, die audi nath dem itzigen Sinn der
ltaliaxier mit viel Gefchmack' fang.
Bijeri (Francesco), ein gefchatzter Opern-
konvponift.
S. 164. fehlt:
Bioni (Antonio), ein Componifi , der um
1720-00 fehr beruhmt war und viele Opern $_v-
fchrieben hat: ich beiitze von ihm e'mzdne
Scviwriy
»F
Scerien, ~Arien unci Dttetten aus 'folgenden
Opern : Endiinwne , I.uclo vara. Armida ab-
bandonata. Armida al Campo Alleffandro fe-
vera. UArtabano. Itlindo VAttalo e I Aim
Jinoe. ......
S. i65 fehlt:
Ld, Biron, von clem in London LeJJons
for the Harpficord geftochen find.
S. 166 fehlt:
Bishop, von dem'in London zioei Bi'icher
Vfalmen geftochen find. •
Blow (nitht Blown"), hat auch in London
(techen laffen: Lejfons for the Harpficord und
Bfalms for the Organ.
Bocherini hat vom Jetzigen Konige von
Preufsen fchon feit vielen Jahren eine beftan-
dige lebenslange, fehr anfehnliche jahrliche Pen-
fion dafiir, dais er jahrlich einige neue Ouar-
tetten unci Ouintctten einzufchicken hat, die
der Konig vor alien andern liebt und befian-
dig fpielt.
Bode lebt itzt als Gefelirchafter der ver-
wittweten Grufin Bernftorf mit dem Hofraths-
titel in Weimar. Er ift ein vorziiglich gnter
Violontellift, befonders zuiu feinern Accom-
pagnement bei Quartetten und dergleichen.
Bologna (Lorenzo) lebte unci komponirte
Opern in Venedig uins Jahr 174s*
S. 180 fehlt:
Bomportix , der in der erflen Halfte diefes
Jahrhunderls folgendc Sachen in London ftechen
liefs: B. Sonatas for two Violins and a Bafs
Oper. II. Sonatas for 2 Violins and a Bafs
Opi_ IF' and Solos for 1 Violin and a Bafs
Op. VIL
Bonafini. Diefe beriihmte Sangerin lebt
in Italien-, itzt als Privatperfon auf einen fehr
hohen Fnfs : Sommeis auf einem Landhaufe
bei Modena und im Winter mehrentheils in
Venedig. Hier fang fie inir noch im Jahre
1790 eine Hirer wichtigften Alien aus Hirer bril-
lanten Zeit mit vielem Ausdruck und Ge-
fchmack. Hire herrliche Geflalt und grofse fpre-
chende Phyfiognomie lafst es noch fehr be-
dauern, dafs he das Theater verlaflen hat; es
fchien ihr auch felbll zu gereuen und fie gab
es genugfam zu verftehen, dafs fie der Einla-
dung eines grofse n Furften, noch einmal in der
Oper zu fingen, fchwerlich wiirde widerltehcn
konnen. IndelTen fagt man fie dort mit ei-
nem anfehnlichen Kavalier in Geheim verehligt.
Vorher war fie es mit einem preufsifchen Of-
ftzier vom Jagercorps, der im Bayerlfchen Krie-
ge blieb.
Braun, der Dritte der Gebri'ider Braun,
ift Violoncellift in der Koniglichen Capelle
in Berlin. Er ift ein guter Schiiler des allern
Duport.
Breleuil hat an der Errichtung der Parifer
Singefchule nicht den mincleften Antheil, fie
gehort zu feinem Departement , weil fie zur
grofsen Oper gehort, und diefe, feitdem der
Kimig die Bezahlung der am Ende des JahrCs
fehlenden Sunime fi'ir die Opern der Stadt iiber-
nahm, unter feinem Minifter fteht. Der Mini-
fter Breteuil war fo wenig Freund der Mufik,
d.afs die eigentliche Direction und jedes Mit-
giied der Oper inn fiirchtete und mogUchft.
vermied.
Le Brim ftarb im December 1790 bier in
Berlin, zu grofsem Bedauren des Hofes und
des ganzen mufikalifchen Publikums, an einer
Entziindung der Leber. Er war ein grolser voll-.
endeter Virtuofe auf der Hoboe ; an Feinheit,
Gefchmack und Exekution war er unubertreff-
bar: eben fo feine Compofitionen fiir fein In-
ftrument, die nur den einen Fehler haben, dafs
fie bisweilen zu gefucht und iiberladen mit har-
monifchen und jneiodifchen frappanten Wen-
dungen find: feine Rondos und kleine Canta-
biles find faft alle an Naivifciit und Feinheit un-
iibertreffbar. Auch ftarb mit ihm ein anderes
eben fo feltenes Kiinftlertalent: er war ein fehr
angenehmer feiner Mann in Gefellfchaft.
Le brun (Madame), Gattin des vorigen,
hatte fchon im Jahre 1790 hier in Berlin <lie
erfte Bolle in meiner Oper Brenno und im
Ulyjfe von Allejjandri mit allgemeinem Beifall
gefungen, und wurde fiir das Jahr 1791 wieder
unter den Bedingungen des. vorigen Jahres fiir
die grofse italianifche Oper vom Konige beru-
fen und engagirt. Kanm angelangt in Berlin,
mufste fie den ungliicklichen Tod Hires Man-
nes erleben. Sie bezwang indefs nach einigen.
Wochen ihren Schmerz und fang in der Oper
UlylTe, die ineiner Krankheit wegen, welche
die Auffi'ihrung meiner Oper Olympiade ver-
hinderte, wiederholt werden mufste, mit gros-
fem Beifall , ward aber bald fo gefahrlich krank,
dafs fie die z.weyte Oper nicht jingen konnte,
und im Mai iluem Manne folgte. Sie war auch
eine ganz vorzugliche KJavierfpielerin und kom-
C
iG
ponn-te fiir das Klavier mit tleiTelben Feinhelt fik alle auswartigen Sdiriftftellev hieriiber ent-
und Naivitiit, die man an den Sachen ilires behrlich.
Mamies in gem horet. An Feinheit der Sitten n ,
und des Tuns iibertraf fie noch ihren Mann. S. S.00 fehlt:
F..s hat w tih I nie ein liebenswiirdigeres Kvuift-
lerpaar ein traurigeres Encle erlebt.
Caivaw'f der unis Jalir 1768 in I\om Opern
fchrieb.
S. £iG fehlt: ^ Caldara. Seine vortreflichen Cantatcn yer*
BruneUo (Giovanno), ein Operncomponifr, clien . en vorziiglich genaunt unci aufbewahrt /«
der inner amlern Opern audi die Oyer Demo- werden -
fonke komponirt hat. Canuabich ift nicht Capellmeifter am Chur-
-r, , . ,„, , s . , baierifchen Hofe, fondem Concertmeifter mit
Buonom-nu (Giovanni), war in London nur <lem Tkel . nircctorm muter' ill itzt CapelU
zu lanac cler zu machtige Gegner unlers grofsen me jf ter#
JIdudels, und hatte nicht wenig Antheil an clem
zerri'ittenden Rummer, den der Adel (lurch ei- Canuabich , der Sohn des vorigen, ift ein
genfinniges Behaupten einer italitinifchen Par- g anz vorziiglich braver Violinfpider und talent-
tie unferm grofsen Landsmann verurfachte. Bei voller Componift fiir fcin Inltrmnent. Er ift
Gulegenheit einiger Stiicke von Buonoucini unci ein Schuler des grofsen Violiniiten Ecke.
Handel bring' ich hiervon etwas melir in mei- - §_ 5// fdilf
11cm Kiniftmagazin vor.
Buonoucini (Antonio), brachte furs Violon-
rell, fo wie Corelli und Gcininiaui fiir die Vio-
line, die grofsc Schide nach Paris, und le'gre
mit den Grund, auf dem die Franzofen nach- Opern: Grifeldu und Climate in Mu/ik gefetzt.
her die Inftrumentalmufik zu fo hoher Voll
Camiii (Giovanni Antonio), cieiTen Canta-
ten fehr beliebt find.
Ca/H'lfi (Giovanni Maria), hat audi die
kommenheit getrieben haben.
Burney. Sein Tagebnch haben nicht LfcJien-
bnrg und Bode, fondern Libeling unci Bode
iibeifetzt. Burney lebt in Loudon nicht fo gunz
Cajmti (Antonio) , hat unter andern Opern
audi die Didone abuiulonata in Mufik gefetzt.
S. -245 fehlt:
Capranica (Matbeo). Er komponirte ums
ein freves Herrenleben, wie H. G. meint. Soth Jahr »74- 6 mrs Theater Argentina in Bom. Ich
im Jahr 1^80 unci 1786, da iclrin London war, befitze audi ein Salve Jicgina von ihin iiir eina
gab er von Morgen's bis Abends Unterricht im Diskantfdnune mit Orchefterbegleitung von Sai-
Klavier ; ich habe ihn ofterev bei Miftres Banks teninltrumenten.
angetroffen der er Unterricht gab: er accom- Caram bekam kieh beim Kegierungsan-
pagnnte clabei mit der > »oline. Hievon kami tl . kt des iui KOn f von Preu r se * den Ab _
fich m Loudon fait kern Knnitler frei machen, fdlie(1 und Sngt itzt auf verfchiedenen italia-
weil es the emzige ganz hcheic und fehr em- Jlirchen T heat e„ i: auch fie ift eine hvlla can.
fraghche Art ift, lemen Unterhalt zu crvvcrben, laLrice . aber dn3 m ne auch vom Theater und
in cler Nahe in hoheiii Grade.
Caravoglia, der Mann der vorgenannten
Siingerin, ift ein guter Fagottift. Bcyde find
und felbft als Componift und Schriflfteller den
Abfatz feiner Werke zu befurdern unci endlich
reicli zu werden. Die lMuIikhandler iii.d itzt
dort eben fo karg und gewinnfiichtig, wie iiber-
all, und ftechen feUen andre Sachon, als die wiecler in Italien.
fchon in Abfthriffen im Pnbliko find, oder ih- „ „, . . ... „ . . .„...,
nen umfonft, oder doch fo gut als umfonli ae- ,, p^tcllien halt Acli itzt in Komgsbcrg m
geben werden. Dalier verlegen gute Componi- xlwll3t " " ,u '
iten iln-e Werke doit meiltentheils felbft, und Cejmdc (comte de la Cepede) ift feit Biif-
ziehen ciann auch, wenn lie zugleich als Muftk- fons Tode, defl'en Stelle er fclion bei Lebzei-
lehrer im Publiko bekannt find, feln- anfehnli- ten diefes, zuletzt immer auf feinem Laudguie
fhen Gewinn von ihren Werken. Seine Ge- lebenden Gelehrten, verfah, Surintendanf du
fehichtc der Mujik ift mit vielem Fleifs bear- jar din du Boi in Paris. Es ift ein aufserft
beitet und mic grofter Eleganz gedruckt unci pall'ionirtcr Mufikdilettant, unci hat audi felbft
vci/ierl. Unfer brave Lantlstnaim Forkcl inaclit verfchiedene Ilifti umental . und Singefaclic»
uns indefs itzt mit /einer Qefthivhle der Mu~ kojnponiiti
F
»a
4. Starke des Konigl. Preufsilchen Orchefters im Jabre 1791.
a- Gnpellmeifter •
5 Concertmeifter
B Clavecmiften
3 Hfu-fenift
£7 Violinifien
6 Braifchiften .
9 Vialoncelliften
5 Contravioloniften
4 Flottrayerfiften
5 Hoboiften
3 Clarinettiften
5 Waldhomiften
5 Fagottiften
■1 Serpante
G Trompeter
4 P6fa\miften
i Paukcr.
Charakterifuk der vorziiglicJiJlen Virtuofen im
Kdiligl.' preiifi. Orchejter.
Da hier "bios von Virtuofitat in der In-
ftrument'al - Exekution die Rede feyn foil , fo
werden die Lefer nicht erwarten, dafs wir von
den Verdienften eines Reichardt , Allefjandriy
Fafch, Vachon (als Anfithrer) fprechen wer-
den. Nnr die vorzuglichften Virtuofen im ei-
gentlichfteri Sinne des Werts, die fich. in den
Concerten des Konigs befonders .horen lafTen,
wollen wir nach alphabetifcher Ordnung zu
charakterifiren fuchen. Es find die Herren Dit-
jjort, der altere und ji'ingere, die Hen-en Ebe-
lin'g'y Ilaqke, Haiumann f Kraufe t Palfa und
TlnirfchmicLt , Milter und Taiifch. <Hr. Vachon
fall zwar eine ganz origineUe VirtuolifSt ini
Vortrage feiner Quartetten haben, da aber der
VerfaJler diefes Auffatzes nicht Gelegenheit ge-
habt hat, ihn von der Seite ganz kennen zu
lernen, fo mufs er den Artikel einein andern
nachzuhokn uberlaffcn.
Herr Duport (der Aeltere. Erfter Violori-
cellift und Lehrmeifter des Konigs, nut dem
Titel eines Intendanten der Konigl. Kammer-
mufik) hat einen grofsen vollen Ton und viel
Wivrde und Priietfion in feinem Vortrage. Er
ift noch aus der alten grofsen Schule, die die
franzofifche Inftrumentalmufik, obgleich grofsen-
theils von grofsen italianifchen Kiinftlem gebil-
det, in gegenwiirtigeiu Jahrlrunderte zum Mu-
fter fi'ir alle Andern erhob. Auf diefen foUAert
edlen Stamm hat Hr. D. dxirch haufigtf Reifen
alle die neuern Annehndichkeiten gepfropft, die
nach \xn& nach die Inftrumentalmufik bereichert
haben , und hat darinnen einen fichern guten,
Gefchmack gezeigt, dafs er in Teine Spielart
nichts auFgenommen hat, was feinem lnftru-
inent nrcht angemeflen war.. Diefes Verdienft
hat ihm den Beifall und Rulml, den er feit
dreifsig Jahren iiberall gefunden, auch bis itzt
erhalten: denn nichts erhalt fich iicherer in def
Kunft, als das AngemeiTene , und nichts hart fo
bald auf zu gefallen, fo fehr es auch bei der
erfien Erfcheinung die Menge entziicken niag,
als das Erzwungene.
Darum fehlt es aber Hm. D. gar hicht an
auffallender Virtuofitat, die auch die Menge im
erfien Augenblick hinreifst, und es gilt noch
ganz von ihm, was Hr. Reichardt fchon vor
achtzehn Jahren fchrieb. Er fagt *): feine Ge-
fchwindigkeit der Finger, Mannigfaltigkeit und
Leichtigkeit des Bogens und in beiden die voll-
konuuenfte Sicherheit ift unbefchreiblich. Sein
Ton ift durch das ganze Iiiftrument rein, ange-
nelun und vollig gleich; er mag in der aufser-
ften Tiefe oder in der alleraufserften Hohe fjrie-
len. Wenn man andre Violoncelliften mit der
linken Hand dem Stege nahe koromen fieht, fo
wird einem fchon bange , denn nun geht das
Quiken los, und man kann fich des Ausrufs
nie erwehren: warum denn Violinfachen auf
der Bafsgeige! das fcliickt fich nicht fins Inftru*
ment ! 'Hr. D- aber greift auch in der aufserften
Hohe nicht nur vollkonunen reiri, fondem be*
ha^lt auch hier den Violoncellton bei. " Was
aber Hr. R. weiterliin vom Allegro und Adagio
iiher Hrn. Mara und Hm. Duport fagt, das gilt
nun, wie man weiter unten fehen wird, v<>|l
den beiden Brudern Duport.
' Auch als Orchefterfpieler hat Hr. D. grofse
Verdienfte , fein darker voller Ton , fein kraftl-
ger Bogen und Teine Sicherheit wnd Ruhe, mit
der er dem Bafse inuner fein voiles Gewichfc
*) S. Briefc eines aufmeiifamcn Ptciftiulcn die ftlufik betreffend. B. I. S. 1^7.
so
giebt, ift unveigleichlich und das Oxchefter hat
viel dadurch verloren,* dafs der KSnig Hm. Du-
port vom Orchefterfpielen difpenfirt hat. Indef-
fen diefe und ndch ihanche andere Gnadenbe-
zeugung des Konigs ift diefein feltenen Virtuo-
fen wohl zu gonnen, fo wie ein darauf fich
ginindendes Gefiihl, wenn es fiir andere iiicht
druckend wird, iinnierhin verzeihlich bleibt.
Wenn, aber Hr. D, gegen den Willen fei-
nes Kftnigs, der iiberall Ordnung und' Gerech-
"tigkeit will, rtach der ganzlichen Direction der
Mufik ftrebc und die grofse Oper dirigiren
indchte, wie er die Cainmennufik des Konigs
dirigirt *) : fo handelt er . gegen feinen eignen
Vortheil; inacht fich unnothig Feinde und fetzt
fich jeden Ailgenblick in die Gefahr, in folche
Lagen zu koimnen, wo feine KenntniiTe nicht
hinreirhen und wobei • das Ende inimer feyn
*imfs, dafs er durch'ungetreue Berichte haufi'ge
Fehler zu vevdecken fuclien mufs, auch wohl
Dnpe eines Subalterns wird , .wontnter denn
die Sache gewaltig leidet. Selbft fur Heine Ei-
telkeir wird er. weit mehr ungeftbrte Nahrung
fmden, wenn er in den ilun von Sr. Maj. deiu
Konige, mehnuals mundlich.und fchriftlich an-
gewiefenen Schranken bleibt. Als Lehrmeifter
des Konigs bekommt er von alien zur Mufik
Gehorigen den Konig anx ofterften zu fpre-
chen , unci nach einer fehr alten Erfahrung kann
derjenige , der dem regierenden Herrn am nach-
ften ift, Andern auch aim meiften — wo nicht
helfen , doch fchaden. Wer yveifs . nicht , was
da Ein Lacheln, Ein Achfelzucken bedeutet? —
Da es nun bekanntlich fehr wenig Menfchen
giebt, die nicht von Furcht und Hofnung re-
giert wiirden, fo wiird' auch fo leicht niemand
verfaurxxen, dem Hrn. D. fo viel Lichte anzu*
ziinden,. als zu feiner Ehre und Zufriedenheit
nur immer erfordert werden konnten.
///•. Duport (der jiingere, Bruder und
Schuler des vorigen). An Annehmlichkeit und
Fertigkeit in grofsen Schwierigkeiteh iibertrift
er fcrnen Binder weit. Es ift wohl nicht mog-
lich, mehr Bravour und Sicherheit in der Exe-
cution '.u habe.i. Dor altere Binder hat von
jeher die Klugheit gehabfr, nie etwas zu uriter-
nehmen , von- deffen ganz ficherem Erfolg und
Effekt er. nicht vollkonuuen gewifs feyn konn-
te. Der jiingere fcheint alles zu unternehmen,
was ilmx fein Genie, feine lebhafte Imagination
nur inimer eingiebt, und .dennoth hort man
nie einen falfehen Ton. Die unbegreifliche Ge~
fchwindigkeit, jnit der er feine Allegros und
oft nur einzelne PaiTagien vortriigt, fchadet zu-
weilen etwas der Deutlichkeit, doch diefes auch
wohl nur fur. unerfahrne Zuhorer , die nur niit
dem aufsern Ohre horen und nicht durchs Be-
greifen dem finnlichen Eindrucke zu Hvilfe
konunen .konnen. Im Accompagnement ift
ihm aber diefe grofse Lebhaftigkeit offenbar
nachthcilig und er ift vielleicht einer von den
grofsen Virtuofen, . die eben ihrer grofsen Vir-
tuofitat wegen vom Orchefterfpielen difpenfirt
feyn follten. Auch nmfsdas haufige Orchefter-
fpielen — Hr. D. fitzt, wie ehedenx fein Bin-
der, bey den Operri und Operetten neben dem
Fliigel — feiner Virtuofitiit, die vorziiglich in
Leichtigkeit , Giazie und allbezwingendr Bra-
vour bfcfteht, weit eher nachtheilig werden, als
es einem Virtuofen , dell'cix grufster Vorzug hi
grofsem" mannlichen Vortrage befteht, nachthei-
lig werden konnte.
Die Fortfeiziing n'.ichftens.
5. Naclirichten aus Briefer!.
B — nn. Im verwichhen Sommer inach-
te Hen- IVilhnann einp Beife mit feinon beiden
Demoifellen Tochtern, wovon die eihe Siinge-
rinn hi kurkollnifchen Dienften, die andere fa'lliger Avifnabme und
Klavierfpielerin ift. Ueberall, wo -fie hinkamen,
liefs man. ihr?n Verdienften (leiechtigkeit . wie-
derfahren; und crmunterte fie mit herzlicbge-
nut angemefsnen Ge-
*) Diefe Direction bcftelit eigeritlich cla'rinncn , <1afs
derK('inia; ft-lb/t ho/ioJih, wer zmMufik belttllt wer-
den full', i!;uin fuluit einige Symphonicn nuswaljlt,
die den Abend gcfpielt werden tollcn, — gemein-
iiin wird nur eine ziun Anfan>r des Concerts ge-
fpielt — und folche einem Canimerdieuer zum
Auslegeii giebt, und dafs der Konig wahrend dem
Conccrte die anwefenden Sanger und Conccrilpie-
lev, wie es ihm get'.illt, nach einaudev -/.urn 1 ro-
dnciren aufntft. Diefen Aufiuf fangi 1 1 r. Duport
auf mid wiedeilioh ilia etwas lauter.
SM
fchenken. So in Mainz, Frankfurt, Darmftadt, ten Komponiften, und unferKonzert einea vox*-
Mannheim unci MUnchen. Von der letztern treilichen. Anfuhrer vcrloren.
Stadt ans fchreibt man offontlich:
Die Ael tore weifs in ilnem Klavierfpiel vie- Jusziige aus Brief m eincs deuefchm
le Fertigkcit niit: Pra'cifion und GetulU zu Rcifendeu
verbinden; indelfen die jiingere, ihre durch J
Hohe und befonders durch Tiefe fich aus- Frankfurt am Maya den x8ten Januar. Die
zeichnende Stinnne mit der feinften Eiu- Herren Directoren des hiefigen kiinftigen beflern
pfmdung im Ausdruck und clem richtigften Nationaltheaters begniigen fich nicht damit , fur
Gefcbmack im Vortrage zu vereinigen weifs. das Theater liberal! vorziigliche Stibjekte aufzu-
Der grofse Violinift Eck gefellte in ihrem fuchun, fie erftrecken ihre Sorgfalt auch aufs
Konzert feine Virtu zu ihrem vortreflichen Orchefter und wollen ein ganz vollftaiuUges eig-
Gefang und Spiel. Gewifs ein glanzender nes Orchefter fi'ir das Nationaltheater engagiren.
Vorzug diefes hervorragenden Kiinftlers, Es ift diefes ein doppelt grofser Gewinn fur die
den er ihnen hierdurch angedeihen liefs. Stadt, da es bislier auch aufserft fchwer hielt,
Die Sangerin hat -zuletzt in dem bekannten ein [gutes Concertorchefter hier zul'ammen zu
Singfpiel, der Barbier von Sevilien, nach bringen. Sie haben bereits zwei fehr verdienft-
Paifiellos Muiik, fo viel Anftand und Ein- voile Manner zur Direction des Singetheaters
ficht verratben, cbfs fie Kennern der Mufik und des Orchefters engagirt. JJerr Kimz,en, der
Wild des Theaters den Wnnfch abnothigte, fich feit einigen Jahren durch die Herausgabe
ibre Knnft in ci7cer grofseu italiainifchenOper feiner Oper Jlolger JDmiske, feines Bardiets
einft bewundern zu konnen. Nach dem Herrmann mid die Furften , und durch verfchie-
Stikk ward fie herausgerufen, und der In- dene Sammlungen fur den Gefang und fiir das
tendant, Gnif von Seeauf, ftilme fie felbft Clavier fehr ruhmlich bekannt gemacht hat, ifl:
clean Publikum vor. "~" " "' " ~
Das Mannheimer bffentliche Blatt fallt ein glei-
ches Uvuieil von diefen beiden Kiinftlerinnen.
Solch ein Beifall von folchen mufikalifchen Pu-
blikiuns mufs obne alien Zweifel zu immer
weitern Fortfchritten in der Kunft anfpomen.
Auch in Difchingen, am Hofe des Fiirften von
Thum und Taxis rufte man ihnen ein gnadigea
Wmkommen zu, Man fiihrte dafelbft Mozarts
Entfuhrung aus dem Serai 1 mit vieler Pracht
und ganz neuen Dekorationen auf, wovon Wek-
herlin fchon in feinen Paragraphen Nachricht
gegeben hat. In diefer Oper fpielte und fang
die Herzogin von Hihlburghaufen die Conilanze
ganz vortreflich ; die Erbpiinzelfin 'das Blondgen,
Demoifelle Willmann, die jiingere, den Bell-
anonte, Baron von Schack, Mufikintpndant, den
Ofsmin, Graf Glenau den Balfa, Hofmufiker
Marchand den Pechillo j die a'ltere Demoif. Will-
mann machte den tfapellmeifter. Das Audito-
rium be/land aus mehrern Furften und einem
zahlreichen Adel. Solche Ereigniife gehoren mit
fiecht zu den Triumphen der^Kunft.
zum Director des Singetheaters und Hr. Fran-
xel} t ein wiirdiger Sohn des beriihmten Violini-
ften in Manheim, und felbft ein fehr grofser
Violinfpieler, der fich auf feinen Reifen in
Deutfchland, Frankreieh und Italien grofsen Bei-
fal! erwarb, ift zum Director des Orchefters en-
gagirt word en. Beide mit anfehiilichem Gehalt
und ehrenvollen Bedingungen.
Stnisburg den Soften Januar. Ich ward in
diefen Tagen hier fehr angenehm iiberrafcht.
Man hatte mir von dem fchlechten Zuftande
des hiefigen franzofifchen Theaters, befonders
in JAiickficht der Tragodie, fo viel gefprochen,
dafs ich eines Tages, als ich beiin Theater vor-
beigehe unci auf dem Anfchlagezettel lefe: Eit-
phrojhie oh le Tyran corrige, gleich die Idee
von einem Trauerfpiel damit verbinde und aus
Neugierde das Ungeheuer einen Augenblick an-
zufehn hineingehe. "Wie angenehm war aber
meine Ueborrafchung, als eine fehr karakterifti-
fche affektvolle Oavcrtiue mich fchon etvvas an-
ders vermutheu liefs, und ich bald gewahr wur-
de, dafs ich eine Operette zu horen bekam, in
Gottingcn — Herr L. Maffonneau gab den welcher Ein inufikalifc!ier Satz immer angeneh-
£2ften Marz fein Abfcliiedskonzert, unci gieng luerwiul effektvoller war, als der Andere. Lan-
den J? ten April nach Frankfurt am Mayn, wo Cp hme ich kein "«"es Werk gehort, das fo
er bei dem OncbeUer des neuerrichteten Natio- vicl angenehme Unterhaltung und a'chten Kunft
naltheaters als Violinift angefetzt worden ift.
Unfer mnfikaJifche? Publikum hat an ihm
eixien voitre/lichen \'iolhifpicler und einen gu-
tier Gelang
war n
leift
ens
fehr
genufs mir gab :
fliefsend und bedoutend, nntreinige Duel ten unci
Tcrzotten waren vorfrellirh dialogirt. Ganz v«>r-
ziiglich zeiclmete fich iiber die Behaiulhuie da*
C 3 *
9.1
Orchcfters aus. Allcs, was Gluck und Hay den
je erfunden und zu grofsen Effokten angewandt
haben, hatle dor Componilt init grofsem Glikk
benutzt, und es waren inehrere Satze unci fehr
vide meifteihafte Stellen, die jonen beidon gro-
fsen Meiflern Ehve gemacht haben wurden. "Der
Componift diel'er fchonen Operette (die audi
wohl ri'ir eine grots e Oper geiten kiinnte, wenn
der Dialog uicht gefprochcn wiirde) ift MchitU;
cin junger, Componilt in l J aris. *)
Fan's, Von den Rcvolutionsftiicken hal
auf alien hiefigen Thpatern keines mehr Gluck
gematht, als cine Operette: JSicodeme dans la
lime on la revolution pacijique vom Covfm
Jacquvx. Allein auf deiu neuen kleinen Thea-
ter 1'raiii-oU comique ct lyrique , das fie zuerl't
gab, ift lie feit dem 7ten November 1790 fchon
zwey Imndert cinige vierzigmahl aufgefuhrt
worden, und inuuer ift der Zulauf noch grot's.
Es ift aber audi eins der feinften, naivften, an-
genehmften Stucke, das ich je fab. Die Sitten
der jYlondbewohner — bei denen es iibrigens
im Gnlen und Bofcn v\ie unt.erm Monde Tier-
geht — find mit lb treffenden reinbezeichnen-
den Zi'igen gefchildert, und die Aufpielungen
auf den hieligcn Hoi", und auf das Volk und
die Revolution alle lb IVin angelegt und ohne
alle harte Farben und L'eberladungen angedeu-
tet, dais man von An fang, bis zu Ende ohne
die mindefte StOhrung einen fehv angenehmeii
Genufs daran hat. Bisweilen miichte man fhrch-
ten, dafs die feinen Spilzen , auf denen es lull
umdreht, biegen oder brechen kSnnten; doch
fchwingt e9 fich dann wieder fo leichte fort, dafs
der Gang einen neuen Reitz dadurch crhiilt.
Die Muiik ift grQl'stentheils , wie fie bei den
kleinen Stricken en Vaudeville zu feyn pllegt.
Bekaimten Volksliedern, audi wohl allbclU-hten
Opereltengefangen find neue Texte untcrgelegt.
Jell will Union ein kleines IVines Lied deo (Jon-
fin Jacques zu der alien fdionen Melodh; des
Liedes, (Jharmante Gabriel le und eine Melodic,
die er, wie inehrere Sti'uke felbft komponirt
hat, hier beilegen. Wenn ich den lieben iiciu
lier/.ijjen, finnigen Kicod'cme , der mit eiucm
Luftballon in den Mond komml, urn die Nacli-
richt von der franzolifchcu Revolution hiiizu-
bringen, fin gen und mil. Si - . Maj, dem Hrn.
Mondkaifer vert rant fprechen horte, war mir's
uft, als fah' ich unfern lichen Annus vor mir,
der fehr wahrfclieinlich an dem' imerclT.mren
Char;:Uler nidit ganz unfdiuldig ift. — Mir fa fit
dabei ein, dais die AVerke unfers Annus vor
einigen Tagen unter clen Biichem des ki'irzlidi
veihoibenou franz. Dichlers JJerquiu verkauft
wurden.
rarit den ".ten J/drz 92. Geftem fah ich
nnch der Oper Alccfic von Gluck das henlidie
Ballet rfychc. Das iibertrift alle Vorftellung
von grolser Execution, befonders von Seiten
der Mafchiuerie. Mit welcher Leichtigkeit und
Sclmelligkeit Amor die Pfyche in den Wolken
hoch clinch die Ltifte fiihrt; die Teufel hernacli
in der Hulle aus dem Boden wie Di'mfte her-
vorfteigen , mit der Pfyche in den Abgrund liiii-
ein und auf Befehl der Venus wieder in grofsen
gcwaltigen Gruppen aus der Eicle hervorfaluen,
fich mit ihr von der hochftmOgUchen Hbhe des
Theaters in Feuerftrome liinab fti'irzen — das
ift alles mibefchreiblich und fiir einen, der es
zum erftenmal fieht, faft unbegreiflich. — Mir
haben nun die herrlichen malerifchen Gruppen
meiir I'reiide gemaiht. Als l'lydie im Pallaft
tier Venus in einen Spiegel, der frei ftdit, liin-
ein blickt, umllitgen mit t-inem Uuy fechs Ge-
nien in einer hoclift Liebliilien Gruppe den Spie-
gel, und diefes find wirklich fechs tanzeiule
Kinder, die mit wahrem Zauber, ich weifs nicht
wie, um und uber den ziemlich hohen Spiegel
hcrumgeworfen da fchweben. Und die Grujvpen
in der Hollo von A-ielfarbigen Teufeln uberftei-
gen die Nachbildiingafahigkeit des Malers. Ve-
llris und Nivelon, die Mi'iller und Coulon tanz-
ten audi vortrellich. Dach mufs ich geftehen,
dafs das Ganze auf mich nicht die fchOne herz-
erl'reuliche Wirkung gethan, als ehemals der
premier nav/ga/eur. War es, dafs das Sujet
1111s na'Jver liegt, dafs das AVunderbare darin
weniger gefudit und pra'icitdirt ift, i<;h weifs
nil lit, aber fo fehr mich diefes audi in Erfiau-
nen gefet/.t hat, blieb idi doch ohne dun fclu'3-
HL'u Eindrudc, den ein edles IchOnes Kunftwerk
aid" mich i miner unfehlbar inaclit. Ueberall
fdieinl: es mir audi, als wenn die Oper an ih-
rem grofsen ecllen Charakter zu verlieren an-
fiingt, als wenn man weit melir nach dem Auf.
falleuden und Bizarren fucbi: bclondera fiihl'
idi das beiin Tan/e, worin gar viel (Caprice
und Minauderie herrlVltt. Vcltiis fcheint mir
derfelbe Gcfchnuickverderber im Tanz zu feyn,
*) Die limn !)• vlin. INIiifiklMiiilliing liat 'bcrcii* n.tch
I'aris jm filiiii-bcii , um i!ir linn geftochciie P.irii«
Uir dicfor OpcrcUe koiiuiRn /.11 lallt-n , mill luifft
lie n.ldiftuns tku dcuifdien Kiiiififrcumlcu liiTviu
zu kiimicii.
;jCr
tier Marchefini im Gefange ill, feme meifter-
hafte Execution maeht alius lieb an ihm, aber
die Andern , die ihm nachahmen ! ! — • —
Die Oper Alcefle ward gar fehr viel fchlcch-
tcr vorgeftellt, als ehedem. Die ungeheuer dick
gewordene Maillard fpielt die Alcefte mit der
kalteften, piinktlichften Nachahmung der St.
Huberty — von der falx ich fie damals — Ein
Mr. Renaud fpielt den Admet fehr juaittelmafsig.
Cheron, der den Herkules" wieder fehr bnv
fpielte, war der einzige der V'origen. Dufresiie
machte den Oberprielter auch gut. Das Orche-
fter, das einige Stiicke ganz fublim ausfiihrto,
gieng ini Ganzen aber weit weniger zufammen;
es war indet's immer iiu Verbal tnifs mit den
Sangern nnd Siingerinnen. AVenn die St. Hu-
berty, Lais, Cheron, Rouifenu fangen, war es
ein ganz ander Orchefter, als mit den Duu-
bletten.
Nachriclit von merkwiirdigen Tonkunftlern.
Kimzcn. Biefer junge brave Ki'inftler, der
I5ch fchon fruh in Li'tbcck , feiner Vaterftadt,
als vorzi'igliclier Clavierfpieler und gliicklicher
Componift zeigte, nnd bald darauf in Copen-
hagen mit feiner vortreflichen Oper: JFIolger
IDanske, eine Art von Epoch e machte, kam am
Ende des Jahres 1789 nach Berlin, mit der Mei-
jmng, dafs er hier feine Kunft und feincn Ruf
vollenden konnte. Die vorzi'iglichften Kim/Her
nnd der befle Theil des muhkalifchen Publi-
kums, waren ihm gerecht und freundlich. Bei
Hofe fand er aber von alien Seiten Widerftand.
Reichardt , der fich felbll nie mit Unter-
richtgehen in der Mufik abgab, empi'ahl ihn
der l J rinzeiTin FriederiLe als Clavier - und Sin-
gemeifter, mu den he bey der Abreife der Ma-
dame Todi verlegen war, und es ward ihm iibel
genommen, dafs er einen andern empfal. Er
i'prach dem Konige von Kunzens vortreflicher
Oper, die durch Cramers Ueberfetzung auch
dem deutfehen Theater eigen gemacht worden
ift, und der Konig whnfchte lie zu horen, und
ivollte fie auf dem nenen Theater in Charlot-
tenburg horen; Kunzen wurde von Reichardt
in die Cammerconcerte des Konigs eingefi'ihrt,
fpielte einmal das Forte piano in einem Con-
cert des KOnigs init vieleiu Beifall — und ward
vergeifen.
Im Publikum ging es ihm glikklicher. Er
errichtete im Jahr 1791 mit Hrn. Braun ein 6f-
fentliches Concert, das wahrend den Fa/len wo-
chentlich einmal gegeben wurde, und fand dort
fur die Wahl der JVItifikftucke, ihre Auffulirung,
.und fur fesu vortre'liches Spiel alien verdienten
Beifall. Das Concert war und blieb felir be-
fucht, und wurde in.diefem Jahre mit gleich
gliicklichein Eifolge wicdurholt.
Als Reichardt im October 1791 feinen ihm
vom Konige accordi/ten di eijahrigen Urlaub an-
trat, und Se. Maj. wegen der Auffuhrung fei-
ner Oper Olimpiade y die im Cameval 1792
wietkiliolt werden follte, beforgt waren, fchiug
Reichardt Krn. Kunzen dem Konige, als denje-
nigen vor, der feine Arbeit genau kenne, der
ganz in den Sinn derfeiben eingehe, und da-
her feine Stelle am Fli'igel vollkommen gut ver-
fehen wurde. Der Konig war damit fehr zn-
frieden, und gab Hrn. Reichardt den Befehl,
Kunzen den Auftrag zu geben. .Man nahm in-
defs in Reichardts Abwefenheit von dem Weg-
bleiben der Mad. Jl/ara, fi'rr die die erfte Rolle
in der Olimpiade eigentlich gefclnieben war,
und von der fchwachlichen Gefundheit der Mile.
jt\ 7 iklaj (, die die Rolle bei den Feftivitaten im
October zweimal gefungen hatte, und von der
Unfiihigkeit der Mile. Cantoni eine folche gear-
beitete Mufik zu hngen, die Veranlall'ung die
Wiederhohmg der Oper Olimpiade zu hinter-
treiben, und fo blieb Kunzens Talent wieder
unbenutzt.
Fur das Publikum arbeitete er aher auch
wieder von einer neuen Seite mit fehr gluckli-
chem Erfolge. Er nalnn vom Anfange diefes
mufiknl. Wochenblatts bis zur Abreife als Redak-
teur und Mitarbeiter giofsen Antheil an diefem
Werke, und wurde diefer intereflanten Arbeit
manche andere eintraglichere gerne aufgeopfert
haben, wenn ihm nicht der Ruf zu der Mu-
likdirectorftelle bei dem neuerrichteten frank-
furtfeben National theater ein bedeutender Wink
gewefeir ware, cinen Ort zu verlalfen, an wel-
chem ihn wahres Talent , Fleil's und Eifer nicht
durch die dem deutfehen Talente fo fatale Ca-
bale durchdringen liefs. Und fo ging uns wie-
der eines der fchimften fruchtbarften Talente
verloren, von dem die Erwartung nicht zu hoch
gefpannt werden kann, und auf dercn Erfiil-
iurig man urn fo fichrer nvlnien kann, da
Kimzcn kein Jiiechanifcher Kiuiftler, Iniuiein ei«
Maim von Herz und gebildelem Kopl'e ill-
a. f
Naciiricht von einem netierfundenen mufikalifchen Iiiftriuneiite , welches bis
jetzt nocli keiiicn Nahnieji liat, and das man etwa Nagel clavier
i. enneii konnte. PelTau.
Die fchon langfr. bekannte Nagclgcige (Vio-
lino ili Ferro), wo man namlich mit einem Vio-
linhogen auf abgeflimmten Eilenftiften ftreuiit,
unci dadurch einen flageoletahnlichen Tun her-
ausbringt, bat einen Ki'mftler, Nahmens Tra~
gcr, aus Bern burg, welcher bei clem daligeii
Schuliiiftifule als /eidienmeifter angeftcllt ift,
auf (He Idee gebracht, ei 1 nhnliches Inftrument
mit einer Taftatur zu erfinden, fo dafs man es
wie ein Clavier fpielen konnte. Nach vielen
wiederholten und kolUpieligen Verfuchen ill es
ibm iiber alle Envartmig gehmgen , ein folrbes
Inftrument zu Stande zu bringen. Er hat audi
bereits nn dem Hofe zu Bernburg, wo er feine
Erfnidung zuerfr. produurt hat, fo wohl bei fei-
uem guten menfchenfreuridlichen Fur/ten, der
jeden Kimftler von Verdienfteri mit ungemei-
ner Giite zu begegneu und zu fchatzen wells,
als auch bei den darken Kunfikennem vielen
Beifall damit erhalten.
Auch liier liefs vor kurzem Herr Triiger
(ein Inftrument, in einem dazu veranftalteten
Conceite, horen. So wohl der lanft einlchniei-
chclride Ton, als audi die befonders erfindungs-
rciche F.inrichtung des Imtrumentes, erwarben
auch hier clem Erfinder allgemeinen Beifall, fo
dafs es Anzeiger fur werrh erachtet, dem l'u-
bliko eine nahere Befchreibung, diefer in Coi-
ner Art fonderbaren und lnerkwiirdigen Erfni-
dung, zu geben.
Das Inftrument hat die Form eines gewohn-
iichen Clavieres, mir dais es Jiidit vollig lb lang
ift, weil der Bauui, den der Relbuanzhodcu
eiimimmt, davon abgeht. Uebrigeus liat es den
Umfang von einem F Clavier, namlich limf
vollige^Octaven. Die S/immung geht durdi-
gangig mn eine Octave iiber unl're gewiiluilidie
.Slimmung hinaus. Die Eifenitil'le find binicr-
warts in einem mit Eifenblech beleglen Stiniiu-
ftocke nach ihrer verfchiedenen Liinge und Duke,
horizontal eingefchlagen, und zwar in vier Rei-
hen iibereinander, wodurdi der Baurn von ei-
nem Stifle zum andern mn einige Zolle weit
auseinander geriickt werden konnte, welches
nothig war, urn den Sti fieri mehr Spielraum zu
geben. Jeder Stil't hat eine kleine holzerne be-
wegliche Wal/e, lb dais am-li dercn vier Reihen
tiber einander (inch Ueber dicfen kleincn \V»1-
/en ifi ein, mit Geigenharz beftrichenes Leinen-
band a.:igebracht, weldies ganz nahe untcr deu
Si ifi en fnrthiuft, mid durch die Tangenten an
die Eifenftifte mil geringer Kraft angedriickl
werden kann. Reditu unteu lit ein Fufstritl,
wie bei der HarnioniKa , wo vermoge eines in-
wendig angebracLteii Schwungrades der Umtrieb
vier kleinerer Racier bewirkt, und dadurch dai
Band (iiber den kleinen Walzen) in beftandiger
Bewegung und Fortzieheu erhalten, und die
Aehnlichkeit des Bogeuftrichs zu wege gebracht
wird.
Diefe und mehrere mechanifche F.inrichtun-
gen , die fich lb genau nicht befchreiben lallen,
jnachen dies Inftrument zu einer der Ibnderbar-
lien mid finnreichlten Erfindungen unfres jetzi-
gen Jahizdiends, welche wohl verdiente allge-
mein bckannt zu werden. Die unfagliche IVIiihe
unci die vielen frmhilufen Veifuche, wobei es
zum oftern , wie Heir Triiger ver/ichert, mir
auf ein Gerathewohl unci Glucksi^ll ankomnit,
dafs ein Ton gut und rein angiebt — weil man
bis jetzt noch keine fefte Theorie dafiir hat —
dinften freilich noch von ahnlichen Unterneh-
men ein Ibldies jjiftrumeut zu verfertigen, au«
Furclit des Rlislijigens abfehrecken.
Herr Triiger geht auch von andern Erfin-
dern inechanifcher Kunftwerke ab , die gern aus
ihrer Erfindung ein Geheimnifs zu machen, und
es den nengierigen Augen zu verftecken iiuhen.
I Her mnchte er gar keiiie Umftande, einigen
Runfth'ebhabcrn zu gcfallt'ii, durch Herausbe-
bung der Claviaiiir, die tran/e inure kiinltliche
Striiktur fcinc? inltrumcnies belchauen zu lallen.
Aus der Aehidichkcit, welche dies Inftru-
ment in Abfuhi. ciei Anlprache des Tones mit
i\er Ilarmonika hai , ill audi zu fthliefsen, dafs
es ein eignes Traklement und oignen Fi?iger-
drink erfurdert, und dafs die langlamen Toji-
ltiicke, den bellen und eindringendften Effekt
machen, ob man gleidi auch Gefchwindigkei-
ten, Pailagen, Triller unci dergleichen leichl.
darauf herausbririgen kann. Gebundene, lanft
in einander verllochtene harmonifch melodifche
S.itze, feine nunlidierende L'ebergange etc. neb-
men fich am belt en darauf aus. Daher es audi,
gleidi der Harmonica, ain vorzuglichften ge«
i'cliickt
£>5
fdiickt zur frcien Phaniafie ift. Hier kann ein
gefiihlvoller Spieler, der mir einigermafsen erft
mit der ;Spielart bekannt ift, dies Inftrument
ganz nach l'einen Emplindungen ftimmen. Hier
winden fidi iluu uuvernierki:, wie von felbft,
gcrade die Ideen von der Seele los, die dem
Tnftrumcnte angemelfen find, und die bei den
Zuhurern audi wiedcr Eingnng zum Herzen fin-
den. In gewilTen Lagen ift der Ton diefes In-
ftrumcntes , ziunal wenn man die Finger fanft
abgleken Hifst, eben fo be bend und nachhal-
Jend, — doch faiifter, und nicht nervenangrei-
fentl — wie ans den glafernen Glocken; ja,
durcli die Einriditung, dies Inftrument wie ein
Clavier zu fpiclen, hat es gcwijrcrniafsen noch
Yorzuge vor tier gewylmlidien Hanuonika. *)
M.'idite dotb Hr. Tra'fcr, der ein "befchei-
dener und gutmulhiger Mann ift, und jeden
Rath cines fadiverftandigen zubenutzen fudit**),
durdi thatige I'nterftutzung in den Stand ge-
fetzt werden, eines Theils feine darauf ver-
wandte Koften wieder erfetzt zu bekoinmen,
und andern Theils, diefer Erfindung, die aller-
dings, wie viele andere, nodi mancher Verbef-
ferungen bedarf, nodi mehr Vollkommenheit
geben zti konnen. ***) Mochte er, da er ge-
fonnen ift, nut feineni Inftruniente zu reifen,
das Gliick ha ben, uberall Gunner und Beforde-
rer zu finden , die fich fur ihn und feine Er-
findung mit dem warmi'ten und thiitigfteii Kunft-
eifer intereITirt.cn!
8. MufikaufTuIirung in Berlin.
Vor einiger Zeit liefs fich Dem. Ktrcftgdjs-
ncr am Hofe und auf dem deuifehen Theater
mit vielem und vcrdientem Beifall auf der Har-
juonika horen. Es i It wahr, diefe Harmonika-
Spielerin, die des Gefidits beraubt ift, fpielt
mit aufserordentlicher F'crtigkeit, und weifs die-
fem fo fchwierigen unci untraitablen Inftrumen-
te bisweilen die feinfteu Niiancen des guten
Vortrags zu entlocken und mit Sicherheit lelbft
fxhwierigc Palfagen hervor/.ubringen. Allein,
oh nidit diuch diefe knnltlidie und fdinelle
Manier der wahre Cliarakter fler Harmonika et-
was verloren geht s deren gn'ifste Sdionheit auf
dem tief hervorgezogenen und edlem fingenden
Tone, auf dem bedentenden Tragen deifelberl
und dem fiifsen IueinamleiTduuelzen freier und
gebundener Ilurmomcn bc-uht; und ob nidit
bei jener feltenen Vircuofitat, vieles auf ein
kleinlidies, grelles Spiel mit den obern Klorksn
hinauslauft, fo dufs die imtern, die an diefem
Inftruniente der Dem. K. uberliaupt audi nidit
viel zu taugen fcheinen, zu febr unbenutzt
bleiben? ■ — ift eine nidit wohl zu unterclrii-
ckende Frage. Alles in der "Welt hat fein Maafs
und Ziel, und Glasklocken , wie Saiten und
Stimmen, haben ib/re von der Natur angewie-
fene Schranken. Allein man will gewohnlich
mehr auf Bewunderuug , dcnn auf Riihrung und
fchlichte Herzensempfindnng wirken, und da
fudit man denn frcilidi alles hervor, was zu
diefem Zwecke fiihrt, und folhe audi dariiber
ein Grab der Natur gegraben werden miiffen.
1ft dies nidit die Gefchichte fo vieler unferer
heutigen Inftruniente und ihrer Spieler? —~
Aber will es das Publikum nidit meiftens fo
haben , und kann man es wohl dem des Rubin*
und des Geldes ge»vohnlidi gleidi bcdiirftigen
Virtuofen verargen , wenn er das allgemeine
Vorurtheil, fo gut er kann, zu benutzen firebt,
und ftatt fiber den Verfall des guten Gefdimacks
zu weinen, licber fein erworbenes Quantum be-
haglidi einiireidit und lachend da von geht?
Uebrigens ift, aufser den nadi alter Sitte
bei den Kunflpfeifern beftellten periudifdien
Kirdienmu/ikeq , aufser den Gattenkonzerten in
den Geganden von Berlin, wo die Zaune mid
■die ftillen Hiitten anfangen, znr Sonunerszeit
wenig oder gar nidits von fjffentlicher Mufik
zu horen. Hier kann man aber, wenn man
lich nut zwei guten Grofchen ranzionirt hat,
bisweilen den Tod Jefu, den Tod Abels , zu
*) Arir.cijrer Jut die Rulligfclie Ifarmonika mit der
Ta/taiur r.war jiefelui , aber n'icht gehfirt, und
kaiui alfo davm tufdn unlieilen, fo viel er ficli
ab«.-r mocIi eiiniicm kann, waren die Tafien fo
breit mid fo weii aiisciu.iiider , dafs man Jificli*
ficju nnr fi-dis Ti'»n«5 . libcrfpaimen konnte. IJci
diefem Jn/numenie des Urn. 'Jraejer find fie nidit
lueitcr, nnd Jicgcn .tih.Ii nidit '""welter auscinan-
tier, alu an ciuein gewohulichen Claviore.
**) Wie cr z. B. von dem wtirdigen Hrn. Trofc.fTat
Jluftc mancJio auf -weuere VerbelTerimgeii fi'ili-
rende Jdccn mit Dank angtiiiommeu Jiat.
"**) So ajeJxt cr z. B. damit v
PrliallDoden anziibrinsen ,
nm , nocli eine Art von
.£,— . . wclclier, nach feinev
JMeiiuuig, den Ton uoch am viele* veifi.tirken
wiude.
D
26
jeder Frift aber den Tod der armen Kunft, die Schranken, wie unlangft in der Garnifonkiiv
gar nicht fterben will, mit anhoren. — die, gefordert wild . mil fich in bonibaftifehen
Wenn nicht noch zu Zeiten eine Privatge- Vcrfen unci durch ode, trockene Muhk und JUi-
fellfchaft auPgebracht wi'irde, und wenn nicht fen, langweiligen Gefang bedauert zu find.-;.
das Liebhaberkonzert des Hrn. Bachmann und Ilr. R. mag ein fchatzbarer Mann in feiner An
das bei Hrn. D. Fliefs, das audi fo gut wie of- feyn ; audi gereicht es immer zur EJire, feine
fentlich ift, wenigftens einjtial ini Monate lei- Kraft e an einer Kantate zu verfudien. AHein,
nen Gang fortnahuie; fo wi'irde man gar nicht was man allenfalls guten Freunden mit Bei fall
wiifen, ob gcniefsbare Mu/ik in Berlin ware, zu geniefsen gebe.n kar.n, ift durum noch hinge
Denn das kann wohl nichts bedeuten, wenn nidit fo, dafs man ein grofses mitunter an
etwa der Geift Gujiavs des Dritten, deifen An- gediegene Werke unfrer ATeifter gewohntes Pu-
denken immer einer Thrane und eines guten blikum zur Theilnalnne daran alien tlicli auffor-
Gedithts *) werth ift, in die inufikalifxhen dern di'vrfte.
q, Proteitation des Herm Canonikus Sterkcl.
In dem lcjten Stuck, Seite 149, Hires mufi- fagen, dafs idi keinen Antheil daran habc D;;zn
kalifchen Wochenblatts las ich mit Yerwunde- konunt noch, dafs ich nie Yariationon i'.ber
rung eine Anzeige, nebft einer Recenfion fiber irgend ein I'ranzo/jfchcs Lied gcfcluieben ha:.'.-,
das franzofifche Lied: Lifuut dormait, mit Va- Nun aber, da diel'e gcUochen find, unci ofl'ent-
nationen fur das Klavier, weldie bei IJemi lich unter meineni iN'ahnien vcrkauft werden,
Boder in Speyer unter meineni Nahinen gefto- ift <a Zeit, audi midi oilentlidi jirot.eftando
dien find. Die lea bel'reuidete mich urn lo mehr, dagegen zu venv.ihreu. hh eri'uche Sie alio
da ich nicht den geringlten Antheil an tliefou diefes in dem nidi/ten S'totk Jhrer niuhkaii-
l J rodukt habe. Schon vur mehvercn Jahn-n fdien ZeiiAhiift be!;aunt zu madien. —
land idi diel'e Yarial.ioi.en unter meineni Null- . . f .
men in mehreren hieligen ihiufern verfdiiede- Mainz den ^leu Alarz 1792.
ner Liebhaber; ich konule nicht mehr thun, Sterkel,
als jencn, die fie fiir ineine Arbeit liielteri, zu
10. Fingerzeige fiir denkende und forfcliende deutfche Tonkunltler.
(Diefe Rubrik in dem mit dem acluen Gefchichte der Menfchheit, S. 10) „Es fcheinet
Stiicke nunmehro befchloffenen Reichardtfchen fonderbar, dafs da /.wo Nationen , Sdiotten und
mufikalifdien Kunfhuagazin , die viele wichtige Irren um die Eigenthumsehre Fingals unci Oiliai ■>
Stellen aus den Schriften eines Kant, Giitlie, ftreiten_, keine derfelben durch Herausgabe der
iJerder, Leifing, Sulzer, Debrolfes und vielen fchonften Gefange des letztern mil Uirvr w:-
andern Schiifthellern, die nicht in vieler Kiinft- Ipriin^lichcu Gcft.-iifiu u'f>- , die nodi HcW; ■!)!-
ler Hande komnien, entJiiilt, war fiir den lehr- mens feyn foil, Jidi rei i:tf -i.'ip,!. .Sdiwcj iidi
l/cgic-rigen Ki'mliler und Kuniifreuiid zu inter- konnte diefe erdiduer wi-rdc-u , und der Ban
ellant , ah dafs wir lie nicht gerne in unfeivr i\vv Licder felb/t hi der L tj< luiJL , mil e^.eni
MonaMfdnift. nachahmen . und forlfet/.eu loll- Olnlhuiiun und ^; t • 1 3 ■ > = t c - •-.- » i Anuioi'kungen vc.-i^'-..
ten. Wir wercien befoudcu, aiif ga:iz neu her- hen, rediifcrlitte ; • : t ii L bin-!, fi-ndem cr v.- rde
aasgekommeue und gnilsere Werke Rinklidit fiber .Sjinchi:, .Muli'c und Didiiuunft dor Gahn
ueinneii n/id ru.r von aushmdifd'en .Sad^-n mchr, afj ihr Arlii'Uehs, Ufn/r, bek-h-ren. "
audi kieinere 5dnifi.cn benutzen. -D. //.)
In einer elicn fo neuen Schrift: Ocift dux
Herder fagt: (in dem fo eben erfchienenen mujinciif<//cri K;</;'iu;fgaz ; iu * '), find el: fidi ci!:e
vierten 'flieil feiner Ideen zur Philofophie der Stelle, S. 58 unci 3<j, die einigerinaafseu zur
*) T T i?d d.imit hat i:m Ifr. ir.i^rmeilttr durdi fiiiic nit lit C'fii/T n;!i, !i im >.* > iijicm c]rv hViik f ; i.-f,
j 1 .lit-nffier (.'!.}!. in ,'rt Drlttrti bticlicnkl , lino divifi (i- .a I" /I 1 s.n _:.?.J,)i \vi ?-.leu iii:-.'.
Oil-, ii'--, tini ■•'. _.'ii/. k'f -irti iwie'iiuhijdie 1 li. ici-n ** } !-':• 1: Sdnift iii in del' iiciicji Jj'-iiin. Ai:o.k.-
ai> 'crediiiei , diu iiicniaiid .tuiliidi-H wild, der hauulting zu haben.
fl 7
Beantwortung tier obigon Herd erf ch en St ■■.■]\v
dicnen kann. Folgende vurtreliiche hiftorifihe
Stlulderung aus demfolben Herderfthen Werke
weiden unfre Lefer gewifs mit demfelbcn Ver-
guiigen lefen, mit dem wir fie hezfetzen.
„In Spanien und Sicilian, den beiden Ge-
genden, 'die die Araber am langften befafsen,
hat fich ihr Einilufs in die frohliche Dichtkunft
vorziiglkh gezeiget. "
„In jenem Erdftrich namlich, den bis zum
Ebri) Rail der Grofse den Arabern abgewann,
und mit Liinofmern , d. i. mit Einwolmern aus
Siid frankreich befetzte, bildete fidi mit tier Zeit
diefs - nnd jeufeit der Pyienaen in Arabifcher
Nadibarfchaf't die erfte Poefie neuersr Mutter-
ipracheri Europa's , die ProvcnzaL oder lunojl-
tufche Dichkkunfi. Tenzarn , Sonnette, Idyl-
len, Villanefcas, Sirventes, Madrigale, Canzo-
nen und andre Former , die man zu finnrei-
chen Fragen, Gefprachen und Einkleidungen
iiber die Liebe erfand, gaben, da alles in Eu-
ropa Ilof - oder Meifterrecht haben mufste, zu
einem fonderbaren Tribunal , dem Ilof der
Liebe (Corte de Amor) Anlafs, an welchem
Ritter und Damen , Konige und Furften als
Richter und Partheyen Antheil nahmen. Yor
ihm bildete fich die gaga Cieiicia f die Wifien-
fchaft der Trobadoren, die zuerft ebie Liebha-
berei des kdchften Adels war und nur mit der
Zeit, nach europaifcher Weife, als eine Hofluft-
barkeit betrachtet (leider!!) in die Hande der
Contadores, Truanes und Bufones, d. i. der
Marchenerzahler, Poflenreifser und Hofnarren
gerieth, wo lie fich ielbft verachtlich machte.
In ihren erften bliilienden Zeiten hatte die
Dichtkunft der Provenzalen eine fanftharmoni-
fche , riihrende und reizende Anmuth, die den
Geift und * das Herz verfeinerte, Sprache und
Sitten bildete, ja iiberhanpt die Mutter aller
neuern europaifchen Dichtkunft ward. Ueber
Languedok, Provenze, Barcelona, Arragonien,
Valencia, Murcia, Majorca, Minorca hatte fich
die limofinifche Sprache verbreitet; in diefen
fchonen vom Meer gekiihlten Landern ftieg der
erfte Hauch feufzender oder frohlicher Liebe
auf. Die Spanifche, Franzofifche und Italieni-
fche Poefie find ihre Tochter: Petrarca hat von
ihr gelernt unci mit ihr geweteifert: unfre Min-
ntting'*;- :«iid cin fpati.,- :.:-ul hn'rterer Nachklang
dc-rlelue.i, n'.i Jio gloi'.li /;-m Zarteiten unfrer
Sprache gehciren. Aus ftalien und Frankreich
namlich hatte der allgemein verbreitcte Ritter-
geift einige diefer JBluthen auch fiber die Alpen
nach Schwaben, Oefteneich, Thiiringen mit
hinubergewehet ; einige Kaifer aus dem Staufi-
fchen Haufe, mid Landgraf Hermann von Thii-
ringen hatten daran Vergmigen gefunden, und
mehrere Deutfche Furften , die man fonft nicht
kennen wiirde, haben ihre Namen durch einige
Gefa'nge in diefer Manier fortgebreitet. Indef-
fen verartete diefe Kunft bald und ging, wie
in Frankreich zum lolen Handwerk herumzie-
hender Jongleurs, fo in Deutfchland zur Mei-
fterfangerei iiber. In Sprachen, die wie die
Provenzalifche felbft aus der Lateinifchen ent-
ftanden waren, und Romanifche hiefsen, konnte
fie beffer wurzeln und hat von Spanien aus
iiber Frankreich und Italien bis nach Sicilieu
hin weit lebhaftere Friichte getragen. In Sici-
lien, auf ehemals Arabifchem Boden entftand
wie in Spanien die erfte Italienifche Dichtkunft. "
(S. Herders Ideen zur Philofophie der Gefchich-
te der Menfchheit, vierter Theil, S. agi-o.gS.')
Auf den Vorwurf, den Lambert in feinem
Hcucii Organon B. 2, S. 16 unfrer Ton (thrift
inacht, dafs lie die Criteria der Harmonie nicht
angebe, und dafs Juan fehlerhafte Gange unci
Sjn-iinge eben fo, wie c'.ie vvahren clamit bezeich-
nen kiinne, antworlet Forkel in J'einer allgc-
mcinvn Gefchichte dor Miifik B. 1. S. 55. „!.ch
denke nicht, dafs diefes als ein Fchler oder
Mangel angel'dien werdcn kann; denn die Be-
zeidmung mufs der Sache oder den Gedanken
in alien ihren Modifikationen folgen; fie ift
bios aufseres fichlbares Kleid der Gedarfken,
1ft man nun im Stauno falfch zu denken, war-
um foil es ein Fehler feyn, dafs falfclie Gedan-
ken auch bezeichnet fichtbar dargeftellt werden
konncn? Alius, was man der Natur der
Sache nach, von irgend einer Schrift ford en 1
kann, ift, dafs fie das, was man denkt, genau
bezeichnet, ohne Riickfitht, ob das Gedathte
falfch oder wahr fey, fo dafs nur tier, welcher
richtig denkt, auch riclnig fchreiben kann, und
fo umcekehrt. "
n. A 11 e "k d o t e n.
Man bemerket, dafs die Virtuofen von ge- dafs <li.e von den grofsten Fahigkeiten ufcers in
tvohnlichein Sclilage in^gemein die dreifteften jenem Falle in eine Art von Verlo-jrenlieit se-
iind, wciui fie ziim S-icion heivortreten, und ratli«?n, die fie Fehler bejjolieii Klflet^ ueien Jie
D 2
fonften' nlcinnls f'ilug waren. Die Urfache da- Hr. Maupin de St. Germain en Lave hcirathere
von ill oluio Zweiicl kerne aruiere, als dafs die fie fehr juris;, und hatte die Uiivo; f khU«keit,
grofsen Virtuofen den ganzcn Unifang Hirer ah er in liner gewiffen Pruvinz Frankieichs
Pflichten kennen, die kl, inen aber nicht. Jeue beyiu Accifedepartemeiit eine Bediemmg er-
iui(! in Furcht, es nicht gut genug zu machen, hielt, l\e nicht mit iich dahin zu nehmen.
und diefe wiifen nicht, was dazu geh.'Jret, unx Wahrcnd feiner Abwefenheit verliebte fie fich
es gut zu machen. Jene wollen allezeit niehr in einen Yurfechter, Nahmens Scrane, von wei-
als jeinals gliinzen, und denken nicht daran, chem fii ficli in der Fechtkunft unteriichten
dafs diefes odor jenes nicht heifer gemacht wer- liefs, worinnen f:a unglaubliche Progrelfen inach-
den kann, als fie es machen, und diefe machen te. — Sie crfchien im Jahre lficp, in der tra-
alles nnr aufs Gerathewohl, voqite'la Galcrel gifchen Oper Cadmus, worinnen fie die Bolle
und glauben alle Welt bezaubert zu haben, der Pallas fpielte, zu allereift und auf die gli'ick-
wenn fie nnr zu Ende gekommen und halb lichfte Manier auf dem Theater zu Paris, indem
gut und halb fchleclit iiber die fchwerern Pallia- das Handeklatfchen fo i'tark war, dafs fie fich
gen weggeftolpert find. Fiiget es fich annoch, verbunden hielte, den Helm Minervens abzu-
dafs ein fremder Mufiker zugegen ift , der die nelunen, und dem Publikum ihren Dank abzu-
Bepntation eines gefchickten Ausfiihrers hat, oder flatten. Seit- dieler Epoch© hat fie mit unun-
der von einem Orte konuut, wo es dergleichen terbrochnem Beifall gefungen, wiewohl nicht
giebt, fo pfleget fich die Verlegenheit der Brevi in dem Grade als eine andere beruhmte Opern-
annoch zu vergrofsern. — puanz, der in der langerin, Nahmens le llochois, (deren Leben
Setz- und Spielkunft gleich vortreflich war, fieng man im 5, St. II. Band der Marpurgifchen hifto-
in einem Privatconcert bey dem Konigl. Ober- rifch - kritifchen Beitrage findet. ) — Eine ihr
ftullmeifter, Grafen von Schafgotfch, den chit- wiederfahrne iible Begegnung des Dumcnil, wel-
ten Satz einer von ihm gefetzten unvergleichli- cher in eben derfelben Oper fpielte, veranlafste
chen Solofonate an, als er einen fremden Ca- fie, fich an einem gewiil'en Abend in Manns-
valier in dem Saale ankommen l'ahe, von wel- kleider zu werfen, unci ctemfelben auf dem fo-
chem jemand ihm den Tag zuvor, als von ei- genannten Sicgcsplaiz (place des victoires) mit
jiem fehr gefchickten Schiiler des beriihmten dem Degen in der Hand aufzupaflen. Da die-
WeiuUiug in Mannheim (anitzo in Miinchen) fer keine Luft hatte, fich herum zu fchlagen,
gefprochen hatte. In dem Augenblick fpiirte fo prugelte fie ihn mit dem Stocke aus, und
man an Quanzen, der bisher fo englifch, fo nahm ilim feine Uhr und Tabatiere. Als Du-
gdttlich gefpielet hatte, eine Unruhe, die fich menil am folgenden Tage fich auf clem Theater
iiber fein ganzes Spiel verbreitete. Er fieng an grofser Heldenthaten ruinate, und erzahlte, wie
im Tempo unordentlich zu werden; die klei- er fich drei Spitzbuben vom Leibe gthalten hat-
nen Manierchen, womit er gewiJle.Tone fo mei- te, fo trat die Maupin hervor, unci fagte: „Du
flerhaft zu verfchonern pflegte, fchienen fich „lugft, and bill nichts mehr, als eine feige
feinen Fingern zu verfagen; die Paflagen ver- „Memme. Ich bin es, die Dich angefallen hat,
loren ihre Bundling; er wiederhohlte niclit den „und zuin Beweife lieh hier Deine Uhr unci
erften Theil des Satzes, fondern eilte mit Un- „Tabatiere, die ich Dir wiedergebe, nachdem
gefiiim zu Ende, und — warf mit Unwillen „Du, lb wie Du es verdienlr, von meinem fpa-
die Flote aus der Hand. Die in Verwunderung „nilchen Rohre genug dnrchgearbeitet bift. " — ,
gefetzten Zuhorer fahen einander an', mid da Thcvenard, Teuorift bei der Oper, hatte faft ■
der Konigl. Kammermufikus , Hr. Czarth, ihn eben diefes Schickfal gehabt, und konnte der
fragte, was ihm begegnet ware, fo antwortete Bachbegierde der Actricc nicht anders, als mit-
er, dafs er es felbft niclit wilfe ; es ware ihm telft einer ofFentlichen Abbitte entgehen, nach-
aber lieb, dafs das Stuck nicht vier Takte Ian- dem er fich drei Wo chen lang auf dem Palais
ger wiire, weil er fonft liiitte aufhoren miiiTcn, royal verborgen gehalten hatte. — An? einem
and feine Flote ihm nicht wiirde angefprochen Tanzfefte bey Hole, welches der Bruder LucU
haben. wigs des XIV., Monfieur, veranftaltete , verklei-
. dete lie fich in eine Mannsperfon, unci fiihite
gegen eine Dame fehr unanllandige Beden.
Die Demoifelle Maupin, clitemalige Opern- Drei dadurch aufgebrachte Freunde diefer Da-
fangerin zu Paris, war eine Tochter des Hrn. me, welche die Maupin fur eine Mannsperfon
d'Aubigny, Secretair des Grafen von Araiagiiac. hieltcn, verlangten , dafs die Maupin fich auf
Sie ward im Jahre 1670 geboren, and hatte eine dem Schlufsplatze iiellen mochte. Es wiirde ihr
hiibfche Fignv und l«hr fchone Stinnae. Der wenig Miihe gemacht haben, einem Zweikampfe
39
vorzubeugen, indem fie fich nur harte nennen
di'irfen. Atlein fie zog fofort tlen Degen, and
inachte alle drei Gegner nach einander nieder,
■wcmuif fie iich ganz kahbliirig wicder nach deia
Tanzfaale verfiigte, and fich clem Prinzen (Mon-
fieur) zu erkemien gab, der Hire Begnadigung
beim Kimig auswirkte. — Im Jahre 170;! ver-
liefs fie das Theater,! ward cine Betfchwefter ;
rief ihren in der Provinz gebliebenen Mann
nach Paris zuriick ; verb ra clue- mit ihm ihre
iibrige Lebenszeit, und ftarb gegen den Ablauf
des Jahres 1707.
In . . . war unlangft der Organift an der
Stadtkirche geftorben. Man meldete dem ab-
lotjendeit Furlten diefen Todesiall, und wie fich
bereits ein Candidal:, namlich der Prafektus des
dafigen Singechores, zu dieter Stelle gemeldet
habe, welcher capabel ley, dem Dienfte wohl
vorzuftehen.
Hierauf wurde nun von Sr. Durchl. folgen-
de Refolution ertheilt:
Der zeitherige Balgentreter an der Orgel
foil Organift leyn, und der Prafektus Bal-
gentreter —
Da iich Se. Durchl. viel mit dem Militair
abgaben, fo durfte es fonderlich die, fo der-
gleichen landesvaterliche Verftigungen fchon ge-
wohnt waren, eben nicht fehr Wunder neh-
men, dafs man auf den Einfall kam, den
Dienft von unten auf auch in der Kirche ein-
zufiihren. Was aber diefe Refolution des Fiir-
ften fur Wirknng auf den jungen ruftigcn Prii-
fectus chori gethan haben mag, der fich auf
einiual fo herab gefetzt fall, unter dem Balgen-
treter zu ftehen - , lafst ficii leicht erwagen.
Auch halfen keine Gegenvorftellungen in
der Sache, dafs z. B. der Balgentreter feines
hohen Alters, feiner fteifen Finger und feines
fchweren Gehc'irs wegen (denn er war ehmals
Canonier gewefen) ganz unci gar unfahig zum
Orgelfchlagen *) fei , und fich kaum auf feiner
FiiTse Arbeit verlaifen kSnnte etc. Der Fiirft
beharrete auf feinem gegebenen Befcheide mit
dem Beifugen:
Se. Durchl. konnten nicht begreifen, wie
ein Balgentreter feit feines Sojahrigen tre-
tenden Amtes nicht follte fo viel gelernt
haben, der chriftl.. Gemeinde einen Choral
vororgeln zu konnen.
So lacherlicli diefe Anekdote ift, fo befta-
tigt es leider zu oft die Erfahrung, dafs man
bei Befetznng der Organiftendienfte am wenig-
ften auf die dazu erforderlichen Fahigkeiten und
griindliche KenntniJfe eines Subjects Ruckficht
nimmt. Die Frage: verlleht der s Menfch die
Hannonie, den reinen Satz, koiiimt felten in
Anfchlag. Mit dem examine rigorofo, wobei
man dem Candidaten einen bezifferten Bafs zum
Transponiren , mid ein Thema zu einer, aus
dem Stegereif auszuluhrenden Fuge, vorlegt,
hat es auch wenig mehr zu fagen. Wenn er
nur nothdiirftig feinen Choral aborgeln kann,
fo ift es fchon genug. Daher kommt es denn,
dafs man, leider Gottes! ofters folch elend jam-
jnerlich Gedudel auf der Orgel und folche fal-
fche unharmonifche Fortfchreitungen hort, dafs
man fich die OJiren zuftopfen mochte, und
wodurch ein fo erhabenes herzerfchutterndes
Inftrument ztu genieinen Galfenorgel herabge-
■wurdigt wird.
In einer Theatervorftellung ward ein Ton-
ki'mftler, der auf dem Parterr fich befand, von
der immer anwachfenden Menge der Zufchauer
endlich bis ins Orchefter gedriingt, und kam
dicht hinter die Waldhorniften im Orchefter zu
ftehen. Kurz vor Anfang des Schaufpiels pro-
birte einer der Waldhorniften fein Waldhorn,
Unci bemerkte es nicht, dafs folches viel zu
hoch ftimmte, fondern liefs es gelalfen wieder
am Anne herunter. Der hinter ihm ftehende
Tonkiinftler fcheute aber die Unannehmlichkeit,
den Abend iiber das mit der zunehmenden
Wa'rme immer noch holier werdende Waldhorn
zu horen, ftiefs ihn an, und fagte mit dem ge-
wohnlichen Kunftausdrucke zu ihm: Sie ftehn
zu hoch. Laifen Sie das immer gut feyn, fagte
der Andere, wenn die da ihren Hokuspokus an-
fangen, fetz' ich mich nieder.
•) Der Aii'rtnirJc 1 (He Orgel fehlagen, ri'ilirt von
fclnvercii Werken rk-r Alien lur, welches damals
anit der Fault wold anging; jetzo kaiui man we-
gen des eefchwinden Spielens fie nie 211 leicht
jiiachen. (S. Adlungs mufikal. Gelaludieit, Cap.
5. JJ. 112.)
D 5
"J
Chaiifua da Nicoduim- dans la J.;me ]ur le couKji Jacques.
Lvi;l civnt.
ft
-•H —
-4J_ .
i5:z:~-rir:
■t-r^v
.^-zEizr--
-i_:_p_»_:
iijnii_z-4._i_-
i — m — i —
qpzq:
:p:
«<
Un- Prince eft u - no l\ofe qu'a - mil - fe le Zc
EEE^
ip_^_^jai_
-I
zpr
phir;
■+— i 1 — ' -'■ —
a peine eft
a
r=V
01
-i 1 1—
^,2 P-
-P — p — i — X-\-
-h
:t:
~f
• r,= J -
:s5iz~.
+-«-«-P-+-
^5^+-^*
-1 1 r
h- __
E
elle e - clo-fe quo'n chnvliua la Hi - tvlv. Une c - pi ne era - el-le, of-
:^?fi
-r- — ■ — . — . — ..
«£ "
rcsj
~~-S
— t-
-•-
if
ta
oK
ar= "
i®- •«•
»-+to
-s— »— P~
-! 1 i —
O
©-
- — •— ^ — • -•
=F=tti
--H
ttcv.-
frnnt fes trails, de cette jleur ft belle d<i - fend l'ac - ceo
4._9 +_©.
in^H'—^t: — ! — 1 — S3-M-.
_32U'_.. • ! "_.
to
IzzSizjb:
gES
_i_p=
irjli— =rr:
,tt<v>-
Ua Pli. a<:e (.fl tii'.i.' I'-ifo
(^u'.imiife le Zcjiliir;
A peine eft -tile ciluJ''.
(^u'uii cJitiiJif! a l.i iM'.ili
l/ae ejiine cnitllc
OlTrant fes I rails
De rt no fl'jur fi belle
Defend i'accoj.
De voire Mi jc7t<: ;
Ciicv. vuus L Di. iilumc
Co:u wiiii.: Ii bo.'!:':.
iYljis, lc qui nous <:li, inline
II.-! l.i- ■■! ^ i^i. in-!
\ OS Il.r.iiiirs loiii i'cni.'ie
Et voas, l.i ileur.
Clianfon du Kicodeme dans la Lune Opera du Couiin Jacques.
Alh-circlto.
c<
J'vuis q'la Inine eft coinme 1a
Q'c'tft pern' pardu, Ji Toji es
rerre; q'tout-ca fe r'/Tembr com' deux goutf d'ieau ;
pere i' ci ren con - trer du nou vieau;
pt~~in:
w
— q f-> — F"
-A /-*»-' —
— e*. _-©
— ' *
3E
-i — i — i — p-
t — 1^-
-i—
-t-
-h~
-t—
5
ltz:=t=z:t±zn
4
tons lcs tu- rieu:ccomm' Nico
I —
Hf—
9 »
m
_i — .( — >-— f-
deme, En v'n*nt i
-4-
-•-P-P--
■ -i — i —
ci
s'ronc ben
!_, /— -t—
-f—
nis. Dues et mar-
^
if quis, fiersetpe - tits, peliu pyclats, ben nl tiers et ben plats . .mafoi ! fi l'mondeell partout
:??E:!^t==z:r:: :z^.^tzE:=z:: :3£iErdE= z^qEpEfc zr+=zPz:fc5:fc:
#*
t;
H
f!
:
to
3BESEEE
T
3E
#^
d'mome valnil an - taut re/lev la
b.is.
: i*EcEEE^5EE'EE?
. — © ~^» — 4 w)
__^
-I 1-
:p-
r~
— 1+
H 4 !^?:
P'tit begenl', qui! pare 1 qu' all font belles,
Croycnt q 1 lu.u t-n ell' c/t parfait;
A r'liu a l'aiitre nil' font ndelles.
El tour a tour c.'iacuii lenr plait! . . .
r.fprit fantasq ii/ , lumicur hnuininc . .
("oenr gaie> p;a - lt;s c oiiriifans . . .
I'c'tits pedants (bun impuuen-O m'eprifant-cetix
Qui v.'.lont ben tuitiiK ou'viix . . .
Lcs voir iii c 1 ntit ]ms J,i peine.
Lcs Francois out d' tour ra clic7. eux.
02
D e r W a 1 d.
.la Miifik gefetzt von J. F. fteicharck.
Iiiiug.
1
A ) S 1
If
t I
JJWJJJAJjJkj, ,
Mclir als Opernbuliiien ift mir Abends ua - fur Wald,
Ilerrlich ifts im Griiaen! Mclir als Opernbuliiien ift mir Abends ua - fur
\k>
==tT
.i —
-—*-**-
-t— •■
5E
- ~ .-i.7 j —
I I 1
/»
rn3fe3
-i —
!Ep3z 3z=*zzg= =3=d=£-£ r±i::^ zzEbfctjzr: 3=
iiii 1
6«
weun das Dorfge - lau
to
::s:
te
ffl^f
diimpfig ans dcr Weitcdurchder YVipfcl D.immmng kallt.
^P^ k*-f
:o:
11 1
Hocli aus miidem Glanze
Streat im leichten Tanze
Mir das 4 Eichhoru Laub und Moos ;
Fink' und Amfei rniifcheu
Diirch die Zweig' and laufolieu
Rings im jungcn Maigefprofs.
Fern am Elleinbolze
Craft in RuJi' der ftol/.e
Kronliiifcli langs dem Weidcudamm t
Ueberlifillt von Laube
Girrt die Riugeltaube '
Im Geiank' am Eichenftarotn.
In der Abendliello
Funkelt die Libelle,
Sanft am Farrenkraut gewiegti
Miickenrchwaim' etliebea
Sicli a us Biiifengr'aben
Und d«r braiuie SclnOter fliegf.
Tris und Ranunkel,
Bli'ilm im Weidendunkel,
Wo durch Tuf die Quelle fchaumt,
Die mit Spiegelgliitte
Doit im Rofuibelte :i
Wief 1 und Birkuuhal mnfaiunfi
Ob dem FcIfenpraJe
Si-himmert die K.i«kadc>
Wie tin flatmrnd Silberband.
Hull dutch L,.u ihgc-vvimmei
Btinkt dcr Friililingslninmel »
Und der Burgc Sclmeegcvyand.
Zatiberifch erncuen
Slcb die I'hantafeytm
Meiner Kindheil hier fo lichtj
Rofenfai'big*foliwcbcii
Duftgebild, und weben
Eiu olyfifcli Traunigcfichr.
jMattliiffoiL,
-■trr
M»Wi i |i»P1
■! -: I
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
ZWEITES STUCK.
Auguft. 1792.
BERLIN,
in der neuen Berlinifchen Mufikhandlung.
I n h a 1 t.
i. Ueber die LSrigentdne einer Saite. Vom
Hrn.Doktor Chladni in Wittenberg.
fi. Fortfetzung der Berichtigungen unci Zu-
Jatze zum Gerberfch en Lexicon der Ton-
ki'mftler etc. von J. F. Reichardt.
3. Recenfionen.
a) Ueber VIII Fughe opera I und VIII
Fughe op. II. dal P. Giorgio Pailer-
witz.
V) — Forkels allgemelner Gefchichte der.
Mufik iften Band,
e) — Trbmlitz Unterricht die Flote zu
fpielen.
4- Madame Todi in Berlin.
5. Nachrichten ana Brief en; aus
a) Copenhagen
Seite
33
35
4-2
4.3
46
48
Seite
b) KSnigaberg 5»
c) BaUenftedt,' d) Braunfchweig, e f g)
Cartel. 55
h) Briefe mufikalifchen Inhalts. Erfter
Brief. 54
6. Nachrichten von lnerkvrurdigen Ton-
kimftlern. 56
7. Anekdote. 57
8. Ein Gedicht, von Herder. —
Mufikjiucke.
1. Tanzftiick aus der Operette: die Fifcher,
von F. L. Ae. Kunzen. 58
60
5o 2.. Lied, von Carl Spazier.
Mufik zu Goethe's Werken,
von Jo h aim Friederich Reichardt.
Unter diefem Titel kiindigen wir deaa rau-
fikalifchen Publikmn die gliicklichften und vol-
lendetften Arbeiten des Hrn. Capelbneifter Rei-
chardb an , zu deren Empfehlung wir hier nur
fagen mdgen, dais Poefie und Mufik vielleicht
nie inniger vereint einhergingen , als in den
Arbeiten diefer beiden fur einander gefchaffe-
nen Manner. Der erfte Theil wird die Com-
pofitionen zu alien fangbaren Oden und Lie-
dern des achten Bandes der neuen Ausgabe
von Goethe's 'Schriften enthalten. Man pranu-
merirt oder fubfcribirt darauf nach Gefallen
Einen Thaler (den Friedrichsd'or zu 5 Rthlr.
gexechnet). Sobald fich eine hinlangliche An-
zahl Liebhaber gemeldet hat, wird der Drucfe
begonnen und die Zeit der Erfcheinung des
erften Bandes beftimmt, zugleich auch der zwei-
te Band, der das Singefpiel Mrwin und Elmire
enthalten wird, angektindigt werden. Aufser
der unterzeichneten Handlung nehmen a lie
wichtige deutfche Mufikhandlungen, und Buch-
handlungen die fich mit Mufikalien abgeben,
Subfcription und Pranumeration an. Jedem
andern, der fich damit beinuhen will, geben
wir das 6te Exempl. frei.
Berlin, den loten Mai, 1792.
Hie neue Berlinifche Mujikhandlung,
Ankundigung.
Den Liebhabern der Mufik kiindige ich als den Ablieferungsterniin der Sohaten zu 1
Rthlr, 4 Gr. Courant offen bleibt, dahingegen
nachher der Preifs van. 16 Gr. erhohet wer-
den mufs.
hiemit drei grofse Sonaten von meiner Com-
pofition fur das Fortepiano oder Clavier an.
Der Herr Kapellmeifter Andre zu Offenbach
uberninit die Beforgung eines faubern leferli-
chen Stichs derfelben, und ich wa'hle zu eini-
ger Erleichterung der deshalbigen Koften den
Weg der Subfcription, wekhe bis Michaeli,
Magdeburg am iften Augnft 1792.
A. £. Midler ,
Organift zu St. Ulrich dafelbft,
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
ZWEITES STUCK.
A u g u ft 179 a..
D.
1. Ueber die Langentoiie einer Saite.
(Vovs. Herrn Doctor Ch
a Auffatz des Herrn Profcflor Bujfe in
dcm soften mid a4.fi.en Stuck des mufikali-
fchen Wochenblattes fiber die Vogeltiine einer
Saite, die ich lieber Laugeiibone nenne, weil
?labei eine Saite nach der Richtung ihrer Lan-
ge erzittert, und zu deren Hervorbringung
ein Stveiclien oder Reiben nach dieter Rich-
tung erfordert wird, hat mich veranlafst, ei-
nige weitere Verfuche dariiber anzuftellen,
vorziiglich mn gf nauer zu erforfchen , wie
diefe Time bei Verfchiedenheit der Dicke und
der Spannung einer Saite fich verandern. Ich
fpannte alfo meffingene und ftahleme Saiten
von Num. o bis 6, wie auch Darmfaiten zwi-
fchen Q Stege, die 4 Rhoinlandifche Fid's von
einander entfernt vvaren , und hing verfchic-
dene Gewichte an , wobei ich jedesinai den
Grundton und den Langenton anmerkte, und
hierauf jede Saite, 4. Fufs lang, genau abwog.
Durch -j- werde ich anzeigen, dafs ein *Ton
etwas holier, und durch — , dafs er etwas tie-
for gewefen fey, als der angegebene Ton. Es
zeigte fich Folgendes:
An Ulefftngfniben,
Sch were
Spawning
Grundton
Langenton,
n. 0,
4<2£ Gran
9 *
16
25
A
D*
Fis
5geftr. dis
- - e
- - f
n. ».
55 Gran
4-
9
16
E -f.
- - dis
- - e
- - f
ladui in
Schwere
TVittetiOi
Spannung
erg.)
Grundton
Langenton.
n. Q.
29^ Gran
4. its
9
16
F+ J
5geftr. e
- .. f —
- " f +
n. 3.
fls-| Gran
4
9
16
Gis
Dis
Gis
- - e
- - f
- - f +
n. 4.
19 Gran
4
9
- - e -f-
- - f
n. 5.
i4| Gran
4-
9
H
Fis
- - r +
n. 6.
11 Gran.
4
D
- - f
An Stahlfaiben,
Schwere
Spannung
Grundton
Langenton.
n, 0.
38i Gran
9 IB
16
25
A
d"
Fis
Sgeftr. gis —
- - a
- - b
n. 1.
3s Gran
4
9
16
E
"h
e"
- " g
- - gis
- - a
n. 2.
2,5 Gran
4
9
16
Fis 4-
Cis -j-
Fis -{-
- - gis
- - a
- - b
34
Sch were
Spannnng
Grunclton
Langenton.
n. 5.
£1 Gran
418
9
16
Gis
Dis
Gis
3geftr. a
- - b
- - h
n. 4.
iG Gran
4
9
iG.
H
fTs
H
- - h —
- - h +
n. 5.
i5| Gran
4
9
16
Cis
Gis
Cis
- - b
- - h
4 geftr. c
n. G.
11 Gran
4
9
Dis —
B —
3 geftr. h —
4 gellr. c —
An £)ainifaitcn.
Schwere
| Spannnng
Gruntkon
Langenton.
Eine d Sake
2.6 Gran
9TC
16
20
Cis
Fis
B
cgeftr. lis —
- - fis
- - fis -f*
Eine a Saite
20 j Gran
4
9
16
Gis
Dis
Gis
- - fis
- - fis
- - fis -f*
EineQuinte
i5 Gran
4
9
iG
C-f
G +
c -f"
- - gis —
- - gl» ,
- - g" -H
EineQuinte
10 Gran
4
9
16
Dis
B
dis
- - gis-b
- - a
- - a -j-
Bei Verfcliiedenheit der Dicke nnil der
Spannnng war alio der Langenton weit weni-
gcr verfchieden, als der Grundton. Die Qua-
dra twurzeln der Schwere oder die IDurclnncf-
fcr verhielten fich bei den Meflnigfaiten wie
6,619: 5,7-'./,^: 5,4o8: 4,4 C .7 : 4)^9: 5,8n0:
3,5i6?, hei den Stahlfai ten wie 6,10$: 5,()56~:
5,ouo : 4,585: 4,000: 3,674: 5,5i6£, mid bei
den Danufaiten wie 5,099: 4,6:1a: 5,6i»5-J:
3,iGa4. Die'Grundtone Itanden, wie bekunnf.,
Jn derien lungekehrten Verba kniifen, (wiewohl
mit einigen unbedeutenden Abweichungen, die
von zufalligen Umftanden herri'ihren mufslen)
aber der Unterfchied der Langentone an den
dickften nnd di'mnften Saiten von der naliiu-
lichen Materie betrug hochftens eine Terz.
Bei Verfchiedenheit der fpannencUn Kraft von
der geringen Spannung an, wo der Langenton
erfl anfing, deutlicli zu werden, bis zu einer
folchen Verfta'rkung derfelben, wo die Saite
im BegrifF war, zu zerreifsen, zeigte fuh kei-
ne oiSf^ere Verfcliiedenheit des La'ngentoncs,
als etwa von einem ganzen Tone, odcr fall
einer kleinen Terz, nnd eine nocli geringere
bei Danufaiten, da hingegen die Giumkone
mit den Zahlen 2, 3, 4, 5 , als den Quadrat-
wurzeln der angehangten Gewichte, iibcrein-
kamen.
Uebrigens verhalten fich die Langentone
eben fowohl , als die Gmndtone, mngekehrt,
wie die I-iiiigvii der Saiten.
Sehr nierkwi'irdig ift der Umfland, dafs
bei dein LiingciUune weit niehr auf die Be-
fchaifenheit der J'/nlcric ankonimt, als bei
dein Grundtone. Diefer ift bei einer Melilng-
Stahl - oder Darnifiite nkht fehr verfchieden,
wenn die Lange, Schwere nnd fpannende Kraft
die namliche iltj dahingegen der Langenton
bei einer Darmfaite unter gleichen Uniftanden
ungefahr inn eine None oder Decime defer
ift, als bei einer Stahlfaite, und um eine Sex-
te oder Septiine defer, als bei einer MefTing-
faite; und der Langenton einer Melfingfaite
ungefahr eine Quarto bis beinahe eine Quinte
defer ift, als der einer Stahlfaite. Die ver-
fcliiedene fpecififche Schwere kann davon nicht
die Urfache feyn , denn Stahl ill von Me/I'ing
nur ungefahr, wie 18: 19 verfchieden, und
uberdiefs lind die Liinccntune der Mellingfai-
ten defer, als der Stahllaiten, luid holier, als
der Dannfaiten, ohngeachtet das Meifing die
griifste fpecififche Schwere unrer diefen Mate-
rien hat; auch febeint die Urfache nicht in der
verfchiedenen Steili«keit und El.dticitat der Ma-
terien zu liegen, derm an aiisgegliihcten Stahl-
und Meiliiigfaiten, die einen fehr geringen
Grad der Elailicitat zeiglen, und fehr biegl'am
waren, erhielt ich ziemlkh die namlichen Be-
fultate, wie in deren vorherigem weit fleifern
und elnftifchern Zuftaiule. Es verdient diefer
Uniftand mit aller Genauigkeit weiter untcr-
fncht zu werden.
In meiner Sihrift : Enideckungen iiber die
Thcorie des Klangey , h:ilie ; ich S. 76 behaup-
tet, dafs der Liingenlon ungefahr 5 bis 5 Oc-
taven holier feyn k.inne, als der Grundton.
ITcrr l'rofeflbr BulVe fagt hingegen in dein
oben er\v-"lm!.en Anffa'/.e, dafs er den Unter-
fdiied iifi -rs weit geringer angetroffen babe,
Ich glaub.e alfo iVUou , einer von uns babe
unrichdg beobaclitet, blf ich bei meinen jetzi-
gen Untei'l'iichunaen land, dafs wir beide Becht
haben. Heir Prof. B. hatte namlich fich der
Darnifailen bodient, wo diefe Tone, befon-
ders wenn die Saite di'mn und ftark gelpannt
ift, fich oinander weit juehr niilieni Jtounen;
35
ich abev hsue dnmals nur cinige wenige Beob-
achtungen an JMellmgfaiten angeftellt, wo mei-
ne Bcliaupfnng zicmtich ilne Richtigkeit hat,
unci die Entfernung vom Grundtone nodi wet-
ter, nainlich fa ft von 5£ bis 5 Octaven, und
bei Stahlfaiten auf beinahe l\ Octaven bis 5
unci cine Terz angegebeu werden konnte.
Herr Prof. Bufle giebt'S. 180 nicht zu,
dafs bei einer Saite cine Folge folcher Liin-
gentone fin ft finde , wobei fie in alicpioten
Theilen fdiwingr. wie ich in ineiner fchon
erwahnten Schrii't S. 7- r > bohauplet babe. Es
ift aber gewifs , und irh kann jedcn, den cs
interefi'irt, dnrch Yerfuche iiberzeugon , dafs
jede Saite eine JAcihe folcher Tone guben kann,
die eben fo, wie die gewohulichen Tone, ■ mit
den Zahlen l, 2, 3, 4. u. f. w. i'lbereinkom-
men, von denen alio die hohern zu clem bis-
her erwahnten tiefften Liingentone eben das
Verhiiltnifs haben, wie die Flageolettone znm
Grundtone. Das Wefen aller diefer Tone be-
fteht unftreitig darin, dafs bei dem tiefften
die ganze Saite, und bei den ubrigen jeder
aliquote Theil nicht, wie bei den gewohnli-
chen T6nen, bin mid her erzittert , fondern
nach der Richtung clev Lange in fich felbft
fich abwechfelnd zufammenzieht mid ausdehnt.
Die feften Puncte find bei den hohern Tonen
an den namlichen Stellen, wo die Schwin-
gungsknoten bei den Flageolettonen find. Den
tiefften Langenton bringt man hervor, wenn
man mit dem Violinbogen, oder mit dem
Finger, oder einer andern weichen Materie,
die man vorher mit etwas Harzftaub beftri-
chen, die Saite fo nach der Richtung Hirer
Lange ftreicht oder reibt, dafs man fich deren
Enden nicht zu fehr nahert; bei den ubrigen
Tonen mufs das Reiben defto naher an einem
Ende der Saite gefchehen, ]e weiter der ver-
langte Ton von dem tiefften entfernt ift. Man
kann hierbei audi, mn jeden cjiefer Tone noch
gewuTer zu erhalten, irgend einen feften Punct
gelind beriihren oder damp fen , in welchem
Fnlle man audi allenfalls durch Streichen ei-
nes andern erzitternden Theils den verlangten
' Ton hervorbringen kann. Nur miiffen die
Saiten zu diefer Abficht lang genug feyn. An
meinem Monochord , deffen Saiten von einem
Stege zwu andern a Rheinl. Fufs unci 7 Zoll
lang find, giebt bei dem gehorigen Verfahren
eine Stahlfaite von num. 6 aufser dem tief-
ften Langentone, der 4geftrichen g ift, noch
einen, nainlich 5geftr. g; eine Meflingfaite
von n. C, deren tieffter Langenton ungefahr
4geftr. c ift, noch 5geftr. c und g; und eine
diinne Darmiaite aufser dem 5geftr. e, als
tiefftem Liingentone, noch /fgeftr. e, 4-geftr.
h, und allenfalls noch 5geftr. e. An einer
Melfingfaite 02 Rheinl. Fufs lang, deren tief-
fter Laneeiiton das nngeftrichene Fis war, und
an einer andern 48 Fuls lang, wo er nut dem
grofsen H iibereinkam, konnte ich die ganze
Reihe der hohern Langentone bis zum i6ten
und noch weiter, erhalten.
»
Man konnte die Langentone zu Verferti-
gung eines neuen Inftruinents benutzen, wo
die Saiten mit i\en Fingern vermittelft des
Harzftaubes nach der Richtung ihrer Lange
(faft fo , wie die Glasftabe meines Euphons)
geftrichen wiirden, wie ich denn wiirklich ba4d
nach der Entdeckung des La'ngentons auf eini-
gen durch Verriickung der Stege abgeftimm-
ten langen Saiten, einige zufammenhangende
Tone mid voile Accorde auf diefe Art hervor-
gebracht habe.
Aber aufser mancher Unbequemlichkeit
fur den Spielenden wiirde audi der Zuhorer
von diefen Tonen, die nicht fo angenelnu find,
wie andre Saitentone, vielen Ohrenzwang em-
pfinden, es miifste das Inftrument audi be-
tracbtlich lang feyn, wenn es nur einigermaa-
fsen tiefe Tone diefer Art geben follte, und
iiberdiefs mengen fich audi bisweilen die ge-
wohnlichen Tone hinein, welches eine feht
iible Wiirkung thut Man wird alio wohl
fchwerlich von diefen Tonen, aufser zu man-
cher Kiinftelei, vielen practifchen Gebrauch
machen kdnnen.
Gefchrieben zu Wittenberg im Jun. 1792.
2. Fortfetzimg der Bericlitigxuigen unci Zufatze zum Gerberfchen Lexicon der
Tonkunftler n. f. w. von J. F. Reicliardt.
Chajfe war fchon in fri'iher^ Jugend San- rmanftandig hielt, in der Oper zu fingen, waa
ger bei der Oper, und verliefs das Theater, da es doch in damaliger Zeit nicht war, da Louis
er in feinem hochfeen Glanze war, weil er XIV felbft mit mehreren von der Kiiniglichen
cs einem Edelmann von gi^ter Familie fur Familie auf dem Theater tanzte. Voltaire er-
£ 2
3G
zahlt in feinem Su-cle do JLouir XTF~. (Chap.
XXV.), data fchon Louis XIII. 16 _T in Einem
Ballet uflenllith getanzt babe, data Louis XIV.
' abcr es bis 1670 fehr oft that. Er ruluul von
ilun, dais er in den erni'ihaften Tan/en, die
feiner majefUitifchen Geftalt arigemelfen und
feinem konigliclien Range nicht zmvider w-.
ren, excellirte. Der Kardinal j\[azariii liel's
zur Verinahlungsfeier des KbUigs eine itali.i-
nifche Operiftentruppe nacli Paris komnten:
fie Itellte im Louvre die Oper: ELrcolc amantu
vor mid Louis XIV. unci feine junge fchihie
Gemahlin tanzten felbft in den Balletten cb-r
Oper; Diefes gefchali cifter bis 1670, da der
KOnig, zwei und dreifsig Jahr alt, fich dureli
folgende Verfe aus clem Urittauuicits des Ra-
cine , der in clem Jahre zu St. Germain vor-
geltellt wurde, betioffen fiihlte.
Pour xnerite premieT, pour vertu finguliere
II exeelle a trainer un char dans la carriers
A difputer des prix indigncs tie fc3 mains
A fe donner lui-ineme en fpecuele aux Romahis
Louis XIV. gab auch ein Arret du con-
feil t dais es jedem von Stande erlaubt feyn
follte, in der Oper zu lingen und, ohne Be-
forgnifs fich dadurch zu erniedrigeu, Bezah-
lung dafur anzunehmen. Diefes Arret ward
von dem Parifer Parlainent wirklich enregi-
ftrirt.
Da ChaJJe aber nachher iti fehr fthlcchie
Umftande gerieth und feine Zufiucht wioder
zum Theater nahm, mutate er manchen Spott
liber fich ergehen lalfen. Folgendes Simigc-
dicht', das dainals auf ihn gemacht wurde,
fcheint mir des Mittheilens werlli. Es bezielit
fich vorziiglich auf feine fchwachgewordene
Stiuune :
Cc n'eft plus cette .iroix ch.irmaiilc,
Ce ne font plus ccs grands cci.tts;
CV'ft un Geiuilhoniine qui cliautc
Et qui ne fe fatigue pas.
Es ift meinen Lefern gewita nngenehm,
Trier die Erziililung des JOuc da Simon \ 0:1
einem Ballet zu finden, das in diefeni Jahr-
hundert von JLudwig dem Finijzefmten offent-
lich getanzt wurde. Sie Ileht im dritren Ban-
de der neuerlich hcrausgekommenen Supple-
mente zu den Memoires du Due de Simon
S. S41, und lautet in einer treuen Ueberfe-
tzung, bei der ich nur das von clem liocbadli-
ehen Herrn umlh'indlich erzahlte Scandal weg-
lall'e, dais der Sohn des damals in Frankreich
■Epoche machenden Law's mitrnnzen TolUe und
das dadnrdi hochfiantarehrnchre Piihlikum (lurch
den rethueitiaPn Tod de^ Knaben , der ihn
an der Koniglichen Luftehre hinderre, wieder
bcruhigt und in aligemeinen Jubei verfetzt
wurde, — wie fol^ec,
Der Murfchall ViUeroi, (Oberhofmeifter
von Fud.iig dim Juit/z'/mteu wain end feiner
IMindrrjjbrigkeit) ein Mann, der unfahig war,
dem Kojiige irgend eine folide Neigung einzu-
flotaen, und der den veritorbenen Konig ab-
gdttifch verehrte, den Kopf voll Jiatte von
Wind und Narrheit und von lutaen Erirmernn-
gen an feine Jiigendjdne, an feine Reize bei
Feften und Biillen, uml b.ine fib "men Gdan-
tcrien , wollte, data der junge Konig feinem
Voig;'inger aleich, ein Ballet 6lIeiuJii.ii tunzte.
Der Gedanke war aber zu friih gefatat: das
Vergniigen war zu laltig, lit r d,ia Alter des
Konigs, mat} Initte feine Furchtfamkeit nacli
und nach uberwinden und ihn an die Men-
fclien, die er lurch tete, gewohnen muJfen,
eh' man ihn beredet ha'tte, lich oIFentlich dar-
zuftellen, und auf dem Tlieater zu tan/en.
Der vorige Konig, der an einem glunzenden
Hofe erzogen wurde, wo grotae Ordnung unci
Pracht heirl'thten, und wo der beftiindige Um-
gang niit Damen des Hofes ihn friih gemo-
delr. und dreuft gemacht hatte, genofs frim
dieter Art von Vergniigung in Gefellfchaft von
jungen Lenten beicler Gefchlethter, die alle
mit Rccht den Namen von Cavalieres vmd Da-
men fiihrten, und unter clenen fich wenige,
ja wolil gar keine andern niifchten : denn man
darf drei bis vier Perionen von geringer Be-
deutung kaum nennen , die nur zur Verfrar-
kung cle3 Ballets dabei w:\ven, unci lolches
dureli ihre Gefialt odor die Voilreflithkeit Hi-
res Tanzcs verftl.rmeilen , fo wte einige Tanz-
meifter, die das Ballet auorductcn. Der Ton
der danialigen Zeii war atuh von dem it?.igen
fehr verfcl.'ieden ; die dani.i'ige F.iv.ielruig gab
jedem Grazie, Gew.mdlhcii., GelLhicklichkeit in
Leibesiibungen , anfi.'ii « "'^,e Zurtu khaltung und
gemelfene feine Mijilitbkeit , zarte unci biedere
Galanteric. Mit einem Bliike fieht man die
grotae Veifchicdenlieit, ohne Jicli hier weitev
dabei aufzuhaken.
Ueberlegiing war des Marfchalls Villerov's
erfte Tiigend eben incht; er dachte an keine
HindemiHe weder von .Seiton des Konigs noch
der Sache, und machte bekannt: der Konig
wiirtie ein Ballet tanzen. Alles ward fogleich
zur Ausfuhrung in Bereitfchaft gefeizt: damit
5 7
war es aber noch riicht ausgeiibt. Man mufste
jivnge Leute zum Tanz ansfuchen, audi drii-
ber wegfehcn, ob fie gut odcr fcblecht tanzten,
endlich nehmen, wcr fich dazu fand, folglich
getnUchte Waare. — Das Ballet ward einige-
male aufgcfiihrt, der Erfolg entfprach aber auf
keine Weife der Erwartung des Marfchalls. Das
Lernen, Probe halten, und Tanzen felbft ward
dem Konigc fo zur Laft, dais er einen Wider-
will en gegen fokhe Fefte mid alles, was Schau-
fpiel Kiel's, fafste, den er audi nie wieder ab-
gelegt hat. Dies erzeugte bei Hofe eine grofse
Lucke.
Voltaire fpricht in feinen nach feinem Toc'le
herausgekommenen Briefen auch oft von deiu
Schaden, den diefe iibereilte Unternehmiuig
fiir den Fortgang des frarr/dfifcheii Schaufuiels
unter der Regierung Ludwigs des vierzchnten
gehabt,
Clieron ift itzt die erfte Bakftimme bei
der grofsen Oper in Paris , und hat eine vor-
treflidie Stimine und Geftalt.
Claude , le jeune (audi Claudin genannt).
Von ihm llelien vier- und fi'mfftimmige Chore
iiber fianzofiftbe Texte im La Borde.
S. g86 fehlt:
Claudius (Mat. tin no). Wo Herder, En-
gel und andre Scuriftfteller, die hie und da in
ihren Schiiften von Malik handeln, angefiihrt
werden, kann Claudius, der liebe herzige
Asmus , der in Muiik lcbt unci webt, nicht
fdilen. Audi find all' feine Schriften voll von
vortreflichen Bemeikuncen und Urtheilen iiber
Tonkunft. Iju f'f'a/id.ibec/cer Boben, eine Zei-
tung, die er, wie bckannt, vor zwanzig Jah-
ren fchrieb, ftehen audi viele launige und
treffende Auffatze die Muiik betreffend, die er
liernach in feinen Schriften zum Theil nicht
aufgenommen hat. Ich will hier nieinen Le-
lern, die den Wandsbecker Hoten nidit he-
fitzen, eine launige Mufiktaxe faint ihrer Ge-
fdiichte aus jener Zeitung vorlegen. Mancher
Zug darinnen trift noch. niehr als manchen
Virtuofen. Hier ift fie:
„Ha, ha, ha, ha, das Ding ift pudelnar-
rlfch — und am Ende ift nichts Bofes darinn,
ein jeder Menfdi nmfs feiner Kunft leben.
Das batten fie nun wohl thun konnen, dafs
fie nicht niehr angefchrieben hatten , als was
ihre Zeche betrug, und docli, wenn fie es ver-
dient hatten, warum follten fie dem Wirth et-
was fchenken, fonderlich da fie den Ueberfckufs-
nicht fiir fich verlangten; und iiberfchlagen
haben fie nichts in der Bediming, wenn emer
ein Liebhaber ift, wie der Wirth gefagt hat,
dafs er fey. Ich muls dem geneigten Leler
doch die Gefchichte wieder erzahlen, es ift
wohl nichts daran, aber er kann doch eiinnal
daruber Iachen, und fie gehort hier fo gut her,
als der viele Sclmee in diefe letzten Tage des
Marzinonats.
Der Wivth zum griinen Rofs erzahlte nur
na'mlich, als ich das letztemal bei ihm war,
dais neuliclr fhnf Prager Studenten zu ihm
gekommen und zwei Tage bei ihm geblieben
waren und gut gelebt hatten. Den letzten
Abend hiitlen fie ihn gefragt , ob er ein Lieb-
haber von Mnfik fey, und ob er wolle, dais
fie Mufik machten. ja, meine Herrer, hab«
er geantwortet; darauf hatten die Prager Stu-
denten etwan zwei Stunden gefpielt, ihre Redl-
ining verlangt, und ihm die folgende Gegen-
rechnung gegeben.
„Specrfcirte Rechnung iiber das, was clem
Urn. Wirth zum griinen Rofs anf fein
Verlangen vorgefpielt warden, ne.'jt bei-
ge 'fug tern Preife fur jede Species, alles
nach der graft en Billigkeib angefetzt, fo
dafs es auch noch im Pall der Noth fig"
lich erhbhet werden kann.
Dielnftrumente herauszunehmeu und
einen halben Ton nach des Hrn.
Wirtlis Clavecin herabzuftimmen
Fiir einen ohngefahren Stofs mit dem
Violoncello wider den Tifch, da-
durch ein angenehmer Schall in
des Herm Wirths Zimmer veran-
lafst worden
Fiir eine Symphonie mit Clarinetten
Fur Taki: halten und den gutenStrich
noch
Fiir ein Violoncello - Solo aus dem Fis
mol
war unter Briidern 12 Mk. wehrt
Fiir tempo rubato und einen Lauf
durch 2 Octaven herauf und her
unter
Ein Trio , fiir den erften Theil
Fiir crefcerulo im i8ten Takt
Fiir eine Generalpaufe im 2often
der zweyte Theil gratis.
Fiir ein Violin -Solo
Fiir dito auf einer Violin , die keine
Quinte hatte, der Befchwerlichkek
wegen
E 5
ng
1
7
8
fi
8
2
8
7
58
Fi'ir eln Chuinetten-Duo
Fiir ein Trio im Tripeltakt
Fi'ir die befonclre Taktart
Fi'ir pizzicato uml iinorzato
Fi'ir einen Pralltiiller
Fiir crefscendo
dito
dito in alien drei Stimmen
Fiir ein Violoncell-Solo
Fiir Pianiffuuo
Fiir
Cadenz
Das dreigeftrichene F mit dem Damn
zu nehincn
Fiir eine Cadenz, die nicht geniaclit
worden
Fiir einen Doppeltriller
Fiir eine Schhusfymphonie
Noch fiir Vorfehlage, Triller, Ferma
ten etc.
Fiir 5 falfche Ouinten a Stiick 8 fil.
Die Initrumente wieder wegzulegen
eine ubermafsige Secunde in der
Summa Summarmu
a
l
i
i
9
i
i
4
8
i5
2
5'
109
G
Id
8
8
8
8
10.
8
Den Ueberfchufs diefer Rechnnng, naeh
Abzug der Zeche vermachen wir in die Hande
der Obrigkeit zum gefalligen Gebraucli, doch
wars uns am liebften , wenn es angewendet
wiirde, einen jungen Muficum nach Italien
reilen zu laffen. "
Das ift mir eine theme MuTik , fagte der
Wirth, als er mir diefe Rechnnng in die Hand
gegeben hatte, eine theure Mufik , aber es ift
doch eine Schande, wenn Leute fo unbillig
find. Ja wohl, Herr Wirtli, Schande genng,
antwortete ich, und ging meinen Gang.
Der Bote. "
Die Zeitung enthalt aber audi felir ernft-
hafte mit grofsem Sinn und feiner Saclikeimt-
nifs gefchriebene Auffatze iiber die JMuJlk und
einige vortrefliche Recenfionen umfikalifcher
Werke. Nur weniges davon hat CI. in l'einen
Werken hernach aufgenonuuon. Die nnifika-
lifchen Gedichte, die Claudius; in l'einen Wer-
ken dem Componiften ans Merz gclegt hat,
find jedem bekannt; aber dies mochte nicht
jedem bekannt feyn, und gehiirt vorziiglich
lncher, dais CL audi ein felir braver Klavier-
fpieler ift, der fchon ananche angefehene Or-
gan! flenitdlc aur.gefchlagen , und dais er in fei-
nem Ha ufe init eigencn vier M.idchenlliinmen
Chore von Paldjlriiui und Leo mid ihren
Nachfolgem anliinuut.
CUmmki halt /ich itzt fiir befr'indig in
London auf, r/ill abdr nicht nuhr iilafiker von
Metier feyn, well i'ein Stand al-s Hanplurfaclie
angegebeu wurcle, dafs der reiche Kaulinaim
Colonies in Lyon ihm nicht feine Tochter ge-
ben wollte. Er zieiit indefs vorliefliche Schil-
ler doit, v/onuiter vorziiglich der junge Cra-
mer verdient genannt zu vverdeu, und lafst
feine Arbciten felbft fiechen und in feiner
Wohmuig verkaufeu. 1786 befchaftigte er fich
eben fo viol nut der Aihononiie, als init der
Mufik. Es ift vieUeicht maiichem deutfehen
Lefer lieb CleiuaUi'x Addrtjjh in London zu
wilfen, uni fich von feinen fch.'incn Arbeiten
kommen zu laifen : denn um auswiirtige Cor-
refpondenten und Coujiniirarien zum Abfatz
ihrer Werke, bckiiniinern ficli die Lindner
und Parifer Autoren nicht; haben cs audi bei
ihrem grofsen und kunitbegierigen Publikuni
nicht noting. Die Addreife ill : ISo. eo. Goodge
Street Tottenham Court Road at London.
Ein Ki'infUer, der diefen Artikel fieht, verfi-
chert niich', Cleuienti fey nach Spanien ge-
gangen.
S. c85 fehk:
Ciochetli (P. Vine). Im Jahre 1724. wur-
de von ihm in Genua die Oper Arrenione auf-
gefiihrt.
Cochins (Leonard) ehemaliger Hofpredi-
ger in Potsdam unci Mitglied der Akademie
der Wiffenfch. zu Berlin , war ein fo gelehr-
ter und auch praktifch gefchickter Mufiker, \vie
es Dilettanten felir Telten zu feyn pilegen. Er
liefs audi in feinem Ha ufe oft grofse Oratorien
von Handel und ILtJje auffuhrcn, die er felbft
beiin Fliigel diiighte. Er fiarb 1779.
ColU'l/iJti ift wicdei in Neajje! f und be-
zaubeit alle Iviiiiftfreuiide in.it ihrer vortreiii-
chen Action; ihre Stiumic ill nicht befonders
fchon und von fehr geiingem Uiufange, melir
Conlr' Alt, als Sopiv.n; fie fmgt aber mit vie-
lem Ausilrucke. Ihr Triumph war i7()0 die
Rolle der JSina mil Mufik von Paillette.
Conti (Francesco) war nicht der Sohn des
Kaiferl. Caiiunerconipornften und Theorbiften,
fondern diefer felbft. Aufser denen unter die-
fei
Opt
Albt , t :/ _
deW Amove e deW Amici^iu , und // I into Po.
licavc in Mufik gefeizt.
»9
Darauf fehlt S. 297.
Conti (D. Niccolo), von dem ich gute
ernfthafte italianifche Arien befitze.
Corbet hat in London audi folgende Sa~
chen ftechen laifen: 1) Sonatas for variety of
Jitflruments in 6 Parts, a) Sonatas for two
flutes and a Safs, unci ein tlrittes We'rk unter
diefem letzteu fitel.
S. 5o8 fehlt:
Courtivill, der in London Sonaten fur a
Violinen unci auch Sonaten fur a Flbten hut
ftechen laffen.
Cox liat auch eine Sammhiug Arien fur
Eine Viotine in Loudon ftechen laileni
S. 5n fehlt:
Cramer, cler Sohn, einer der ftarkften Kla-
vierfpieler, Schiller von dementi. Er hat auch
\\\ London verfchiedene fehr brillante unci
fchwere Klavierfachen ftechen laffen.
Crosdill hat eine ganz aufserordentliche
Fertigkeit 1111 Violoncell, ift abcr in feiner Exe-
kution etwas hart. Er ilt niclit in Dienften des
Hofes, wiewohl er in grofsen Hofconcerten 6f-
terer fpielt : dock Mara ebeh fo oft. In den
crofsen Concerten , die ich bei uieinem Auf-
enlhaJt in London bei Hofe dirigirce, worin-
nen meine italianifche Pajfion, mein Pfalm
u. a. S. aufgefTihrt wurden , war Mara der
erfte Violoncellift und fafs beim Flugel.
S. 5i4- fehlt:
Crotch (William) das englifche Wunder-
kind, von wdchem iiu Loudon JIagaxine April
i^70 folgende ausfi'ihrlichc Erzahlung fteht: die
icli hjh fo lieber ganz iiberfetze, da he als acht
englifche Befchreibung fehr charackteriftifch ift.
Sie heilVt:
Dies aufserordentliche Kind, welches jetzt
taglicb die Bewunderung und Aufmerkfainkeifc,
nicht nur von Leutcn von Stande, fondem
aller Freunde angebejhrner Talente auf fich
zielit, ift der Sohn vOn Michael und ifabella
Crotch, und ward am 5 ten July 1775 zu IVor-
wich gebohren. Sein Vater, ein gefchickter
Zimmermann , haute fich zum eigenen Ver-
entigen eine Orgel, und man dankt es diefem
Zufall, dafs dieiuufikalifchen Fahigkeiten fei-
nes kleinen Sohnes JT'ilhelm fo frith entdeckt
wurden. Indefs batten fie vielleicht noeh Jahre
lang gefchlummert, wenn »icht Madame Butt-
mann, die ink grofsem Rnf zn Norwich die
Mu/ik lehrt und fehr genau init feinen Eltem
bekannt war, in Gegenwart des Kind es die Or-
gel gefpielt und init ihrem Gefange begleitct
Jiiiltc.
An einem Abend', im Anfange des Au-
gufts 1777 fafs er auf dem Schofse feiner Mut-
ter, da Mad. Lidlmann ziemlicli lange fpielte
und fang; unci als diefe Dame weggegangen
war, fing das Kind an zu fchreyen, und ward
fehr auffallend verdri'ifslich ; feine Mutter glaub-
te, eine Nadel fey Schuld daran, oder ein in-
nerlicher Sclmierz, fie kleidete das Kind aus,
und gab fich alle Miihe, die Urfache zu fin-
den, aber vergebens: da lie ihn hernach zu
Bette bringen wollte, ging fie bei der Orgel
vorbei, und das Kind ftreckte feine kleinen
Hande darnach aus, worauf Mad. Crotch ihn
an die Orgel fetzte, welche er fogleich ui\t
aufserordentlicher Freude fchlug, und einige
Minuten fpielte. Da fie glaubte, dies fey iiur
ein kindifcher Ein fall, beachtete fie feine Art
das Inftrument zu fpielen, gar nicht, und bald
darauf legte fie ihn, dem Scheine nach, vol-
lig befriedigt zu Bette. Am folgenden Mor-
gen nach dem Fri'ihftiitk, da Mad. Crotch auf
den Markt gcgangen war, fetzte der Vater, um
feine eigne Neugier zu befriedigen, das Kind
an die Orgel, und erftaunte aufserorclentlich,
es einen grofsen Theil der Melodie des Liedes
God fave the King und Let ambition fire thy
mind fpielen zu boron. Das erftere hatte Herr
Crotch mehriuals in Gegenwart des Kindes
verfucht, allein er konnte es nur ftiimpern.
Das letztere hatte Mad. Lullmann in feiner
Gegenwart gefpiell. Die Mutter, die die Er-
zahlung von diefem Wunder kaum glauben
konnte, ward clinch Wilhelm auch bald da-
von uberzeugt. Da Mad. Crotch diefe Erfah-
rung ihren Freunden mittheilte, rieth man
ihr, ihn nach feineiu eignen Belieben fpielen
zu lalfen, fobald er irgencl fein Verlangen da-
nach bezeigte.
Jetzt war er zwei Jahr und drei Wochen
alt, und von der Zeit an verlammelte fich in
dem Haufe alles, was nur irgencl an Mufik Ge-
fclnnack fan<l, und alle Ki'mftler in NorwicJt:
er fpielte fa'ft jeden Tag, und lernte mehrere
Melodien: unter die er oft feine eigne Gedan-
ken mifchte. Merkwiirdig ift es, dafs er nie
falfch fpielt, und dies nie bei andern ertragt,
oline feinen Unwillen zu aufsern.
Er fpielte an verfchiedenen Orten vor zahl-
reichen Verlimuulungen zu verfcliiedenen Zei-
\.o
ten in Norn i.ch , bis zu Anfang dcs Novem-
bers ; da bratluc ilin feine Mutter liacli Cam-
bridge t wo er auf den Orgeln in alien Cullc-
gien und Kirchen, zuin Erftaunen allor J-Ier-
ren von der Univerfitat, fpielte: Endlich kam
er in der Mitte des Decembers nach London,
abcr von feinen Talentcn ward offenllidt nidus
gezeigt, als bis ihn Iliro Majeftalen gehmt liar-
ten. Er unci feinc Mutter wurden von Lady
Herford int Pallaft der Kbnigin , ant 7ten Fe-
bruar vorgoftellt, da er in Ge^enwart liner
Majeftaten und der Koniglichen Fanulie zu ih-
rer grofscn Zufriedcnheit die Orgel fpielte. Am
iSten deftelben Monats machten fie Ihren Ku-
nigl. Hohettcn tleni Herzoge und der Herzogin
von Gloucefter ihre Aufwartnng, und er fpielte
zu ihrer grofsen Zufriedenheit. Am 26ften
fpielte er die Orgel in der Knidgl, Capcllc in
St. James Pallape nach dent Morgen - Gottes-
dienfte in Gegenwart Ihro Majeftaten.
Seit der Zeit hat er fortgefahren, alle T.'gc
zwifchen 1 und 5 Uhr offentlich in der Puiz-
macherin Mad. Heart Haufe in Piccadilly zu
fpielen. Der Correfpom'ent, der fich tins diirch
die obigen authenlifchen. Nachrichten verbiud-
lich ntachte, war einer von der zahlreichen
angefehenen Gefellfchal't, die ihn Montag den
25ften April horten , und er hat uns gebcten,
feine fluthtigen in der Eile gemachten Benter-
kungen hier initzutheilen.
IVdhehn Crotch ift jctzt drei Jahr und
acht Monat alt; er ift ein lebhaftes, thatiges
Kind und hat ein angenehmes Geficltt, das hiib-
fche blaue Augen und Flachshaare noch ver-
fchimern. In der Mitte der Stube fteht eine
erofse Orgel olmgefahr zwei Fufs hoch voiu
Fufsboden erhoht. Ein halbrunder eiferner l\ei-
fen ift To angebracht, dal*s er feinen Sitz fichert
und ihn von der Gefellfchnft ablbnderr. Auf
der Erholmng fteht ein Armftuhl und auf die-
fetn ein gemeincr ganz kleiner Strohftuhl, den
feine Mutter hiuten ntit einent Tuche an den
andem fcftbindet, dantit er nicht u tufa lit, denn
der Knabe ift leichtfinnig und in don kttiy.en
Paufen zwifchen dent Spielen vollor Polfen-
ftreiche. Vor ihm liegt ein Bitch, wie eiit
Notenbuch; und Frenide in einent entfernten
Tlteil der Stube halten es leicht falfchlich fur
ein folches, allein es ift nichts anders, als ein
Journal oder irgend ein anderes Buch tuit ei-
nent Titelkupicr; dies fieht er an und antiifirt
fich Jttit den Figurou auf deiu Blatte, wahrend
er ein Stuck Ipiell , oder phantalirt. Kurz er
lacht, fchwatzt, und fteht fich in der Gefell-
febaft um, und zugleidt befih.'iftiat das Kla-
vier feine kleiucu Ilande, d.-uh Fpieit er fo
gleichgi'sltig, dafe man in Vcrfuchur.g geriith,
zu glaubcn, er wiJl'e nicht, was er lime.
Vnrnehmlich eingenommen fchcint er fur
feierlidte Alchidieen und Kirdiciimufiken , be-
fonders den to.'|ten Pl'alm. Sobald er eine or-
tlentliche Melo.!L' geendigt hat, oder audi nur
emeu Theil einer Melodie oder eiuige Noten
von eigner Phantpfic, halt cr inne, und begeht
alle Thorheiten eines ausgelaffcnen Knabens;
gemeinigjich giebtihm daiin einer von der Ge-
fdlfchaft einen Kuthen, eiucn Apfel oder Apfel-
fine, tint ihn zu bewegen, wieder zu Ipieleii,
aber er verfagt es, die verlangte Melodic zu
fpielen, wemt nuin nicht den S"tolz fcines klei-
nen Helens kitzolt, und ilnn fagl, er habe
die und die Melodie vergelfen, oder konne lie
nicht fpielen. Dies ennangelt felten feine Wir-
kung hervorzubringen und er fpieit es denn
ficher mit nettent Eifer.
Da er felt on fiber eine Stunde gefpielt, ver-
langte er henmfergenommen zn werden, for-
derte ein Stuck Kreide , tmd unterhielt fich und
die GefelllVhalt. dadurch , dafs er den Umrifs ei-
nes grotesken K-ipfes auf ilcti Ful'sboclen zeich-
nete, von dent feine Muiiev fagte, er gliche ei-
nent alt in Grenadier, den er des Morgens im
Park gefehen. Er lUteinl: flarke Anlagen zum
Nachahmen zu be/itzen, tuul da von einent fol-
chen Kinde audi der geringfte Untftand bemerkt
werden inufs, wollen wir das folgende Beifpiel
einer befondern Idee, die bei fcineut Alter nicht
gewohnlich ift, fo wie fie unfernx Correfpon-
denten auffiel, erzalilen.
Eine Dame gab ihm eine ausnehntend gro-
fse Apfelline , und nachdem er lie einen Augen-
blitk mit Verwunderung angefehen hatte, fagte
er: „Ach, das ift cine doppeltc Apfelline. "
Einige hnben erziililt, er fey eigenfinnig, und
wahr ift es, er will nicht in einentweg die gan-
ze Zeit hindurch, die dazu beftinunt ift, ihn zu
lu'iren, regelmalsig fpielen; allein das kann man
audi nicht von ihm erwarten, da in feinc m Al-
ter V'ernunftgriinde nicht gelten, und da die
menfchliche Natur hier keinen Zwang dnldet;
vielmehr ift es wirklich aufserordentltch, dafs
man ihn bewegen kann, alle Tage zu fpielen,
ohne zu ermiiden unci die Gefellfchaft verge-
bens war ten zu lafTen.
Der Erzbifchof von Canterbury und viele
Perfonen vom hdchften Range, die ihn leichr
hat-
4<
lmtten zu ficli iri3 Haus kommen laffen, be-
mi'ihten fich Hebcr zu ihm bin, um ihn zu
hOrcn, unci kein Tag verging, dafs nicht bci
ihm cine vornehme Gefellfcliaft von dreifsig
bis funfzig oder mehreren Perfonen war. Die
hofliche Art, eineiu. diefe wunderbare Unter-
hnltung zu vcrfthafFen, vcrdient viel Empfeh-
lung; man fordert da kein Geld, eine weibli-
che Gehulfin fteht aufscn an der Thi'ir des Zim-
juers und envarter, was man von felbfigeben will ;
eine hulbe Krone (achtzelm gate Grofchen) ill
das geringfte Gefchenk; denn die Zimmer, die
dazu gebalten werden, find grofs und prach-
tig; doch liat die Freigebigkeit mehrerer I J er-
foneu von Rung und Vermbgen ficb durch Ge-
fdicnke fchoner Zeichenbiicher, und andrer
dem Geift des Kindes angemell'ener Sachen ge-
zeigr. , und die hofliche Aufmerkfamkeit der
Mad. Hearty wenn man zu dan Zimmern der
Mail. Crotch geht, macht es noch weit ange-
neluner.
Wir haben noch vergeflen zu fagen, dafs
wenn jemand eine Melodic, die das Kind nie
vorher gehtfrt, mit der rechten Hand auf fei-
ner Orgel fpielt, er einen Bafs mit feiner lin-
ken Hand dazu fpielt; dais er jede Note, die
man auf der Orgel oder jedem andern Inftm-
anent anfchlagt, nennt, und dafs er imuier
vveifs, wenn irgend jemand in einer Melodie
fehlt. "
iy Mlelrac ifi franzofifcher Haupfmann
nnd lebt und komponirt in jeder Rucklicht a Is
Dilettant.
S. 322 fehlt:
2)a/izy, ein fehr guter Violoncellift und
Komponift fur fein Inurnment. Er ill ein
Binder der Madame Le Brim und hat fur ihre
S limine auch einige fehr angenelune italiani-
frhe Scenen gefchrieben.
David (Anton) hat fchon Test 1780 nicht
■in eh r Clarinclt gcblafen, blaft abcr noch das
Haffl-l horn , das er auch vervollkomnulet hat.
Bis 1789 lebte er in Schlejieii auf den GiUern
(\cs Baron Uohberg: feit defTcn Tode reift er
vcrmnthlich wieder mit feinem fehr braven
Schiller Springer, einem vorzi'iglichen Clarinett-
und Bafl'cthoniblafer. Diefe beiden Manner
machten das Batfe thorn auch in Berlin bekannt
und beliebt, und diefes fehr angenelune In-
/hument ift feitdem im Koniglichen Orchefter
eingefuhrt.
ZJavla (nicht Davie) ift wiedeY in Nca*
pel, wo fie mehr als Actrice fius Komifche,
wie als Sitngerin gefchatzt wird.
S. 333 fehlt:
Demoivei'y von dem in London eineSamm-
lung Arien fiir Eine Flote und zwei Theile So-
lo's fiir die Flote und Bafs geftochen find.
S, 555 fehlt:
jDescotcanx, ein fehr berfthmter Fiotenift.
Er lebte in Paris zu Ende des vorigen und
zu Anfaiige des itzigen Jaluhunderts.
DievpaH hat aufser denen im Walter-
fchen Lexicon angezeigten Sachen auch Solos
fur die Flote und Bafs und Clavierubungeii
in London ftechen lallen.
JDiltcrsdorf fiihrte in Berlin 1789 mit
grofsem Erfolg fein Oratoiium Job auf. Der
Ronig, der ihn fehr gna'dig behandelte und
koniglich befchenkte, erlaubte ihm dazu das
grofse Opeintheater und das Konigliche Orche-
fter, wozu D. noch das Orchefter der Konigin
und alle guten Privatmufiker einlud, und auf
diefe Weife, Tamt den koniglichen Sangern
und Sangerinnen und den Stadtchoren eine
Befetzung von beinahe 200 Perfonen zufam-
menbrachte. Das Orchefter war auf dem Thea-
ter pla'cirt, das zu einem Saal verkh'idet ward,
und das gauze fehr elegante Theater brillant
erleuchtet; der ganze Hof und alles was fch5*
Tie Welt in Berlin heifst, war da verfanunelt
und fullte das ganze Hans. Es war in jedem
Berracht eine von den feltnen grofsen Veran-
ftaltungen, die zur vcilligen Zufriedenheit dea
Unternchmers und des Publikums ansfielen.
•Im Jahre 1790 erhielien Ilerr und Madame Le
Brim diefelbe Erlaubnifs vom Kdnige, und ihr
Concert liatte in jeder Ruckficht denfelben voll-
konunenen gliickliehen Erfolg. Ohne den plotz,.
lichen betvi'ibten Todesfall von Le Brun hatte
der Hof und das Publikum in diefem Jahre
vermuthlich wieder dalfelbe Vergni'igen genof.
fen, das jene grofsen Talente ihm im vovigen
Jahre gewahrten.
S. 55 1 fehlt:
Dozon (Mademoifelle) Sangerin bei der
grofsen Oper in Parity die in den Jahren 1784
und 1785 anfing in den erften Rollen der Sac-
chinifchen Opern mit der Madame St. Huber.
li zu wetteifern. Ihre Stimme war fehr an-
genehin und klingend, nnd wenn fie ihre gan-
ze Ambition darinnen geletzt hatte, eine an.
F
*&
genelnhe Satigerin zn werden,' hatto fie von
diefev Seite der Mad. St. Huberti gefahrlich
werden konnen: fie vvollte aber audi als Ak-
trice .mit Mad. St. II. wetteifem, und dazu
fuhlten ihr die Mittel aller Art. Sie foil ihrer
Stimme dadurch bald gefrhadet haben uml it/.t
faint ihrcm Mufter nicht mehr in der Oper
iingen.
5. RECEXSIONEN.
VIII. Fughe fecondo Vorclinc dei Toni eccic-
Jiajtici per I' organo o Clavicembalo , com-
pojlo e dedicate al RevcrendiJJimo Jig no re
Alaximiliaiio Stadler, degnijjbno abbate
commendatorio dl cremifano , dal fun umi-
liffimo ed ubbidientiJJ'mio fervo P. Giorgio
Pajierwitz , Beilcdiltino del medefuno Mo-
najltro,
Opera I.
VIII. Fughe fecondo I \4. B. C di Muficaper
V organo o Clavicembalo , coittpojie e de-
dicate al celebre Signore Antonio Salieri >
prima Maejtro di Capella alf atlnal fer-
vigio di ftlaejla Reale in Vienna , dal pno
Ammiratore P. Giorgio Pajierwitz , Bene-
dittino di Cremifano.
Op. II.
a Vienne chez Artaria et compagn. de meme
?u'au Magazin de Mafique dans I'Unter-
renner Strafse.
Der Wiener Grabftichel hat in langer Zeit
nicht fo was elegantes ,* correctes und fleifsig
^earbeitetes im Fache der ftrengern Mufik ge-
liefert, als das gegenwartige Werk, und ein
gewifler hypochondrifcher Zelote, welchem die
galanten Freigeiftereyen Kopfweh verurfachen,
hat Unrecht, den Verfall jener Art von Ton-
kunft zu befi'irchten. Wenn man mit der Ge-
fchichte der Mufik bekannt ift, fo wird jnan
finden, dafs es zu alien Zeiten weit weniger
Ausiiber der contrapunktifchen Kiinfte, als
der freyen Schreibart gegeben hat. Die Ur-
lache ift unftreitig, weil ein einftiinniiger Satz
den meiften Zuhorem begreiflicher ift , als ein
vier- und mehrfthnmiger, und kann man es da
tlem Componiften verdenken, wenn er fich
nach der Spha're der meiften In I crcfienten rich-
tet, zumal da er fich dadurch zugleich etwas
Millie erfparet, indem es leichter ift, mit ci-
ner als mit mehrern Sthmnen zu componiren.
Ich nenne allhier einjlimmige Satze jeden So-
logefang, der blofs dnrch ein Accompagnejnent
unferftiitzt wird, und bringe nicht die Stim-
men des Accompagneinents in Rechnung. So
wie es nun in den vorigen Zeiten der Muiik
gewefen , fo ift es audi- in der gegenwartigen
Epoche, und fo wird es vermuthlich in der
Folgezeit feyn, und es wird allezeit zwey bie
drey Clalfen von Artiften geben, von welchen
die eine diefen, mid die andere jenen Theil
der Kunft vorzi'iglich zum Haiiptaugeniuerk
haben wird, und wer kann dieles unrecht lin-
den, fo lange das I'liblikmn uabci gewinnet?
Wenn alle Kunftler eineni und eben deuifel-
ben Theil der Kunft mit gleichem Eifer uml
Erfolg oblagen, wie manches Vergniigen hatte
felbiges weniger, unci wie viele fchone Werke,
die in einen andern Theil gehoren, warden
da ungebohren bleiben? Eine andere Frage
konnte liier aufgeworfen werden, nemlich wo-
lier es konunt, dafs die beften Prodticte der
freyen Schreibart nach einer gewilfen Zeit ih-
ren Glanz verliercn, wahrend der Zeit die in
eben demfelben Zuitraum erzeugien gutenWer-
ke der gebundnen Schreibart ihren unveriin-
derten Werth behalten. Eine kurze und gate
Erdrterung diefer Frage wi'irde fur einen den-
kenden Liebhaber eine angenelune Unterhal-
tung feyn. Gewifslicli find die oben angezeig-
ten XVI Fugen von der BefchafFenheit, dafs
fie nach hundert Jahren noch eben die Senfa-
tion hervorbringen werden, die fie itzo erre-
gen, verfteht fich bei denen, auf wekhe die
Harmonie zu wirken gewohnt ift. Um alles
gehorig einzufehen, was dnrch Genie, Kunft
und Fleifs in diefen Auffatz«n geleiltet wor-
den, mill's te man fie dor Reihe nach mecha-
nifth zerlallen , und dai/u ift hier nicht Rauin
genug. VVir wollen alio nur bemerken, dafs
lie ihcils einfath, theils doppeli , das ift, mit
eineni Contrafubjecl verfehen find; dafs,un-
geachret die Subjecle nur aus kuvzen Phrafibus
beftehen, der Autor fie gleichwolil mit mei-
fterhal'ter Hand fo fein zu zergliedern gewufst
hat, dafs aus don daruus rcfultirenden kleinen
Tlieilclien ganze rhytmifche Zeilen zum Behuf
der Zwifchenfiitze erwachfen; dafs keine Note
ohne Urfach, und alfo wecler eine Note zu
viel , noch eine zu wenig , und keine an ei-
nen unrcchten Ort gefetzet, und das alles anfs
bi'mdigfte zu eineni wohlklingenden Gunzen
verbunden worden. Man fetze zu diefen Vor-
ziigen einer, Fuge einen reinen und netten
43
S«tz, Vermeidung aller unangenehmen Licen-
zen, uberrafchendc Eintritle der Siitze, fchone
Nachahmungeh, fliefsende unci zu reenter Zeit
angebrachte Bindungen, u. f. w. Wer wird fich
von der gcfu'Uigen Feeler diefes Contrapunktiften
nicht mehrere Sachen diefer Art, z. E, figurirte
Hymn en und Pro fen etc. ausbitten? Zu geiftii-
chen Befchaftigungcn beftiuuut, kann der Anc-
tor feino Mufse zu etwas heiferm, als zur ErhO-
hung der .harmonifchen Andacht, und zur
Pracht des klingenden Gottesdienftcs anwenden?
,.Schade, dafs aufdem Titel der Fugen nicht an-
gezeiget worden, unter was fur eineni Grade
der Breite und Lange das heilige Tempe, ich
will fagen, die anumths voile Abtey Cremifano
liegct, welche fo gliicklich ift, den zwifchen
clem Brevier und den Kimften eines Bach und
Handel in feiner gelehrren Zelle fich theilenden
verehrungswiirdigen Dom l J afterwitz zu ihren
Mitgliedern zu rechnen. Ibr'.
dllgemcine Gefchichte der Mufik , von Jo-
hann Nicolaus Forkel, Doct. der Philofo-
pliie und Mufikdir. in Gottingen. Erfter
Band, wit fi'mf Kupfertafeln. Leipz. im
Schwikertfchen Verlage. 1788. (Ift in der
neuen Berl. Mufikhandl, fur 3 Rthlr. x5 Gr.
zu haben.)
Der deutfcheFleifs hat fich an diefem wich-
tigen Werke wieder ein neues bleibendesDenk-
Uial geftiftet. Alles, was griechifche, lateini-
fche, italienifche, franzofifche, englifche und
deutl'che Schriftfleller fiber die Gelchichte der
Mufik Gutes vorgetragen haben, hat H. F. mit
kritifchem Fleil'se benutzt, und tins dadurch die
reithhaltigfte, beftgeorduetfte Gefchichte der
Mufik geliefert, die dew I\ec. bis itzt in irgend
einer Sprache vorgekommen ift. Und wenn
auch den Befultaten, die H. F. aus den vorgetra-
genen Nachrichten und Thatfachen zieht und
lumen Urtheilcn fiber den jedesmaligen Zuftand
und das wahre Wefen der Kunft, der feine ge-
fi'ihl - und gefchmackvolle Kenner und Liebha-
ber der Alten, und der darftellende Kunftler
fclbft, oft nicht beiftiwmen kann, fo enthalt
doch auch der rafonnirende Theil diefes fchiitz-
lureu Werkes fo viel einzelnes Wahres und Gu-
tes, dafs man iiberzeugt wird, H. F. fey auch
darin der Wahrheit naher geriickt, und es babe
bis itzt noch kein Gelehrter iiber die Kunft ge-
fchrieben , der fo viel grunJHche Einficht hi die
Mufik und fo viel praktifche Kenntnifs befef-
fen , und kein Kunftler, der im Felde der Lit-
teratur folche ausgebreitete Belefenheit benu-
tzen kqnnte.
Diefes Work ift zu wichtig, urn es wit ei-
new allgemeinen Urthcile abzufertigen. Dei"
Bee. macht es /ich dahcr zur Pflicht, von den
einzelnen Theil en deilelben wnftandlicher zu
fprechen.
In der mit vieler Sachkenntnifs und kriti-
fchem Fleifse gefchriebenen Einleitung (S. 1 bis
G8) fucht H. F. dem Lefer, „wenn nicht die
vollftandigfte, doch richtige Vorftellung vow
ganzen Umfange der Tonfprache zu geben, und
dabey die Aehnlichheit , ja gleiche Natur der
Ideenfprache wit der Ewpfindungsfprache (oder
Tonfprache) darzuthun. " H. F. fagt: *,Die
Aehnlichkeit, die fich zwifclien Sprache der
Menfchen und ihrer Mufik findet, eine Aehn-
lichkeit, die fich nicht bios auf den Urfprung,
fondern auch auf die vollkowiuene Ausbildung
derfelben, vow erften Anfang an, bis zur hoch-
ften Vollkonnnenheit erftreckt, kann hier den
ficherften Leitfaden abgeben. Mufik ift in ihrer
Entftehung eben fo, wie die Sprache, nicht»
als tonleidenfchaftlicher Ausdruck eines Ge-
Fuhls. Sie entfpiingen beide aus einer gemein-
fchaftlichen Quelle, aus der Empfindung. Vyenn
fich in der Folge beide trennten, jede auf einem
eignen Wege das wurde , was lie werden konn-
te , nawlich die eine , Sprache des Geiftes , und
die andere Sprache des Herzens, fo haben fie
doch beide to viele Merkwaale ihres gemein-
fchaftlichen Urfprunges iibrig behalten, dafs lie
auch fogar noch in ihrer weiteften Entfernung
auf ahnliche Weife zum Verftande und zum
Herzen reden. Die Ableitung und Verwehrung
ihrer Ausdriicke aus den erften Lauten der Em-
pfindung, der Bau und die Zufawwenfetzung
derfelben , 11111 Empfindungen oder Begriffe
nicht nur zu wecken, fondern auch beftimmt
und ohne alle Zweideutigkeit zu wecken, und
witzutlieilen. Kurz alle Eigenfcliaften , welche
tlie eine zur vollkommnen Sprache des Verftan-
des machen , wachen auf ahnliche Art die an-
dere zur vollkowwenen Sprache des Herzens*
Wer airo die BefchafFenheit der einen kennt„
kann durch die Bejnerkung der iwter beiden
herrrchenden Aehnlichkeit leicht zum richtigen
und vollkowwenen Begriff tier andercn gefuJut
werden. "
Hierinnen wird nun keui Kiinftler, der auf
dew Wege der Darftellung zum richtigen Be-
grift und zur Ueberficht feiner Kunft gelangt ift,
Urn. F. beiftiwmen. Diefer weifs vielwehr^ daft
fich Gefang und Rede von dew Augenblick an,
da beide Kunft werden, von einander entfernen,
um fich nie wieder zu treffen, mid dafs Aeha-
F 2
t-t-
lkhkelten, die beiden bleiben <— unci ihre Ver-
bindnng mciglich machen — fidi nnr auf die
Einheit und Allgemeinheit menfchlicher Em-
pfindungen beziehen, ohne danim auf gleichem
Wege ur.d zu gloichen Zwecken wirkcn zu
wollen.
Durch die Kenntnifs der Sprache zu ei-
nem richtigen und vollkomnmen Begriff von
der Tonkunft geleitet zu werden , ift lb un-
moglich, dafa durch Kenntnifs der Sprache, wie
H. F. es iiberall verfteht, audi fogar ein ridi-
tiger und vollkommener Begriff von der Dicht-
kunft, die hdchfte Anwendnng der Sprache,
und als fchone Kunft der Tonkunft vergleich-
barer, auf keine Weifo ' zu erlangen ill. Den
auffallendften Beweis hiervon geben Jdhmg's
gelehrte und kritifch fleifsige Werke iiber die
Sprache. Wo A. fich auf Diohlkunft einlafst,
ift er jedem Dichter ein Blinder, der von der
Farbe urtheilt; iiberall verrath er dann, dafs
er keinen Begriff von dem Wefen der darftel-
lenden Kunft, ja fogar keinen Sinn dafiir hat.
So wenig nun aber der groTste Dichter wiin-
fchen wird, dafs Adlung nie iiber Sprache ge-
fchrieben hatte, nnd fo wenig jener ihn aus
der Hand legen wird, ohne auch von ihm auf
irgend eine Weife Nutzen gezogen zu haben:
lo wenig wird audi der wahrc unbefangene
Kiinftler fich daran argern, dafs H. F. nun ge-
rade diefen Gefichtspunkt in feiner Einleitung
durchfiihrt. Er fiihrt ihn niit Scharffinn und
nut grofserer Mufikkenntnifs aus , als ihn viel-
leicht irgend ein anderer Sprachkenner ausge-
fiihrt haben wiirde, und fo erhalten ananche
einzelne Theile der Kunft felbft ein neues
Licht, wenn auch gleich bisweilen nur durch
den Widerfchein.
So fcharffinnig und witzig die Aehnlich-
fceit indefs auch durchgefiihrt ift, fo konnte
Jlec. fich doch nicht des Gedankens an eine
englifche philofophifche Schrift erv/eliren —
deren Titel ihm eben nicht beifa'llt — in wel-
cher mit gleichem Witz und Scharffinn die
vollkonnnene Aehnlichkeit der Natur des
Feuers, nut der Natur nnfrer Seele durchge-
I'fthrt whvf, um am Ende daran zu zeigeu,
dafs wir nun darum doch nichts mehr, als
durch alle vorhergegangenen Zeiclmungen und
Erklanmgen von der wahren Natur unfrer
Seele wiifsten.
Am iibelften mochte derjenige fahren, der
aus einer folchen Grammatik und Rhetorik der
Kunft l-rnen wollte, ein iichtes Kunftwerk dar-
zwfteUen.
Die verfchiedenen Benennungen der Tone,
die II. F. S. 7 zuin Beweife anfiihrt, „dal's die
Tone einer Rlangleiter unter fich folche Bezic-
hungen haben, wie die verfchiedenen Worte
ernes Hedefalzes in der Sprache, " beweifst wohl
eher, dafs Sprachforfcber die Theorie der Tone
am huufigften bearbeiteten.
Sehr fcin fchlagt IT. F. S. vor, ftatt des
Worl.es ^Modification^ dellen man fich gewohn-
licli fiir das "Wachfen und Abnehmen der Eiu-
pfindung bedient, „kiinftig des Wortes Modu-
lation lich zu bediencn. " Denn das nxufikali-
fche Moduliren entfprichl: den feinen allmaligen.-
Uebergiingen der Enipfnulung ziar Starke und
Schwiiche nicht nur vollkomnicn, 1'ondeni
giebt auch gleichfani einen kleincn Wink, dais
die Modulation der Leidenfcliaft durch die Mo-
dulation der Tone am beften auszudriicken ley.
S, 10 »i3 fpricht H. F. ink vieler Griind-
lichkeit und Sachkenntnifs von den grofsen
Vorlheilen, die die Tonkunft durch die Erfin-
dung der Harmonie erlangt. Sic ward dadurch
gewiflenua :fsen erft cine felbft ftan dige Kunft.
Die fonderbaren Widerfpriiclie in Sulzers Aeu-
iserungen iiber Il.irmnnie, Wovon H. F. S. it-
ig handelt, erklaren licit lehr natiulich aus der
Verfahrungsweife jenes Schrift (tellers bei An-
fertigung feiner Theorie der fchonai Ki'mfte.
Sulzer hatte nicht die mindefte practifche Kennt-
nifs von der Mufik, ja auch nicht einnial von
Natur ein gutes mufikalifches Ohr, und meyn-
te, die Theorie der Tonkunft bei der Bearbei-
tung der luufikalifchen Artikel hinliinglich zu
erlornen, um mit I-Jiilfe eines Mufikers die
mufikalifchen Artikel dentlich, vollftandig und
konfequent bearbeiten zu konnen. Bis znm
Buchftaben S. feines Worterbuchs war Kim-
berger der vornehmfte und meiftens einzige
Tonkiinftler, der fur Sulzer die niufikalifciien
Artikel bearbeitete. K. felbft konnte fich nicht
deutlich ausdrticken, und fchrieb feine Anf-
fatze oder liefs fie off von Leuten, die eben
fo wenig gelchickt dazu waren, fehr verwor-
ren auflchreiben , unci Sulzer mufte fie her-
nath erft einkleiden und deutlich vortragen.
Wie fchwer diefes aber fiir einen ift, der^die
Sadie nicht ganz verfteht, die er vortragen
foil, ift leicht einzufehen. Aus diefem Um-
ftande allein inufste fchon manche Unbeftimmt-
heit und Dunkelheit entftehen. Die offenba-
ren Widerfpriiclie entftanden aber daher, dafs
Sulzer zu Kirnbergers Gefchmacksurtheil kein
"Vertrauen hatte und haben konnte: Neben Kirn-
bergers Auffiitzen alfo immer Schriftfteller zu
Rathe ziehen mufste, auf die er flch glaubte
verlauen zu kunnen. Unter diefen war ihm
nun als fogendnnter Aefthetiker Roufleaus JDi-
ctionaire ae Mufique der wicliLgfte Rathge-
ber, unil man wird es auch haufig benutzt
linden. Niemand fiand. aber mit K. offerer hn
Widerfpruch : diefen fall S. indefs weder ganz
ein, noch hielt er ihn fur fo wichtig, als er
es oft war, weil K. oft auch iiber Kleinigkei-
ten unci . vorgefafstc Meinungen , die S. felbft
hberfehen konnte , mit feinem bekannten Ei-
genfinne ftritt. Bei all diefer fonderbaren Ver-
i'ahrungsweife hat fich die Tonkunft doch des
beften theoretifchen Werkes daher zu erfreuen :
denn IQ'rubergeis Kuujl des rviiien Satzss ward
dabei zugleich ausgearbeitet.
S. 18 hatte H. F. gegen Sulzer auch rioch
fiir fich anfuhren konnen, dafs die vollkom-
menften Tanzftiicke, die wir haben, auch Mei-
ftcrftiicke der Harmonic unci gerade dadurch
nur vollkommen find. Wer denkt hiebei nicht
an Ratneaiis unci Cauperiii's meifterhafte Tanz-
ftiicke? unci weiu fallen dabei nicht die gli'ick-
lichen Nachfolger jener Manner, unfre Glucke,
Schulze , Reichardt, Nauniami , Kuuzm, 11. a.
ein?
S. 22 fagt H. F. fehr richtig : Rein Gefang
kann gut feyn, wenn er nicht den Worten fo
ahgepafst ift, dais auf Han])t- Eigenfchafts- unci
Verbindungsworte auch Haupt - Eigenfchafts-
und Verbindungstone kommen. Iin Ganzen
fiihlt diefes jedes Ohr, und man hat fchon
lange eingefehn, dafs in einem Gefange glei-
cher Fortgang der ldeen zwifchen Poefie unci
Mufik herrfchen niiiHe. Wenn H. F. aber fort-
fahrt: „man hat iich aber bisher bios daran
begniigt, diefes nolhwendige Gefetz der Natur
durch Uebereinftimmung cler Ruheftellen Ein-
Ichnitte oder grofsere und kleinere Cadenzen,
in der Verbindung der Poefie und Mufik zu
erfullen. In das innere Heiligthum der Kunft,
von diefer Seite betrachtet, hat man noch nicht
cinzudringen vermocht : " fo fcheint H. F. mit
den neuern Arbeiten unfrer beften Componi-
ften unbekannt, oder gegen Manner, die wir
hier gegen ihn nicht nahmhaft machen mogen,
nngerecht zu feyn.
S. 24 - 2 5 > wo H. F. von reiner , richti-
ger Melodie fpricht, verrath fich der Grund
des Gefichtspunkts, den H. F. dem Sinne des-
darftellenden lli'inftlers entgegen aufgeftellt hat.
WO
Merfennes fonderbaren Vergleich S. s5,
er die Tune des Gefanges juUt den Glie-
■45
dem des men fchli chert Korpers und die drei
Haupttone des Dreiklangs mit dem Herzenj
dem Gehim und der Leber vergleicht; und den
Vergleich S. 27, wo cler Rhythinus in der Mu-
fik mit cler Eintheilung cler Zeit in Jahre, Wo-
chen, Tage, Stunden und Minuten verglichen
wircl ; fo auch den Vergleich zwifchen der Staats-
kunft und der Canonik unci S. 5o den ganz
unpalfenden Vergleich vom Sandhaufen und
dem feften .Marmor, wenn er gleich in Lef-
fings vortreflicher Dramaturgic fteht, hatte Rec.
aus einem neuen belfern theoretifch-kritifchen
Werk iiber die Tonkunft hinausgewiinfcht.
Zu S. 27 bemerken wir, dafs die wirklich
fehr grofse Verfchiedenheit des Rythmus der
Alten, fo weit wir ihn aus Nachrichten beur*
theilen kunr^en, vorziiglich auf cler grofsen Ver-
fcliiedenheit tier giiechifchen Sprache von der
unfrigen beruhte. Hieruber fcheint H. F. die
vortreflichen Bemerkungen unfers Klopftock
Herder, Vofs, Stollberg, Cramer zu wenig be-
nutzt zu haben.
Dem 53 §. S. So. die Akuftick betreffend,
fiihlt fich Rec. gedrungen , den 19 $. aus G6-
the's eben erfchienenen vortreflichen Beitrageh
zur Optik gcgeniiber zu ftellen. Beim Gegen-
einanderhalten wird man die Abficht des Rec.
leicht erkennen. F. fagt:
„So wie es nun gut ift, wenn ein Maler
Optik , oder die namrlichcn und unverander-
lichen Gefetze von der Brechung der Lichtftra-
len kennt, ura jede Wirkung feiner anzuwen-
denden Farben oder Farbenmifchung fchon vor-
lau/ig wiflen zi4i£Mpnen , fo ift es auch nothig,
dafs der Mufikefmle Akuftik oder die Gefetze,
nach welchen Kliinge auf unfer Geh6r wirken,
kennt, um in der Wahl diefer Klange zur Er-
reichung gewifler Abfichten und Endzwecke
defto ficherer zu feyn. u. f. w. "
Gothe fagt: „der bildende Kiinftler konnte
von jener Theorie, woraus der Optiker bei feU
nen negativen Bemuliungen die vorkonunen-
den Erfclieinungen noch allenfalls erkhirte, we-
nig Vortbeil ziehen. Denn ob er gleicn die,
btmten Farben des Prifina mit den iibrigen
BeODachtem bewunderte und die Harmonie der-
felben einpfand : fo blieb es ihm doch immer
ein Rathfel, wie er fie iiber die Gegenfta'nde
austlieilen follte, die er nach gewiflen Verha'lt-
niiren gebildct und geordnet hatte. Ein gro-
fser TJieil cler Harmonie eines Genialdes be-
ruht auf Lieut unci Schatten ; aber das Verhait.
F 3
h*
liifs der Farben zu Licht und Schatten war
nicht fo leicht cmdeckt, unci doch konnt.e je-
der Maler bajcl cinfehen, dafs blofs durch Ver-
bindung beider Harmonien fein Gemalde voll-
kommcn vverden konne, und dafs es nitht go-
nug fey-, eine Farbe mit Schwarz oder Braun
zu vermifchen, um fie zur Schattenfarbe zu
machen. Mancberley Verfuche bei einem von
der Natur gh'icklich gebikleten Augc, Uebung
des Geftihls, Ueberlieferung und Beifpiele gro-
fse r Meifter brachten endlich die Ki'muierV.iF
einen hohen Grad der Vortreflichkeit, ob fie
gleicli die Regeln , wornach fie handelten, kaum
lilittheilen konnten; und man kann fich in ei-
ner grofs en Genial defanunlung uberzeugen, dafs
faft jeder Meifter eine andere Art, die Farben
su behandeln, gehabt hat. "
Zu Vermeidung alles Irrthunu fcStte ti. F.
$. 55 bemerken mogen, dafs grofse Componi-
ften, wenn fie fur grofse Orchefter arbeiten,
bei fchwer zu begreifenden chromatifchen unci
enbannonifcben Satzen oft aus practifclier Klug-
heit fur die Saiteninftrumente nicht allemal
nach den ftreng.cn l\egeln der Rechtfchreibung
fcbreiben, fondern wie der Satz dcni Auge
xuid der Hand des Spielers am leichteften fa lit.
S. 43-4-9 handelt H. F. von der Fuge fehr
richtig und gut. Doch hatte <lie Abhandlung
an Genauigkeit und iiberall treffender Wahr-
heit gewonnen, wenn H. F. die Einfchrankung,
die er in einer Note feibft beibringt, bei der
Bearbeitung der §. c>4-» 9^» 96 ftets vor Au-
gen gehabt hatte: fo erfcheinen fie als eine
Fortfetzung des g3 §, der ganz ausdriicklich
von der eigentlichen Fuge handelt. S. 55 bringt
R. F. noch eine fehr richtigfljgRpmerkung iiber
die kontrapunctifchen und caronifchen Ki'mfte
bei, cleren ftrenge Anwendung aber faft alien
Fugen , vtelleicht nur einige Hnndelfche und
wenige Bachifche ausgenommeu , das Toctes-
urtheil fpricht.
Ueber Au9druck und Malerey in der Mu-
fik fpricht H. F. S, 59 fehr wahr.
Die Abhandlungen iiber Genie., Gefchmack
und Schonhelt waren gewifs ganz anders aus-
gefallen, wenn ein Mann, wie H. E. vorher
Kant's Kritik der Urtheilskrafb hatte bemrtfcen
konnen. — H. F. bringt indefs auch hier ein-
zelne richtige Bemcrkungen bei, wie z. B.
S. 63, §. 128-129.
H. F. befchliefst diefe reichhaltige gelchr-
tc Einleitiuig mit einem Schema von den ge-
fammten Theilen dei mufikalifchen Bhetorik,
nach feinen vorgetragcncn BegrilF.;/!.
Dafs nun eine folche fthetorik, (vielleichr.
trefFender l'oetik) der Kuuft von einem darltel-
lenden Kiinftler, der durch lnancherley eigne
Verfuche bei einem von der Natur gliicklich
gebildeten Ohre, Uebung des Gefuhls, Ueber-
lieferung und Beifpiele grofser Meifter es in
der Kindt feibft zu einem hohen Grade der
VurtreHichkeit gebracht hatte, und fo erft das
eigenlliche Sttuliuiu der Theorie zur Bevefti-
gung und zum vollftandigen Anbau des er-
worbnen Befitzthums- getrieben, und feibft wei-
ter vorwarts gebracht hatte, dafs von einem
folchen die Poetik der Kunft ganz anders und
nuf ganz anderem Wege bearbeitet werden
wtirde, mufs jedem darftellenden Kiinftler ein-
leuchten. Diis full aber darum dem Werthe
der gelehrten Abhandlung des Hrn. F., als fol-
cher, keinen Abbruch tlmn. Was Gothe ir-
gendwo in moralifchem Sinne fagt, lUfst ficli
auch hier anwenden:
Ein^s fchickt fich nicht fi'ir alle,
Soke jeder wie er's treibe. u. f. w,
(Die Fortroizimg iiUcIiAeiu.)
Ausfiihrlicher vncl gri'mdlicher Unterrlchb,
die. rioie zu fplclcn, van Jo/iauu George
IromlUz, Tonkunftler und Flotenift. Leip-
zi S» ^t) 1 * Verlegts Adam Erie dr. Bohme.
Der Vorbericht diefes mit grofsem Fleifse
gearbeiteten Werkes zeigt den V? als einen wah-
ren Kiinftler, der fich auf den Titel nicht um-
fonft Tonkunftler und Flotenift nennt. Wahr-
lich kein I'leonasmus , fondern ein fehr rich-
tiger und gegriindeter Unterfchied , der einem
mit jedem 1'age melir und mehr einleuchtel,
wenn man fieht, wie die bornirleften Mcn-
fchen ohne Kojif und Ilerz ficli i\en Ruf gro-
fser Kiinftler verfthaJFen. Gefchickte Handar-
beiter find fie, aber nicht Kiinftler. Did'en
Nahmen follten fie fich erft durch wahre Ein-
ficht in das inncre Wefon dev Kunft und durch
zwecktnafcjige Anwendung der Kunftgel'chick-
lidikcit verdienen. Nur folche Ausiiber der
Kunft, wie H. Tr. , verdienen auch mit dem
Ehrennahmen Kiinftler beebrt zu werden. Ganz
cigentlich ift es nur der darftellende Gompo.
nift. — Auch a\s folcher hat fich H. Tr. feit
vielen Jahren riihmlichft gezeigt, und es mufs
in NehenumftSnden liegen, clals H. Tr. nicht
noch weit bekaamter geworden, als er es
fchon iit.
Der Rec. kann fich nicht enthalten, einige
^ar brave Stellen aus dem Vorbericht herzu-
letzen. Erfl fpricht H, Tr. mit achter Befchei-
denheit iiber Quanzens Anweifung unci von
feinen eignen vierzigjahrigen Erfahrungen unci
Bemerkungen, die ihn in den Stand gefetzt,
die Liicken, die jenes trefliche Buch noch aus-
zufullen gelafl'en, zum vollkommenen Unter-
richt fiir den Liebhaber der Flote auszufiillen.
Dann von der Nothwendigkeit, fich gleich Lin
Anfange einem guten Lehrmeifter anzuver-
trauen; dann von der Schwierigkeit, einen
recht guten Lehrer zu finden, welche H. T.
bei der Flote grofser, als bei jedem anderen
Inflrumente glaubt; und der daraus entftehen-
den Nothwendigkeit gute Lehrbiicher beim
Unterrichte zu Hiilfe zu nehiuen. Manche
gute praktifche Lehre fiir den Lehrling wild
mit eingcftreut. Von den befondcrn Schwie-
rigkeiten diefes Inft rumen ts urtheilt H. T. mit
v icier Einilcht und Suihkeimtnifs. Fofgende
Stelle mufs die Componiften und Mufikdirec-
toren auf eine nur zu oft vernachlafsigte Vor-
ficht fi'Uiren. Nachdeni H, T. von den grofsen
Schwiengkeiien gehandelt, die fich zu Hervor-
bringunp eines guten Tones zeigen, fetzt H.
T. l'ehr richtig hinzu: ,,Auch wenn das Blut
des Spielers durch irgend eine Leidenfchaft,
als Furcht, Ehrgeitz, Verdrufs und dergleiclien
in Bewegung gebracht ift, fo werden ihm da-
' durch Hals und Lippen trocken, und diefes
verhindert den guten Ton ganz unci gar, und
in einer folchen Verfaimng kann er, weil ihm
dabei der Athem zu kurz wird , und die Fin-
ger wie Bley find , <sr felbft aber zerftreut iff,
unmoglich etwas Taugliches hervorbringen. "
Da diefes mehr Oder weniger von alien Inftru-
menten gilt, fo fieht man leicht ein, wie un-
fiberlegt es t'on Mufikdirectoren gehandelt ift,
wenn fie mit cmpfindiichen Ermalmungen oder
gar heftigen Aeufserungen von Umvillon ihr Or-
chefter aufser Stand fetzcn, nut Lieb und Luft,
das heifst, gut zu execution.
Gar gut fagt H, T. dem Zuhorer: „wenn
der Meiftcr nicht nath deinem Gefchmacke fpie-
let, fo haft du wohl das Tlecht zu fagen: er
gcj'allt mir nicht j aber gar nicht, wie es ge-
meiniglich gefcl)iehet: er kann lachtsi "
Weiter h>n gar vortreflich: „Man fpricht
vicl von der Natur und will diefelbe zum Mu-
Jfler anfuhrtn, und verfteht nicht, was in die-
fern Fache Natur ift. Man wird ieicht einfe-
hen, dafs der, de: als Meilter fpielet, nach der
Nautr fpielen mufs, das heifst: er mufs nicht
nach eines andern, fondem nach feinem eig-.
47
nen Gefiihl, welches feinen Urfprung aus rei-
ner Temperamcntsmifchung hat, fpielen, und
kann alio nur dem, der feiner Temperaments-
mifclmng -mi. naheften kommt, auch nur aw*
meiften," a >.i nail's dem, der am weiteften da-
von em ?--\t. Jt, am wenigften gefallen." Das
aus feiiu. - Gefiihl fpielen , beftiimnt H. T.
weiterhin noch ganz meifterlich alfo: „n;im-
lich aus einem Gefiihl, welches dutch fleifsi-
ges Studiren, vieles Horen guter Sanger und
guter Meifter,. von was fiir Inftrumenten fie
auch feyn miigen, und durch eine gefchickte
Auswahl derjenigen Zi'ige, welche feinem Ge-
fiihl am naheften kommen und die ihm, fo
zu reden, eigenthumlich angehoren, ausgebil-
det wovden ill; und fich nicht daran kehren,
wenn diefer . oder jener Witzling fich an ihm
zu reiben ftichet." Meifterlich fahrt H. T.
foit: „Eben fo ift es mit der Setzkunft. Der
gute Setzer, wenn er originel feyn will, mufs,
nachdem er T^n andern guten Meiilern fich
auszudri'icken gelernet, und Gang und Wen-
dung der Harmonic aus Grvmden ftudirt hat,
damit er nur auwenden, aber nicht abfchrei-
ben darf, ganz aus feinem GefuM arbeiten,
und fich weiter nach keinem Menfchen bilden
wollen; das lrifst: er mufs ganz nach feinem
Temperamentsgefehmacke arbeiten, unci follte
er fich auch daruber vom Nationalgefchmacke
entfernen, wenn feine Entfernung nur gut ifiv
Widrigen Falls wird er immer matt bleiben,
und nichts neues unci ganzes hervorztibringen
iiu Stande feyn. " So konnen nur vollendete
practifche Kimftler iiber Kunft fprechen: fo.
fprach Baphael Mengs iiber feine Kunft.
Die practifchen guten Lehren in der Ein-
leitung und die unterweifenderi Abhandhingen •
felbft mochten wohl manchem zu weitfchwei-
fig und wortreich vorkoim.nen , auch die hau-
figen Wiederholnngen mdchte mancher tadeln.
Wenn man aber bedenkt , wie felten junge
Kiinftler Kopfbilrfu^g genug haben, um eine
kurz in Worte gefafste Lehre leicht zu faf-
fen, wie ihnen oft die erften nothwendigften
Vorkenntnifl'e fehlen, fo wird man folches dem
V. wenigftens zu Gute halten. Zu wiinfehen
ift nur, dafs die Ausbreitung diefes fehr niitz-
lichen und lehrreichen Werks dadurch nicht
gehindert werde, dafs das Werk zu folcher
Starke angewachfen ift. Hec. konnte wohl wiin-
fehen, dafs H. T. den Auszug des Ganzen, der
das letzte Capitel ausmacht, etwas mehr ver-
vollftandigt, fiir folchc, die nicht im Stande
find, fich das Werk felbft anzuichaiFen , below-
ders abdrucken liei'se.
*s
Weiter ins Derail der elnzelnen Abhand-
lungcn zu gohen, die alles begreifen, was zuiu
richtigen, brillanten und zierlichen Vortrage
gehort, tragt JAcc. urn fo mehr Bedenkcn, da
dieter Auffatz fchon fo angewachfen, und da lands iiberzeugt ift.
er felbft keln Flotenfpieler ift, fondern von
dcr vorzuglicheu Giite der in diefeni Werke
beiindlichen Anweifnngen nur durch. das Ui .
thoil einiger der by/on FlOtenfpieler Deutfch-
4. Madame Todi in Berlin.
Mad. Todi, aus Liflabon gebiirtig, die zu-
6rft in London in der Opera BufFa, balil dar-
auf in Turin in tier Opera feria mit belTerem
Erfolg und in Paris im Concert fpWituel mit
grofsem Beifall gefungen hatte, kam. im Jahre
1780 nach Potsdam und liefs fich bei dem vo-
rigen Konige im Concerte horen. Der Konig,
der die neue italianifche Mufik niclit liebte,
uiachte ihr das Compliment, es that' ihm fehr
leid, dafs fie folche Bierhaus - Mufik (Mufique
de Cabaret) fange und febickte ihr den folgen-
den Tag einige Opernarien vdia Grauu und
Haffe mit tier Nachricht, er wolle ihr vierzelin
Tage Zeit Fallen, diefe beflere Mufik zu ftu-
dieren, und fie dann wieder zu feinem Gon-
cerfc einladen lallen. Diefs gefchahc. Sie ge-
/iel beil'er, und der Konig bot ihr zwei tau-
fend Thaler jahi'Uchen Gehalts , wenn fie fich
bei feiner grofsen Oper engagiren wollte. Mad.
Todi, die wohl wufste, dafs Mad. Mara drei
taufend Thaler Gehalt gehabt hatte, wollte fich
audi nicht geringer engagiren, that mancher-
lei Vorfchlage, worunter auch der fonderbare
Vorfchlag war, dafs ihr Mann, bei der erf ten
Violine im Orchefter ohne Gehalt dienen woll-
te, die aber alle verworfen wurden. Mad.
Todi reifete wieder ab, und was bei dem vo-
rigen Konige noch nie mit irgend jemanden,
der fich im Concerte des Konigs hatte horen
laffen, gefchehen war, reil'te ohne Gefchenk
ab. Sc. Maj., der itztregierende Konig, da-
maliger Cronprinz, batten Mad. Todi aber fo
hochft gna'dig in Potsdam aufgenommen unci
fo reichlich befchenkt, daffrfie mit ihrem zieni-
lich langen Aufenthaltc dafelbft deimoch iehr
zufrieden war.
Im Jahre 178a kam Mad. Todi wieder und
erbot fich, das ihr chinals angctragene Enga-
gement von zwei taufend Thaler an/unehmen,
wenn der Konig ihr erlauben wolle, gewuhn-
lich in Potsdam zu wohnen. Der Konig wil-
iigte darin. — Bald daratif aber belaid ihr der
Konig, fruher als es noting war, zu den Opern-
proben nach Berlin zu gclien und doit zu
bleiben.
Ma.l. Todi Tang den Carneval fiber in der
grofsen Oper, oline dafs der Konig lie hortc,
und forderte 178J, fubald die Opern vorbei
waren, Zulage; crhielt aber ihren Abfchied.
Sie ging darauf nacli hufsland, wo fie von der
Kaiferin fehr gna'dig aufgenommen und an*
fehnlich bezahlt wordeii feyn foil.
Im Jahre 1786 flail) der Konig Friedricli
der II. und im December dellel:>en Jahres gab
der Konig, da der Capellmeifter Jieichardt ebon
mit Bewilligung des itztrugi renden Kiimgs
nach Paris gereift war, feinem Lehrer im Vio-
loncell, dem Hrn. JDuporl, einem alten Freun-
de-der Mad. Todi d.n Aul'lrag, an lie zu fchrei-
ben, und fich zu erkmidigen , ob Mad. Todi
doit oline Contrakt. fey, und in die Dienfte
Sr. Maj. treten wolle. Mail. Todi, die den
Berliner Hof nicht aus den Augen gelaflen,
und jenen Brief wohl felbft veranlafst hatte,
zeigte fich bereitwillig dazu und forderte vier-
taufend Thaler Gehalt und viele andre Vor-
theile, als Hoflogis, Equipage, Tafel u. d. gl.
Der Konig bewilligte ihr nur die viertaufend
Thaler jiihrh Gehalts auf drei Jahre, und fie
fall fich vom i5ten Dec. 1786 an, da der An-
ting gefchehen war, als engagirt an. Dem-
phngeachtet blieb fie aber noch fechs Monath
in Rtifsland, und reifete dann fo Iangfam her,
dafs fie eri't Ende September 1787, alfo neim
Monath nach erhaitcnem En^ajremcnt in Ber-
t C 4..-
lin ankaiu. Se. Maj. lieloen ihr indeflen die
dreitaufend Thaler fiir die ansgebliebcnen neun
Monathe auszahlen.
Sie fang in dem often Carneval die Oper
Andromeda, die ihr dor Koniyl. Capellmeifter
Mr. Beidinidl, ganz in ihre Kehle konvponirt
hatte, mit grolsem Beifall, i.\en fie eben fo
fehr von Seitcn dcr Action, als des mulikali-
fchen Vortrags vei.liente. Auch in don Cou-
certen bei Hofe erwarb fie fich vielen Beifall,
und der Konig und die Kduigin und die gau-
ze KOnigliche Familic uberhauften fie mit dim
fchmeichelhafteften Gnadenbezeugungen. Dcr
Konig aing in Icincr Gnade fur diefe Kiml'tlc-
rin
49
r'm to weit, dafs eine Opernvorftellung, die
-bereits angefagt war unci gar nicht inehi abbe-
Jtellt werden konnfce, ausgefetzt wurde, weil
.Mad, • Todi fich nicht ganz wohl befand. *)
Sogar die Prinzelfin Friederikc, die fich an-
jfiinglich fehr .geg^n Mad. Todi zani Vorrh- ii
ihres danwligejj^Singenieifters Hrn. .Concialini
£_i;klarte, gewohnto fich nadi und nacli an fie,
bezelgte fich ihr gnadig und endlidi ganz aus-
fchliefsend gnadig.
Im folgenden Jahve fang Mad. Todi mit
eben fo grofsem Beifall die Opern Medea und
Proteh'Iao von den beiclen Capelluieiliern Nau-
uiann aus Dresden und Reichardt, und gleicli
nacli dem Carncval erhielt M. T. die Erkmb-
nifs von Sr. Maj. nach Paris zu reifen, • um
flort die Fa ft en iiber im Concert fpirituel zu
fingen. M. T. blieb bis im A Ion. Junio fort
unci langfce nur eben zu den Opern vorftellun-
gen an, die von jenen beiden Opern fur die
ptadthalterin , Prinzcll'iii von Oranien, in Bei"-
Un gegeben wurden.
Im Anfange des Augufts, einige Tage vor-
her, ehe tier Konig nach Schlefien zur Revue
abreifete, da M. T. in all em noch nicht ei-
gentlich anderthalb Jahre in Berlin zugebracht
hatte, fchrieb fie, une ngedcnk des Gefchenks
von dreitaulend Thalern , fur die erften aus-
gcbliebeneu nenn Monathe, uneingodenk der
Erlaubnifs die Zeit der Fallen iiber, da der
Konig fie felbft fo gern in feinen Goncerten
gehort hatte, zu ihrem anfehnlichen Gewinn
jn Paris zuzubringen,uneingedenk, dafs wenn
eine Sangerin an einem Hofe , der gewohnlich
nur in der Carn-evalszeit grofse Opern giebt,
zur grofsen Oper auf drei Jahre engagirt v/ird,
darunter drei Carnevale verftanden werden, —
■*- fchrieb M. T. an den Konig: Se. Maj. wirr-
xjen fkh erinnern, dafs ihr dreijahriges Enga-
gement den iSten Dec. d. J. zu Ende ginge,
lie konne^mit den viertaufend Thalern Gehalt,
die ihr der Konig ga'be, nicht auskommen ;
audi babe fie von alien Seiten her grofse An-
tragc, fechstaufend Thaler betmge tier Gering-
ftc, die mochtc ihr der Konig geben, orler fie
fahe fich genii thigt, den Dienft des Kimigs zu
verlall'en. " Der Kmrig fi'ihlte die Undankbarkeit
unci den unwiirdigenTrotz in dicfemBriefe und
antwortete ihr adit koniglich: Sie konne nach
abgelaufenem Engagement feinen Dienft verlaf r
fen, unci er wiinfche ihr, dafs ihr Alter ihr
erlauben nioge, noch lajige von den grofsen
Antriigen Geb ranch zu machen. (Mad. TocU
war damals fchon iiber vierzig Jam* 'alt.)
Se. Maj. gaben daraufDero Capellineifter
Reichai-dt denBefehl, eine andre Sangerin mit
deinfelben Gehalte von viertaufend Thaler an
die Stelle der M. T. zn engagiren. Der Herr
C. M. R. wufste, dais Mud. Mara nicht nbge-
neigt war, nach Berlin zuriick zu kommcn,
felling diefe grofse Kiinftlerin dem Konige vor,
nnd.Se. Maj., die eben fo von dem grofsen
.Talent und der vollkonunnen Ausbildung der
Mad. M. , als auch davon iiberzeugt waren,
flafs es nie der Vorfatz der Mad. M. gewefen,
den preufsifchen Hof eigenwillig zu verlalfen,
und tlafs ihre ehemalige Entfernung von Ber-
lin durch einen fonderbarea Zufammenflufs
von mancherlei Umftanden. veranlafst wordpn,
ertheilten deni C. M. Reichardt die Erlaubnifs,,
Mad. M. zu engagiren. Diefe war eben auf
der Reife von Italien nadi London begrifFen,
und da man wufste, dafs fie iiber Paris zu-
riickgeiven wurde, fchickte man ihr die Briefe
nach Paris, die fie aber, da Mad. M. durch
den Ausbruch der franzofifchen RevolnlicTn er-
fchreckt, vom Wege nach Italien zuriickgekeln*
war s anfangiich alle v-erfehlten.
Endlich traf fie ein Brief in Italien, aber
zu ihrem eignen grofsen Verdrufs zu fpiit, fie
hatte bereits von dem Theater St. Samuel in
Vcnedig ein Engagement fiu- den Carneval
und «in ajulres in London fur die Zeit von
Oftern bis Pfmgften angenonunen, und et
blieb ihr daher nichts zu wiXnfchen iibrig, al*
dafs ihr Se. Maj. die Zeit liefsen* diefe beiclen
Engagements zu erfiillen, und ily zu erlauben,
das Engagement in Berlin im folgenden Herb*
*) Mai Todi liat diefe UnpUfslicJikeit, die in ei-
jicin verfcliwollneu Halfe beftaud, niwl mit ei-
>icr fondcroaren Hciferkeit verbiiuden war, jedes
J.iln" gegftii die Opcvuzeit 'bokommen , fobald lie
iiuuilicii vior bis i'eclis Wochen mit Anftreii£;ung
ihre Hollc einfiiidirt und in incJircrLMt Probcn
gefiuigeii hauc. Kcmicr liabcn dabei, fo Avie in
lhrcr gaiizeu Art zu Ihigcu bcmeilcn wollen,
-Jafs fie eigentjicJ\ von Natur oine Commit,
ilmmni iiahe and die Jiohen Tone nut' durch
Kit. Jt crzwiiMc, wobci die Kehle uuikwendie,
[**\ r . ""gegviften wird. Es i/i diefes ab.-r d«-
I'ali bei mebreren bertibniten S.in^eTii mid S-m-
gcrniucii, die aus Vortheil eiuu Ehrc d,uin
letten, lielur einen erzwungcucn Difcmt, als
ciiua iKUiuiivhen Coutrealt zu fuigcn.
G
5o
fte anzutreten. Se. Maj. willioten lnerinnen
unci gaben dan Capellm. K. iin Nov. den Be-
fehl, eine crfto Sangerin fiir den bevorftehen-
den Carneval zu fuchen. Diefer reifte foglekh
nach Mi'mchen uud engagirte dort zur Zufrie-
denheit feines Konig-i'mit Einwilligung des
churfiirftlich Bayerfchen Hofes Mad. ""Lb Brim
fur den bevorftehenden Carneval. Denn ohn-
erachtet Mad. Todi alle mogliche Miltel ver-
fuchfce, am Preufs. Hofe zu bleiben, und nun
geftand, dafs fie kein anderes Engagement ha-
"be, fo vvollten .Se, Maj. fie doch auf keine
Weife den Carneval fiber noch in Hirer Oper
iingen laflen.
Die Maafsregeln, fich hier nothwendig zu
machen , und andre Sangerinnen von Berlin
zu entfernen, waren fo weit getrieben, dais
Heir Todi fogar an den Directeur des I'pecta-
cles , Grafen v. Seeati, nach Miinchen gefchrie-
ben hatte, ihre erfte Siingerin (Mad. le Brim)
fucbe heimlicli in Berlin anzukommen, man
mochte fieh alfo dort vorfehen und heimlich
alle nothigen Maafsregeln nehmen, fich ihrer
zu verfichern, to wie man hier audi die Sache
der M. T. , die durchaus nicht hier bleiben
wolle, heimlich betriebe. Diefer Brief hatte
auch wirklich ein fehr fcharfes Churfiirfil. Edikt
veranlaf t, wodurch alien Sangern und Mufi-
kem vom Hofe der Urlaub zu reifen bei Ver-
lufl ihres Gehalts unterfagt wird. Wovon Se.
Chf. D. aber aus Gefalligkeit fur Se. Maj. den
Konig mit Mad. Le Brim, «nnd fpater bin
auch fur einige andre vortrefliche Sujets gerne
eine Ansnahme machten.
Mac 1 ... Todi blieb demungeachtet noch eU
nen Theil des Carnevals fur fich in Berlin, und
fahe die erften Vorftelhmgen der Oper Brenno
von dem Hrn. Capellm. Reichard, in der fie
bei der Vorftellung im October die erfte Rolle
felbft gefimgen hatte, noch mit an. Da es fich
aber zeigte, dafs der Konig und der ganze Hof
mit Mad. Le Brun iiber alle Erwartung zufrie-
den waren, reifete Mad. Todi auf immer von
Berlin ab, ohne in der erften Oper des neuen
Capc-llmeifier Hrn. Alleffandri, den Mad. Todi
mit \ ieler Miihe und Kunft beim Koniglichen
Hofe angebracht hatte, die fur fie gefchrie-
bene Rolle zu fingen. Auf ilire Bitte erhielt
fie noch Ein hundert Friedrichsd'or zur weite-
ren Reife.
5. Nachricliten aus Briefen.
Ausxiig eines Briefes: Copenhagen den
iQ.ten Jprill 1792.
..'«.. Aufserdem haben wir Neues voh
clerCompofition des Herm Capellmeifters Schulz
ein Oratorium: Chrifti Tod, gehabt, wozn die
Worte vom Herrn Profelfor Baggefen finch Al-
lein hiernber mnifen Sie nicht viel fur ihre
Blatter erwarten: iiber den Text kormte ich
viel fagen , aber das will ich nicht; iiber die
Mufik mochte ich gem, aber das kann ich
nicht. Jenes will icli nicht, well dor Dichter
xmv halb verftanden zu werden ; diefes kann
ich nicht, weil der Componilt ganz verftan-
den zu werden, wi'michen mulien und fistmir
eben da an Einficht fehlt, wo volliges Ver-
ihmdnifs unentbehrlich ill. Indcll'en kann ich
von beiden doch fo viel fagen, dafs das Pu-
blikum und der Hof aufserordentlich znfrieden
gewelen. An Vergleichungen mit der Hymne,
die nnfer Schulz voriges Jahr producirte, hat's
nicht gefehlt; einige ziehen diefe, andre jene
Mufik, die iiieilten aber das Outoiium vor.
Zu den leutern geht'ire ich mit, in fo fern das
Urtheil f-.j ausgedri'ickt winl, dafs die Hymne
dem Coinpoiiiiien nicht fo viele und nicht lb
mannigfaltige Formen und StolTe zu mufikali-
fchen Schopfungen gegeben hat, als das Ora-
torium that: dort wechfeln nur einfache Chore
und Sologefange nut einnnder ab, hier find
auch Recitative und zum Theil mijt Solofatzcn
durchflochtene Chore; dort ift die Sprache zwar
leidenfchaftlich, hier aber leidenfchaftlicher, und
den neuern, kiilmern Gang der Empfindimgen
tanzmeiftert kein Strophenzwang. Im iibrigen
ziebe ich keine der andern vor; es liegt auch
in Sehulzens umfikalifchem Character, dafs er,
indein or zwar immer feinem Dichter getreu
bleibt, nie iihfer ihn fich crhebt, nie unter ihn
finkt, doch niemals andre, als in diefer Ri'ick-
ficht vollendele, und in jeder andern Ritck-
ficht die ftrenglto Critik der Grammatik befrie-
digende Arbeiten ins Publikum kommen lafst:
und der Text der Hymne ift auch fehr fchim.
Das Oratorium befteht aus vier Choren,
fiihf Recitativen und vior Arien^ und dauerl
beinahe dreiviertel Stunden. Ein Duett ver-
mifst man uugern clarin ; auch fiir meinen Gau-
men wi'mfchte ich noch, dafs ein recht grofses
obligates RecitaUv, von dyr Avt, wie in Maria
und Johannes vorkonuuen mOchte. Das An-
5i
fangschor gleicht in der Form clem erften Chor
in Mlmlie, ift aber yon ganz entgegengefetztem
Character und mit der overtiinnafsigen Etnlei-
tung vie! Ki-nge*, als jenes. Bei ctcm Ueber-
gange .... aber, wit* lick' es fich befchreibon,
cjurch welche Zauberkraft man mit fortgerif-
it'ii -wiril, wenn im Ausdruck der Todesmar-
tcr die Inftramente nach langem fchweren
Kaiaprc jetzt die hochfte Stufe der Empfin*
riungslciter erkllmmen und «lann mit einem
Ruck der Tactveranderung jclie Stimmen herz-
durchfchneidend alle auf einmal ein fallen:
Skue hurts Oualer ; JZvighoie!
Das zweite Chor ift nur klein, 'ungefalir
in dem Sfyl wie das Chor: dch Erbarmcr!
in Athalja, und fteht mit der vorhergthendcn
Arie in Verbindung. Die letzte Zeile dort:
der Heilige ift todll ift hier im Chor die er-
fte, itnnuttelbar Ach anfchUefsende: der Hei-
lige ijl todtl Ach, fur uns Jiarb er! fi'ir etc.
— Das dritte gehott einem zweiten gegeniiber
zu ftellenden -Orchefter an, und thut durch
d.is Unerwartcte und Auftallende der Situation
erftaunliche Wurkung* Das Schlufschor niihert
lich dem Volksgefange , hat in der Mitte em
paar zweiftimmige fchone Solos mit dazwifchen
meljrter, aus imitirenden Satzen beftehender,
Inftrumentalbegleitung, die dem Ganzen eine
bewundernswurdige Originalitat giebt.
Unter den Recitativen ift eins, .... ich
jiieinte bisher, iiber das in Athalja: Berg Got-
tes , Sinai! ginge nichts, und das Gluckfche
in Iphige'nie en Tauride; Ouoi je ue vain-
er ais -pas war' unerreichbar; aber jenes hat
Viich diefe Meinung zu verlaifen genothigt.
Die hierauf folgende Arie ift von demfelben
Character und fteht mit dem Rccitativ in pa-
valleler Vortreflichkeit. Zwei andre Arien , fiir
den -Discant gefetzt, die eine von fanftem, die
andre von munterm Character , brilliren durch
angemelTenen Reitz des Gefanges und der Be-
gleitung. Aber Schade! daf3 Schulz die Vir-
tuofen - Eitelkeit ihre Ha'nde hat mufien ins
Spiel koinmen laflen. Muffin, fag' ich; denn
wenn Schulz, deflbn Vorliebe fur deutliche
Pronunciation, richtig accentuirende Declama-
tion und lebendigen kornichten Ausdruck, der
leeres Ohrgeklingel von fich ftofst, fo bekannt,
als vom achten Gefchmack gebilligt ift, —
wenn er lange iippige Melismen fetzr, fo weifs
man wohl, dafs er es nicht aus freier Bewe-
gung tlmt. Wjinn .wild das UrtheLl der Oom-
poniften einmal von der Vormumlfchaft oder
deiu Defpotismui der BlodGnnigkeit befreiet
werden? —
.4us einem Brief e mis Konig-sberg.
In liner grofseren Haupt - und Refidenz-
■ftadt Berlin kijnn<!n Sie freilich mehr des Gu-
ten und S(;hi>nen und des Neuen zu fehn und
zu lioren bekoinnien, als wir in nnferer klpi-
aierea liaupt- luwt Refidenzltadt, worin nie-
maud reiulirt. Die hohe ernfte Oper, mit dem
gliinzejiJen Gefolge der ilu dienenden Kiinfte,
vyeiiet nur nahe urn Furftentlnonen ; allein un»
lachelt.doch ihre ji'uigere Schwefter, die gefal-
ligere 6'perette. Dankbar gegen den Eifer, wo.
mit ' wir ihre Spieie befuchten, geriihrt von
der Gutuuithigkeit, mit welcher wir den fade-
ften Unfxnn hinnalimen, wenn er nur von
Harmonie begleitet war, hat fie uns aus un«
ferer Mitte Dichter und Tonkimftler erweckt,
damit auch wir uns des Vorzugs erfreuen foil-
ten, Schaufpiele vor uns auffiihren zu fehn,
die aufser uns noch niemand kennt, die der
fremde zufiillig Dmchreifende, als eine noch
nirgend gefehene Neuigkeit nut gierigen Au»
gen unci Ohren verfchlingt, <la er vieUeicht
giihnen wiirde, wenn wir ihm Stiicke gaben,
die er fclion anderswo, beinahe ehen lb gut
vorftellen gefelui ha'tte. Vor zwei Jahren er-
fchien eine von Herrn Oberfbrilrath Infter ver-
fertigte und voju Herrn Friedrich Ludwig Ben-
da in Muiik gefetzte Operette: die Perlobungj
auf nnfemi Tlieater. Herr Bcnda, dcifen Ora-
torien: die Religion, das Unfer Vater und der
Tod mit verdientem Beifall aufgenommen wor-
den, hatte bei dem Mufik liebenden Publikum
das giinftigfte Vorurtheil. fiir fich; unci doch
machte diefe Operette beinahe gar keine Sen-
fation. Sic wurde nur wenige mahle wieder-
holt und ift voriges Juhr, wo ich nicht irre,
nur einmal, und diefen Winter gar nicht ge-
geben. Fi'ir den Kenner ein unerklaibares Rath-
fel. Nach deflen Urthelle ift die Mufik felir
gut gearbeitet imd liat viel fchonen und edlen
Gefang; nur nahert fie fich vielleicht zu fehr
dem Kammerftyl , und der Gefang fticht nicht
uberall genug unter der Inftrumentalbegleitung
hervor. Allein der Dichter liat hier auch nichts
weniger als Karrikaturen im Gefchmack der
OpeVa buffa liefern wollen^ wenn fein Sliick
mit diefen eine Vergleklmng aushalten follte,
fo miifste e« weniger Natur und gefunden
Menfchenverftand enthalten. Und doch wiir-
de der Gefchmack an folchen Schaufpielen, die
fich von der Opera buffa unterfcheiden , wie
fich das Drama von den Bourlesken una Har-
lekinaden unterfcheidet, vielleicht mil'cre gu-
ten Dichter am leichteften mit der Operette
ausfohnen, und fie bewegea uns St'ucke zu
G a
52
liefern, die der Freund der Tonkunft, ohne
dafs fein gefunder Menfchenverftand zu erro-
then brauchte, anhoren konnte; und der Ton-
kiinftler di'irfte fich dann nicht fo oft Gegen-
Jftande zur Bearbeitung aufdringen laflen, die
zu tief unter der Wiirde feiner Kunft find.
Man erwartete hier aber Charaktere, iiber die
ledennann lachen konnte, weii He nieman-
rten gleichen, und man ftiefs auf einen lacher-
lichen Baron, iiber den nicht Jedennann lach-
te; man erwartete poiRrliche Mufik, und man
erhielt nur angenehiiie Mufik. War's ein Wun-
der, dafs man die getaufchte Erwartung mit
kalter Aufnahme vergalt? Allein gliicklicher
Weife liefsen fich die Verfail'er durch diefen
wenig einladenden Erfolg nicht abfchrecken.
Vor einem Jahre gaben lie Louife. Plan und
Ausfithrung diel'er Operette hat weniger Ver-
dienft, als die Verlobung, allein der Ton ift
mehr herabgeftinimt, das Liicherliche allge-
mein verftandlicher und das Ganze mehr auf
den Beifall der Menee kalkulirt. Jecloch hat
der Dichler dem Komponiften anch Texte H'tr
dcn edleren Styl gegeben unci iiberhaupt i'iir
Mannigfaltigkeit gelbrgt, und die Muiik ift ein
Bcweh>, dais der Koinponift Talent fur den
verfchiedenften Ausdruck beiitzt. Einige Aden
haben einen fo leichten, naturlichen Gefang,
dafs tier Zuhorer in Verfuchung gerath, ilin
fogleich nachzufingen. Von diel'er Art ift gleich
das erfte Rondo, womit das Stuck anhebt : Hei-
trer Sinn und froher Blut/i, this ift all main
Huab und Gut. HinUrher befinnt ficlx wohl
der Kritiker , dafs diefes Rondo zn oft wieder-
hohlt wird, indem es beinahe den giofsten
Theil , der aus Fraginenten der Opey, die nicht-
zum heft-en nut einander verbunden find, z'u-
fammen gefetzten Ouvertiire ausmacht, und
im finale des erften Akts wieder vorkommt.
Das Duelt: Un ekaunt mit Grain und Leiden,
athmet ganz das Wormegefiihl arkadifcher Ruhe
und Geniigfamkeit. Sclion durchgefiihrt ift das
Duett: JDor Friede erndhrt , worin die Zwi-
I'thcnrede: Scht den Fuchs , fehr gut abfticht.
Audi kommen zuletzt ein paar Bravourarien
vor, von denen die erftere: Ich habc meinen
Heiurich wieder, fehr gut gearbeitet ift. Die
■mdcre ift mit einer obligaten Violin, die aber,
anftatt die Singftimme in befcheidener Entfer-
mmg zu begleiten, ein wenig zu vie) um fie
heram gaukelt. Sie fragen mich, wie denn
diefes Stuck vom hieiigen Publikum aufge-
Jiommen wurde? — Mit einem Enthoufias-
iiiiis ohne gleichen. Es konnte nicht oft ge-
nus wiederhohlt wcrden, es war die fchbnite
Operette, die auf diefem weiten Erdenrunde
ihr Spiel treibt, man vergafs dariiber, dafs Mo-
zart, Dittersdorf, Martin und andere audi Ope-
retten gefetzt haben, die man doch, und wiirs
auch nur der Veranderung wegen, wieder ein-
mal vorlaflen konnte. Um diefen Enthoufias-
mus ganz zu erklaren , miifste der Unbefan-
gene wohl noch einige Nebenumftande und
Veranftakungen , zu der Gate des Strides hin-
zu addiren, die angewandt warden, ihn auf
einen fo hohen Grad zu erhebeix und da zu er-
halten. Man konnte nun erwarten, und man
freuete fich mit Recht darauf, dafs die Herren
Verfail'er uns diefen Winter mit einer neuen
Operette befchehken warden , und e$ gefchah.
Unter dem Titel: Marichen erfcluen (da doch
die Fortfetzungen anfangen Mode zu werden,
auch da, wo nichls mehr fortzufeizen ift) eine
Fortfetzung von Louife, Gewifs wiirde der
Dichter ein believes Stuck geliefert haben, als
diefes Marichen, wenn er hier nicht verfucht
hiitte, einen Faden wieder anzukniipfen, der
• fchon geendigt war, und wo durch er fich ohne
Noth in Eriindung und Anlegung feines Plans
einem Zw.inge unterwarf, der der guten Sache
nachtlieilig werden uuifste. Der Dichter iiatte
bemerkt , dafs in der Louife die Handlung oft
zu iauge durch den Gefang aul'gehalten werde,
er verfuchte nun den ralchen Gang der Hand-
lung mehr in den Gefang zu verilechten; al-
lein hiedurch inufste die Mufik weniger melo-
dienreich werden. Man gefteht ihr zu, dafs
fie fchi)n gearbeitet, fehr gut deklamirt ift;
aber man iindet in ihr nicht fo viel popnla-
ren, leicht nachzufingenden Gefang, als in
Louife. Zwar gefallt lie fehr; nur nach Ver-
haltnifs ift der Enthoufiasmus dafiir nicht fo
grofs als far Louife. . Eine Kriegsromanze er-
hebt einen entfetzlichen Lerm: die Erde bebt,
eine Kanonade, dem Donncr gleich, erfullt
die Lnft mit Rauth und Danipf, das Fnfsvolk
chargirt, die Reiterei ftiirzt mit Gefchrei in
den Feind , riz raz! pif paf! „Der Briider Blut
erhitzt den Kampf, vermehrt die Wuth " — -
nun ilieht der Feind, Siegeslieder erfchallen,
und diefe kloflerifche Bataille en miniature ift
iiberhaupt fur jeden, der noch keine Campa-
gne mitgemacht hat, fehr tmterrichtend. Man
wohnt ihr mit Vergniigen bei , nur bedaaert
ein jeder, der nicht fchon zu fehr im Kriege
abgehartet ift, den Schaufpieler, der mit fei-
ner einzigen Stimme Pauken, Trommeln, Pe-
lotonfeuer und Kanonade iibeifdireicn nmlj?.
An Hauskrieg fehlt es auch nicht, und die
Fran Kollmann keift und zankt beft;indi<r, de-
klamirt doch aber gut. Im Finale des erften
Akts erdichtet lie eine Ohmnaclit, man ruft
o*
nacu Walter, und Feuereimer uhd Leiter wer-
den gebracht, dafiir fetzt es, wie billig, Ohr-
feigen, die nicht einmal in der Mufik gehdrig
nusgedriickt find. Hanchen fpricht in ein^t
Arie: PFas will ich niche alles erdenken, um
fie recht zu qualen, zu krankcn, fo gefchwindj
dafs man furchtet, fie werde daran erfticken.
Wcr da glaubt, dafs der Tonkiinftier bei Dar-
/iellung lolcher and ahnlicher Gegenftande wohl
nicht ganz'in ieineiii Elemente ill, der findet
ihn da ganz wieder in der gleich darauf fol-
gcnde-n Arie: Ilolde Liebe , ich erjlehte mir
oft Muth und Troft von Dir f in dem Duett :
Tit deinem Arm Jeh ich den Gewittern , die
mich bedrohen , ruhig zu , und in der vorziig-
lich fchonen Arie: So folgb auf einen triiben
Morten nicht felten uoch ein heitrer Tag.
Ueberhaupt ill diefe Koinpolition des Herrn
Ben da *) nicht minder eiri fchoner Beweifs von
dem Talent und richtigen Gefiihl des Ton-
kiinftlers, als feine fruheren Arbeiten, die alle
den Charakter ties Ger'alligen und Einnehmen-
den an fich tragen, minder durch Neuheit und
originelles Geprage uberrafchen, aber innner
angenehm unterhalten. Von der Aimuhrung
der Schaufpieler, unter denen es g\ite Stim-
nien giebt, will icli mir fagen, dafs fie im
Ganzen wenig zu wunl'chen iibrig liefs, worn
die Gefalligkeit der Herren und Damen , mit
welclier fie die Erinnerungen der Verfalfer be-
nutzten, gewifs viel beigetragen hat. Das Oi--
thefter ift aber zu fchwach befetzt. Man den-
ke fich eine Ouverture oder ein C.hor mit Pan-
ken und Trompeten und alien Iandiiblichen
Blasinftrumenten, und dann den Bafs, der die-
fes alles beherrfchen foil, mit nicht mehr als
einem Violoncello und einem Contraviolon be-
fetzt! Ein Grund diefes Misverhu'Itnifles ift die
Kleinheit des Ramus, den man fiir das Orehe-
fter iibrig gelafien hat. Bei dem Bau des
neuen Schaufpielhaufes , wozu fchon die An-
ftalten gemacht find, wild' man hoffentlich die-
fen Fehler zu vermeiden fuchen. Wenn der
Genius des guten Gefchmacks bei diefem Bau
fiirwaltet, fo wird unfere Stack fich riihmen
konnen, ein grofses, zweckmafsiges und fcho-
nes Scliaufpielhaus zu befitzen.
Noch foil eine neue Operette, die Can-
tons - Revif ton , vcrfafTet von Herrn von -Bacz-
Ap, in Mufik gefetzt vom Secretaire Halter,
gegeben werden ; da fie arfer noch ttidit gege-
ben ift, fo kann idi aucUjaoch niChts davoa
melden. m &'
Aus einem Brief e von Ballenjiedt vom
Mben April.
' „Vor einigen Tagen ift zu Hettftedt iin
Mansfelclfchen, drei Meilen von hier, SchuU
zens Athalia t und zwar mit Beifall, felbft
wahrer Mufikkenner, gegeben worden. Das
Orcherter foil an achtzig Perfonen, (incluhre
der Sanger und Sangerinnen) ftark gewefeiv
feyn. Aus nnfrer fin-M. Capelle befaiiden ficlr
acht Inftrumentaliften mit darunter. Die Ver-'
anftaltung dazu hat der Hr. Amtmann Weyhe
zu Burgg6rner||,obwohl mit unfaglicher Miihe,
ubemommen. **■
Herzliche Freude mufs es jedeiiv wahren
Kunftverehrer feyn, wenn er fieht, wie der
Gerchmack an folchen achten mufikalifchen
Kunftwerken fich audi bis' zu kleinerr^tadten
hin verbreitet; und wie fich hie uhd da wa-
ckere Manner, warme Mu/ikliebhaber finden,
die keine Schwierigkeiten fcheuen , fich der
Anordnung des Ganzen zu unterziehen.
• • • it*
Aus einem Brief e aus Braunfchtveig vom
lOten April.
In voriger Charwoche wurde in unfetin
hiefigen Liebhaber- Concerte, unter Anfiih-
rung des Herzogl. Canunervioliniften Herrn
Ilartujig, das |Uratdrium von Rofetti: der
Jherbende Jefus auf Golgatha, in Beifeyn des
Herzogs Ferdinand und vieler anderer Zuhorer,
zweimal mit allgemeinem Beifall aufgefiihrt.
Die ftark befetzte Ausfuhrung fiel iin Ganzen
recht gut aus.
■0 •
Ca/fcl, am zGJien April. <
Am griinen Donnerftage fuhvte der Herr
Organift Kellner in der lutherifchen Kirche ein
Oratoi-iwn : Ertqftndiwg-en bei dem Todd des
ILrldfersy ziini Beften der Arjnen auf. E9
war brav gearbeitet; befonders machen die
letzte Arie im erften Theil, und zwei gute
*). SiAuc letzte Arbeit! So eben, da icli diefes fclneibe, kcimmt die NacJuicht von f einem fiir die Kunft
zu fruh erfuJuten Tode.
G
5/j.
Fugen dem Komponifien Eine. i~ Abends
Kefs fich Heir Maf[oneau t (ehemals hiefiger
Hnfnmfikus, nun Ipter Violiniil bei dem neuen
frankfurter Theater) auf tier Geige tuicl Viola
d'Anioie mit giofsem Beifall horen. Sein Ton
ift Mark, voll und rund, fein Vortrag witzig
und gefclnuackvoll, fein Staccato und gauze
Bogenfuhrung voitjreflich. Scha.de, dafs fein
grol'ses Feupr zuweilen der Reinigkeit des To-
nes etwas nachtheilig ift. Am Charfreitage
VUi'de in unferm LieWiaberkonzert das l'chone
Oratorium von Paefiello : La pajjione di Gri-
(to, aiifgemhrt. Die beide Fraulein d'Aubigny
fongen darin die Partien der Magdalena und
des Petrus — > vortreflich, wie wir es von ih-
nen gewohnt find. Die ChQre wuvden von
unferm Seminariftenchor recht brav gefungen.
•^~ Geftern, am 25ften April, vdirden die dies-
jahrigen Konzertc mit dem Carmen faeculare
des Philidor befchloffen. — In eben diefem
Konzert liefs fich Hr. CapeUdir,ektor Clementi
aus Breslau auf der Violin horen. Sunt bona
mixta malis. Er fpielt fehr ungleich, und nur
ftellenweife erkennt man den Meifter. Sein
unaufhorliches Tempo rubato hat befonclers
iiu Adagio allgemein mifsfallen, und freilich
ift diefc veraltete Spiekrt dem achten gefuhl-
volleji Vortrag zuwider.
— Ce .n'eil poiut ainfi que parle la nature.
Moliere.
Hr. dementi wurde beffer fpielen, wenn er
weniger gut fpielen woilte. —
Cuff el y den Soften April,
So eben erhalt man die* traurige Nacli-
ticht, dafs unfer verdienftvoller Herr Regie-
rungsrath von Rfcltflruth — geftorben ift. Die
Tonkunft verliert an ihm einen griindlicheu
Kenner und eifrigen Befordercr, feine Freun-
de einen wahren Freund-, und die Gefellfchaft
qin fchatzbares Mitglied. «m
Caffel, deu Qten 3 fay,.
Geftern' gab Herr Mujfini, Tenorfanger
und Violinift, mit feiner Frau hier ein grofses
Vokal- und Inftrtunenta'lkojizert. Er hatte ein
zahlreich.es Auditorium, warunter felbft der
furftl. Hof fich befand. Ohne eben Rewunde-
rung zu erregen, wird er gewifs aller Orten
viel Vergni'igen machen. Seine Stimme hat
nicht viel Werth., er fingt fogar etwas durch
den Kopf, allein, mit fo viel Gefcluuack und
Empfindung, mit cinem Fo fchonen Vortrag,
dafs man jenc Unvollkommenheiten bald ver-
gifst. Die kleine Notturnos, die er fich felbft
nut der fpanifchen Guitrarre akkompaguirt,
haben befomlers den Dauien fehr gefallen. Er
ift dabei ein eben fo graziofer Geiger als San-
ger, fpielt rein, mit Gefuhl und Lauue, und
hat «inen vortreflichen Bogenftrich.
Aucb als Komponift hat er nicht gemeine
Verdienfte ; feine geftochenen Violinduetten find
brav gearbeitet und im achten Styl, das Kon-
zert, das er fpielte und die Arien, die er
fang, (von feiner KompofiHon) haben viel
fchones und neues. Sein Hanptfach ift indef-
fen die Opera bi/Jfa, worin wir ihn leider
nicht geliort haben, Er fang aber mit feiner
Frau einige komifche Dnctten, welelie von
beiden in diefer Gattung viel gutes vermuthen
iiefsen. Madam MuJJini hat ein fchones Or-
gan, und fingt, was fie ftudiert hat, mit viel
Gefchmack, fcheint aber wenig mufikalifch zu
feyn. — Eine gute Elgenfchaft, die man noch
an beiden ruhmen mufs, ift, dafs fie gar kei-
nen Kii^ftleieigenfinn haben, I'ondern uner-
mi'idet find, tlrirch ihre Talente ztuu gelell-
fchaftlichcn Verguugen heizutragen.
Br'ufe mufikalifchen Inhaits.
E r ft e r Brief.
(Der Chrijl am Grabe Jefu. Oratorium
nach der Poefie des Ilerm Steuerfccrc~
■tair Sergei: In Mttfik gefeizt von Chri-
ftian EhregoU Pf'einlig, Cantor und Mu-
Jlkdirector an der Kirche zum hciligen
Krentze in Dresden, Dresden und I.eip-
zigi bei dan f'erj-affer und in der brtii-
kopfifchcii Buch/iu.uHui's. 1786. (q5 Bo-
gen gr. (hi.)
Ich habe denn endlich, .urn thnen zu Wil-
len zu leben, das Oratorium, nach dem Sie
fo begierig find, aii3 dem Buchladen hohlcn
laifen, aber nun ich es aufmerkfam durchge-
gangen bin , darf ic'lis Ihnen doch wohl nicht
fchicken ; C . . . -d felbft rath nur da von ab,
und verfichert, dafs diefc Mufik jetzt am al-
lerwenigften nach Ihrem Gefchmadc feyn kann,
da Sie ganz in des himmlifchen Glucks-Oj)ern
leben und weben. Ich will dafur fuchen, Ih-
nen eine Idee vorl dem Werke zu geben, tind
dann loll es bei Ihnen liehen , ob Sie es nock
haben wollen oder nifht.
55
Dies Oratorium hat in der, wahrfchein- graben, r?ie ihn feit vierzehn Tagen Vefch8fti-
llch fchr guten Auffuhrong zu Dresden gefal- gen und fo ergfitzen, dafs er geftern einen Wan
len; nun dcnkt dei Verfalfer, es k6nne auch gemacht hat, aus dem Enfemble der Ankun-
•wohl aufserhalb Dresden und ohne vollftandige digung, der Dedication, der Einleittmg, der
AulFuhrun^ Beifall verdienen , und da rum lafst Nacherinnerung, der Erinnernng fur den Buch-
<*r es drucken. So mochte ich gern erklSren, binder, der Anzeige, der Notenpapiervorrede,
was er im Vorberichte fagt: „er habe mehr der VerbeJFerungen , Aenderungen und Un-
mans Gefiihl von Gehorfam und Dankbarkeit fchliifsigkeitcn, der Annierkungen und Cita-
„gcgen die AufFodenuigen verfchiedener durch ten, der Kimbergerfchen Temperatur, des
„Stantl und Kenntniffe gleich verehrungswur- Werbofficiers , des verlornen Schlafes, der Se-
„diger Perfonen, als aus einer Anwandlung cundemihren etc. etc. eine Epopee, oder nach-
,>von Autorftolz die Bekanntmachung diefes dem es fallt, eine Harlequinade zu machen.
„Werks unternommen. '« ,»W»r, fetzt er noch hinzu, fuchen in der VIu-
„fik unfer Vergni'igen , unfre Erhohlung; wollt
Sie fehen wohl, dafs ich, bios weil es im ^,ihr uns das wehren, und aus der unfchuldi-
Text nicht gefchehen ift, einige Worte nicht „gen und niitzlichen Liebhaberei eine Arbeit
uuterftreiche, und dafs ich dem Verfafler mehr „machen, zu der wir weder Zsit noch Luft
Kenntnifs feiner Krafte und Fahigkeiten zu- „haben, fo feid ihr unbedingten Halfer der
traue, als er hier aufsert. Aber es wird. Sie „Clavierauszuge nicht viel beffer, als der Herr
fchlecht erbauen, dafs ich micli darauf einzu- „Efchftruth, der, urn uns ein Lied recht vor-
laifen anfange, was die Bekanntmachung des „tragen zu lehren, unerfullbare Regeln vor-
Oratoriums veranlafst xind befordert haben k6n- „fchreibt, die im ToUhaufe ausgebriitet zu
ne; ich breche alfo davon ab, und fage Ih- „feyn fcheinen." C . . . d hat Beeht, aber
nen, was auf dem Titelblatte nicht fteht, was ich habe darum nicht Unrecht; Sie merken
/ich aber, wenn man das Bediirfnifs urtferer wohl, dafs wir im Grunde gleicher Meinnng
Zeiten kennt, fchon von felbft errath, dafs der find, er und ich, jeder von uns richtet feine
Componift feine Arbeit nicht in Parti tur, fon- Wiinfche nach feinen Bediirfniflen ein; er
dem im Clavierauszuge herausgegeben hat» kauft eine Partitur und fchenkt fie dem, der
Der Werth derfelben lafst fich alio z.ur Halite ihm einen Auszug furs Clavier darims verfer-
nnr be/Ummen, Ha der Verfalfer den grofsten tigt, und ich erhandle gern fur diefen Prers
Theil Hires Wefem, i!es befchr.inkten Clavie- jecle Partitur eines guten Werks. Sie wundern
res wegen all das zerftoret hat, wodurch eine iich aber ohne Zweifel, dafs C . . . d anitzt
vollftinmiige Mufik Farbe und Leben bekonunt, nicht blofs beftimmt, fondern auch ganz bil-
wovon in der Execution das Schickfal der Er- lig in feiner Behauptung ift. Ich weifa in der
findungen und Gedanken abhangt, und worin That nicht, was ihn herabgeftimmt hat, es ift
der Componift ein weites Feld vor fich hat, heute das erftemal, dafs ich ihn fo reden hore,
Genie und Urtheil zu zeigen. Schade, dafs fonft wi/Ten Sie wohl, wie er uns alien die
alles dies fo verloren geht! — « ScJtade! fage Haut iiber die Ohren zu ziehen pflegte, wenn
ich, und fagen Sie; aber C . . . d, der mir wir anf diefe Materie geriethen. Allein, ganz
eben iiber die Schuker fteht, will, ich folic will er mich noch nicht verftehen, und daher
fchreiben : ,,mag's verloren gehen ! Fiir mich bleiben wir imnier noch etwas auseinander.
„und hundert meines gleichen„ alles Liebha- . Ich bin weit entfernt, den Clavierausziigen
„ber der Mufik, wie die Kunft felbft he nur von Opern und Oratorien, als Gattung betrach-
„wi*mfchen kann , ob wir gleich nie eine Par- tet , eine Schadlichkeit anzudichten , fte haben
„titur angefchen haben, fiir uns find Cla- viehnehr, iiberhaupt genommen, viel Gutes,
„vierau8ziige mehr als Jiinreichend ; wer dem vervielfaltigen den Genufs einer Compofition,
„Verfafler die Ehre antliun will, ihn in fei- und find eins der beften Mittel, den Gefchmack
„ner ganzen Herrlichkeit zu bewundem und an Mufik nicht allein zu verbreiten, fondern
„von ihin zu lernen, der werde fich mit ihm auch zu bilden. Jedoch aber, was gefchieht
„darum eins ; aber keiner verlahge von uns, anf der andern Seite ?. Die Partituren und mit
„dafs wir, weir wir etwus von der Mufik ver- ihnen das' Studium derfeiben, welches fiir ei-
„ftehen, gewilfermaafsen alles verftehen fol- nen Tonkiinftler, dei- fur viclftinnuige Auffiih-
„len. " - Was kann man darauf antworten? rungen fchreibt, nnendlich wichtig ift,. wer-
Niphts werdet ihr darauf antworten kdnnen, den durch die Clavioranszuge beinahe ganz-
ruft C . . . d iuir narh , jetzt fchon wieder verdrangt. Man vejgifst, dafs das eine der
in feinen Miller -Efcliliruthfchen Liedern ver- Korper ift, und das anderc nnr ein Skelctt;
56
jenes ein colorirtca Gemahle, diefes ein Ku«
pferftich , bisweilen gar nur ein Schattenrifs.
Die blofsen Liebhaber find mit deni letztern
zufrieden zu fiellen, und wcil ihre Zahl bei
welteni die grufsero ill, fo wird auf die jun-
gcn Kiinfllcr, denen es vveniger um Vcrgntl-
gen, als mn Belehrung zu thun ifl, keine
lUickficht genommen: der Verfafler lafst fein
Werk im Auszuge drucken, Die Parcitur da-
bei kann er nicht geben , denn fiir die weni-
gen, wclche fie gern kauften, wiirde fie we-
gen des fchlechterdings zu erhdhendcn Preifes
zu theuer werden. Ueberhaupt units man aus
Erfahrung wiflen, dafs die Kiinftler felbft, nnd
zum Theil, weil fie keine Mittel befitzen, fel-
ten iich Mufikalien anfchafFen. Dafiir find die
Liebhaber unci Befdrderer der Mufik da, die
lniiilen kanfen, und von ihnen leihet der,
welcher ein Werk nur anfieht, um daraus zu
lernen. Wenn nun aber den Liebhabern urid
Beftirderern nichts aJs Clavierausziige in die
Hande gefpielt werden, aus denen der lehrbe-
gierige Kviniller nicht das lernen lcann, warum
es ihm to fehr zu thun ill; wenn man der
tramigen Betrachtung nadihangt, dafs -alio voll-
iljnuuige Inilrumentalnmfiken in ausgefetzten
Stimnien gcdruckt werden, und dafs nur die
Sinafliicke es find, fiir welche die Fonu der
Partilur vor jeder andem den Vorzug hat;
wenn man als Componift die Krankung fiihJt,
to viel Fleifs, Kenntnifs, Urtheilskraft fiir
nichts melir verwandt zu haben, als fiir eini-
ge offcntliche Auffiihrungen des Werks an deni
Orte feiner Werdung; wenn man allenthalben
nur fiir das Vergniigen des finnlichen Genuf-
fes, nirgends des geilligen geforgt fieht; wenn
man diele und mehrere der Art Betrachtungen
anlleilt, fo braucht es keiner weiten Vertie*
fung in diefelben, win einen Abfcheu gegen
die Ausziige zu bekommen , und iiber den
Schaden, den fie auf folche Weife fliften, das
viele Gute zu vergellen, was daneben durch
fie hervorgebracht wird. Mich wundert, dafs
Forkel, ein Mann, der iiber dergleichen Sa-
chen zu reden' verileht, und der auf alles auf.
inerkfam zu feyn fcheint, was nach feiner Vor-
fleliungsart die Tonkunil verdirbt und Jierun-
terbringt, nirgends ein Wort iiber den Einlluls
der Ciavierausziigc auf die Mufik hat fallen
la/Ten. Wo ich mich nicht taufche, fo ill er.
juit. nur des Glaubens, dafs fie der Vcrvoll-
Jkommnung manches guten Coniponiften hin-
derlich find, und dais bei Vermehrung der
Mufikliebhaberei durch die Clavierausziige <lie
JCunfl an Ocioicht verloren, was fie an Zahl
gewonnen hat.
Ich darf meinen Brief hier wohl kaum
fchliefsen ; aber wenn ich verfichere, dafs ich
morgen fortfahren werde, Sic uiit dem Herrn
Weinlig niiher bekannt zu machen, fo InU'cn
Sie mich fiir heute wohl frey, denn u. f. w.
6. Nachrichten yon merkwurdigen Toiikiinftlern.
Jofeph Reicha, Konzertdirector am Chur-
kullnifchen Hofe, der fich durch feine ichonen
Violoncelhoncerte beriihmt gemacht hat, diefs
Inftrumcnt felbft fo vovtreilich fpielte, iiber-
haupt ein herrlicher praktifcher Mufiker und
felir guter Orchefteranfiihrer war, ill nun fchon
iiuca- ein Jahr fur die ivunft fail ganz unbrauch-
bar. Nuf mit Hulfe der Kriicken kann er in
feinem Zimmer miilifani auf - und abgehen.
Wie fehr ill er zu bedauern, Er, ein Mann,
erft im 35ilen Jahre feines Lebens ! doch hat er
eiue bewundernswurdige Gelafl'enheit bei feincn
gichtifchen Schmerzen.
Andreas Romberg, Hof- und Kammermu-
fiker zu Bonn, ein iiberaus braver Geiger, der
gute hnrmonil'che Kenntniife befitzt, bat fol-
gende Opern koinponirt:
a) Der Babe, nach Gozzi-, vom D. Sclnvick.
b) Das gratie' Ungeheucr , eb entails nach Goz-
zi, v. D. Schw.
r.) Die Macht der Mufik, von Pfeifer.
Bcrnhard Romberg, ein ferfiger und un-
terhal tender Violoncellilr, audi Hof- unci Kaui-
mermufiker zu Bonn, hat koinponirt:
a) Die gefundene Sta-tiie, naclx Gozzi, voin
D. Schwick.
b) Den Scluffbruch, von Pfeifer.
Diefe Kompofitionen verdienen der Auf-
inerkfamkeit <ics mufikalifchen Publikiuns und
der Schzubiihnen empfohlen zu werden. Sie
erfordern aber ein ftark und gut befctztes Or-
cliefter.
Bcide Tonki'inftler haben audi fchOne Ax-
►a fit
nogli
beiten fiir ihre Inflrmuenle goiict'ert. Da fie
nocli jung, fleifsig.und befcheiden 'find, lafst
flch noch viel Grofses von ihnen erwarteir.
Ferdinand Dantoin, Churkollnifcher Haupt-
mann, hatneuerlichkomponirts Otto der Schi'itz,
ein ernfthaftes Singtpiel •—• und ein kleines Ope-
rettchens Der Furfi und fein Volk,« (welchem
das allzu lokale abgenommen worden ift). Sein
Satz ift angeuiellen, angenehm und rein. Leu-
5 7
teres ill fonft felten bei Dilettanten zu finden.
Unter feinen VorUeTgehenden Arbeiten, die zum
Theil in deai Theatcrkalender angezeigt find,
verdient feine Kompofition dee Cramerifchen
Prologs • zum Klavigo ausgehoben zu vverden.
Sie hat grofse, treiJiche . und herzangreifende
Stellen ; ift in Benda's Manier, aber.hat kei-
nen einzigen Gedanken, der ihm abgeborgt
ware. JV.
7. A 11 ekd ote.
Kaifer Jofeph amufirte fich einftmals, rfcbft
feinein Bruder, dem Erzherzog Maximilian
Franz mit Glucks Iphigenia in Tauris. Beide
fangen bei der Begleitimg eines Clavecins und
ein paar Violinen. Gluck felbft kam darzu.
Er fchi'tttelte mit dem Kopf nnd zupfte angft-
lich an Teiner Periicke. Der Kaifer bemerkte
diefa und fragte ilm : Wie ? Sind Sie nicht mit
uns zufrieden f — * Gluck (der kein ftarker Fufs-
gffnger war) antwortete mit feiner gewohnli-
chen Froimi'ithigkeit: Ich wollte lieber zwei
Meilen Pod; luufen, als meme Oper fo — —
• ausfiihren horen. Der Kaifer lachelte,
und fagte: feyn Sie nur ruhig, Sie follen Hire
Oper nicht langer mifshandeln horen. Setzen
Sie fich ans Klavier und geben Sie uns etwa*
Beflers, als wir ihnen geben konnen.
N.
8. Die Kunrt.
Aus der Schaar der Gotterfreuden
Stahl die jiingfte Frcude fich :
Und der Fleifi , ein Solni der Leiden,
Nahte zu ihr jugendlich.
Unfchuld war in ihren Mienen,
Treue war in feinein Blick:
Und (Uo Liebe jtwifchen ihnen
Sliftete der Beiilen Gluck.
Icji ermatte, fprach die Schone,
Gib mir deine fichre fland.
Nimm fie, fprach er,. Eintracht krone
Unfer Beider treues Band.
Alio wohnten fie im Schatten,
Unter aller Gotter Gunft;
Und das Kind , das Beide hatten ,
War ein fchones Kind, die Kimjl.
Harder.
-S-
H
58
Tanzfluclt aus cler Operette: die Fifcher, von F. L. Ae. Kunzen.
Minuetto.
Oboe Solo. /"**"
■ II 1 * 1 II it 9 ^ II " ** I ^^^^^^ 5 i 1 ^M^^^^
_:£* — i v. : -4* <-— -H — ~*
:*=££
i i i ffl-
a
3— ••=—--— ; '
i
igzi-fS-l
CK
— 4-^ ■ - l
^
-***
^i»t-i>
-»-
-ts-
4—
EE^z3Efc=ii!3E^i5iEz
- J— *— I. ■■■— fc — J . L ««
M>
&L
R
:3R
>x-
« m — • »-- — -—
-**-
-I—
:5s£=£
:.:
, 1
+ Z H -I'^-^-gl-r
1 »
f -I F
2 I
-•* •£-•-
_•._•-«—
<^PI
«
»—
1
_4*.
._ B_fz?l«_.
B— «pN; li 1 tn 11 I n '
-I H-
-I f—
1_.
-•-
-I —
-t—
-0-
-1 —
-t—
Gy
affljHl"
£
to
I*
?EEE
-V*-~£-
— «-
AaAjaa-M-
f.^ — .*_ qp.
tf-
i£
*
^tt
£f*
&m
$
s
fe
te
-•— *
fe=
^
u>
^Sffli
"^TSt
3
y~i J I --
-1 t-
==£
¥
£
(>«
Lied.
Carl Spacer.
Saiift and hcrzig; und nichb gefchwind.
l_ IS
ESS3zJ3
SSDfc^pc:
r
Euchj llu* hol-di-gen, muHchen, gol-di-gen ro - fi - gen "Magdlein fingt xneiu
f7"3. 4 i ■•'- * +
&
£
v—
-4: — ,VJ 1--
-
F*
% — 1=^ pC-*-*
Lied.
Wie am Ba - che Blumcheii blfl - lien, ~wie am Re • ten - trau - bun
#-»•- fe»-
y__j-^--^-^ •-[-—
"P— /"-,•■
-•- -•-
I —
:*stzzi
^%i=:
— /— t— ' — /— }-
r^/2.
fe/2.
/<*
oR
teE^
-1 — 1 —
-H-
H . H — f 1_
-•-:— hr- • — • — m • — f —
-P— *>-
^ —
1*
gl Alien: So orunt ilir Jjiebliclien audi' und bluJit.
»
1 —
Z5ttrizf:=iP=:Piqi— 5=l=jE=f!_ l: — ==±zrn=:—
rffcJiZC — £ — ^-p—g_.. — p / m— — t— -iV
+)*»-
Kranzt die dufugeu,
Itingulndcn lnftigen
JLocken niit Mirten und Botmarin.
Wechfelt Schcrzc, wechfelt Kilflc!
Und der Engel Unfclnild nUiflu
Kiniiiier uus eureni Herzcn ilielinl
Wahrt die zuchtigen,
Flattcriiden t llnclitiacii"
Knosncmlen Seeltn vu- Kn'iimn 1 und Tiick'.
Lamnichcn - zalmi tmd Xituhcliyii - niilJii
liuin , wie Liljcn ini fJc-filde
Sei eur Ilerz und Sinn nnd Bli.ck.
So , ilir holdigen ,
Traulichen, goldigcn,
Ruligen M'.igdlein , wevdet ihr blillin,
Ooll und Engclu Luffc und I'reudu,
Erd und Iliimncl Aiigenweide
K iuunerwelkcnd , immergr (in !
Ktifegarben.
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
D Vx I T T E S S T U C K.
September 1792.
>
B.ERL1N,
in dor neuen Be,f linifche'n - MiifiUhantUung,
»
n
I n h a 1 t
Seite
j Etwas uber nrnfikalifche Poefie. 6»
2. Fortfetzung der Berichtigungen und Zu-
fatze zum Gerberfchen Lexicon der Ton-
ki'inftler etc. von J. F. Reichardt. 65
3. Freimiithige Gedanken uber das erfte
Heft des imifikalifchen Wochenblatts. An
die Herrn Herausgeber. 77
4» Recenfionen.
a) iiber Forkels allgemeiner Gefchichte
der Mufik. itenBancl. Erfte Fortfetzung. 78
b) Ueber Melodieen zu Liedern mit oder
oline Begieitnng des Klaviers zu fin gen.
Er/les Heft. Koppenhagen unci Leipzig,
bei C. G. Proft, 1791. 82
5. Officieller Bericht, den der Konigl. Ka-
pelLmeifterHerr Reichardt bei feiner Riick-
Seit$
kunft aus Italien im Junius 1790 Sr. Maj.
dem Konige perfonlich und fchriftlich
liber die itzt in Itaiien biillirenden Teno-
riften und Contrealtiften abgeftattet hat.
. Nachrichten aus Briefen ; aus
a) Konigsberg in Preufsen.
b) aus Koppenbagen.
c) aus Frankfurth am Main.
. Kurze Nachricbten.
Mufikjlilcki
Die Vollendung, von Schulz.
Mein Madchen, von Griinland.
An den Mond , von Reichardt.
82
83
84
85
85
86
87
88
Mufik zu Goethe's "Werken,
von Johann Friedrich Reichardt.
tJnter diefem Titel kundigen wir dem mu-
iikalifchen Publikum die gliicklichften und vof-
lendetften Arbeiten des Hrn. Capellmeifter Rei-
chardt an , zu deren Empfehlung wir hier nur
fagen mogen, dafs Poefie und Mufik vielleicht
nie inniger vereint einhergingen , als in den
Arbeiten diefer beiden fur einander gefchaffe-
nen Manner. Der erfte Theil wird die Com-
pofitionen zn alien fangbaren Oden und Lie*
dem des achten Bandes der neuen Ausgabe
von Goethe's Schriften enthalten. Man pranu-
merirt oder fubfcribirt darauf nach Gefallen
Einen Thaler (den Friedricbscl'or zu 5 Rtiilr.
gerechnet). Sobald iich eine hinlangliche An-
zahl Liebhaber gemeldet hat, wird der Drnck
begonnen und die Zeit der Erfcheinung de»
erften Bandes beftiiiunt, zugleich auch der zwei-
te Band , der das Singefpiel JEnvin und Hlmire
enthalten wird, angekiindigt werden. Aulser
der unterzeichneten Handlung nelunen all'e
wichtige deutfche Mufikhandlungen , und Buch-
handlungen die fich niit Mufikalien abgeben,
Su. fcription und Prammieration an. Jedem
andern, der fich damit bemiihen will, geben
wir das 6te Exempl. frei,
Berlin, den loten Mai, 1792.
Z)ie neue Berlimfche Mujikhandlung.
Ant die erfte Auswahl der vom Hrn. Or-
ganift Rebenftein angcki'indigten Melodieen ei-
mer unfrer jetzigen vorziiglichften Mufikli^bha-
ber zu Stunra Liedern fur Gartenfreunde und
Liebhaber der Nattir, wird auch bei xms bi$
Mitte Oktober ia Gr. Pranumeration ange-
noxnmen.
Neue Berlinifche Mufikhandlung.
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
DR.ITTES STUCK.
t e m b e r i
7 9*-
1. Etwas iiber mufikalifclie Poelie.
JLun den MerkwiVrdigkeiten des grofsen Bun-
tlesfeftes in Paris, des eiTun und einzigen, das
in irgend eineiu Zci taller von irgend einem.
Volke gefeiert worclen, gehorte auch die Auf-
fiihrung einea miifikalifchen Drama's, deifen
Text ich ganz von ungcfahr in den Lettres
e-c rites de France pendant V amice 1790. Par
Mifs Williams y Lraduit dc V /Jiiglois. A Paris
1791. — einer ubrigens fehr unbedeutenden
BrofLhure — abgethuckt faacl.
Fur die Kunfi ift diefer Text fchr wichtig.
Er zeigt namlich, wie niich diinkt, cin nenes,
grofses, erhnbenes Feld, in wekhem der Koni-
ponift weit wahnr, lichrer und machtiger die
ftarkften und edeK'ten Emplindungcn in uns
ervvecken und befruiifligen kann, als auf den
meiften Wegeu , die or bisher, verfiihrt durch
den Dichter, eingefchlagen hat.
An den Dichtern liegt wohl grdfstentheils
die Schuld, wanim die Mufik, verhaltnifsmafsig
-vvenigeKonipo/itionen ausgenommen, nocli iin-
mer niclit fo /impel und grofs und wefener-
greifend ift, als fie, ihrer ganzen Natur und
Beflimmung nach feyn follte und feyn kcinnte.
Der Dichter will lich nur innner und uberall
als Dichter zeigen, er will daher feiner Fanta-
iie, feiner Empfmdung, feiner ganzen poeti-
fchen Darftellungskunft vollen Lauf lalFen , und
verdirbt dariiber dein Komporiiften de/to mehr
das Spiel. Diefer niufs nun hauptfachlich fu-
chen, nicht hinter dem Texte zuriickzubleiben.
Er ha'ngt fich ihin alfo init inehrerm oder
minderm Glucke, aber ininier etwas miihfam
und angftlich an, und entbehrt dariiber Frei-
heit, diefen fchonften und nothwendig/len Ge-
nuia jedc-s Kiinftlera, wie jedes Menfchen.
Aechte Poefie und achte Mufik find ein-
ander fo nahe verwandt: wie kommt es doch,
dafs der Koniponi/t noting hat, lich erft durch
den Dichter von Strecke zu Strecke Deutpfahle
hinfetzen zu laflen, 11m defto fichrer und folg-
barer zu gehn? Oiler viehuehr, weil doch ein-
liial die Mufik, ohne Sprache, fich unferm Ver-
ftande nur fchwach liiittheilen kann, warum
fetzt er fich diefe Deutpfahle nicht lieber felbft?
Zu alleni, wie es fcheint, gehort wohl
eine gewifie Routine: auch zu Entwiirfen des
Dichters, auch zu feinen Texten fiir die Mu-
fik : L'nd wie fich tiberhaupt das dichterifche
Genie gern in den vorhandenen Vorrath der
Nat.ur und der Gefchichte hineinarbeitet, fo ar.
beitet fich gerne das nmiikalifche Genie in den
vorlnuulenen Vorrath des Dichters.
Es mufs fich hineinarbeiten konnen, abfir
auch ink unendlich reiclierer Beute wieder
heraus; es mufa brnuchbare Materialien darin
linden, aber keiue tiberfliiflige und unzweck*
mafsige, die es nur engen und bekften wiir-
den; es mufs innerhalb der Grenzen der Mu-
fik eine gewifie Bahn vorge/.eichnet fehn, aber
doch fon/t liberal 1 ungefeifelie Hande behalten,
mn zu zeigen, was unter fsiner Behandlung,
die Kunft vermag.
Der Dichter mufs alfo viel thun, unci
nicht zu vie!. Er mufs irgend einen Gegen-
fiand, den er fiir die Mufik brauchbar finder,
mit der ganzen Fiille feiner Einbildungskraft
und Empfindung fo fehr umfalfen; er mufs
zugleich die Grenzen der Mufik fo genau ken.
nen ; er mufs ficli wahrend ihrer ganzen Be-
arbeitung, ihre ganze Oeconomie unci Gewall
fo imablaffig gegenwartig denken; er mufs fich
Ichon dii rcii die vermathete Kompofition To
begei fieri fi'ihlen : d.-ifs er aus jenem Geaenftande
dem Konvponifton uberall zweckmafsige und
zu Eineiu Gnnzen geordnete Veranlaffungen
darbiete zur fchonen unci richtigen Ausftro-
numg der ma'chtigften und lnenfchlichuVn
K.un/1, Kr darf ihm nicht weiter vorauslaufen,
als dafs er ihm befcheiden und freundlich den
Weg zeige, und hier und da i'tehen bleibe, und
ihn frage: diinlit dich dies Gefikle nicht reith
und fchon?
Aber fo was erfordert von Seiten des Dich-
ters viel Selbfiverlaugnung, viel UneigenniUzig-
keit, Em fo holier Grad von Einbildungskraft
unci Herz gehort dazu, um lolche Texte zu
vcrfertigen, und der namlir.he Dichter mufs
doch zugleich ihren vollen Ergufs in fich felbft
zuriickzwangen. Er konnte, wenn er fich ihm
nberliefle, Rnlim nnd wohJ %ar Unfterblich-
keit erndten, und er fucht nur, fie dem Kora-
poniftcn zu verfchaiFen. Doch, wenn er die
Kunft, wenn er die Menfchheit wahrhaft Hebt,
fo bleibt ihm ein andrer, und ein huherer Ge-
nufs: er denkt fich i\'w JVirkung.
Ich, zum Beifpiel, wollte nur die Spruch-
itellen zu clem unterftehcnden mufikalifchen
Drama lieber zu cinem lolchen vortreflichen
Ganzen geovdnet, als ein noch fo ft hones Ge-
dicht verfertigt haben. Denn welthe Kompo-
fition mufste er dadurch veranlaffen! und durch
fie, welche Wirkung auf eine fo ungeheure
MenfchemualTe ! Und bei welcher Gelegen-
heit! —
Duvch Poefie allein iff dies nnr Dichtem
<lov es fieri Giofsor moglich; andre von gerin-
germ Range mil Hen inuner weniger Einflufs
auf die Menfchheit haben, da ubevhaupt der
Gefchmack an Poefie fichtbar abnhnmt. Und
wer billig denkt, follte dari'tber nicht febr mis»
vergni'igt feyn. Es giebt unerullicli grofse Ge-
genftande, welche unfern Geift und imi'er Herz
vorziiglich zu , befchaftigen wi'trdig find , Ge-
genftande, welche unfer ganzes Wefen auf die
einzig dauerhafte Weife erheben, indem fie
das Gebiet der Menfchenvemunft erhellerr und
erweitcrn. Und Gottlob! in dieter gliicklichen
Epoche leben wir. Aber freilich, wer den
Menfchen ganz kennt, der wb.d zugleich wif-
fen, wie gar viel praktifcber diefe Menfchen -
vemunft feyrj wiirde, wenn man das, was fo
wirkfam ift, auf unfve hohere Sinnlichkeit —
auch mU diefem Beiworte di'mkt inich diefe
Benennung noch zu fimilkh, — ganz benutzte,
um den gnnzen Menfchen in uns aufzufaflen,
und ihn zu etvvas zjz machen, wovon wir, un-
geachtet wir A\c Alten zu kennen glauben,
noch immer einen fehr entfernten BegrifF haben.
Aber eben der Dichter, der als blofser
Dichter keinen grofsen Einflufs auf feine Na-
tion hat, wiirde doch, bei genauerm Studium
der BedurfmfFo, der Grenzen, und zugleich
der Allgewalt der Wufik, die vortreflichfte Ge-
Iegenheit haben, zu einerErhebung der Menfch-
heit iiberaus viel beizutragen, wenn er zweck-
miifsige Texte zu grofsen Kompofitionen lie-
fern wollte. Doch, er konnte fthon uniiber-
denklich viel Gutes wiirken, wenn er auch
nur ganz fimple, herz- und iinnvolle Lieder
dichten wollte, die, ganz brauchbar fur den
Komponiften, alien Volksklafl'en in alien Si-
tuationen aus dem Herzen gegriffen waren.
Diefe wiirden iiberall die wahreile Lebensweis-
heit und den wahreften Lebensgennfs verbrei-
ten, indem fie, durch ihre fimplen, auf die
Tiefe der menfchlichen Empfindung berecfme-
ten fchonen Mclodien, jedes Menfchen liebfte
Gefellfcbaft waren in feinem Gefchafte, in fei»
ner Freude, in feinem Schmerze, in feiner
Andacht, in jedem Zuftande, wo es ihm leicht
und wohl wild, fein Gefiihl der Menfchen oder
nur fich felbft, der Natur und Gott laut vverden
zu lallen. Nur alsdann darf man hofFen r die
menfchiidie Kehle, (tlies elite und unerreich-
barfte Inftrnment, eben weil es Gott gemacht
hat) allgemeiner kulth'irt zu linden, wenn
Texte und Melodien wirklich fo fehr aus dem
Herzen dor Menfchen genommen, und wieder
darauf zuruckgcfulut werden; nur alsdann
wird man erfahren, wie gar viel mehr gute
Stimnren es unter uns giebt, als man gewohnlich
glaubt, und wie gar viel niitzlicher nnd leich-
ter es feyn wird, einen angenehmen Unter-
richt im natiirlichen und fchonen Vortrage fol-
cher ganz einfachen Gefange zu bekommen,
als fchvvere Arien dafi'ir mi'ihfelig zu ftudiren,
deren Texte man nicht verfteht, oder tmbe-
deutend und wohl gar aft widerllnnig findet,
nnd deren angftlrches Abfingen nichts zur
Nahning nnd nichts zum Lohnc hat, als die
erbarmliche Eitetkeit, fich daffur von Kennern
nnd Nichtkennern, aus Ueberzeugitng oder aus
artiger Grimalfe beklatfcht nnd bebravo't zu
horen. Statt dafs alfo jeder redliche tind
fthliohte Vatcr fich noch jetzo ein Gewiflen
darans machen mufs, feine Tochter fo aufs
Theater fiellen, untl ihren Kopf fchwindlicht
und ilir Herz ftiuwpf machen zu lalTen —
65
wiirde jener fimprere, wahrere Gefang auf Hire
ganze Denk- unci Empfmdimgsweife den fchon-
Ften unci wohkhiitigften unci daurendften Ein-
fluTs haben j lie felbli wiirde ihrem Mamie kein
fiifseres Heiralhsgut milbringen, als, dutch ih-
ren Gefang, Freude zu jcdem feiner Gefchafte,
unci Wiederklang jcdes fchimen Gefiihls von
ihr und ihm; fio wiirde audi I'chon dadurch
ihren Knulcrn eine wahrere Biidung geben,
als durch den grofseften Theil unfrer moralifi-
renden Kinderfchriften, die noch i miner fo
uubegreiflich wenig auf die Natur und die
Bedurfniffe dex Kindlieit berechnet find.
Und wenn mich meine freudige Hofnung
nicht ganz tri'tget, fo find wir nicht feme niehr
von dem gliicklichen Zekpunkte, wo geTunder
Menfcheniinn und gefundes Menfchengefidil
in feine vollen Rechte tritt. Alle Wilfenfchaf-
ten und alle Kiinfte werden melir auf die Na-
tur und Bediirfniire, nicht einzelner Gelelnten
und fchuflgerechter Kenner, fondern der gan-
zen PtTenfckhek berechnet und ang&wandu
AHgemeine Gliickfeligkeit ift das erhabne Ziel,
wonach alles ftreben mufs, und wohl uns, wir
fehen's fchon uin vieles niiher. Bald fchon
werden fich alle die mannigfakigen Befchafti-
gungsarten der Menfchen freiuullich bey der
Hand falTen, unci ihrer Beftimmung und ihrer
Wiirde eingedenk, an der Begliickung und Be-
feliguug der Menfchheit gemeinfchafclich ar-
beken. Auch Pocfie und Mufik werden bald
nicht niehr fo getreant von einander feyn,
wie bisher; auch lie werden eintrachtiger und
dadurch delto kriiftiger, kiaftigcr wie vide fo-
genannte folidc Anftalten, der Menfchheit die
Ichcinfce Ansbihhing verfchaffen helfen. Sie
find urfpriinglich Zwillingfdiweftern, und herr-
fchen am fufseften, und darum am machtig-
ften fiber unfer Herz, iiber diefe vielfeiligfte
und gewakigfte Kraft der Seele, wie der
grofsefte Dichter aller Zeiten und aller Natio-
nen, wie Klopftock fagt. Denjenigen Man-
nern, und vorziiglich Reichardten, find wir
fehr viel fchuldig, die gerade tief genug in
der Kenntnifs des Menfchen und der Kunft
gel'chopft haben, am zu wiiren und kraftig zu
lehren, was diefe leiften konne und leiften
jni'iffe, um jenem den fchonften imd wohttha-
rigften Gcnufs zu verfchaffen.
Mich diinkt, ich konnte nun einen ge-
fcliickten Uebergang zu dem Texte machen,
welcher die Veranlaifung zu diefer etwas un-
verha'ltnifsmafsigen Vorrede ifi:, und dennoch
vrill ich es nur geflehn ; ich habe mich ziejn-
lich weit von meinem Ziele verloren. Aber
wenn man hier Verbrekung eiiies grotsern
un:l dchtigern Kunftfinnes fur das dgentKchfte
Ziel gelten laffen will, fo wird man inir e*
wohl vergeben, wenn ich nicht die nachfte
Heerftrafse zu iJun eingefchlagen habe, fondern
mich kleinen Seitenwegen iiberliefs, und wah-
rend diefem angenehmen Spaziergange noch
msnches lernte, was ich grofsem Einfichten
gem zur PriiFung ubeilalfe.
Der Text, den ich anch in Deutfchland
recht bekannt machen mochte, befteht, wie
man fehen wird, grofstentheils aus Spruchftel-
kn, die aber freiiich manchmal fehr gewalt-
fam dazu angepafst worden, und welche, mit
leichter Muhe mit noch weit zweckmafsigern
hatten vertaufclit werden konnen. Man wird
dies iiberaus zweckmiifsig finden. Denn wenn
Religiofi tat die fchonfte liliite unfrer Vernunft
und unfrer Empfinchmg ilt, wenn uns die Bi-
bel, feit unfrer friihen Jugend vertraut unci
theuer war, wenn wir gewohnt find, in jeder
Stelle etwae Gottlicheres, Pofitiveres, und da-
her Unorreichbarkraftiges zu finden: fo war es
ein vortrellicher unci fehr nachahinungswiirdi-
ger Gedanke, daraus^ und fall nur daraus ein
Ganzes zu bilden, und auf das grofsefte Ereig-
nifs aller Jahrlmnderte anzuwenden. Die Wir-
kung limfste aulfexordentlich feyn. Alles trug
dazu bei : was die Zuhorer mitbrachten und
was fie fanden.
,,Der Abend vor der grofsen Verbi'indung
in Paris folke diefem henlichen Fefte zitm
Vorfpiele dienen. In der Kirche zu unfrer lie-
ben Frauen dafelb'ft fang man das Tedeum,
und nie, es fey denn in der Londner Weft-
minfterkirche, fah man vielleicht fo viel Ton-
kunftler vereinigt. Die Ouverture vor dem
Tedeum war voll Einfalt und Majeftat, der
iibrige Theil der Mufik voll Ausdruck: alle
Zulaoier wurden da von ergriffen. Gegen da»
Ende brachten weislich aufgefparte Diifonanzen
ein allgemeinee Gefiihl von Trailer hervor,
ilnd indent man dadurch die Eindriicke ehe-
maliger Unruhe und Furcht wieder in ihnen
erweckte, fo wurden alle Herzen zu dem wir-
kungsvollften Recitative vorbereitet. Alle Be-
taubung, Schreckeu unci Angft, welche am i5.
Julius 1789, dem Vorabende der Einnahme der
Baftiile, in Paris fo herrfchend gewefen, war
in einem Rezitative gefchildert. Man kann
fich vo/ftellen, welche Wirkung diefe ChSre
von Stimmen und Inftrumenten hervorgcbracht
haben lnulfen: fie war eniil unci fiirchturlicli,
1 a
64
unci erfcimtterte die innetfte Seele. Etwaa
vermehrte noch um vieles das Schauerliche der-
felben: der Klang einer grofsen Glocke, die
Xiclx mit diefer entfetzlichen Mufik vereinigte.
Sie vergegenwiirtigte wieder das Sturmgelaute,
welches, wahrend den drei erften Tagen der
Revolution, unablaffig von alien Kirchen und
Kloftern fcholl. Der furchterliche Laut diefer
Glocke verurfachte eine unausfprechliche Be-
taubung und Unruhc. Alle Zuhorer atluneten
fchwer, alle Herzen waren von Entfetzen ftarr.
Endlich fchwieg die Glocke; die Mufik ging
zu einem entgege'ngefetzten Ausdrucke iiber.
Ein andres Rezitativ verkiindete die ganzliche
Niederlage der Feinde, und nach einigem Freu-
dengetone von Trommeln und Trompeten,
endigte fich alles in eine Hymne an Gott." —
Die Einnahme der BafHlle,
Ein geiflliches Gedichr, nach Anleitung der hei-
lieen Schrift. Am Ende das Herr Gott dich
ig,
loben wir. Durch Hrn. Desaugiers.
Die Ouvertiire fchildert gleich Anfangs die
offentliche Ruhe. Diefe wird aber unterbro-
chen durch einen Burger, der dem Volke die
Verweifung desjenigen Staatsminifters, der fein
ganzes Vertrauen befafs, anzeigt.
Der Burger.
Popnli lugete ; eb Ihr Volker traget
gandium veftrum con- Leid, und eure Freude
•eerLatur in meerorem. verkehre fich in Jam-
Jac. 4. 9, aner.
Das Volk.
Puare? Warum?
Der Burger.
Protector nofter ab- Unfer Befchiitzer ill
'/'•
feme.
Chor des Volkes.
Heu nobis miferis. Weh uns Armen!
Pf 120, 5.
(Man kttrt Sturm lauten.)
Deus ! Gott !
Die Weiber.
J.LCJ fJt^C J
it fipcr Jilic
Pf. n5 t 14.
Refpice fupcr nos Siehe herab auf un»
tt fnper ftlios noftros. und unfre Kinder !
Pf "
Alle {ufammcn.
Dcus adjuva nos. O Gott, fteh uns
Pf 79, 9. bei.
Der Burger.
Confortamini et bel-
late. 1. Sam. 4> 9» fos
e/iitn ad libertatem vo-
cati ejlis. Gal. 5, i5.
Gladium evaginuvcnmb
inimicijUt dejiciant pau-
perem et inopem. Gla-
dius eontm intret in
corda ipjbrum. Pf. Sj,
14. i5.
Seyd Manner und
ftreitet. Denn ihr feyd
zur Freihcit berufen.
Unfre Feinde haben ge-
zogen das Schwerdt, zu
fallen den Elenden und
Arm en. Aber ihr
Schwerdt dring' in ihv
eigen Herz.
Das HauptcflOr. (Choeur en Coryphoe.)
Der Burger.
Jpprendite arm a. Greift zu den Waf-
Pf 35, 2. — Accingibe fen. Giirtet euch rait
gladium. Pf. 4-5, 4. et dem Schwerdt, und lafst
debellemus potent es. uns ftrei ten mit den Ge-
waltigen.
Das Chor. (anfangs noch dumpf.)
Jpprehendamns ar- Greifen wir zu den
ma, accingamus gin- Waif en ! Giirten wir
diiti/iy el debellemus po- uns init dem Schwerdt!
teutes. Streiteu wir mit den
Gewaltigen!
Der Burger und das Chor.
Embefcant eb con- Unfre Feinde muf-
turbeiilur inimici no- fen zu Schanden wer-
ftri. Pf 6, 11. eb fu- den, und fehr erfchrek-
giant eb pereant, Pf ken ! Sie muffen fliehen
68, 2. 5. vor uns und umkom-
men.
*
Chor der Weiber, wahrend dem vorher*
gehenden Chor.
O Deus ! adjuva O Gott, fteh una
nos. Pf 79, 9. bei!
Der Burger und das Chor.
Deus adjuvabit Gott wird uns bei-
tiQS ! . ftehn.
>v
Der Burger.
Domimis reprobut Der Hen* macht zu-
concilia principum. Pf nichte der Fiirften Rath.
35, 10. currmmus et em- Lafst uns eilen, dafs
{Ptais arcem invifam. wir zerftoren der Fein-
Deus pugnabit pro no- de Burg. Gott wird
bis, Jefaiusda, 12. Fa- ilreiten fiir uns! Auf!
damns.
(Krie<2;erirclier Marfch. Das Volk kommt bis zuir
Feftiuis£ Kanancii werdcn auf daflelbe gefchoflcn.
Man gtcbtdasZcich.cn zumAngriffe. Kanonenfchiifle
werdcn wicdcrhohh. Waiivend der Behgciung
fchreit dai Yolk:)
Ch o r.
Corrtiat aedcs fer- Es fHirze zufammen
vitutis. Fortae ejus der Knechtfchaft Re-
CQrruank. Jer. \i\, 2. haufung ! Es ftiirzen zu-
fammen ihre Thore !
(Ein allgernftiner Ausbrnch des ganzen Oicheflevi
fchildcit den Sturz der Zugbrttcke. Da* Volk ruft
a us i)
C h r.
Triumphaniw ■' Wir haben gefiegt!
(Man h<}rt die Kriegstrompete, unci da» Geione
der Vervvuudeten umPSterbenden.)
Allgemeines Chor.
Vivat lex et liber. Es lebe (las Gefetz
tas. Vivab rex. 1. Rc$, unci die Freiheit! Es
1, 25. lebe der Konig!
Der Burger.
Expitlfi funt inimi- Unfre Feinde find
ci nee potuerunb fare, verfiofsen und mochten
Pf.36, i3. et- eruut op- nicht bleiben! Sie wer-
probrium in geutibus. den feyn eine Schmach
Judith 4, 9. unter den Valkern.
Populi laudato De- Lobet den Herrn !
wn. Pf. 1171 1.
Das Chor.
Te deum laudanms Herr Gott! dich lo-
etc.
Homburg.
ben wir! etc.
F. TV. Jung.
2. Tortfetzuiig der Berichtigungen und Zufatze zum Gerberfchen Lexicon der
Tonkunftler u. f. w. von J. F. Reicliardt.
Dumeny (nicht Dumenil) wurde zu feiner
Zeit weit mehr als Akteur wie als Sanger ge-
fchatzt; indefs ill das Urtheil tiber feinen Ge-
fang partheyifch. Mathefon hat es aus des
Abbt- Raqaeuek Paralelle des Italiens et des
lran<jois (1704) gcnonimen, clem es claruni zu
thim war, die Franzofen von ScUen des Ge-
fanges gegen die Italianer ganz herunter zu
fetzen.
Duni hat in Italian audi die Oper Tor-
dinona gefthrieben. Zu der Anekdote. von
Duni und Pergolefi, die im Jahr 1735 beide
in Rom komponirteji, geliijrt: dafs Duni, dem
bei der Rivalitat mit Pergolefi (der indefs
doch audi erlt anfing in Ruf und Anfehen zu
kominoi) etwas warm urns Herz gewefen feyn
foil, fo bald er nur eine Probe von Pergohfis
Oper gehort hatte, fehr ruliig war und nach
feinem Triumphe zu Pergolefi felbft fagte :
Ihr habt zu fchiine feine Sachen in Eurer Oper:
das Theater verlangt. grofse kecke Pinfelftriche.
Und wenn Duni hiernach arbeitete, fo hatte
er fich feines Triumphs weiter nicht zu fcha-
men: denn war er wirklich der Meifter. Die
Schaain wild fich audi wohl erft in Paris zur
Verfchonerung der Erzahlung von feinem Tri-
umphe eingeftellt haben: denn die Anekdote
koiixuit aus Paris her, wo Duni die langftc
Zeit leines Lebens nicht fiir das italianifche
Tlieater, fondern fiir das franzofifche komirdie
Operntheater fchrieb, das nur mifsbrauchsweife
aux Italiens genannt wird, weil ehedem audi
italianifche Operetten darauf gegeben wurden.
Es hi itzt um fo wichtiger, dafs wir ditfe un»
eigentliche Benennung nicht durch italiani-
fches Theater iiberfetzen, weil es itzt feit zwei
bis drei Jahren audi ein italianifches komifche9
Cperettentheater in Paris giebt: dies heifst
Theater de Monficur, und foil in feiner Ait
ganz vortreflich feyn. Dahingegen ift das fran-
zofifche Operettentheater (aux Italiens) das-
jenige in Paris, wo noch allein ganz in der ei-
gentlichften franzofifchen Volksmanier gefun-
gen wird, unci zwar von Leuten die grofsten-
theils keine Noten kennen, die oft vortrefliche
Schaufpieler find, .aber fehr felten ertraglich
fingen, fondern grdfstentheila aus der KMe
I 5
00
derjcnigen find, die wir auf kleinen franzSfi-
lchen Thealern haufig in Deutfchland gehort
haben, uml die nebft RouJJeaits Sara f men
unfer bishcriges Urtheil uber franzofifche Mufik
beftimnu haben, uneihgedenk, dafs die grofse
Oper in Paris von dem Operettentheater da-
felbft wenigftens und vielleicht mehr von ein-»
ander abftehe'n als die Berlinifche grofse ita-
lianifche Oper von der Operette auf dem deut-
-fchen Nationaltjicater. Auf dem Theater aux
Italians ift nur Eine wirkliche Siingerin, Dem.
jRaiaud, die aber von ifrrem Vater, der lange
Violinift in ItaUen war, xlort zur Singerin ge-
bildet wurde, ,
Duport der jiingere ift feit 1789 audi bei
dem Koniglichen preufsifchen Orchefter enga-
girt, und lebt, wie die ganze Kammermufik
des Ronigs aufTer der Carnevalszeit oder wenn
der Konig fonft Opern in Berlin aufmhren .
lafst, in Potsdam. Wer die beiden B ruder
nebeneinandcr hort, wird Jich leicht iiberzeu-
gen, dafs der altere Bruder ein vollkommcner
Virtuofe ans der a Item franzofifchen Schnle,
die befonders das Grofse, Bedeutende fuchte,
und der ji'ingere Bruder ein eben fo grofser
Virtuofe aus der neuen franzofifchen Schule
ift. An Fertigkeit und Pracifion ift diefer eben
To wenig zu iibertreffen als der altere an gro-
fsem vollen Ton und Kraft und Bedeutung im
Vortrage.
S. S64. fehlt:
Di/jmtts, ein junger braver Violinift am
Hofe des Prinzen Heinrich von Preufsen in
JUieinsberg.
Durante (Francefco) Nicht zu Cantaten
hat diefer" Meifter die Themata von Scarlatti
erborgt und verfchouert : fondern er nahm
die Hauptmelodieen aus Scarlattis fchonen ein-
Jftimmigen Cantaten, und bearbeitete fie als
Duetten. XH Duetten, die ich auch faint den
Scariattifchen Cantaten, die dabei zum Grunde
liegen, befitze, die find es, in denen Durante
cine mufikalifche Sitte damaliger Zeit ausiibte.
Es war eine fehr wohlgewahlte Arbeit, die
da ztigt, dafs Durante fich felber kannte. Er
hatte nicht das Genie und .die angenehme
Leichtigkeit fchone gefallige Melodieen zu er-
jfinden, verftand aber die .contrapunktifchen
Kiinfte wie Einer. Indefs find diefe Duetten
nicht felne grofsten und beriihmteften Arbei-
ten, wenn gleich feine bekannteften. lth be-
fitze noch ein Oratorium und ein fimfftimini-
ges Magnificat: diefes Meifters von vorzugli-
chem Werthe. Uebrigem kann er nicht fchon
1715 Kapellmeifter am Confervatorio St. Ono-
frio in Neapel gewefen fevn, derm er trat 17/4.5
dafelbft erft' an JLeo's Stelle als 'Kapellmeifter.
DuJJick (Joh. Ludwig) ift itzt in Paris,
und foil fehr vielen Bei fa 11 haben.
Ecd.es (John) hat in Lotidan auch fol-
gende Werke ftechen la/Ten. Judgment of Pa-
ris. Great Collection of Songs.
Eck (Joh. Frietlr.) ift itzt unftreitig einer
der allererften Violiniften in Europa: er be-
fitzt alles was, zu einem vollkounuenen Virtuo-
fen gehort, und was itzt fo wenige haben;
grofsenund fdionen Ton, vollkonunen reine
Intonation — was fehr, gar fehr viel heifst —
Vortrag, Ausdruck, Gefchmack, ganz autt'eror-
dentliche Fertigjteit, Feftigkeit und Sicher-
heit. AiuTer Salomon in London, wie ich. ihn
1786 in London, horte, hat mir kein Violinift
grcifseres Vergnugen gewahrt. Er hat audi
das Verdienft, an f einem jiingern Bruder einen
fehr guten Violinfpieler zu ziehen.
Engel (Joh. Jac. Profeffor) hat auch die
Operette: die Apotheke furs deutfche Theater
gefchrieben. 177a und 73 wurde fie niit Nee-
fe's Kompofition auf verichiedenen Theatem
aufgefuhrt.
Fafch (Karl) nicht bios ein Kyrie und
Gloria hat Fafch fi'ir 16 Singfiiinmen kompo-
nirt, fondern eine ganze Mefle, der er -einen
To hohen Grad von Korrektlieit und Vollen-
dung giebt, dafs fie gewifs das vollkojnmenfte
Mufter in der Art werden wild. In dem ach-
ten Studc meines Kunftmagazins hab' ich ein
Stuck daraus abdmcken lajfen und mehreres
dariiber beigebracht.
S. 096 fehlt:
Fago (Nicolo) einer der beri'ilimteften
Komponiften im Anfange diefes Jahrhmiderta.
Aufser feinen fleifsig gearbeiteten Kirchenfachen
werden in Italien feine Cantaten beim Klavier
zu fingen felir gefchiitzt.
S. 5g5 fciilt :
Falgera, ein Churmrfti. Bayerifcher Hof-
mufikus, der fi'ir das Munchner Theater die
Mufik zu grofsen pantomimifchen Ballets: z. B,
zit dem Ballet: die Sc/tdferftunde nut vieleitt
Beifall komponirt hat
S. 4.01 fehlt;
Uf
Fedele (Dan. Teof.) der eigentlich ctn
Deutfcher war, unci Trcu hiefs, iich aber nie
fo fchrieb. In den Jahren 1725, 26 tmd 27
Tchricb er folgende Opern: sljiarto, Coriolano,
TJlyffe, Endimione nnd fpater, die Operette
Donehifcivtbo*
S. 401 fehlt:
Fehre Vater und Sohn, beide fehr brave
Klavierfpieler, chemals in Mietaii. Der Vater,
rii'inkt niicli, ift tod t, und der Sohn itzt an
JIJM/iels Stelle in Riga.
Feo (Francefco) ift rnck einer grofsen
Melle unci einein Motett alia capella, fo ich
von ihni befitze, einer der allergrofsten Kir-
chenkomponiften die Italien je gehabt hat; ich
wiirde jene MeiTe fur das Meifterftiick des
Leon: Leo halten, wenn ich nicht aus den
Handen eines fehr ei [risen Sthiilers von Leo,
des Kapellmeifters Sahr\a Neapel, die eigen-
hiindige Originalpartitur von Feo erhalten halte.
Die MefTe ift fi'ir 10 Singjlimmeii nnd ein ganz
vollftiindiges Orchefter von Fioli/ien, Brat-
JcheHy Violoncellen, Hoboeni, Flotcn, Fagotten,
fVdldhdrnern unci Trompeteu gefchrieben; unci
die Benutzung nnd Bearbeitung der blafenden
Inftrumente, die zuweilen ein eigenes Orche-
fter gegen das Orchefter der Saiteninftnmtente
formiren., nnifs alle die neuern Komponiften,
die Iich einbilden, in einer fokhen Anwendung
der Blasinftnimente neu unci original zu feyn,
eben fo befehameii, wie >nich felbft. Es ift
diefe MelTe eines der feltenen achten Kunft-
•werke denen man kein Zeitaker und kein Va-
terland anfieht. Die Verehrer Handels und
Mack's werden fie cben fo gewifs fiir eine Ar-
toeit diefer Meifter, a Is andere fiir die Arbeit
der grdfsten italianifchen Komponiften halten.
Feo mufs wenig von feinen Arbeiten haben
bekannt werden lail'en, feine Sachen find fehr
fchwer zu haben. Noch mufs ich eines ko-
mifchen Intermezzo's von diefein grofsen Mei-
fter erwehnen, das mit aufserordentlichem Witz
im acht komifchen Styl gefchrieben ift; wobei
aber, wie in den Werken aller grofsen Meifter,
vortreiliche korrekte Arbeit ift.
S. 404 fehlt:
Feriiu, ein Kaftrat der am Ende des vo-
rigen Jahrhunderts, atuTer feinein Talent als
Sanger auch dadurch in Rom fehr beriihmt
war, dafs er die Frauenroltcn, in der grofsen
Oper mit vielem edlen Anftande und achter
Grazie bis zur a'ufl'erften Taufchung fpielte.
Mir fcheim diefea clefto inerkwiirdiger, da alle
Kaftraten, die ich in Rom in Frauenmllen 1 tuf
clem Theater fah, widrig unci ekelhait an*u-
fehen waren.
S. 408 fehlt:
Le Fevre, ein braver Violmift in Berlin,
der 1777 ftarb * <la er eben zuin AnCflhre r r el "
nes damals neuerrichteten Orchefters furs Iran-,
zbfifche Hoftheater erwahlt wurcle, nnd 1111 Ue-
eriff war eine Sammlung Oden, Plaimcn und
Lieder drucken zu lalTen, die gar nicht von
gemeiner Arbeit waren.
S. 409 fehlt:
Hala, der befte noch lebende Gatnhife.
1790 Kefs er fich im Sommer in Breslau vor
deiu Kcinige, und bald darauf auch in Berlin
mit grorsem Beifall horen. Vielleicht lit : er
• auch derfelbe, der im Lexicon S. 408 als Ho-
boift genannt wird; jener ift auch ein Bohine,
Finazzi (Filippio) hat auch die grofse
Oper Themifkocle in Mufik gefetzt.
S. 414 fehlt:
Fiorillo ( — — — ) ein Sohn des vo-
rigen, der ein fehr gefchickter Virtuofe auf der
Mandoline ift, auch die Violine brav fpielt,
und viel angenehme Sachen fiir beide Inftru-
mente komponirt. Vor 12-14 Jahren Licit er
fich in Pohieh auf- reifte dann in Deutfchland
nnd Italien, und lebt feit 1785 in Paris, wo
er mehrere (vuvres, Quartetten, Sonaten u. d.
gl. hat ftechen lalfen. -
Fifcher (Ludwig) Kdniglicher Sanger bei
der grofsen italianifchen Oper in Berlin, ver-
client. einen ausfiihrlichem Artikel : denri er ift
ein vortreflicher Bafs [auger : feine Stimme hat
faft die Tiefe dea Violoncells und die natiir-
liche Hohe eines Tenors, dabei ift weder feine
Tiefe fchnarrencl nock feine Hohe dunn; die
Stimme giebt beides mit volliger Leichtigkeit,
Sicherheit und Annehmlichkeit an. Zum Lobe
feiner Singart darf man nur fagen, dafs er ein
braver Schiiler des grofsen Tenoriften Raff's
ift, der in der ganzen europaifchen fingenden
Welt fiir den erften Tenoriften gait, unci im-
mer noch gilt. Auch hat er mehr Fertigkeit
und Leichtigkeit in der Kehle, als vielleicht
noch je ein Bafsfa'nger gehabt hat, nnd in fei-
ner Aktion weifs er fich auf clem ernfthaften
Theater wie auf dem komifchen zu nelnnen.
Seine Lebensumfta'nde find folgende: Er
ift 1745 in Mainz geboren, und war fchon als
63
Sanger in Dicnften ties ctamallgen Churfurften,
als or mit Bewilligung de9 Churfiirften nacli
Mannheim ging fich unter der Leitung des
grofsen Tenorilten Raff ganz auszubilden. Es
wurde ihm vom Pfalzifchen Hofe bald ein En-
gagement angetragen; er nahin es an, unci blieb
eilf Jahre dort. Das letzte Jahr war er xnit
dem Hofe und der ganzen ubrigen Churfiirft-
lichen Kapelle in Miinchen. Von da ward er
nach ffien fi'ir das Kaiferliche Nalionakheater
berufen. Au9 Mifsvergniigen iiber einige
Neuerungen beiin Theater, nahin er nach 4.
Jahrcn feinen Abfchied, ging nach Paris und
fang dort im Concert fpirituel mit grofsem '
Beifall. Von Paris ging er nach Italien, wo
er befonders in Neapel bei Hofe eine fehr
gunftige Aufnahme fand: er fang ofters beam
Konige in Caferba und fpielte im Figaro den
Bartholo. Von Neapel ward er nach I\om +
berufen, wo er im Theater Argentina in einer
grofsen Oper von Marefchalchi fang. Das fol-
gende Jahr fang er una feine Frau in Venedig
im Theater St. Benedetto in der Oper Ade-
viira von Luchefi. Auf einer nachherigen
Reife nahmen beide ein Engagement beim
Fiirften von Turn und Taxis in Jlegensburg
an , wo fie 5 Jahre blieben. Im Jahre 1783
war Herr Fifcher in Berlin und fang mit gro-
fsem Beifail bei Hofe und im Publikum.
1789 ward er vom Konige wieder nach Berlin
berufen , Uin in meiner Oper Brenno die Haupt-
rolle zu fingen. Er fang und fpielte diefen
alten gallifchen Helden mit fo aufserordentli-
chem entfehiedenem Beifall, dafs der Konig
ihn gleich nach der erften Vorftellung auf im-
jner mit zioeitmtfend Thaler jahrlichen Ge-
halts engagirte.
Fifcher (Madame, geb. Straffer) ward 1768
in Mannheim geboren, und erlernte die Singe-
kunft von einem dortigen Singemeifter Gior-
getti: 1772 ward Re beim Pfa'lzilchen Hofe
engagirt, unci folgte 1773 mit Einwilligung des
Churfiirften einem Ruf von dem Wtirtember-
gifchen Hofe. In Ludwigsburg fang fie wah-
rend dem Carneval in der grofsen Oper Fe.
tonle und in 10 Operetteii. Sie folgte dem
Pfalzifchen Hofe nach Munchen , verheirathete
fich dort 1779 mit Herrn Fifcher, trat mit ihm
zugleich ein Engagement beim Kaiferlichen
Nationaltheater in Wien an, folgte ihm dann
nach Pertedig, wo he mit grofsem Beifall
fang, trat dann mit ihm zugleich in die Dien-
fte des Fiirften von Turn und Taxis, und
wurde gewifs auch fchon in Berlin ihr Enga-
gement gefunden haben, wenn eine Bruli-
krankheit, die Re in den Jahren 1789 unci 1790
iiberftanden, lie nicht genothigt hatte, iich bisher
zu fchonen. Wenn Mad. Fifcher itzt ihie
ftarke klingende Sopraliflimme in eine Contr'
Altflimme verwandeln will , fo wird fie mil:
weniger Gefahr, und gewifs durch eine fchtine
Tiefe, und ihre groke Fertigkeit und Praci/ion
kimftig mit eben demfelben gliicklichen Er-
folg ihr Talent anwenden und zeigen k&nuen.
Fifcher (F, A.) der Hoboift, reifte im Jahr
1787 in Deutfchland, unci war auch in Berlin.
Seine Feinde nn'iifen ihm zu diefer Reife, nu>
der er feinem alten Ruf fehr JTchadete, gera-
then haben.
S. 4.18 fehlt :
Fifchietti ("Giovanni) ein nenpolitanifcher
Kapellmeifter. Mir Ift; von ihm eine Oper be-
kannt, die 1737 unter dem Titel : La Coftama
Comedia per mufica bekannt wurde.
S. 4.19 fehlt:
Flcifchmann ein braver Violoncellift in
der Koniglichen Kapelle zu Berlin. Er pflegt
den Konig bei feinen Reifen zu begleiten.
S. 4.Q1 fehlt:
Floroni ( — — ) ich befitze eine acht-
ftimmige Mejfe von ihm, die er in Mayland
gefchrieben hat. Der Schreibart nach fcheint
er mir gegen die Mittc diefes Jahrhunderts ge-
lebt zu haben,
S. 4.23 fehlt:
Foigneb einer der beften Singemeifter. in
Paris: er hat auch einige kleine -franzofifche
Singefachen ftechen la/Ten.
S. 4_3o batten wohl J. R. und G. Forfter, die
Weltumfegler, genannt werden follen. Sie ha-
ben nicht nur in der Befchreibung ihrer Reife
urn die Welt mehrere Nachrichten von dem Ge-
fange vieler wilden Volker und einige Gefange
felbft aufgezeichnet, fonclern auch viele mufika-
lifthe Inftrumente der Wilden, die im Londoner
Mufeum, in demKabinet ties Fiirften von JDeffau
u. a. O, aufbewalnt werden, nach Europa ge-
bracht.
Franz (Johann Chriftian) der Bafsfa'nger,
ein Schujer von Concialini, dem Caftrabenf fo
wenig als er fein Sohn ift, Er fingt nicht nur
in Oratorieuy fondern feit 1787 auch in der gro-
fsen italianilchen Oper mit Beifall, den ihm
feine angenehme Stimme unci Geftait erwirbt. .
S. 44 3 >
0*9
S. 442.
Frenufe foil Fvcnenfc heifsen.
Frick (P. J.) lobt nicht miifsig In Lon-
don, fondern arbeitet an einem Syfteni der
Mufik, durch welches cr die Kunft fehr aufzu-
heilen und weiter zu bringen 1. >h. Auch
giebt er Unterricht doit iiu Klavier.
S. /\$ 1. Fricdrich II,
Ich mag nut ITerrn G. fiber die Art, wie
cv in diefeiu Artlkel meine fruheften, fiiihern,
lpalern und fpateftmi Urtheilo und Erzahlnn-
gen von nieinen Studentenjahren an bis ziuu
letzten Jahre meine? zdiiijahrignn Dienftes als
Kapellmeifter bei diofeni grofsc-n Konige, und
fpiiter zufaminengeftelk mid kouunentiit hat,
nicht rechten , weil es einer meiner heiligften
Grundlatzc ifh iiber nieine YYerke und Schrif-
ten nie offentlich zii liraten. Ich will diefem
Artikcl nur den eigenllichun und tiefcren Grund
beiftigen , nul' dejn die Beharrlichkeit des Ko-
nigs in feinem Gefchmacko vorziiglich beruhte.
Sic betraf nicht niif die Mufik, fondern alle
andere Dinge, deren Ausfvihrung hier aber
nicht hergehi'ut, eben fo fehr. Da der Konig
1740 zur Reuiernng kain, war er wirklich von
deiu danialigcu Zultande der Kiinfte und Wif-
fenfehaften fehr untenichlet. Er lialte clen
grufstcn Thcil feir.es v.irigen Lebens ganz den
WiUenlchaftcn und Km ill mi gewidmet. Dies
konnte nun, da er den Thron mit de.n Vor-
latze befiieg, felbft zu rcgiercn, und fich als
Eroberer und Meld Ruhm zu erwerben — wie
feine Biiele uu-.l Sdirilien bezeugen — nicht
fo fortgefct/.t werden. Yon nun an follten
ihm die Kiinfte unci WiU'enfchaften nur Erho-
lungsgenufs nach Rrgierungsgefdiaflen und
Heldenarbeil gewahren. Seine kOniglichen
Grundfatzc und Befchafligungen hinderten ihn
alfo, die Fortfchrittc und Neuerungen in den
Kiinften nnd Wifleiifdinften eben lb ernftlich
und aufnierkfani wie bisher zu verfolgen ; fein
Konigsiinn litt' aber niihr, dafs diefes fiir Zu-
riickbleiben gal re, und lb mufste in ihin felbft:
fchon die Alaxiiue enlliehen: fo full es nun
daunt bidden. Hierzu kain nun aber noch,
dafs er damals von Mannern uingeben war,
die einen liohcn Begriff von der Kunft liatten,
die wohl wufsten, dafs die Tonkunli in Ita-
lien ihren hochften Gipfel erreiclit hatte, unci
dafs L.eo und Vinci , die die Pcriode der gro-
fsen ecllen Mufik befchlollen , und die die an-
geni'huicre, durdi lnnnnigfaliigere Rcitze er-
gotzende Mufik anhuben, N.ichalimer erweck-
ten und in Schaaren erwecken wiirden, die
die neuen Reitze und bald die Flittern und
Purpurlumpen, die fie felbft clen Reitzen wie-
der umhingen, fiir ihre alleinige Goltheit hal-
ten wiirden, dafs jene beiden Manner mit ei-
nem Worte in ganz Italien keinen Nachfolger
hatten, wie fie folche in Deutfchland an Haffe
und Graun wirklich hatten; und was war na-
tiiriicher, als dafs diefe Manner, die in eben
cleui grofsen Sinn und Gefchmack Virtuofen
in der Kunft waren, dem Konige gi-ofse Ver-
ehrung fiir den damaligen Zuftand der Mufik
und Ahfchen gegen alle Neuerungen einflofsten.
Guam der in leiner Art ein fehr defpotifcher
Regent war, hatte hieran den grofsten Antheil;
ihn und feine Meinungen erkannte man audi
in alien Aeuilerungen und Urtheilen des Kd-
nigs iiber die Kir; ill. Dafs Qnanz Hajfcn fo
vorziiglich, oft felbft ziun Naditheil Gramu in
Schutz nahin, beruhte auf perfonlicher Freuncl-
fchaft und Aehnlichkeit der Charaktere. Sie
hatten zufamnieii in Italien gelebt, Quanz war
Zeuge des erften Beifalls, welchen Hajfe in
Italien fand, ein Beifall der damals etwas inehr
bedeutete als itzt, nnd gewifs nicht bios auf
Vorurtheil fich griindete. Huff* war ihni, wie
er felbft erzahlt, in Italien fehr freundlich be-
gegnet; Jlaffe kam bald in Dresden zu fehr
hohen Ehreu , welches auf Quanz nicht wenig
wirken mufste, da er die Dresdner Mufik zu
t\p.r er vorher gehorte immer als Mufier vor-
ftcllte, und vor alien in Ehren hielt; und —
was auf Leben und Ui theile fo grofsen Einflufs
hat - QuaiiTi war ihm ahnlich an Charakter,
dahingegen Graun, den Ouanz anfanglich inehr
als Sanger wie als Komponifi behandelte, mit
leiner Sanflmuih vieles ertrug, was er nicht
ei'tragen durfre und follte. — Auf diefes \"er-
halfnifs zwifdien Guam, dem Lehnueifitii
des Kfuiigs, unci Graun dein Kapellmeifter def-
felben, beruhen noch in lierlin unverlilgbare
IMifabrauche. — Genug, ohne diefe Privat-
freundfehaft wa'ren vielleicht Leo und Find
fchon zu Hirer Zeit in Berlin fo bckannt ge-
worden, wie es HaJJe bahl wurde, dem frei-
lich die Niihe von Dresden audi zu ilatien
kam.
Wie weit des Konigs Abfdicu fiir neue
Mufik, unci belbnder* Mufik der neuern lia-
lianer ging, die ihm durch ihre grofse Liobe
und ha'ufige Bearbeitung der komifchen 0[jci-
hochft vernchtlich geworder. waren, kann man
aus folgendeni Urtheil des Konigs «rlbhen, dan
ich leiner Oriiuialitat wceen nut feinen a,anz
70
eigncn Ausdriicken herretzen will. ]0a tier
Kchiig mich 1770 von Kouigsberg zu der Ka-
pellnieifterftelle berief, and ich dem gewohn-
iichen Vornrtheil gemafs vermeinte, es wiirde
ttxiv doch wohl zum Nachtheil bei ihm gerei-
then, dafs ich noch nicht in Italien gewefen,
ich mir auch feft vornahm, ihn bei der erften
Veranlaffung mu die Erlaubnifs zu einer ita-
lianifchen Reife zu bitten, und er mich nun
nach Potsdam kommen liefs, war feine erfte
Frage, oh ich in Preufsen geboren ware, unci
die zweite, ob ich in Italien gewefen ware:
meinem JVein folgte auf den Lippen fchon die
Bitte, mich hinzufchicken ; kauiu aber hatte
ich diefes unerwartet gliickliche Nein ausge-
fprochen, als der Konig mir mit ftarkerm Ton
in die Rede fiel und fagte : das ijl fein Glilck ;
hut' er fich fiir die neuen Italianer, fo'n Kcrl
fchrcibk ihm wie'na Sou. Seine Sanger durf-
ten in den Kammerconcerten auch nie andre
Arien fingen als von Hafl'e unci Grawi,
oder die fo ganz in dem Styl diefer Meifter
gefchrieben waren, dafs man fie dafi'ir nehmen
konnte. Selbft freinde Sanger unci Sangerin-
nen, die ihre mitgebrachte Mufik fangen^ be-
kamen fehr oft das Konipliment zu horen, dafs
es ihm leid thate, dafs He ihre fclu'me S limine
und ihr Talent an folche Bierhausmufik (Mu-
fique de cabaret) veiTchwencleten; und wenn
er fie in Potsdam aufhielt und ofterer hiiren
wollte, fchickte er ihnen wohl Graunifche unci
Haffifche AriCn, unci liefs ihnen einige Wbchen
7,eit, folche zu uben. Der italianifchen Opera
bujftiy die zuweilen, wiewohl felten, fiir hohe
Gafte in Potsdam fpielen mufste, wohnte er
aus Abfcheu fiir die ncue unci komifche Mufik
aufl'erft felten unci faft nie ein ganzes St tick
hindurch bei.
Friedrich PVilhelm.
Von diefem Konige hatte in einem mufi-
kalifchen Lexicon vorziiglich verdient als Gc-
genfatz angefiihrt zu werden, dafs er fich
durchaus fiir keinen Gefchmack in der Mufik
ausfchliefslich erklart, fondern bisher Werke
von alien Ai'ten aus alien Schulen und Stylcn
aufFi'ihren la'fst. Sclion als Kronprinz liefs er
eben fo gerne grofse Jliindelfche Oratorien ala
franzbfifche Operetten in feinen Concertmufi-
ken auffiiliren, hcirte damals in meinen fiir
ihn errichteten Concerts fpiritue/s, bei denen
jnein Hauptbeftrcben dalnn ging, die vortrefii-
chen und in Berlin ganz unbekannten -Arbeiien
der altern grofsen Italiiiner bekannt zu machen,
eben fo gerne die Oratorien und andere Kir-
chenfachen von Leonardo Leo, als das Carmen
Secidare von Philidor ; machle beim Antritt
feiner Regierung gleich die fehr gate Einrith-
tung, dais jahrlich eine Oper von feincm Ka-
pellmeifter unci eine daneben von einem Frem-
den aufgefiihrt werden fonte, welches audi
bisher 1788 in meiner Andromeda und lierto*
id's Orfeo, 1789 in Naumanns Medea und fei-
nem und meinem Protefrfao, *) 1790 in mei-
nem Brenno und Allejpmdri's UlyJ/e ausge-
fiihrt worden ifl, und ohne meine ttruflkrank-*
heit, die mich im Oktober 1790 iibernel, unci
mich am Einftncliren unci Dirigiren meiner
eben beendigten Kompofition. der Opcr Olim~
piade hinderte, auch 1791 mit meiner Olimpiadc
und AllcJJandrVs JDario gefchehen ware. So
ward die Olimpiade aber erft im Oktober bei
den Hofvermahlungen aufgefiihrt. Auch hatte
der Konig fchon Glncks Alccfte auffiiliren lal-
f?n, wenn es bisher nicht an gutcn Tenoiftim-
men gefehlt hatte, unci es nicht allem geftm-
den Urtheil und Gefchmack zu fehr entgegen
ware, diefe Oper, mit der Gluck fogar in
Italien den Verfuch wagte, die Kaftrateu vom
Theater zu verdrangen, und daher die miinn-
lichen Rollen in feiner Alcefte fiir lauter Te-
nor unci Bafsfiimmen fchrieb, diefe mit Ka-
ftrateu befetzeu zu laJl'en, und fo eine acht
tragifche Oper, deren Interefle auf ehelicher
und elterlicher Liebe beruht, von Kajtrateu
*) Dafs Naumann und ich die Oper ProtefUao zu-
Canimen in Mufik zu fetzen bekamen, liatte fol-
gende Veranlaflimg. Ich folltc fchon im Jahr
jyfiq die Reife nach Italien machen, die ich her-
nach tin Jahr fpater machte; es verzog fich aber
damit bis in deu November. Die zweite Oper
liu di .!» Caviieval foilte Fedra von Vaefiello fey 11,
die woiite ficli aber far die hiefigen Siinger
jiicJit recht pa/Ten; mir allcin nun nocJi eine
Oper zu bcai-beiteii aufzutragen, dazu liielt man
cs fiir zu fpat, und fo wahlte man eine Oper
?on zwei Akteu, und N. und ich lofsten um die-
Akte. Mir /lei der crfte zu. Indefs nahmen
wir una beide gleich vor, dafs jeder die Oper
ganz komponiren wolle. Sobald ich nut meinem
erften AJaferlig war, ging ich an den zwciten,
wurde auch damit bis zur erften Probe des Nau-
mannfehen zwciten Akts fertie;, nnd gal) meine
bereits ins reine gefchricbeue Tartitur des zwei-
,ten Akts an diefem Tngc an N., damit audi er
fich die L.uft mnchtc, zu fehen wie wir beide
den Akt vciTchieden behandelt Iiiitien. Im voii-
gen Jahr iiat mir N. gefchrieben, dafs er nun
■ auch den erften Akt bcarbeitet habc.
vorftellon zu fehen. Eben fo fieht clev Konig
auf feinem kloinen Theater mit gl'oichem Ver-
gniigen italianifche, IVanzofifche unci deutfche
Operetten. Bei der Anwefenheit der Erbftatt-
halterin von Holland warden in Charlotteu-
lurg, einem Kunigl. Luftfchlofle, der Tifchler,
il Faleguamo von dinar o fa durch die italiani-
-fche Operiftentruppe des Konigs, unci Nina
mit der franzolifdien Muiik von D'Jlleirac p
und Claudine von Filla bulla von Gothe mit
meiner Mtifik durch die Sanger und Sangerin-
ncn vom deutfchen Nationaltheater vorgeitellt.
In den Concerten des Konigs Fpielen die
Virtuofen und fingen die Sanger Sachen von
alien italianifchcn, franziififchen und dentfchen
Komponiften ganz nach eigner Wahl. Zur
Faftenzeit werden in die fen Concerten Ora to-
ri en von italianildien und deutfchen Kompo-
niften aufgefiihxt, u. f. w.
Als merkwiirdige Beweife der Freigebigkeit
nnd Grofsniuth des Konigs gegen Kiinftler hatte
verdient angefiihrt zu werden : i) dafs der Ko-
xiig alien alten Kapelliften des vorigen Konigs,
die audi itzt nicht inehr gebraucht werden, ihr
voiles Gehalt gelalTen, und einigen Penfionirten
fogar erlaubt hat, ihre Penfion auswartig zu ver-
zehren. So hat der Tenorift Grajfi, der 14 Jahre
beim vorigen Kunige in der grofsen Oper gefun-
gen hat, fein halbes Gehalt als Penfion behalten,
11 lit der Freiheit foldie in Italien zu verzehren.
Audi ertheilt der Konig Mufikerwittwen anfelin-
liche Penfionen. So hat die Wittwe feines ehe-
maligen Lehrmeifiers iiu Violoncell Graziairi,
das halbe Gehalt Hires Mamies, niimlich 600 Tha-
ler Penfion behalten; eben fo der Wittwe des
ehemaligen Fagottiften Eidmer u. a. m. 2) Dai's
der Konig aufelmliche Peniionen jahrlich giebt,
zurUnteririitzung und Ausbildung jungerfahiger
Kiinftler : unter den Artikeln Ilimmel, Jonas,
Mofer findet man hiervon einige Belege; es
konnten nocli weit melnere genannt werden.
5) Kann ich audi wohl das zuden merkwiirdigen
Beweifen der Freigebigkeit za'hlen, dafs der Ko-
nig mir auf mein Gefuch einen dreijahrigen Ur-
laub mit Beibehaltung meines vollen Konigli-
chen Gehalts, ertheilt liat, urn durdi ruhigen
Landaufenthalt und einige Reifen meine im vo-
rigen Jahre durch eine tiidtliclie Kran'<heit fehr
gefchwachte Gefundheit ganz wieder herftellen
zu konnen,
Frifchmxdh (Johann Chiiftian) id 1789 zu
Berlin geftorben. H'cfscly ein braver und ge-
bildcter jinigcr Tonkunfller jiulifdier Nation,
V
der fchon feit einigen Jahren neben Frijchmuth
Mufikdirefoor beim deutfchen NationuUheater
war, trat nun ganz an feine Stelle und ift feit
der Zeit fehr eifrig bemiiht, das Orchefter zu
verbeffern, wo von das Publikum auch fchon,
befondera bei der Auffiihrung von /Hazard's
vortreflichem Figaro merkliche Wirkung ver-
fpurt hat.
Gabrieli (Catharina.) Einige Scenen die
ich im vorigen Jahr 1790 mit ihr in Rom erlebte,
hab* ich an einem andern Orte erzahlt, da fie
neues Licht auf ihren hoclifi eigenfinnigen Cha-
rakter werfen, durch den fie eben fo fehr als
durch ihr grofses Talent beriihmt geworden ift,
und von dem im Lexicon einige Ziige angefiihrt
werden, unter denen aber doch der ftarkfte fehlt:
Da fie einft in Petersburg auf keine Weife zu be-
wegen war in der Oper zu fingen, unci ihr die
Kafferinn unter andern fagen liefs : es fey fehr
nndankbar von ihr gehandelt, da fie ein Gehalt
hatte wie es nur ein Generallieutenant bekame,
liefs fie der Kaiferinn fagen: fie mftchte denn
doch ihre Generallieutenants in der Oper fingen
lafsen.
Galuppi (Baltafar.) Zu feinen Arbeiten furs
konuTche Theater gehbrt auch die Operette : /'a-
varo pmiito.
S. 470 fehlt:
Garat (le cadet) ein penfionirter Sanger
der Konigin von Frankreich, der bei einer an-
genehmen Tenorftimme das Talent hat, alle
Sanger und Saneerinnen aus alien Nationen und
Schulen mit aufserordentlicher Wahrheit nach-
znahmen, welches ihm von der Konigin eine
Penfion von Gooo Livres erwavb.
Giacomelli (Geminiano) hat auch 1724 in
Mayland folgende beyden Opern gefclnieben :
Catone in Uiica und V Arrerdone.
Giomovichi u. f. w. S. 609 ift mit dem Jar-
nowich S. 687 Eine und diefelbe Perfon. Ei
verliefs 1785 die Dienfte des damaligen Kron-
prinzen, jczigen Konigs von Preufsen, weil er
zu ftolz war urn unter dem Violoncelliften JDu-
port zu ftdien, der damals fchon als Lehrmei-
lier des Kronprinzen im Fivlonceli, wiewohl er
eigentiidi in des Konigs Dienflen ftand, die Di-
rektion der iVIufik des Kronprinzen fich zuzueig-
nen ftrebte. Es war nidit mciglich, dafs dicfo
beiden gleichgefchickten Virtuofen langer zu-
laninien dienen konnten, da Giomovichi , als
ein fehr heftiger Gharakter feine Rache an Da.
port anfs dufserfte tricfo. Er fordcite ilm nach
K 2
7 2
-inem Concert beim Kronprinzen auf den De-
gen heraus, unci da JDuport fich daranf nicht
einlall'en wollte, trieb er feine Hitze fo weit,
dais Du/tort fich inehrere Tage in feinem Haufe
veifchloilcn halten mutate, urn fein Leben in
Sicherheit zu ftellen. Dais man G. darauf mit
grpfsem Bedauern abreifen fahe, kann man fich
iejcht denken, da er wirklich einer dev grofs-
ten Virtuofen if't, die je fur die Violine exifiirt
haben.
Gluck (Chriftoph.) Ich will hier nur die
nothigfien Berichtigungen anbringen, und mich
mehrerer Zufatze, die fich mir in grofser Men-
ge zu diefcm Artikel darbieten, und meines
eignen Urtheils enthalten, vveil ich feit Glucks
Todc die Idee gefafst babe, fcin Leb.n zu fchrei-
ben, und dazu nur manche Nachricht und ge-
nauere Beftimmung des fchon Bekannten von
feinen nachften Freunden envarte. Gluck ift
1714 in Bahmeu auf einem Dorfe geboren.
1708 kain er nach Mayland und fchrieb dovt
feine erfte Oper. Bald daranf arbeitete er fin-
die meiften Theater in Italien. Seit feinem
Aufenthalte in London war er audi in JDiin-
iiemark und wieder in Italian, daranf in fJ'icn
und wieder in Italien, danii wieder in IVien,
wo er auirer den unter den fianzofifchen Opern
angezeigten kleinen Stiicken audi noch fol-
gende fiir ein Kaiferl. franzofifches Theater
konrponirte: La faujje Lf clave, Le Cadi
duppe, JJArbre enchant e, L'Yvrogiie corrigt',
Lc diabie a quatre und audi einige andre,
I'agt e:n franzGfifches Manufcript, das ich iiber
I ein Leben in Handen habe. Aufl'er den an-
gefuhrten italianifchen Opern find mir audi
noch von ihm bekannt: La Cle?ne?tza di Tito
und Jiitigono ; audi weifs ich niit Gcwifsheit,
dais er in friibern Jnhren noeh mehrere Opern
in Italien gefcbrieben hat. Seine Hernianns-
fthlacht if't leider mit ihm begraben, fo audi
inehrere feiner Kompofitionen Klopftockilcher
Oden. Eine davon, der Tod, fchrieb ich noch
im Jahr 1775 aus feinem Munde auf. Dafs er
audi Kirchenfachen gefcbrieben haben foil, ift
mir ganz unbekannt.
Aufler den Anekdoten von clem Ki'initler-
leben diefes wahren Genies, die ich felblt in
mcinem Kunftmagazin von ihm habe abdrnk-
ken lalfen, unci audi bereits in mehrern deut-
fc.ben Schriften von ihm Ziehen, erzahlt das
vor mir liegende franzofifche Manufcript von
der Hand eines Kavaliers in 7T r ieu nocb fol-
gendc: t ,Gluck der inl Jahr 1708 in c'lem Haufe
dcs Piinzen JUelzi in Mayland als Muiiker en-
gagirt war, unci fchon verfdiiedenc Beweife
von feinem mufikalifchen Genie gegeben hatte,
wurde aufgefordert, eine grofse Oper furs May-
li'indifche Theater zu komponiren. Gluck nahm
diefe Auffoderung an, und indem er fich den
Eingebungen feines Geniees uberliefs, entfernte
er fich von der gewohnliclien Balm der an-
dern Komponiften feiner Zeit und fchrieb eine
ganz expreflive Mufik. Ein Genre, worin er
nachher fo fehr excellirte, und welches er to
zu fagen erfchafFen bat. Bei diefer Gelegen-
heit ereignete fich folgende Anekdote. Gluck
war ein vertra titer Fionnd von Sanmartino,
der damals einen grofsen Namen hatte und zu
Mayland lebte. Er unternnlnn indeta feine
neue Arbeit ohne irgeinl jeniamlen dabei zu
Bathe zu ziehen, und beendigtc fo die Oper
bis auf eine Arie, die andre Worte erforderte
und deshalb noch unkomponirt blieb. Die
erfte. Probe von Glucks Oper wurde im Thea-
ter gehalten, und die Nuiigierde zog eine
Menge Menfchen liiu, die ungeduldig war,
diefe n er/'ten Verfuch eine? neuen Kojnponiften
zu bcurthdleu. Die Ohren der Zuhorer wa-
ren an diefes Genre niclit gewobnt,. und alle
lacliten in ilnen Bart und hielten fich fiber
den jungon Komponilten auf. Gluck bcmerkte
es, fagte nichts und blieb feinem Genie gctreu.
Die eine noch unkomponirte Arie fchrieb er
aber in einer ganz verfchiedenen Manier, und
fuchte damit bios den Ohren zu fchmeicheln, '
ohne fich ans ubrige Ganze zu kehrcn ; ganz
nach den Wiinfchen der Italia'ner, die diefes
lieben, weil fie im Theater nur ein fuperficiel-
les Vergniigen fuchen, ohne die Arbeit zu er-
gri'inden, und auf das Ganze zu achten. Die
Generalprobe zog noch mehr Menfchen bin,
und fo wie die Zuhorer die neue angeneh-
me Arie nur horten, brachen Pie in den laute-
ften Beifall aus, und raunten fich ins Obr,
die Arie fey von Sanmartino. Gluck fah' unci
horte alles, und fchwieg. Bei der erften Vor-
ftellung feiner Oper lief alles hinzu: der Er-
folg der Mufik war vollkommen, denn die
Wahrheit. hat das Becht uberall erkannt zu
werden. Die von alien iibrigen fo verfchiedne
Arie ward fade und fo wenig den iibrigen an-
pafiend befunden, dafs man fchrie: fie ent-
Itellte die Oper. Nun rachte fich Gluck und
beftarkte das fo voreilig errathende Publikum
in der Meinung, jene Arie fey wirklich von
Sanmartino.
„AIs er nach NeapeL berufen wurde, m\\
dort zwei Opern zu komponiren, fa ml er da
den grofsen Sanger Cafariello von der Nation
7^
angebetet, und von nller Welt mit den ans-
gezeuhnelften Ehrenbezeugungen uberh.iuft ;
alle Mufiker betrugen iicb uiit vieler Unter-
werfung nnd Bef'pckt gegen ihii. Gluck ward
clavon untcrrichtet, nnd klbfi tlazu aufgefor-
dert. Er aber machti- nicmandem die Yifite,
obglekh er wul'ste, ckd's Cufaricllo in feiner
Oper fingen folltc: lo dafs dicier, erftaunt i'lber
dies unerhiirte Veriahren , gezwungen war
Gluclivit die Vilife zii macheu. Nachher war-
den fie die beitcn Freunde. "
„In Neaj»el koinponirte Gluck fiir dicfen
Sanger die beriilnnte Arie: So inai fenti fpi-
rarti fid volio , gegen die Iicb alle damalige
durtige Kojupuniften verbanden and behaup-
teten, dais in einer Stelle, wo die liiftmmente
wuhrend einem langen Hake tier klingcndcn
S Limine ties Cafariello viel zu than hatlen,
die I\egeln verlet/.t wj'ren. Sie lief en hanfen-
wcife mit tier Pariilnr diefer Arie zu Durante,
deiii clamaligen Oi.ikel der Tonkunft, ma feine
Emit heidnng /u horen. Diefer grofse Meifler
nnterfuchte die Stelle mid fagte ihnen: ich
lung nicht enthheiden, ob das fo ganz <\m
hegeln tier Kompofition genu'ifs fey; das fag
icb each aber alien, dais wir alle, bei mir an-
gefangen, uus lehr both darnit beriihnien wiir-
t\en, wenn wir eine folche Stelle gedacht uml
gefclirieben batten."
„In Parma weintc tier grofse Sanger Mi-
lieu als man ilim die Jiollc ties Orfeo brach-
te, inn fie auf dem lioftheater zu fingen : cb-nn
es ftbien ilmi als wenn das dnrchaus keine
Roile fi'ir einen prima fatotno nach italianikher
Sitte fey. Nachdem er aber nnter Clucks Di-
rektion die Bolle cinftudirt h.Ute, fchamte er
Cdi feiner Kurzfichtigkeit, gewann damit den
vollkommenften Beifall, nnd wanl fo ganz
Glucks Frennrl, dafs er daranf be/tantl, einige
Jabre init Gluck in Ft icn zn leben. "
„In Paris wnvtle ibm an dem Tage, da
feine Jphigcuia in Aidide ziim erftenmal anf-
gefiibrt werden follte, gemeldet, tier erfte San-
ger fey j; : "'tzlith krank geworden, nnd tlie
Kobe mi'ifi den Abend voji eineni antlern ge-
i'ungen werden: dies war vielleicbt nur eine
Kabale uui die Oper falleji zn machen. Gluck
anerkte tlieies nnd antworlete, tlie AufFiihrung
miiffe vcrkhoben wertlen. Man vcrficherte
ilun dies fey mminglith: f l a s Stack fey ange-
kiindk'l, tlem Iloi'e gemeldet, unci eine I'.ik'be
plotzliche VciTcIiiebung finer erwaiteten Vur-
ftellung fey ohiic ullcs Bciljuel ; das Stuck uuill'c
alfo nothwendig fo guf es feyn ktinne, g«:-geben
werden. Gluck ukLiile tiagegen, er wiinie feine
Oper licber ins Feuer werlen^ als eine verftiun-
melte Vorftellnng gebeji, nnd blieb in leiner
Entfchliefcimg uneifdnUterlich. Man nnter-
richtele den Hof davun, and die Vorftellnng
ward verfchoben."
„Als Gluck einft in Tlleu eine feiner Opern
beim Fliigel dirighte, ergriff das Feuer am Entle
des erften Ballets eine Couliffe. Es entftaml ein
grofser Larin ini Theater, die Ta'nzer zogen licb
zuriick, tlie Zufcbauer fucbten /icb zn relten:
das Feuer wmtle iudefj gelufcbt nnd man bcfahJ,
den zweiten Akt tier Oper anzufangen. Gluck
witlerfetzlc fit.b, weil derTmnult iicb nocb nicht
ganz gelegt batte, mid verlangtc tlas Ballet lolle
noil) eimnal jjegeben werden, tlamit iicb unter-
tlel's der Liiriii lege. Es entftaml dariiber ein
beftiger Streit. Die Tanzerinnen zittorten nocb
von Schreck, die Ta'nzer w.uen bereits cnlklei-
t'et. Gluck aber ftieg endlicb auf feinen Stnhl y
nntl rief in Gegenwart tics Holes laut iibcrs The-
ater: entwetler tlas Ballet wird nocb eimnal ge-
tanzt, oder tlie Oper ill fiir bcute aus. Alan war
gezwungen das Ballet nocb eimnal anzufangen,
woranF die Oper mit tlem ausgezeiebnetften Bei-
fall fortgefpielt wurde. Diefer bewnndeniswiir-
dige Muth bat ibm bei vielen Gelegenheiten, be-
fontlers in Frankreicb, grofse Dienfte getban."
„ Gluck ricbtete wo er nur innner konnte,
feine Mnfik nach tlen Perfonen, tlie fie fingen
follten, dem Orte and tlen Uniltanden ein: das
entzweite ibn einft mit 11/ injtajio ; denn Gluck
wollte die Ortlnung nnd Vertbeilung tier Bollen
niuiintlern, inn fie beifer tlen Sangern, die eben
da waren, anzujiaifen. Die Wirkung recbtfer-
tigte Glucks Urtbeil, das jederzeit von feinem
vicbtigen Gefi'ihl zeagte."
„Nocb itzt (iin Jalir 1786) hat Gluck ein fehr
empiindliches Herz; kaum dafs man von einer
feiner Opern zn fpretben beginnt, fo nimmt er
Theil, geriith in Feuer, in Leidenfchaft , weint,
nnd fagt nierkwiirdige Worte dariiber. So al's
nnd fcblief er lalt nicht, wenn er eben im Feuer
der Arbeit war. Innner von feinem Gegenftande
voll, fjuaiig er oft ties Nachts auf, verliefs oft
die Tafel ma zu fchreiben. "
,,In Horn nalnn er den Titcl eines Bitters
vovi gu/dneu Sporn an. Diefes trug iiichts zrt
feinem j.-erfdnliciicn Vertlienft and I\ahm bei,
gab ibm aber den in nianchen Fallen angench*
xnen Tiled ties Chevalier's.
K 5
7'f
Ich will hicr run- noth der Anekdote' die im
Lexicon von Ilandcl unci Gluck erzahlt wird
eine aiulre cntgcgen fetzen, die icli in London
feibiT viclfach erziihlen hdrte und die jene et-
wa9 umvahrfcheiulich macht. Gluck kompo-
nhte zu Hand els Zeiten audi fur die grofse
italianifche Oper in London; feine erile Oper
foil bey der erfien Vorftelhuig niclit gefallen
haben, nnd Gluck bekfigte fich dariiber gcgen
Handel, ihm feine Partitur vorzeigend. Iliin-
dcl erwiderte ilun darauf : Ihr habt Each nur zu
viel Millie mit der Oper gegeben, das ift hier
■aber niclit anpebracbt; fiir die Englander miifst
Ihr nuf irgend etwas Frappantes und fo recht
aufs Tronunelfell Wirkendes raffinirer: uiulEure
Oper wild dann gewifs fehr gefallen. Diefer
Rath foil Gluck auf die Idee gebracht haben
zu den Choren der Oper Pofaunen zu fetzen,
und nun foil die Oper aufserordentlich gefallen
haben. Ich gebe diefe Anekdote vvie fie niir
erzahlt word en ift; jene aber von Hdndels har-
tem Urtheil iiber Gluck als Contrapunktiften ift
auch nur Sage, and hat weniger Wahrfchein-
Uchkeit fur fich. Man kaun aber auch anneli-
men dafs fie beide wahr find, und dafs Iliin-
del, einer der groTsten Contrapunktiften leiner
Zeit, Glucken als Contrapunktift mil lick felbft
verglichen, fiir keinen Contrapunktiften gehal-
ten habe, fo beweift das dock nichts zuiu
Nachtheil des grofsen leidenfchaftliehen The-
aterkomponiften. Da ich )iiich hieriiber fchon
in dem 7ten Stuck meines Kunftmagazins
bei Gelege'nheit der Gluckfchen Arie: JMijcro
ah che faro? weitlauftig ausgelaJTen, fo will
ich meinen Lefer nur dahin verweifen. Auch
weifs ich, dafs mem Herzensfreund Schulz die-
felbe Idee gefafst hat, Glucks Leben zu bear-
beiten, und von dem kcinnen die Freunde der
Tonkunft jenen wichtigen Unterfchied zwifchen
Theaterkomponiften und Contrapunktiften fehr
voUkonnuen ausgeflihrt erwarten,
S. 5ao feh It:
Gi> the der fich durch die neue Ausgabe
feiner Schriften urn jede Kunft und alle zur
Kunft Berufene, vorziiglich aber auch.um die
Tonkunft und den achttm Componiften liuchft
verdient gemacht hat. Von dem herrlichen
Gedicht das den eiften Band anhebt, Zuelgnung
iibeifchrieben, und das in der fchweren Dich-
tungsart, die die Ilalianer ottave rime nennen»
ein fo vollkommenes Muftar ift, wie es viel-
leiclit felbft die Italiiiner niclit aufzuweil'en
rnben, bis zu dem kleinen Drama: Ki/nftlers
/f/jocu.-oTf. das den achten Band befchliefst,
weht durcb. alle Stiicke ein fo achter grafter
Kunftgeift, dafs diefe Lektiire allein, jedtui. /ur
Kunft Berufenen wecken und auf den rechten
Weg leiten kann.
Dort fpricht die PT'ahrheit; durch de8 Dicli-
ters Mund:
Dem Glurkliclien kann es au niclits gcbiecjicii,
Der dies Gefclienk mit /tiller Seelc niromt;
Aus Morgenduft gewebt mid Sonnenklarheit,
Der Diclitung Schleyer aus der Hand der W«iJir-
Jieif.
Hier die Mufe:
So wirkt mit Macht der edle Maun
JaJirhunderte auf feines Gleiclieu:
Denu was ein guter MeiifcJi errcichen kann
Ift niclit im eogen Raum des J^ebeus zu errcicheu
Drum lebt er audi nach feinem Tode fort,
Und ift fo wiikfam als cr lebte.
Die gute That, dns fchone Wort,
Es /trebt unfterblicli, wie er itcrblich ilrebte.
Fiir alle Lebensmomente desKiinftlers, von
der Stunde der Einweihung bis zu leiner Apo-
thcofe linden fich in Giithe's Schriften, erwe-
ckende, leitendc, erhebende, bildencle, golclne
Spriiche. Und was miifsen jedem achten Kiinft-
ler, oder auch wahihaft Berufenen, Gothe's
volleiidete Darfteliungen nicht alles feyn und
gewahren ! Seine Tphigenie und fein Taffo find
gewifs die vollendetften grofsten Kunftdarftel-
lungen die irgend eine Sprache aufzuweifen
hat, fein Glitz von Herlichingcn und fein Faujl
— Doch ich trete aus den Schranken des Ton-
kunftlers, der ich hier nur feyn darf und foil,
und fo fey auch diefer nur damn erinnert, daft
er in der nenen Ausgabe von GiJiha's Schrif-
ten fiir jede Art, die nur je auf dem deut-
fchen Theater vurgeftellt werdon und wirken
kann, vortrefliche Gedichtc findet, die ilnn den
wahren Gang der Leidenl'chaft und des EfFekt-
thuenden unverkennbar vorzeichnen. Sie ent-
halten fiir den Gefang aufser einer Menge fehr
bedeuteruler fchonev einzelncr Gedichte, im
achten Bande folgende Stiickc : i) Clau-
dinc von Villa Hell a. a) Erwiu und Ul-
nar c. 5) Jery und. lidtcly. 4J Scfierz, Life
und liache. 5) Lilla, 0) Der Triumph der
Lmpfnulfamkeit. j) Die Vagel. Diefe bei-
den letzten fehr laimigen Stucke geben <\cm
Tonkiinftler viel Aulafs zu a'cht koniifchor
und ()riginallauniaer Mufik. Haydn, DiUers-
dorf u, f. ip. konnten ihr fchoiics Talent
'!'>
gar fehr dabey anwenden. Die drey er/ten
Stiicke hab' ich mit grofser Lufi: in Mufik ge-
fetzt, unci bereits in Berlin mit fehr gluckli-
chem Erfolg' auffiihren fehen.
Goldberg ( — )• I c " befittfe von
ilun audi einigc grofse fehr fchwere Fli'igel-
concerte. Von fen i or ungeheuern Fertigkeit
erzahlt man Wuuderdinge : er foil die fchwer-
ften Sadien nicht nur vom Blatte, fond em
audi vom umgekehrten Blatte leicht und frey
gefpielt liabcn. In fcinen Phantafien loll er
unerfchopHich gewefen feyn. Was er felbll
fi'trs Klavier auffchrieb, foil er immer nur fur
elemle Kleinigkeiten fiir Damen gehalten ha-
ben. Der grofse Sebaftian Bach hat ihn jeder-
zeit fur feinen ftarkften Scliiiler im Klavier
und in der Orgel gehalten. Er befchaftigte
iich aber audi Tag und Nacht mit der Mulik
und kiimmerle fich mu alles iibrige durchaus
gar nicht. Er war ein aufserft melancholifcher
und cigeniinnigcr junger Mann. Eine feiner
tscliweftern die einen Danziger Major zum
Manne hatte, liab' ich als Knabe oft Stunden
lang von ihiu erzahlen huren. Sie felbft fpiel-
te die fchwerflen Sachen ihres Bruders mit
grofser feltner Fertigkeit und Pracifion, olme
aber je cinige Unterweifung von ihm erlialten
zu haben, fie diuTte nicht in fein Zimmer
kommen wenn er fpielte, fondern laufchte nur
aufserhalb an der Tin ire; dahingegen er fich
mit einer altern Schweiter die er liebte, die aber
nicht das mindefte Talent zur Mufik hatte, alie
mfigliche Miihe gab fie mufikalifch zu machen :
doch vergeblich. Es ift diefes ein fehr merk-
•wi'irdiges Beifpiel wie in der fchonen Kunft
allc Miihe da verlohren ift, wo kein nati'irli-
dies Talent zum Grunde liegt, und wie das
wahre Talent hingegen nur des guten Beifpiels
bedarf, urn aufgeweckt und gebildet zu wer-
den: denn wenn ich die Frau Capellnteijlerin
fj'ejtanholz in Ludicigsluji und die Frau von
Schadcn in Augsburg ausnehme, fo befinne
ich mich nicht je eine grofsere Klavierfpielerin
gehcirt zu haben, als die ununterrichtete Scliwe-
iter Goldbergs.
Orajp, (Antonio) lebt feit 1789 in JPlfa
und geniefst auf Lebenszeit eine Penfion vom
Konigl. Prenfsifchen Ilofe.
Graun (Carl Heinrich). In der Anzeige
der Werke clieles Meifters fehlen die italiiini-
fihcu Gantaten die er in zieinlicher Anzalil
'komponirt hat, und die zur richtigen Beur-
tlifiluDg feines VercUeniies als Singekoinponift
vor alien andem am beften zum Mc.ifsfube
dienen. Er fchrieb dude gun/- frey, nach eig-
11 em Sinne, und fchrieb lie giufsentheil* fur
l'eine eigne vortreflichc Ti.ni.rftimme.
D
ei'z
S. 53 7 feh It:
Grave ( — — — ) ein junger Sanger
defTen fchone Tenoifthnnie und Gdtait 11119
einen ganz vorziiglichen Theaterhinger ver-
fprachen ; der Tod rafte ihn aber in der fcln'iii-
ften BliUhe weg. Die verwittwete Ileiv.'>g'm
von IT'eimar, in deren Dienften er zuletzt itand
fcliickte ihn vor einigen Jahreit nacb Italien
und er war eben in Neapel in der vortrefli-
chen Schule des Alto - Sanger Jprile als eine
Art von Verriickung ihm den Tod bewirkte.
Graziaut war ein braver italianifcher Vio-
loncellift und feit Hejfcns, des Gambiften Tode,
und bis zu Duports Ankunft in Berlin, L-eh-
rer des jetzigen Kunigs von Prcufsen im Vio-
loncell. Er ftarb 1787 in Potsdain: l'eine Frau,
die an den Operettenvorftelluneeii der daniali-
gen Kronprinzefllnn von Preufsen oft. die Ehre
hatte als Sangerin Antheil zu nehmen, bit
vom Konige das halbe Gehalt ihres Mai.ues,
namlich fechs hundert Thaler als Pen Hon be-
halten, und erzieht an ihrer Tochter, die cine
ftarke voile Contr' Altftiinme hat, eine brave
S«'ingerin fiir diefe fo feltne und inuner feltner
werdende Stinmie,
Grctry (A. E. M.) Schade dak H. G. bey
diefem Artikel nicht die reichhaltigcn fonder-
baren Mcmoires diefes Kunfilers hat benutzen
konnen. Er hat darinnen fein Kiinftlerleben
mit grofscm Detail befchrieben, und zn fo
vielen andern Memoires einen nenen Bewois
geliefcrt, wie felten die Memoirenfchreiber
ihres eignen Lebens fich felbft kennen.
S. 547 fehlt .
Grillo (Nicolo) delTen Cantaten in Italien
fehr gefchatzt werden. Man hat von ihm audi
einige iiber Poefien im neapolitanifchen Volks-
dialekL
Le Gros (Jofeph) hat bereits fe't zehn J.ih-
ren das grofse Operntheater in Paris veilail'en,
und wollte im Jahr 17O7 ills dem letzten Jahr
feines erften Privilegimns audi das Concert
fpirituel aufgeben und auf einem Landguie fein
Leben befchliefsen.
Grojfc (S. D) der Violinift, liarb 1789 in
Berlin, allgemein bedauert, in fcinen belten
Jaluen.
7 6
S. 55i fehlt:
Groffe, cin gefcluckter Hoboift in der Ko-
liiglichen Candle, der an feinem Sohne einen
fehr braven Y'ioloncelliften erzieht. Diel'er hat
fich als Knabc bereits bey Hofe und dem Pu-
bliknm mit Beyfull horen lalfcn.
S. 565 fehlt:
Guiguou, ein ehemaliger braver Klavier-
fpieler in Paris.
S. 5G6 fehlt:
Gitrlich, Msheriger Organift bey der Ca-
tholifchen Kirche in Berlin, und feit 1790 Con-
traviolonift in der Koniglichen Capelle dafelbft.
Er hat einige fehr gnte Klavierfachen in Ber-
lin bey RelUlab drncken lairen und audi fur
den Gefang einige Cantaten und Scenen kom-
ponirt die ihm Ehre inachen, und einen vor-
zuglichen Componiften fi'ir die Zukunft ver-
Iprechen. Eine deutfthe Cantate auf den Ge-
LmrLstag des itztregierenden Konigs fur das
ILiebhaber concert , und eine italianifche : la
Tevipefta fi'ir Herrn Fr aniens angenelnue Bafs-
ftimme gefchrieben, zeichnen fich vorznglich
danmter aus.
Handel (George Friedrich.) lux Verzeich-
nifs der Werke diefes Meifters fehlen folgen-
tle: Unter den Opern, die italianifchen Opern:
Rinaldo und Raii 'ainijlo, die ich in fauber ge-
ftochener PartiLur befitze. Bei einer wieder-
hollon Vorftellung umfs Handel neue Slucke
liiiizugefi'igt haben, denn er hat fpa'ter, unter
dem Titel: Arie aggiwiLc di Raddmifto nocli
v.ehn Alien und ein Duett ftechen lall'en. Die
Oper: P aft or fido gehcirt nicht unter feine
dcutfthen fondern unter feine italianifdieu
Werke: fie ift vielleicht feine gefalligfte Arbeit ;
ich habe audi etwns damns ini KuitfimagarJu
abdrucken lall'en. Unter den geiftlichen Sarhen
fehlt cines feincr allenvithtigften und fdiuii-
ften Werke: Funeral Anthems : das genauc Siu-
dium diefes einen Werks konntc ein a'chtes Ge-
nie zum Componiften bilden. Ich befitze audi
ein grofses in Kupfer gel'tochenes Werk vim
440 *Kupferplatlen, welches den deutf'chen Yer-
ehrern ll;'indels vorziiglich bekannt zu wenien
verdient; denn es enthiilt die fchonftcn Alien
ans den meiffn Opern die von Handel in
London aufsefuhrt wonlen find. Ich will znr
Erleichternng der Nachfrage den ganzen Titel
tlavon herfet/en, iiberzeugt, dais man lich die-
fes Werk, das die Bluihen und Blmnen dev
lueiilen Hiindelfchon Opern enthiilt leichter
verfchafFen kann, al* die Opern felbft, die nur
zum Theil in Kupfer geftochen find. -Erheifst;
Apollo's Feaft or the Harmony of the Opera
ftage being a well.chofeii Collection of the J a-
■uourite and moft celebrated Songs out of the
late ft Opera's compos' d by Mr. Handel, done
in a vlaln a intelligible Character with their
Symphony* for Foices and Tnftruments the
whole fairly engraven ct carefully corrected
(diefes letzte ift nicht wain) containing e5x
Plates. JLoudon Printed for and fold by
f'Falsh in Calerine ftreet in the ft rand and
Jofeph Hare in Co nihil I near the Royal JLx-
change.
Ein dritter Theil differ Sammlung, der
aus 209 Kupferplatten befteht, hat nodi fol-
gende Nachricht auf dem Titel: /// this, and
the ift Collection is contain' d all the cele-
brated Songs out of I/Ir. Handel's Operas.
Das ift nun nicht fo ganz wahr, indefs ent-
halten beide Theile — der zweite, den ich
nicht befitze, iimfs Werke cines andern Mei-
fters enthalten — docli die fchonlten Alien
aus i\en meiften Hiindelfchen Opern und zwar
aus Gulio Cefare, Flavin, Jluzio fcevola,
Othone, Floridantc, liimcrlano, Rinaldo, To-
lomeo, Admeto, Allefjandro, Rodeliuda, Scipio,
Siroe y Radamifto, Ricardo I. Thefeo. Die
Titel der Opern find in diefeni Werke grofs-
tentheils englifch abgedrnckt, audi enthalten
viele Arien nehen der italianifdicn Poefie ei-
nen untergelegten englifch en Text. Die mei-
ften Alien find in vollftandiger Partitur abge-
dnickt, und da, wo nur eine Violinftiuune und
der Bafs neben der Singfliuuue fleht, — zn-
weilen fteht audi bios Fiolino uius : iiber der
Siiigftiiume — - ift wohl audi bei der Auffuh-
rung, nach der damaligen Simplicitat der Be-
glcitung und doiiiinirendcn Gultheil: der 6>;ng-
itimnie weiter keine Begleitting gewefen, und
man fnulet fie audi fo in den vullftiimnig ge-
ftodienen Partilinen; die meiflen Alien liaben
indefs ztoei Violinen, Jirutjche und liafs: ei-
nige audi blafende Inftruniente, die man da-
nials nocli fehr zu hervorftechender und ganz
beftiminter Wirkung auffpartc. Die Singltim-
me der meiften Diskantarien ift im Violin-
fdiliiilel, nur felten, und meift bei tie fern fa ft
Contr' Altarien im Diskantfchlulfel. Man ift
dannls in London eben fo Mug gewefen, ala
aiu\n es itzt in Berlin ift : . zu grofsen lieroi-
fchen I\ollen audi die Bafsftinune auf tleiu
italianifchen Opernlheater zu gebrauclien: es
ift eine Freude die fchoncn Handelfchen Bafs-
arien auzufelien, die nicht Diskantarien IVyn
wollen,
77
rvollen, fond em a elite Bafsiirien find und von
Anfang bis zu Ende es hkibcn. Dk meiften
Avien find am Ende nodi fur cine Flute, eine
Quintc, auch wold Sexie ln'iher abgedmckt,
workmen die Oberlihume a us den ftitornells
fowohl als von der Singepanhic, Note f fir Note
fteht. F.ndlich cnthalt die Samnilung auch
noch einige Duetten a us den Handelfch.cn
Opern.
3. Freimuthjjre Gedanken iiber das erfte Heft des mufikalifchcn Woclicnblalls.
An die Ilcrrn Ilerausgebcr. *)
Ihr Unlcrnehmen ift zu ri'ihm'.kh und die
Ausfi'ihrung zu gli'icklich begonncu, als dafs
nicht jeder eifrigo Kuiiufrennd wi'mkhen kibe,
liu- Wochenblatt mit jedeni folgcnden Stiicke
dcr Vollkommeuheit naher ruck en zu felin.
Man erkcnnt gar wuhl an manchem Auffatze
des erften Heftes die Meiflerhand, und iiber-
all die lublkhe Abficht, dnrch ftrenge und
feine Critik die Ki'uifiler auf die beften Zwecke
der Kunft und auf ihr wahres Wefen aufmerk-
fam zu niaclicn. Gcwifs geht Ihr Hauptaugen-
jnerk dahin, den fatalen Schlendrian, in dem
die meiften Knnftler unfrer Zeis fo gedanken-
los hinfchlendern, und der Erbarmlichkeit. un-
frer feilen Critik mit Macbt entgegen zu ar-
beiten und um To einpfindlicher miifte Ihnen
felbtr. jeder Mangel, der bci einein folchen
Werk unvenneidlichift, werden, wenn er ofter
fich einftellte, oder gar bleil)end wi'urle. Es ift
aber nicht mbglich, dafs dieHerausgeber felbft,
die hniuer nur mit der Fortfetzung befchaf-
tigt feyn mi'iHen , ganz ftrenge allenial wa'hlen
konnen, oder mit fo ruhigem unbefangenem
Blick auf das Werk zuri'icklelien konnen, mit
dem es der ruhig-anfmerkfame Lefir betrach-
tet. Audi werden <iie offentlichen Crkiken
nicht unbefangen und oiTen genug Ihr Werk
beurtheilen. Die meiften Zeiturigscritiken, die
einmal zur Auspofannung der Exiftenz eines
Werks nothvvendig geworden find, werden alles
loben, vvenn iia Ihnen nicht gar zmnuthen,
dafs Sic die lobenden I\ecenfioncn felbft ein-
fchicken folleu. Die belferen Journale werden
Ihnen eine Menge Anzeigen und ftecenfionen
zu le fen geboi:, die cntweder von Frcunden
Q.der Fcinden gefchrieben werden. An diefen
letzten wird os Ihnen bei Hirer grofsen Frei-
miithigkeit nidi! fehkn, an jencn eben lb \ve-
nig, da die Z;:!il liner iNlitarbeiter grofs /u fcyn
kheint, und iidi auch Manner van wkhtipem
Einllufs bereits angc-kneen iiahcu zu nennen.
In diofem Sendfchreiben bkiet Ihnen cin
Mann freundli h die Hand, den Sie durcli die
Abficht und Ausl'uhrung lines Unternehniem
bereifs zum aufmerkfamen und theilnehmcn-
c\en Lefer gemacht haben , und der die Ver-
vollkommnung Hires Werks herzlich wiinkhl,
und nacli feinem Vernuigen dazu boilr.igen
liiuchte, wenn Ihnen die Idee gefiele, Ihnen nach
Beendigung eines jeden Heftes die felbft ge-
machteii oder bier und da aufgefangenen Bo-
merkungen iiber dalTclbe zum Abdruck im fol-
genden Hefte mitzutheilen. Sie winden diuch
dicfe MitLhcilung eines Tadel*, den Sie gcrecht
finden, den beften Bow-is able2.cn, dafs Ihnen
die Vervollkonunnung Hires Werki wahrhaft
am Herzen lage, und jeden Tadel den Sie
nicht anerkennen konnten, mi'ifsten Sie gleicli
in hinzugefiigten Amuerkungen widerkgen,
oder die entfchuldigenden Uml'tande fo weit
fie der offenllichen Bckanntmacbnng werth wii-
ren , hinzumgen. Auf diefe Weifc wiirden
Sie dem Lefer manche hiftorifche Nachrichr
von der Entftehung diefes und jenes Auffatze?
bckannt machen konnen, wozu Ihnen fori ft
die Veranlalfimg felilen wiirde. Mancher hin-
ge wo rf en e und halb oder niifsverftandene Ge-
danke wiirde auf diefe Weife genauer entwik-
kelt werden u. f. w.
Wir machen dann zum voraus untercin-
ander ab, dafs icli das bios zu Lobende nie
*) Tin Fclder in dcr AdrcfTc Iiat diefei tins fclir
•willkoiitniiic Sf:Iue;l)ei! fj),Uer in imfie Il.nule
kommcii laiTi"n. Wir p)icn mit dem btfton V\'il-
leit in 'lie like dc< Ilcrrn BricffdiiRiburj eir.,
mid werden in dem i..n li/tcn Su'ir.k die Aumor-
kun^fii iiber d.i? eriic I luff mit oinigcii vim mis
liiuzitgufiigtcii Ainitcrkungcit abdrttcken Ia/IVh.
Der Fort f<jt 7.ti ng folclier freiniiiihicfir Ct>danI:on
iihur n nfer ^^ oclicnldau, und ddicn iiuiuik )i-
r\g.c. Forifei/<inj>; als JMon.uhsfclirift felien wir,
und verniutldiili tmfrc Lefer mit mis, ir.it Vlt-
i^iiiiai-n ciUioacii,
' " J. It.
7 5
beriihre, unci dafs ich meincn Tadel fi'ir mcht9
antlers gebe, als fi'ir Bemerkung eines Kuiifc-
freuudcs, der in tier Vervollkoiumnung Hires
Werks unci felbft in Hirer Wiclerlegung feines
Taclels eigne Belehrnrig fucht. Dcn^Lefern
kann es audi nidi »: uninterefTant feyn, an einer
folchen Joyalen Unterhandlung Antheil zu neh-
men. Ich denke mir das vielmehr ah eine
nicht unangenelune Erwartung mehr im Hcr-
zen Hirer Lefer. Und bekannllich ill die Bc-
nutzung und Vervielfa'ltignng dieter Erwartung
ein Hauplzug rchi-ifYIicllerirciicr Klugheit. i\lit
gutem deutfchem Vertruuen fend' ich Ilmen hie-
mit die Anmerkungen, die Ich nnd die mich
zunachlr Umgebenden iiber i!as erfte Heft Hi-
res Wochenblalts gemacht haben, und Hire
Aufnaiuiie wircl entltheiden, ob ich kiinftig
fortfahren oiler fchweigen foil.
Hah 3 ich gegen Hire Einwendnngen wie-
der etwas auzuiuerken, fo loll das in moglich-
fter Ki'irze, und innner mit der Achtung ge-
fchchen, die nun fthinnern fJiuldig ift, die
zuni walnen Vergniigen und zmn Unlerricht
des Publlkuuis thaiig wirken.
(Die Fortfetzung im n.icbfien Snick.)
dllgcvieine Gefchichle der Mufik von J. iV.
Forkel. ,xv Band (koftet in der neucn Ber-
linifchen Mufikhandlung 5 Rthlr. i5 Gi\)
( E r ft e Fortfetzung.)
In dem erften Kapitel, welches vom Ur-
fprung und dan Eifindern der iMufik handelt,
h'ifst licli II. F. mit Rccbt auf die verfdnedenen
oft fehr wunderlichen Me'mungen iilterer und
11011 erer SchriftfielltT vom Urfprunge der jMtifik
gar nicht ein. Er fagt (.S. 69.) fehr walir: die
Alufik i it ein eben fo nothwendiger Tlieil [in-
fers Wefens als unfre Spraihe. Si J ift die
.Sprache urifors Her/ens, und den Kchn der-
felben bringt jeder Alenfch bei feinem Eintritt
in dicfe Welt mit fidi. Im c. 3. 4. 5. und
6. (j. handelt II. F. von dem fehr langfamen
allmahligen Fortfchritte der Kiinfte und Wif-
fcufdiaflen im Verbal tnifs mit dem Zuflande
der JSauonen. Von den allererften Eifindern
mag das wohl gel ten was IT. F. S. 71. mit
jtllarpurg bchauplet: ,,Sie find nidi 15 mehr
und nidus wenieer als erfte Ausiiber der
Kiinfte, odor folchc* Menfdien gewefen, die ir-
gend eine Kuuft oder einen Tlieil derfelben
zuerft ausgeiibt und nm einige Sdnitle weiter
gebradit habcu, als lie unter ibren iibrigen
iVlitburgern war." (). 7. heifst es gar gut: die
IWufik \ommt aus dem Herzen und geht in
die Herzen. Ein unmittelbares inncres Gel'iihl
hat den Menfdien nothwendig, fowuhl auf
den Gefang als auf die urfpriinglidi fo nahe
daiuit vervvandtc Sprache leiten miilfen u. f. w.
<$. 0. zeigt IT. F. fehr gut, dafs kein an-
gehender Slaat die Kuuft zuerlt auf einen ge-
vvillen Grad der Vollkunimenheit gebradit ha-
ben kann. Die ichC'iieu Kiinfte iiwl Kinder
L RECENSIONEN.
des UeberfluiTes unci nur in dem Grade in
welchem* die Verfeinerung und Veredlung
menfclilicher Gefiihle zuninnnt, konnen lie
zur hohern Vollkoiumenlieit hinaufileieen.
Nidtt uninterelfant ware bei differ Gelcgcnheit
die naliere Erorterung des Uniftandes gewefen,
dafs die gn'ifsere .Sd.aife und Feinheit tier
aulfern Shine bei den Wildcn nidits zur fri'u
hern oder fdmellern Ambihlung der fchonen
Kiinfte beilragt und beitragen kann. Es liefse
fidi tlabei am he f ten zeigen , wie es bei Aus-
bihlung der fchonen Kunftt: gar nicht alleiii
auf die Befchalfenheit der aulfern Sinne an-
koinmt.
Die JEgy/il/vr, llebraer, ^riecken und Ro-
mer waren nach §. 9. die Volker, die unfres
Wi liens die Kiinfte zuerft ait: einen gewilfen
Grad der Vollkominenheit braditen , und Co
die Lehrer der iibrigen bewo.'inten Welt
wurden. \Vas H. F. im t). fi. fn.-ifo, und int
q. (). von Hirer der F.ihickv'ilsexilvvickelung
voillieilhaften VerfaiVung und dem giinftigen
Einllufs einer mihlen .Somie kurz erwalmt,
erinnert den Rec. an eine fehr wahre weiter
eingreifende Siclle in Iutut.t Kritik der Ur-
ttwilskrtij't 1 die die Lefer hier gewifs mit
Vergniigen fintlen wcnlen. Kant fagt S. a58:
die i J roj)a'devtik zu aller I'chonen Kuuft, fofern
es auf den hochften Grad ihrer Vollkominen-
heit angelegt ift, fdieint nicht in Vorfchriften
fondern in der Kuli.nr tier Geniiithskrafte,
ihtrch tliejenigen Vorkenntrh.Jl'e zu liegen, wel-
die man humaiuora nennt, vermuthlich, weil
Ilunianitat cinerfeits tlas allgeiueine Theilneh.
miing.sgefubl, anderfeits das Vefniogen fidi in-
jiigft und allgjenn.in mittheileu zu kiinnen be-
tleutet, welche Eigenfchaften zufanimen ver-
79
bunden die der Menfcbheit angcineffenc Ge-
felligkeii. ausmadicu, wodurch fie Ikh von der
tlikrifdieu F.ingekhraukthe-it unterfcheidet. Das
Zeitaher low obi, uU die Vulker, in welchen
dcr rege Trkb zur gefetzlkhen Gefelligkeit,
wodurch ei ji V'ulk cjji dauerndes gemeines
Wel'cn ausmacht, niit den grofsen Sdiwierig-
ke'iten rans:, wckhe die fchwere Anfgabe Frei-
heit (und" alio audi Gkichhcit) init einem
Zwange (mehv dcr Achtiuig unci Unterwcrfung
aus Pdkht :.U Fiii'dir) zu vereinigen, umga-
ben, ein foidu-s Zcitaker und oin fokhes Volk
inufste die Kunft der wechfelfeitigen JMitlhei-
lung ckr Ideen des ausgebilcletften Tbeils mit
dem roheren, die Abllimnning der Erweite-
rung nnd Verfeinerung der erftern zur natiir-
lichen Einfalt unci Originalitat der let z tern
nnd auf dkfe Art dasjenige Mittel zwifdien
der hohern Kultur nnd der genugfatnen Natur
zuerft erlinden, welches den rkhtigen, nach
keinen allgemeinen BegeJn anzugebenden
Maafsftab audi iVir den Gefchmack, als alie;e-
mcinen Menl'chenfinn ansniadit. Schvverlicli
wird ein fpatercs Zeitaker jene Mufter entbehr-
lich machen; weil es der Natur iuuner weni-
ger nahe feyn wird, nnd fich zulejzt ohne
bleibende Beifpiele von ilir zu ha ben, kaunt
einen Begrilf von der gli'icklichen Vereinigung
des gefetzlkhen Zwanges der hochften Kultur
init der Kraft urnl Bkhtigkuit der ihren eige-
nen Werth fuhlenden freien Natur in cineni
nnd denifelben Volke zu lnnchen im Staiule
feyn niiichte".
Im zweiten Kapitel handelt H. F. von
dcr Mulik bei (\cn Egyptiern. Da der Verf,
die wenigen nnd ziemlich unbedeutenden
Nach rich ten aller alien nnd neuern Gefchicht-
fdireiber beftmoglkhft benut/.t lint, I\ec. audi
cben fo wenig als der Verf. felbft in Egyj)i.en
gewefen, inn unter den Huineii unci Kunft-
wcrken , die Zeiclinungen von niufikalifchen
Inltrunienten unci das Mufikzhnmer in deni
Grabe des Ofynunders bei Theben zu unter-
f uchen, auch nicht einmal zu cineni der drei-
oder lieber fiebeninal gli'icklkhen Orden ge-
hort, die von der a! ten Egyprifdien Weisheit
nnd Kunft fo wunderbar volliiandig unterrich-
tet find, l'o bleibt ihm nkhts anders ubrig, als
die Befultate aus diefer Abhandlung, zur Nach-
ridit fur den Lefer getreu anzugeben, unci
hochftens zu bedauern, dafs der Verf. liir ei-
nen vollkomnmen unpai tlieyifchen Gefchicht-
fchreiber fich zu felir clem Hange iiberlafsf,
da wo die Nachrichten nkht hinreichen, unci
in. die augeni'allemle Beilpkle iehlen, alfo itzt
nichts inclir vnikmdcn ift, gleich zu verniu-
then, dais audi wol-l nie etw^s da gewefen
ift, das cinker Adiiung win dig feyn miichte.
Diefen etwas einfeiik.n MuiliJiiafsungcn aber
andere nkht weniccr imhewiefene JVluthuiaf-
fungen entgegeu zu i'idkn, wird fich I\ec.
wohl liiiten. Er erinneil fidi tlabei vines gu-
ten Ein fa Ms unfers unftcrbiichen Ldl'ings, der
einen feincr Freunde, wddier audi etwa-s iiber
die Gekhkhte dor JWufik alter Viilker gekhrie-
ben hatle, felir be.c.Uickwiinldite, d.ifi er da
ein Buch gefduieben h.'itto, wijgegen gcr.vifs
niemand etwas einwenden follte, unci darauf
die Befchaniung feincs befchtidenen Freundes
damit beruliigte: d.ifs fiber den Gegenflanil fei-
ncs Buchs gewif-j jeder andere eben fo wenig
wille als er felbft.
Hier find nun die Refultate der Abhand-
lung.
5. 1. Egypten wird als das alrefte Land
angenoininen, wo Wilfenfchaffen und Kiinfto
geijlitht haben.
§. 1. Egypten ift das Land dcr Sonder-
barkeiten und Fabeln.
(). 5. Die Egyptier fchreiben, wie f.ift alle
Viilker zu thun jn'legen, die Erliiului:a; tier
Kiinfte unci Wiilenfchaften ihren c.ften Bdierr-
fchern , deiu OJiris, der JJis y deni Jlcrcur
Oder Hernias zu.
5. 4. Die Egyptier haben von den altefien
Zeilen her die Aufiiierkfanikeit der nieiften
gleidizeitigen Natiuntii r.ul' fich gezngen. JJc
rudot der ahefte griediifcbe Gefchiciitfchreiber
vermochie fchon in Egyjiten febft, wedcr die
Zeit des Danes ihrer noch itzt Bewiinderung
und Ehrfurcht erregenden Teinpel und I'yra-
nxiden, noch die Bedeutung der darauf ent-
haltenen Ilieroglyphen zu entdecken.
§. 5. Es ift zu vcrmulhen, dafs weuig-
ftens die eiften und einfachften Lehren der
Harmonik odcr die Ausnielumg der Kliinge,
und die Geletze ihrer Verhakniife gegen ein-
andcr, cbcufalls eiue Er/indung diefos Yolks
warm, deni die IlcbWier unci Griedien fall
alle ihre Wiilenfchaften und Kiinfte dankten.
§. 6. 7. 8. widerlegt die Meinung des
Diodor's, als ky die Mufik bei den Egyptiern
in Verachtting gewefen, init Stellen aus Bf.t>fes t
Fythagora.\ r, Hero/lot , Plato, Clemens 1:011
Alexandrian und aus deni Diodor felbft. Fine
Vergkkhunt: von dem vcriichiliclwui und von
L 2 "
Go
dem be/Tern Theile tier Nation wirklich vevach-
teten, gegemvartigem Zuftande der Mufik in
Italicn untl ihrem eheiualigen mit Recht fo
hoch verehrten Zuftarule, hatte die Wider-
Ipriiche alterer untl neuerer Schriftfteller wohl
am be.ften ins Licht geftellt.
<$. 10 « Unter der ftrengen e<rypdfchen Po-
hzei litten auch die Kiinfte. (daft aber alle
Kunfiiibungen ohne alle Fcrandcrwig einmal
wie das andre vefrichtet werden mufsten, wi-
derlegen Paw und Goguet.')
§. 11. Von der UnwUTenheit der Gefchicht-
fchreiber iiber die Mufik der Egyptier. (Die
'Schlufsfolge in der Widerlegung des RouJJier
leuchtet dem Rec. nicht ein. Er begreift fie
To wenig, dafa er faft eine Liicke in. dem %.
vermuthet.)
§. 12. Es fehlte ihnen wahrfcheinlich an
einem geordneten Syftem.
5. i3. Von ihrem muthmafslichen Syftem.
Hier bemerkt H. F. felir richtig gegeh liouf-
jier: „man mufste wirklich fi'ir 'die Egyptier
.felir eingenoiiunen feyn, uin in ihrer bildlichen
Vorftellung von mehrern Dingen etwas Ver-
dienftliches zu finden; denn eben die Bcnier-
kung der Uebereinftimmung ihrer Tonleiter
mit der Ordnung der Planeten, der Wochen-
tage und Tagesftunden, ift der auffallendfte Be-
weis, dafs fie von dem gemeinfchaftlichen
Bande, womit alle Wilfenfchaften und Kiinfte
zufammenhangen , kaum c\en Schatten des
•wahren BegrifFs batten, den Cicero damit ver-
bancl. Die Bemerkung welche die Egyptier
von der Aehnlichkeit der VerhaltnilFe unter
den Tonen ihrer Mufik, undindenPlaneten, Wo-
chentagen und Tagepftunden gemacht haben,
gri'indete fich bios auf die Aehnlichkeit der
Entfernungen, die man an die fen Gegeiiftiinden
gewalir wurde. u. f. w. "
5. 14. i5. iC. MuthinalTiingen i'xber die
Tonleiter der Egyptier. Von dem Verha'ltnifs
der Tone zu den Planeten und zu den Tagen
der Woche, nach RonUler.
§. 17. 18. 20. Die Egyptier machten von
ihrer Mufik nur bei ihrcn Gotterfeften und
LeichenbegangnhTen Gebrau ch.
§. 19. Von den heiligen Bi'ichern ihres
Hermes, die mit grofser Feierliclikeit in Pro-
zeUIonen herumgetragen wurden.
5. £1, Die Egyptier hatten nur gottesdienft-
liche Fefie. Schaul'piele kannten fie nicht. Sie
fchienen nicht zur Luft und Freude erfchaffen
zu feyn. Indefs fcheint doch auch die Feier
ihrer Geburtstage bei ihnen eingefuhrt gewefen
zu feyn.
$. 22. Ihre Inftrumente waren meiftens
von egyptifcher Erfmdung.
5. 2-3. Von der dreifaitigcn Lyra des Mer-
kur. Eine am Nylufer von der Sonne ausge-
trocknete Schildkrbte dcren angefpante Sehnen
beiin Anftofs mit dem Fufse erklnngen, foil
die Veranlaflung zu ihrer Erfindung gegeben
haben. Die vierfaitige Lyra von welcher Jioe-
thins fpricht, fchreibt H. F. einem griecliifchen
Merkur zu.
5. 24. und 2.5. Von einem mufikalifchcn
Inftrumente mit zwo Saiten und einem Hals,
dem neapolitanifchen Cola'fcione ahnlich, wel-
ches man auf dem zerbrochnen Obelisk auf
dem Marsfelde in Rom abgebildet fieht.
(J. 5.6. Von der gebogenen Flote, einem
Kuhhorn ahnlich, vielleicht gar nur ein wirk-
liches Kuhhorn.
$. 27. Vom Syftrum, von der Pauke, der
dreieckigten Lyra, derTrompete und der vielto-
nigen Flote.
§. 28. Ueber die Unzulanflichkeit der Nach*
richten von Reifenden fiber die Form und Be-
fchaffenheit der auf alten egyptifchen Denk-
malern abgebildetcn mufikalifchen Inftrumente.
$. 29. Enthalt das ziemlich ausfiihrliche
und reichhaltige Schreiben von /. Bruce an
Harney.
5. So. Aus der BefchafFenhcit diefer In-
ftrumente, fo weit die Be't hn-I'jiusgen aus-
reichen, glaubt II. F. mit Walnfcheinlichkeit
fchliefsen zu kbnnen, dais die egyptifche Mu-
fik ein roher Anfang der Kuril! , ein der Be*
trachtung der Nachwelt unwiirdiges Ding ge«
blieben ift. Mit Recht fagt H. F. „Es gibt
der Erfordernilfe auch nur zu oincm mafsigen
Grade von Vollkommenheit diefer Kunft, noch
auller den Inftrumenten fo viele, die fajntlich
von den Gelchichtfchreibern der egyptifchen
Kiinfte und Wilfenfchaften iiborgangen find *)
*) Tiir wclclie Wiflenfcliaft und Kun/l der Egyptier reichen abcr wohl die Nacliriclnen alkr Vefchitiit-
fchreiber weit?
Hi
und ohne welche "gleichwohl fo wenig in tier
Mufik, als in antleni Kiinftcn und Wilfenfchal'-
ten cine wirklich etwas betrachtliche Atisbil-
dung gedacht werdcn kann, dafs man geno-
thigt iit, die Beftintmung diefer Frage entweder
ga'nzlich anfzugeben, oder Vermuthungen und
Folgemngen 7.11 wagen u. f. w. H. A", thut
diefes wie folget.
§. 5i. Von der Wichtigkeit dor Notirungs-
kunft ; ohne lie iiiufs -die Mufik unbedeutend
bleiben.
5. 32. unci 33. Von clem langfainen Fort-
gange der Schreibekiinfl bei den Egyptiern.
§. 54. Kein Sclniftfteller ties Alterthums
«rwahnt einer egyptifchen Mufikfehrift.
§. 55. Ans der vielfeitigen Aelmlichkeit
der Egyptier niit den Chinefen wirtl die Ver-
luuthung gezogen, dafs fie vieileicht auch eine
ahnliche Mufikfehrift gehabt haben. Von der
Unbequemlichkeit nnd Einfeitigkeit der chmefi-
fchen Notirungskunft.
§. 56. H. F. glanbt am wenigften dem Irr-
tbuni ausgefetzt zn feyn , wenn "er iiberbaupt
anninunt, dafs die wirklich grofse Kunfi, Mufik
zn Ichreiben, bei den Egyptiern gar nicht be-
kannt war.
§. 57. H. F. glaubt, dafs die ganze Mufik
der Egyptier bli,s*'aus einer gewillen Art von
kurzen Liedern beftandm haben kann, fo wie
ungefahr unfre Volkslieder find. Zur Bcftiiti-
gung diefer Mr'"- \>g fiilut H. '\ einige Gefange
(wie er fi<j «»'i;:"::) an, ( v\; die Einwohner von
Abyifinicn, Aili'i-'M u *( Tigre Jahr aits Jahr ein
nnverandtrl vviederhnlen follen, nnd die dem
ft 11 fen »i'»d Lock* m unfrerSchweine- und Ga'nfe-
jnngen, aber nicht un fern Volksliedern ahnlich
find. Wir wollen zur Ehre der fich durch fo
Blanche eigne, Verwunderung erregende Kunft
nuszeiclmentlen Egyptier hofFen, dafs fie eben
fo wenig Aelmlichkeit mit den ehemaligen egyp-
tifchen Gefangen haben. Viehuehr hat fich H.
F. dabei auch unbekannt mit unfern a'chten
Volksliedern, oder ungerecht dagegen bewiefen.
$* 58. 5g. 4°* handelt noch einmal von
den Inftrunienten der Egyptier, urn zu zeigen,
dafs auch Cm kcine giinliige Meinung von tier
Mufik der Egyplkr erregen konnen. H. F.
geht Uicr in feinem JEifer fo wcit, dafs er un-
fre in diefem Jalnlmmlerte fo fehr vervoll-
komnmetc Harfe, die in den Handen einea
■Krumbholz in Paris, eines Cardon in London,
an Mannigfaltigkeit nnd Kraft mit dem Forte
piano wetteifert, und an Annehmlichkeit es
weit iibertrift, herabfetzt, 11111 die von Bruce
vortheilhaft befchriebene i3 faitige Thebanifchc
Harfe tle/io ficherer herabwi'irdigen zu konnen.
Er fagt : „ihre i5 Saiten wollen, gegen den no-
thigen Reichthum von Tonen verglichen, wel-
che zn einer Mufik von ciniger Vollkommen-
heit erforderlich find, nur fehr wenig bedeu-
ten. Um diefes vollkounuen einzufehen, darf
man nur an die einfache Harfe nnfrer Zeit
denken, die, ob fie gleich einen Umfang von
5 vollen diatonifdicn Octaven hat, dennoch
von jfdem wahren Mufik verftandigen zur Her-
vorbiingung einer etwas betrachilichern Mufik,
als elwa ein Lied, odrr ein anderes auf eine
einzige Tonart eingefchranktes kleines Stuck
i ft, unbrauchbar befunden wird." Sollte H.
F. die Pcdalharfe und die Moglichkeif, fie mit
derfelben Sicherheit und Fertigkeit zu gebrau-
chen als das Clavier nur je gcfpielt werden
kann, fo gar nicht kennen? Abor audi ange-
noinmen, dafs H. F. nur von der ganz geniei-
nen Harfe fpricht, die nur die tliatonilche
Tonleiter mit Sicherheit und volligcr Reinig-
keit darbietet, fo ift folchc doch viel zu fehr her-
abgefetzt und es beleidigt doth an cinem lol-
chen Sclniftfteller, wenn er den Werth tier
Inftrumente nach tier Anzahl feincr Saiten ab-
milst. H. F. fetzt hinzu: wenn 5 voile Octa-
ven fo wenig vermogen, was wollen i5 Saiten
die nicht einmal zwo voile Octaven ausina-
chen ?
($. 4-i. Das egyptifcheGefelz, nach welch em
jeder Sohn bei dem Gefchafte feines Vaters
bleiben mufste, wird als ein dritter Grnnd be-
trachtet, warnm fich bei den Egyptiern fchwer-
lich eine etwas vollkbmmene Mtifik denken
lafst. Rec. mochte H. F. doch gegen feinc
Schlufsfolgen die Bachfche und Bendafche Fa-
inilie nennen, zu tleren man wohl noch viele
andre Beilpielc finden k5nnte, die aber aliein
im Stonde find die vorgetragtnen Einwiirfe zu
viderlegen. Von den unzahligen Bachs und
Benda'a die wir kennen, hat keincr fo bios
das alte Lied des Vaters bios nachgefnngen
nnd nachgefpielt. Auch fieht Rec. gar nicht
ein wie H. F. ans jenem Gefetz, dafs der Sohn
bei der Kunft feines Vaters bleiben mufste,
folgern kann, dafs er durthans nur das alte Lied
des Vaters j;arhfingen durl'te, und nicht bis-
weilen ein neues fur feine eigne Emplimlung
L 3
Oa
paffenderes erdenken oder evlinden clurfte, wie
er S. 9G als ausgemacht vortriigt. *) Aber frei-
lieli lalst fich dazu wiedor der Nachfatz gut
anbringen ,,und fo ill es darchaus ummiglich
an die Ausbildung irgend einea Theils der
Kunft z,u denken."
§. 42. 43. Endlich fchliefst H. F. nnch
von der Befchaffenheit der iibrigen Wiil'en-
fchaften mid Kiinfte **) auf den ^vahrfchein-
lich geringen Gracl der Vollkommenheit der
egyptifchen Mufik und fummirt §. 44: die
Mufik der Egyptier alio nacli alien Nachrich-
ten, die wir von ihr haben, und nach alien
Vermuthungen, die fich aus ihreinNationalcha-
rakter, aus ihren Gefetzen, Sitten, Ge'braiichen,
Religion, Inftrumenten, und aus clem Zulian-
de der iibrigen Kiinfte und WiuenfchaFteu ab-
leiten lall'en, war hochftwahrfcheinlicherweife
nur cine Tehr unvollkommene Mufik. Sie
kann bios aus kleinen Liedern beftanden ha-
ben, die leicht, ohne Notirungskunft, voin
Vater auf den Sohn fortgepflanzt werden konn-
ten , fo wie fich in den neuern Zeiten etwa
Volkslieder Jahrhunderte liindurch auf ahnliche
Art erhalten haben.
§. 4-5. 4-6. enthalt noch einige Nachrieh-.
ten von der Zeit nach der Unterjochung der
Egyptier, in der griechifchc Kunlt und Sitte
in Egypten eingefuhrt wurde.
(Die weitere Fortfetzung folgt.)
Melodieen zu Liedem mit odcr ohne BcglcU
lung dvs Claviers zu fiugeu. Erftes Ileft,
Koppenhagen und Leipzig, bei C. G. l J roft,
Man erkennt in diefen Melodieen mehr
den denkenden und kritifch genauen Kunft-.
kenner als den begeifterlen darltellenden Iviinft-
ler. Diefer wi'irde .inch fchwerlich das Motto
gewahlt haben, wclJics der imgenannte Coai-
])onif't auf den Tilel gefetzt lut, fo wahr en
audi in gewiHer, doch nur eingefchriiiikte/
Riicklicht feyn mag. Es heifst: ha Mufique
n'agic point jire'cijriitciU comine IMufique, mais
covtme figiic me'morulif, aus Rouifeaus Avlikel:
Mujique. Sehr wahrl'cheinlifh fuchte und land
der V. fei ne Melodieen n.it RouUcau auf Eineiu'
Wcge. Mit ilen Kuullmitteln die dazu gehu-
ren, einer den Verfm angemettmen Meioclie
auch rytlnnifche Oviliuuig und gute bedeuten-
de hannonifche Begleitung zu ""geben, ill der
Verf. aber beirer bekannt als es Rouileau nach
feinen Convpofitionen zu urtheilen gewefen zu
feyn fcheint. Einige Liuder find in jeder
Riickncht vortreflich. Vorzi'iglich hat dcin Rec.
das erfte gefallen, nur zwingt ihm lei 11 Gefiihl
es nicht aus es lunuern aus e dvir zu fingen ;
und dann die drei 1'ehr naiven Melodieen S. 10
ji 18. Die Melodien S, 20 ss zeigen von
grofsem Sinne, von Fahigkeit zum hoheren
Genre und von einiger Bekanntfchaft nut den
Werken gtofser Meifter. — Ohne die Clavier-
bcglcitung much ten aber wohl die meiften
Lieder nicht ohne grofsen Verluft zu lingeu
feyn. Das erfte und letzte allcnfalU wohl,
aber die iibrigen? —
Wir d itrFen den Verf. wohl bitten uns
hald das zweite Heft zu geben unci fich dann
auch zu rieimen. Es ift als konne man clem'
freudegebenden Kiiriitler belle r danken, wenn
man ihn auch zu neimen weifs. Dann neurit
der Verf. auch wohl die Dichter feiner Lieder.
Diefes Ileft enthalt unter mehreren deiu Rec.
nicht bekannten Gedichten einige von Kloj>-
Jlock f Claudius und Burger.
/. F.
5. Officieller Btricht den der Kunigl. KapellmeifterHerr Reichardt bei feiner Ruck-
kunft aus Italien im Junius 1790 Sr. Maj. dem Koniue perfonlich und
fcliriftlich liber die itzt in Italien brillhendeii Tenoriiien und Contre-
altilten abgeftattet liat. ***)
Monbelli, hat eine fehr angenehnie und fmgt init Gefiihl und Ausdrnck, auch ift feine
kliugende Sthnmc, befonders in der Tiefe, und Gellalt und Action angenehni unci bedeutend.
*) Gcgen diefe Mcinung hat Rec. fchon anf die
Widerlcgung von Paw und Goguet venvci-
fcu.
**) Wer wcifs dnvoii viel? Die Biiuart nllc-hi kann
nocli aus cJji'wfii-difjcn Jlndiis cinigei - mafseii
bcurtJieiJt oder yiolniehr gciiliudet werden, und
damns ;pflegt man eben nicht gegeit die Nation
zu 1'cliliefsen.
'*■) Diefer Auffaiz, von dem uns zuf.illigei-weife
das Original in die Ilandn koninit, enthalt eine
fn gcniue Cliarakicviflik der vor/CisUrliftcn ita-
li.uulch.cii Tenoriiien uud.Coiurealiiiteu, dal's et-
Er verlangt jahrlich i5oo Dukaten, unci einen
Contract nnf 5 Jal.ro. Wenn ihiu das Engage-
ment am langere Zeit verfichert und tteife-
geld accordirt wi'irde, kaine er wohl audi "fi'ir
1C00 Dukaten. Mir hat cr vor alien andern
gefallen,
D avid , hat eine ftarke aber ungleiche
Stimnie a on grofsem Ujtifange nnd eine an-
fehnliche Geftalt. iiein Vortras ift felir bizar
und bunt; er ilt unier den Sangern das was
Lulli unter den Violiniften ift. Seine Execu-
tion ift vortreflkh, feine Action affektirt. Er
verlangt jahrlich i5oo Dukaten, wiirde aber
fiir i2oo Dukaten gewif. , vielleicht ancli fiir
1000 Dukaten kommcn : dcnji er wiinfcht eine
fichre Verforgung zu linden.
Babini, hat eine angenehme aber fehr
fchwache Slimtne. Seine Manier hat er nath
jMiuchcJi gi'hildet, die zwar fiir eine Tenor-
ftiniine we.-.iger vortheillfaft, bei ihni aber
doch meiitens angenehm ift. Seine Figur ift
auf deni Theater fehr anfehnlich, obglcich er
fehr linger ift. £r niacht aber zur nothwendi-
gen Condition, clal's cine erfte Tiinzerin mit
83
der er lebt zngleich engagirt wiirtle. Beide
verlangen zufamnien 2000 Dukaten, fiir i5oo
Dukaten wiirden lie aber konunen. *)'
RTaffali, hat eine angenehme aber audi
fehr fchwache Stimnie, und fein Vortnig ift
noch hunter als David nnd Babiui feincr.
Geftalt und Action find fehr angenehm, und
bedeutend. Er wiirde fiir 1000 Dukaten jahr-
lichen Gehalts wohl kommcn.
Der junge Menfdi den ich Ew. Majeftiit
von Neapel aus vorcefthlascn babe, wi'irde in
einigen Jahren den Widen" letzten glekh koin-
inen kniinen. V.c lieilVt. Purmigiaiiino und
wiirde fiir 1200 Bthlr. zu engagiren feyn.
An Contrealttften find alle Theater und
alle Confervntorien hr.dift arm. Aufscr Bubi-
iiello der fehr grolVe Fonierungen machcn
wiirde, audi noch in England ift, ift nur J/c-
fcitctii **) in der Capelle zu Turin anpei.ehm.
Ini confer •vutoriuin ai mendicant;, in /■ cv.cdig
ift eine aufl'erordentlidi fchone Frauen-Contrc-
altftinune, Sigr. Bianka, die audi mit vie-
lem Ausdruck und Gefcluuavk fmgt.
6. Nachricliten aus Brief en.
Konigsberg in Prcufscn den \otcn Junius
»7i> 2 -
Es mag fiir die dramafifche Kunft kcin
kleiner Gewinn feyn, wonn Dichter und Com-
|>onift an einein One zu Ilaufe find. Wonig-
itens hat unfre Stadt einige Jahre hintereinan-
cler aus diofem Umftande viel Unterhultung
und Vcrgniigen gehabt. Die nicht gemeinen
Beweife, die der verftorbene Herzogl. Aiecklen-
bingifche Kaminercompoiiteur Benda von dem
theoretifchen und practifchen Theil feiner Kunft
bier gab, verfchaiften ihm die Bekanntfchaft
des hiefUv.ii Oberforftral.hs Jcfter der lange
vorher fchon Talenie fiir die Biihne an den
Tag gelegt hattc. Die nahere Verbindung die-
i'er Manner brachte dan leiztern vermutblich
auf den Einfall, fich audi in der komifdien
Oper zu verf uchen nnd fo eniftand unfer er-
ftcs einhindifches Product diefer Art; Die
Verlobuug. Ausgcnu'cht ift es wohl, tlafs der
Componift feine Redlining bei diefeni Sliicke
fo gut nicht fand, als bei tinein andern, wel-
ches Heir Jcjier den Winter drauf unter dem
Nainen Louifc auf die Biihne brachte. Einen
ungeniefsnern Beifall hat wohl kauni eine Oper
bier erhalten, nichts war alio natiirlicher, als
dafs Dichter unci Komponift dadurch muthiger
wurden, und den nachften Winter mit einer
neuen zuin Vorfchein kamen. Sie war eine
Fortfetzung der beliebten JLouifn , fiihrte den
Titel jHarivcheity und land zwar keinen fo willi-
gen, aber doch iininer viel unerwarteten Beifall.
Man hatte nun eimnal am Einlandifchen Ge-
Jlch (lailiivcJi lY.lion, n:ic]i oline wcilere Benbilcli«
liiamx^, diu il.ibei i>i.if! Jia- 1:11 krmntc, zur oPkiii-
liriioii Jiilv.iiiiiiiiiai Jin. 1.', cjijiilificiri. t/cl)ri"tm ill
*;s liL'ktiiint , «fifiS<. ;M»j. der Koui^ von ilea Te-
iiorilien Iliirii Jj.ibini :.ew.dilt hat,
") If. Baf-ini i'i in ilicfuin Jalir niclu in Ccfdlfdiaft
jtiiiT X,uizu'iii, iuiuatn in Gcfvllfdiaft ciiicr jun-
cen Saiigeriii Sigra Canioni geltommcn, mit dcroa
iAiisbilclung cr lich bei Gcli'cenlieit tkr GyciDario
ancli grofse MiiJic gegebenliat.
**) H. Mofdietti ift nun nticJi am KoiiigUdiui llnfe
et>ji.ti*iri, mill ill bciciis in d t r 0|u'r Oliinjiiadc
■vwiJii.idi.uil mil Jidl'nll aiii'^otvuiuii.
8+
fchmack gewonnen; die Theaterdirektion hatte
fich durch ihre Eiunahmc bei den vorigen Stiik-
ken hiervou iiberzeugt; Antrage almlicher Art
dmfl.cn angenommen zu werden hoffenj was
war gleichfalls natiirlicher, als dafs neueMitkam-
pfer auftraten, die ihre Kra'fte an ahnliche Preife
zu fetzen whnfehten, Herr von Ziaczcke ver-
einigte fich luit Herrn Halter (einem audi aus-
warts bekannten Komponillen einer Sammlung
von Licdern und Sonaten) und verfevtigte die
komifche Opef : die Caiitonsrcvijioii, die letztrer
in Mufik zu fetzen unternahm. Ehe fie offent-
lich gegeben wurde, fpielte Herr Halter einigen.
Glicdcrn der Gefellfchaft, die in Singfachen
das .Stimmrecht bei ibr haben, feine Arbeit vor,
undfie verficherten einniiithig, dafs fie ganznach
ihren Wunfchen ware und fie ihrerfeits nichts
anders vermutheten, als dafs das Publikum
denfelben Antheil daran nehmen wurde. Dies
that das Publikum dann audi wirklich und
zvvar ohne dafs es dazu befprochen, aufgefor-
dcrt, oder fonft verfiihrt wurde, denn Herr
Halter ift ein [tiller, beinah angftliclier Mann,
der auch nichts von der Practik verfteht, die
man bei dergleichen Gelegenheiten faffc durch-
gangig zu Hiilfe zu nehmen pflegt. Um ganz
ehrllch zu feyn, mufs man aber noch gettehen,
dafs ev auch die Mittel und Verbindungen da-
zu nicht hat; denn fonft ware es doch ein
wenig unerklarlich , wic fo gemeine, grofse
und nahgelegne Beifpieie fur ihn allein ohne
Anfteckung feyn konnten. Genug feine Ar-
beit blieb lcdiglicli ihrem eignen. Werlhe iiber-
lallen, und hlitte zweimal hintereinander ein
voiles Hans, das vor Beifali zvvar nicht auITer
fich gericth, aber ihn doch durch jene frohe
und fanl'tere Unruhe aulferte, die viel gewiffer
auf ein iichtes Kunftwerk fchliefsen lafst, als
wo die auf numcherlei Art erregte Empfmdung
fo wild aus den Ufern tritt, dafs Befinnung und
Gefchmack gleich weit dadurch aus einander ge-
tiieben werden. Was ihren Eindruck aufs Pu-
blikum noch juehr bewiefs, war, dafs man fie
nicht durchweg ohne Fehler fancl. Man hatte
fie ja aufmerkfam, man hatte fie mit zu vielcr-
lei Iniereffe angehort, als dafs fie zum Urtheil
iiber fish nicht\gleithfam geuothigt hatte. Da-
bei gins; es denn wie iiberall, wo man aus .Lb,
felblt und ohne freniden Einliufs veifahrt: mm
kounte iiber Lob und Tadel einzelner Thcile
nicht bis znr Abrede einig werden. Eine dcuu
Ki'mfiler freilLh gewogne, im Ganzcn aber uu-
pnrtlieyifchc Stlmme ubernahm es, aus fu-lcn
Stiicken und offentlich diefe verfchiedenen Ur*
theile durch freiiniithige Darlcgung ihres eignen
zu berichtigen. Einen Tlieil der Schuld mufste
Herr von Baczcko tragen; er replicirte, wie man
vermuthen konnte, dagegen; eine drauf.folgen-.
de Duplik fuchle den Strcitpunkt g'enauer zu
fixiren, und wurde — in Nebendingen, mithiu
fo gut wie gar nicht beantwoitet. Ob ubrigen*
jene Stimme es an Beliutfamkeit fehlen lail'en ;
ob der Eigenliebu niehrerer Perfonem durch fie
zu nahe gefchah; oder ob iiberhaupt jedes nocli
junge Verdienft, fobald es fo laut und offentlich
als ein altes anerkannt whd, auf diefem Wege
dem Neide am gewiireften in die Ilande fallt,
und fich nun entweder noch holier hervorar-
beiten oder unter diefen Handen erliegen mufs?
foil hicr am wenigltcn unterfucht werden: nur
unbemerkt miifst' es nicht bleiben, dafs von
Stund an die Halterfche Arbeit erft ha Stillen
verkleinert, dann allgemeiner angetaftet, hier-
auf zwar noch einitral gegeben, zugleich aber
auch fo ficbtlich bei Seite gelegt wurde, dafs der
Tlieil cles Publikums, dclfen Enipfindiing unci
Gefchmack iiberall keinen Einflufs iiber fich lei-
det, vielleicht Gclulir iauft, fie nie mehr wieder
zu horen. *)
Cojjpcnhagen den 29. Junius 1792.
Von unfers Herrn Capellmeifters Schnlz
Liedern im Volkston waren bisher nur wenige
einzelne Texte ins D.'inifche iiberfetzt, und in
verfchiedenen vermifcliten Samnilungen mit
Schulzens Melodieen abgedruckt worden. Dieje-
nigen Mufikfreimde abgerechnet welche deutfeh
fuigen, und deren findet man aufser den deut-
fcheji Haufern in Copenhagen unter den ge-
bohrncn Da'nen nur wenige, find Schulzcne
Volksliecler allgemein bisher fo unbekannt hier
geblieben, als feine grofsern Werke ohne Nach-
frage in Deutfchland. Es war dsiher ein guter
Gedanke, den Herr Sonnichfen vor geraumer
Zeit fchon geauifert und jetzt realifirt hat,
eine Ausgabe mit danifchen Texten zu veran-
[talten. Er hat aber aus den drei Theilen des
deutfehen Originals nur einen Auszug von iSj
Bogen geliefert, wozu die mciftcn Unterlegun-
gen von dem Herrn ProfeUor ]\ahbcck gearbeitet
find. Zwei neue original Danifche hat dicfe
Sammlung vor ihrer Quelle voraus. Man. foll-
*) Wir wcrJcw i" einem der n.iclificn SUickc cinige klcine angenehme Ocfinge aus dicfer Operctie mil theilen.
65
te wiinfchen , dafs die Tolge der Lledev fo wie
im Deiufthen ceblubcn ware; irutefien be-
giebt man fich corn tiiotV.s Wunfchcs; aber dafs
fo vielf.ikig theil.i der Charakter dcr Gedichte
verwilcht, llieils diellaiiptaccente derMelodieen
vernacliiafsigt, Llieils f-igar in' einem Liede das
SylbeninaaJ's des Originals ganz mifdverftnnden
worden, und jedes Stiick von Herm Rahbeck
die -Spureu dcr Un wiflenhek in muiikalifchen
Dingen, nnd iibcrdiefs nodi des allezeit ferti-
gen Versniachers verrath, das verfchmerzt man
nicht fo leicht.
Indem ich dnrcli obige Nachricht einem
Schrk'tfteller widerfpreche, der begierig gelefen
wild, fo fincle ith niidi veranlafst, hinzuzu-
fiigen, dafs Schnlz fich liier ein inanumentiim
(Vie perenuins errithtet hat, aber dui'ch nkhts.
weniger als feine Licdtr, fondem durch feine
Opern unci Oratorien, Nur die letztern, A tha-
lia, zweiPall'ions-Oratorien, eine Hynme, Aline,
das Erndtefeft unci verfthiedene Gelegenheks-
Mufiken kennt man hier, unci es iff grund-
f al fch, was der Heir Friedrich Wilhelm Ba-
filins von Ramdohr aus Hoy a im erften Theil
feiner Studien zur Kenntnifs der fehonen Na-
tur, der fchbnen Kiinfte, cler Sitten unci der
Staatsverfalmng, auf einer Reife nach Durme-
nuil Seite 586 fagt: „Schulz bat fich bel'nn-
„ders durch feine angeuehni gefetzten Lieder
,,f angeuehm gefctzl :.'".' .' ) Beii'all erworben :
„feine grofsern Werke Jiabcn ilm nicht in glei-
„cher Maalfe erhukon. " Es gehcirt nicht zu
meiner Abficlit, auch das iibrige zu lufhiren,
was diefer Rclfendc iiber den Zuftand der hie-
figen Mufik gefagt hat, fori ft .... aber Mufik-
kundigc- merken ohnehin, dafs fie dort dieZeich-
nmig eine-i Blinden vor lidi haben, die nach
der Vorzeichnung eincs andern Blinden gecon-
terfeyt lft.
O.
Frankfurtli a, M. den 7. sl.,g. 1792.
.... Von unferm Theater kann ich Th.
nen bis itzt weniges fagen, weil wir lauter
bekannte Opern eiuftudiren, 11111 erft ein Re*
pertorium zu fnrmiren. lndeil'en durfte Eine
lhnen doch nnbekanrit feyn, nehmlich Purls
unci Helena von IT'intvr. Die Mufik hat hier
den Beii'all erhalten , den fie verdient, da fie
ohne Zweifel zu den fchonften Produkten ge-
hi'irt, die unfre deutfche Biihne anfzuweifen
hat. Fiir die kimftige Meffe wird die Zttiuber-
Jlotu von Mozart und dur wuthende Roland
von Haydn einftudirt, zwei Mufiken von de-
nen man fich viel verfpricht. Es wird itzt
itark an den dazu gehbreiiden Dekorationeri
gearbeitet. Herr Kunzen hat uns bis itzt erft
eine Arie von feiner Arbeit hbren laiTen, die
er in eine Operette eingelegt, diefe hat indefs
fo viel Gliick hier gemacht, dafs wenn es der-
einf't mil einer Oper verhaltiufsmafsig fo gienge,
er obendrauf feyn miilste. Wir hoBen dafs
er uns bald feinen vortreflichen Oberron wird
hiiren lallen. Herr Freiizel if't nun auch hier,.
und diefe beiden jungen Kunftler, denen die
Direktion der Mufik bei unferm Nationaltheater
ubergeben worden jft, gehen bis itzt ink einer
Einigkirit und Freundlichkeit darinnen zu Wer-
ke, die ihnen walne Elire macht.
7. Kurze Nacliriclitc n.
Berlin. Sv. Maj. der Konig haben den Hem: Kapellmeifter Alleflandri verabfehiedet, und
das Gedicht der ihm bereks fiir den nachflen Karneval aufgetragenen Oper Alboin ihm abneh-
men, und folches durch den Konigl. Hofpoeten Herrn Filiftri an den Konigl. Kapellmeifter
lfenn Reichardt nach deffen Sommeraufenrhalt in Giebichenftein, nebft einem eige:.ihandigen
Schreiben gefandt, worinnen Sr. Maj. Herm Reichardt den Auftrag ertlieilen jene Oper in Mufik
zu fetzen.
Unfer vcrdienter Hr. Fafch hat nun feine vortreflichen Verfetts, — an welche
atzte forgfaine Meifterhand gelegt zu haben fcheint, von welchen aber noch die jechs
— an welche er nun die
letzte forgfaine Meifterhand gelegt zu haben fcheint, von welchen aber noch die jechs letzten von
ihm zu bearbeilen fteben, bevor lie alle ein fnrtlaufendes fchiines und feltenesGanze ausmachen —
bereits in zweien Kircheu vor einer freundfchaftlichen \'erfaminlmig aufget'iihrt, urn den EfFekt im
Grofscii zu beobfiCliten.
M"
3£
Die Vol leu dung-.
.T. A. P. Schiu\.
<s>
Langfam.
" »■• .—{•.-.
V— W-m-mr
■ft c 3^— ' — ' — r~» 1 - — i — •— "-^-nkP — h-P-P-a-2 •-
~£-fc
— I- — ;.:_
— iV-nS-
is
as:
Warm ich cinft das Zicl cr-rungen Ji.t - be, in Jen Lichige- lilden je • ner
-I—
i*'-
J
i j-
I-H3
=23tit5zte
.^ jr^^v^y H^--^-
H"-»-~trt
P-P — P-p-f — f — *-!-»■
Welt, Ileil! der Thranc danu an nici-nem Gra - be, die auf bin - ge - flren- to Ro - fen
Pfe==5i£E
f • I ■ m. — V... j- i , ii ,1
-I
—\—
-I
•©-
tren- to ito - len
2SE*
r
©
S " E = J: |E5E«
5=±=*
ttco-
t--.
folk.
I
— g- h — -p-,yZZ--fl
fe>
-h-fi
Uce
Wann icli einft das Ziel errungen lube.
In den Liclitgtlilden jentr Welt,
Heil ! der Thranc d.inn an nicincm Grabe,
Die ai»f lungcltrente Rofcii .fallt.
Eil', o eilo mith empor zn /Iflrjeln,
Wo ficli nnt(-r mil- die "\A.-1 ten drehh,
Wo im Lebeiwiuc II full Palnu-n fpi.^rln ,
W<) die LieLviidrn lic.li widderfdin.
Sehnfnchtsvoll, mit lioliev Ahndunaswonne,
Ruliig, wie der lnondbcglair/.R 1 llain,
jLiichiJ'iul, /wiu beim Niedetganp; diu Sonne,
Hair' icb, guttlielic VuUemlung, dem!
Skla venketten find der ErJt; I.,eiden;
Oet'tcn, arh! zcin.ifsi tin imr der Toil I
Blnimiikr.inzLii »ltii-li. n Hire Frouden,
Die cin WeiihancJi zu cntblattcrn clrolu.
8?
Milliter.
li— 3-
Mein JMadclieitL
— i — ^ —
-• — i — .
Gi on Li ml.
-ft — s--o — 5— 5-3— --— •--• p—r 1 - -**■-•— i — f- -p-P— B— ■-!-
f-Sw f— V-\
YVemi man mir einM.. lclien neiiiU, als das fchonfte un - ter alien; vrennmanfa«i, cin
II ESlfe^EBIEE
*-*zzF
i — i — —
-_i e
'JOt
m ::zzi£zz?zz?zz!!!zz:
i hug-
— *— y_£__?Z
•^l* — « — ■— — P — P — P^i — 5^
y-b^
:£zr:iiz:
— 1_-
«E
t
je - der breunt , dicfem Miiddien zu ee-fal-leu. O diefs ifl fie! diefs, cliefs, diefs,
I *. . -■- -•- -•- -»- -,•- -•- -•*•
-•- -•- -•- ••- -W- •<«■ —
(rgjrizizj-llvzt— zzzzz
— -V-+.
:ie
-i — t—
±zz£_
-/-
19
i
i
I
t=r:
J
I t#3 :
:xz
'V-
■+-
— fc— - — i iV — I-
zTzz^ZbEIE
?— +
fc:
ganz gi-vvif:.
ifl mein Miidchcn
zzzzzzV
z^zzzi"^-/-
EtzeIIzE:
Weiin man mir cin Mcidchcn nennt,
Ah das fchon/te inner alien;
Wcim man fngt: ein jeder brennt,
Diefein M.idrhcn 7.n «-<-f.illen:
0! diefs ili fie! diefs, diefs, d i c T? ,
III mcin M.uKlit'ii £,.1112 scwifs.
Sagt man: fie ifi vwifs und roth,
Cltiili den Lilitn und Rnfcn;
Je* 1 ' r 7ug cin A n foe 1 ioc,
Ui' li.r lJuldimi lie. inkofen :
0' .'i.fs ift It-' dief. , 'iel;, ( ]icfs,
III nicin iUaddieii ganz aewil's.
RiihnU man eine kleine Hand,
Und ein Aermclien, fanft zu drficken,
Eineii. VVuehs, den man umfpaiuit,
Und ein Fufsclien zuni Entzficken :
O! diefs ill lie! diefs, diefs, diefi,
Jit nicin Miiddien ganz gewifs.
Lobt man grofsev Allien pvadit,
Und ein Ilaar von Rabenfdiw.irze,
Einen Mund znm KiiTs acmarht,
F.i:ie JBj-ult , den Tliron iltr Sdarze.
O diefs iii fie! diefs, diefs, .'ids,
I/t niein iM.iildicu gau?. aewiCs.
8 : 3
An den Moncl.
Langfam und Icife
P.
J
E5--3;:
;fp=SE!s
J. F, Reichardc.
-I +-i 1 1 4.-1 1 !L3J
.1 -4- + — 4. 4_. 4- p-4. 4
Sil - bern wal - left du mir n,i - her Bild der himmlifch fii - fsen
. s~ -%- /- ■-•- ••- -#- -P- ~-£i 'jtlB-tL
fc b — •— * rH»-t— t-r— ■"! t-r-p-! f- — »■+— t-r-P-P- +-B-P-P-1-P-I— "--
u
^ggg!Et^^^
^=W
H9,
=5
4-
J!
IE
r — | 4 H
-H-
^ U-JUJ-J
Rulil doch tUm Her - zen wird liur wc - her, und die ScJiwermutli
Bn_fe^ '•— t- 1 * art - =-"P" — i — ^~P~ t i~ •-
t; — B^_:»^— t- 1 — i — P— f-»-i — i — — »-i — ! —
to
-I — \x* _,
— ' v-
&
:&s=s=
.J!
4-fftt^-
#
te
•wehu dir
EBfiE=ii3
5SJ
i«=:
*t
f-H- —
f-H-
Silbern wallcft du mir nalier
Bild der himmlifch. fiifsen Huh!
Doch deni Ilcrzen wild mir welter,
Und die Schwerruuth wcim dir zu. -
Freudevolles Wiedorfelien
JBi - ing,t deiti liei.dic.hes Geiichi :
Mcen-, W.ildur, Thai und lli.hcu
Kiiiizeli du mit Wouuclielu,
WieJeiTohcn — o wic lange,
O wie bnnge hair' ich dein!
Harre, bis mir wird die Wange
Bleich, wie Aloud am Leiclicnflein.
Fr. von Klenke*
*£.
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
►*i
V I E R. T E S STUCK.
October 1792,-
BERLIN,
hi tier neuen Berliriifchen Mufikhandlung.
*H
I n h a 1 t.
Seite
i Etwas uber Taktgefuhl , vom Hm, Hof-
fiskal Stengel zu Nauen. 89
a. Auszug aus einem Verfuch einer fyfte-
anatifchen Entwickelung cler Taktarten
und Voxfohlage zu neuen ;Taktzeiehen. 91
3. Fo&fetaueig det Berichtig«ngen*und Zu-
fa'jze znm Gerberfchen Lexicon der Ton-
kimftler ere. von J. F. Reichardt. g5
4' Recenflonen. Ueber:
a) Turks Clavierfchule. J 00
b) Hafle's raid Hillers Beitrage zu wahrer
Kirchenmu/ik. joj
u'c) HaJTe's Alcide al Bivio, d) Grauns Can-
tate: Lavinia. a Turno, e) 6 Son, p. le
•Xlav. ou F. P.. par Kufner. 102
:.S) 3vSon. p«yle P/F. ouClav. par Herr-
.arann,,. g) 3 Son. p. le Clav. ou P. F.
, pai Briinings , h). Tanz und Opferge-
fang aus der Oper Axur oder Tarar von
Salieri, nut einigen freien Verandemn-
gen fiir das Clavier von jC. F. Zelter,
1) Verfuch eines fonnularifch und ta-
bellarifch vorgebildeien Leitfadens, im.
Bezug auf die Quelle des hariuoni-
fchen Tonung^ausfliuTes etc- k) Pto-
leauaeus und Zarlino , oder wahrer Ge-
fichtskreis der haltbaren Univevl'ali la-
ten der Elementar-Tonlehre in den fo-
wohl altern als neucm Zeiten;. vom
.YerfioTer -des Vorigen. 10S
Seite
1) Kurzgefafstes mu/ikaHches Lexicon
von G. F. Wolf, '104
an) Marches et Ballet de Triomphe de
l'Opera Brenno, par J. F. Reichardt. jo5
5. Von pifentuVhen Luftbarkeiten und Spie-
-len des Landnianns iin fiidlichen Frank-
reich. 106
6. Nachricht von einem Volksfefte in Mont-
pellier. —
7. Von dem Betragen des italianifchen Far-
ters bei der Oper , und uber den Kunft-
grifF gewiffer franzofifcheF Componiften. 108
8. Mufikauffubrungen , in a) Berlin —
b) DelTau. 109
g, Ricbtige Wiederholung einer Stelle des
Auffatzes uber die Vogeltone. 110
10. Erklarung. an
11. Schreiben an die neue Berlinifcae Mu.
iikhandlung. —
is. Anekdoten. i»2
i3. Kurze mtulkalifche Nachrichten aus
Stockholm. jj3
Muftkftucke.
»
Fabel von der Henne, in Mufik gefetzt
vpn J. A. Hiller. njj.
Tanzftrick aus der Oper Brenno, von J. F.
Reichardt. 116
Das aaiufikalifche Pubiikum hat nun vier-
midzwanzig Stiicke unfers mufikal. Wochen-
blatts in zwei Heften, uhd vier Hefte der urn.
fikalifchen Monatlisfchrift, als Fortfotzung jenes
Werks vor Augen. Das funfte und fechfte Heft
erfolgt noch in diefeni Jahre ganz ohnfehlbar
und damit ware dann der erfte Jahrgang be-
fchloflen. Ob nun aber ein zweiter Jahrgang
anit dean Januar 1793 wieder begonnen wer-
den foil, wird allein von der Erklarung der
Subfcribenten und Pranuineranten abhangen.
Melden fich bis zuan neuen Jahre eine hin-
langliche Ai«zahl, die luit Einem Holl. Duka-
ten auf den zweiten Jahrgang fubferibiren oder
pranumerircn, fo wird folcher nut dem Januar
i7y5 ohnfehlbar begonnen. Wo aber nicht,
fo unterbleibt die weitere Fortfetzung,
Die Herren Buch « und Miulkhandler, fo
wie iiberhaupt diejenigen , welch m Leipzig na-
her ift, als Berlin, werden gebeten, Hue Be-
ftellungen dafelbft an Herrn Breitkopf jun. zu
inachen, bei welchem, fo wie in Berlin anfser
der unterzeichneten Handlung avcli bei Herrn
Buchhandler Lange, auch Exeniplare von dem
muTtkalifehen PI ochenblatt und der Monaths*
Jchrift (fur folche, die zugleith auf den zwei-
ten Jahrgang pranumeriren, noch fur den I'rS*
nuaneraUonspreifs) und Reichardts nrnfikaltfches
Kunftmagaxin und Qeijk des mufikal. Kunft*
magazins t wie auch vorn nuifikal. Blumen*
ftranfs zu haben find, Auf die Fortfetzung des
Blumenftraiifses, die im November d. J. er«
fcheiut, wh-d dafelbft auch 16 Or. Frannuiera*
tion angenonunen und auf den erften Thsii,
von Reichardts Mufik zu Goethe's Wei ken niit
Einem Thaler pranuanerirt oder fubfkiibirt.
Berlin, den lften October 179a,
JOio ncue JSerl. JlZitJik/mndlwig.
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
VIERTES STUCK.
O c t o b
t r
7 9*-
i. Etwas uber . Taktgefulil.
t] aktgefiihl ift, glaub' ich, ein allgemeinefr,
jedem MenlVhen natiirliches Gefiihl, und
bedarf nur, mfrhr oder weniger, Entwickelung,
um fich thiilig zu zeigen. Wenn ich von ei-
nem allgemeinen Taktgefiihle rede, fo darf ich
wohl nicht erft erinnern , dafs icli damit zu-
gleich Tagen will: es zeige fich bei jedem Men-
lchen auf eine und eben diefelbe Art wirk-
fam; der cine fuhle niimlich den guten Takt-
theil eben da, wo er dem andern merklich,
ift, und es fei eben fo umnoglich, dafs d,erje-
nige Theil, welcher jenem als cuter Takttheil
aufFa'llr, dielein fiir einen fcldccftten gelfce; als
es unmiiglich ift, dais diejenige kdrperliche Be-
riihrung, welche Einem Menfchen Schmerz
verurfacht, bei dem andern — voransgefetzt,
dafs alles Uebrige gleich fei — ein angeneh-
mes Gefiihl errcge. Nun fra'gt es iich aber:
Hnt man, fiir jeden Fall, von diefein all-
gemeiiien Taklgefuhl nbfhahirte Btgeln t
' welche der K.ompoiii/1 nur belolgen darf,
inn das Gefiihl diefer oder jener Taktart
r«ege zu uiachen und zu unterhalten?
oder :
mufs auch.der Kompor.ift ficli hiebei grufs-
tentJieils feinem — freHich ausgebildeten
mid" erhohten — Gef tilde uberlaffen?
Dies letztcre nicht zu glauben, beftimmen
mich, der iili jedoch, wq nicht ganz Laic,
dorh lukJiftens nur Lxdenbruder in der Ton-
kunft bin ■ und wiinle ich a uch, war' icli et-
was mehr, wohl ji'no Fragen anfgeworfen ha-
jjen 9 — j'olei'iidc Griinde: Mufik iiberhaupt
ift Sache ties Gei'iihls. Alle Gefetze tier Har-
monie griinden fich einzig auf den -AusfprucU
deflelben. Jedem gefunden Ohre, wenn e*
gleich dem Kopfe eines ganzlich JMichtmufika-
iifchen angehort, wirtl z. B. eine nicht aufge-
lof'te DhTonanz, oder eine Folge von Ouinten
widrig auffallen. Der Laie vermag nicht, /ich
von tlon Urfachen diefer Eindriicke Rechen-
Tchaft zu geben, Dem theoretifchen Mu/iker
dagegen find die Gefetze bekannt, nach wel-
chen diefe Tonverbindungen auf das Gefiihl
wirken , er weifs , icodiirch , und irariim fie
nicht angenehme, fondern widrige Eindriicke
machen, and nur deshalb, weil er dies ire/fs
— nicht, weil er es, gleich dem Laien, fufdt
— kann er fie venneiden. — lhm find fo vie-
le ans der Natur des Gefiihls abftrahirte allgo-
meine Gnindfn'ue gcgenwitrtig, die er nur be-
nutzen darf, mn feines Zwecks , diefes oder
jenes hervorfiec/icndere Gefiihl — von den fei.
neni Niiancen ift Jiier die Rede nicht — ?u
xvecken, ficher nicht zu verfelilen. Sollte er
in Anfehwig des Taltgeftikh , das doch ge-
wifs, eben weil es ein aljgemeines Natnrgefuhl
ift, unter die henvorfteoh.cnd.ft en gehort, vor
dem Laien nichts voraus liahen? Die Profodie
der Sprache hatte Regeln , nach wt-hhen diefe
cider jene Sylbe entweder /.;//■- oder latig ge-
braucht werden kann oiler mvfs? Und die'pro*
fodie der Ulufik — wenn ich mich fo ausdrii-
cken darf — der es in Anfehung der grufsern
Perioden, Rhythmen, Einfchnitte und Cafu-
ren nicht an Regeln fehll, hatte — zwar -eben-
fnlls Metra (derm was find Taktarten anders?)
~- aber keine Gefetze, riach welchen dnrcli
diefe oder jene Verbindnne; der Tone notli-
vciulig ein guter oder fchlecliter 'J'akifufs, noili*
uendig diefes oder jenes Taktmetrum und
N
go
fchlechterdmgs kein andres als das verlangte,
fuhlbar werden mufs? welche, z. B. den l«.
terfchicd zwifchen % und $■ Takt, der, wie-
wohl einige behaupten, dais jener bios ans
zwei zufammengefetzten £ Takteu beftelte, tlocli
gaiiz zuverlafsig vorhanden ifi, merklich iua«
chen lehrien?
Es giebt zwar — wie in der Profodie un-
ferer Sprache willklihrlich lange oder kurze
Sylben — - fo in der Mufik Kombinadonen, die
willkiihrlich mehr als Ein Taktmetrum zulaf-
fen, z, B. eine Reihe von Tunen gleicher Dauer
und auf derfelben Stufe; allein folcher Verbin-
dungen find gegen dlejenigen, wo fchlechter-
dings nur Eine Art tier Taktabtheilung mog-
lich ift, und wo durch jede andere, diefer EU
?wn Taktabtheilung entgegen avbeitende, Ac-
centuation, eine dem Gefiihle fehr merkliche
Taktverriickung entftehen wiirde, docli wohl
nur wenige.
So find auch Verbindungen von Tonen
moglich, die fich eben fo wenig als Profe, in
ein gewifles Metrmn biingen lalfen. Wodurch
wird nun in jenem Falle das Gefiihl diefer
Einen Taktart, alien Bemi'ihungen khm durch
veranderte Accentuation eine andre Richtung
zu geben zum Trotz, unterhalten? wodurch
wild in diefem Falle die Eintheilung in irgend
ein gewifles Taktmetrum gehindert? und wel-
che Regeln lehren den Componiften folche
Hindernifle befiegen? Denn warum follte er,
gerade mir hier , feinem Gefiihle iiberlafl'en
feyn?
Was die gewohnlichen Theorien vom Vor-
bereiten, Anfchlagen und Auflofen der Diflb-
nauzen, vom Beibehalten oder Weglaflen, Ver-
doppeln oder nicht verdoppeln gewifl'er In-
tervalle, im gutcn oder fchlechten Takttheile,
lehren, mag wohl etwas feyn, urn in dicfein
oder jenem Falle das Taktgefi'ihl zu befriedi-
gen. Es kann aber fo wenig alles feyn, als
auf jeden moglichen Fall paflen ; denn es giebt
Verbindungen, ohne Diflbnanzen, und, in der
freien Schreibart hefonders, wo doch die grofs-
te Mannigfaltigkeit der Taktarten moglich ift
— da hiugegen im ftrcngen Style die vielen
kleinern lelcht und lk-blich dahin hiipfenden
Metra durch wenige grofse, gewichtvolle grofs-
tentheils ganzlich ausgefchlolfen werden
handelt man niiht felten alien diefen Regeln
ceradehin zuwider, ohne dafs darum das Takt-
sefiihl nur im mindeften beleidiget wiirde.
Sich davon zu iiberzeugen , gelie man irgend
cine n en ere Soriate durch, tmd fehe, wle oft
jene Vorfchriften beobachtet, wie oft lie iiber-
treten feyn. Das Uebergewicht diirfte auf die
letztere Seite fallen.
Die Regel, dafs Takt 'th ei lie nicht als Glie*
tier , und umgckehrt, dargeftellt werden mtif*
fen, fcheint mir ebenfalls bei weitem noch
nicht beftimmt genng. Denn woran crkenne
ich nun, welche mclodifche Verbindung noth-
wendig , als Theil y nicht als Glied, und urn-
gekehrt, gebraucht werden mufs? An i\em
Umfange und der Endigung der rhytimiifchcn
Theile? Aber auch hiebei ift ja eine grofse
Mannigfaltigkeit rnoglich.
Wenn nun luer nicht bios das Gefiihl
entfehciden foil, fo mufs es eine volHtandigere,
in jedein Fa'lle und auf jedt beliebige Taktart
anwendbare, gegen jeden Verftofs wider das
Metrum Xichernde, Theorie geben.
Ift aher eine folche Theorie vorhanden?
und, wenn fie es ift, wie ich nicht zweifle :
fj'o wird fie gelehret?
Ueber diefe Fragen wiinfchte ich Belehrung.
Sollten Sie, uicme hochzuvevehrende Herrn,
das lalenhafte Raifonnement eines Dilettanten
einiger Aufmerkfamkeit nicht ganz unwerth,
die darin aufgeworfnen Fragen nicht etwa
zwecklos linden, und ware in Ihrer belieblen
mufikalifchcn Zeitfchrift der Ort fur meine
Anfrage und deren Beantwortung, fo haben
Sie die Giite, meinen Wunfcli zu befriedigen.
Nauen am Giften Marz 179c
C L. Stengel.
Nachfchrift der Herausgeber.
Wir tlieilen diefe Anfrage uhfem Le-
fern 11m fo lieber mit, da es zum wahen
Gewinn der Kunft gereichen miifsle, wenn
mehrere gri'mdlith unlerrichtete unci fchaiffin-
nige Forfcher an ihrer Beantwortung Theil
nehmen mochten. Obgleich in JMathefons t
Ricgelsy Scheibe's, HZarpurgs , Kimbergers,
Sulzers, Forkels, u. e. a. Werken einzelne gnte
und zum Theil feine Bemerkungen und Ideen
iiber diefen wichtigen Gegenftand enthalten
find, fo ift er doch im Ganzen noch fo wenig
bearbeitet, und uberall fo wenig zur Spracbe
gekommen , dak die beftcn practifrhen Kfinft- kimft geben follen. Die Hercuwgebev b
ler felbft in nicht. geringer Verlegenhcit lich es ficJi vor, bei erfter Mufse ihr Scherfle
befinden, wenn fie clamber in Worten Aus* zutragen.
behalron
Scherflein bei-
2. Auszug aus einem Verfucli einer f) ftematifclien Entwickelung der Tactarten
uiid Vorfchlage zu neuen Tactzeiclien. *)
St tons ccs fipics, fagt Roufleau im Ar- gliederungen der Tactzeichen fo vnllen Mufik,
Mc/hrc von den Tactzeichen, nachdem mit vier oder fechs Tactarten (denn Hiehr
tlkel
er fie v'orangefuhrt hatte; „Ji tous ces Jienes ruumt Roufleau dein nothwendigen BediVrfnuTe
»font inflilue's pour marquer anla-u de c'lrjfe- nicht em.) ausreichen? Wie verhalten fich Tact-
^rentes fortes de JlZcfures, il y en a beuu-
, t conp trap i et .rV/.r Ic four } pour exprimcr
,,/e.r divers de'grvs tie -7J o u 1 'erne n I , it
j,'/')* a pas ('{fez ; put < que, indepeudummeni da
fjl'cfpece dc Ulefurc el de la divijiou des
fflc/ns, on i'jl prtwquc toujotirs contraink d'a-
yij outer mi mob att commencement deV Air pour
^determiner le 'Jons. " Nach Roufleaus Mei-
nung haben wir alio dev Tactzeichen, mid wie
Sulzer den Genfer verftcht, dev Tactarten, in
ciner Rikkficht zu viel, in andrer zu wenig.
Sulzer verwirft <]cn Gefichtspunct, aus wel-
cheiu die Tactarten betrachtct er felbft geAeht,
dafs wir zu viel haben, und bleibt ehizig in
denrjenigen ftehen , worin er Houlleau fagen
lafst, dafs ihrer zu wenig find. Ob wir nun
aber, in diefom Gefirhtspuncte die Tactarten
betrachtet, ihrer uirklich zu wenig haben,
wie Kouilenu nieini, oder ob die Zalil volJ-
ftandig fey; dies zu unterfuchen und dumber
Beftimmungen zu gcben, ill Sulzer der Vor-
treflichkeit feines Works ldiuldig geblieben: er
hat die niehr oder weniger gebrauchlichen Tact-
arten nach einander in einer gewilTen Ordnung
bios aufgezahlt, als wonn es ihin , was denn
freylich audi die Ihmpifache war und be/tan-
dig bleiben wird, nur da rum zu thun ware,
den practifchen Gebrauch zu zcigen.
Sollte fich aber, jenes zu beftimmen, nicht
em untrhglicher Aiaafsftab finden laiTen ? Kon-
nen wir lerner in unferer heutigen , von Zer-
arlen und Tactzeichen zu einander? fuhrt jvde
Tactart immer nur ein Zeichen? und find meh-
lere verfcJiiedene Tactzeichen Beweife von eben
fo viel vc-rfchiedenen Tactarten? Endlich, ill
es nothvvendig, dnrch die Tactzeichen zugleich
den Gang der Bewegung anzudeuten? (Nach
den bekannteften Theorieen follen Cia mit dazu
dienen ; alio denn audi noch die Frage:) find
lie dazu lo gefchickt, dafs man kcine beflere
zu wunfehen brauclite, oder liegen uns beque-
mere und zuverlafsigere Mittel zur Hand?
Dies alles find zu verwickelte , in einan-
der greifende Fragen, uiu fie einzeln zu beant-
worten , ohne in ciftere Wiederholungen zu
fallen. Ich gehe lieber einen andein Weg, und
fange mit deui an, was meine nachfte Ab/idit
war, den l.'rfjirung der Tactarten uuil ihren
Zufammeiihang darzuftejlen. Da bey werde idi.s
urn fo mehr lalfc-n konucn, wenn fich am Ende
zeigte, dafs es i'tberflu'.sig v.iire, die Fragpuncte
noch einzeln zu beleuchten.
Ich fiellc ntir jeden Tact als eine Einheit:
vor, und linde, dafs i ire einjuehftc, (unmittel-
harc , Obcr- oder wi'j ich (ie vorhin genannt
babe, Slamm- IJciregimt:) zwei/eitig oder drei-
zeitig ift : das heifst, jeder Tact zerlallt in
zwey oder drei gleiche Zeittheile. Wollte ich
bier ein wenig ausfchweifen , fo war es in deiu
Beweife, dafs der Einvierteltact (der aus nur
einem Zeittheil be/tehende Tact,) ein Uncling
*) Der r'<liri.iii(lip;e Anff.ttr. ficlit im Miirz 1792
tits il' utf' It'-n Magazins , mid emlililt anTsgr rnan-
thiMi ii.ihcrn J'.rl.iuicnin^cn <les hicv vorgeiragc-
ueii , .inch iiiflji-eif f. -iiu-. kritifrlie Benierkun»e»
iiUt-r ciiit'ii zicitiiicli widjfdcutendcn Auffatz von
lirijon 'un Dcctiiiljer 1788 del Journal encyclo-
ptdh/ue, und iiLut Kuufl'enus und Sulzers Mei-
iiiini;< 11 den iiiti' .di^oli.iiululrcii Gi;e;oiirtJnd be-
trt.Ji'.iid. JJ'ii ]Ji-t'jnst>cbcrii ditfe.r iT) 1 1 (i k ;i 1 ilcJi tr j\
JMonaiJcJiiil't frJiiuii dir Auff.ilz zu wicJili-t , mil
es dcai ZuiaJl zu iibcrlailen, ob cr uudi^durcll
I
jaws litttmiifdie und poliiifdic Journal den
IVuiindcn di-r Tonkiinit, odtr vidniehr den Ton-
kiinftlevn fclbtt in die If.mde konmien nioditc.
Donpdt angcticlnn wiird' cs slinen feyn , dmch
diekn Auszug maiidien Lefer, der jejies felir in-
tere/Tanic und rcichhahisu Journal bidier unter
der gi-ofsi-ii Meiuie Vuu Jininialun fibcrfibr n h.ii-
tt-, nirlii nur auT jci:i:ii Auffatz, ioitdrin aiif das
\^erk fclb/t aufjntrkfani genud:t 211 h.ibcn.
N 2
-D. II.
ift, ob es gleich, ihn auszudriicken, Fonn und
Zeichen giebt.
Die Zergliederung des Tacts in zwei oder
drei Zeiten driicke ich, uui .das Ganze und die
Theile zugleich nebft den dazwifchen liegen-
elen VerhaltniJlen mit einem Blick zu fatten,
auf folgende Art aus :
und dies ift die einfache, (unmitcelbare) gera-
d* Tactart.
Die einfache ungerade, oder der einfache
Trippeltact, bekonimt alfo diefe Geftalt:
Auf die Darftellung in Ziefern konunt mir.
viel an, weil fie die Idee von der nothwendi-
gen Einheit eines Tacts vor aller Verirrung
und Vernufchung mit unniitzen Nebenideen
verwahrt. In diefer Riickficht mufs ich noch
cine etvvas umfchweifende Anmerkung machen.
Wer die Tonzeichen oder Noten nach ih-
rem Werthe fo kennen lernt, als ein gewcihn-
licher Lehnneifter fie dem Anfanger nut ihren
Eintheilungen und Namen beibringt, wie felbft
Sulzer im Artikel JS/oten fie abhandelt, dem
mufs in der Folge beim erften Erwachen des
Selbftdenkens aufFallen, dafs wir nur fur die,
durcli Zerlegen der runden (ganzen) Note mit-
telft dem Theiler 2 entfpringenden Tactzeiten,
eigenthiunliche Noten und Namen haben, die-
jenigen Tactzeiten aber kaum in der Schrift,
und in der Sprache gar nicht befonders aus-
driicken, welclie entftehen, wenn die runde
Note unmittelbar durcli 5, oder mittelbar durch
c und 3, imglcichen 5 und 3, getheilt wird.
War's ein Wunder, wenn er in unferer Zei-
dienlelire eine grofse Liicke zu entdecken glaub-
te ? zu behaupten anfieuge, es fehle fiir einc
Menge Tactzeiten uns an Namen und Zeichen,
und diefem Mangel miiUc abgeholfen werden?
Wirklich find hier Dinge mit einander
verwechfelt worden, deien Verfchiedenheit zu
au/Fallend ift, um den Grund der Verwechfe-
lung fogleich zu entdecken. Wir Deutfche ha-
ben iibel gethan, dafs wir die von den gera-
den Theilern, a, 4, 8, 16 u. 1". w. hergenom-
menen Namen der Noten, Ganze, Halbe, Vier-
tel, Achtel etc. liefsen mit fur die trij>pelu,e-
theilten Tactzeiten herrfchend werden, und
da, wo fich dies nicht fi'ig^n wollte, den Aus»
druck von Trioleu zum LuckenbiuTer mach-
fen; wohingegen unfere weftlichen Nachbaren
die im Lateinifchon gebrauchlichen , von der
Figur der Noten abgeleitcten Namen beibe-
hielten, wornach Cm eine Note unv ronde,
blanche, noire, troche, double -croche etc. nen-s
nen, die bei uns gewohnliche ganze, halbe*
viertel, achtel etc. Note heifst. Dies hat zur
Folge, dafs eine Note den Namen Vlevbel be-,
konunt, wenn fie gleich, dem wahren Wer-
the nach, ein Drittel oder ein Sechjiel ift^.
und mit eben dem Keclite in diefem Fall ein.
Drittel , ein Sechftel genannt zu werden fodern,
kann, als in jenem Fall, d,\ ihre Dauer den.
vierten Theil des Tacts betriiet, cm VierteL.
Hierbei fiihlt man auclv, wie fehr die Nameu.
von Drei viertel , Zweiviertel , Sechsachteltact
den. BegrifFen von der Sache widerfprechen.
In der. Art die Noten zu nennen, liegt
alfo wiirklich etwas JEiufeiliges, welches nur
gar zu leicht zu falfthen Vorftellungen ver-
fiihrt; allein, an Tonzeichen (Notengattungen)
felbft haben wir, fo wie keinen Ueberfiufs, fo
anch keinen Mangel: der hinter den Noten ap-
plicable Punct und die Schreibart der foge-
nannten Triolen fiillen hier die fcheinbare
Liicke fehr gefchickt aus. Nur die alten, von
der Geftalt der Noten genommenen, mchrfei-
ligen Namen wieder gang und gebe gemacht,
fo ift die Vorftellung gelautert, welclie beim.
Kennenlernen der finnlichen Tonzeichen in
der Imagination erregt werden, und von blei-
bendem Eindruck feyn mufs.
Den einfachen geraden Tact 1 : Q — r; |
nenne ich Z,weiziveitei ', oder fthlechtweg Zwei-
teltact , und lein Zeichen Idle icla § feyn.
Der ungerade einfache Tact, dem ich hernach
■| zmu Zeichen gebe, heifst alio, nicht Drei-
zweitel oder Dreiviertel , miter welchem und
andern Namen ihn unfre Praxis kennt, fon-
dern Dritieltacb, Als ganze oder Tactsnoten
braiicht man in beiden gewuhnlich weifse und
fciisv.uze; im Drittellact, zur gefchwindellen
Bewegung auch gefcliwanzte. Ueberdies ge-
hvirt im Dritteltact zur Vollftandigkeit der Tacts*
*) Kamlich: 1 dividht durcli 2 giebt zwei Halficii.
JDtfr Eiafender.
note noch der Verliingernngsptvo.ct," de/Ten Da*
feyn fiir die auskhliefsende Dreizeitigkeit ent-
fcheidct; wo er felilt, da ift denn die Note
l)los zweizeitig.
Durch weitere Zerlegung der Tactzeiten
leite icli nun aus den einfachen Gnmdtactarten
alle bisher gebranchlithe und je brauchbare
Tactarten her. Mich wundert, dafs RoiuTeau
nicht bereks diefen Weg eingefchlagen , oder
beftiinmter, dafs er ihn nicht verfolgt hat:
Y^chaque Terns, ainji que chaque Me Jure,
9 ,peut fe divifer en deux ou en trois parties
„c'gales, " fagt er ganz rich tig, und man follte
den ken , er vviirde auf diefem Grande das gan-
ze Gebaude der Lehre voni Tact auffiihren.
Allein er fcheint wenig darauf geachtet zu ha-
ben ; als wenn nichts weiter daraus zu folgern
ware, fchreibt er fort: „ccla fait une fubdivi-
jyjiou , qui donne quatre efjjeces de Mejures
„tvz tout. (t
Konnen wir denn nicht noch weiter thei-
len ? und mullen wir's nicht, urn die feltenere
Arten abzuleiten, welche unter den Nainen
von Zvvcilfachtel, Zwolffechzelmtel , Vier und
awanzig — Sechszchntel vorkommen? oder
imfsbilligt Ronfleau ilillfchweigends den Ge-
brauch diefer Tactvorzeichnnngen? — Viel-
leicht; und wolil ear mil Recht! Wir konnen
nur durch a und 3 theilen; (denn die Einheit
theilt nicht, in 4. und 6 find die Theiler Q.
und 5 fchon enthalten, 5 und 7 aber gebert
Verhaltnifle, die unfer Ohr nicht faffen kann,
wenigftens wie verfchiedene Verfuche *) be-
ftatigt haben, nicht faffen mag; wie weit aber
die Theilungen gehen divrfen, das gehort fur
die Entfcheidung des Ohrs. Mich dunkt es
Kegel, dafs die Tactvorzeichnung die herr-
fchenden Zeiuheile der Einheit angeben miuTe;
unter welchen Zeittheilen aber blofs die leicht
zu faflenden, im Gefiihl Eindrack jnachenden
und inuner widerkehrend fcheinenden zu ver-
iiehen find, ohne Ri'ickficht darauf, dafs ihrer
inehrere bald in kleinere vielartige Theilchen
zerfplittert werden. Solcher herrfchenden Zeit-
theile kann das Ohr nun wohl aufs hochfte
nicht mehr als Zwolf fallen; und fo batten wir
allenfalls auch nur einen Tact mehr als Rouf-
feau geftattet, — inuner aber noch weniger,
als der Componiften-Gebrauch den Schein hat,
glaubend zu machen, dafs in der Natur der
Sache exiftiren.
(Die Fortfetzung im liacliiteu Stuck.)
3. Fortfetzimg der Berichtiguiigen und Zufatze zum Gerberfchen Lexicon.
der Tonkiiiiftler etc. von J. F. Reichardt.
S. 586 fehlt:
Jlurfon war ein fehr gefchickter Organift
bei der Marienkirche in Berlin.
Ilajps. Ich be/itze das felten gewordene
Miferere diefes Meifters, das er friih in Vene-
dig fiir zwei Soprane und zwei Contr' Alte
fchrieb, und halte diefes mit dem Pater Mar-
tini fur eine feiner beften Arbeiten.
S. 6o5 fehlt;
Ilatzfe'd (Hugo Graf v.) jetziger Mainzi-
fcher Gelandter in Berlin, und Bruder des vo-
rigen , der wegen feiner iVhonen Tenorftimme
und feines augenehmen gef'clmiackvollen Vor-
trages als ein vorziiglicher Mu/ikdilettant ge-
najiiit zu werden venlient.
S. 624. fehlt:
Nerbigj ein braver Violoncellift in der
Konigl. Preufsifchen Gapelle: er ift ein Schil-
ler voni jungen itzt fo beri'ihmten Mara, unci
vom Konige fehr gefchatzt. Es ift fchade,
dafs feine fchwachliche Gefundheit ihm kein
langes Leben verfpricht. Mit einer obligaten
Violoncellarie in meiner Oper sfndromeda er-
warb er fich auch im Publikum eben fo all*
gemeinen Beifall als im vorigen Jahr Herr
JHansmaini , der fich fchon bei meinen ehema-
ligen Concerts f/urituels im Publikum fehr
beliebt machte, mit einer andem Arie in mei-
ner Oper JBrciino, die ich fur Madame Todi
u lit einem obligaten Baifon, fiir den vortrefli-
chen, vollkommenen Fagottiften Hitter, mit
zwei obligaten Waldhornern, fiir die beyden
*) Von Tikitiniin, uml befontJers von Conrad Mi-
fliacl Schneider, wtiiand Alufikdireciur und Or-
ganift zu Ulm, in de/Tcn techs Tlieilen Clavier*
libiing, zu Augsburg iu Kupfer geJiocheu,
N 5
04-
ebon' fo vorlreflichen mul vollkonimenen Kiinft-
ler, Thuvfclnnhlt und Palfa t und mit einem
obligatcn Violoncell fiir Herrn Hausmanu ge-
fchrieben hatte. Diefe Ario: Dei di Roma,
ill vielleicht an kehiem Orte in der Welt wie-
der mil der Vollkommenheit aufzufuhren, mit
welcher jene funf Vutnofen fie geltend machton.
Herder (Johann Georg). Aufscr dencn an-
gefuhrten mit dev Tonkunfi verwaudten Schrif-
ten gehoren audi noch folgentle von H. hie-
her: P'ou deulfv/ier Art uud Kuii/t, lH'jS. Bru-
tus, ein Drama znr Mufik, 1774. Liedar der
Licbe t 1778. Zioei IT'cimarifchc Oefangbii-
c/ter, 1778. Folksliedcr aus dem Englifchcn,
Schottifchen , Spanifchen, Litthauifchen u. a.
Spr. Q Ba'nde, 1778 u. 79. Cantate beim Kirch-
gange der reg. Herzogin , von tier Herzogl. Ca-
pelle aufgcfuhrt 1779. E me Oftercantate, Han-
dels Meflias deutfeh imtevgelegt. Es ift fehr
zu bedauern, dafs H. nicht mehr fur die Mu-
fik gedichtet hat: denji er gehort, wie Gothe,
zu den fehr feltnen gebohrnen Dichtern, die
auch Sinn und Gefiihl fiir die Tonkunft ha-
ben. Nie hat mir jemand richtigere Bemer-
kungen iiber meine Arbeiten gemacht, als H.
Herfchcl CFriedrich Willhelm) bat feine
Organiftenftelle in Bath langft niedergelegt und
wohnt feit mehreren Jahren als penfionirter
Koniglicher Aftronom zu Wind for, wo der Hof
fich (\&n griifsten Theil ties Jahres auflialt , und
der Konig felbft mit ilun eifrig Aftronomie
ftudirt.
IleJJel, der als Verferdger einer Klavier-
harmonika in Berlin ' genannt wird, ift kier
ganz unbekannt.
IFirttmely ein junger Klavierift von vor-
zi'iglichem Talent und grofsev Gefchickliohkeit
iiii" Klavierfpielen. Vor einigen Jalircn erwarb
er fich dadurch beim Ktinige von Preufsen eine
jahrliche Penfion, nm damit bei einem felbfi-
gewahlten Lehrmeifter die Compofition zu llu-
diren. Er und feine Freunde bei Hofe wa'hl-
ten Naumann, und fo lebt er feit der Zcit
grofstentheils in Dresden, Doch hat er fchon
einige Male dem Ktinige feine Arbeiten iiber-
bracht, durch die er zeigt, dafs er fur die Na-
ttir feines Talents fich an Kallmann den rech-
len Lehrer gewahlt hat.
Jomclli (Nicolo) H. G. lafst mich bier fa-
gen: ich glaube, Jomelli lei Muiiklehrer im
Confervatorio Si: OnoJ'rio unter Leo und Du-
rante gewefen : ich fage aber in meinem Com-
juentar, den ich fiir Jiiein ehemaliges Conceit
Ipiiituel fiber JomelUs tlamals auJgefiihrtes 3li-
(ciere fchrieb, und aus dem diefe Naclmcht
mir genonuuen feyn kann, fait gerade das Ge-
gentheil; ich bozweifle tiort fogar, dafs er die
Mufik unter Durante ftudirl: haben follte. —
Da jener Comuiiilar ein ziemlich ausfiihrli-
ches und beftinunles Urtheil iiber Jomclli. ent-
halt, an welcheni mich anch fpatere Bekannt-
fchaft mit mehreren feiner Werke und das Ur-
theil feines italianifchen enthoufiafiifchen Le-
bensbefchreibers , an den fich H. G. vorztiglich
halt, nichts antlern lallen, fo will ich ihn
ganz hieher fetzen. Die Textbiicher zu mei-
nem damaligen Concert fpirituel , die folche
Commentare enthalten, fintl ohneliin langA
vergelleji und verflogen.
„Jomelli ift unter den Italia'nern diefe3
Jahrhuntlerts einer der beriihmteiten und be-
licbteften Komponiften feiner Nation. In fei-
nen friiheften Jahren, die in den Anfang die—
fes Jahrhuntlerts fallen, Audirte er unter Du-
rante; es ill aber kaum zu glauben, tlafs er
bei dielem giofsen Harmtmiker die Kompofi-
tion ftmlirt hat, vielleicht war er mir fein
Sangnieifter: tlenn Jomclli hat keincn Theil
feiner Kunft grimdlich I'tiulirt. .Sein iiberaus
feuriges Genie und feine gli'ihentle Imagina-
tion, konnten in feinen friihern Jahren den
Zwang tier Regel nicht ertragen, odev liefsen
ihm vielmehr nie Rube genug, das Kunftfy-
Ilem, und noch weniger tlas innerc wahre
Wefen der Kunft zu Audiren. In Ipiiteren Jah-
ren, da ilun der Vorwurf, bei all feinnm Ge-
nie unwillend in der KnnA zu feyn, unange-
nehm wurde , auch wirklich einmal zu Erlan-
gung einer wichligen Stelle im Wege Aand,
that er, als wolle er fleilsiger arbeiten, mag
auch wirklich fich mehr urn tlas Studium der
Harmonic bekiimmert haben, drang aber nie
fo ticf , dafs er mit Sichevhcit nnd lemer Walil
feine oft herrlichen Melotlieen , mit paffender
reiner und ungezwungen gcarbeiteter Harmo-
nic biitte begleiten, viehveniger noch feine Me-
lotlieen durch reiche und fein gefiihrte Har-
monic vcrfchonern und an Wirkmig verftiir-
ken kiinnen. Er fuchte vielmehr feinen fpa-
tern Arbeiten durch frappante und gehaufte
Ausweichungen , oft ohne Griiml.und Urfache,
ein gelehrtes Anfehen zu geben, und verdarb
datlurch oft die fchimfte trcfFendfte und aus-
dnickvolleAe Melodie. Niemand fuhlt das bef-
fer, als der Sanger, der oft diefelbc Melodic,
die er allein fur fich fehr teicht untl bequem
9 5
gefungen, kamn mehr rein unci Acher fingen
kann, fobahl die unnatiulich gehaufte grund
lol'e Harmonie dazu kcimmt; und felblt der
Sanger wird das nie lebhafier fiihlen, als we*i
cr lolche iMufik mit der nicifterhaften Arbei<\
eincs L f co vergleicht, wo die Harmonie inmi'
der Melodic ircucfte Fi'ihrerin xincl StiUze iit,
wo eine Stiuune die audere tra'gt unci fichert.
Es ift vielleidit kein Koniponilt, an dem man's
belfer zeigen konnte, wie das wahre tiefe Stu-
tlium der Knnft das Genie nicht erdrtickt, wie
es ihm vielmchr Kraft unci Feftigkeit giebt,
all fein Vermogen immer zum rechten Zweck
anzuwenden, als Leo. Unci wenn auch Leich-
tigkeit unci Schimheit cler Form clurch tiefes
Studium cler Kunft etwas leiclen follte, fo wird
cloch an Klarheit, Fafsliihkeit, Beftimmtheit
nnd Vollendung gewifs mehr gewonnen, Es
ift von cler andem Seite vielleicht kein Kom\-
ponift, an deux man es fo einleuchtend zei-
gen konnte, dafs auch das lebhaftefte Genie,
die feurigfte Einbildungskraft, ja felbft hauiige
Erfahrung nicht himeidiend ilfc, den Mangel
des Studiums der Kunft uberall zu erfetzen,
befonders wenn fich der Kunftler ins Feld des
Erhabenen wagt, — als Jomelli: unci unter
alien feinen Arbeiten zeigt das vielleicht kei-
ne fo gaiiz, als diefes i\J(fercre , fo wir heute
auftuhren wollen.
Es herrfcht in diefer Mufik ein Beidithuni
an fchonen Melodieen, an einztlnen ausdmck-
vollen Stellen, wie vielleicht nur in irgend
einein andern grofsen Werke. Allein diefe
fchonen Melodieen find To felten mit guter rei-
ner zweckniafsigcr Hannonie begleitet und fart
nie durch fchiin gearbuitete reiche unci feinge-
fiihrte Harmonie verfdioiiert und gekraftiget,
dafs auch die fchiiufte diefer Melodieen keinen
befiimniten und bleibenden Eindruck bewir-
ken kann. Es ill alles nur moiuentan; frei-
3ich fiir den einzelncn Angenblick zuweilen
das LiebKchfte, was man lichen anag: gleich
darauf aber zerftiirt. wieder ein gewaltfamer nil-
vorbereiteter wcithergehnlt r Akkord all den
fchonen Eindruck. Unci der Kunftler gar, der
gewohnt ift, dem Gauge cler Harmonie mit
clem Verftande zn folgen, findet fich allaugen-
blicklith getiiufcht, irregefiilut unci am Ende
inibefriedigt.
Bei all diefen Ma'ngeln bleiben diefer Mu-
fik fo viel SchonheUen der Melodic nnd des
Eflekts, dafs fie, wie nur je eine andre fei-
ner Arbeiten, von dem lebhaften Genie und
fchonen Kunftlinn des Kumponiften imwider-
leglich zeugt.
Ein befonderes Verdienft, das Jomelli uber-
all hat, zeigt fich bier oft fehr (lark: das ift, die
Klugheit oder Witz, mit wenigen No ten oft
eine grofse frappante Wirkung hervorzubrin-
gen. Befonders in den ltitornelleii' und klei-
neh Zwifchenfpielen der Inftrumente find oft
aufserft frappante, oft audi aufserft angenehnie
Zuge. Das hat leine Theaterarbeiten immer fo
hochft anziighch xmd grofswirkend gemarht.
In der Kirche erfetzt dies freilich bei weitem
nicht den Mangel grofsgedachter , ki'ihn unci
eclel gefi'ihrter Harmonie. Man mufs vielmehr
doppelt bedauern, dafs ein Mann, der fo viel
Scharffinn zeigt in Anfehung der aufsern Be-
gleitung, dafs der nicht durch tiefe Einficht in
die Kunft in den Stand gefetzt ward, die edlern
und grolserwirkenden Mittel, die die Harmo-
nie darbietet, zum hochften und edelften Zweck
tier Kunft geiftvoll anzuwenden. "
Ich ffige dielem Urtheil ein anderes des
Friiizen Belofelsky bei, welches, bei aller fei-
ner Vorliebe fiir die Italianer und felblt fin*
Jomelli, den Kunftcharakter diefes Kunftlers iiu
Ganzen richtig clarftellt. Auch giebt mir fol-
ches noch Veranlaffnng zu einigen Anmerkun-
gen. Er fagt, in feiner fianzofifchen Abhand-
luiig de la. Mvjique eu Italie , Folgendes voo
Jomelli.
„Jomelli fi'ihlte fich friih zur Mufik beru-
fen, und wurde bald beriihmt. Seine Opern
IJigenia, Cajo Mario , und Aftianatlc erfchie-
nen auf den Theatern von Neap el und Rom
mit aufserordentlichcm Beifall. Diefe drei
Werke voll Feuer und Gefang ki'mdigten einen
feinen und fichern Gefclnuack, eine grofse Seele
an, die mit Pcrgolcjhr unci Vincis fchonem
Naturcl zu wetteifern fchienen. Sein Iluf unci
feiue Talente wnchfen taglich; er ftand im Be.
grifF zum Gapellmeifter bei cler pabftlichen Ca-
pelle ernannt zu wcrden : aber das romifche
Mu/ikercorps wolite ihu erft priifen, und be-
hauptete, er keime die Begeln der beiligen Mu-
fik nicht hinlanglich. Jomelli fi'ihlte iich durch
diefen Vorwurf befchamt; er verliefs Horn ;mcl
ging nach Bologna, tint unter dem Pater Mar-
tini den Contrapunkt zu ftudiren." (Im G. Lexi-
con ftelit falfclilicli JSeapel, wo Martini nie
war. Ich kann mich hier nicht enthalten eine
Amnerkung hinzuzufugen, die ich clamals in
meinem Commentar nicht machen konnte, weil
mir diefer Uiitftand unbekaunt war. Der /.<•///•-
mcifter Maitiur, der nur den eigentlichft ma-
theniatifchen Tlieil der Mufik lludirt hafie unci
wirklich vcrfhmd, auch felblt «ie etwas koan-
96
ponirt hat, das ein wahrer Kiinftler rein unci
gut gefchrieben nennen, unci ein feines gebil-
detes Ohr mit Vergniigen hoYen konnte , der
erklart bier ganz den Abweg ties Sdiulers von
der wahren Kunft und die falfche Anwendung,
die er von der Zeit an von einem oberflachli-
chen Studium der Hariuonie gemacht hat.
Uebrigens ift es unbegreiHich, wie in Italien
fchon damals, zu einer Zeit, da die achten
Kiinftler, die Leo^ Feo, J'iuci, wahre grofse
vollendete Kunftwerke in folcher Menge dar-
ftellten und horen Uefsen, wie da junge Leute
als Ptrgoltfi und Jomelii u. a. die lich noch
nicht die Miihe und Zeit genonunen batten,
unter jenen grofsen Meiftern das eigentliche Ge-
fetzmafsige der Kunft zu ftudiren und zu iiben,
wie die denfelben grofsen Erfolg bei demfel-
ben Publikum, das jene Meifter befafs, haben
konnten. Das follte einem faft alien Glauben
an der Moglichkeit der Kunftbildung eines Pu-
blikums benehmen. Unci nun wieder zu un-
ferm kunftliebenden Prinzen.) if Jotnelli war
damals fchon iiber dreifsig Jahr' alt. Das Stu-
dium ift fur das Genie, was die Politur fur
den Diainant ift : es verkleinert ihn , indeiu es
ihn reinigt. *' (Hierau;, denk' ich , fteht die
Antwort im vorftehenden Commentar.)
„Der gelehrte Anachorete, eingenommen
von dem prahlerifchen Gefchwatz der Anthi-
tbefe und der laftigen Narrheit uberall Note
gegen Note zu fetzen (diefes verfteht der Prinz
-vermuthlicli beffer, als feine Lefer) liefs fie
audi feinen neuen Schiller annehmen, unci
JomelWs Genie war bald unter der pedanti-
fchen Laft von Vorfchriften und mufikalifchen
Axiomen erdruckt. Daher komint diefeni
•Kiinftler die Idee, eine Art metaphyfifcher
•Mufik auf das Theater zu bringen, feine Ge-
danken auf unendliche Weife zu martern, die
Tone zu zergliedern und gleichfam das Orche-
'fter differtiren zu lalfen. Ein UebevHnfs von
Gelehrfamkeit erftickte den Gefchmack, den er
von der Natur erhalten hatte, (der Prinz ver-
\rechfelt hier Genie und Gefchmack) nnd fei-
ne zweite Manier, die am meiften bekannt
•wurde, ftrotzt von langwc-iliger Kunft. So find
feine Opern Armida t Temijlocle und Demo*
foittc, die in ihrer traurigen Zergliederung der
Empfmdung nichts mahlen. Seine Inftrumente
erfchopfen euie Ide« und fpielen Noten, um
damit ein Gewebe von liietaphyfifcheui Gefang
iniihfamft zu verdecken. Audi hat diefe au-
fserordentliche Mufik nirgends als in Deutfch-
land, wo man die Schwierigkeiten liebt, Gliick
geiuacht; in Italien fand fie nur taube Ohren.
Er ftarb endlich aus Gram, feine Iphigenia bei
der erftcn Vorftellung fallen zu fehen. **
„Indefs hat der grofse Beifall , den Jo*
nielli an dem gldnzenden Wi'utembergifchen
Hole fand, ihm vide Anha'iiger erworben. "
(Sluttgard war audi wirklich der einzige mu-
nkalifche Ort in Deiitfchland an dein Jomelii
gefcliatzt wurde: dovt galten alle grofse unge-
heure Anftalten mehr clem prachtigften Specta-
kel, als der wahren Kunft. In Mannheim t
Dresden, Berlin unci fp'ieu, WO man lich
auf die Kunft beifer verftancl, unci folche wirk-
lich beherzigte, hat Jomelii nieiuals etwas ge-
golten. In Italien ift es eine ganz allgemein
angenommene Sitte, dafs man jeden Compor
niften, der gewufst hat, lich zu feiner Zeit
auf irgend eine Weife einen Namen zu uia-
chen, wenn er 20 bis 3o Jahr todt ift, unter
die grofsen Componiften vergangener Zeiten
zu rechnen , und weil die wirklich grofsen
Componiften aus dem vorigen Jahrhunderte
unci der erften Halfte diefes Jahrhunderts , gro-
fse Harmoniker waren, fo wird nun jeder,
dellen Name im Munde der Enthufiaften bleibt,
zu den ehemaligen grofsen Harmonikern ge-
rechnet. Ueber Jomellis Mufik hab' ich einige
der komifchften Scenen in Horn unci JSeapcl
erlebt.
Die Kenner und Kennerinnen von Pro-
reffion rechnen das mit zu ihrem kunftver-
derblichen Metier, bei ihren Privatmufiken un-
ter den neuern unci neueften Sachen, die grofs-
tentheils komifch find, einige auffallend ver-
fchiedene Stucke aus alteren Zeiten anszuiiben
oder ausiiben zw lalfen. Hierzu werden nxin
audi Jomalli's Sachen noch gebraucht. AVa'h-
rend cler Ausiibung einer folchen Scene oder
eines -Duetts von Jomelii fchnitten die Mufi-
ker und audi die Zuhorer oft bei den harten
unverdaulichon Snellen, fdneckliche Gefichter,
am Ende des Stiicks hi els es aber allgemein
mit dem hochften Ton der Bewunderung: ah!
jjer Dio ! un capo d* op era! u. f. w. Mir ge-
mahntc das immer ohngefahr fo, wie die ge-
ineinen Leute den unverfchamteften Polterer
und Karrikaturenfchneider unter. den Schau-
fpielern am meifteh bewundern, weil fie fnh-
len , wie fchwer es ihnen werden wurde , fich
often tlich fo zu haben unci zu gebehrden.
In Rom hat Jomelii es fpa'ter dahin zu
bringen gewufst , dafs in der pabftlichen Ca-
pelle am Palmlbntage bei Amtheilung der Pal-
men ein Stuck alia Capella (J\loLetto a 4- Poce
per
97
p&r la domcnica delia Pain in) und anch am
erften 0-fterl.age iin Cbor zu 67. Peter ein an-
deres Shisclttuk : Srr/uentiu Pafcfialis von ihm
gefungen wir<!. li'a bcfiizc diefe beiclen Stu-
cke, kann aber nicht fagen, c!ais fie ink von
i'-gencl einer Seite befnnders fchatzbar zu feyn
fcheinen: lie find Heir unci hie unci da platt;
find audi nur fn ebon nothgedrungendit rein
gefdnieben. Kein Kindlier, der den reinen
batz verflelit und lelbll ausi'ibt, wird fie fiir
gut gefchrieben hallen. — Doch meine An-
merkung wild zu lang; alfo weiter im Text
unfers Diletlanten.) ,, Seine Feblcr abgcrech-
net, kann man ilin iibrigens fur den griind-
lichften und groklen Kiuililer hallen, der ]e
auf der hamioiiifchen Balm gegliinzt bat. Sei-
ne Werko erfordern aber ein gdchicktes Or-
cbefter und geiibte Ohren , um verftanden und
genoffen zu werden. Sie find dem Creiifcben
Labyrinthe gleich, und es gelnirt Ariadnens
t'aden dazu, um iich gliicklich hinaus zu fin-
den. " (Delfen bedarf es docb bei wabrer acb-
ter IWcifierarbeit nicht, bei welcber Klarbeit
eine der wefenllidiften Eigenfcbaften ift.)
„Ralieii und Frankreich baben nur gar
zu viele der mittelmiifsigen Talente und ge-
iiteinen Autoren, die nur iuuuer nachaffen,
und gefchaftige rMlaftertrcier auf ilei" Balm find,
die Aieiiter gebabnl baben. Jomelli lialte audi
eine Menge Nachahmer, die iich in ein deda-
lil'ches NoLerdabyrinlh verwickellen. Ziim duck
batten fie nirht den Geift ilnes Mufters und
ahmten nur feine Fehler nach; inul zu nocb
grofserem Gliick crboben HaJTe und Galuppi
ihre Hanpter land vcrjagten Tie." (Zu JIaffb
fag' aurb icb: slmeii! gefell' ihm aber lieber
Majo bei.)
Die Herausgabe der Jomellifchen Opern ift
iibrigens in Stuttgard mit feiner Oper Olim-
piade wirklich begonnen ; und ich wurde iiu
Jabre 1789 bei eineni kurzen Aufentbalte in
Stuttgard von dem Director der dortigen gro-
fsen Militairfchule, mit einem Exemplar der
dafelbft gedruckten voUftandigen Partitur jener
Oper befchenkt. Audi batte man damals die
Giite fiir micb, mir einige originalgedacbte
Opernfyinphonieen von Jomelli, wodurch er
ficb zu feiiicr Zeit befonders auszeichnete, und
einige fehr brav geinachte Stiicke von Herrn
Zumfteg, von dem Herzogl. Orchefter hbren
zu lalfen.
Senas, ein junger Klavierfpieler von gro-
fscm Talent. In feiner friihon Jtigend uber-
gab ihn die Prinxejfin Amalia von Prcnfwn
unferm vorlreJlichon Muhklehrcr rafch , und
gab ihn zugleid^, aul's Juachimstbalifche Gym-
nafium. Nacb ihrem Tode Iiat ib:n der jeizige
Ki'inig von l'reufsen den niiiiiLJiicbeii mid.
wilfenfchaftlichen Unl.eirii lit fortfeUen , tmd
ihn im Jabre 1790 die Univcrfiiat Unlit: be-
ziehen lail'em H. J- bat befonderj in Phsn-
tafieen auf dem Klavicr und audi in <-ii.i;?en
Arbeit en fiir den Gefang bislior die unverkeun-
barften Pry ben eines ganz \orztiglidieu Talents
gegeben. Dabei bat er voi lo vielen jujij.evi
Kiinftlern (\en grofsen Vorzug unter Fafchcns
Anleitung don mecbanifeben und wi/lenfcbafl-
lichen 'Fbeil der Kindt auf die belle und griimi-
liclifle Art ftudiert zu baben. Benutzt er mm
nocb das wiirenfchaftliche Stiniium zu a'chter
Aufklarung des Koi>fs und acbler Bibbing des
Gefcbmatks, lb kann die Kunit kiinftig von
ihm fehr viel uruarten und erhalten.
Kalkbrenner (Chriftian) ift feif 1790 Capell-
meifter des Prinzen Ihinrielis von Prcnf.sen in
Wieinsberg , und erwirbt ficb dort durcb fei-
nen Eifer zur Verbellernng des Ortheiters vie-
len Beifall. Er bat audi nocb 1789 drucken l;d'-
fen : Tlieoric der Tonknnjl mit i3 Tabelhn.
.Berlin bei Ihnnmel.
S. 707 feblt:
Karftvn , ein vorlreflicher Tenorift bei der
fchwedilcben grofsen Oper in Stockholm. Seine
Stimnie und Vortrag und iiulserlidie Bibbing
macben das angenebmfte Enfemble, das viel-
leicbt nur je ein Sanger befelfen hat.
Kaufmann (Carl), ein braver junger Or-
ganifi; bei der Paiuchialkircbe in Berlin, der
ficb nocb neuerlicbft durcb die recbt brave Aus-
iibung einiger neuen fcht'inen Jiigen von Mar-
purg auf feiner fchonen Orgel deu Beifall zweck-
mafsig verfammelter Kenner erwarb , die gewif*
nicht vergeblicb cinen vortrellicben Organiiten
in ihm erwarten. Erift audi ein braver Vio-
linfpieler. Audi hat: er 1790 Pariulionen furs
Foriepitruo iiber ein kleines naives Stiick aua
dan Bainn der Diana drucken Jalfen, die ihn
audi als Ooniponift von einer vortheilhaften
Seite zeigen.
Kauiis (G. G.). Ich befitze audi vier fdiwe-
re Violinfonaten von diefem INleiller, inLiilticb
geftochen und opera yrima benannt. Man foll-
te diefe Sonaten oft fiir die Arbeit des feel.
Franz Benda halten; nur find fie viel fdiwerer,
98
als die meiften Benda'fchen Violin fa ch en; unci
tier Gefang J)at nicht den nrui'irlicheu Flufs unci
dnrchaus bchaupteten edlen Charakter, der die
Werke jenes Meifters fo eigen auszeichnet,
S. 755 fehlt;
Krauje (junior). Er ift audi Flotenift in
(lerKonig'lichenCapelie zuBerlin, unci einSchii-
lcr feines Binders, den er an Annehmlichkeit
des Tones und Leichtigkeit der Execution iiber-
trift. Er blaft neben diefem die zweite Flote
im Orchefter.
La Horde , ift nicht Gelehrter, fondern
Fermicr general zu Parts, und mit dem vor-
ftehenden Opercomponiften eine und diefelbe
Perfon. Wenn ein reicher Generalpiichter, dem
es in der Behdenz der fchonen Kiinfte rur urn
den Ruhm zu tliun ift, ein grofses fchon in die
Augen fallendes Werk iiber Kunft herausgege-
ben zu haben, nicht leichter wiirde, ein fol-
ches Werk zufammen zu tragen und tragen zu
laffen, als unfer einem, fo wi'irde der Schlufs
des Herrn G. ganz richtig feyn, fo aber —
Das Hans des LaBoide ill iibrigens dieNie-
derlage der It;\lianer in Paris, daher denn audi
in feinem Werke die ausfi'ihrlichen Elogen aller
neuern Italiiiner, die nur je in Paris wareu und
the L. B. auf feinen iralianifchen l\eifen per-
fonlich kennen lemte, und der dagegen felir
ilrolligL abftechende drei, vier Zeilen Jange Arti-
kel fiber Ghick , der nur bios die Titel feiner
Opern benennt, und iibrigens vorausfetzt, dafs
man von diefem beriihmten Componiften hin-
liinglich unterriditet fey. Wenn ich der Haus-
freund Piccini und Sa echini ware, i'o wiirde icli
diefe Wendung gegen niich gedeutet und /ie dem
Herrn L. B. felir ribel genoiumen haben. Sein
iibrigens fehr reichhalliges Werk: (Pjjui fur la
3'Itinque ancienne et modeme) units jedem, der
nicht ini Stande ift, fidi vide theoretifche und
iiiftorifche Werke zu verl'chaffen , lehr ange-
nehm feyn, nur will es mit vieler Sachkennt-
nifs und iidiLer Kritik bentitzt feyn, um nicht
mit dem oder denen bios zufainnienfragenden
Auroren felir oft in die ofFenbarfteri VVider-
fpriiche und Inconfequenzen zu verfallen.
5. 7 7 5 fehlt:
Lais, ein vortrcflicher Tenorift hei der
grofsen Oper in Paris. Seine Stimme ift vol!
und angenehm, und ich iiabe ilm audi aufser
dem Tixe«itor ilix Concert fpirilucl mit dem
beruhmteften italianifchen Ttm.uiften JDavid
in Vortrag und Ausdruck wet; extern und (lurch
wahre ruhrende Shnplicitat gewinnen horen.
Leo (Leonardo) ift fur den Beobachter,
Kunftgefchichtfoifcher und Ki'inftler der wich-
tigfte "Componift diefes Jahrbunderts. Keinev
hat fo allgemein und mannichfach auf fein
Jahrhundert gewirkt, als er. In feinen Wer-
ken iindet man alle Formen , die die Ton-
kiinftler bis itzt bearbeitet haben und noch
bearbeiten. Die id tern verfcliunert, vervoll-
kommet und mit unzahligen neuern vermehrC
Die grofse Oper in Italien hat bis diefen Tag
nichts, wozu in feinen Werken nicht die Grund-
formen liegen. — Die ftondoform, die itzt
meiftentheils fo unfchicklicb in der grofsen
Oper angebracht wird, ift keine iieue Form,
fondern nur aus der Opera bnjfa, in der fie
audi Leo brauchte, heri'iber genommen. —
Es ift hier um fo weniger der Ort mich hier-
iiber weiter auszubreiten , da ich es an meh-
reren Orten meines Kunftmngazins bereits ge-
than und in einer Skizze yon feinein Leben
noch umiiandlicher zu thun im BegrifF ftehe:
idi will hier nur noch anzeigen, dais mir von
diefem iiberaus reiclien und l'ruchtbaren Com-
poniften aufser denen von ihm angezeigten
Theaterfachen noch folgende bekannt und.
grofstentheila in meinem Befitz find, zmn
Theil audi fogar in feinen eigenhiindigen Ori-
cinalpartituren. Die grofsen Opern: Arianne
e 7'tjeo L , Olimpiade , Dcmojonte , dndroma-
cha , Achilla in Siria, Giro ricoininfciiito , Le
noze di PJichc con Amore, Fejlo teatralc. 1739.
Screnula per Spagna II Varte. Componi-
mento paftorale II Parte, noch eine Serena-
ta, die in feiner eigenha'ndigen Partitur nicht
vollendct ift und eine Men&e einzelner Alien
und Duet ten , und das Intermezzo: La Zin-
eareota \no\ gefdirieben. An Kirchenfachen
befitz' ich vnn ihm, und zwar zmn Theil in
feinen eigenha'ndigen Originalpartituren Fol-
gendes: Pin Miferere fiir zwei Chiire alia C«-
pella, welches ich in einem nieiner ehemali-
gen Concerts fpiritucls auffiihren liefs und mit
einem Common tar begleitete : das fchone herrli-
clie Chor, cor mundum crea, in meinem Kunft-
magazin, ift aus diefem Meifterwerke. Ein
lilotett, hot nos mifcros , fur fi'mf Singftim-
men alia capella. Znrci Oratorien: 1) Sanb
Plena al Calvario poefia di Ji/etajlujio. Q)
Abele e Caino , wori'iber ich ehemals zu ei-
nem meiner Concerts fpiritnels einen kleinen
Commentar drucken liels, <len fleir P> • >f.
Cramer fanxmt den vorhererwahnten audi in
00
fe'meni miifihalifvlwn Magazin wieder hat ab-
drucken lallen. tier Meffcn: i) Fur zwei So-
/train', Alio, Teuore c Buffo unci Ordiefterbe-
gleitung von Saiteninftruiuenten, a) 5) unci 4.)
ebeufalls fiir 5 .Singftinunen niit einer grofseu
vollih'indigen Oidielturbegleitung von alien ge-
wohnlichen blafenden unci Saiteninftrumenten.
JDrei .Dixit: 1) Fur zwei Diskante, Alt, Te-
nor unci Bafs uiit ciner grofson Orchefterbe-
gleitung, g) Fiir ;. wet vierfthmnige Chore und
zwei verfchicdcne Orchefier. Kin Te ID cum
fi'ir vier SingfUmmen unci ein grofses Orche-
l'ter. JLin Credo , fiir vier Singftiininen und
Begleitung von Saiteninfirnmenten. Zwei 31a-
guf/icat : 1) fi'iv zwei Snprane, Alt, Tenor
unci Bafs unci cine Orchcjierbvgl.eituiig ton
Saibeninfmonenleu. c) Fi'ir vier Singcp./iuiiitu
unci zwei Violinen und Bafs zur BegleUunc
Zwei Caul at en: 1) Cunt id a per il Gloriofo
S. P'inccnfo Ferrai o Jin moletio a ciiu/ue
Toci con Stronienti (ein vollftandiges Orcbcfter)
2.) Cautala per il miracolo del Gloriofo S.
Gennoro , auch fiir 5 iSijigftiiinnen und ein
grofses Orchefter. JLin Jfotclt : Jam fur r exit
dies gloriofa fi'ir fimf Singilinnnen unci ein
grofses Orchefter.
ImIIy (Jean Baptiile). Schade dafs H. G.
nidit bei Bearbeilung diefes Artikels das neue
178c in Paris herausgekoiiu-uenc Lebcn diefes
JK.unflJ.crs bei tier Hand hatte. Es Lieht im
zweiten Heft einer Snuimluna, die i\en Titel
fi'ilirf. Vies des sfrtiftcv unci Heftweife her-
auskimimt. Diefes Leben zufanihiengehalten
mit tleni, was lioilecm , tier Zeilgenoffe und
Feind Luily's, und Voltaire, in verfdriedenen
'feiner Srhriften u. a. von ihni fagen, audi al-
lenfalls was slrteuga in feinem neuen Werke
iiber J.idly und die; i'ranzofifche Mufik iiber-
haupt beigebradit hat, mi'ifste einen fehr in-
tereifanten Artikel gegeben haben. Wer dazu
nodi die eigne Bekanntfdiaft mit den Werken
diefes feinen ralhnirenden Kiinftlers befafse,
mhfste aus Luily's Leben eine fo interejlante
Biographic liel'ern konnen , als nur je ein Mann
tier Epodie geinnc lit bai , veranlafst hat. Hier
vu'irdcii Zufat/e nadi eignem Geftchtspunkte
211 weit fcihren.
Seite 855 feblt:
Jllaniiu, ein ilaliaruTcher Opernkomponift
gegen die Mittc did'es Jahihunderts. 1753
lchrieb er in 7U>?//.
Mara (Johann) lebt nodi fehr wohlbdial-
ten in J^oiulon und wild bald an tier Seile
feiner vortre/lidien einziggrofsen Frau als un-
abhangiger und reidxer Freiherr leben konnen:
wenn Mad. Mara nicht anders den fchmeichel-
haften Rnf nadi Berlin audi tier angenehm-
ften Unabhn'ngigkeit mit wahrem und erwunfch*
tetu Ki'uiftlereifer vorzieht.
Marefcalchi (Luigi) hat in Neapel einc
Mufikniederlage errichtct, in welcher nian alle
Opern und Operetten, die feit zehn bis zwau-
zig Jahren dort aufgefi'ihrt wortlen find , und
nodi aufgefi'ihrt werden, in Parti tur vollftan-
dig haben kaun. Die LieblhiEsarien lafst er
audi haulig in Kupfer ftedien, audi kann man
einzelne Alien, Duetts oder g.mze Scenen ge-
fdnieben von ihin erhalten. AVein in Deutfch-
land fein Mufikkatalogus mit beigel'etzlen Prei.
fen zu Gefichte konunt, ill vielicitht daiuit
gedient zu wilfen, dafs ein neapolitanifcher
JJucaLo ohngefahr fo \iel als ein Reichstha-
ler ift.
S. 9 5 7 fehlt:
Mdfer, ein junger Violinift in Berlin, tier
fchon als Knabe bei tier erften Violine in
tier Cajielle des verftorbencji Markgrafen von
Sdiwedi: hand, feit defl'en 'J'ode aber das Gl iick
gehabt lint, von clem Kunigo unterftiitzt , in
Jlaacks Schide zu konuuen. Diefer jim-re
Mann hat fchon einen fo hohen Grail von me-
chanifdier Feftigkeit und a'chter Bravour, dafs
es ein wahres Gli'ick fiir ihn ift, einen Lehrer
zu haben , der nidit nur jene Eigenfchaften
in hohem Grade belitn, fondern tlaneben audi
allcs bat, was zu einem aditen griindlichen
Aolleruleten A'irtuofen gehcirt. Er kann ally
nitht fo leidit zu der, jungen Leuten fo leichi
gefahrlithen Meinung gelangen : er habe nun
aJles, weil er grofe .Schwiengkeiten fehr brav
executirt. Wenn er Haacks Unterricbt ganz
benutzt, kann er einer der eritgn VioLiniften
werden.
S. 98/1- fehlt:
Munchhanfeu, (Baron von) Caminerherr
am Hofe ties 'Frinzen Heinriclis von Preufsen,
ein fehr pailionirter unci gebildeter Mufikdilet-
tant, der Klavier und Harmonika fehr gut
fpielt und auch vor einigen Jahren, bei Hum-
m«l, Symphouieeu herausgegebeu hat.
2
100
4- R-ECENSIONEN.
Klavierfchvle Oder Anweifung zum Klavier-
fpielen J'iir Lehrer und l.ernende mit
kritifchcn Aiimerhingeu von Daniel Gott-
lob Turk.
H. T, liefert mit diefem Werke eine An-
weifung, die durch ihre Vollftandigkeit, Gri'mcl-
lichkeit unci FaftHchkeit, faft alle bisher im
Gebrauch gewefenen Anweifungen zum Kla-
vier encbehrlich macht. Das Ganze ift fur drei
Anen von Lefem befhmmt. Der Haupttext
enthalt allea, was jeder Lernende, der griincl-
lich unterrichtet feyn will, wiflen mill's;, die
kleiner gedruckten Anmerkungen find grofsen-
theils weiteve Auseiuanderfetzungen, oder Be-
weile, oder Fingerzeige fur den Lehrer; die
mit noch kleinerer Sclirift hinzugefiigten No-
ten find kritifche Unterfuchungen , Vorfchlage
und Bemerkungen, die dem forfchenden Ton-
ki'mftler StofF zu weiterm Nachdenken iiber
die beriihrten Gegenftance geben konnen.
Ob die fchnellere Verbreltung diefer fehr
rmtzlichen Anweifung durch diefe' fi'ir jein ei-
gentliches praktifches Lehrbuch vielleicht zu
grofse Ausfiihrlichkeit nicht leiden wird, und
ob H. T. nicht wohl thate, von dem pofitiven
Theile, der die wohlgegriindeten, und als rich-
tig anerkannten Lehren fur den Clavicrfpieler
vortra'gt, eine Art von kurzem erliem Ele-
mentarbuche zu formiren, das fur die Beweife
raid grofsere Ausfuhrung der vorgetragenen
Begem auf diefes grofsere Werk v'ervviefe, und
diefes fo als zweites Elementarbuch immer je-
dem, der ganz gri'mdlich unterrichtet feyn
wolltc, nothwendig bliebe; diefes will R. H.
T. zu iiberlegen geben.
Uebrigens enthalt diefc-3 Werk, aufser ef-
Tier an guten Bemerkungen und Erinnerungen.
reichen Eink-itung von 3s Sei'tch , 'folgende
Abhainilungen. Kap. I. Abfchn. l) Von der
yJbt/ieiliing des Claviers in. Oktaven ; von der
JBew-nmuig derlXoteu- von den Schlujfeln vnd
Vcifetzungjz.icfreu. In diefem Abfehnitte kom-
nien aufser dem fehr umitandlichen Untenicht,
auch viele gute und angenehme hifiorifche-
Nachrichten vor. e.). Von den lntervaUen ;
von den Tbuleitem und Tonarten ; voil der
"Forzeichttung und' von den Tonarten der Al~
ten. Dufch die den Befchreibungen der alten
Tonarten gleitfi baigofiigten kurzen Beifpiele
sms tin fern Choralmelodieen , ift der Artikel
fehr einleuchtend und fafslich ge word en. 5)
Von der GcUttug der Noten; von den JPunk-
ten und Pan fen. l\-) Font Takte. Diefer Ab-
fchnitt ift ganz vorziiglich gri'mdlich und voll-
flandig abgehandelt. 5) Von der Beweguug
und dem Charakter elites Tonfliicks. Die zu
Bezeichnung der Bewegung gebrauchlichen
Kunftworter find bier vollftandiger angefuhrC
und beifer erklarl, als irgend wo anders. Uih
die richtige Bewegung ein.es Tonftucks nach
der genaueften Bezeichnung deiTelben ficher
zu trefFen, kommt alles auf richtiges Gefuhl,
Beurtheilungskraft und Uebung des Spielenden
an, wie Heir T. fehr richtig bemerkt. (>) Von
v erf clue denen Nebenzeichen und Kwifiwortern.
Auch fehr vollftandig abgehandelt. Cap. II.
Von der Fingerfetzuug. In fivnf Abfchnitten
hat Herr T. diefe Materie erfchopft und fie
durch e^ne Menge fehr gut gewahlter und den
Lehren gleich beigefiigter Beifpiele fafslicher
und unterhaltender gemacht, a's lie bisher vor-
getragen word en ift. Cap. III. Von den Vor-
uud 2\ ac/ifchlageu. In vier Abfchnitten. Cap.
IV. Von den wefentlichen ZIIauie>en. Audi
in vier Abfchnitten, Cap. V. Von den urill-
kithrlichen Manieren. In drei Abfchnitten.
Cap. VI. Von dem Vortrage. Vortreflich!
Hier erkennt man in dem Verf. auch den vor-
zuglichen Coinponiften unci Virtuofen.
Der Mangel anRauui, der uns fclion uber
die letzten Capitel in unfrer Anzeige fchneller
hinwegzugehen zwang, erlanbt uns auch nich.t
von dem Anhange etwas weiter zu fagen , als
dafs er reich an mancherlei kieineren Abhand-
luiigen voll feiner Kritik \\n<\ grrindlicher .Sach-
kenntuifs ifr. Das f;.;in/e AVerk bufchliefst jnit
eineiii Kfgiiter cli:r gewiilnilichfi:. vi Kunftwor-
ter und AitiiUvicke, dereu Erklarungen in clem
Werke voxkommen.
Was 'Herr T. am Ende des Werks fo be-
fcheir!en wunfcht geleiftet zu haben, hat ev
gewifs in vorziiglichem Grade geleiftet: ,,Be*
ftirdening des wahren gefclnnackvollen Cla-
vierfpielens und befonders des bisher noth fo
wenig in Regeln gebrachten mufikalifchen Vor-
trags. " Gewifs, niemand wird fein Werk ftu-
dieren, ohne hjerau uterklich gewonnen zu ha-
beii, lind cla'3 allein mnfs es kimf tig beim wah-
ren Clavieruhterricht unentbehrlicli machen.
H. T. hat feiner Anweifung noch zwolf
angenehme Hanaltucke von verfchiedenem Cha-
101
rakter und ungleicher Schwere zum Gebrauch
beiia Unterriditon beigelugt unci die Finger
dariiber gefetzt.
/. F. M.
Seitrdgc zu waJirer Kirchettmufikj von J.
sJ. Hajfe u. J. A. Hitler . Leipzig bci
Rohmv 1791.
H, Miller tn'igt in dicfem Auffatze feme
Idee vur, den Cantoren unci Mufikdirectoren
Hafsifche Compofitionen verfcliiedener Art mit
imtergelegteri deutfchen Texten in die Hitnde
zu liefern, urn dadurch Ichlcihte Kirchenfi-
chen zu verdrangen. EtTt giebt er Nachricht
da von, wie fchwer es ibm beim Antritte fei-
nes neuen Mufikdirectoramts geworden, cine
liinliingiichc Snnunlmig guter Kirehenfachen
zufammen zu bringen; Text und Compolitio-
nen waren grufsentheils mager und kraftlos.
Was II. H. iibor die befte Einrichtung geiftli-
cher Can ta ten und mulikalifcher Gedicbte iiber-
Iiaupt fagt, ftiinmet ganz mit deni iiberein,
was Herr Capellm. Reic/iardt in feineni mufi-
kalifchen Kunftmagazin und mehreren and em
Schriften haulig vnrgetragen hat, und mufs nm
fo me In* Eingang linden. Es werden audi ei-
nige aufTallejule B.ifpielo a us fthlechten nuili-
kalifdien Gedichten augcfiihrt.
Dei* Gedanke, dafs Hafle alle feine Meifter-
arbeiten fur den Gefang auf italianifche Texte
verfertigt liat, uiid diel'e dndurcft fi'ir Dcutfcli-
land- verloren wiiren , erzeugte bci H. littler
den anderen mehreren Hafsifdien Alien und
Duetten deutfthe gciftliche Texte unterzule-
gen, und in der Kirdie auf/iifuhren. Der
Beyfall, den er liamit fa rid, erniunterte ilm
die Ichcinften und originellften Stiicke aus
HaflTens Werken auszulieben, ibnen eleutfebe
geiftlidic Paroclieen unterzalegen und die cif-
fentliche Bekanniiuadvmg durch den Druck zu
verfuchen.
Bei Junius \:\ Leipzig iftbereits unter dem
Titel: llli'ipctjl.icke des ibalia-dfehcn Gefan-
ges ein He.'i crfchienen, das feths folcher Arien,
Ein Dueit und Ein Choi* en! halt. H. H.
wiin fcht damit fchneller fortzufahren , als es
iiii Verlage eines Buchhandlers gefchchen kann ;
ges/en fechzig Arien, iiber zebn Duetten und
zebu Cliiire vvi'infcht er 'in zwei bis drei Ban-
den nrit klcinem Noten gedruckt, die Herr
Breitkopf befonders dazu wird giefsen laflen,
durch den Dmck bekannt zu machen, unci er-
bittet Jkh dazu die Unterftiitzung deutlcher
Hcjfe und des deutfchen Publikums. Schlids-
Hch giebt II. H. zur Probe drei und dreifsig
feiner Parodieen zu Arien, iieben zu Duetten
und fiinf zu Choren von Haffe. Von dem
Werth diefer Parodieen kann man nur urtliei-
len, wenn man die dazu gehorige Mufik vor
Augen hat.
Ob die Idee des Herrn H. Unterftiitzung
verdiene, ift keine Frage: fie ift patriotifdi,
rind hilft einem grofsen Bedivrfnifs ab. Audi
die Herausgeber diefer Monatsfchrift und ele-
ven Verlagshandlung machen es fich zur Pflichr,
alles was" lie vennogen zur Ansfuhrung eines
fo li'ilimlichen Unternehmens beizutragen. Al-
les was zur Forderung der guten Sadie gerei-
chen kann, wild diefe Momtsfchrift mit Ver-
gniigen bekannt madien, und die Handlung
wird gerne Subfcription dafi'ir amiclimen, fo-
bald H. H. die na'heren Umilande bekannt ge-
macht haben wird.
Ob aber durch diefes Untemehmen Haf-
fen felbft ein grrif seres Rhrendenhinald geftif-
tet werdc, als er ficli bereits durcli feine un-
fterblichen Werke felbft geftiftet hat, das be-
zweifeln wir eben fo fehr, als dafs HaJFe felbft
damit h:iue znfrieden feyn kounen, daf6 fei-
nen tlieatralifclien Werken, die fich cloch ixber*
all fehr charakteriltifch von feinen Kirchenar-
beiten unterfcheiden , durdi neu untergelegte
geiftlidic Texte von ihrem wahren Exiflenz-
punkte in die Kirdie verfetzt werden.
Audi wi'mfchten wir, dafs H. H. weder
feiner Ankiindigung nodi dem erften Heft fol-
che Titel gegeben hatte, die etwas anriers und
inehr veiheifsen, als eigcntUch gegeben wer-
den foil. Zur Erfnllung des erften Titels
mi'ifste HaJTe Hillerifche geiftliche Gedichte fiir
die Kirch e neu coinponirt haben, und zur Er~
fi'illung des andern miifste H. H. eine Sam nu-
lling der grcifsten Meifterwerke von Palejiri-
na, /lUcgri , Baj f Car/JJimi t Marcello , Peri,
Isco, Fco , Durante u. a. und ebenfalls dazu
Meifterftiicke ihres braven und beften deutfchen
Sdii'ilers Uajfe geben. HalTifche Compofitio-
nen allein abcr JMeifterftiicke des italianifclien
Gefanges zu riennen, verrath einen falfchen
Nationalftolz, der nur zu leicht femer Ablich-
ten verfehlt.
■* * *
o s
102
Alcide at lit mo. — Fejle thcabrale del Sign.
G. A. Ilajjc. — Accommodala al Clavi-
cembalo con lutti gli llecitatioi 7 cori c
Sinfonie. (K.oftet in der neuen berlini-
fchen Mufikhandlung 2 Rthlr. 18 Gr.) -
Cantata; Lavinia a Tnrno a Soprano Solo f
2 Violini , Viola e BaJJb , coiii])ofta dal
Sign. C. E. Graun. (Koftet in der neuen
Berlin. Mufikhandlung 10 Gr.)
Die Herausgeber diefer Monatsfchrift ma-
then es fich zur angenehmen Pflicht, einige
mit grofsem Unrechte vergellene Werke, fol-
cher Meifter, als Haffe, Graun t Bcnda, Bach,
(lurch kurze Anzeigen unci w r o es nutzen kann,
tlurch nahere kritifche Beleuchtung ins Gedacht-
nifs der Mufikfreunde und Tonki'mftler zuruck
zu rufen. Dem ftudierenden jungen Ki'mftler
find jene Meifterwerke noch gar nicht entbehr-
lien gemacht worden, fo ungeheuer grofs auch
die Anzalil der neuen Componiften ift, und
To fruclitbar diefe auch zuui Theil ihre Un-
fruchtbarkeit an den Tag legen mugen.
In der vor uns liegenden kleinen Hafsi-
fchen Oper nmfs dem aufnierkramen Kiinftler
in den Recitativen vorziiglich der Gang der
Modulation merkwurdig feyn. Ohne geluchte
harte und fchnelle Ausweichungen, ohne alle
enhannonifche Ri'ickungen, die itzt fo viele
Componiften wiecler beim Ausclruck jeder ftar-
ken Leidenfchaft unentbehrlichglauben, herrfcht
cine beftandige und kriifc'tige Fortfchreitung in
der Modulation, die nie ruck - und vorwarts
in ihre eignen Fufsftapfen tritt. In denen vow
Orchefter begleiteten Recitativen ift auch gro-
fsentheils hohe Wahrheit des Ausdrucks, man-
cher fchone ohnfehlbare Effekt und immer achte
Orchefterbehandlung merkwurdig und lehrreich
zu ftudieren. In den Alien herrfcht fail durch-
aus der edelfte Gefang, wie ihn nur je die iia-
lienifche hohe SchuLe in Hirer fchonften Zeit
hatte, und meifterhafte Fiihrung der Singftim-
rae unci eben fo meifterhafte klare, Licht unci
Schatten wohlthatig vertheilende Begleitung
iiberall unverkennbar. Die veraltete Form der
Arien machi fie freilich den ekeln nur Neu-
heit liebenden Dilettanten weniger geniefsbar;
doch kann man mehrere Arien, die im Gan-
zen von grofsem Ausdrucke find , wenn gleich
die genaue Behandlung der Poefie, die die
neuere feinere Kritik forder.t, nicht iiberall fich
findet, bios durch Weglail'ung cler hiiufigen
Triller unci Rulaclen vicl geniefsbarer machen.
Die Behandlung der Chore und deHeii,
wis man eigentlich die Scene nennt, zeigt in-
dels febr auffallend, wie viel diefer Theil der
tragifchen Kunft unferm unfterbUchen Ghtck
tlxx danken hat; unci zeigt es gerade hier am
auffallendften , weil Hajfe auch ftir Theater-
elfekt unter alien Componiften, die vor Glucks
letzter Periode fchrieberi, obenan fteht.
Diefe Graunfche Cantate, ob fie gleich un-
ter den vielen meifterhaften Can ta ten unferes
unfterbUchen Grauns niclit die allervorziig-
lichfte ift, kann dem jungen Componiften den-
noch befonders von Seiten der Modulation
und der ganzen harmonifchen Behandlung,
auch von Seiten der Fiihrung des Gefanges zum
nutzbringenden Studimn dienen. Singemei-
fter konnen keine zur Bildung der Stimiuc
unci des Ohres fchicklichere Uebungen wiihlen,
ate die Gefange diefes Meifters, der auch als
Sanger ein Meifter war; felbft Mufikdilettan-
ten, die noch nicht der Sclaverei der Mode fo
ganz unterliegen, dafs fie nur Modenahmen
huldigeii diirfen, werden an diefer Cantate ci-
ne Kopf - und Herzbefch;il'tigende Unterhal-
tung finden. Fiir diefe mats es auch ange-
nehm feyn, hier aufser der Partitur auch die
Inftrumentalparthieen befonders abgedruckt zu
finden. Um fo mehr, da zu kleinen Cammer-
concerten dergleichen Cantaten mit fchwacher
Orchefterbegleitung weit pafslicher find , als
grofse Opernarien, die faft immer mit Riick-
licht auf ein zahlreiches Orchefter gearbeitet
werden.
Dilettanten konnen fich auch aus diefer
klargearbeiteten und fehr ordentlich abgedruck-
ten Partitur, mit der Einrichtung ciner Parti-
tur weit leichter bekannt machen, als es durch
die meiften neuen mit Begleitung iiberlade-
nen Partituren moglich ift.
J. F.
Six Sonates pour le Clavecin on Forte pia-
no par Mfr. K/ifnet: Paris : chez Hairy.
(In <ler n. Mufi'khandl. aThL 3 Gr.)
Sind im hekannten neuen Gefchmack ge-
fthrieben und machen, gut und mit etwas
Vorliebe fur dergleicheu Sachen . vorgetragen,
einen garxz angenehnien Effekt, obwolil fie an
Gedanken eben nicht neu und hervorftechend
find. IndeiTen ift darin doch eine gute Ver-
bindung derfelben, unci fur eine gewille Mit*
1UJ
telgattung von Spielern kiinnen fie ziemlich
unterbaltend and brauchbar feyn. — Aber die
Trois Satiates pour le Plana forte on Clave-
cin par ID. Hermann, a Paris chez le Due
(hi der N. JB. Mufikhandl. x Thl. 18 Gr.)
zu welch en auch eine Violine gefetzt ill, deren
Abwefenheit indellen dem Clavierfpieler kei-
nen Abbnich thut (Beweil's, dafs fie nicht doit
hingehiht), zeichnen lich aus durch feurigen,
brillanten Satz; durch Gedanken, die nicht zu
den alltaglichen gehoren unci durch gute und
bin und wieder kecke Modulation. Da fie ei-
jien geiibten Spieler verlangen , fo lafst fich
denken, dafs fie, von fokhem rein und r.ach-
drvicklich exekutirt, den Zuhorer leiclitlich mit
fortreifsen konnen. Der Parifer Stich ift recht
gut, nur Hiufs man es mit den Verfetzungs-
zeichen nicht hiuner fo genau nehmen.
In einem noch emfteren, mehr gebunde-
nen Styl find gefchrieben folgende
Trois Satiates pour le Clav. ou P. forte
par Jean David Brutiines. (In der neuen
Berl. Mufikhandl. 1 Tlilr."i6 Gr.)
Sie fetzen einen ziemlich feriigen Klavierfpieler
voraus, und find niches weniger, als geniein.
Befonders brav aber ift die tlritte Senate gear-
beitet unci felbft ein geiibter Bachil'cher Kla-
vierift wircl .ciaran zu timn findeu, fo wie die-
fe Sonaten iiberhaupt, fullte ihnen auch das
Leichte unci Fliefsende nicht fo ganz eigen-
thiiinlich feyn , Keunern von folcher Arbeit ge-
wils Unterhaltung und Vergniigen gewahren
Hiulfen. In deiu Exemplar, welches Kecen-
f en ten vnrliegt, ift die zw'.-lfte Platte ver-
kehrt abgeclruckr, welches hoffentlich nicht
iiberall fo feyn wird.
Ganz kiirzlich ift herausgekommen
Tanz und Opfergefang avs der Oper Axur
Oder Tarar von Salieri, mit einigeu frcieu
Vei dnderuugtti fur das Clavier von C.
I: Zelter. (In der Rellftabfchen Mufik-
handl. 12 Gr.)
Hr. Z. ift einer von den Kunftdilettanten,
die nebenher mehr Erfpriefsliches fur die Kunlt
dtnken und arbeiten, als viele Mufiker von
Profelfion von Bei iiJmi ■■cgeu i welch e letztere
fich clenii aber auch je Linger je melir gefallen
lailen niuJlen , dais, wenn fie es jenen nicht
an .Studiuin, an Gefci icklichkeit unci gereiften
Promctionen zuvor ihun, man ihren Werth
nitht fonclerlich both mehr anfchlagt. Vorlie-
gende Variationen find "ein neuer Beweis von
dem aiiien Gefchmack, unci dem Kunftileifs
des Hrn. Veil"., der ficli fchon durch mehrere
Sachen folclier Art zu feiner Ehre bekannt ge-
macht hat. Beide Gefange find fehr liiibfch
mit einander verbnnden ; die meift frcie Aus-
fiihrung des Tanzes ift iliefsend und unterhal-
teml, "und alles lal'st fich ohne merkliche
Schwierigkeit fpielen. Dafs fie durchaus rein
in tier Harmonie find, verfteht fich von Hr.
Z. ohnehin. Das eimnal nachgeahmte Thema
in der Octave fteht recht gut an feinem Ort;
nur hatte Rec. gleich anfangs den Bafs nicht
mit b, i'ondern f eintreten laffen, wie es audi
naihher in der Umkehrung gefchehen ift. Ein
]>aar Drwkfehler find zu verbelTern: 5. 5, Syft.
5 niiiileii die jiathl'dilagenden Noten der rech-
ten Ha. id heifsen, ftatt a es : f c unci gleich
darauf der iinken ftatt c b: eg. Unci S. 6,
Syft. 8 ift im Bafse die Octave von g verfehlt.
C. S.
Verfuch eines formularifch und tabellarifch
vorgebildetett Leitfadens im Bezug auf
die Quelle des harmonifcheii Tonungsaus-
JJufses, ferner auf die tnechanifch aus-
fiihrbarc Stimmungsiiberlragung der fo-
wohl Rational ftiunnung , als auch unglvich
fchwebcuden jixeu TempcraLurflimmung auf
der Oigel und dem iafteninjirumcnt. Aus
einem feharfer dnrchdachteti Mauufcript
ausgeliobeUy und der populaireu Gemcin-
nutzigkeit, fafdich zugefeilt , dargeboten.
Nihil eft in iniellectu quod non antea me-
rit in fc-nfu! dem BIcifter der JHufikali-
jciicu Theorie lie/ m Friedrich 11 ilhclni
Blurpurg 'vugceifi.net. Dresden in P. C
Hiitliers Mufikverlage, Queerfolio.
Plolcmaeus und Zarliuo^ oder ivahrer Ge~
Jichtskreis der haltbarcn Uidverfalitdten
der £lemc/Uar - Toulehrc in den fowohl
dltem als ueucru Z.eiteu. Vom J' erf offer
des vorau.igefandteu f'erfuchs eines f or -
mularijc/t und, tabellarifch 'uoigebildeLeii
Leitfudens it. f w, Eben dafelbft, grofs
Quarto.
Der VerfaiTer diefer beiden Schriften fchliiat
eine neue Tempera tur der Tafteubiftruinente
vor, und grim del fie auf die Behauptung, dafs
alle nmfkalii'clien Tone oder Intervalle aus
den beiden Intervailen der Octave unci Quince
enlfpringen, und entfpringen miilTen. llier-
aus wiirde nun folgen, dafs das Verhahnifs der
grofsen Terz nicht \un 4. zn 5, lomlem von
io4-
6/f zu 8i, ocler von 4. zu o T *^ feyn miifie. Auch
erkliirt tier Verfaller am Ende der 5ten Seite
feincr zwciten Schrift, die nach. cler arithme-
til'chen Theilungsmethode erzeugten Mittels-
time, mitl alio die Intervalle von 4. zu 5 und
/> zu 6 , die aus cler arithmetifchen Theilung
cler reinen Quinte entfpringen , fi'ir namenlofe
Mitteltone. Der Beweifs hicrzu fchrankt fich
im Grunde auf die grofse Einfachheit eines
Syftems ein, dafs nur zwei Intervallen brauchr,
Tim alle Time herauszubringen. Der Abbe
Roull'ier wollte audi vor etlichen zwanzig Jah-
ren in feinem Met/wire fur la mujique des An-
cictiSy ohngefahr die naiulichen Satze verthei-
digen, und die ausiibenden Tonkiinftler i'iber-
reden, dafs ihr Gehcir fie triige , wenn lie die
grofse Terz nach dem VerhaltnuTe von 4. zu 5
geftimmt, fi'ir rein hielten. Allein es fcheint
nicht, dafs feine Grunde das Gefiihl cler dama-
ligen Tonkiinftler iiberwa'ltigen konnten, nnd.
Recenfent zweifelt felir, dafs unfer Verfaffer
jnit den jetzigen Tonkiinftlern gliicklicher feyn
wird; zumal da das Syftem, nach welchem das
Verhaltnifs von 4. zu 5 die reine grofse Terz
angiebt, wenigftens eben l'o einfach ift , als das
vorgefchlagene, indent das ganze Syftem aus
dejn einzigou Inlervalle der Octave, delfen
Verhaltnifs" von 1 zu Q ift, nach einer cinzigen
Hegel, die arithmetifche Theilung, fich ent-
wickeln lafst. Noch zweifelt Recenfent > dafs
der VerfaiTer fein, wenigftens in cler erften
Schrift vorgeftecktes Ziel, populair unci ge-
iueinniitzig zu feyn, erreichen wird : denn ihm
wenigftens fcheint der V r ortrag dunkel. Die
Titel beider Schriften niogen fur oder wider
die Meinung des Recenfenten fprechen.
Da es indefTen den ausiibenden Tonkiinft-
lern mehr um eine brauchbare Temperatur, als
iun Theorie zu thun ift ; die vom Verfall'er vor-
gefchlagene Temperatur aber wiirklich einige
Vorziige zu haben fcheint , unci felir wohl ohne
feine Theorie beftehen kann, To will Recenfent
fie mit wenigen Worteri hier anzeigen. Man
fangt mit dem tiefen f im Diskant an unci
ftinmit mit Hiilfe der dazu nothigen Octaven
die eilf reinen Quinten f, c, g, d, a, e , h, fis,
ris, gis, dis, und ais, welches ais fiir b gelten
foil , aber zu lioch ift. Nun fucht man diefes
ais, oder b, fo herabzuftimmen, dafs es die
None von dis, (welches fiir es gilt) zu f, in
zwei gleich fchwebende Quinten theilt, unci
hienmf beruhet die Richtigkeit der ganzen Tem-
peratur. Nun ftimmt man von b an zuriick
durch lattter reine Quinten und andert die be-
reits geftimmten Tone, dis, gis, cis, fis, wel-
che alfo alle um eben fo viel tiefer werden, als
dafs zuerft herabgeflimmte b tiefer, wie ais ge-
worden ift. Hat man nun alles richtig getrof-
fen , fo mufs das lelztgeftimmte /is , gegon das
gleich anfangs geftimmte h, eine mit den fchwe-
henden Quinten von es zu b mid von b zu f,
gleich fchwebende Quinte ausmathen. Uebri-
gens verweifen wir diejenigen, wekhe ein meh-
reres iiber die Temperaturen iiberhaupt, ihre
Berechnungen und Lebertragung auf den Ta-
ft eninftrumenten zu wiilen wiinlchen, auf Ma r-
purgs neue Mcthode allerlei Arten von Tempe-
raturen clem Claviere aufs bequemfte mitzuthei-
len, unci begniigen tins hier noch zu bemerken,
dafs der gelehrte HerrVerfalfer, fo unpartheiifch
er fich auch in cler Vergleichung der hier vorge-
fchlagenen Temperatur mit der Kirnbergerfchen
gezeigt, doch einen Vortheil der Ietztern anzu-
geben vergefleii hat, nehmlich diefen, dafs kein
einziger Ton umgeftimmt werden darf.
II.
Kiirzgefafstos mufihalijches Lexikon, zn-
fammengeLragen van G. F. /To If, St o lib. -
Stollbergifchrm Kapolhne/fter. Zweite v«r-
beU'eiie und veruiehrte AuHage. Halle, ge-
druckt bei J. C. Hendel 1792. (Koftet in
der neuen Mufikliandlung ia Gr.)
Mit dierem kleinen Werke hilft H. W. ei-
nem wirklichen Mangel auf eine augenehme Art
ab , und den Mufikfreunden , die mehrere gr<">-
fsere 'Werke, in verfchiedenen Sprachen nicht
lefen ki'mnen , oder mogen , wird gewifs diefer
aus den beften deutfehen mufikalifchen Schrif-
ten zufammengetragene kleine Band willkom-
men feyn. Wenn H. W. bei kiinftigen Aufla-
gen, die bei einem fo gemeinniitzigen und wolil-
feilen Werke nicht ausbleiben kcinnen, ferner
fo guten Fleifs zur Veniiehrung und Verbelfe-
rung der Artikel anwendet , als bereits bei die-
fer zweiten Auflage gefrhelien ift, fo wird ihm
am Ende auch der Beifall der Kenner undKiinft-
ler nicht fehlen,.
Rec. will den V. hier nur auf Einiges auf-
merkfam machen, das ihm bei der erften Durch-
lefung des Buchdaben A beigefallen ift. Es feh-
len z. B. in diefem Buchftaben folgende Artikel:
Abfchuitty Acuta , Agrements , Alteration, Al-
to - Viola ffranzcififch Taille) Anaphora, An*
tiftrophe, Arco (coif), Arpa. Anxfetzen in Stim-
nien 11. a. m. Da»egen hat H. W. ganz unge-
wohnliche Worte zu Artikeln gemacht, die auf
die eigentlichen Kimftworte erft verweifen, als:
AOkiir-
io5
Abki'irzungsfchrctbarten , f. Abbreviatnren ; Ab-
ivclchwvgszcicJuii , f. Sc/ilufitakt (beitles gar un-
gewohnlich), A/ta, f. Lii/foiio, a piacitnciito
(das fogar dopp.lt vorkommt) amabile, a fuo
arbilrio (ftatt ad libitum), A uffchwellen der
Tone, in diefem Artikel ill Clavier wohl ein
Druckfehler, u. a. m. Sehr vielen Raum hat-
te H. W. fich auch erfj>aren konnen, wenn er
fur die verfchicdenen Schreibarten der Worte
.mit c k ocler z nicht doppelte Artikel ge-
juadit hiitte, als: Accent unci Akzenb (wie es
fogar der Rec. noch nie gefchrieben gefunden
hat), Accolcule und Akkolade ( und beide ver-
weifen erft wieder auf Klautmer, was gar nicht
gebrauchlich ift). Accompagnerncnt und Ak-
kovipagnement, Accompagiiircn und. Akkom-
pagnircn (die beide erlt wieder aitf Beglcitcii
verweifen). Aecampctgnijl mid Akkowpagm'fl,
Accord und Akkord u. 1'. w. Die beitlen Sei-
ten Q und 3 voll No ten lind audi faft ganz
iiberfli'ifsig; einige Zcilen batten dalTelbe aus-
gcrichtet.
Es giebt anch hie und da leere Artikel:
wie z. B. „Alt£Jl, wire! derjenige Sanger ge-
nannt, welcher die Altftimme fingt, oder de-
ren Tone in feiner Gevalt hat. " Das hcifst
Tvkht vicl mehr, als ein Altift ift ein Aliift.
Da diefer Artikel docli gerade recht viel guten
Stnf zur Belehmng fur Sangerinnen und Com-
poniften giebt, und audi als hiftorifcher Arti-
kel interelfant iff. Ferner: „ A vifta fpielen
heifst: aus dem Stegereife fpielen. " IJnd and
dem Stegreife? — Der Artikel Arte ift fehr
einfoitig nach Kraufe behandelt, der in feinem
von uiancher Seite fdiatzbnren Buch dodi nur
eben den damaligen Sdilendrian abhandelte.
Ueberhaupt fcheint die Lecture, auf die fich
diefes Werk griindet, etwas einfeitig zu feyn,
wie auch'fehon das Verzeichnifs der in der
Vorrede voin V. genannten benutzten Werke
zeiget. Fiir die ki'mftigen Auflagen ware fehr
zu wi'mfchen , dafs li. W. fich Jiiit den fran-
zofifchen, englifchen und italianifchen Schrif-
ten fiber die IVIulik naher bekannt machte;
oder weniglicns foldie Werke audi benutzte,
die aus jenen gefch.'ipft haben. H. W. hat zu
gut begonnen , als dafs der Wimfch ausblei-
ben konnte, er niuchie nun auch diefes Werk
y.u cineni fiir Mufikfreurnle ganz befriedigen-
tlen Werke machen, wozu auch grofsere Sorg-
falt fiir eine beftimiutere und rcinere Schreib-
art vieles beitragen kann.
/. F
Mar dies et Ballet de Triomphc de I' Opera
Jircuno, par J. F. Reichardt. (Koltet in
der neucn iMufikhandlung 6 Gr.)
Diefes ift ein Clavierauszug von den drei
ineinander geflochtenen IlJ.irfclien , die bei der
fehr prachtvollen AufFiihrung der Oper Breu-
no , im Triumpheinzuge von drei verfthiede-
nen grofsen Mufikchihen von Blasinftrumen-
ten auf dem Theater erft nach einander, dann
in verfchiedenen Entfernungen gleich dem
Marfche der Truppen gewilfennafsen perfpec-
tivifch und zuletzt in ciner mahlerifchen Stel-
lung, die die ganze Weite und Hohe der Sce-
ne einnahni, von alien zugleidi geblafen wur-
den uiul eine fo grolse allgemeine Wirkung
thaten, dafs fie feit der Zeit bei alien feftli-
chen und unfeftlichen Veranlalfimgen , bei den
militarifchen iManovers und beiiu Ausmarfche
der Truppen geblafen wurden. Ein guter Cla-
vierauszug nuifs den Clavierfpielern um fo an-
genehmer feyn, da die haufigou Abfchriften
davon wie gcwohnlich fiir gute Clavierfpieler
unbrauchbar find.
Von dem grofsen Trimnphballet der Gal-
lier ift hier nur der erfte allgemeine Tanz im
Clavierauszug geftochen. Diefer zeichnet fiiii
durch eine originelle Idee aus, wodurch der
Componift vermuthUch den rohen und frenu
den Charakter des gallifchen Volks hat aus-
drticken und gegen den edleren riiuiifchen Cha-
rakter im erfien Ballet contraftiren lalfen wol-
len. Er hat eine ziemlich gemeine Melodie
gewahlt, die man gewohnt ift, mit der ge-
wiihnlichen trompeten - und waldhornartigen
zweiftimmigen Begleitung zu horen , bat die-
fer aber eine ganz fremde und fraj>])ante har-
monifdie Begleitung beigefiigt. Die Menge
von raufcheriden und wildklingenden Inftru-
menten, die bei der Auffuhrung funfzig an
der Zabl auf dem Theater waren, und mit dem
eigentlichen Orchefter wahrend des ganzen
Marfches und des Ballets ein doppeltes Orche-
fter formirten und das oft einlallende Chor
von einigen fiebzig Singftinmien hob den liar-
ken Effekt noch urn vieles. Auch gab ein
liiituntergemifchtes fonderbar hi'ipfcndes und
angenehmes Minore, das von kleinen Floten
geblafen unci von den Saiteninftrumenten piz-
zicato begleitet und von Kindern getanzt wur-
de, jenem wiederkommenden wilden Tanze
einen neuen Sclnvung. Das Minore ill hier
anit geftochen, und der eingreifende Fanfare
von Trompeten begleitete die wilden und ki'inlt.
lichen Fahneiifchwenkungen der Taiuer.
i#6
5. Von oflentlichen Lu/tbarkeiten und Spielen des Landmamis im
ludliclien Frankreicli.
Der Franzofe in den fiidlichen Gegenden
des Reichs ift zwar fo frohlich und heiter nicht,
als in den nOrdlichen; aber er ift immer um
ein grofses aufgeweckter und lebhafter, als es
die Bewohner der Schweiz und Deutrdilands
uberhaupt zu feyn pflegen. Der Tanz ift fei-
ne Lieblingsfache; er gehrirt zu alien feinen
Feften und mifchet fich in alle feine Vergnii-
gungen. An den Feiertagen ^eren es in. dem
Iranz&fifchen Kirchenkalender noch (fo viele
giebt, am Sonnabend und Sonntage JTelbft fieht
Juan in der Stadt beinahe auf atten offentli-
chen Platzen ganze Schaaren von Landleuten,
Fabrikenarbeitern, Gartnerjungen und Ma'dchen
aus dem gemeinen Volke mit dem Tanzen
belchaftigt. Ein Tambourin, eine Mufette,
wozu fich noch zuweilen ein Tambour de Bas-
que und ein Flageolet gefellen, inachcn im-
mer die Mufik dabei aus. Der Tanz win! mit
einer Art von Menuet erdrnet, deffcn Bewe-
gungen fo einformig und defTen Mufik To
Ichleppend find, dafa oft meine Geduld ermi'i-
dete, wenn ich unter meinem Fenfter ftun-
denlang dalfelbe Geleier fortdauern hdrte. End-
lich fa lit die Mufette in eine nahe verwandte,
aber lebhaftere Melodie ; der vafchere Rythmus
wiirkt alsbald auf alle Zuhorer fort; und aus
dem ganzen Haufen , vorher ein mufsiger Zir-
kel ma die Menuettanzer, wild auf-cinmal
ein tanzendes Gewimmel. Zuletzt folgt eine
Art deutfchen Tanzes; der aber hier ganz am
nnrechten Orte zu feyn fcheint, indem man
fich gar nicht damit zu nehmen weifs.
Diefes ift der gewohnlichc Gang aller fol-
cher Luftbarkeiten, die dabei immer ein paar
Stunden fortdauern. Die Tanzer und Midi-
kanten fitzen am Ende in einer Schenke zu-
faimnen, und die Madchen gehen woher fie
gekommen find. So geht es audi den Sonn-
abend und Sonntag in den Dorfern zu.
Die Neigung zmn Tanzen ift unter den
niedren Volksklafien fo allgemein, dais es bei-
nahe keine Handwerksinnung , keine Gewerk-
fchaft giebt, welche nicht alle Jahre ihren felt-
lichen Tag hatten, an welchein die jungen
Lente, die diefes Handwerk treiben, gemein-
fchaftlich vor den Haufern der Reichen und
auf offentlichen Pliitzen tanzen. So habe ich
die Stnimpfvveber, die Fafsbinder, die Gart-
ner, einige Fabrikgefellfchaften diefes jahrliche.
Schaufpiel geben fehen. Auch fogar die Laft-
triiger haben ein en folchen Ehrentag, an wel-
chem fie ihren plumpen lunungstanz vor den
Haufern ihrer Kundleute zu machen gewohnt
find. Die Strmnpfweber trugen auf eineiii niiC
Blumen. und Bandern gezierten Geri'iftc einen
holzemen Weberftuhl, an welchcm ein Knabe
zu arbeiten fchien. Die Gartner hatten einen
Baumtopf, mit einer Stange darinnen, von
der, ftatt der Aefte, eine Menge Blumenket-
ten herabhiengen. Die Fafsbinder trugen halbe
Reifen, die audi mit Bandern und Blumen
ausgezieret waren. Alle hatten fehr artige Tan-
ze gelernt, und machten fo meifterhafte Wen-
dungen mit den Bhunenketten oder den Rei-
fen und wickelten fich wieiler fo gefchickt und
ordnungsvoll auseinander, dafs ich ihre Kunft
bewundern mufste.
Zmn Gefang fcheint der Langedozier wenig
aufgelegt zu feyn; eigenthi'xmliche Lieder habe
ich beim Volk noch keine gefunden, und wenn
ich nicht zuweilen irgend ein Bruchftiick ei-
nes Liedchens vom Theater in den Strafsen
fingen horte, fo wiirde ich fagen, dafs man
uberhaupt in diefer Gegend gar nicht mufika-
bfch fey. Volkslieder find keine vorhanden;
doch fieht man es vielen Liedern der Trouba-
dours an, dafs fie zmn Sim en fur* das Volk
beltiuimt waren. Der Gefanju fordert heilere
und zufriedne Seelen; vielleicht niacin's die
traurige Lage des armen Lancluianns, dafs er
mehr dazu aufj2<±le°t ift, fich mit larmenden
Freuden zu betauben, als mit lanfteren und
ruliigern zu vergni'igen!
Aus den Brief en i'/ber die fid!. Prov. Vffii
Frankrcich von Fifch, Zurich 1790.
6. Nachriclit von einem Volksfefte in Montpellier.
Ein Volksfeft in Montpellier hat mir fehr Her wichtigen Begebenheit ankiindigt. Diefes
gefallen, weil es beim erften Anblick, fich Volksfeft ift der foaer.annte 'Jam des Pjerd-
als Denkmalil einer alten , aber fur Montpel- ehens (la danfe dw chevaiet) , der gcwohnlich
XdJ
im Hornung, von' den Junglingen axis den be-
llen Fauiiliexi dcs 3. i 1 1 1 r»l f •--• r : :<> gehnken wird.
In diefem Jalue true i. ' ; alle blau feidene
Beinkleider unit weils Lidene Strunxpfe; ihre
weifsen Hcmden waren an tlen Armen mit Ban-
dern unci urn den Lcib mil. blau feidenen Scher-
pen gegiirtet ; axif tlen Hi'iten hatten fie den
Lieblingsfchmxu k tier Nation , weifse Fcderbii-
rdie. Die An ft* h re r waren in Offiziersklexdixng.
In diefem Aufziige zogen die Tanzer des Che-
valet, in grofser Anzahl, paanvcire durch die
Strafsen, und tanzten unter dem Scball einer
fchonen turkilYlxen Mxxfik auf den Cffentlrchen
Platzen und vor den Hiiufein der vornehmften
Magiltratsperfonen. Einer der Jiinglinge hatte
ein Pferdchen von Pappe, in der Cruise eiires
Fullen, an den Leib gebunden, dafs er wie ein
Keuter zti Pferde nuslah: rings um das Pferd-
chen war ein feidenes Tuch angelieftet, das die
Beine ties Centauren bedeckte. Ein anderer
J angling trug einen Tambour de Basque mit
Hafer angcfi'ilk, xnn dem Pferdchen Futter an-
zxxbxeten ; tliefes wollte aber nicht frefl'en , fon-
dern with iinmer tan/end axis. Unterdeifen
tanzte tier ganze xibrige Trupp in manxiichfal-
tigen Wenclxxngen um die zwei Hauptperfo-
nen herxim, xxnd fdiien bald das Pferdchen,
bald feinen zxxdringlichen Wohlthiiter tlnrch ab-
wechfelnde Stellungen zu begiinftigen, bis end-
lich das eigenwillige Thier fo eingefclxloden
ward, dafs es vor dem angebotenen Hafer ftill-
halten mxxfste. Diefer Tanz hat etwas fehr Ge-
fa'lli^es, und ward mit viel Gefchicklichkeit aus-
gefixhrt. Ich vermxxthete bald , dafs ix-gend eine
befondere Bedeutung dabei zum Grixntle liegen
made; konnte aber nichLs Beftimmtes and Ge-
nugthuendes erfahxen. Endiich fand ich ind'jE-
grcjeuille 's Gefchichte der Stadt Montpellier und.
im franz. Merkxir vom Oct. 17*21 die gefuchteEr-
la'uterung in folgexuler fehr artigen Anekdote.
Wilhelm der Letzte, Erbherr von Mont-
pellier, hinterliefi von feiner Gemahlin Eudo-
fia , der Tocliter des griechifchen Kaifers Ema-
nuel Kominenus, eine einzige rechtmafsige Er-
bin, die als Wittwe zweier anderer Manner an
Peter den Zwei ten, Konig von Arragonien, ver-
heirathet ward. Alloin ihr neuer Gemahl hatte
wenig Liebe fur fie; er liefs fie zxi Montpel-
lier iitzen, und en thick fich alles Umgangs mit
ihr. Die Einwohner von Montpellier, welche
ihre Gebietexinn iuxfserit lieblen, und gern ei-
nen Erben der Arragonifchen Staaten auf ih-
rein Sthoofse gefehen " hattcn, nahmen diefe
Vernachliifsigung , eben fo fehr, als die K6ni»
ginn felbft, zxi Herzen. Einmal wurde der
Konig dxxrch Gefchafle nach Montpellier ge-
fixhrt ; wo er fich baltl in eine fchone Wittwe
am Ilofe feiner Gemahlin verliebre und ihr
nxancherlei Antrage thun liefs , die aber alle
verworfen wurden. Die Konfuln tier Stadt,
von der Liebe zxx Hirer guten Koniginn befeelr,
wagten es , ihren Herrn zu betri'xgen ; fie beie-
deten die fchone Wittwe, den dringenden Lieb-
liaber in ihr Schlafgemach zu beitellen, und
legten die Koniginn in das zu verbotenen
Frexxden beftimmte Bette. Der Konig, der,
den genxachten Bedingungen znfolge, ohne
Licht kommen mxifste, wartl den Betrng erli
den folgenden Morgen gewahr, als die Kon-
fule, welche die ganze Nadxt in der Kirche
mit Betexi zugebracht hattexx, mit Fackeln in
das Schlafgemach drangen, fich ihm zu Ffxifen
warfen xxnd fi'xr die wohlgemeixite Taufchxing
um Vergebxxng baten. Er lachie felbft i'xber
den frommen Eifer diefer guten Lexite und
verzieh 1 ihnen da.-> dieifte Unternchmen. Den
folgenden Tag ging er auf die Jagd, wuhin
ihn axxch feine Gemahlin begleitete; xxixd als er
des Abends in tlie Stadt zuriickkehrte xxnd die
Koniginn mit fich auf feinem Pferde fiizen
hatte, liefen die F.inwohner der Stadt, xxnter-
(luiTen von der gauzen Bt-gebenheit unterrich-
tet, zxxfanunexi ; tanzten vol! Frendexx xxxn das
Pferd, welthcs das Ktinigliche Paar trug xxnd
fxihrten es endiich im Triumph in der Stadt
lierum. Die Koxxiginxi fall bald ihre heifsen
Wixnfche in Erfullung gehen; fie ward Mutter
von einexxi Piinzen, der nachher unter dem
Nahmen Jakob der Eroberer die Staaten feines
Vaters vergrofserte. Als diefer Fi'irft im Jahre
1Q09 feixie Stadt Montpellier befxxchte, ftellten
die Einwohner unter andex'ix Freudenbezeugxin-
gen axxch den Einzug feiner koniglichen Ekcrn
auf einem Pferde vor, und wiederholten den-
felben Tanz, den ihre Freude vor drei und
dreifsig Jahren hervoxgebracht hatte. Der Ko-
nig Jakob, durch diefe n naiven Ausdruek der
Liebe feiner Unterthanen gerxihrt, befahl da9
Andejiken einer ihn fo nahe betrefFenden Be-
gebexxheit, durch die jiihrliche Wiederholung
des fefllicheu Tanzes , iV.xtlx auf die fpiitefte
Naclivvek fortzupHanzen. Die forterbende va-
terlantlifche Sitte erhielt ihn axich wirklich, un-
geachtet fein Urfpnxng xxxxd feine Bedeutung
beinahe ga'nzlich vergeflen warden, bis auf
unfere Zeiten herab. { 'S. Tli. I. S. 186.)
AuS den Brie fen iiber d;t> fiUll. PrOV. van
FrmkreUh , v- njr/t, Zurich 1790.
P a
io8
7. Von dem Betragen des italianifchen Parters t>ei der Opel-, und iiber den
KunftgrifF gewiffer franzofif cher Componiften.
(Aiis den Briefen iiber die Scliweiz, Italieii, Sicilien und Maltha *) iiberfetzt.)
. . Man lafst die Arien fehr oft wiederho-
ten: diefes verlangert die Vorftellungen fchon:
mehr noch aber werden fie durch das Aplau-
diren verlangert, das fich in: Es lebe der Com*
ponijl (viva il Maeftro), in Handeklatfchen und
in unaufhorlichem Bravo .' Bravo .' aufsert.
Ich glanbe wohl,' xlafs diefes Bravo, auf
folche Weife ertheilt, fiir jeden, den es trift,
fchmeichelhaft ift ; man hat aber noch eine
andre Weife Bravo zu rnfen, die befonders fiir
den "Componiften gehort. Ich glaube nicht,
dafs ihm diefe fehr angenehm ift, und er fich
dabei eben fo weit vom Fliigel und dem Or-
chefter entfemt wiinfchen mag, a}s er ihm
nah ift: ich will mich erklaren.
Die Italianer find iiber den Punkt der Ma-
lik nicht fo geduldig und artig als wir; fie lie-
ben nicht den Kiinftlerraub (liabbia) und find
unbarmherzig gegen alle die fie erkennen.
Wenn daher der Componift, deffen Werk auf-
gefiihrt wird, einem andern eine Arie, oder
nur eine Tirade, oder einige Takte entvvandt
hat, fo erhebt fich in dem Augenblick, dafs
die entvvandte Melodie fich horen lafst, von
alien Seiten das Bravo , dem man den Nah-
Hteii des Gomponiften beifugt, welchen die
Melodie eigentlich angehort : fo z. B. wenn
es Piccini ill, der den Saeluni beftohlen hat,
wird ohne Erlallung gefchrieen: Bravo, Sa-
chini! wenn er bald von diefem, bald von je-
nem etwas gepliindert hat, lb lafst man mit
Bravo Guluppo , Bravo Traetta, Bravo Gu-
glichni, alle die die Revue palllren, von denen
er geborgt hat: und durch diefe Art Bravo hat
man oft ein Stuck ganzlich fallen fehen.
(der andern nicht zu gedenken) wuxden nicht
dalle! be Schickfal haben!
Dwri, z. B. hatte rufen horen: Bravo,
Hajfe .' bei der Arie , Ah ! la maifou mandite t
deren erften iunfzehn Takte, die erften funf-
zelm Takte der Hafllfchen Arie: Priva del
.caro bene find. — —
P/iilidor hatte bravo Pergoleji rufen h.5-
ren fur feine Arie ; On me fete, on me cajole^
deren Hauptacconipagnement aus der Arie :
ad un povero Volacco genommen ift; — Bra-
vo Cocchi! fiir die Arie: II falloit le voir
au Dimanche, — ■ quaud il Jortoit dn caba-
ret; —>- die der ganzen Arie: Donne belle che
pi glial e — Jo giammai vi crederb , wie ein
Tropfen Waller dem andern ahnlich fieht;
Bravo Gahippi ! fiir die Cavatine , die er uns
fiir die feine gegeben: voit le chagrin qui
vie de'vore; Bravo, Gluck! fiir eine gewilfe
andre Arie aus einem Gluckl'chen Chor gexo-
gen,' und gar fehr kenntlich, trotz der luftigen
MeBamorphofe etc. etc. etc.
Monjigny hatte fain Bravo Pergoleji ge-
habt fiir fein Duo: venez, tout nous rei/J/lt,
point de grace , das ganz ans der Arie: 2u fei
troppo S< ellerato genommen ill ; . Bravo die-
fer und Jeuer fiir feine Arie : Je ne fais a quoi
me rejoiidre etc. etc. etc. , (
Gretry hatte auch fein gut Theil empfangen.
Diefe. kleinc Probe zeigt, dafs unfre klei-
nen, fogenannten Componiften niclit fchwii-
rig und eckel find. Hier i'ehlt gar vie] daran;
die Raubvi'igel unter den Componiften machen
hier damit nicht ihr Gliick. —
Hatten wir diefen Gebrauch in Frankreich Darum zielm fie wohl fo geme nacli
cingefuhrt: wie viele imher komifchen Opern Norden!
8. Mujikauffuliriingen.
Berlin.
Das Winterconcert tier Mufikliebhaber, un-
ter Aiu'uhrung der jetzt dazu vereinigten Her-
ren , Kapellmufikus Bachmann und Marggraf-
lich-Schweiitfchen Concertmeifter Hdnlze, ift
am 5ten October wieder erofnet worden, und
*) Letues eciites du fuifle, d'italic, de Sicile et de Maltlie par M * *. Tome V. p. 140.
gleich zum erftenntal zu allgemeinem Beifalle
ausgel'allen. Es litis t fich nach diefeni erl'olg-
ten Beweife einer zweckmafsigen Anorclnung
zum Ganzen uiul bei zunelr* tender Bekannt-
fchaft fo vieler braven Bepieniften mit dem
wahren und gleichformigen Stil einer guten
Ausfuhrung, gewifs erwarten, dais das Con-
cert einen i'ehr merklichen Grad der Vollkom-
menheit erreichen ward, wozu denn audi dem-
feiben eine lebhafte Unterftutzung von Seiten
des Berlinifcheii Publikmns zu wiinfchen ift.
Der bekannte Vlrtuofe auf dem Oarinett,
Herr Taufih , bliefs em von ihm felbft ganz
brav gefetztes Concert meiflerlich, and audi
Hm. Miifer, der eine ausnehmeml grofse Fcr-
tigkeit auf der Violine befitzt, gelang die Aus-
fuhrung eines fchweren Concerts in D moll
von Mdey vorzuglich; fo wie denn audi Mad.
Hachmaiin eine Scene vom Hrn. Canimermu-
fikns Giirlich l'ehr gut vortrug. Was bei dem
Concerte iiberhaupt noch, nnter andern, zu
wunfchen feyn mcigte, ware, dafs das Piano
und Forte noch forgfaltiger beobachtet wiircle,
unci dafs man bei Begleitung mancher Stellen
der Singftimme unci der concertirenden Inftru-
mente die Anzahl der Repieniften lieber ver-
jninderte.
In der Nicolaikirche ward am 5ten Nach-
mittags eine Cantate von Hrn. lufc/i unci der
527 Pfalm von Handel, unter Direktion des
Hrn. Mufikdirektor L.ehmann y aufgefiihrt. Er-
ftere', zu welcher der Text auf das Erndtefeft
im Allgemeinen ziemlich glitcklich unterge-
legt war, enthielt drei tretliche unci kiinftliche
Chore, wie man fie nur von einem fo geift-
reichen unci kunftgelehrten Komponiften cr-
warten kann, und eine Strophe des Chorals,
Aim dauket (die Golf., war kimftreith und
edel, nach ftrenger Meilfnr *). figurirt; eine
Manier, die in Kirchenmufiken Nachahmung
verclient, wozu aber ein gri'mdlicher unci ge-
fchmackvoller Harmoniker, wie Hr. F. gehort.
Was die Chtire von Handel betrift, fo find
lie la'ngft fiber alles Lob erhaben. Allein man
kann doch nie umliin wieder auszurufen: wie
gri)fs, wie erhaben ift fokhe Arbeit, wie felt
fteitt fie fur alle Jahrhunderte da! Der Chor:
ffenn fich mich ein Jlcvr aider vtich entri'i-
109
Jtet, fo filrchte ich mich dennoch nic7tt t und
wciiu Krit'g und J lord mir drohete, fo <ver-
laffc ich mich auf ihii, ift aufserft erf chit tternd,
unci es ift durch das ganze fugirte Chor hin-
durch, als wenn der Bal's da unten lauter Meu-
terei begonrie.
Es macht dem Anzeiger vie'l Vergniigen,
dafs er dabei die gute Ausfuhrung der hieli-
gen Chorfchiiler dicsmal riihmen kann. Wenn
fie nur audi, in vereinzelten Choren, auf den
Strafsen endlich einmal beffer fingen wollten!
Deffau.
Herr Mufikdirektor Jluft in Deflau, der
feit vielen Jahren fchon fo manche trefliche
vollftinnuige Arbeit Fur die Stadt und den
Hof lieferte, ohne dafiir fondcrlich mehr, als
das Bewufstfeyn des Ki'inftlers unci Beifall da-
von zu tragen, und ohne davon etwas weiter
fiir das Publikum bekannt werden zu laflen —
hat unlangft wieder eine fehr hiibfehe Cantate
auf die Vermahlung des Erbprinzen Friedrich,
mit der Pr. Amalie von HeU'en-Homburg kom-
ponirt, unci am xften July in der Schlolskirche
mit allgemeijiem Beifall aufgefiihrt. Auf Ver-
laiigcn des Holes hat fie noch einmal in der
lutherfchen Kirche gegeben werden muflen.
Der wiirdige Hr. Bull, der dem Anzeiger die-
fes die Partitur mitzutheilen die Giite gehabl
hat, wird ihui das Vergniigen giinnen, dem
Publ. fagen zu diirfen: dafs, nach feinem Ur-
theil, ihm diefe Cantate, fowohl was die e'dle,
kirchliche Simplicilat, den lebendigen Empfin-
dungsausdruck , den fchunen von kraftvoller
Harmonic uiiterfmtzten Gelang, und die fchlich-
te gehaltcne Inltrumentalbegleitung und befon-
dets die iiberlegte Anorclnung der Blafeinftru-
mente betrift, zu den vorzi'iglicheren diefer
Art zu gehoren fclieint. Die Chtire find brav
unci kral'tig gearbeitet, infonderheit der erfte
Chor; auch der lelzte hat viel Starke unci
Klarheit, nur ift des Wortfchwalls darin zn
viel, woran aber (wie oft ift doch das der
Fall!) der Verfafler des Textes allein Schuld
ift und nicht der Komponift. Stellen aber
wie diefe: Frolocket, iiir IVelten^ JLrfchaJJ'e-
110 pre/ft ; denn Gott ijl die JLicbe t bei wel-
chen letzten Worten fich natiirlich Tempo unci
*) Ornun li.u dies niuh fcJum im Tod Jtfit getlian ;
nilfiii die kltinlitJic Spiclcrei mil dem Pizzicato
der Violiiien > cl.is vyahrfcJitinlich das TropMtt
der Tltranen an?dn'ickcn foil, vermindevt den
\A ertJi differ fouil fclionen 8 telle.
P 3
no.
Taktart andern; war Odem hab lebet (lurch
Lsielx; etc. ; das Hallelujah, was in einem an-
<lern Chor Of tors von zwei Chorparthieen zwi-
fchen durch gefungen wird, miuTen, gut voi~-
getragen, auffallend gute Wirkung gethan ha-
ben; wie audi die brav gearbeitete Arie in D
moll : Wie flleereswogen braujeu , obwohl die
Vergleichung nut heutigen Revolutioncn , eine
inU'sliche inabibrit clu jour , fehr fuglich aus ei-
ner Kirche hatte fortbleiben konnen.
Uebrlgens inacht es den De/Tauifchen Scho-
nen, etliche zwanzig an der Zahl, deren eiui-
ge hier als liebe Sangerinnen angcfiihrt wcr.
den konnten, venn juir da/.u die Erlaubnifs
zuiti'mde, recht viel Ehre, dafs fie Werke obi-
ger Art durch Hire Stiminen OiFentlich und
gern verhenlichen helfen. Ein wahr Wort,
das fie in ihrem befcheidenen Sinne doch ju
nicht fur ein blofaes Kompliiuent aufnehmen
mogen ! E. D. II.
g. Richtige Wiederholung einer Stelle des Auffatzes iiber die Vogeltiine.
Herr Dr. Chladni fagt im zweiten Stuck
diefer Monathsfchrift , ich wolle im mufikal.
Wochenblatte S.eite 180 nicht zugeben, „dafs
bei einer Saite eine Folge foicher Liingentdne
ftatt finde, wobei fie in aliquoten I'heilen
fchwingt. "
Alles , was Hr. D. Chladni bisher von die-
fen neuen Tonen bekannt gemacht hatte, fteht
in feinen Entdeckungen fiber die Theorie des
Klangs auf einer einzigeu Saite beifanunen,
und diefe ill zu wiederhohlten Mahlen von
mir angefuhrt worden. Die erwiihnte Folge
der Tone ilt darin nicht nur aufs Ausdri'ick-
lichfte behauptet, fondern es ift auch, wie man
fie hervorzubringen habe, fo hinla'nglich ange-
geben, dafs fie dem Ungeiibteften nicht verfa-
gen kann. Unter folchen Umitanden konnte
nun allerdinge nicht ohne einigen Unwillen ge-
glaubt werden, dafs ich ihr Dafeyn lSugnen
wolle. Wie weit ich aber davon entfernt gewe-
fen fey, das wird, anderer hiehei gehorigen
Aeufserungen meines Auffatzes nicht eininal zu
erwahnen, aus der oben angezogenen Stelle
von Seite 180 , felbft fchon erhellen , wenn ich
fie in ihrem ganzen Zufammenhange nocli ein-
mal richtig ht-rfetze, und einige voliig hieriii
palfende Parenthefen hinzufi'ige.
Dritbes Gefebz. Mit der Llinge der Saiten
fteht bei iibrigens gleichen Umftanden die Ho-
he der Vogeltone umgekehrt im geometrifchen
Verha'ltnifs, gerade wie bei denen gewOhnlichen
Tonen und ihren Flageoletten. Der Vogel-
ton, den eine Saite angiebt, wird z. B. in
die Sccunde, Tertie, Quarte, Quinte oder Oc-
tave fteigen, wenn man diefe Saite 11m ihr
gtcl, Otel, 4-tel, 5tel oder gerade bis auf ihre
Halfte verki'uzt. Durch diefe Beifpiele ("dafs
ich namlich gerade nur <)tel, 5tel, 4-tel u. f.
w. nenne ) bin ich aber nicht etwa willens r
das Gefebz aiif Jblc/ie J^erkitrzungen ein-
zufchriiu/icn, bei denen die gauze Sake in
aliquobcn Tlicileii zu Jihwiugen veranlafsb wer-
den kann: auch fetze ich gar nicht voraus^
dafs (bei der Anwendung meines Gefetzes) die
Beriihrungsftellen als etwas feine Schwingungs-
knoten behandelt werden, wie Hr. D. Chlad-
ni zu fordern fcheinfc. ("Es wird namlich in
Hrn. Chlatlnis Enbdeckuugvu etc. Seite 76 auch
fchon „der niimlichen Vcilniluiiue" zwifchen
den neuen Tonen und den gewohnlichen To-
nen der aliquoten Theile erwahnt; aber es
fchien mir, dafs dabei nur folche Verkurzxm-
gen und folche Behandlungsart verfucht wa-
ren, wie man bei den Flageolett - Tonen ge-
braucht: und das von mir gegebene Gefetz foil
dagegen von alien beliebigen Verkiirzungen
gelten, und keine befondere Bcruhrungsart
ausbedingen.)
Meine gegenwartige Berichtigung diefer
Stelle befteht nun darin, dafs hier nicht wie-
deruiu fehc voraus und finden itatt fetze var-
ans un<l fordern gedrnckt i/K *) Diefe behleil
Druckfeliler find audi ficherlich fthon unter
den ubrigen mit aulgefi'ihrt, die ich glelch
nach Erluiltung des 2jltcii Jilattes an die Hrn.
Herausgeber iiberfchickte. Ohne Zweifel ka-
men fie zu fpiit, uin fchon in dem 24-ften
angezeigt zu werden; und mit diefem horte
das Wochenblatt auf. Icli erfuche die Herren
Herausgeber meine damals eingefchickten Ve^.
belferungen nunuiehr uoch lunzuzufugen.
Bujfe.
*) Die Anzeige v«n den ilberfiuuhen Dnickfehlern ei
iit nicht verloien gegangen. Alleiu, da der Gc- Ii
ciifiiind der ftbrigens fehr ^rttiidliclicn Abh.md-
ung an lich nur wenigc LcTer imercfllrt liabcn.
in
10. E r k 1 a r u n g.
E9 hat fich an verrdiiedenen Orten, infon-
cterheit in Halle, die Meiimng ausgebreitet,
als fey ich tier Recciifcnt Bsw in tier allge-
meinen deutfchen Bibliothek von des Hrn.
IVlufikdiv. Turk jimvvifwlg zum Gcueralbafs-
fpielen, wogegert er eine griindliche JBvleuch-
tung , die geiegentlich hier wohl noch einnial
erwahnt warden diirfte, ins Publikum gehen
zu laffen fich genothigt gcfunden hat. Ich
kann nicht fagen, ob mir jene Recenfion, was
ihren wiiTenfchaftHchen Inhalt betrift, zur Eli-
te oder Unehre gereithen . winde; denn ich
inuts geftehen, dais ich — vver kann alles
fleich lefen? -- - noch keine Zeile davon gefe-
en habe. Allein, ohne mich nur einmal anf
das Zeugnifs des Hrn. Nlcolai zn berufen, der
doch wohl am beften mill's wiflen kSnnen , ob
ich jemals eine mufikalifche Production in der
A. D. B. beurtheilt habe, fo will ich nur des
einzigen Umiiandes gedenken, der, wenn jene
Recenfion fiir Hrn. Turk krankend hat feyn
iniiflen, fiir einen ehrlichen Mann mehr als
alles andere ausfagt: „dafs ich nehmlich fchon
feit vielen Jahren her mich der Freundfchaft
des achtungswiirdigen Kiinftlers erfreue, und
dafs ich ilnu viel Gutes verdanke." — Wer
fich in den Sinn diefer paar Worte nicht
linden kann, der verdient wohl, dafs man
ihm das Vergniigen einer folchen Verlegenheit
gonne.
Uebrigens aber habe ich, nun ich mich
hier offentlich als Hrn. Turks Freund erklarE
habe, uni felbft alien Schein der Partheilich-
keit zu venneiden, welche fich diefe Schrift
von Anfang an zur Regel gemacht hat, die
Beurtheilung feiner fo eben erfchienenen Scch-
zt'g Haiuljlhcke fur angehendc Kluvierfpieler t
die ich nach meiner Ueberzeugung als ganz
vorziiplich zweckmafsig und als cine der be-
ften praktifchen Arbeiten des Hrn. Verf. wurde
aushebeu iUuH'en, von mir abgelehnt.
a &
11. Selireiben an die neue Berlinifclie Mtifikiiandlung.
Ihre mufikal. Monathsfchrift, welche ich
Jliit vielem Vergniigen lel'e, veranlan'et mich,
Sie, ineine Herrn, noch auf einen Handlujigs-
zweig aufmerkfani zu machen, welcher, wie
ich glaube, mit zur Vollftandigkeit Hirer Mu-
fikhandlung gehort — ich meine Kupferftichc
von Bildniffen beruhmter Mufiker. Obgleich
Deutfchlands Kupferftichladen mit Bildnilfen
aller Art, und befonders von Standesperfonen,
die ofters weiter kein Verdienft haben, als —
die Geburt — iibcrhaiift find, fo Jindet man
doch von Mufikern wenig oder gar keine. Eng-
land und Frankreich, welche wir Deutfchen in
andern Stricken fo gerne nachahnien } kiinnte
uns hierin zum Multer dienen.
Da viele Mufikfreunde mit mir diefen
Wunfch hegen, fo wird es Ihnen, ineine Her-
ren , an Kaufern nicht fehlen, und durch Ihre
ausgebreitete Korrefpondenz werden Sie die-
fen Wunfch leicht befriedigen kdnnen. In
diefer Hofnung nehme ich mir die Freiheit,
Ihnen einige wenige Englifche Blatter, wel-
che ich vorziiglich zu haben wunfchte, nam-
haft zu machen :
mid alfo nicht mit tier Genauigkeit des fnch-
lundigen Geldmen gelefen worden feyn dtufte,
audi ein Regilitr von Diuckfehlern nicht wohl
in die neue Monaihsfdnift himiber o-ebrncJit
werden koiinie: fo unterblieb der Abdruck dcr-
felben.
Uebrigens aber ift e* wohl fbhr naturlich,
dafs, wenn ein langis Mnuufcript ineift raaihe-
lnatifchcn Inhalts und voller Kiiniibeneninm^en
und Ausdnicke felir unleferlich, wie jenes , ge-
fehrieben Hi , fich Fehler beim Abdrucke dcilel-
ben omfdileichcn, da maw billigenveife wcder
dem Setzer noch auch dem Korrektor die Eiti-
ficht. des Matheniatikers von Profefllon, nodi
weniger das Verniogen vollkovnnen richcio- zu
rathrn, annul then feyn kann. Wenn der Vevf.
eines, Auff.itzes abwefend i/t, fo fcheint uns kein
nndcr Mittel da zu ftyn , I'chlern vorzubt;tigcu,
als cntwcder die Korrektur felbft zu l'lbcriicli-
jnen , oder deutlicher zu fchreiben. Hcit IV.
J$. Avird uns diefe Erkliuuug zu nnfercr Ilcdu-
ftrtigung zu gute lialten.
D. II
il2
Abel (Carl Frledr.), Bach (Joh. Chrift. der
Londner ge'nannt) , BUlington Mrs, , JBonon-
eini- (Giov.) , Bumey (Doctor), Mara (Mada-
me), MarchefiiU, Moubanari (Franc.) etc.
Sollte mem Vorfchlag bei Ihnen , meine
Herren , Beifall finden , lb erfuche ich Sie,
durch Dero beliebte Moiiathsfchrift tins Nach-
richt zu geben. *)
31. v. TV.
12. Anekdoten.
Ein Franzofifcher Opemtanzer hatte deal
Hrn. C. M. Reichardt fchon mehrmalen ange-
legen, die fi'ir feine, Solota'nze beftimmte Ma-
lik nach feiner Phantafie umzuandern und das
immer mit der gemeinen Wenching 'vorgetra-
gen, dafs er die Mufik zmn "Ballet uberhaupt
ubertrleben lobte, und dann mit einem maii
mon dir! Monfieur das fur ihn beftimmte
Tanzfti'ick zu a'ndern bat. Da er diefes in dem
erften Ballete zur Oper Brenno wieder wort-
lich anbrachte, erwiderte ihm Hr. Reichardt,
j'e Jliis las de Lous vos mais t Mr. et j'e vous
ferai pour le'Jecand ballet un air qui ue dir a
que ma is du commenceineitb jxdsqiC n la fin
(ich bin Eures abets mi'ide, und werde Each
zum zwciten. Ballet ein Tanzfti'ick machen,
das von Anfang bis zu Ende niehts als ma is
1'agen foil) , und diefes iibte er in deni Tanz-
fti'ick , das in diefem Hefte abgedruckt erfcheint,
wirklich aus. Man weifs, wie ftark die Fran-
zo fen mit einem gewiifen nafale das mats in
folchen Fallen accentuiren, und das wurde
durch die mit rf. bezcichnete liingere und
fehr ftark angfcgebene Note fehr Ueutlich be-
z«icjhnct» Als der Tamer glaubte, fein kom-
pomrtes mat's hatte riuh cininal ein erwi'tnfch-
tes Ende, riahm die Hoboe mit ihrem franzo-
frfehen Accent das Thema noch einmal auP
und gab dew mufikalifchen mats das hochite
Leben. ' •
und achtzehn Wochen lang die Stube hi'itert
mufste. Er fuhr niehts deftoweniger fori, iri
den guten Stunden, welche ihm das Fieber.
verftattete, allerhand Themata auszuarbeiten,
und da Sebattian diefen aufserordentlichen Fleifs
bemerkte, fo erbot er lich zu ihm auf die
Stube zu kommen, weil ihm das Ausgehen
nachtheilig feyn kSnnte , und das Hin - und
Herfchicken der Papiere etwas muhfam war.
Als Rirnberger feinem Mieifter eines Tages zu
verftehen gab, dafs er nicht im Standi feyn
wurde, ihm fur feine gutige Bemiihungen ge-
nug erkenntllch zu feyny fo fagte Bach, t\et
die kiinftigen Verdienfte feines Schiilers urn"
die Erhaltung des achten Satzes ohne Zweifel
.voraus ' fahe, imd der die Ktin/t ihrer felbft
wegen, und nicht blofs der dauiit verkni'ipF-
ten Vortheile wegen Kebte: „Spreclien Sie,
,,mein lieber Rirnberger, hichts von Erkennt-
„Jichkeit. Ich freue mich, dafs Sie die Runft
„der Tone - aus dem Grunde ftudiren'wdllen,
„und es wird nur von Ihnen abhangen , fc*
„viel mir davon bekaimt geworden, /ich eben-
„falls eigen zu machen. Ich verlange' niehts
„von lhnen,' als die Verhclierung ,' dafs Si e :
„diefe9 Wenige zu feiner Zeit wieder auf ari-
„dere gate Subjecte fortpflanzen wollen , die'.
„lich nicht mit dem gewohnlicheri Lirumla-
„rum begniigeh etc." Diefes hat 'Rirnbergef
auch treulich ausgei'ibt. Sc/ir/lz, f'ievlihg, Ki)h-
nau und andre Meifter unfrer Zeit mOgen vott
feinem gliicklichen Eifer zengen.
Als Kirnbergor fich cnach Leipzig bogab,
uin miter der Anvveifung des grofsen Sebajiiau
Bach deu Contrapankt zu ftudiren, und rein
vierftimmig fchreiben zu lemen, fo griif er
(ich fo heftig an, dafs er .eio. Fieber bekiun,
Duphly, ein fehr eleganter und fertiger^
Componift zu Paris%, wurde- in-eiiier mufikali-
fthen Verlanunlung von einer. alten Dame er- ;
:• ■ • < ■■:•■.■ -■ fuchetjs
'*) Die Unternelimer dev neuen Beilinifclien Mii-
fikhaiulluug wevden mit Vei'gndgcn deu Wiuifch
des Herru "IVI. v. W. , der audi Tchon von nich-
roren Scitou her gt'iiufsevt warden ill, /.a erffil-
lou fuchb-ii; audi nacU deu ubeiungegebeiieu Ku-
pferfliclien fogleicli fchreiben. . laflfon.
So bald
ptevlti<
dicfe, die -zn liufiieiligiing incbrerer J^iebhaber
in liielireren Kxemnlareii veifdirieben wurden
follen, anlaugcii, foil davim in ofFunilidiwi
Blatieiii Ati-zelge gel'dielien.
A. d. II.
u3.
fuchet, ctwas auf dem Fii'igel zu fpiclen. Er
hat es mit einer von ihm gefetzten neuen
Sonate, unci crhielte zwur von (lev ganzen
iibrigen Gefellfchaft vide Lobfpriiche, aber
nicht von der alien Dame, clip zwar feinen
Fingern a lie nuigliche Gerechtigkeit wiederfah-
rcn liefs, aber an feinei Sonate keinen Gefal-
len hatte, weil fie, wie fie fagte, den Gefang
diefes Tonlli'icks nicht begreifen konnte, und
die Partien zu bunt unter einander giengen.
„Spielen Sic mir doch, mein lieber Mr. Du-
„phly, fi'igte fie hinzu , die Folie cV Efpagns
jyinib den Danglebertifchen Vcranderungen
„vor. Ich babe fie bei der Hand. Hier ill
„fie. " Er liefs ficb die zu extempormrende
Anfgabe gefallen, fpicltc aber das Stuck in
zwei verfchiednen Tnncn , die Oberftimnie in
JD moll, unci den Bufs in C moll. Wiihren-
dcr Zeit die Gefellfchaft, welche die fchalk-
hafte Idee des Clavieriften bemerkte, aus I\e-
fpect fiir die alte Marquife das Lachen zuruck-
hielte, ob fie gleich anderer Seits das grofse
Talent dcs Hm. Duplily bewunderte , der aus
zwei Tonen zugleich a vijta richtig fpielte,
war die Daine vor Entziicken aufser fich. Sie
umarmte den Tonkiinftler fur 1'eine Gefallig-
keit, bemerkte ihm aber zugleich, dai's-er,
ohne Zweifel durch die neuere Mufik ver-
wohnet, fowohl das Ton/tuck als die Veran-
derungen etwas moderuifiret zu liaben fchiene.
Die Scene trug fich iitt Jahre 1747 zu,
als Bameau, Mondonville, Leclair unci an-
dere einen andern Gefchmack einzufiihren an-
fiengen, unci die Lullyfche Schule und Com-
pazine keine Profelyren mehr machte. Ila-
nieau wurde in der Folge wieder vom Caffa-
relli, und diefer wieder vom Gluck dethroni-
firet. — Man weifs, da Is es neun Damon find,
welche unter dem Nahinen der Mufen auf
dem Parnafs das Oberprafidium fuhren, und
die Damen find leydcr! unbeftandig. Hanget
etwan die Vervollkommnung der Kunft von
der Veranderung der Mode ao ?
13.
Kurze mufikalifclie Nacliricliteii aus Stockholm.
Das Operntheater kann nirgend leicht gliin-
zender feyn, als es hier unter dem vorigen K6-
nige war. Fremde geftehen fall einbellig, dais,
was das Enfemble betrift, die Gluckifchen Opern
Orpheus, Iphigenia en Aulidc und en Tai/ride t
Annido unci Aleefto kauin mit fo vieler Voll-
kommenhcit in Paris gegebeu worden find, als
hier. Das Orchefter ift nicht fo zaldreich, als
das Parifer, aber vortreflich eingefpjelt und von
wackern Leuten befetzt. Die vorzi'iglichften
Sangerhmen und Sanger, welchen man viol
wahre Virtuofitat zugeftehen inufs, find Mad.
Midler, geb. Waiter, eine Danin ; Dem. Sta-
rting, cine Deutfche ; die Hoffekret.'irs Stenbiirg
und Katjien, beides Schweden und treiliche Te-
noriften. ,
Es find drei Kapellmeifter, derAbt Voglcr,
juit dem hochften Titel Mufikclirektor, der alio
mehrfagen will, als in Deutfchland. Seine vor-
•/.uglichften Opern Gitftav Adolph und Alhalie
jfind Jjiit vielem Pomp und grofsem Beifall auf-
gefiihrt worden. — Voinllol'kapellmeifter Vtiui
wurde im vorigen Winter Tel is und Peleitt ge-
geben. Der dritte ill JofepJt Kraus , von dem
die Operu Dido und -litnihkryon finely welche
]£tzte im vorigen Jahre vielen Beifall erluclr.
Ueberdem ift auch von ihm eine wohlgerathene
Trauermufik auf c\en verftorbenen Konig. *)
Auch ein Opernkoinponift ift Aldftrbm, ein
Schwede und Lehrer des ietzigen Kcliiigs auf
demKlavier. Eben lo Ilaf'ner , ein Deut&her,
Singmeifter beim Opernthealer, der die Opef
FJccLra gefetzt hat. — Ueherhaupt giebt es in
Stockholm aufser dem Operntheater deren noch:
d*.s National - oder chuimatifche Theater (eine
iuiideruarc Benennuug, als wenn fich ein Thea-
ter ohne Drama denken Hefse, man miifste es
derm dem anatomllchen Theater entgegen fetzen
wollen) j das Franzofifche ,' welches aber jetzt
eingegangen ift, und das Schwedtfche komifche
Theater, wovcw Stenburg der Entrepreneur ift.
Sondcul-ar ift es, dafs in Stockholm fonft
keine oilemJiJje feftftehende Concerto find.
*) Si i ne Jiit<-nii('; ! cs pour Amphitryon ; arr. p. L fortcpiano par Ahlfrwii /iucl iu der neuen Betl. M\iftkli.
Xiir 2 llthir. 3=Or. und Icutere fttr S Or. au h.'.ben.
Druckfelilcr.
Sliick 3> Sjwltc 2, Zcilc s3 Tutt einign- liefs ianiger.
o
n4- •
Fab el von der Henne, in Mulik gefetzt von J. A. Hiller.
Andantino, ^- ,~ £^ ^ _
o
*-JtK-§zzfest
f#flfci
*^-i^
*-^=£:
Es war mal eine Hen - ne fein, die legts fici - fsig Ey - er, und pflegte dann gan*
, — — ——4 — "i ^ --— ^^ — P— f — ^-T
-0-4- -§4| — -£— P-j-»— • — •— •-
.zztsjzri:
-a»-
un - ge - racin, wenn fieeinEyge - legt,. zu felireyn, als war im Haufe
Feucr.
*• Ein alter Tnithahnindem Stall, der Fait
Tom Den - ken
m
* ward bos darob, and Kuall und Fall tv.it cr zurllenn', und fag-te:
— — f • i\f \~t~ g-t
'"- i~- !". ITT — ^--\— -- — % ~«— B — 1
l . \t~H -j- — j— ; — 4 • 1 \«.__y 1 - _| _j
„Das Schreyn, Frau 'Nach- bniinn, -war* ebennichtvon NOtlieu; und weil os dach sum
tifi
no
i —
\m
Eynichts thut.fo legt das Ey, nnd 'damit gut! Ildic, feyd.danini ge - been! Ihr wiflet
'1-*-
£E=2E£z
-\—
?*-
jR
-is — %i~
E
A— c
H iV
*te
Hecitat.
HSfe jjg gg &£fj- .
nicht, wic's dmch dun Kopf mir gcht — "
g^^^^g^EEEgfe:
3E
-H-*
,Ifm! fprachdie
^ a txmpa.
1 ^p^^^^pipii^^g^^i^i
Nachbarinn, and that mit einemFufs vor
3flE
SO 5 -
3TZ
-3C
trcten: Ihr wifot \vohl fchfin , was heu - cr die
r t r — iV-^ j—r-j hf— A-VAA ' rrr^rrr tr-^z: — itnc^i^zzrnirT-ZBr^-J
Mode niic fich bringt, ihr tingczognes Vieh ! F.r/t kg'uhmcinc Ey - cr, crfl lc'ich
meine
^Ieseee k0&& feefe^
• -4L
.-) — , — (
-/-.
9
s**C=
!_4 _| u — f
>-
A
-•.
1
-++5 — K - — — K ~
-•_ ,
.■ 1 — * —I 1
■qi:|tSzg
nU:
./O
■«— H — -— i— T— ■ T— X -
, i— r-'-f — *-*
Ey - er, danii recen - fir' ich Re, /t^^J
~=t
6 '
H~-
n6
Tanzftuck aus der Oper Brenno , von J. F, Reichardt.
Modern to. mais!
!i^
P
>. mats! ten. -^ , j^
_^-T4^-h4~4-4--y-4 r --4-~i 4 - -4^ ;-^ 4 tTTOT^
**■
W
*-££
- IU—U4- 1 1— i-
' ' * ^
^
fen.
1
II r/. /or. ////. » r/./>. r/. />. '
J»
.».
f-« 1-
;=£jctep
- —i — / — i — <-
-•-**'-
fe
:fc
I — i— T-A*-*|J~i- : — j--j — .Z Trij IIf . . ji g-.—— — ,.
O£o* £o/o.
trem.
ot
V. tf
I
SjpjEj^iE
r/. /or.
^tei^^
r/./>.
sa
trem.
I
Jtrrcfct
ap
—I— I . i
-•-•-
! t t —
J:
I I • / '
rf.jbr.
^
-_|~
3=
«■
■£*— 4-; — f — 1-
rj— i—— —
«"**<W** , U,>.»'-*^
i^ ,
MONATHSSCHRIFr.
% r •■■
f
FtFNFTES STOCK,
November 1792.
BERLIN,
in tier neuen J3erUnifchen JMufikhantUnng.
-/"
In halt
i. Fortfetzung ties Auszuges aus einemVer-
fuch einer fyftematifchen Entwickeiung
der Taktarten und Vorfchliige zu neuen
Taktzeichen.
fi. Aus D. Martin Luthers Tifchreden.
3. Briefe mufikah'fchen Inhalts. Zweiter
Brief.
4. Paris , Theatre de la rue Feydeau.
5. Schreiben aua Coppenhagen.
6. Gedanken iiber den Urfprung und Ge-
brauch des Septimequartfecundaccprds.
7. Recenfionen. Ueber
a) Forkels allgemeiner Gefchichte der Mu-
fik lften Band. Zweite Fortfetzung,
b) Geift des mufik, Kunftmagazins von J.
F. Reichardt. Herausgegeben von J. A.
c) Sechszig Hancli'tiicke fur angehende
Klavierfpleler, vonD.G.Tiirk. lfterTh.
d) Sorg Mufik vid Hogft SaligHansKongl.
Mayt. Konung Guiiaf III. Bifattning i
riddarholms Kyrkan den i5. April 1792,
forfated af Kongl. Capellmaftaren, Joh.
Kraus. e) Intermedes pour Amphy-
Seite
Seite
117
119
120
122
1&3
126
129
134.
tryon , compotes par Mr. Kraus, arran-
ges pour le Fortepiano par Mr. Ahl-
ftrom. f) Gefange am Clavier, von
Friedr. Ludw. Seidel. >3'5
g) Drei Sonaten fiir das Clavier, von C. *
F. G. Schwenke. h) Trois Son. pour
le Clavec. ou P. F. av. l'acc. d'un Vio-
lon, par C. F. Schwenke. i56
i) Eine machts wie die andre, oder, die
Schule der Liebhaber. Oper in zwei
Atifziigen , von Mozart. i5j
8. Fortfetzung der freimiithigen Gedanken
iiber das erfte Heft des mufikalifchen Wo-
chenblatts. i38
9. Theaternachrichten aus Paris. 141
Mufikftiicke.
t. Aus der Operette : die Cantons Revifion,
von W. F. Halter. 142
2. Kleine Handftiicke, von D. G. Tiirki.
a) Hanns ohne Sorgen; b) die zartlich
Liebenden. - 144
Mufik zu Goethe's Werken,
von J oh aim Friedrick Reichardt.
.• -1
Unter diefem Tifcel kiindigen wir dem mu-
fikalifchen Publikum die gliicklichften und voll-
endetften Arbeiten des Hrn. Capelhneifter Rei-
chardt an , zu deren Empfehlung wir hier nur
fagen mdgen , dafs Poefie und Mufik vielleicht
nie inniger vereint einhergingen , als in den
Arbeiten cliefer beiden fiir einander gefchaffe-
jien Manner. Der- erfte T-heil wird die Com-
pofitionen zu alien fangbaren Oden und Lie-
dern des achten Bandes der neuen Ausgabe
von Goethe's Schriften enthalten. Man pranu-
merirt oder fubferibirt darauf nach Gefallen
Einen Thaler (den Friedricbsd'or zu 5 Rthlr.
gerechnet). Sobald fich eine hinlangliche An-
zalil Liebhaber gemeldet hat, wird der Druck
begonnen und die Zeit der Erfcheinung des
eirften Bandes befthnmt, zugleich auch der zwei-
te Band, der das Singefpiel JSrwin und Mhnire
'enthalten wird, angekiindjgt werden. Aufser
der unterzeichneten Handlung nehmen alle
wiohtige deutfche Mufikbandlungen, und Buch-
handlungen die fich nut Mufikalien abgeben,
Subfcription und Pranuineration an. Jedem
andern, der fich danut bemuhen will, geben
wir das 6te Exempl. frei.
Berlin, den loten Mai, 1792.
Die iteue Berlinifche Miifikhandlung.
An die Liebhaber der Harmonie'ttnd des GeneralbalTes.
Die erfte Abtheilnng meines gemeinnutxli-
€heil Elemcntanverks der Harmonic wul des Ge-
neralbaJTes fiir Anfanger, Lehrer und Geiibtere,
niit fechzchn Notentafeln, ift bereits vor vier
Monaten erfchienen, und fowohl von Ken-
nern als Liebhabem niit BeifaU aufgenoaurien
worden.
Da von diefem Werke, das ich in vier Ab-
theilungen nach und nach herausgebe , in Ober-
und Niederfachfen keine AvertLTements ausge-
breitet worden find: fo kann noch ein Jeder,
welcher Luft hat, bei der zweiten Abtheilung
als Pranumerant eintreten. Der l^anmuera-
tionspreis einer jeden Abtheilung ill 16 Ggr.;
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
FUNFTES STUCK.
November i j q z.
J. Fortfetzung des Ausz-iiges ans einem Verfuch einer fyftematifclien Entwicke-
lung der Tactarten und Vorfclilage zu neuen Tactzeiclien.
N,:
unmehr kann ich die T.i(famviengefetx,ten
(mittelbar abgeleitetcn) Tactarten von mehrfa-
cher Bewegung folgen laflen, in der Ordnung
wie fie entfpringen, und mit den Namen und
Zeichen, die ihnen eigenthumlich zu feyn
fcheinen.
1: 2: a = *. Diefer Tact entfteht, wenn
die Einheit erft in zwei Theile, unci jedes
Gliecl wiedertnu in zwei gleiche zerlegt wird,
wodurch die Einheit vier herrfchende Tactzei-
ten bekommt. Er heifst am beften Piertel-
lact t feine gewohnlichen Einheitsnoten find
weifse , fchvvarze und einfachgefchwanzte unci
feine Bezeichnung kann (lurch % gefchehen.
Uufre Componiften fchreiben ihn c $ y^-.
Wenn in Anfehung des accentuirenden
Ydrttags der Sanger oder Spieler in einem
Stuck von gerader Tactart durchgangig bios
auf die erfte Note des Tacts einen Accent le-
gen foil, fo ift dies ein ficheres Kennzeichen,
oafs das Stuck im Zweiteltact gefetzt ift, mag
tier Componift auch das Zeichen des Viertel-
tacts vorangefetzt haben. Von geraden Tact-
arten ill der Zweiteltact, und von ungeraden
der Dritteltact, der einzige, wo nur eine Note
i\en ohne Kunft herbeigefiihrten Accent hat.
Im Vierteltact bekoiumen zwei Noten, die er-
fte und dritte, folche Acceute, von denen die
erfte der It'irkere ift :
t «
c c c c
Kein Stuck , am wenigften aber die lieu*
tigen Tonfttitke, gehet fo einforuiig, dafs (Fu.
gen etwa und Characterfli'icke ausgenommen)
die Acxente niclit bald von ihreiu natiirlichen
Sitze veniickt, bald venuindert, bald vermeh-
ret werden. Wollte man das mit zum Syftem
rechnen, was dieKunft auf unzahliche Art mit
den Accenten vornimmt, fo kamen verfchie-
dene Vierteltacte heraus, und mochte auch der,
wie Stilzer ilin nennt, grofse Vierviertellat
deswegen fiir eine befondere Art gel ten, weil
feine Noten ohne die geringfte Schattirung von
Piano und Forte vorgetragen werden. Allein,
dies find fnbjective Unterfchiede, wichtig ge-
nug fiir die mufikalifche Gefchmackslehre in
den Kapiteln von Declamation unci Characte-
riftick der Tonftucke, nur hier, wo die Tact-
arten einzig nach Urfprung und objectiver Be-
fchalFcnheit zu betrachten find, waren fie fo
iiberfhifsig als clem richtigen Gefichtspunct ge-
fahrlich. Wo man einfehneidet,' da* kbmnit
der Schnitt zu fghen; man kann den Ein-
fchnitt wieder verkleiftern, dafs er niclit zu
fehen fey, kann an den Stellen herum, wo
nicht eingefchnitten ift, etwas hinkritzeln, das
wie eingefchnitten ausfieht; das alles aber ver*
andert die Sache nur iin Aeufsern, die innere
natiirliche Befchaffenheit bleibt, ungeachtet
ihre Wiirkung auf die Sinne gchemmet ift>
doch iumier diefelbe.
Als ein Schema, was fiir den Dichter da»
Sylbenmaafs ill, in Anfehung der Accente ob-
ject! v das Zeitmaafs betrachtet, ift jede Tact*
art nur einer Art: denn umgekehrt ift es Ver-
fchiedenheit der natiirlichen Einfthnitte, (Ac-
cente,) was Verfchiedenheti der Tactarten. her.
R
n8
vorbringt ; daher von heiderlei die Anzahl firh
gleich I'eyn null's. Himvoggedacht, was die
Kiuift der Melodiee verbram), bleiben dem Vicr-
teltact zwei accentuate tind zwei nachklin-
sende Glieder, von denen die Erfahrung lohir,
dais der erfte Accent den Vor/.ug des tiefern
Eindrucks vor dem zwei ten behauptet, die
Nachklange ficli aber gleith find.
Das war lange genug beim Vierteltact ver-
weilet, mix defto ki'irzer bei den ubrigeu zu
feyn, von denen ich nun zucrfl die Tactart
folgen lalfe, welche durch ungerade Theilung
der in der einfachen ungeraden Tactart ent-
haltenen Glieder entfpringt.
Wenn man nanilich im Dritteltact Jedes
einzelne Glied wieder durch 5 theilet, (i: 5:
5 =. £) dafs diefe Subdivision als herrfchend
ins Ohr fiillt, fo bekonunt der Tact neun Zei-
ten, deren jede ein Neuntel der Einheit ift,
nnd nach denen getauft er nicht Neunviertel
oder Neunachtel heifsen inn Is, wie die Lehr-
biicher berichten , fondern Neunneuntel , oder
ki'irzer ah, JSteimteUacr. Den Grund davon
brauche ich nicht zu wiederhohlen : audi er-
giebt fich aus dem Vorigen, dafs fein Zeichen
£ feyn konnte, und dafs feine Bewegung nach
der Figur ccccccc'cc abgemeffen wird.
Aufser der Tactsnote bekonnaea auch die aus
der erften Theilung entfpringenden Glieder den
Verlang erungfpunct.
bewegung
Aus der Theilung der Einheit, in der Ober-
3gung durch zwei, und in der nachften
Unterbewegung durch drei, welche Zergliede-
rung fechs gleiche Zeiten hervorbringt, (i: 2:
S =rr £) entfpringt mit punctirten Einlieits-
imd Unterabtheilungs- Koteri; ein Sechsteltact,
den ich zum UnterTchiede von einem and em
Sechsteltact, 3 nit- einem aus der Vcrbindung
feiner Beftandtheile entlegener
hergenomme-
nen Namen bezeichnen nmfs, nnd Drkkcl-
holbtaci nenne. Den Nanien vera'ndert, ift
er vollig nnfer alter Sechsviertel, Sechsachtel
oder T % Tact, deren Bewegung c' c c c c c ift.
Mit feiner Vorzeichnung, wie die zu beftim-
men , bin ich in noch grofserer Vorlegenheit,
als anir fein Name uiachte: die Figur % ware
To unbeftinnnt als die Benennung Sechsteltact,
Wenns nicht fo angeht : — '-"'— weldics frci-
6
lich bunt ausfieht, und fur die folgende Tact-
art diefe Figur ' V *' fo miuTen Sie mir
doit fowohl mit einer beflem aushelfen, als
hier bei dem
Ilalbdritteltact i : 3 : 2 = £ ,
dellen punctate Emheit^note fich inc'cccc'c
anfloT't. Unfern Theoriften hat diefe Tactart,
welche fie unter der Rubrik von Dreizweitel
abhandeln , einige Schwi'irigkeit gemacht. Sie
haben wohl gefuhlt, dafs hier nicht drei, fon-
dern fechs Zeiten in der Einheit herrlcliend
find ; fie warden ihm daher gern ein Zeichen
und einen Namen gegeben haben, worin die
Zahl der Tactglieder enthalten ware; allein was
durch Scc/is zu benennen und zu bezeichnen
Hand, war fchon in Sechsviertel und Sechs-
achtel verfchwendet; aus Noth alfo nur nah-
men fie von der Drei beirles her, Zeichen und
Namen, erfchwerten aber, indem nun der Un-
terfchied zwifchen dem einfachen dreigliedri-
gen und dem zufanmiengefetzten fechsgliedri-
gen Trippeltact *) verwifcht war, das Verftand-
nifs von den Gliedern und Tonfiifsen diefer
Tactart dergeftalt, dafs fie ihre Warnungen vor
Verwechfeiung einer Tactart mit der andem
hier zu verdoppeln fich gedmngen fiihlten.
Es giebt Tonftiicke, in denen die Vorzeich-
nung durch \ eben fo umichtig ift, als die es
ware, wo der Komponift ftatt c oder $ ha'tte
c oder £ hingefchrieben. Sehn Sie einmal das
erfte Allegro aus F in Baths Sonaten, Frie-
drich dem zweiten dedicirt, darauf an, ob die
Bewegung da nicht durchaus fechszeitig ift.
Aus dem Viertelrnct enffteht i: Q: G: G ==:
$, der AchLctlact, mit feinem Zeichen \. Er
koinmt nicht h.'iufig vor, aber doch giebt es
Stucke, in denen die Figur c'ccccccc
herrlcliend ift, wo er alfo die eigentliche Tact-
art des Stacks ift, ob man fie gleich in der
Vorzeichnung als Viervierteltact angedeutet
findet.
Auf andre Weife getheilt t: 2: &: 5 :
kommt ein Zwoll'teltact (es giebt ihrer anehrej
H
*) Die Vorzeicli nung gefchielit imnter nur ihtrch
Drei 1 \ 4 \ > Dreizweitel, Dreiviertel etc. wenn
gleich fccliS diftintte Tacticiten lierrfchen. In
der gcrailen Tactart ift Volliliindigkcii: Zwei-
zweitel , Viervicrtel.
11C
diefer k5rmte Diittvierkel heifsen;) zum Vor-
fchein, mit der Bewegung, c'cccccc'ccccc,
in welcher Sie unlern Zwnlfachtel - oder Zwe'ilf-
fediszohnteltact erkennen werden, deifen Ein-
ht-iisnote die ruiide oder die weifse ift.
Ein paar andre Zwolfteltacte find;
3:
12
IT
imd
T2
TS
llQIOlQ:
die nm* Tellea gebraucht werden und fihon
auF der Grunze ftelien, wo das Ohr die Tact-
zeiten we»en Hirer Menge nicht mehr deut-
iich unteri'cheidet:, mid der Sanger oder Spie-
ler fie tleiix iyuipalliifiremlon Taclgefuhl gleich-
fam in Wiirfen von zwei, drei oder vier No-
ten zuzahlt. Wo man indeilen lie findet, ill
|- ftir den erfien, und £ die gebrauchliche Vor-
zeichnung fur den zweiten.
Hier haben Sie fchon mehr Tactarten als
der Spieler des Komponilten halber hent zu
Tage kenuen mufs;. wollten Sii; inich aber noch
weiter gehn laJFen, fo zahlte ich Ihnen ferner
eine Tactart vox von fechszehn Zeiten, drei
von achtzehn, vier von vier und ZAvanzig ti.
f. \v. die, je weiter man theilt, defto ua*
brauchbarer werden.
2. Aus D. Martin Luthers Tif cine den. *)
Vou der Mufica.
tes
Der fchon Men vnd herrlidiftcn Gaben Got-
eine ift die Mufica, der i It der Satan fehr
feindr. , damit man viel aufcchtungeri vnnd
bole gedanken vertreibel
der Tenffel erharret den
jhr nicht.
Mufica ill der belle kunft eine, die Noton
machen den Text lebendig, Sie verjagt den
Geift der Trawrigkeil , v.ie maji am Konige
Saul fihet. Etliche vom Adel vnd Sdiarhau-
fen meinen , fie haben meinem gnediyften
Herrn jarlidi boon Gulden erfpart an der Mu-
fica, Indes v ert.hu L man vmii'ii/. daffir 00000
Gulden. Konige, Flirften vnd Herren mi'ifien
die TVIuflcaiu erhalten, denn grofsen I'otenta-
ten und Kegcnten gebiirct. vber guten freien
Kiinften vnd Geiezen zu halten, Vnd da gleich
einzeln, gemeinc vnd Priuat Leute In ft dazu
haben, vntl fie lieben, eloeh koiinen lie; ir ij)e
aiicht erhalten. ".." -p
H. Georg, der LandgrafF zu Heflen, vnd
H. Fride. Churf. zu Sachfen , hielten Senger,
vnd Canterey, Jetzt helt fie der Herlzog zu
Beyern , Keifer Ferdinandus vnnd Keil'er Karl.
Daher lifet man in der Bibel , das die from-
men Konige, Senger vnd Sengerin verordnet,
gehalten vnd belbldet haben.
Mufica ift das befte Labfal einem betri'ib-
ten Menfchen, dadurdi das Hertze wider zu
fried, erquickt vntl erfrifchc wirdt, Wie der
beim Vergilio : Tu caJamos injlare Le-ues t ego
dicer:.- vcrfuYj Singe du die Noten, fo wil ich
Text fingen.
Mufica ift eine halbe Disciplin und Zucht-
meifterin, fo die Leute gelinder vnd fanfFtmu-
tiger, fitfamer vnd vernixnftiger niachet.
Die boTen Fidler vnd Geiger dienen dazu,
das wir fehen vnd heiren, wie ein feine gute
Kunft die Mufica fey, denn weilfes kann man
beii'er erkemien, wenn man fchwartzes dage-
gegen belt.
Anno xxxviij am xvij Decemb. da Doct.
Mart. Lnth. die Sanger zu Gafte hatte, vnd
fchihie liebliche Mute ten \iu\ Stiicke fungen,
fjiradi er mit verwunderung, Weil vnfer Herr
Gott in d\h Leben, diss doch ein lauterSchmeifs-
haus ift, fob he ed-ele Gaben gel'chut vnd vns
gegeben hat, Was wird in jenem ewigen Le-
ben gefchehen, das alles wird auifs aller voll-
konnnenefte vnd luftigfte werden, Hie aber ift
nur Materia primely der anfang.
Mnficam hab ich allzcit lieb gehabfc, Wcr
diefe Kunft lean, der ift enter Ait, zu allem
gefebickt. Man mufs Mulicain vou not we-
gen in Sdmlen behalten. Ein Schnlmeifter
mufs fingen konnen, Sonft felie ich ilm ja nit an,
Alan fol audi junge Gefdlen zum Predigampt
*) Wir dun
burs an
ken dciu Urn. T Iofratli Jwi* in Horn.
Holrj r.-dit l'chr fiir diefea iattr-.
clfa 11 ten Ansr.ng, der gewifs dem cv.fstcn Theil
uiifivr Lcfur v^illkon1In(;l! I'cyu wird.
R 2
D. Tl
ISO
nicht verordnen, fie haben fich denn in der
Schule wol verfucht vnd geiibet.
Da man etliche feine Mutete des SenfFels
fang, verwunderte fich D. Mart. Luth. vnd
lobt fie fehr, vnd fprach: Eine folche Mutete
vermocht ich nicht zu machen, wenn ich niich
audi zerreiflen folte, Wie er denn audi wi-
derumb nit einen Pfalm predigen konte als
ich, Dri'tmb feind die Gaben des heiligen Gei-
ftes mancherley, gleich wie audi in einem Lei*
be luancherley Glider feind. Aber nieinand
ift zufricden mit feinen gaben, lefstTich nit
geniigen an clem das jlun Gott gegeben hat,
alle wollen lie der ganze Leib leyn, nicht
GliedmaJTe.
Die Mufica ift eine fchSne herrliche Gabe
Gottes, vnd nahe der Theologie; Ich wolt
mich meiner geringen Mufica nicht umb was
groiTes verzeihen, die Jugent foil man fteta zu
diefer Kunft gewehnen, denn fie macht feine
gefchickte Leute.
Singea.
Singen i/l die befte Kunft vnd Vbung, Es
hat nichts zu thun mit der Welt, 111 nicht
1'iir dem Gericht noch in Hadderfachen , Sen-
ger feind auch nicht forgfeltig, fondern feind
frolich vnd fchlagen die forge mit fingen aufa
vnnd hinweg.
Davids Mufica.
D. M. L. fagte einmai zu einem Harpf-
fenfchieger: Lieber fchlagt mir ein Liedlin her,
wie es Dauid gefchlagen hat, Ich halt, wenn
Dauid ietzund aufferftiind von den Todten, fo
wi'irde er fich fehr verwundern, wie doch die
Leute fo hoch weren kommen mit der Mu-
fica , Sie iit nie holier kommen als jetzt. Wenn
Dauid wird auff der Harpffen gefchlagen ha-
ben , fo wird's . garigen feyn , . als das Magnifi-
cat anima mea Dominum, in 8 Tono f denn Da-
uid hat fchlecht ein Decachordum gehabt.
Von fPeltlichen und Geiftlichen Gefetigell.
Vnd fprach ferner darauff : Wie gehts doch
zu, dafs wir in Carnalihts , fo manch fein
Poemn, vnd fo manch fchon Carmen haben,
vnd in fpivitualibus , da haben wir fo faul
kalt Ding, ct recitabab aliqnas Germanicas
cantilenas, den Thurnier, von dem vollen. Ich
halt es fey diefs die vrfache, wie S. Paulus
fagt : Video aliam Legem repugnantem in mem-
bris meis, es wil da nit alfo fiieflen, Es gehet
da nicht fo von ftat als doit, In Ecclefiafticis
commendabat praecipne illud. Vita in Ligno.
JEl dicebab tempore Gregorii illud et fimilia
effe compojltaj ante ejus tempora noil fuiffe,
Es feind etwa feine Schulmeifter vnnd Pfar-
herr gewefen, die folche Carmina vnd Poemata
gemacht, vnd damach auch erhalten haben.'
Die Schulen haben das meifte bei der Kirchen
getlian, vnd die Pfarherrn die feyn Ecclefia
geweft, vnd diefelbigen haben gearbeitet, E3
hat fich fonft niemand der Jugent angenom-
Darnach ifts corrumpirt durch die Klo-
men.
fter vnd durch die Stiff t, die find erftlich auch
Schulen geweft, fed cum creverunt opibus t da
haben fie die Arbeit von fich gefchoben. Die
liebe Mutter Gottes Maria, hat viel fchonern
Gefang, vnd mehr gehabt, denn jr Kind Je-
fus. Einen fchonen Sequentz fmget man im
Aduent, Mitbibur ad Virgiiiem etc. Er ift
nicht fo grob, fondern wol geraten. S. Maria
ift mehr celebrirt worden in der Grammatica,
Mufica vnd Rhetorica, denn jr Kind Jefus.
Die Muficam fol man nicht verachten,
Wer die Muficam verachtet (fprach D. M.
L.) wie denn alle Schwenner thun, mit de*
nen bin ich nit zufrieden. Denn die Mufica
ift eine Gabe vnd Gefchenk Gottes, nit ein
Mdnfchengefchenk , So vertreibt fie auch den
Teuffel, vnd macht die Lent frolich, man ver-
giffet clabei alles zorns, vnkeufchheit, hoffart
vnd anderer Lafter. lth gebe nach der Theo-
logia, der Mufica den naheften Locum vnd
hochfte ehre,* Und man fihet, wie Dauid vnnd
alle Heiligen jre Gotfelige gedanken in Verfs,
I\eime, vnd Gefang gebracht haben.
puia pads tempore regnat Mufica.
3. Briefe mufikalifchen Inlialts.
Ziueiber Brief. un ^ ZW eitens als mufikalifthe Verfchonerung
Eine Vokalmufik kann in gedoppeltcrRuck- eines lyrifchen Gedichts. In einem vortrefli-
ficht betrachtet werclen, eirunal als Mufik blofs, chen Werk ift beides vereint, fchone Mufik,
tax
fchon e Zuftimmung der Mufic zu den Worten;
und well der vortreflichen VVerke von jeher
rmr wenige gewefen lind , lafst fich fchon dar-
aus limthniafsen, dafs es oft an dem einen
oder dem andern fehlt. SchSnheit der Mufik
an fich ift indeflen das erfte Erfordernifs. Wo
die Mufik matt, gedankenleer, alltiiglich ift, da
mag die Zufti minting derfelben zum Texte
noch fo harmonifch ieyn, es wird doch nicht$
herauskonuuen. Umgekehrt aber kann die
dichterifch - mufikalifche Vereinigung Fehler
haben, und das Werk fich demungeachtet
durch die Schonheit der Mufik erhalten. Die-
fe Fehler find, wenn ich richtig bemerkt ha-
be, vornehntlich zweierlei Art, Fehler, die
ein Genie, dem es am TViJfen mangelt zu be-
gehen pflegt, und Fehler, mit denen der Wir-
ier ohne Genie beladen ift. Der Coinponift
von Genie trift immer den Character feines
Textes, Hefert getreue Abzeichnungen, er com-
ponirt den Sinn des Gedichts richtig und fehlt,
wenn er fehlt in der Declamation einzelner
ffbrte. Das thaten z. B. Handel, Graun.
Die Werke diefer Manner werden nie verge-
hen! Anders macht es der genielofe Kopf;
feine FalTungs- und Darftollungskraft reicht fo
■weit nicht, einen ihm vorgezeichneten Cha-
racter in Mufik zu itbertragen, er kann feiner
Denkkraft nicht gebieten , ihm zu reichen,
was er braucht, denn fie befitzt nichts, und
was ihm nach langem Betteln zugeworfen
kommt, ift abgenutztes oder fremdes Gut;
dies fetzt er zufammen, und was daraus wird,
das mufs er es werden lalTen; er wendet alien
Fleifs darauf, fchlagt alle Autoren und noch
jnehrere nach, als Efchftruth citirt, giebt jeder
Sylbe ihre logifch genaue La'nge oder Kiirze;
kurz, er cbmponirt die f forte feines Textes
richtig i nur den Sinn nicht, als etwa-" durch
einen Zufall. Solcher Leute Nahmen ift kein
Gedachtnifs, wenn fie auch, wie z. B. Herr
Efchftruth thut, noch fo fehr proteftiren, nicht
zu dem Trofs der kreuzfahrenden Tonritter
gezahlt zu werden.
Nun zu unferm Oratorium zuruck und
tmterfucht, wie die Mufik an fich, und wie
die Vereinigung derfelben mit der Poefie be-
fchafFen fey. Vorher indeifen follte ich Sie
das Gedicht kennen lehren, aber ich habe, die
Wahrheit zu fagen, keine fonderliche Luft da-
zu; und ob ich gleich, tun leicht davon zu
kommen, den Text nur abzufchreiben brattch-
te, fo thue ich auth das nicht, theils weil ich
ihn beqnetncr und fi'iv mich zeitfparender im
Verfolg eirizuflecJiten hoffe, theils weil er lb
hingeftellt, eine gar armfelige Figur machen
witrde. Sie fehen, wie fthonend ich bin; untl
ich bin es Ihrentwegen, weil Sie nie Gnade
vor Recht ergehen lalfen. Was Sie an der Poe-
fie der Mufik wegen kennen zu lernen brau-
chen, das follen Sie aber auch alles bekom-
men; nur nicht mehr als das. Ich fiihle es
als eine Art Pflicht, den Text in Ruckficht auf
poetifchen Werth unberiihrt zu lalfen, ob ich
gleich den Grund davon nicht in diefem Au-
genblick anzugeben vermag. Dennoch mochte
ich gem wilfen, wie er zu der Ehre, compo-
nirt zu werden, gelangt ift, ob durch Ann
Componiften felbft, oder durch Vermittelung
einer hOhern Hand? Denn wenn Herr W. eine
vortrefFliche Poefie gewahlt ha'tte, fo witrde
ich ihm folches zu grofsem Lobe gerechnet ha-
ben , und aufs Gerathewohl will ich ihm nicht
abfprechen, dafs er, um eine Poefie zu wah-
len, Poefieen zu beurtheilen verftehe.
Wie die Mufik nun mir vorkomme? wel-
chen Rang fie mir zu behaupten fcheine? —
Ich mufs geftehen, vortreflich, Geniewerk ift
fie nicht ; ware fie das, fo wiirde ich nicht jetzt
erft von ihr zu reden beginnen. Bei Ihnen
heifst es: aub Caefar axtt nihil', und weil Sie
an dem Caefarem ejje verzweifeln, fo wollen
Sie ein nihil bleiben. Allein darin find Sie zu
ftrenge, wenn es nicht gar Eigenfinn ift, was
Sie leitet. Mit lhnen felbft mogen Sie indefs
verfahren wie Sie wollen, mich nur werden
Sie nie zu der Siinde verfuhren, alle MitteL-
klaffen vora Caefar bis zum nihil herunter
zu verwerfen, in denen man fo viele wackere
Manner antrift, die zum Genufs des menfch-
lichen Lebens beigetragen haben. Es fteht fo
mancher defidiofus am Markte der Wilfenfchaft
und Kunft, dem man, wenn er quid melius
agam fra'gt, nicht antworten mufs: quiescas.
Diefe Mufik hat gewifs fchon viel Vergniigen
gewahrt, fie hat einem angefehenen Publikum
ge fallen, und ficherlich Mannern unter dem-
lelben, deren Urtlieil nicht gleichgultig ift. Es
ift wahr, mehr als ein- oder zweimal witrde
ich nicht hingehen, fie zu horen, aber ich bin
iiberzeugt, dafs andre, vielleicht beflere als
ich, zehmnal hingehen und immer neues Ver-
gniigen hohlen. Zwar kennt man Kunftrich-
ter, die ihre Foderungen beftandig nach dem
Maafsftabe des abfolute Vollkommenen abmef-
fen, und die Kritik felbft fcheint diefes zum
Grundfatz anzugeben; allein, ich halte es doch
fur riclitiger, wenigftens fiir nutzlicher, aua
dem Guten und Vomiglichen eines Werks zu
abftrahiren, was der Verfafler zu leillen vet-
R 3
122
mag, unci nicht mehr von ihm zu fodern, nls
man fieht, wie weit feine Kratte reichen.
Unfer Componift gehdrt nicht zu den gro-
fsen Kupfen , aber auch koineswegs zu den ail -
ta'glkhcn. Grofse, Schwung, Erhabenheit der
Gedanken, Neuheit und Originalita't kann man
ihm nicht zufchreiben, aber fein Werk ill nkhts
weniger als Compilation; der VerfaJfer hat felbit-
gedacht und erfunden, er bat eine Art eigner
Manier, fidi mufikalifch auszudriuk on, er ver-
fteht eiiuun Satze Form unci eine gewiffe JAun-
tlung zu geben , welche errathen lafst , dafs er
clahotm viele Zeit mit Voriibungen zugebracht
hat. Die meiften Spuren des Erfmdens und des
Feilens zeigen die Themata feiner Stiicke, ila-
hingegen die Ausfiihrung oft trocken ill. So-
viet der Auszug auf die Parritur fchliefsen lafst,
mogen die Stimmen unter iich und fiir die In-
ftrumente gut vertheilt feyn; uuchl'cheints, dafs
die Begleitung den Gefang nirgends verdunkelt.
Das Werk bleibt fich von Anfang bis zum Ende
im Styl gleich^ der Verfalfer hat feineu feften
Gang, an dem man allenthalben ihn kejint, e*
mag fchnelle oder langfame Schritte thun. Sei-
ne Melodieen find gefangvoll; wo der Dichter,
aber leider nur felten, ihm einen beftimmten
Character aufgegeben hat, find fie ziemlicher-
maafsen ein richtiger und fchoner Abdruck defj
felben. In den Alien und Choren ifi: die !oa;i-
fche Dvtlaniation aufserordentlich genau b.job.
nthtet, wicwohl doch t-inige Y'erfiuise t'agegen.
angetrolFen werden. In den Hedlativ.-n ifi die
logifchc Declamation weniper duivugaugig ridi-
ng, auch iit die leidenh haUlkhe cia nodi ofle-
rer verfehlt, als in den Aden und Choren, wo.
man im Ausdrnck der Empfindur.geii die Starke
und Mannigfaltigkeit vermifst, wodmdi \o)i
Anfang bis zu Ende fines Sliicks auf die Shine
des Zuhnrers diejenigen angcnelimen Eindriicke
hervorgebracht werden, wekhe, vveil ihre be-
Ir.'indige Erneuerung keinern Geiianken, bis zur
Klarheit der Voritellung zu reifen , Zeit lafst,
dermaafsen entziicken , dafs man ikh in einCJU
Zauberkreife zu befmden glaubt.
Da haben Sie nun meine Meinung iiber-
haupt von dem Hewn Weinlig und feinem Ora-
torimn, die jch mit dem Wunfch befchliefse,
dafs er, aber ehrgeitziger in der Wahl feiner
Teste, zu arbeiten unci feine Compofitionen be-
Jtannt zu machen fortfahre, Vermnthungen
fiihren leicht irre, built w;'ir ich najio dabei, zu
veifichern, dafs fein nullifies Werk auch bei
Keimem die vorlheilhafie Autnahme verdieuen
wird, auf welche das gegenwiirlige bei den Lieb-
habem Anfpruch luacheu darf. *)
A. Paris.
Theatre de la rue Fey tie au.
Montag den £A.. gab man // confictato 11
Fietro, oder lefeftin de Fierre, eine ital. Oper.
Am Ende diefes Stiicks ift ein brillantes Spec-
takel : es war aber leicht vorherzufehen , dafs
diefe Art Schaufpiele zu unfrer Zeit nicht mehr
das Gli'ick machen wi'irde, das es in vorigen
Zeiten gemadit hatte. Es find fchcine Stcllen
in der Mufik *"), fie hat unterdeJfen nicht den-
felben EnthuiJasmus erregt, den die Werke
eines Paifiello und anderer grofseV Meifler Ira-
liens ***) hervorbringen. Verfchiedene Stiicke
find applaud! 11. worden, unter andemliefs man
eine Arie von Mengazzi wiederhohfen. :
A Ion tag den 1. gab man die crfie VoiTtel-
Inng von d'-ax X/ cade ///a , oder lejr Francois
dans' la pluiicte dc Ju]>itcr % eine Polle vou
(Joujiil Jarjucs.
*) Der fdir einfichts - tind gcfchmnckvolle Bear-
ilicilcf f.dut nun fort diefes Oiiiiorium Satz vor
S.uz een.\u und gvfliullidi zu zcrgliedern uiul
mit tier Jiellcn Fatkel tier Crilik zu boleuclitcn.
Die Eimidiiuiig dicfer Bliltter erlaubt es aber
wenigAftis fftr nzt noch nicht, folclie ausfidn-
liclie Abliandlmigeii aut'zunehnien. Die Forife-
tzung bleibt Salter noch in itnferm Archiv, tloeh
fiml wtv beicit, Jic dem Compoiiii'ten i'elbft ziun
Dnrdifehcn niitzutheilcn.
JD. //.
**) ].\t Jo ; 1 r; 1 11 lift fagt niclit von wem fm fey;
inJi-lli:ii wollen wir hoifen, dafs cs nicht Mo-
7.41-is Doin Juan war, woiin einzdne Alien inehi'
inncin Worth Jiabeu, als gauze Opera ron Pai-
fiello.
***) In weldiem Winkcl Jt.iliens die leben m(j-
gcii, ill Ucberfotaeru dkies Anikels vollig uu-
bckiiiin.
ia5
Nach gcrade war' es wohl Zeit, 'dafs die
Theater der Uanptftadt aufhurten, ims Sti'icke
gegemvuvtigcr Zcituinftiincle zu geben! Zeit
war 1 es wold, dafs man cliefe gefahrliche Gat-
tung von dor Buhne verbannte, die die Zn-
fchauer, die da nur hingehen, um fich zu un-
terhalten, dcm lurch i.erlichen Partheigeift, dem
Stimmenfanuulen der Oabale, clem Defpotis-
mus der Meinnng Preifs geben, unci fie in
Zankereien unci alio moglichen Unannehm-
lichkeiten verwickeln. Die ehrlichften wohl-
clenkendilen Schriftftcllcr kunncn fich in Ab-
ficht des Zwecks folcher Sti'icke irren; unci wie
kraukend mufs es ilmen fcyn, -\venn he die
Unannehmlichkeiten , denen he das Publ. aus-
fetzen, mid den Schaden, den he dadurch ei-
nem Theater thun kunnen, bcrechnen! . . .
Man erwartete nicht, dafs nach dem Stiick:
le Club des Bonnes -gens, worm die fanfteften
unci reinften Grundfaue, ohne Laune unci ohne
Leidenfchaft vorgetragen warden, dafs in les
deux Nicodcmes nicht diefer Geift der Einig-
keit, der das Gli'ick des Cure Picard mac-lite,
und der i'm Ganzen Allen gefallt, fondern.der
Geift der Mafsigung, der falfdifte und gefahr-
lichfte, den man unter die Leute hringen
konnte, herrfchen follte. Jeder Par they wech-
felsweire Recht zu geben, bald cliefen, bald
jenen die WafFen in ilie ilande zu geben, mil
lich damit wechfelsweife zu Ichaden, heifst das
nicht fie Preifs geben, heifst das nicht die
Starkern gegen die Schwachern zu hetzen, unci
die Wnth diefer Letztern verdoppeln, indeiu
man ihre Rache reitzet? . . . Dies ill unge-
fahr die Wirkung, die dies Stuck hervorge-
"bracht hat. das unter fo Lurchterlichein Lerin
gegeben ward, dafs die Polizey die Kraft des
Gefetzes amvendbar machen mufste, uni ihn
zu ftillen. Die Fahel des Stiicks ift folgencle ;
Die Fran , die Mutter und der Bruder des
Nicodcme wift'en, dafs diefer Letzte nach dem
Moncl gereifet ift, fie equipiren daher einen
Ballon ," und reifen in Gofellfchaft eines Aftro-
nomeu ebenfalls clihin. Sie Linden von unge-
fiihr ini Planeten des Jupiters, wo (\e einen
geliehten Kaifer, eine weife Onftitntiori, und
eine gliickliche Nation vorlinden. Unterdeiren
erfcheint Nicodcme felblt in eigner Peilon,
indem er mit dem Bifchof diefes Planeten,
der ihm nach Frankreich folgen wolltc, voni
Monde znriickkommt. Der Kaifer erzeigt den
Freinden fo viele Ehre, dafs die FanhT.e des
Nicodcme Lull bckOmmt am Hole des Nico-
dcme zu bleiben, indelfen dafs Letzterer zur
Enle'zuriick will. Die Urfachen zu Einem oder
dem Andem werden ahgewogen. 1ft man
gliicklich in Frankreich? oder ift man es nicht?
Nicodcme preifet die Conftitution an; feine
Mutter, feine Fran und fcin Bruder laflen lich
iiber die Unthatigkeit aus, mit welcher die Ge-
fetze ausgefiihrt werden; daher entftehn die
Anwendungen fur alle Partheyen, Endlich ge-
lingt es Nicodcme feine Familie dahinzubrin-
gen, dafs lie ihm folge, unci das Stuck en-
digt mit Couplets, wovon der hier aiigefulnte
befonders wiederhohlt werden mufste. Ea
fchien, als habe der Autor geahndet, welchen
Einclruck fein Stiick machen mufste.
Air: des dctbes.
L'auteur, confus tie vos bontes
Voit bien des efprits mites :
C'eft ce qui le defole . . . (bis.)
II a pu domuT dans lYrreur;
Mais ton excufe ell dans fon coeur ! . . ,
Celt ce cpii le confide. (bis.)
5. Sclireiben aus Coppenliagen.
Madame Zink, die bei vorfallenden Gele-
genheiten mit ihrem fchonen Talent menials
cigenniitzig geitzet, fang vor einiger Zeit eine
Arie von Jojeph Haydn und eine Scene von
Naumann : Vadafi del mio bene in difefa in
aiba mit dem bckannten Rondo : Si Nintendo,
ombra dilebca. Sie fang das Recitativ ganz
vortreflich, mit Leidenfchaft unci reiner arti-
cnlirt, wie lie es Ion ft pflegt, vom Orchefter,
welches fehr genau ehifiel, wirkfam unteriliitzt.
Eben fo trug fie mit vielem Beifall das Rondo
vor, welches, wie das italianifche Cantabile
uberhaupt, von der Art ile, dafs cs mehr clinch
einen ftudirten methodifchen Vortrag und durcb
eine fchono Ordnung in dem Acconipagne-
ment, als durch Neuheit der, Erfindnng/an-
genelnne Eindriicke verurfacht, mehr durcli
den lebendigen Gefang des Vortrags entzi'ickt,
als durch den todten Buchftaben feiner Melo-
diereihen die Mitbevvunderung des Kiinftlcrs
erregt. Solche Stiicke lind furs Concert ilie
fchjcklichflen, fie gefallen inuuer belfer ah ]e-
des andere dem Verfaffer fchatzbareres Sihik.
Man braucht den Text gar nicht zu verftehen,
die Situation fey, welche fie wolle, mit ein
paar Tacten ift man fchon hinein unci iiber.
12+
lafst man feinc Empfindungen ganz dem un-
wiclerftehlichen Zaubcr des Gelanges. So war
es audi hier, unci ich geflehe, dafs das Rondo
vielleicht melu" Wirkuisg that, aid Haydns vor-
U'efliche Arie: Or vidua a to mio cave, von
der ich, weil ich fie a us tier Fartitur *) fehr
genau kenne, die grofste Erwartung hegte.
Ha'tte ich aber nur daran gedacht, dais fie au-
fserft theatralifch ift, und ohne Kenutnifs der
Zuhorer von dem Text und der Situation im
Concert nothwendig verlieren muf>, fo wiirde
ich nicht melir erwartet haben, als herauskam.
Sie gefiel indeU'en fehr und wurde mit aller
Genauigkeit des Orehefters herausgebracht, nur
dafs die Bafte, ,veil fie mit deiu Ganzen nicht
hinlanglich einverftandigt waren, an einigea
Stellen die antlern uberftimniten.
Diefe Arie fcheint aus einer Oper zu feyn.
Jch. ftslle mir die Situation fo vor: Ein jun-
ges Madchen, Rezia heifst fie hier, durch
Schickfal von den Ihrigen entfernt, ift wider
Willen fur den Harem eines Sultans beftimrnt,
hat aber in ihrem, vielleicht chriftlichen Va-
terlande, einen Jangling zuriickgelail'en , dun
fie liebt und deni iie treu zu bleiben wi'mfcht.
$ie firmt daher auf Mittel zu entrinnen, und
es gelingt ihr, noch ehe fie mit ihrer Freiheit
alles verliert und indem der Mufelmann ab-
w\fend ift. So mm, fich in Sicherheit wif-
fendv, fingt Tie beim Abfchied, in uberftrdmen-
der fliichtiger Freude ties Herzens, folgende
VVorte :
Or vicina a te, inio cuore
gia mi. par pin dolce a more
gia efler parmi in liberta.
Smani il Tuico al fuo ritornol
e mi ctrchi atiorno attorno!
flezia piii non trovcra.
' Bald bei dir, niein Gcliebtcr ,
tout ITifser mir d$iner Liebe Stimme,
jfiiJile ich. wieder, dafs ich frei bin.
Ev wute, der Turk, vrenn lieimkehrend
audi mir er fuclu Iiierlicriun , donherum;
Rezia wird er nie wieder /inden.
Wo Haydn audi nur errcheint, in Inftru-
mental- oder Vocalmufik, im Ernfthaften otler
ini Laimichten, da ift er allenthalben der un-
erfchopllh he Erlinder und gelreue Character-
mahler. Zu der zweiteii Zeile gia mi j>ar jriu
dolce atnort'y welch ein fcines zartes Gewebe
von lieblichen NachrigallentiJnen das ift! als
wenn die Liebe felbft, in welter Feme einem
fanften Madchen Erinnerung winkend , Zau-
ber Uspelte. In dem erften Theil der Arie be-
fchaftigt die Singende fich allein mit ihrem
Geliebten, in dem zweiten uberl.ilst fie licli
zunachft der Freude, dafs Pie den Mufelmann
fo angefuhrt liat, und dies driickt. die Mufik
ganz unvergleichlich aus, Mit dem Schlufs der
drltten Zeile denke ich mir die Rezia in dem
Gefange der folgenden Zeilen , wie fie zu der
Begleitung, wo uber die zwifchen den Vioii-
hen vertheilten braufenden Sechszehntel im-
mer einige, jene gleichfam fchwichtigende Vier-
tel wegfteigen, — wie lie da die i'.uiiojuiuie
macht, ,,dafs der Mufelniaim fich nur nicht
„zti fehr angireifen nioge, alles Schelten und
„Toben helfe doch nichts, fie rathe ihm mit-
„leidig, feinen Verluft in Hi Her Gelaffenheit
„zu verfchmerzen , und allenfalls kcinftighin
„wachfamer tax feyn." In der Rulude auf tro-
ver a daueit the Neckerey fort: in der langen
Cadenz ziim Anfange leichtiinniger Jubel, dann
auf einem Ton ' fellhaltend und immer neue
Axisfalle von Spotteley; bis die Ejnpfinthmg,
von dean veradueten Gegenftande und dem
nicht mehr drohenden Uebel wcg, wiederum
bin auf den Geliebten und auf das Gliick der
Freiheit fich wendend, ernfthaft zu werden
fcheint. So fchliefst es hier i>> tier Dominan-
te; aber die Freigewordene kann es noch nicht
vergelfen, wie liltig fie den Wnlliiilling ange-
fuhrt hat. Gieicli wietler ruft fie pathetifch
aus ; Rezia — und ein wenig hier inne hal-
tend
*) Sie erfclnen vor vier oder fiinf Jahreii, in Kn-
pfer eeftodien, unter dem Titel: Aria, Or vU
cino « te mio cuore, dal Sigr, Giufeppe Haydn.
In Vienna prejfo Artaria Comp. Prezzo F- x.
Es find verfchiedeiie Stichfehler darin, oh-
ne die vorlier zu verbeflern man fie zum Ab-
tclirciben nicht Idngeben kann. So z. E. gleich
ini Anfan»e Tact 5 fteht im Bafle c, welches
eine sanze Note 4} und T. 6 ftclu g, yreldw*
ciu Viertel c feyn folltc, und das iilbrige Pan-
fen. Seite 11. T. :5. Viol. pr. das dritte Vi«riel
a, foil h feyn. S. £1, T. 7 ftatt h d\ in der
Singftimme, a r. S. 23. T. 7. Viol. fee. fiatt.
des Viertel f~, oin ViertelTT S. 20. T. 3. Viol.
pi. foil die fcchli-.! Note / wohl ein Achiel h feyn.
125
tend liifsf fie, neben der trippelnd fchleichen-
dcn 'Bogleituns: der erflen Violine, uiit nach-
lufsigef Stininu.', voll diuchblinkcnder Schalk-
lieit, die iibrigcn Worte nachkommen: pin
lion trover it. Driler Salz wild wiederhohlt,
und mit der let/ten Sylbe des troverii fi'igt
der Componift nocli eine in der Singftimme
weit anshohlende Cadenz hinzu, wo uiit die
Aric vcillig. in dor Dominante fchliefst.
So lebemlig bis dahln, fo und nocli genie-
vollcj lit in dem Folgenden die Characterzeich-
nung. Die gcgen cinauder nunctiitcn Sechs-
zehritel und^Viertel, vvie fie vorher gewefen,
beybehaltend, modulirt der Componift fofort
nach d molL Auf dem Grundaccorde der Do-
minante a la'fst cr die SinglHmme eintreten:
Smani il Turro al fuo ri/onto; bci der fol-
genden Zeile: c mi ' ccrchi attonio altoruo, iXt
cr mittelft der Veih-tzuiig wieder in c dur ge-
kominen; und mm wci'IV man gar uiclit, wo
er wohl weiter bin wolle. Der liegendt* Drey-
klang von c fddagt mit dem Eintritt der letz-
ren Zeile wieder an, wozu die Singende eben
lb wie vorber: lic-Ja — p.uhetifth ausruft mid
dann. wieder, diesmal einen ganzen 'Fact, Icbalk-
baft inne halt, hide IV die JBegleitung zu dem
nocli aushaltenden Drdklange die kleine Sep-
time zu haben fdieiut. Nocli lauter Ungewifs-
heit; plotzlich aber, inclem nun die VVorte
jiiii nou trovcra nacliEchtdilt werden, entfehei-
det es ficb, durtb cine enharmonifche Ver-
Avechfelung, da die Soph' me b als iibermafsige
Sexte at'j ■'"" behandell wird, kommt das Ohr
liin, ab war es nach h dur , mid da fchliefst
diefer Tbeil der Arie.
Jeder fiililt , wie chaivcrcriftifch die Wen-
dung iit, und wie febr lie 'luit der Herzens-
1'prache an differ Slello barnionirt. Teh kenne
jiicht viele Genicziige a on fnleher Starke und
Ueberrafchung. Zugleidi bewahit fich aus die-
i'em Gange, welch erfiaimlidic Wirkungen in
tier blolVen Harmonic verborgen liegen. Der
ganze Abfcbnitt bis hieher lit vortreflicli , und.
wie auffallend viel tr.'igt diefe einzige uner-
wartete Modulation am Schlufse delfelben zu
der Vortreflicbkeit bey! So zu ntoduliren mag
zwar mancher fi'ir kein Kunilftuck balten, und
in abftracto hat er It edit; dergleichen Wen-
dungen kann man iich bekamif. machen, und
welcber Anfanger lerut nicht eine Menge Ue-
bergange aus einer Tonart in die andre, mit
leichter Miihe auswendig zu be.halten ; aber
wie weit von todter Kenntnifs der Mittel iit
Jebendige Anwendung derfelben verfdiieden?
UuUiigHrii in fich zu fi'ihlen, dies oder jenes
iey an dem Ort gerade das einzige wahre und
fchone, — das gebort zur Darftelhingskunft. *)
Hat der Compouift davon kein richtiges und
andre iiberzeugcndes Gefiibl, fo werden feine
no ch io belVeimlend auffalJendcii Moduktio-
nen, wo er hoflte, dafs he angenehiii iiberra-
feben wiuclen, viel mehr das Gefuhi <iinporen.
Nach dem Abfatz in // bebt nun die Sing-
rtimme wieder mit dem fiifsen Them a in c
dur an, und die gauze Arie wird gewillerma-
i'sen wiederhohlt. Das iit aber eiue Wieder-
hohlung wie nur felten WiederhoWungen ge-
artet hud ; bier find zum Theil lauter neue
Siitze, nur dafs <lie vorigen den Stoff dazu ge-
reicht haben. Man mtiTs Haydn .audi darii*
bewundern, wie gefchickt er iiberall in feinen
Coinpoiitionen einen Satz oder Gedanken zu
verandern und zu erweitern, neue -Gedanken
daraus zu Ziehen verfteht. Hier zeigt er das
vorziiglich, gleich uach dem erften Abfatz, in
dem Ichonen Kettengewebe zu <ler vierten uud
fi'inften Zeile; in <ler Conceutrirung der Sa'tze,
zu eben den Zeilen, n-eiterbin nach der Colo-
ralur auf troverii; und in der Declamation
ties Re-Ja, die zum zweitenmal eine Terz ho.
her fteht.
Wenn diefe Arie aus einer Oper ift, wie
der Anfchein zu deullich vernitli, fo hat Haydn
hikhft wahrftheiulich die Oper ganz coiuno-
*) Wir Jiabon Coniponi/icii, (lit ich Haydn eben
Jiiclit u.ii Jifctzttii iiK'dih, ,il)( r das iniils icli (la-
bel "e/iclicn , koim-r iii.-i-i'tril't iliii in (It Fei'tig;-
Jccil 7 das ri( liiii J'.iiijI'iiikIciiu rcitznhalK-n , unci
Toiii'uilicn J.r/.n yu '-rfiinli.il, die in dtv Soc-lc
Si.'iM.'u ininu-r c!.;i i .i;.!i.iiif Jiild wittier r.ur
nfe Jiii id i<-lifei il i-ili_i.i, von Avi-hlicin in? in-
fpriinclii-h < in A''i'ii.l ii'id. Di-.fc Ft rtit-ktit,
in dc'n Jiotli/i'ii (ji'.sti' ;i lull «i;Aacltt , i/i "vicl-
h'iclu das, v. .is dur l J I;ilofop)i, wenn iii.ui ilin
i'r.igte, wie iiv mil tiuciu Aiulcni Nanica Jn.'ifse,
fi-cntlicli mnfic.ilifclios Cenic nennen Wiirde.
AAiil m.wi ficJx diu hiidiften Grade dcnkcti niiifs,
man alio voransfcizi, .dafs das Gcfuhl der Man-
ner von ("oh her Fertiaktit iiufsciTt ,fein ift, io
fol^i, dais die ielirhiMisn-neln den waJiren Ge-
nies vied zn jin.L-l.alitii. ./iiid , tmd dafi ioldw
Kiin/tltr in illan CoinpoJiiiniu-ii bt/i.uidi» i-ri-
cin:d bidden, w-.il iie ger.ule jjnnier die fein-
lien UuKij'diitde in ilm-ii HiMern der F.uii.ifip
niiUndun, iiuvlen, und ii.itJiasubililen rcrtiakcit
Jiabcii.
ifiG
jiirt, unci wiirde ich, war ich ihm nur naher, Situation fo reitzcnd feyn, als diefe Arie; nilt
nicht aufhdren, ilm mit Bitten zu beftiirmen, Riickficht clarauf tragt aber gewifs jeder ein-
bis er fie in Partitur drucken liefse. Wohl zelne Satz den unverkennbarcn Stempel Haydn-
nicht jedes Stuck derfelben kann, olme Ruck- fcher Originalitat.
ficht auf Individualist des Characters und der G,
6. Gedanken uber den Urfprmig und dea Gebrauch des Septime-
quart - fecundaccords.
An den Veifaffer der kritifclieii Briefe an einen jungen Tonferzci-.
Sie haben in den erften Band: der limfi. Accorde durch Umkehrungen einzelner, und
kalifchen Realzeitung, 1788 N^tf.' <2 und 6, ein durch Ineinanderfchiebeii inehreicr Accorde iich
paar Briefe iiber den Septiinc/- cpiart - fecund- ableiten laflen, und die daher als wefentliche,
urfpriingliche , oder als Grundaccorde angefe-
lien und fo benannt werden konnen. Man
niiifte das Gefetz der Sparhunkeit beftreiten,
wenn man diefer Art, den Urfprung, die Ver-
wandtfchaft und die Verhaltnifl'e der Accorde zu
entvvickeln, eine andre Yorzoge, die auf der
einen Seite durch lange unci unfichere Umwe-
ge nicht weiter als auch nur eben dahin fiih-
ret, auf der andern aber zu keiner einzigen
Bemerkung Anlafs giebt, die man bei jener
Entwickelungsart nicht eben fo leicht liiuchen
konnte.
accord eimucken lailen, welche in dem jun
gen Tonfetzer, an den. he rxjfpriinglich ge-
lchrieben waren, keinen lehrbegierigern IVIu-
nkfreund konnen gefunden haben, als in mir,
der ich es wage, mit einigen Zweifeln gegen
Ihre Satze hervorzxitreten. Ich wende mich
gerade an Sie, weil ich, was Sie von fich fag en,
dafs Beforderung mu/ikalifcher Aufklarung Ihr
Zweck fey, aufrichtig glaube, und wciTEm-
wendungen, fo ungegriindet lie auch miithten
befunden werden, inimer denjenigen zunachft
interelfiren , gegen deifen Behauptungen fie ge-
richtet find. A] em Zweck ift mit dem Ihrigen
derfelbe, es wird mir alfo gleichviel feyn, wo
die Wahrheit liege, ob ich weit vom Ziel oder
nahe dabei fei ; Behauptung und Ueberzexigung
iffc bei mir Eins, unci der letztern fehlt es we-
nigftens nicht an gutem Willen; Widerlegung
der nachftehenden Gedanken ift mir daher im-
Das Gehor lebrfc, dafs aufscr dem Acrorde
des Grimdtons, alle iibrigen Accorde der in
und anfser der Scala deil'ulben enthallcnen
Tuna iiiuner etwas crwarl.cn iailcn, bis man
in den Dreiklang des Grundtons zuri'ickkuiunit..
Ich gehe z. E. von C dnr aus, fo mag ich
jner lieb, wenn he mir zeigt, dafs ich gcirret Accorde nehmen, Schlull'e anbringen, welche
ich will, das Ohr befindet fkh dabei imiiicr in
einem Zuftand abwechfelnder Erwarfungen, bis
ich in C zuriickkcbre und da fchliefse. Demi
cigentlich find gegen dfTi Dreiklang des Tons,
aus welchem ein Si. tick gelit, alle Accorde als
DiUouan/cn anzuU-hen. Der Sprachgebranch
mac lit aber die fen L'nterfchied nicht, lYmdem
habe.
Alle denkbaren Accorde, Verdoppclungen
nicht mit einbegriffen , konnen, wie die Setz-
kunft lelirt, in dem Ranui zwifchen demGrund-
ton xxnd der None dell'elben, angcfchlngcn wer-
den. Die Natur giebt hier alio 'clem Syftenfa-
tiker fchon einen Wink, mit der Eniwickelung
der Tonverha'ltiiilfe nicht iiber den Umfang
von neun Tonen hinauszugehen. Die Deci-
men , [Undecinten u. f. w. ciiirften daher als
von der Terz, Quarte xx. f. w. verfchiedene
Intcrvalle, aus dem Syftem bleiben , und bio fa
als Benemmngen dazxx dienen , in der Terz,
Quarte u. f. w. eine befondere Eigcnfchaft zu
bezeichnen. In diefem Ranm einer None trift
man, was die lange Unterfucliung von Jahr-
hunderten aus der grofsen IMenge practifcher
Tonarbeiten abftrahirt hat, zwei Accorde an,
den Dreiklang nnd den Septimenaccord , von
dencn alle iibrigen iii der Praxis vorhandsnew
verfteht unter l)ill'nn;o:z nur die engern Ver
haltnilfe einzelner Accorde zu einander. Auf
jenes DillWniren aller Accorde gegen i\en Gruncl-
ton beruht aber, beilaxifig gefagt, die Regel,
dafs ein mufikalilches Stiick aus einem gewif-
fen Ton gehe , in dem es anfange unci endige.
Jedes Ton/li'ick la 1st femer bemerken, dafs
die einzelnen Tone tines Accords, fo lange
das Intervall einer Secunde, oder der durch
die Umkehrung der Secunde entfpringenden
Septime nicht clarin vorkojnnit, iiber und un-
ter hch fortfehreiten diirfen. Diefe Fortfchrei.
tungen von Tonen, welche der Sprachgebrauch
tS7
cigemlich Confonanzen nennr, find alfo v.-lll-
Uulnlith, obwohl nicht in oleirhem Maal'sc ;
denn bei eir.igcn verfpi'ut 111:111 doch cine ftar-
kere oder fchwa'ihere Te» -ik-iiz des einen Tonn
zuiu amlem Inn. Merklicher dark, als irgcnd-
wo ill aber diefes liiul'trcbon nach einem gewif-
fenTonda, wo in einem Accorde das Intervall
einer Se. untie gthort wild. Mier mufs der Ton,
7.11 welt hem der andre Ton die Secmule ift, je-
.iiem gldchfam ausweichen iind in den nachften
Ton unter iith gchen. Djher die Kegel, dafs
die Sep dine, lie ley grofs tuterklein, wenii fie
im Dreik lange die S telle dor Octave veniitt, be-
ftandig herunter liiufs. Daher audi die Einthei-
hmg in Confonanzen und Dill'onanzen, und die
Unterabtbeilung der erftern in vollkommene und
nnvollkominene, je nachdem fie das Ohr mehr
Oder weniger in Erwartung fetzen; daher end-
lich audi, we'll Viele Iich nicht darin haben fin-
den ktinnen, dafs zwifchen Con- und Dillonanz
Mittelklange liegen, die von beidem etwas ha-
ben und nur durch tlie Behandlung das Eine
oder das Andre wenlen, der lange Sireit iiber
die Quarte und iiber die Quinte des vernunder-
ten Dreiklangs u. f. \v.
Was bisher von Act ordenreihen in Abflcht
des Confonirens nml Dilluiiirens voiausgefuhickt
worclen, betraf nur die ungeiui fell ten oder lim-
peln Accordenfolgen, worunter ich fnlche ver-
ftehe, in denen kein Ton anticipirt oder re tar-
dirt wird. Sie befbeben aus ileni Drciklang und
dem wefentlichen Septimenacoorde, mit deren
Uinkebrungen. Alle iibrigen Accorde, fo viel
die Mnfik ihrer hat, eiillpringeii aus cIqjc Ver-
wehung melnerer Accorde in einander; jene
Jind urfpriinglich und gleithfam felbflftandig;
diefe fintl abgeleitet und haben ihr Da feyn von
andern her. Was diefe beiden Gattungen am
Ticlitigften cliaracteiiini , diuftc feyn, daf5 in
jenen die zu einem Accorde gehbrigen Tone
Iich gleichfam einig find, eine gewiil'e Zeit lie-
gen zu bleiben mid dann vereint, ohne einer
dem andern vorbei zu ren;:en, in einen andern
Accortl und fo weiter zu at lien; in diefen aber
eine foiche Einigkeit nicht horrfeht, fondein es
eix\en oder inehrere Tone giebt, die bei den an-
dern nicht bleiben nuigen , fundern eigenlicbig
in wefentlicheK lange eines neuen Accords liber-
gehen, und jene zuruckgelall'enen cntweder zur
Nachfolge nothigen oder, wenn diufelben zu
hartnackig find und ihien .Stand behaupten,
nachgiebig in ihre Stella zurtickkehren. Diefe
Uneinigkeit verurfacht ein Dilfoniren, welches
fo lange dauert, bis tier eincTheil, wie iiberall
fo auchbier, der I'tli'vachcm nachgiebt, bis die
vovausgognngenen Tone entweder zurucktreten,
oder die licgeiigebliebenen nachfolgen.
Jetler con>'.>:iirende Ton hat, fo lange Um-
ftantle ihn ;, ii.hr zwingen, wie gefagt, eine ge-
wille Freiheit zn ceheu, wo er bin will; von
diefer Freiheit biilst er dber vie) ein, wenn er
durch Anlicipiren oder Reiardirc-n leine erfte
Eigenfihaft verliert und dili'wimend wird. In
diefem Tall kann er nur da hingdien, w.< er enl-
Aveder ln'tgekommen iff, oiler wo die andom
iliui 1-lar.z neben Iich g<-iaifen haben. GemeU
niglich g:-ht die Forth hreiiung der tlurch Anti-
cijiiren e.illlehcnden \ orhalte untervvart^; fehr
liiiufig aber gelit he anch aufwarts, wenn die im-
terwarts liegenden Tone nicht zur Ilarmonie ge-
horen, oder ihre Platze fchon orcupirt lind.
Von der Au/lofung der umvefentlit hen (denn fo
nmfs man fie zum Lnterfchied von dem Drei-
klang niit der wefentlichen, der Hegel nach im-
mer abwarts refolvirenden Septime benennen^
Diironanzen di'nfte daher die in alien Fallen Au-s-
knnft gebende Regel geiten, die Dillonanz in
den zur Harmonic noch fehlenden oder der Ver-
doppelung fahigen Ton zti fiihren, in welchen
fie, ohne Dillonanz geworden zu feyn, Jiiilte
hingehen miiU'en otler konneiu
Betmchte ich nun den Septime - quart- fe-
cumlaccord, fo leite ich ihn aus einer Vermi-
fchung ties Dreiklangs vomGrundton, oder des
Sejuimenaccortls auf der Seeunde des Tons, mil:
dem Scptimeuaccord tier Dominante her; auf
die Art, dafs entweder einer tier bei den erfibe-
nannten Accorde, (beim Dieiklang den Crnnd-
t..n und bei dem Sej t-imenai corde die Septime
im Bafs gelegt,) erft angefchlagcn wird, und d^f
Dominaiitenaicoril md dei Septime darauf folgt,
Oiler ump;ekelut.
c h —
d h —
g h -
a g —
u f —
f f —
c d —
d tl —
c
c
Das erfte Exempel enthalfc den Urfpnin*
des -, '|, 2 •— Accordes aus der Vernnl'chun|
der Dreiklange , ties vomGrundton roran, nntl
des von der Dominante hinternach. Das zwei-
le weicht von dem erllen darin ab, dafs llatt
des Dreiklangs vom Gruiulton, der Sextqnart-
fecundaccord voraus geht. Jn der Mauptfache
koinmen beide ii herein, darum will ich blol'a
bei ileni erften Exempel bleiben; denn was
ich c'.a von fagen vrente, h'sfst, wen« es rich-
S 1
ia8
tig ift, inehr als blofs auf das 7weite> die no-
thigen Anwendungen inachen.
Kehrt man die Ableitung urn, fo erfcheint
der Satz in diefer Form:
h
— c
g
f
— g
— e
— c
G C —
In der Geftalt, wie cTer Septime- quart-
fecundaccord hier fteht, kennt ilin jedermann.
Er hat ein Janusgeficht, und daher mag es
vielleicht kommen, dafs die practifche Bekannt-
fchaft mit demfelben von der theoretifchen Er-
kennnng bisher etwas verfchieden gewefen ift.
Die Sache ift aber klar, es macht einen we-
fentlichen Unterfchied, ob ich fo liege, dafs
das Ohr die Vollendung des G accordes erwar-
tet , oder ob die Anticipation der Art fey, dafs
der C- accord fchlechterdings feine Vollfta'n-
digkeit verlangt. Wenn der Bafs von der Do-
minante in tten Hauptton tritt und die Ober-
ftinnnen noch in Tonen verweilen, die abfo-
lur zum Accorde der Dominante gchoren, fo
ifts niche miiglich zu irren ; man fiililt zu l'ehr,
dafs Ietzteie in Tune des Dreiklangs vomGrund-
ton gehen nmilen. Eben fo wenig ift es
fchwierig, fi'ir jeden Ton in der Nahe einen
andern zu finden, mit dent er abwechfele.
Das h geht in c; f in e; g bleibt liegen; d
tritt in e oder c. Nun ift alles da. Eben fo,
wenn die Oberftimmen, bei C im Bafs, Tone
des G -accords anticipiren, fo fiihlt man nicht
weniger dentlich, dafs das C im Bafs der an-
ticipirten Harmonie freind ift, und dafs es in
einen Ton hatte gehen follen, der zu diefem
Accord den conlonirenden Bafs angabe. Allein,
hier kam manther Componift in Verlegenheit ;
das diifoni ende C des Bail'es, dailite er, niuls
hernnter, und mufs in den nachften Ton her-
unter. — Aber li lag ilim fchon oben ; liefse
er C in H gehen, To kiime ein unfurmlicher
Satz heraus ! — Was war derm zu thun ? Um
das C in H treten zu laffen, mufste eine tin-
fchuldige Oberftimme weichen, beinahe nicht
anders, als hatte lie einen Fehltritt begangen.
Das cibere h retirirte fich alfo in d oder g hin-
auf, unci nun hatte man derm feinen Accord
vollftandig. Freilich war das ganz vortreflich
arrangiret; aber unfere Septime h, lo gem fie
auch felbft aus innerm Triebe ihren Platz ver-
taufchte, konnte es dock nicht leiden* dafs es
als eine Schuldigkeit gefodert wurde. Sie fetz-
te einen Werth auf ihre Gefa'lligkeit und blieb
nun einmal auf ihver Steile liegen, run ihre
Freud a daran.zu haben, was wohl daraus wer-
den wurde. Natiirlicli kam nun das G des
Bafifes in die grofste Verlegenheit; nach G hin-,
zufliichten, was ein guter Ausweg war, fiel
keinem Alenfchen ein, wcil man ohne alle Ein-
fchrankimg glaubte, dafs eine Diflbnanz noth-
wendig nur Einen Ton fortfehreiten di'irfte;
nach 13 oder F zu wandern, wollte man viel-
leicht eben fo wenig wap.cn , oder man fiirch-
tete eine zu weitlaunige Verletzung der Tone,
welche diefe Pla'tze fthon inne hatten; mehr
Auswege gab es fchlcchterdings nicht, alfo blieb
niches iibrig , als Gewalt mit Gewalt zu ver-
treiben, ftiil auf dem Grundton liegen zu blei-
ben und abzuwarten, was die itbrigen thun
warden. Was war nun der Erfolg? die andern
fallen wohl, dafs gegen das Imponirende des
Bail'es niclit aufzukommen war, und fchlichen
am Ende betroifen wieder in ihre erften Stel-
len zuriick. So entftand fiatt der eigentlichen
Hcfolutionen, die in dem obigen Exempel, um
fie hier alle auf einmal anzubringen, nicht an-
gecleutet waren;
— e oder g
c
h
—
c
c
h
a
c
S
g
—
g
g
g
—
g
e
r
—
e
e
t
—
e
c
d
—
c
c
a
—
e <
C
—
G
C
C
—
H
G
c
h
_
c
c
Ix
—
c
fi
g
—
g
g
g
—
g
e
f
—
e
e
f
d
e
c
d
g
c
c
d
—
g
C — D E
C — F E
ftatt diefer vicr nnti'irlichen Befolutionen, durch
Vervollfrandigung des erwarteteii Accords, eine
weniger naturlithe durch Zurucktreiben in den
vorherigen Accord, Die Analogie begiinftigte
vielleiciit ihre Aufnahme. Auf der Dominante
wechfelte man anit dem Dreiklang der To-
nica ab:
h c h
g
d e d
G
warum. follte dies nicht ran&ekehrt auch tuf
der Tonica gefchehen diirfenV
h ©
c
Ob ich indeflen, was jen ( e vierfache Hefo-
tutionsart betrift, wo der Bafs in G, H, D
oder F fortriickt,'an die Richtigkeit derfelben
fm mindeften nicht zweifle, fo 'wiirden Ein-
wendungen dawider inich doch gar nicht be-
fremden, Beftiinden fie aber daiin, dafs der
Bafs als Diifonanz mir in den nachften Ton
iiber oder unter fich , oder vielleicht gar blofs
unter fich gehen diirfe, lb niufs ich geftehen,
dafs mein Gehor in der Natur der Klange
nichts findet, was von den umvefentlicheri Dif-
fonanzen eine folche Kegel durchaus etabliren
konnte. 'Dennoch laugiie icJi nicht, dafs zu
diefer Regel ein ficherer Gnind in der Natur
liegen konnte; mir ill er nnr nicht bekannt..
Alle gleich gut find die vier Arten der Auf J fi-
ning, nicht; die zweite nacli H bin, giebt mir
die meifte Befriedigung; die nach G weniger,
und am wenigften die nach F. Da aber in
der Mufik, fo wie in alien Kiinften, das Gute
und Scbune etwas Relatives ift unci die Mate-
rialien, durch cleren Yermifchung und Zulain-
jnenfutzung der Kunltler als Schopfer erfcheint,
von Verhaitnilfen abhaugcn, die demfelben ihre
Grade des mehr oder weniger Vortreflichen zu-
jnefTen; da man nicht abfolute, fondern im-
rner nnr in Riickficht auf irgend etwas, fagen
kann , diefe oder jene Tonfolge , Stimmenver-
theilnng und derg!. fey better oder fchlechter
als eine andre, — fo kann es imnier Falle ge-
ben, wo von jenen Auflufungsarten diefe oder
jene, welcbe die Aefthetik im Allgemeinen
verwiirfe oder niclit grid's achtete, gerade die
trefFendfte ware; und darum babe icli fie alle
angefuhrt. Ich weifs fiir die Richtigkeit mei-
123
per Auflofungendes Septime - quart - fecund-
accords inittelft der erwarteten vervollftandig-
fen Harmonic, dafs der Bafs vor dem Schlufs
einen Ton des G- accords beruhre, gegenwar-
tig wenigftens nichts minder und nicht mehr
anzufuhren, als diefes, dafs, wena ich. dia
Tone
s f
e a
o'hne Bafs nach einander anfchlage, f mein Ohr
zu dem erften Griif einen Ton aus dem C-
dreiklange, und zu dem zweiten einen aus
dem G- accord verlangt, und zwar zunachft
C und G, die Grundtone felbft, und dafs in
Anfehung a Her iibrigen vermifchten Accorde,
Theorie und Praxis fich darin einig find, dafs
die unwelentlichen Diilonanzen Vorhalte von
den Tonen find, in welcbe fie, wenn fie nicht
zuriickgeblieben waren, fogleich mit den an-
dern Tonen wiirden gegangen feyn. Zur Ver-
theidigung' der zweiten Art, da man das Zu-
riicktrciben der anticipirten T5ne in den vor-
hergegangenen Accord, die Refolution des Sep-
time - quart - fecundaccords feyn lafst , habe
ich inich noch nicht anheifchig gemacht. Dafs
ich diefe Art aber nicht verwerfe, leuchtet
fchon einigermafsen aus dem Obigen hervor:
weiterhin werde ich indelfen etwas mehr dar-
iiber fagen. Ich konnte dies fogleich thun,
und damit die IVIaterie befchliefsen ; erlauben
Sie aber, dafs ich dem Fa den Hirer Gedanken
folge, wo ich vielleicht fchickliehere Gelegen-
heiten finde, die mir noch iibrigen, zum Theil
damit vorwandten Bemerkungen in dem, rich*
tigften Geiichtspuncte darzuftellen.
(Die Forifetzuiig im niichftcn Stiick.)
7. RECENSIONEN.
jftlgemeinc Gefchiclitc der Mufik von J, JV.
Forkei, \fter Band. ("Koftet in der neuen
Berl. Mnlikhandlung 5 Ktlilr. i5 Gr.)
(Zneite Fortfetzimg. }
Im dritten Kapitel handelt H. F. von der
Mufik der FJebnier.
<$. i. Es liegt im Wefen der Mufik, dafs
wir uns felbft von der Mufik derjenigen Voi-
der kerne riduige und vollkoinmene Voriiel-
lung machen konnen, deren Tonzeichen und
Grundfatze bis auf uns gekommen find. Wie
viel fchwerer mufs nun diefe Vorftellung von
der Mufik folcher Volker werden, von wel-
chen uns nicht einmal diefe wenigen, diefe
todten Hulfsmittel iibrig geblicben find?
§. 2. Mit der Tonkunft der alten Hebraer
find wir in diefem Fall. Beilfiufige Nachrich-
ten von ihren Inftrumentett find die einzigen
Huifsmktel. —
100
5« 3> Nur die monarchifche Periode korin*
te der Kultur der Tonkunft gunftig feyn, unci
War es zur Zeit Davids und Salomons wirklich;
§. 4. Jubal, Erfmder der hebr. Mufik. Nach
Chardin werden noch itzt bei den Arabern und
Perfern die Spieler und Sanger Cay lie genanut,
und die Nahmen der yon Jubal erfundenen
Inftrumente find noch vorhanden.
§. 5. Mit Recht halt H. F. die Nachricht
des Erziiigners Jofephus von Errichtung der
Gedachtnifsfaulen fur einen blofsen Einfall.
Dafs Gervajius Tulberienjis und Adam de Fill,
da'y als eifrige Enthoufiaften fiir die Tonkunft
jene Nachricht fiir gewifs annehmen, beweift
riichts dafiir. • ■
§. 6. Nach Mofes Nachricht von Jubal wird
der ganzen Tonkunft nicht eber wiedcr gedacht,
als fechs hundert Jahre nach der grofsen Ueber-
fcbwemmung ; bei Gelegenheit der Flucht Ja-
cobs von Laban. Es kommen dabei fchon
Pauken und Harfen vor.
§. 7. Im Hiob kommen fogar fchon alle
mogliche drei Gattungen mufikalifcher Inltru-
mente , Blafe - Saiten - und Schlaginftrumente
vor. Luther nennt Pauken, Harfen xmd Pfei-
fen. Auch des Mifsbrauchs der Muiik wird
dort fchon gedacht. Davon aber mit anderen
nuf Vollkoiiunenheit der damaligen Mufik zu
i'chliefsen ill thoricht,
(J. 8. Auch unter Mofes konnte fie nicht
viel bedeuten, was er von der Mufik wufsie,
hatte er von den Egyptern gelernt; imd weder
die langwierige Sclaverei, noch die Lebensart
der Hebra'er war den Mufen giinftig.
$. 9. Mofes Triumphlied nach dem Durch-
gauge duichs rotbe Meer. Miriam, die Pro-
jiheiin, fang tanzend es vor, eine Pauke in
der Hand.
§. 10. Vermuthung, dafs bei den Ifracli-
ten die Mufik nur von Weibern ausgeiibt wor-
den fey. Von Ephraims Jtmgfrauen Choren.
Die Begleitung von Inftrumenten und Tanz
zum Gelange brachte Miriam eine entlluhene
Egyptierin auch wohl aus Egypten mit. Diele
Art Gefang und Tanz zu vereinigen, foil un-
ter den GiioLhen zu den Dithyramben Anlafs
gegeben haben. Sehr richtig bemerkt H. F.,
data die Bewegung des Tanzes dem eigentli-
chen Singen unmoglich gunftig feyn konnte;
dicfej war wohl nur ein wildes Gefchrei.
(). u. In der Zeitperiode nach der dritie-
halbhundertjahrigen tfefangeiifdiaft, in welcher
die Ifraeliten em anfanaen ein wirkliches Volk
zu wenlen, konnte diefes zu keiner eigeutli-
chen Kuuft gelangen.
0. 12. Die Xrompete war bei den Ifraeli-
ten das Hauptinftrument. Vom Trompeten-
feft. Von den Widdei burn ern ein militarifche*
Inftrument, das aber auch bei andern Gelegcu-
heiten gebraucht wurdo.
§. iq. Von dem Triumphliede der Prophe-
tin nnd Sangerinn Debora und Baracks. Merk-
wurdige Verfetzungen nnd Wiederholungen in
diefem Gefange. Herders Meinung von die-
I'em Gefange.
$. 14. Von Jephtas Geliibde und feiner gott-
geweihten Tochter.
5. i5. Von Sdmucl und feinen Prophelen-
fchulen , worinnen auch vorziiglich Mufik ge-
ubt wuide.
§. 16 - Co. Von den Prophcten als wei-
fe Rathgeber des Volks, die .Voefie und Muiik
oft anwendeten, um defto ficherer auf das
Volk zu wirken.
$. 21 - Q.5. Von Saul. Von der Wirkung
der Mufik auf feine Weilfagnngsgabe und auf
feine Melancholic H. F. fiihrt eine fehr fcho-
ne Stelle aus Herders Geift der hebraifchen
Poefie an, die nicht genug beherzigt werden
kann, und alfo auch hier ftehen mag. Hier
ift fie. „Wenn iiberhaupt Tonkiinftler die L'u-b-
lingstone und Giinge einzelner Menfchen ftu-
dirien, und nachher zur hfich/tcn AV'irkung auf
diefelben anwendeien; welrhe Wuuder konu-
ten lie auf diefe einzelne Menfchen whkenl — ■
Bei einfachen Nationcn liud diefe Tone durch
Nationalgefangc gugc-ben, die mil gewiffen Liob-
lingsgegcjiliiinden Uea Stolzcs und Vaterruluns
ficli von Kindheit an de> Herzens und Gehirns
jedes Individuums bemachtigen, und wenn fio
nachher unter folchen und andern feyerlichen
Anliifsen wiederkommen, jeden gleichfam ver-
jiingen und die angenehnieu Krampfe des frii-
heften Enthuliasmus bei ihm erneuern. Jeder-
mann weifs, was die Zufammenkunft, noch
mehr die Zufammcnftimmung einer grofsen
Verfanunlung fiir lnagifthe Kraft hat. Nicht etwa
nur, dafs die confon vereinten Luftwellen auch
die Empfindung verliarkt angreifen, und die
Seele, diq fich nur als Tropfe"in diefem Strom
i3*
fiililr, in denfelben fortreifsen; der allgemeine
Enthufiasmus verwandter Ideen ergreift fie, und'
fo werden die frifsen Rafereyen daraus, iiber
die der Weltihann fpottet, und die fich der
kalte Philoloph fo wcnig erkliirt." Hr. F. er-*
vriihnt nun noch der Erzahhtngen im Journal
ency clop edi que von wunderbaren Wirkungen
der Mufik. Auch find ihm felbft Gemiithskran-
ke bekannt gewefen , fur welehe Mufik fehr
heilfam war, und bei denen fie fichtbar zu ih*
rer Genefung bcitrug. Auch erzahlt Hr. F. Her-
dern eine intereffante Erzahlung nach von ei-
n er jungen Perfon, der vom hitzigen Fieber
Verirrungen nachgeblieben waren, die durch
das Anhoren folther Lieder, die fie in ihrer
Kindheit am meiften geliebt hatte, aufmerkfam
und geruhrt wurde, endlich in Thriinen aus-
brach und fragte : wo fie fo lange gewefen ?
Schlufslich fuhrt H. F. noch eiuige zwanzig
Sthriftfieller an, die iiber die wunderbarc und
heilfaine Wirkimg der Mufik gefchrieben ha-
ben. Es ware fehr zu wiinfclun, dafs ein ver-
ftandiger und dcnkender Kiinftler von gutem
Urtheil mid Gefdimack aus alien den Schrif-
ten das wichtigfte und bewahrtefte benutzte
und deullick abhandelte, mit Hinweglaffung
alles fabelhai'ten und metaphori r chen. Es ift
vielleicht. kcine einzige darunter, die nicht et-
vvtis Walires enthalt, aber auch wohl nicht
eine, die fich nicht durch Uebertreibung fcha-
det. Selbft RouiTeau, der hier nicht genannt
ift in feinem Dictionaire de Mujique , liat
die iiliefien Fabeln mit neuen Thatfachen ver-
mengt.
§. 24 -29. Von David. Von der grofse-
ren Aufnahme der Mufik unter leiuer Regic-
rung. Von feiner Einrichtung der gottesdienft-
lichen Mufik. Die Zahl aller Sanger und Spie-
ler belief iich auf l\.ooo. Unter ihnen waren
s88 Meifter, die in vier und zwanzig Ordnun-
gen unter vier und zwanzig Unterkapellmei-
ftem ftanden f die fammtlich Sohne der drei
Obcrkapellnieifter waren. (Wie Hr. F. fie mit
Hrn. illarpurg nennt.) Von einer Aehnlicb-
keit in den Einrichtungen des judifchen Got-
teidienftes mit denen der Chifener nach Amiot.
Von dein Aniheil, den Weiber und Knaben an
der gottesdienftlichen Mufik der Hebraer nah-
men. Von den Inftrumenten , die beiin Got-
tesdienft gebraucht wurden, nach BefchafFen-
heit der Fefte. Ueber alle andre, die Mufik
nicht betrefFende Umftande verweifet Hr. F.
den Lefer fehr weislich auf Tils Dicht- St'/tg-
u/ui SpUlhinJi der alten Hebraer.
$. So -34-. Von Salomo, Von dem Tem-
pelbau; von der grofsen Vermehrung der San-
ger und Spieler die Jofephus!! auf 480000 an-
giebt. Von der Salonionifcben Hof kapelle, die
wahrfcheinlich die erfte des Alterthums , fo wie
die des Longobardifchen Konigs Liiitprandus die
erfte in der neuern Zeit gewefen feyn foil.
Vom hohen Liede Salomonis. Alle Ausleger
deffelben haben es einftimniig fur ein drama-
tifches Stuck gehalten, und Hr. F. mag fich bei
dem fo bekannten Liede nicht aufhalten. Stha-
de, dafs Hr. F. nicht Herders Ueberfetzung und
Comentar gekannt, vor zehn bis zwolf Jahren
unter dem Titel Lieder der JLiebe gedruckt.
Herder halt fie gewifs mit mehrerem Recht
fi'xr einzelne zartliche Lieder, die der jnnge
feurige Salomo in feiner Jugend gedichter, und
die hernach von Sammlern zulammengereiht
worden find. Audi enthlilt der Comentar man-
che vortrefiiche Bemerkungen, die Hr. F. hatte
benutzen konnen.
§. S4 - S7. Von Rchabeam bis znr Zer-
ftreuung der Ifraeliten in alle Welt. Dem bal-
digen Verfall und ganzlichen Verluft ihrer Na-
tionalmufik.
$. 08-42. Der vornehmfle Gebrauch, den
die Hebraer von ihrer Mufik machten , war
gottesdienftlich. Doch ward fie audi wohl bei
andern VeranlalTungen angewandt. Bei Gaft-
mahlen, Leichenbegangniffen , (den fchonen
cinfachen Trauergefang eines alten Rabiner,
den Hr. F. hier auch anfiihrt, hat Hr. Ca-
pellmeifter Reichardt in dem einfachften alten
Kirchenftyl in Mufik gefetzt, er fteht im er-
ften Stuck der Caecilia) bei der Erndtefeyer;
das Trompetenfeft ift wohl eigentlich das Ernd«
tefeft gewefen. —
Man mufs den grofsen Fleifs fall bedauern,
mit welchem Hr. F. die hochftunfruchtbare Ge-
fchichte der Hebraer, die fich auf fo fchwache
und nnfichre Gewahrsmanner ftiitzt, hier ab-
liandelt. Um fo mehr, da fur die nahere Kennt-
nifs der damaligen Mufik, fo fall gar nichts
daraus erwachfi. Um unfre Lefer nicht zu er-
miiden, laifen wir die Folge diefes dritten Ca-
pittels, die von den mufikalifchen Inftrumen-
ten der Hebraer , von den Ueberfchnften der
Pfalmen , von der innem Befchaffenheib , und
von der Litteratrir der heir, Mufik handelt
fiir ein kunftiges Stuck
102
Grift dcs viufikulifchen Kimftmagaz'uny.von
J. Fr. Reichardt. Ilerausgegeben \vou J.
A. Berlin , 1791- n c * er "eueu Berliui-
fclien JVlulikhandl. koilet auf Sdiweizer-
papier i5 Gr. und .auf Druckpanier 12 Gr.)
• Die Abficht, wekhe der Herausgeber cl.i-
bei gehabt hat, ill, nach der Voirede: nicht
aliein (wo fern das noch iitithig ift) auf das
grofse Werk, das infonderheit der fdiiMiun Denk-
male aus dev Vorzeit fo viel enthult, aufmerk-
famer zu machen ; fondern audi diejenigen Auf-
fa'tze und Urtheile, in welchen der eigene Geift
des Verf. lebt, der feine Kunft fo gem wieder
zu ihrer cheinaligen Hohe erlioben fehen mog-
te, zweckmafsig zufammen zu ftellen,
Diere Abficht ift hierdurch nllerdings er-
reicht, und fchon die blofse Anzeichnung dcs
Inhalts diefer zudem audi elegant gedruckten
Sdrrift wird hinliinglich feyn, uni unfer nm-
fikalifdies Publikuin, das leider gegen wahre
Kunil und das, was fur und fiber diefelbe ge-
fagt und getlian wird, fo fehr kaltlierzig zu
feyn fcheint, auf die Niiizlichkeit diefes Aus-
zuges aufnierkfani zu madien.
1) An junge Ki'" l f^ er i vou riditiger Be-
merkungen, obwohl der Ton darin etwas zu
enthnfiasmirt ift, welches freilich einer glii-
henden feuri&en Seele, zumal in ihrein jiin-
gern Leben, fehr nali'irlich zu feyn pflegt. Wie
wahr ill der Satz; Halbes SLiulium der Kiuift
ift nicht niiher, als gauzes. „Nur gauzes S/:t-
dium bring!; crft wieder der JSatur nalt." Nicht
fo ganz Widerfpruchsfrei ift der Satz: Alles,
audi das dentlich Erkannte, mufs dem Gefiihl
des a'chten Ki'mftlers unterworfen bleiben. —
Was deutlich erkannt oder nut dem Verftande
liditis begriffen wird, ift freilich an fidi uji-
wirklam und als folchcs deni Ki'mftler in i\en
Momenten der Biiduug feines Werkes zun.'ithll
nicht brauchbar; es mufs ihin aber als lcii.cn-
de Regel vorfchweben und fich mit feinem Ge-
fiihl innig verfchmelzeri. Damit wird die F.r-
kenntnifs aber noch nicht dem Gefiihl utiu-r-
worfen, welches nie aliein vollfla'ndiges Crite-
rium und Princip, felbft nicht in Sachen der
Kunft, feyn kann. Der iichte Ki'inftler, deifen
Gefulil fchon lange berichtigt ift, kann fich
clerfelben iminer iiberlallen, und es wird Hil-
das vvahre Scbone entfeheiden; aber Itu Grun-
de ill das <loch nur pfydiologifdie Taufchung,
tind die gebildete Vernuuft leiht nur glcidi-
lam dem empfmdenden Theile iler Seele ein
gewiffes Kraft^efiihl , eine Aliniuig der Selbft-
ftandiglteit,, . welches diefe aber fo wenig file
fich hat, als die geliebte Gattin, die mir am
Ende durcli gefallige Befignition i\e$ Gatlcn zu
einer Art von Bewufatfeyn des Befirzes nj.'inn-
licher Kraft unci mannlichen Vorrechts gelangt.
— Indefs, l\ec. will nicht den voUieJiidien
Verf. diikanieren, und den nur nicht bc/limmt
genug ausgedriickten Satz nicht weiler rugen.
Aliein, giade dafs jeJer Sdiwachling in der
Kunft fich gewohnlich um nidits weiter, als
mn eine Art von Kuuftgcfiihl' bemuht, wah-
jrend er das Studium clerfelben hihtenan fetzt,
grade darum fehen wir loviel Subjectivitat lies
Modegefchniacks und der Slinnpeiey. Gewiife
Behauptungen aus dein Munrle eines in feiner
Art grolsen Mamies, wenn fie nirht ganz rein
.abgewogen find, bringen inehr Scliaden her-
vor, als man gewohnlich glaubt , unJ es giebt
audi in der Kunft, wie in der Mural, (Jnbi-
ncLsregelii, die fich durchaus nicht auf ^en Dii-
cherii predigen lalTen.
2. Ucbcr folkslicdcr. Ein guler Auffatz.
Nur ein paar Stellen daraus:
„Sdii")iie Zeiten, <\:\ der gliiddiche Unbe-
fangene fich nicht hinliullte, zu fehen oder zu
horen, wo her und wohin? fondern es fuhlte,
und fich feines frohen Gefiihls erfreute. Nun
fteir iich «iner hin und wart 1 aufs Gefiihl, das
ihm durch die meiflen unferer Alltagsgefange
werden foil!" — Ferner: der hochlte Gipfel
des jetzlgen fogenannten Kiinftlers ift: (dies/o-
genaniUe mufs man aber ja nichl uberfehen.Bec.)
die grots te Sumine der 1'horhei ten feines Bezah-
lers mit einmal zu befjiedigen. — Wahr m id
ein Wort zu feiner Zeit ift folgende Stelle, <lie
fowohl auf dieGenies, als auf die traurigenSchul-
jneifter fehr anwendbar ift, welch e in ihrer
Klaufe ein paar gerechle Sl.ibe zuiedit fdu.i-
tzeln kiinnen, und. jiiui gleidi glauben , fie
kiinnten felbft ein-ach.'iifches SchilF aufdasliohe
Meer fclmken. » Der eine 'J'lieil verfteht Har-
nioiiie, nichtx iicitrr oh Ilnrmoiiie. , und halt;
dicfc fur idles. Der andere verfteht nidits von
derfeiben und will uberalt febeinen, als verfland'
er fie xukI miifst' er lie iiberall anwenden.'*
„Dafs mm jene, die oft achtungswiirdige
Kenntniife, zuweilen audi wohl Kunfttalent be-
fitzen, einzelnes StiidiumderHarmonie fur gan-
zes Studium der Kunft halten, und dafs cliefe
oi't bei vielem Genie nidits von der Harmonie
verllehen, liegt zum Tlieil beides in der V'er-
worrenheit junfers Syftems, und in der noch
verworrenem, gewoluilidien Lehrart deffelben.
(Zuver»
*35
(Zuverlafsig!) Der junge feurige Kunftmann
tchauert zuriitk beim Anblick des chaotifchen
Gewebes einzelner Regeln: der iich glvicklich.
hindurch arbeitet, mifst den Grad feiner Ein-
ficht nach den nuihvollen Jahren, die fie ihm
gekoftet, und hat hernach nicht wahre Kunft-
liebe genug, vieles Erlernte fiir das zn hal-
ten, was es ift: nicttis (oder vielmehr fiir et-
was, das nicht halt- und anwendbar ift und
oft nur auf eigenfinniger Meinuiig der i'chul-
gerechten Theoiiften bernht. Ilea) halt viel-
mehr, gelit er in die iibrigen Theile der Kunft
ein, alles, was diefem oder jenem erlernten
zu wider limit, fiir Ketzerey; da es ihn doch.
billig auf fein erlerntes Syliem aufinerkfam
inachen follte. Diefes Uebei mufs defto allge-
meiner feyn, je weniger feines rithtiges Ge-
fuhl, grafter Blick firs Gauze allgemein ift,
und je weniger die iibrigen Theile der Kunft,
gleich der Harmonic, in Regeln fefigehalten,
feftgefetzt werden konnen. " •• Gut; aber war-
mn nicht konnen, was eigentlich feyn mufs?
Soil unfre mufikal. Gcfchmackslehre wahr unci
fiir alle Zeiten unabanderlidi feyn, die z/t/dl-
lige Form der Subjectiviiat des Ki'inftlers und
des Zeitalters abgerechnet, w el die iich in der
jedesmaligen Voritellungs - und Empfindungs-
art griindet, fo mufs es endlidi dahin kom-
inen , dafs alle Theile, felbft der ausiibenden
Kunft, auf Principien zuriukgcfiihrt werden,
die ans der Natur der Scele, aus den Gefetzen
der Natur und aus den allesgcbietenclen Vor-
fihriften der Vernunft abgczogen find. Allein
dazu mufs einmnl fiir die Mufik ein Proteus,
ein Kant aufftehen, der uns etwas gebe, was
wir nodi nicht haben : eine Kritik des reinen
Gefchnucks und des wahrcn Wefens der Kunft,
o. Ueher die nmjikatifche Idylle ; ein fei-
nev und griindlicher Auffatz. Nur ift I\ec.
nicht mit der Behuuprung einverftanden, dafs
zum Taftorale nur allein blafende Inftruinente
•/.ur Begleitung gebnuicht werden follen, well
fie zu fehr criiiiidcn und wir es damit niclir.
auf die Dauer aushalten, wie dies auf die be-
fcheidenllicbe Auflorderung des Rec. (im nten
Wochenblatf) die achtungswurdigen philofophi-
fcben Aefthctiker, IIj-. Prof. Rberhard und Hr.
Hofr. Efchcnburg bereits zur Geniige darge-
tlian haben.
4. Ucbcr das Rondeau. §. Infriirncnlal-
mufik; fehr lehrreich. Eine Stelle mag hier
nur ausgehoheu i'lehen: Der Geift des i\lcn-
fchen, dem es nur 11111 wirken und treiben zu
thun iit, ift ehen fo wenig auf jedem Abwego
aufzuhalten , als der bios Anordnende fyftema-
tifche vurwurts zu bringen ift. .
6. Ueber die mufikal. Aiisfuhrwig t wobei
audi unter andern auf Baitkunft tmd den Bau
der Inftruinente Riickficht genommen wird.
Wie richtig und bewahrt ift folgendes P.afon-
nement in Abficht cler Ausfiilirung: Die Kom-
poniften, die nicht fo gli'icklich find, ein Or-
chefter zur Hand zu haben, anf welches fie
perfimlich mit ihrem ganzen Geifte wirken
konnen, follten nichts Angclegentlicheres ha-
ben, als auf die Mittel zu beiferer Ausfiihrung
ihrer Werke zu finnen.
Es ift diefes freilich nicht fo leicht ausge-
fiihrt, als gefagt. „Der ausuben.le Tunkiuift-
ler, der ein edles Werk ganz im Geifte des
Komponiften ausiiben foil, mufs, die Erfindung
ausgenommen, faft alle Fahigkeiten und Kennt-
nille des Komponiften befiizen; derm cr mufs
das Stuck '-verfteheji ; fein en Zweck einfehen
und fvihlen, die Mittel kennen, wodurch der
Vortrag wieder verftandlich und der Zweck er-
reicht wild; hierbei mufs er nun noch fiir
fir.h die Fertigkeit haben, alle jene Mittel mit
Leicluigkeit und Sicherheit anzuwenden und
auszuiiben. " — Dies alles erwogen, werfe man
nun einen Blick auf manche Orchefter in Con-
certlalen, in Theatern und in Kitchen, und
f i'thl e dann, woher die fo oftmalige Verhun-
zung und Verftiimmelung fo manches herrli-
dien Kunftwerkes kommt; von nichts anderm,
als von der ignoranlin recti und der Abwefen-
heit (U?s f/jiritus familiar is.
7. Ueber das dcu'/c/ic Singe fc/iauf/jiel, fehr
lehrreich , infonderhek fiir -Schaufpieldichter,
und iiberhaupt die Frucht des Nachdenkens unit
der eigenen Erfahrung von einem geiibten Ar-
tiften; fo wie audi der Ote Auffatz: iibcr das
mufikalifcjie Gauze , wo von fo mancher gar
kcine ileutliche Idee hat, und ohne welches
doch alles hochftens nur 1'ihapfodie ift.
•
Es liefse fich dariiber fehr vieles bei die-
fer Gelegenheit fagen; aber Rec. mufs zum
Schiufse eilen. Der i)te Auffatz: iibcr die JO>-
c/icurm/Jik, iler freilich einer viel grofsern Aus-
fiihrlichkeit liediirfte, eiithalt fehr gute hiehin
gehiuige Winke, fovvohl was den Character
der gciftlichcn Mufik, als audi die geiftlirh'i
Poefie betrift. Bee, der bereits manilies d;ir-
liber entworfen hat, denkt cinftens nocii fein
Schcrflein zu diefer wichtigen Matesie beizu-
uagcii. Es ift nacli vrcit bin, bis man e.i al-
T
i34-
len unfcrn Kirchengefiingen wird anhoVen kun-
nen , was Herder mit einem fchonen Bilde da-
Tan andeutet, wenn er fagt: zu ijfFentlicher
Verfammlung follten Gefange unci die Tone,
die fie begleiten, wie auffchwingender Aether,
wie erquickende Hinunelsluft feyn, inn die
Seelen der Verfammleten zu vereinigen und
zu erheben ; und man mogte wohl ofters den
Kirchenkomponiften mit Lavuter zurufeu ;
Tandelt ihr ewig (auch hier?) mit den Men-
fchen, ihr fchonen Kiinftler?
10. Ueber die Singecliore ; ein wahres Wort
zu feiner Zeit.
11. Uebcr StimmpJiyfwgnomik ,' gute und
lesbare Gedanken, die indeifen meift aus dem
eigenen, leifen Gefuhle des Hrn. C. M. Rei-
chardt abgezogen find, und die, fo viel Tref-
fendes auch darin ift, dennoch, fo wenig wie
die Gefichtskunde, Allgemeinheit und Allge-
meingi'iltigkeit erhalten di'irftcn. Denn Stina-
ine und Seele, im ftrengften Shine gefragr,
was haben diefe mit einander zu fchaiTei'., und
wie viel Lug und Trng nut fa dabei ftatt fin-
den? obwohl auch die .Stimine in fehr viclen,
infonderheit leidenfchaftlicheu Fallen, ein ziem-
lich ficheres Organ der Gemiithszuftande ift,
dem, welcher darauf zu merken verfteht. Die
Rithter in Gerichtshofen infonderheit miifsten
manche Erfcheinung diefer Art fehr gut zu
ihren Zwecken benutzen konnen, To wie denn
auch der gefeilfchafiliche Umgang, falls keine
Horchcrci cms Syjlcm dabei vorginge, unge-
mein viel dadurch gevvinncn miiiste.
Zuletzt kommen noch Fingerzeigc fur den
denkenden und forfchenden Deutfchen (war-um
nur Deutfchen? ) Taiikihifiler , die meift aus
Stellen aus Kajits Kritik der Urtheilskraft be-
ftchen und die allerdings auf Nachl'orfchung
lei ten. Wie wahr und herausgefchieden ift,
was Kant fagt: das Genie kann nur reichen
Scoff" zu Produkten der fchonen Kunft herge-
ben, die ^erarbeitung deilelben und die Form
erfordert ein durch die Schule gebildetes Ta-
lent, um einen Gebratich davon zu machen,
der vor der Urtheilskraft fchoner Gegcnfta'nde
beftehen kann, zu welcher, als folcher, Ge-
fchmack erfordert wird, welchen Kant nachher
die Disciplin oder Zucht des Genie's nennt,
wie es denn miter andern der heut zu Tage
leider zu fehr bei Seite gelegte Burke (vom
Erhabenen und Schonen) auch fchon fo ge-
nannt hat. „Was wir vorzugsweife Gefchmack
nennen, fagt er, ill im Gnm.de mehr eine
feine ausgebildete Urtheilskraft, " — • Unci ob er
gleich, foviel Rec. fich erinnert, an einem
andern Orte einmal , da er davon fpricht, ob
man nicht durch Gefchmack und Cultur am
Genulle fchoner Werke verliere, hinzufctzt:
da fa die Urtheilskraft faft immer damit um-
gehe, die Einbildungskraft in ihrem Laufe
aufzuhalten , die Scenen der Bezauberung zu
vertreiben und uns an das befchwerliche Jocli
der Vfrnunft zu binden ; dnfs ferner das ein-
zige Vergniigen, welches ein richtig urthei-
lender Menfch mehr als nndere geniefse, faft
in nichts anderm beftehe, als in einer Art von
Stolz und dein Bewufstfeyn der Erhabenheiri
welche er iiber die iibrigen hat, in fo fern er
richtiger urtheilt, als fie: fo ill ea doch immer
der Mi'ihe werth, fich um einen folchen wah-
ren Gefchmack in jeder Kunft zu beiniihen,
und diefe edle Art von Stolz, von welcher
viele, viele virtuofe Menfchen nichts wiffen,
fich durch fleifsiges Anfchauen und Studiren
achter Werke der fchonen Kunft fich zu eigen
zu machen. So gebe denn Apoll, dafs wir
liimftig recht viel von diefem Stolze bei uns
i'elbft vermerken, und ihn an alien Kim/Hern
und Kunllfrounden je lunger jc mehr wahr-
nelmien mogen!
a s.
Scchzig Handftucke fur angchende Klavierm
fpieler , von JD. G. Turk , Mufikdircctor
in Halle. JLrfter Theil. Leipzig und Halle,
bei Sch wicker t und Heuuuerde.
Es ift ein fehr gliicklicher Gedanke, eine
folche Folge von UebungsIH'icken in der Ord-
nung und von der ganz allmalig anwachfen-
den Schwieiigkeit, wie do der gute Clavier-
lelirer bedarf, diefem in die Hande zu liefern.
Die Ausfiihrung zeigt von eben fo viel Witz
als Einficht. II. T. hat ilie Sammlung in vier
Abtheilungcn eingetlieilt, und in jeder nach
Verhaltnifs von den dinrakteriltifchen Formen
Gebratich gemacht. In der erften Abtheilung,
die aus kurzen fehr leichten bios zweiltimmi-
gen Handftucken beileht, konunen Wiegen-
liedermelodieen und eine Kinderromanze vor,
und mehrere Ueberfchriften find fo gut ge-
wahlt, dafs fie bei der Jugend Luft und Ver-
langen zu den Stuck en felbft erzeigen miiiren.
Die zweite Abtheilung, die aus etwas lange-
ren und fchwererern auch nur zweiftimmigen
Handftucken befteht, bat auch ein Ballet und
eine Meloclie im Volkstone und ein Rondo
i3c
im Kleinen, ein Waldhorncrfii'ick mit dem
Echo, unci manehe reclit wilzige Ueberfchrift.
Die dritte Abtheilung cnthalt unter andern
einen Schiitzenmarfch, ein Spinnerlied, einen
Minuelt, eine Mufelte, einen militarifchen
Parademarfch , eine Choralmelodie, eine Po-
lonoifo unci manches enillhafte Charakterftiick.
In tier vierten S'anunlurig endlich findet man
fehr vcrmifchte Stiicke frohlichen und ernft-
haften Cluuakters, die die meiften zur iichten
Uebung tier Hand gehiirigen Figuren in fich
enthalten. Dem Lehrer und Sdi filer ift gewifs
noch nie ein willkonmineres Work in die Ha'n-
de gekommen, und bcide werdeu gewifs die
baldige Forti'etzung davon mit uns hcrzlich
wiinfchen. Hr. T. hat auch die Sorgfa.lt ge-
liabt, iiberall, wo es nur einigenuafsen nuthig
Avar, die Finger hinzuzufetzen, und fehr weis-
lich zeigt er bei jeder Yeranlalfung auf feine
von uns bereits ange/.eigte Clavierfchule, zu
nahcrem L'nterrichte hiij.
Wir theilen unfern Lefern mit Vergniigen
eines der leichteften und tines der fchwere-
ften Stiicke aus diefer Ichatzbaren Sanunlung
heute mit.
Sorg lilufik vhl Ifi'pji Sal/g Hans KonpL
May l. Komi tig GnJ'taJ, III. Bifdttning
i riddarhohns kyman den i5. April 1792
J-orJattud aj Ko/ts;/. Capclh/iaftaroi Jo-
Jcph Kraitr. Slokhol/n och Kongl. I'ri-
vilcgierada Not Tryckcriet. (Koftet in der
neuen Bod. Mufikhaiull. 8 Gr,}
Intermedcs pour Amphitryon ; compofcs par
Mr. JCraus, arranges pour h Forte piano
par d/r. Aid fl rum. Stockholm dc Tin/pre-
merie dc witpquc, privilt-gic'e du /lot'.
(Koftet in der neuen Mufikhaiull. 2 IUhlr.
b Gr.)
Der Ilerr C .11. Krcnr zeigt Jficli in die-
fen bciden Werken von fehr verlchiedenem
Charakter, als ein denkemior Ki'inftier, der fei-
ne Kun/t griindiiih ltudirt und fleifsig geiibt
hat. UcIkm ill leuihler der fclbftbeobachtende
Ki'mftler hervor, der ticfl'emle ElFekten und un-
terhaltende Mnnnigfaltigkcit unzulegen und aus-
zufuhren veritcht.
j. r.
Gvfungc am Chtvicre t von Friedrich J.rtd.
'ivig Scidil, Org/mijh an der Mavicnkir.
c7ic. Berlin, in der Frankenfchcn Buch~
■//audi. 1793. (Koftet in der neuen liml.
Mulikhandlung 1 Bthl. 4 Gr.)
H. S. kiindigt diefes fein erfles Werk in
der Vorrede mit fo vieler Befcheidenheit an,
dafs die Critik fi'ir ihn nicht anders als nach-
fichtig unci aufmunternd feyn kbnnte, wenn
die Arbeit felbft auch weruger Fleifs und Sorg-
falt verriethe, als Bee. wirklich darinnen fin-
det. Uni fo lieber empfehlen wir diefe Sayun-
lung den Freunden deutfehen Gefanges, und
uin fo williger machen wir den Coinponiften
auf einige uns aufgeftofsue Nachliifsigkeiten
aufmerklain. Diefe betreffen mehr die Be-
handlung der Poefie als die Mufik an und fur
fich. Auf die Beinigkeit der Harmonie fcheint
H; S. die ui elite Sorgfalt gewendet zu haben,
und das ill in unfern Tagen doppelt n'ihinlich.
Dafs H. S. nun aber auch dabei alle Steil'heit
und Trockenheit follte vermieden lubeu, kann
man von ilim nicht erw.uten, da diefes erft
die Frucht der langern Uebung und haufigeu
Erfahrung feyn kann. Eher konnte man ver-
langen, dafs einige todte Stellen in der Melo-
die, die wie Mittelftiunnen klingen, nicht fte-
hen geblieben waren: als S. 2 die Melodie zur
vorletzlen Zeile. S. 5o, die erlt en vier Takte,
und der neunte und zelmte Takt u. e. a. Feb-
ler gegen die Profodie find befonders S. 19. V.
G, a unci 4. S. 42, T. /f-6. S. 5i , T. 1-4..
S. oV, T. o. Nachliifsigkeiten in der Hanno-
nie, S. G, T. 9. S. 18, T. 5. S. 48, T. 5. Auch
habeu fich mehrere Dinckfehler eingefchlichen,
als S. 10 im let/.ten T, fehlt das b vor dem a.
S. i.'f , T. 3 mufs nolhwendig ein Druckfehler
iai cler Mittelftimnie feyn. S. 4G, T. 5 mufs
im Difk. b Itatt c fiehen: das c wi'irde einen
harmonifchen Queerltand machen, den Hr. S.
gewifs nitht gefetzt hat. Die oben angezeig-
ten Fehler gereichen Urn. S. gevviUermafsen
zur Eine ; fie find ein Bevveifs, dafs er die Lie-
der feincm Lehrer, wie er Hrn. C. M. Hci-
chardt in der Zueignung nennt, nicht vor dem
Drucke zur genauen Durch/icht iibergeben hat.
Gewifs wiircle diefer fie nicht haben fiehen laf-
fen. Gefallen haben dem Bee. in diefer Samin-
lung yorzi'iglich die Stiicke, S. 5, 8. 9, 10, 16,
s.c, 55, 44, 46, 02, 56 unci 58.
/. F.
Drci. Sonatcn far da.t Klavier , von C F.
G. Schiicnkc. ILtllc, ai/f Koficn des /Vv-
fti[Jvr\y 1-89. (Koltcn in der neuen Bed.
'M'niikh.uull. 1 l\ihl.)
•V 2
»3Q
Trois Senates pour le Clavecin on Fortcpia-
no avee l" Accomp, d'un Pi ohm. Cotup. par
C. K G. Scnimuke. Otrnvr. 5. (Koften in
der neuen Berl. INlufikhandl. 1 Rthl. co Gr.')
Per talentvolle VerfalTer diefer Sonaten,
der an Ph. E. Bach bekanntlich einen grofsen
Mann zmn Vorganger in feineni mufiUalifchen
Pollen gehubt hat, liefert in jenen voranftc-
henden die Erftlinge fciner, wie fich infon-
derhcit aus der dritten Sonate ergiebt, damals
freilich noch ziemlich jugendlichen JMufe. Die
Erfullung feiner Bitte, welche er in der An-
kimdigung fchon an die Recenfenten ergehen
liefs, und die er in der befchciden gefchriebe-
nen Vorrcde wiederholt , ihn nainlich in Be-
trefF diefer Sonaten Jlreiige zu bcurtheilen,
kann man jctzt ficher dem Hrn. Verf. anheiiu
ftellen und es ihni felbft uberlallen, an dem
damaligen Verfuche das Gute und Schone, das
.fich darin findet, von dem Minderguten; das
Dahcrfti'imiende nnd Verworrene der jugend-
lichen Phantafie, die, unbeki'umnert mn ftren-
ge Finheit, Gcdankcn wohl oder ubel aus-
iirGmt, wie lie fich darbioten, nunmehr felbft
herans zu fcheiden: {internal ein dreijalniges
Studium einen Mann von Talent viel uber die
Zeit hinaus heben kann. Als ein folcher ver-
jnag Hr. S. gewifs am beften zu fiihlen, wie
es ehemals nm ihn ftand und was an leinen
fri'ihem Arbeiten noch bieiben kann, oder da-
von abgefchnitten werclen niufs. Gewifs alio
wird ihm yjtzt an diefen erfitn Sonaten, die
iibrigens gar nicht zu den fchlechten gehoren,
die eriiiiUlcjidc Lange und Weitfcliweifigkeit,
der huuiige Modefang, der viele Harfenbafs,
(Son. Q.) das umftandliche Wiederholen man-
cher Figur mid manches eben niclit vorzi'ig-
lithen Gcdankcns, befonders bei den SchliuTcn,
nicht gefallen (wie /. B. in Son. 5, Tlieil i,
wo die ietzten fethszelm T;ikte recbt gut weg-
bleibcn kunnten) und er wird ibnen inehr
Oekonomie der Periodcn amvi'tnfchen, (als
Son. i beim crefcendo ; Son. 5, wo der 71c
nnd Ote Takt viillig iibeifliifsig find, fo wie
auch in demfelbexi Falle im zweiten Theil
derfelben etc.)
Obfchon fich nun auch bei den Icrztem
Sonaten manches erinnern lafst, fo i'lbertref-
fen diefe doch an Reife und gediegenem Ge-
halt das erfte Werk des Verf. bei wei-
tem. Vorziiglich aber zeichnet full die
driite Sonate in C dur aus. Das erfte Alle-
gro hat einen fehr licblichen Gefang zu An-
fange, und fliefst fehr iiati'ulich fort bis zu
Ende des erften Theils, wo der Komponifi
etlicbe unbedeutende Figuren wiederum zu
oft wiederholt, und dariiber am Ende ganz
matt wird. Der zweite Theil deirelben ift da-
fur brav gearbeitet, mir werclen darin wieder
ganz uberrliifsige Takte wiederholt (z. B. z(i
und £7; vielleicht auch, mut. mut. , 58 unci
40.) ~- Das Adagio cantahile ift unftreiiig viel
zu lang, und uberdem einc treue Nachahnnuig
der Mozardfchen Adagio's, die nieiften theils
diefen Fehler haben. IndolEon ift an verfchie-
denen Stellen der Gefang neu und fliefsend,
und die Ausweichungen , welche befonders zu
Anfange des zweiten Theils in fehr entfernte
Tone (Tonarten", wie man fonft unrichtig fagt)
fi'ihren, ungezwungen. — Das letzte prejlo
fchcrzando macht dem Verf. viel Ehre, und
zeugt von wahrem Talent. Die beiden Wen-
dungen, wo der Verf. im erften Theile un-
vermerkt inH moll, im zweiten an der nelmi-
lichen Stelle ins C moll iibergeht, find recht
ichon; nur Schade, dafs die gleich darauf fol-
gemlen Takte, wo die linke Hand fiber die
rechte hinauf gehet, einem Kozeluchifchen
Gekliniper ahnlidi find, wclchem nachzuahmen
Hr. S. eben nicht nothig hat. Das ganze Pre-
jlo ift fonft vom Anfange bis zu Ende in ei-
nem gleichen Style abgefafst, und macht mit
der begleitenden Violine einen fchonen EfFekt.
Weniger erheblich fcheinen Rec. die bei-
den erften Sonaten zu feyn. Das erfte Allegro
der erften Son. in A dur bleibt fich in rein em
gefalligen nnd leichten Anfange gar nicht gleich.
Rec. will fo viel fagen , dafs die zweite Hiilfte
des erften Theils mit der erften gar nicht recht
in Verbindung fteht. Auch ill die Harmo-
nieenfolge Takt a/\. und 20, des erften Th. un-
richtig. Das E im c.\. T. ift cine kleine 7
von Fi.s, welche fich im 25. T. aulliifen follte,
wo aber E im Grurule init ciner f erfcheint,
wovon fich weder die 7 noch die 9 anfloft.
So etvvas kann die Theorie des Satzes keines-
weges billigen. — Der Uebergang im zweiten
Theile, wo das Thema in D dur anfangt,
fcheint Rec auch zu gezwungen.
Das Andante cantahile hat einen fchonen,
fortftromenden Gefang. — Im dritten Stiick
diefer Sonate, Tempo di mf/iuetto, ift gleich
im erften Takte das dritte Viertel A im Bafe
felirplatt; fo wie aufserft hart das B im achten
Takte. Auch macht die Violine in der Mitte,
wo lie der Verf. fehr tief fetzte, gar keinen Ef-
fekt. Gegen das Ende aber legt der Verf. das
Thema in den Bafs, nnd arbeitet es gut durch.
■>"
Die zweite Sonate hebt mit einem Adagio
an. Das gleich darauf folgende Pre/to ift, be-
fonders fur das fo fchnellc Zeitmafs, zu ki'inft-
lidl oder vielmehr zu gekunjlelt. Yx.ec, ver~
kennt nicht die Arbeit mid den Fleifs, wel-
cher darauf verwandt worden ift, viel weni-
ger die contrapunktifche Kemitnifs, die dcr
Verf. befonders im Anfange des zweiten Tbeils
in vollem Lidite fehen lafst. Allein er wircl
ihm erlauben, dafs er das Ganze demungeach-
tet fur ileif mid gezwungen erkliirt. Wenige
Stellen thun -mit der Vinline Effekt, mul wie
gefagt, das Ganze ift zu ranh , zu voll ge-
pfropft, hat zu weiiig edlen Gefang, unil ift
mit Harmonieen, ocler wie man es oi't lieber
nennen mogre, mit Disharmonieen zu iiber-
laden. Man fehe mir miter andern die aufserfr.
disparaten Fortfchrcitungen, pag. i3 , unten, fo
-wie p. i5 oben, wo hier wenigftens durth Um-
kehrung des Ba files die ganz uncrtraglichc Ha'ite
etwas hatte gemihlert werden kciniien. Schade
fiir folche Bi/.arrerien !
Das darauf folgende Moderato ift nati'ir-
licher. Der zweite Takt des zweiten Theils
der erften Variation almit febr fchon den er-
ften Theil nach; nur wiinfcht Rec, den unhar-
moniichen Qneerfiand bei Takt 6 urid fort,
wo sis im Bafs auf g in der rechten Hand fa' lit;
eben f*> Takt 5 , wo d nnd f in der rediten
zu cis im Ball'e angefchlngen werden. Die
•zweite Variation in D dur zeiclmet fidi befon-
dcrs dmch den fliefsenden fthonen Gefang der
Violine aus, die, ohne fich an die neue, mi-
gezwungene kontrapunktif( be Klavierbegleirunsj
zu binclen, wie ein murmelnder Bach limit
dabin fdileicht. — Die driUe Variat. ift zu viel
von der erften kopirt.
Rec. bat aus Aditung fiir den Urn. Verf.
lich diesmal fo genau auf Einzelnheilen einge-
liuVun, nnd wvnifcbt fowohl, dafs derfelbe als
ein talcntvoller anftrebender Kiinftler fiber den
Tadel bin mid wicder weder bofe werden,
nodi uns Sachen von fehier Arbeit, fie feyen
nun Sonatcn oder etwas anders," lange vorent-
halten moge.
C. &
Ei:ic macJits rr/'c die andr/f, oder, die Sc7iu-
le. dcr IJcbimb-. ■ , Over in ziuei
gr;iy -vcni Kajjellinrijler Mozart.
Aufz
ZU'
107
Nach der Hochzeit de9 Figaro, welche, der
Meinung des Bee. gemafs, nnter alien tbea-
tralifchen Werken Mozarts den Vorrang be-
bau])tet, ift diefe Oper unftieitig die vorzug-
licbftc. Selbft diejenigen klcitwi Flecken, wei-
rbe eine , idi mocbte fagen, mikroskopifche
Kritik an den beiden ATeifterwerken , Bclmon-
te nnd Conjianze unci JDom Juan zu linden
wufste: die zuweilen zu concertartigen Arien
in der erftern , mid die hie nnd da etwas ge-
fucbten Harmonieen in der letztern Oper, bat
der Verewigte bier auf eine febr gliickliche Art
zu vermeiden gewufst. Befonders find die viel-
ftimmigen Sachen von einem Ausdruck und
einer Schiinheit, die Jich eber fuhlen als be-
febreiben lalfen. Gleidi eins der erften Qnin-
tetten, in welchem die Liebbaber Ablchied
von ibren Geliebtcn nehmen, mid ibv Freund
fie ironilch triiftet, ift ein Meifterftuck der
Bearbeitung. Wie tie/Tend z. B. der Aus-
druck, bei den Worten : „Rubig, Freunde!
hat nicbts zu fagen!" Das Finale des erften
Acts ift durch mid durcb vortrefflich. Im
bocliften Grade ausdrucksvoll nnd paftend find
die cbromatifeben G;'inge bei der Stelle, wo
die Liebbaber vergiftet zu feyn vorgeben.
Nicbr. minder vortreflicb ift die komifdie Stel-
le des als niagrietilireivden Arztes verkleide-
ten Kamnicnnndcbcns, und dcr erfebiitternde
Sdilufs dieles Final?. UnverbelTerlicb febon,
mid eines belfern SlufFs wiirdig, ift die Arie
der er/len Simgerin: „W'ie die Felfen etc."
Welch cine Grol'se in .lem Thenia, mid welch
cine Win ile in der Au>fulining! Das Duett des
zweiten Acts: „Ja rerl.leidet" ift originell mid
zui'leich roll der fiil'seften, hinreifsendften
St<.llen. Die Arie: „Miidchen, liftig feid ihr
alle etc. " kann als IVInfter einer komifchen
Arie angefehen werden. — Hier, bei der Re-
cenfion eines Mozartfcben Werks , fiihlt man
es, wie aufserft niangelbaft nnfere jnufikali-
feben Bccenfioncn i'ibeibanpt find; weil man,
ohne nicht ganze Bogen anzufiillen, nicht im
Stande ift, audi lmr die nllernotbigften Bei-
1'piele anzufiihren. Wie felir ware es doch zu
wi'infchen, da!s man ki'mftig c' ; e in der Mufik
zu unterrii btenden Kinder zugleicb mit der
neuerfundenen Schnlrjfcitcn Taljlatur bekannt
macbte; um wenigfteiis khnftigen Generatio-
nen ein Mitt el an die Hand zu geben, fidi im
mtifikalifd;en Fadi, fo wie im'litterarifchcn,
durch Beifpiele verftiindlich machen zu konnen.
T 3
i38
8. Forlfclzung der freimutlilgen Gedaiiken fiber das erfte Heft des
muOkalifclien Wochenblalis.
"■>
) r~
Und nun zur Sache!
S. 5. Sollte der Zufatz zu di'in '
fchen Lexicon der Tonki'mftler: Aca'aft i
fckricben wohl zweckmaTsig feyn, una .ollte
man von Hm, G, wirklich verlangen diirfen,
dafs er folche Manner, die Xich als Dilettanten
wn das Opemtheater iiberhaupt, oder gar nur,
wie diefer, urn die Mafchinerie verdient ge-
macht haben, unter die merkwi'irdigen Ton-
ki'mftler aufnahme? Wo wiirde das hinfiihren?
Mich di'mkt, Hr. G. hat nur fchon viel zu viel
Artikel der Art in feinem Lexicon aufgenom-
inen ; ich jnnche diefe Aimierkung ungern,
denn der Artikel an fich hat niir viel Vergni'i-
gen gemacht, aber darmu fcheint fie niir doch
gerecht und wichtig. *)
S. 5. In den beiden zufammcngefchobe-
nen Nachrichten von der Oper Axur befmdet
fich ein unangenehnier Widerlpruch , das Ver-
dienft der Sanger betreffend. Der Auffatz er-
halt cladurch etwas fchiefes.
Die erften Stucke en thai ten zu viel yon
Berlin , und der interefl'ante Inhalt der Beur-
theilungen und Nachricliten haben den Lefer
kaum vor der gewiihnlichen Wirkung folcher
Einfonuigkeit iichem konnen. **)
S. g. Die Oper Olhnpiaue ift: hier fo
beurtheilt, als konnte der Lefer die Parti tur
davon vor Augen haben. Doch ift fie noch
nkht OfFcntllch erfchienen. Diefes hat fi'ir den
Lefer den Nachtheil, dafs ilim vicles unver-
liandlich bieibt, und oft das Verlangen nach
eincm Stucke, das er doch nichl befitzen kann,
I'elir iebhaft wird. ***) Ich bin wahrlirh nicht
geneigt, an der Yoi'treflithkeit der Conipofi-
tion diefer Oper zu zweifeln, oder den aner-
kannten Verdienften des Hrn. C. M. Reichardt
zu nahe zu treten, aber doch hat es niich be-
fremdet, dafs diefe grofse ausfuhrliche Beur-
thcilung an jeneni VVerke nichts zu tadeln
fand. Mich diinkt, ein folches Lob niiUle ej-
nem Manne, wie Hr. 1\. felbft weniger ge-
f all en, als gegrundeter Tadel neben vvohbuo-
tivirtem Lobe.
S. i2. In der Beurtheilung einer coini-
fchen Oper fcheint niir die Anfuhrung zweier
ernlHiaften, die Kirchenmufik betrefi'enden
Schriften unfchicklich.
S. i5. Die Operette , / Zingari von Pai-
fiello , mufs fehr fchlecht in Berlin aufgefuhrt
word en feyn, dafs der Beurtheiler fo kalt fur
die allerliebfte reichhaltige Mu/ik hat bleiben
konnen. Sie fcheint mir cine der unterhal-
tendilen Compofitionen der Art zu feyn.
S. 20. Wenn die Oper Dario von Alef-
fandri nicht ganz und gar fchlecht ift, fo hiitte
doch, di'mkt mich, ein anderer Ton bei Beur-
iheilung derfelben getroffen werden miuTen.
Die augenfcheinliche Schonung, die hier und
da die Ha'rte des Urtheils mildern foil, machc
es nur mn fo beleidigender. Hr. Alcffandri
liat zwar nirgend mit feinen Arbeiten grofsen
Beifall gefunden, und es befremdete die gauze
nmnkaliiche Welt, ilm in Berlin zur Zeit der
neuen brillanten Epoche neben Rcuhardh und
Kaumami auftieten und gar neben deiu Evllen
feftun Fufs fallen zu felm: doch kann man es
fich kaum vorfielleu, dafs Hofcabale bei cincm
kunfiliebenden Hole die dreimalige Wieder-
holung einer ganz fchlechten Oper folltc bc-
wirken kiiunen.
*} Voltaire fagt*. >>das crfle Bediirfnifs eines Bnchs
id, dafs es geh'IV-n werde, und das notliweiidig-
ftc VenUeiilt de* ScnriftfteHcrs, dafs cr fein Bach
au^euehni and ii-sbar rnaclu'." Es wiirdi* zu
weit iulireu, wenn wir dicfon Gedankun in Bc-
zicluing auf obi^eii Artikel liicr ausfrilu'ua woll«
ten, lJcr liningc BricfTrlircibcr wild nns fcluui
■vi'r'itehen. Ueb"ii^':ns giebt dur Ariikcl Ace. auch
vim dem danialigcn /^.uftandu ilm' Opci' iu lt*-
licti eiiU'ii anfclididichen Bi-grilT.
A. J. II.
**) Der Vorbericlit befagt, dafs man wegen der
damaligctt brillamtn an mii/icalifclicji S.Jiaufn'u'-
Jru fo rcichen Zcit in Berlin das Wo.;h<.iibJait
cben daniah angefau^mi liabr. Die Forifciznng
ift um fo rcichhaltij'rr ccworden,
A. d. II.
«*M Das Woclienblati: hat j.r fiftercr ang«kftndigf #
<bfs die eiiizelnen Singe/lilcke , und Balletic aits
dor Oper Olinipiado abfcFiiiftlich in der rtcucn
Ui-rlinifchca Mulikli.widhmg z\x haben find.
A. </. Jl.
»3 9
S. £7. Das Lob, das h«er den belden Sin-
geftucken : Orpheus und die Grazien von Frie*
cirich Bcnda beige] eg t wild, fcheint mir par-
theiifch, wenigftens gcgen andre flrenge abge-
fertigte Werke, zu fchonend.
Um niclit zu fehr ins elnzelne zu gehn,
fei es mir erlaubt, iiber die Hrn. C. S. und W. ,
die ich beide niclit unter diefen Zeichen er-
kemae, ein Wort iiberlmnpt zu fagen. Hr. C.
S. fchreibt niit grofser Ldjhaftigkeit, und in-
tereiTirt faft innner, auch find feine Auffatze
voll feiner gegriindeter Critik, wiewohl man
auch wieder hier und da crkennet, dafs er
felbft kem erfahrner Kiuiftler feyn mag. Sein
Ton fchadet ihm aber fehr. Er nimmt die
Backen zu voll und fpricht zu fcharf ab.
Beim Schonen ill er faft in niter zu hoch aus,
behn MittehnaTsigen zu wegwerfcnd. Diefe
Bemerkung entftand vorziiglich bei der iibri-
gens fehr reichhaltigen und interelfanten Beur-
theilung des Oratoriums, Hlob von Dittersdorf,
S. 41 und 4.9. *)
Hr. W. macht in feinen Nacluichten vom
Berlinifchen Nationaltheater manche richtige
und feine Bemerkung, auch find mehrere Ur-
theilej von Aen Convpofitionen der Operetten
gegri'indet. Doch verfallt er oft in den fata-,
len Panegiriftenton. Sein Urtheil iiber Mo*
zards Doti Juan, ift hflchft vibertrieben und
einfeitig. Nieniantl wird Mozard, den Mann
von grofsen Talenten und den erfahrnen, reich-
haltigen und angenehuicn Coniponiften ver-
kennen. Noch bab' ich ihn. aber von keinero
griindlichen Kenner der Kunft fur einen cor*
rekten viel weniger vollendeten Kiuiftler hal-
ten fehn, noch : weniger wirtl ilin der ge-
fclunack voile Kritiker fur einen in Beziehung
auf Poefie richtigen und feinen Coonponiften
halten.
*) Da der Hr. Verf. obiter Noten inm Texte <les
Wochenblatts midi in Pcifun, als Mitarbeittv
C. S. critifirt, fo mufs ich ja wohl auch als ful-
dier niich dariiber crkluicu; und dai time ich
denn, wie folgct.
Es kann jedem wold licb feyn, r.n verneh-
men, was fein Gcfchrtibe fiir cinen EiTekt anf
einen gefcheiitcu und, wie cs Jiier wenig/teiis
fcheint, der Sadie ktindigcn Mann niacin, IiufiT-
1'en, wie will dock ein dritter, der offers we«
der mit dom Locale, noch, wie er I'd b ft fae;t,
niit den recenfiricn Werken bikannt ill, die tJY-
theilc andercr Lcute darubcr wieder am vor fdn
einzelnes Forum zidiui , und dariiber bdiinmi-
ten Ausfprucb thun? J/1 das niclit gerade d.is,
■was er an mir laddn will, Jfarte und Abfptc-
clien? Es matr innner f( \ 11 , dafs niciu Tadd zu-
weilen ctwas'"milder hade ausgedriickt fey 11 k<"m-
nen, und dafs das nalie und fdiaife Einwiiken
dev Gegeii/lande, die fogleicli der Beuiuieilting
vnrlagen und von -welclien zuweilen fciuu-lle
Rccheiifchal't cegeben worden rnufste, einii;en
Theil daran geliabt luben konne. Allein, i/f in
RccenJionen mir Urbanitat, und ich iioffe, nicht
da wider vcrflofsen zu haben — fo l'afst flcli iiber
den Ton chridben billigei"vveifc welter nichts
votfehrciben. Jeder, fagt Lulling, rede wie ihin
der Schnabel gewadifeii i/t.
So wie es nun aber McnfcJien giebf, -welclie
in ihrsm vrrltdivten Simit , der oft fflv Kunfi-
rifliterfinn geltcn fol', fich aegen das ubcrwalti-
frnde GefiiJil de5 Sdi6non geratJezu ftiauben> ficJi
es Eindrucks dc/Itlben fcLain^n » und mit jvdem
h?rzlidicn Anshnck drrEmpfniduiig vornelnn an
f»ch htiitcn, w.iliixnd ,-,.i,(l>rii dirlichm Lenten
vor Kithriing tuid IVii r^eftiiil Thranen in dtn Au*
gen zittern? eben fo gitbt es wiedr-rain ander«>,
welclie in Sdiriften und im Unie,ane;e iiberall,
audi wenn von Wabrlieit die Kcile Hi, itratz-
fi'sfsdey treiben, aus Mcufdienfiirclu otler ver-
mdnttr {icf.illigcr Lebemart Allts, audi das mat-
te mid kraftlofe i\liudjn.ifsi»u, gar Jiuirlidi und
faubt-riidi finden, ficli nie tin be/iiunutes und
drtiftt-s Urtheil eilauben, alle iluu Gcclanken in
kleine Ktipfermunzen anspragen und fo zuzaJiltn,
und den Mann, wie die Sadie lauerfam muli.ngft-
lich umgehen. ~— Meine Leute find iie nidir, diefe
Herrcu, die nidit kalf nodi warm feyn konnen ;
imd weder der Umgang, nodi die Sdirifi/Ldlerei
und nanientlidi die Katik, habea nocli jue durcU
£u gewonnen.
Wenn nun alfo jemand fich irgendwo derEin-
vrirkung dt-s Schonen von ganzem Herzeu iiber-
lafst und audi feine Lefer gcrn von deiidben Em-
pfiudung erwarmt fdien mogte, dann i/t er zu
hoch aus? Dann iiimnit er ( follte dicle Pbrafe
wohl den Grazien gefallenV) die Backet zu roll?
— Wo es in einem an Raum fo eingcfchr.inkten
Ulatte mir iminer anging, Achcn die Griindc mei-
iier Urtheil e allemal da, wie dem Hrn. Einfen-
der der Verfolg diefer Schrift fattfam mufs be-
wiefen haben ; und i/t dem irgendwo fo niclit, fo
wird das bei diefer Zeitfdirifi wohl nicht mdir
anf lich haben, ds es bei alien gelehrten Zeitnn-
gen anf /ich hat. Notenbeifpiele — fo dienlich fie
an /Ich w.iren — haben doch ihr Unbeqnemcs in
Sdmitcn diefer Art; ubrigens aber miifste man
doch auch, folk 1 ich nieinen , einem Reccufen.
ten, der /ich fon/i diufes Namens «icht mi.
\VLiih macht, ciniges zuweilen anf fein chrli-
ches A'V ort glauben koiiuea. Sat Jatis i
- S. 34- Die Biiofe au3 Rom warden fehr
gewormen haben, wenn man erft mit clem
Sten Briei'c! angei'angen ha'tte. Die erften bei-
den waren zu unbedeutend unci liel'sen die
Wicluigkeit der folgenden auf keine Weife
vermnthen. *)
S. 4-3. Die Recenfion fiber Schulzens Ali-
ne erinnere icli mich fchon mit der Unter-
zeichnung von J. F. R. in irgend einem 6f-
i'entlichen Blatte gelcfen za haben. **) Sie ill
vermutlilich (lurch ein Verfehen ins Wochen-
blatt gekommen ***), da die Herren Herausge-
ber fich diefer Oeconomie, wodurch das Cra-
merfche Magazin banquerout machte, ferner
nicht fchuldig gemacht haben.
Die Recenfion fiber Clementis Sonaten
fetzt den Lefer in eine unangenehme Verle-
genheit. Sie macht begierig nach dem Werke,
unci liifst nicht erfahren , ob es geftochen oder
gedruckt zu haben ift. ****)
S. 45. Bei der launigen Rede des invali-
den Trommelfchlagers Hans Fritz mufs der
Verfaifer einen befondern Zweck gehabt haben.
Sonft ha'tte der Lefer fie wohl mit der darin
erwa'hnten Anweifung zum Trommelfchlagen
zu lefen bekommen. *****)
S. 5i. Den Schlnfs der ausfiihrlichen Re-
cenfion iiber Dittersdorfs Hiob ha'tte ich lieber
als cine befondere Abhandlung ausgefi'ihrt ge-
i'ehn.
S. 57. Bei den Beitriigen zu Gerbers Le-
xicon entftand der Wunfch bei mir, da fa Hr.
Capellmeifter Reichardt doch audi die in der
ausfiihrlichen Recenfion in dor allgemeinen
Llfferaturztitung bios angeclenteten fehlenden
Artikel weiter ausfhhreii miige. Sie fuui
ganz verfdiieden von den feinigen, mil ver~
r.tthen in Vergleich mit diefen von giois-
teniheils praktilchen Kimftlern, den Anthuia-
rius in der Kunfr. f)
S. CO. Bei dem fehr interefxanten Briefs
aus Paris rhut es clem Lefer oft herzlich wehe,
dais alles fo kurz abgefertigt ift. Mochte der
aufmerkfame reriia"n(li2,e Brieffchreiber nn$
doch umftandlichere 3\aclirieht von den huchft-
intereilanten Dingen geben, die er hier nur
eben beri'ilnt. ff) Ilr. Forkel findet an ihm
einen neuen ftarken Gegner in i einem Eifer
gegen Gluck unci die fiaiizbfifdie Oper iiber-
liau.pt.
S. 73. Barneys ziemlich einfeitige Ab-
handhmg iiber die mufikalifche Kritik wild
der vortrefliche Ueberfetzer ftt) oc ' er ( ^ e r * er ~
ren Herausgeber hoiFentiich niclit ohne Bench-
tigung lailen.
5. 9D. Das Abbrechen interc/Tanter Auf-
fiit/c unci RereiiuoiU'ii worden die Merren Her-
ausgeber doch wohl kimL'ug iimner mt-hr zu
vermeiden fnchen. Warum follte nicht oft
ein gsnzes Blatt mit Einem intereiTantcn Auf-
fatze gefiillt werden? Ueberhanpt wi'mfchte ich
dem Wochenblatte eine etwas beftimmtere
Form. Es fchwankt wohl noch zu fehr zwi-
l'chen Zeilung mid eigentlichem Wochen-
blatte. fttt)
Bei den jedem Blatte beigefi'igten , den
Lefern fehr willkommenen MufikftUcken will
icli nur amnerken : da Is Aline von Sc/atlz wohl
fchon in zu vielen Handen ill, als dafs man
nicht
") Umgekchrt war' os dock wohl nicht bcfler gc-
wel'en. Und daun cidn es Lefer, dcncii tlas ge-
iiauc Verzeidinifs der Fefilidikciien in den er-
ften Biicf'eii nielli' ill, als alius folgciule llaifou-
Jicnient.
A. a. II.
*■*) Gaiu recht! ***) und abermals lxclul
'* '•*) Tii London bei der im Artikel Clementi mit.
gethciJteii Adie/fe find aJle Arbeiten diefes Moi-
ilvrs zu lubcu. lut audi die neudleii in der
r.ctien Deri. MtifikJiandlung.
**♦**) F.s ill nifhrevon Lefern fu gegan^cn , d.tf.. do.
die Aitgcu im Erultc ;iuf jciie Aiivveii'iin^ gdid'u c
haben. So was h.ingi nun einmal von deu Au-
^eit del Lefer ab.
f) Der Wink foil benutzt wciden.
|j) Diefer bravo deutfdie Kiiu/ller, der nodi in
l'aris h-bt, hat dem Wudicubl.uie nnififtndJirheie
Jsaclni Jitcu l;lu»rt /nirrf.ijj,t : wir IiofTen, dafc er
dii .fft Zulag;e audi b.'.ld cri'iilleu wird, und for-
dci'ii ihn hicrdurcii von nciicm da?.u auf.
Hi) Wir wftnfdu-n fdir, dafs Hr. Pr.Efdienburg
diife Aii/Torderung .inneinnen niogol die Kunft
wiirde gowifs dabei CfV.uir.on.
if ft) Durdi die vi iMiiiiuiic I'.irm de.5 Bl.uts ift die-
Iciu rcdlyii l/vbel abixhulkM V.'uidei!.
*4*
■rueht lieber ein' ancleres fchones Stuck dafi'ir nen Saroyarden von Daillarae find eben
gewiinlcht hatie. *) Und die Rmnanzen aus nicht gel'chitkt, beiui Clavier Vergnugen zu
Axur von Salleriy und aus den beiden klei- geben. ")
g. Theateniacliricliteii aus Paris.
Man giebt feit einiger Zeit im Tfie'atre
de Mile. Manleitfier den /Hix de Beaucaire,
Operette in drei Acten, -vsm Herrn Boulhil-
lier , in Mufik gefetzt voai Herrn Highc-l. Der
lnhall des Stiicks ift aus dem IJ'Ju;jfanaiis de
Vhomme J'eiifible , des Herrn Arnaud gezogen.
Die beiden erften Acte liaben einige Lon-
gueurs, die lcichr. zu heben waren. lxu Gan-
zen hat dies Stuck den Beifall verdient, den
es erhalten hat. Dafs die Mufik vom Hrn. Iii-g-
heliR, fcheint Fiir die Giile derfelben fchon ge-
«ug gefagt. *")
lm TJicaLrc de la rue de Louvois ftndetZe-
lia, eine Operette in drei Acten, von dem Hrn.
JDubuiffon, in Mufik gefetzt vom linu JDes-
fiayes, immer grolsen Beifall.
Es ill fehr angenehm, wenn man denl
Publ. von einem guten und wohlverdienten
Erfolg eines Stiicks Nadiricht geben kann.
Derjenige, den Zc! : a erhalten hat, lafst nichts
zu wimfchcn iibrig. Die Anlage, das grol'se
Intereire des Gedichts, die Schonheit, oder
viclmehr der Heidillium von grofsen Wirkun-
gen, womit i'lberall die Mufik brillirt, alles
hat da/u beigeiragen, den Entbufiasnius des
Publikuius hervorzubringen, der machte, dais
es am Ende die Autoren und alle Acteurs her-
ausrief.
Wir find abermals den allezeit to erfin-
dungsreirhen Djutfchen , die unfer Theater fo
bereichert haben, diefes Snjet 1'chuldig. Ze-
lia ift nichts anders als Skellu von Guthe.
Die Mufik kann als ein Meifterftiick in ih-
rer Art betracluet werden. Das Finale des
zweiten Acts ift befonders ein Stuck, das den
beften deutfchen und ilal. Compofitionen an
dif Seite gefetzt werden kann. Sie ift indef-
fen von eineju Franzofen , der fich aus Be
fcheideuheit nicht dazu bekennen wollte, und
dem fie die grofste Elare macht: es ift Herr
JDcshayes, der Componift des faux ferments
und anderer Werke, die ebenfalls nicht fchlecht
find, indeflen doch diefer Conipofition nicht
gleich konimen. Das Gcdicht kann niclit bef-
ler angelest werden, als es wirklich ift. Wenn
die Entwickelung nicht ganz genugt, fo mufs
man bedenken, dafs es wohl die fchwcrfte Auf-
gabe war, die ein Verfafl'er fich auflegen konn-
te. Der zvveite Act aber ri'ihrt bis zu Thra-
nen , und erregt beim Zufchauer eine lebhafte
Theilnahme, ohne ihn in Schrecken und Ab-
fchcu zu veifetzcn.
*) Der Ilerausgcbev und die Cnninuffionare wif-
fon am bcflcn , ob jencs fdn'ini: Work mifers
Schulz fcluiii fo aU^cnibiu vcrbveitet ift, als us
iu fey ii vci'dicnt.
**) Das liogt im VYcfen ucr nenodifdien Sc7irift.cn,
dafs niclit alios alien go-fallen kann und darf.
Der all". Liu. Zoihui" gefideii alle Stiicke bis
auf zwei gaiiE vtifdiictuiiu s>.n orn/ihafte, die die-
fora Kritikor wittier -•- fallen ljabc.11.
Ob wir die cinsrclaufnen Bcmcrknngen un-
'"P\
fun tinoji-iinniitrn Kiuikers Tiber d.is zweitc Ilufl
des VVu. iienbl.iiis ebon fo bei'eilwillig inirtlici-
loii fullo.'i, wild vcni dem Urilicilt! unficr JLrfer
abliano,!!. Diefer mid jnier giebt fich vicllcidit
dicAItdic, nns luoriibei leinc^Meinung zu fagen.
J. d. H.
") In Dciufdiland wolil eben niclu.
J. J. H.
it*
Aus der Operette: die Cantons Revifion, von W. F. Halter.
o«
Poco Andante.
r\
— -r%-
- A 1
/^>
ll§i=:^5fEtE?^-r:^iE
»
r^
n\
i i i
■9-m-m-
sp:czz:^*lz*~t$Zjz
*^=t==zt==^
qcji^iili:
-_ i — ) — i — -
I pn — j^--
t:#:^:::rfc
b>
B*£
:fc
BE
2f:
s=p:
A-f
l£
'Vf-
--+ t
■N
°
? ?
«. * pt-i-j- j j. h j * v ft i ^ . ■ i M
_||™__i_ -S«^yi — i — _ X-t_«__ 4 -■■ ;— — ,j 1 __J|A_3 g, ,. ■ — 9,
"Was fcuf - zenl was LI a - gen! Die Gla - lev ge-
SIEO
to
f-
£
3E
1 --S:
:&5*
=S:
: fcsz=3E:=: izzzfbptsd
. =?I-N-i •-Ji— i — M
\ 4~f— 2 >^£s 1
—r \^^ ^^t
ft
3B
-A 1 -r
*
-•*-
^z=li=rtjzzirM=trM=g4E P-P - gr --j
£ — ^_f _, p—-£p h _^_4~5 — k— B— *
fitllt? Schon oft Iiat die Sor - gen dei - Be - Jicr ge - ftillf. Y'.r - £tf - Jet die
|3t|E?==
;Z±*:==:=Rd
«-
"-V-E
*=S- _
t^"
fe^W=2^S!
ft
1— .— i !g¥ ^
-7 — i- —
»f--V
Zu - kunft, rriv ]c - btn nocli lieut, ge - fulh ill dtr lie - cher, da3 Eji » do nodi
=£=*
— N*— E
— ® r— i —^~l
N A~v.v
•"Zip
*r
I -/^v
4-1 *
-«-
=S : -(©-
_.-
j4-j
Coro. P?vace.
eft
ft
Hf=5**
-*~
^-
fc>
weit. Lafst; Seufzen und Kla-gen, wir wollen nicJit za - gen! ver-gef-fet die Zukuufr,'wii'
t
™— i — pz.
-*—?—£
*~
•I —
^
ifzfctizib
le - ben noth hcut ! Cc - fi'ilh ift der Burlier, dns
-.•■»• .i^zz # i_
.»~P=f4 : ±zzi^:4:zr— fc
/— +
for.
En -de iiocli weit.
-P— *-
-^ — j p_
+ — i-
t_ gizfiz— 3
i ' r
£&
Wa*
:p=£
if
Was fenfzen , ivas klagen ! den Becher gcfullt J
Oft hat er die Snrgru der Liebe gefiilJr.
Was Tcliadet die Narbe und vrcniger S.ddf
Es find ja Jem JCriegcr die Madchcn fo hold.
Chor. Lafst SutiLaii und Klaacn!
Wir -wollen nicht zngen!
Cejaucnzet iJir Binder, den Ucchcr geffilltF
Scliou oft Jiat die Eoigt.ii der JJeclicr gcftillt!
Lafst Seufzen nnd St&hnenf tins Iohiiet das Glttek,
Wir kchrcn einft fuller als Sieger zurflck I
Dcnkt Vaier und Mutter die jnhf-lu fo lant!
Und dnnn wird din SiliOnfle dts Tapfur/ten JBraiit,
Chor. Lafst Seufzen und Stohntn I
Es lcben die SchOnen,
Uns lolmc die Liebe, tins luhnc d.iS Gli'ick!
"W'ir kchren einit flcJitr als Sieger zurtick.
v. Pazha.
1-I-+
Kleine Handftucfce, von D. G. Turk.
No. 4. Allegro modorato.
a 3
— — ;«~pr ■ — m
Han ns ohno Sorgen.
. ps (-i-i-t,^— l-p-j- J' . r-^-j-{-[ — cq ^ ^-4=?h — f—A
g||g
I
:ea:
zzzss:
£££$=;
res:
Oft
-< H
-©»-
^pL
+Hv>
es§
to
— 1 — ■•
.^~
;=e
FP
:pr
H~4*-
#*>-
No. 5o. Aiulantino con tcncrezxa.
» h -~ = — ViJ^-*
Die zartlich Liebenden.
-^
-•!•'-{-•-
'•-£-
1
^
1 — :H-
3Qe
t-r
^^:
3*35
. »_T I 3
4. 3 5 3
2 11 a
-J !<=V
^fc^rfc*^
dolce
!■>-«
a' • -^ —
-f~+ — 2 —
it
1 r
tt:
^fcZZZZ^ZZ^ZZZZ
=£
:3d:
-H-
-®|.
4
r,
£K-+ — /=*
1
.£=J.
2
-^-P--
.fezzzJ?.hzL2zazz«zSz. izgzzzazzzi: jzzz
-»_#
c<
lazzzz^zszpjzzg:
pp.
9 O
S- ; — ~ fr — 'rzEzrJE: :z?~f!~5Z' ~7ri~»~5z ~
p2=:i: :}zzz)i-i-a7S_. ._*z:fezzZz: zji ::$-*:f z. .
I
:atfc=^5?;
at
J - A —sz+
j—
-(-— /-*
-zS-JzztH
1
Jl_.
-•—(8 — «--
- — r-*c=* A—
1 / -j
bo
t-rr
1 3
o
t 3 5 I 4-
£E*B^£
\J*
. _ „Lfe
— *-4-P 1 + ~A — *■++
-^
-O-
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
X. •
I**
S .4E C H ST E S
S^T U C K.
,
December
1792.
1
BERLIN,
in der neuen Berlinifthcn Mufikha ffdlung.
1
J
<
n
I n h a 1 t.
Seite
i. Fortfetzung der Gedanken fiber den Ur-
fprung und den Gebraueh des, Septime-
quart- feeundaccords. 14.5
S. Ueber Herrn Profeflbr RahbekS Danifche
Liedertexte, vom Herrn Kapellmeifter
Schulz. i5z
3. Ueber die Natur der Tone. Fortfetzung
des fan erften Stuck enthaltenen Auffatzes
vom Herrn Confiftorialrath Horftig in
Detmold. i53
4. Nachrichten aus Briefen. i5g
5. Recenfionen , iiber
a) Sammlung deutfcher Gedichte, in Mu-
fik gefetzt von G. C. Grosheim. 161
b) Trois Sonates pour le Clavecin on For-
te Piano compofces par A. E. Miiller, -
c) Zweiter inufikalifcherBIumenftraufs. 162
d) Seize Chorals , compofcs par Mrs. Rei-
chardt, Giinlich, Zelter, Kunzen etc. i63
Seitf
e) Conr. Gottl. Aritons Verfuch, dieMe-
lodie nnd Harmonic der alten hebrai-
fchen Gefange zu mtzifFern. »<H
6. Noch einige merkwiirdige Stellen von
und iiber D. M. Luther. 166
7. Magia harmonica. 167
8. Nachricht von achten alten italianifchen
"Inftrumenten. 168
g. Die Herausgeber an Hrn. B. v. W. 169
10. Ein Wort an Hrn. Schwenke in Ham-
burg. • —
-ji.. Nachricht. —
Mufikjli'tcke.
1. Elyfunn, von F. VV. Rufh 170
2. Verfetto. Aus denl LI. Pfalm, von Hrn.
Carl Fafch. J 172
Mufik zu Goethe's Werken,
von Johann Friedrich ReichareLt.
Die meiften Mufikfreunde, die fich fur die
Herausgabe diefes Werks interelfiren, wiinfchen,
dafs mit der fehr beliebten Compofition von
Erwin und Rlmire der Anfang gemacht werden
nidge. Wir niachen deshalb bekannt, dafs der
erfte Band diefe Operette im vollftandigen
Clavierauszuge, der auch die Recitative liefert,
enthalten und zu Oftern ohnfehlbar erfchei-
nen wird.
Da der Band dadurch aber wenigftens dop-
pelt fo ftark wird, fo betragt die Prannmera-
tion zvvei Thaler in Golde. Der Ladenpreis
wird nach Verhaltnifs der Bogenzahl merklich
erhohet werden. Anfser der unterzeichneten
Handlung nehmen die nieiften anfehnlichen
Kunft - und Buchhandlungen Pranumeration
an. Jeder Kunftfreund , der Luft hat, fich da-
fur zu bemuhen, erhalt das fechfte Exemplar
frei. Nur bitten wir uns fo baW als miig-
lich Nachricht dariiber aus, nm die Zahl dev
Abdri'icke darnach beftimmen zu konnen.
Berlin, den i5ten Dec. 1792.
Die neue BerliiUfche Mujikfiandlurig.
Aus einer vorrathigen Sammlung von
lelchten Cluvierliedern , die auf gute Verl'e ge-
fetzt find, will ich eine forgfaltige Auswahl
treffen, und die, welche nach des Hrn. Kapell-
meilier Reichardb Urtheil die beften darunter
find, in kurzem herausgeben. Einige davon
ftehen in den beiden mufikalijchen Blurnen-
Jlraiifsvn, und alien habe ich mehr Leichtig-
Jceit und Anmuth im Gefange und mehr Kor-
rektlieit in der Harmonie und Begleitung zu
geben mich bemiiht, als in meinen fri'iliem
Liedcrfammlungcn wohl anzutreifen feyn mag.
Der Pranumerationspreis ifl 16 Grofchenj
und da ich den Ueberfchufs fur eine gute, aber
arme und unverforgte Familie beftimme, fo
kann ich menfchenfreundlichen Collekteurs
wohl nicht gut eine Provifion fur ihre Benin*
hung anbieten,
Man .adreifirt fich dieferhalb in Halle an
Hrn; Mufikdir. 7}'trk, in Berlin an die neue
Berlinifche Mufiklmndlung , an die Akadem*
Kunfc - und Buchhaiidluug und an den
Hofrath C. Spazier,
MUSIKALISCHE MONATHSSCHRIFT.
SECHSTES STUCK.
December i 7 9 z.
I
1. Forlfetzung der Gedanlcen uber den Urfprung und den Gebrauch des
Septime- quart- fecundaccords.
An den YcifaJTer dcr kiitifchen Briefe an einen jiingcu Tonfctzcr.
eh inula bei Hirer Abluitung des Septhue-
qiutrt - fecundaccords anfaiigen, denn diefe ift:
mein Hauptgegner. Ich fetze Hire Worte, zu-
fammengezogen, aber den Sinn nicht verftiun-
melt, her.
„Der (Seite 11.) Septime - quint- quait-
„recundatxorc! ift die vierre Umwendung des
„ ui.it der Undecime verbundenen kleinen Sep-
„timenaccordes, worunter " (das Exempel ift
ziainlich in C) „G der Hauptklang, h die gro-
f ,fse Terz, d die reine Quinte, f die kleine
M oder Unterhalhings- Septime 1 und c die gro-
„fse Undecuuc m :
u c
I f
5 d
3 h
G G
„Hier find drei Confonanzen, G, h, d,
„mid zuei DilVuiiaiizon, die Septime f und
„und die Undecime c. In der vierten Um-
„weiichmg bekommt der Accord die Geftalt,
ft in welcher er bier zu beleuchten ift:
n
h
5
g
l\
t
1
d
c c
„Das h, welches in diefer Umwendung,
„dcs veranderten Verhaltnifles wegon, die gro-
use Septime als eine liier vermeintliche Dif-
„fnnnnz vorftellt, ift feinem Urfprung nacli
„eine Confonanz; folglich ift die gewohnliche
^Benennung der in die Octave /ich aufwarts
„auflofenden Septime fehr uneigentlich und
„falfch. Die Undecime c nuifs, weil die Dil-
„fonanzen nur unterwarts ihre Auniifung Ari-
sen, fich ab warts in h auflofen. JUit clem f
„als der Unterhaltungsfeptime hat es gleiche
„Be\vandnifs. Das f und das c diiloniren
„beide, aber letzteres weit ftarker und verlann
„durcliaus die Auflofung unterwarts in h. Ein
„Beifpicl von der richugen Vorbereitungs- und
„Aulluinngsart des Accordes ware deiunach
„t'olgende5 :
8
5
3
11
7
5
3
10
8
8
5
5
C G — G
„und in der vierten Umwendung:
n 4-
8768
5 5 5 5
C C H C
welches in Noten fo ausneht, das erUe:
X
j46
c — • h c
g f — e
e d — c
h - g
C G — ' C
„tmd die vierte Uinkehrung fo:
c h d c
e f — e
d
C C H C
„ Von diefem Septime- quart- fecundao
„cord ift eine gewifle fehr bekannte Verzoge-
„rung oder Zuriickhaltung des vorhergehenden
„ Accords bei einem Schlufsfall, w v obei die
„grofse Septime, verbunden mit derSecunde,
„Quarte und Quinte, gleichfam ein Vorhalt
„des folgenden Accords ift, wohl zu unter-
„fcheiden. In diefem Falle ift die Septime
„des 7, 5, 4, 2 - Accords von den Regeln der
„Vorbereitung und Aufldfung ausgenommen,
„weil ein Vorfchlag, desgleichen eine Verzo-
„gerung und Verriickung, ganz und gar nicht
„zur Harmonie gerechnet werden darf. Daher
„ift auch die Bezieferung
7
5
3
G
I
7
5
4
2
€
8
5
3
C
II
„in Riickficht delTen unrichtig, und follte ei-
„gentlich nur der Hauptaccord nut | oder mit
„3 allein angezeiget werden. "
So weit Ihre Aeufserung iiber den Ur-
fprung und die Behandlung unferes Accordes.
Nach demjenigen nun, was ich oben von fei-
nem Urfprung gefagt habe , kann ich in die-
fem Punct Ihrer Meinung nicbt wohl beitre-
ten; eininal weil ich nichts finde, das meiner
Entwickelungsart entgegenftiinde , und zwei-
tens, weil ich in der Ihrigen etwas irrefuhren-
des angetroffen zu haben glaube. Ich leite
meinen Septime - quart - fecundaccord ohne
Verdoppelung eines Tons (denn das g kann
ich gern herauswerfen) her; Sie brauchen aber
dazu eine Verdoppelung von der Art, dafs Sie
den Ton h einmal fogleich anfchlagen und
einmal von c vorhalten laflen. Verdoppelun-
gen enthalten Ueberflufs, Unwefentlichkeiteii ;
alfo mufs man fie nicht in Redlining bvin-
gen, wenn von UnteiTuchung . der wefentli-
chen Theile eines Duiges die Rede ift. Es ift
aber eine wahre Verdoppelung, dafs Sie, wenn
Sie vor h einen Vorhalt fetzen; dennoch in
einer andern Octave h anfchlagen, welches Ih-
ncn dazu bei dem»Ruckgang in C als verdop-
pelter Leitton noch fehr im Wege fteht und
eine Fortfchreitung in g machen mufs, die,
fo gebrauchlich und aus der Noth befreyend
Ae audi ift, doch nicht die dem h natiirliche
genannt werden mag. Nehmen Sie nun aber
das h weg, denn das mufs es, wenn c blei-
ben, und der ihm aufgefparte Platz nicht ei-
nem unberufenen Gaft zu Theil werden foil*
fo fiehts mit der Ableitung fo aus:
c
—
h
c
g
f
—
e
e
d
— -
c
C
G
__
C
8
7
—
8
5
5
_
5
3
4
3
3
und fo bekommen Sie, nehmen Sie ihn aticli
noch fo vollftimmig als iie wollen, alle der
Verdoppelung fahigen Tdne dazu, keinen Ac-
cord, in welchem der Septime- quart- fecund-
accord enthalten ware; denn Ihnen fehlt ein
Hauptton deffelben, die Septime. Beilaufig ge-
fagt, habe ich nichts dagegen zu erinnern, dafs
man, in Folge Ihres Exempels, fo geht, wie
das Tl^ema des vortreflichen fugirten Vorfpiels
im erften Bande der Anthologie St. 14 anfangt,
obfchon ich folche Gange der Uebervollftandig-
keit im Allgemeinen hart, oder kiihn finde,
je nachdem e$ zum Uebrigen pafst, und der
Conrponift im Ganzen 'entweder ein trockener
Kopf ift, oder Johann Sebaftian Bachs Fener
aus ihm ftromt.
Sie unterfcheiden im Septime- quart - fe-
cundaccord zwei Eigenfchaften, die der Ur-
fprunglichkeit, (S. 43) und die des Vorhaltens,
(S. 44.) Ich verftehe, was Sie damit andeufcen
wollen, aber ich wi'xrde fur das erftere einen
bezeichnendern Terminus gefucht haben. Denn
felbft nach lhrer Theorie ift Ihr urfpriinglicher
Septime - quart - fecundaccord kein urfpriing-
licher wie der Dreiklang mit und ohne Sep-
time, foridem ein abgeleiteter, da Sie feina
Exiftenz, wie Sie dem Dreiklange die Unde-
cime hinzufugten, in einer Zufanimenfetzung
gefunden haben. Aber nun den Namen feit-
warts gelaifen, fo ill Ihre Eintheilung zwaT
»4-7
tjchtig unci brauchbar, alleln ich fehe nicht,
warum es zvvei verfchiedene Accorde feyn fal-
len, da der eine unci der andere einerlci Ur-
Iprung haben. Wir betrachten die Accorde
bier blofs als Mittel, was kommts alfo darauf
an, wie viel Zwecke dadurch erreicht werden
konnen. Wie ich meine, diefer, oder wie Sie
glauben, beide Septime- quart- fecundaccorde,
kann oder konnen nicht ohne Vorbereitung
angefchlagen werden: einer mufs vorher lie-
gen, der Accord der Tonica oder der Domi-
nante, bevor der andere hineingreifen kann:
und das giebt einen iieuen, nnd nur Einen
Accoril. Dcfto befler, dafs er zwiefach zu brau-
chen ift, fein Grundton C als Vorhalt des G-
accords, und I'eine Obertone d, f, h als Vor-
halte des C- accords. Anders wird man ihn
audi nie finden , er inoge mitten iin Text ei-
nes Perioden vorkonunen, oder am Ende ei-
nea halben Einfchnirts, fo dafs das folgendc
Glied eines Salzes mit den zu feiner Aufliifung
errordcrlichen Klangen eintrete. Iui letzten
Fall ill er nur ein verliingcrter Vorhalt, wo die
cine Stimme wirklich. einen Einfchnitt macht,
die andere aber keinen; oder wo lie beide, je-
de allein betrachtet, Einfchnitte haben, ini Zu-
fammcnklang aber fich einander verdunkeln
und das Olir zweifelhaft machen , ob ein Ein-
fchnitt da fey oder nicht. Audi dies halte ich
fur etwas, das nur das Aeufsere, die Einklei-
dung, den Ge branch unferes Aceordes angeht,
unci fein Dafeyn in abflracto una nichts iin-
dert. Er bleibt darum noch i miner der allei-
nige, von clem alle diefe guten Gaben fur den
Tonkiinftler kommen. Auch in der Beziefe-
ferung mochte ich feine Hechtc nicht fchnu'i-
lern. So wie Sie ihn als blofsen Vorhalt be-
trachten, foil er in der Bezieferung des Gene-
ralba/les iibergangen werden ; aber auf die Art
wiirde nichts zu beziefern feyn, als die bei-
den Grundaccorde mit ihren Verwechfelungen,
und da wiirden beim Accompagnement ftatt
DiHonanzen wirklich Uebelklange herauskom-
wicn , die doch in der Wufik nicht feyn follen.
Sie nenncn in deui fimultanen Satz G h
d f c, das c die Undecime von G. Ich habe
fchon geaufsert, dafs die Decimen-, Undeci-
men-, unci dergleichen fiber die None hinaus-
gehenden Intervalle iiber/liifsig find, und ihre
Namen, wenn man he behalten will, blofs da-
zii dienen konnen, in der Terz, Quarte n. f.
w. cine befondre Eigenfchaft, die namlich des
Sonirens iiber eine Octave weiter vom Bafs,
zu bezeichnen. Ich kann nicht uiuhin, es hier
zu wiederhohlen. Sie fagen fchlechtweg , die
Undecime ill eine DuTonanz , unci fetzen vor-
aus , dafs man fich zu demonftriren wifle, war-
um he es als Undecime fey.
Hier freilich diflbnirt das c, \veil es ein
Ton ill, der zu dem nachfchlagenden, die
Nerven des Gehors flarker reitzenden Accord
von G nicht mit gehort, und daher unwider-
ftehlich nach h hinftrebt. Aber wenn das eine
h, um deflfentwillen Quarte und Undecime un-
terfchieden word en zu feyn fcheint, nicht fchon
da ware, wiirde das c darum weniger nach h
fich hinneigen, und was follte alsdann die Ur-
facli feyn konnen, im Septime - quint - quart-
accord die Quarte niclit Quarte, foil dem Un-
decime zu nennen? Nur wenn Terz nnd Quar-
te in clem Fall, da ein und derfelbe Ton in
der einen Octave angefchlagen unci in der an-
dern Octave vorgehalten wird, zufainmenkom-
nicn und fich ftofsen, dann giebt man du letz-
tem, wcil Tie eilf Tone vom Grundton ab fich
fern halten mufs, den Namen der Undecime;
und das hat fein en guten Grund. Eben fo
mag die um eine Octave mehr entfernte Sex-
te, Terzdecime heifsen, wenn der anticipiren-
de Grundton des folgenden Dreiklangs feine
Terz nnd Quiiite fogleich mit anfchlagt, indefs
noch die Scxte und Quarte in der obern Octa-
ve als Vorhalte fchweben. Inzwifchen will ich
ganz indifferent in Anfehung der iiber die
None hinausgebenden Intervalle bleiben, bis
die, von mir fehnlich erwartete Gelegenheit
iich zeigt, auf welche Sie die Lehre von der
Undecime vollftundig zu entwickeln und dnrch
Beifpiele zu erlautern fich vorbehalten haben.
Die Art wie Sie den Septime- quart- fe-
cundaccord, das C *des Bafles namlich in H
heruntergefiihrt, zu behandeln vorfchreiben,
trift mit einer derjenigen vier iiberein, die ich
oben fiir moglich angegeben, und von denen
ich die Ihrige gewiflermafsen fiir die beffce er-
klart habe. Diefe wild alfo bleiben, wenn Sie
mir die andem audi alle, wie ich das gar
nicht fiir unmoglich halte, wegdemonftriren.
Die Quarte zu erkennen, ob fie in einem
gegebenen Fall eine Gonfonanz oder eine Dif-
lonanz fey, geben Sie Seite 4-5 zum Criterium
an, dafs die Quarte, als Gonfonanz, allemal in
dem Sextquartenaccord, der zweiten Venvech-
felung des Dreiklangs, begri/Fen fey, als Diffo-
nanz aber nicht mehr die Quarte, fondern die
Undecime hcifse.
X 2
148
Das ift unftreitig wahr ; aber bisweilen fieht
der Satz To aus, als war' es der vcrwechfelte
Dreiklang, mid er ifts doch nicht. Was gabe
es in diefem Fall denn fur Unterfcheidungs-
merkmale? Mancher" di'irfte ftutzen, wenn ich
ihm die Frage vorlegte: ift, falls ich blots in
Tonen der Scala meines Haupttons bleiben
foil, (ich bin in G dur und habe mir vorae-
numnien, kern Fis oder b zu beriiliren ;) "ift
dann die Quarte im Sextquartenaccord auf C
ilnmer confonirend oder diiTonirend ? — Ihr
Exenipel Fig. i(3, wo die Quarte Confonanz
feyn foil, fieht gerade fo aus, als das zu jener
Frage gehorige. —
Uebrigens will mich diinken, man konnte
ancli auf die Art das fon'jrende Verhaltnifs der
Quarte beftimmen, dais man fagte, fie fey im-
mer confonirend, nur in dem Falle mi'ilfe fie
aber als DhTonanz behandelt werden, wenn fie
in einem durch Vermifchung (Ineinanderfcbie-
bung) entftandenen Accord als retardirend er-
fcheint, fie mag in dem vorhergegangenen Ac-
corde, von dem lie fich herfchreibt, Dilfonanz
oder Confonanz gewefen feyn. Nach meinem
Gefuhl dilfonirt fie aber fo fchwach, dafs fie,
wenn der dicht iiber ihr liegende," zur nach-
folgenden Harmonie als Confonanz gehorige
Ton noch \inberiihrt ift, und, wie lich von
felbft verfteht, keine falfche Octaven - oder
Quinten - Fortfchreitungen entftehen , iminer
verdoppek werden kann; zumal iiu mehr als
vierftimmigen Satz; und iin vierftimmigen
audi gern, weil fie auf dem Fall allemal in
dem. vorhergehenden Accord einer Verdoppe-
lung fahig gewefen ift. Nur mufs die eine
Quarte notliwendig in die Terz herunter, von
der fie ein Vorhalt ift. Iojjfcfuge einige folcher
Falle als Beifpiel und Erlauterung binzu.
f — e
h -* c
r _ g
c
e
c
—
d c — d **
d oder f e f —
h c — h
DC —
C
G
— C G —
f —
f —
d. —
e
g
c
a — — g
f e — d
c — — h
a —
ff
f — — —
F C
c — — d
F C G —
Endlich komme ich nun auf die Behand-
lungsart des Septime- quint- quart- fecundac-
cords, welche Ihr junger Frgnnd nur-zu ent-
fcJnddigeiij gefchweige zu rechtjcrtigcn gefucht
hat, und die Sie durchaus fiir fehlerhaft erkla-
ren. Das Anfehn eines gewiffen berulmiten
Componiften, das mit zur Entfchuldigupg hat
dieiien follen, ift Ihnen nicht \on hinlangli-
chem Gewicht. Sie fagen, (und im Allgemei-
nen vielleicht richtig,) dafs mancher genierei-
che und nachher beruhmt gewordene Tonfetzer'
das zu feiner Zeit vorhandene, wiewohl un-
vollkommene , und mit vielem Unrichtigen
und Willkiihrlichen angefiillte Tonfyftem obuW
Priifung angenommen und nach demfelben
gefetzt hat. Wie aber, wenn es Joliann Se-
baftian Bach, der grofste Hamioniker aller Zei-'
ten, wenn felbft der es ware, bei dem fich
unfer Accord auf die beftrittene Art gebraucht
findet, fo reichte, was Sie gegen Anfehen be-'
riihmter Meifter aufwerfen , nicht hin , urn die
Richtigkeit eines Satzes in Zweifel zu ziehen.
Ich fetze nur folgenden Anfang einer Clavier-
fymfonie her, von dem ich glaube, dafs der
Satz darin nicht als Orgelpunct, fondern als
zu unferer Materie gehorend betrachtet wer-
den mufs.
Adagio.
H9
Flier - Telle ich den o ». itlme - quart- fe-
cimduccnrd, wo/.u flat I: der Quinte nur die
kleiite Sexte als Vurfchl.ig dcrfelben genom-'
men ill, gcrade fo refolvirt, als Sie nicht zu-
geben. Mit der Refolution ift der Satz aus,
mid hiitte Bacli, fialt des wiederkommenden,
nach der Umenioniinaiite fiihrenden C, jeden
and em Ton im Bafs nehmen konnen, wenn
es ihm To beliobt hiitte. Jch mufs geftehen,
dafs ich, — Ion It kcinen Menfcher. , aber Jo-
hann Sebailian Bach einigermafscn fi'ir infalli-
bel halte. Der Mann hat fichtlich keinen Ac-
cord, keine Note fo oder fo gefetzt, olme ei-
nen bi'mdigen Grund dafi'ir gehabt zu haben.
Wenn man feinen Gcdanken iimner bis in ihr
Innerftes nachfpiiren kiinnte, fo winde man
gewifs zu alien bekannten nnd unbekannten
mufiknlifcheii Wahrhciten die trelfendften Be-
lege in feinen Werkeu linden.
Aber was ware dcnn fi'ir die freye Be-
handlung des Septime - quart - fecundaccords
wohl anzufiihren? Gebraucht wird er lange
tmd haufig. Ihn zu verbannen, diirfte kaum
inoglich. feyn; wenn audi nur aus deni Gran-
de , daTs (es find lhre Worte ;) unfre Ohren
fchon verwohnt find ; dafs viel Feinheit des
Ohrs nnd Scbarffinn des Geiftes dazu gehort,
urn das Unrithtige nnd Eckelhafte zu bemei-
ken ; und dafs die durch Dilfonanzen gemar-
terten Ohren fchon zulrieden geftellt find,
wenn auf Disharmoniecn nur wieder Harmo-
nieen folgen. — Wo aber ein — es fey Ge-
brauch oder Mifsbrauch — U< allgemein ift,
da mufs doch , dcnn hier eelinst kein Bcfte-
then, wenigflens etwas Scheinbares ihn auto-
rifiren. Mich di'mkt aber, hier id mehr als
Schein. Wer nach dein Dreikhmg der Tonica
den Septime - quart - fecundaccord anfchlagr,
der nimmt fich fchon etwas heraus, weil er
den Bafs nicht gehorig mit fortrucken lafst.
Diefe Licenz gehort fchon lange nicht mehr
zu denen , von welchen es heifst : liccntia de-
teriores fumus. Nun liegen die obern Tone
da, keiner will riicken, um den Bafs eine Se-
i nnde unter fich trcten zu lafl'en , der Bafs
i'firchtet audi den Sprung einer Onarte unter
fich zu thun, und bleibt dalier liegen. Die
obern Stinnnen mogen nun wollen oder nicht,
lb mi'uTen Jie doch fort, denn der I. ant des
Bafstons ift fo penetrirej'J, dafs er fie alle mit
einander fa ft i'lberftimnit Mntl durch feine Fi'ille
das Ohr zweifelhaft marlit, ob es feine, oder
jener ihre Parthie nehiuen, den ungeinifchten
Tonica - oder fieri Doininanraccord vorziehen
folic. In diefejii Gedrange fehen jene /ich. nun
nach Auswegnn um, und werden audi zn ihrer
Freiicie gcw.Vhr, dafs fie nur Secmidcnintervalle
zu fthreiteu haben, um in ihre vorige Lage
zu komnien, die von der Befchaffenheit ift,.
dafs der Ton des Baffes fie in Rube lafst und
die knrz geftorte Eintracht viillig wieder her-
geftellt wird. Es ift wal.vr, die obern Tone e,
g, c hat ten, wenn fie fich der miiglichen Fol-
gen nicht heifer verfahen, lieber nicht in d,
f, g, b gehen follen; es war muthwillig, oder
zuni mindeften unvorfichtig, dafs lie's thaten.
Aber Mutter ftreiige Kegel fahe dein Wagftuck
von Anfang bis zu Ende zu, und ftrafte nicht,.
Einigen Willen, fagt fie, mufs man den Kin-
dern lafien , dadurch werden fie nicht verdor-
ben; lie haben dort ja Niemanden leid gethan,
was foil ich fie denn fur ihre Kuhnheit ftra-
fen, der ich nicht wehren kann und mag, fo
lange ich fehe, dafs es gut ablauft.
Olme Gleichnifs nun: wenn es verftattet
ift, eine Septime unvorbereitet anzufchlagen;
■wenn es erlaubt ift, diefer Septime ihrenGmnd-
bafa eine Zeitlang vorzuenthalten ;
c h d
S f ~
e d —
C - H
wenn der Orgelpunct eine ungeheure Mengo
von Accorden fiber Einen Ton hinpflanztj
wenn der ungebundene Satz iiberhaupt man-
cherlei Freiheiten hat; warum follte es denn
mehr ah eine herausgenommene Freiheit, war-
um follte es geradezu. Unrecht feyn, noch ei-
nen Schritt weiter zu gehen und jene Tone
d, f, g, h ihren rechtmafsigen Bafs einmal mit-
unter ganz entbehren zu lalfen, da fie ohne
denfelben liinkommen, wo fie hinwollen, und
das eben fo bequem und gemachlich, als auf
jedem andenl Wege; da der Bafs ferner den
Vortheil davon zieht, in feiner Lage bleiben
zu konnen; und da das fchiedsrichterliche Ohr,
mit dem Zufainmenhange der Sache fchon
liingft bekannt und des guten Ausgangs ficher,
an dem Verfahren nichts weiter, als die Ver-
nachlafcigung einer Formalita't bemerkt: denn
foviel, als ich hiermit fage, geftehe ich dem
Ohr, als der hochften Inftanz, iiber den Aus-
fpruch des a priori zu; und das Ohr hat in
unferm ftreitigen Fall fchon allgemein feine
Entfcheidung kund gethan.
Aus diefcm Geficlitspuncte betrachte ich
den Septime- quint- quart- fecundatcord , rc»
X 5
100
folvh t auf dem liegenden Bafs. Diefe Behand-
lung gehtirt zu den Kuhnheiten , welche die
Kunft vor der Wilfenfchaft voraus hat, und
durch welche das tdnendc Genie, gerade weil
das wijfende etwas anomalifches darin ent-
deckt, die grSfsten Wirkungen hervorzubrin-
gen in Stand gefetzt ift. In diefer Behand-
lung unferes Aceordes griinden fich die Fort-
fchreitungen gleichfam auf ein Naturrecht der
Kliinge. Bei ihrer Unterjochung in eine biir-
gerliche Verfaifung haben die Tone von ihren
angebohrnen Rechten inehr hingegeben, ala
*ur Erhaltung einer guten Ordnung nothig
war. Sxe kannten entweder den Umfang ihrer
Rechte damals noch nicht, und unterwarfeia
fich blindlings zu vielen Zwangsgefetzen , dc-
ren Abfchiittelung fie fich bei allmuhliger Ent-
iiullurtg der Kenntniife ilirer Telbfi: angelegen
feyn Men;, oder fie kannten ihn wohl, und
wichen nur der gefetzgebenden Uebennacht,
behielten fichsaber auf giinftigere Gelegenhei-
\fin vor, einen Theil ihrer Anfpriiche wieder
geltend zu machen. So ift es hier mit dem
Septime - quart - fecundaccord gewefen ; und
wer weifs, ob unfre Nachkommen , wenn daa
Ohr, nicht einzelner Menfchen, fondern der
Menfchheit, in Abficht der Mufik einen b.6-
hern Grad der Verfeinerung oder gar einen der
Ueberverfeinerung nach Jahrhunderten erreich-
te, — ob dann die Tonfetzer nicht noch ei-
nige Freilieiten ini Satz inehr haben werden,
die wir jetzo theils nicht kennen, theils ein-
ftimmig fur Ziigellofigkeit oder Fehler, und
uauh unfera OhrbedurfniiTen, mit Recht da-
fur halten.
Man braucht nur in die Gefchichte der
nractifchen und theoretifchen Setzkunft zuriick
zu gehen, uni eine folche Vennuthung fiir
keine Weiflagung zu halten. Die Praxis
ift immer vorausgegangen und nie ftillc ge-
ftanden. Die Theorie ift ihr immer einen
Schritt nahe gefolgt , hat immer viel zu beffern
tefunden, aber auch immer bei dem nachften
chritt etwas von ihrem Tadei .turiickgenom-
xnen. Sollten. wir denn gerade in einer Pe-
riode leben, wo — oder follte es in unfe-ffi
Periode moglich feyn, dafs die Tonkunft, viA
mit ihr die Tonwiflenkhaft ftillftiinde! Lafa
fie Schritte zuriick oder feitwarts thun, fie tlmt
doch immer neue ; und das Gute, was entdeckt
wird, zu der MaiTe deflen, was die Vollkoiu-
jnenheit der Kunft ausmacht, hinzugethan,
wird man fagen diirfen, dafs 'die Kunft ab-
siehme? die Kunft mufs bei jedem Schritt,
war's auch nur an Erkenntnifs ihrer felbftj ge-
wfnnen; was geht ihr der Kiinftler an, deflen
die Scheere der Parze vielleicht fchon vor fei-
nem Leben wartet. Wir haben eine Menge
Tonfetzer, die diefes Namens nicht wehrt find,
aber Re t und felbft die Komponiften, die nur
fchlechtweg gute heifsen, werden fo gewifff
vergeflen werden, als ihre nicht minder zahl-
reichen Vater zu Grauns, Haffe, Bachs, Han-r
dels Zeiten es .wurden. Nach zwanzig, drei-
fsig, vierzig Jahren, wenn von der heurigen
Erndte der Weitzen gefichtet und die Spreu
ins Feuer wird geworfen feyn, dann werden
unfre oft fo verfchrieenen Zeiten mit andern
Augen betrachtet werden; dann werden felbft
wir jiingern, die wir *dann gevvifferinafsen
Rechnung mit unfern Ueberzeugungen abge-
fchloiren, und fiir neue Wahrheiten nicht die
ehemalige vorurtheilsfreye Empfanglichkeit ha-
ben, gerade unfre Zeiten als die goldenen des
Tonkunft preifen, wo fich unter uns leicht
einer linden konnte, der in feiner Grabfchrift
der Kunft zugleich die ihrige fetzen liefse.
Ich halte daher die neuere Behandlung des
Septime - quart - fecundaccords fur eine nicht
unwichtige Acquifition im Gebiete der Kunft,
und bin weiterhin keinesweges des Glaubens,
dem auch Sie zugetkan fcheinen, „dafs, weil
„der grofste Theil der Tonfetzer hcut zu Tage
„Theorie und Griindlichkeit liiehe und die
„FeiTeln der Begeln von fich werfe, die Ton-
„kunft dadurch ihrem Verfall augenfcheinlich
„nahe gerathe, wenn dem Uebel nicht in Zei-
„ten noch Einhalt gethan werde." — ■ Zugege-
ben einmal, dafs der ja'hrliche JBeitrag zu den
Kunft werken, die in dem Tempel der Voll-
kommenheit fiir die fpatefte Nachwelt aufbe-
wahret werden , jetzo klelner ware, als in vo-
rigen Zeiten, fo lage der Grund davon hochft
wahrfcheinlicli nicht in der zunehmen folleri-
den Vemachlafsigung der Tonvviifenfchaft, fon-
dern in dpx Natur, die keine grofse Kopfe her-
vorbrachte, oder in einem ungiinftigen Zu-
fall, der fich dem Einporftreben des Genies
gewaltfamerweife widerfetzte. Denn der Mann,
welcher von der Natur dazu beftimmt ift, in
.'„Iaer Kunft zu glanzen, war' es nur halb,
wenn er nicht einen Trieb fiihlte, das Innere
iierfelben wilTenfchaftlich kennen zu lernen.
Diefer Trieb la'fs.t fich, bis er feine Nahrung
in fich felbft findet, durch Fingerzeigen be-
friedigen; und wo e3 zu bedauern ift, dafs er
fehlt, da .la'fst er fich einigermafsen erregen.
Theoretifche Unterfuchungen und»— ich neh-
nie das gleich dazu — ftrenger Unterricht, der
dpn Anf anger beftandig unter den hegeln au
»5i
bleiben zwingt, haben daher unftreitig einen
grofsen Nutzen, letzleres vorziigHch. Wenn
die Tonkunfl: aber einmul in Verfall zu gcra-
then drohete, oder eigentlicher, wenn es an
grofsen TonTetzem fehlte, fo wiirden alle Sy-
fteuie und aller Unterricht keinen einzigen gro-
fsen Componiften hervorzubringen ini Stande
feyn; die Natur konnte es aber fur fich allein.
Demi es ift, fo grofsen Wertb ich auch auf
die Bearbeitung dcr Wiflenfchaft einer Runft
fetze, doch immer wahr, dafs ihre meifte Wir-
kung nur darin beftebt, Kinder und Kindes-
kinder von geiftlofen Componiden und Regel-
drechslern, die fonft etwas andcres geworden
waren, in die Welt zu fetzen. Ob aber fol-
die una elite Sbhne der Kunft fich heut zu
Tage dadurch von jhren Vatern zu unterfchei-
den angefangen haben, dafs fie Theorie und
Gmndlichkeit fliehen , und die Felfeln der Re-
geln von ficb werfen , wem ift daran gelegen ?
Der Kunft gewifs am allerwenigden. Defto
Ibelfer nur nocli, wenn das Ma.ifs ihrer Seich-
tigkeit voll ift. Ein anderes ift, wenn hier
oder da ein guter Kopf aus Indolenz oder aus
einem gewilfen Muthwillen es eben fo macht.
Diefen feine Talente fcliatzen und anwenden
Jehren, wozu eine Itrcnge aber befcheidene
Kritik das befte Mittel reicbt, ill Verdienft uin
die Kunft, und grblk'res noch als Abhandlun-
gen, die, vom Allgemeinen red end , fur je-
dermann und fiir niemanden gefchrieben find.
Ich wollte, was mir, dafs icli es follte,
ein belferer Genius, als der meinige vielleicht
fchon ira Anfange diefer Blatter zugefluftert
hntte , bier fchliefsen ; komme aber doch noch
einmal auf die Hauptmaterie zuriick, die, was
den Gebrauch der neuern Refolutionsart des
Septime - quart - fecundaccords in afthetifcher
Riickficht beLrift, vielleicht noch einige practi-
i'ebe Benierkungen fiir den Tonfetzer iibrig
liifst. Etwas Anomalifches hat diefe Art zu re-
foh iren olme Zweifel, und darum durfte fie
wobl nicht allentbalben an ihrem rechten Orte
ftchen. Das Aushalten des Balfes auf Einem
Ton, wozu andere Tone fich in zwei fo ver-
fchiedeuen Harmonieen horen laflen, hat im
Zufainmenklang etwas Heterogenes, welches
an feinem Ort fo characterifiilcli feyn mufs,
als es zur Unzeit angebracht die AbJicht de8
Componiden nicht begunltigt. Worm beftfm-
de aber wohl das Chaiacteridifche? Diefe Frage
ware StofF fiir den UnteiTucher. Ich gctraue
mich nicht, fie auch nur einigermafsen zu be-
antworten, daher find es abgeriifene Gedan-
ken, was ich hier gebe.
Im Anfange eines Stiicks, das ein be-
ftimmtes Tliejna hat, wiirde ich den Septime-
quart - fecundaccord nicht brauchen, es ware
denn, dafs ich meine Zuhorer ein Gefprach
wollte anhijren lalfen, wo unter den fprei hen-
den einer ift, der nur Eine Meinung hat und
aller Gegenreden ungeachtet diefer Meinung
bleibt. Diefer, Avas er nun wiire, Starrkopf,
Rechthaber, Paradoxirt, Ueberfcheier , und der-
gleichen, im Ernft oder aus Muthwillen, -—
ich kenne einen Mann, der in gefellfchaftli-
chen Gefprachen immer zuerft feine Meinung
kurz fagt, fie nur ielten zuriicknimmt , und
wahrend des Gefprachs feine Worte wenigftens
dreimal in einer Minute unvera'ndert wieder-
hohlt, was die iibrigen auch dawider einwen-
den — diefer konnte mich den Accord brau-
chen machen. Liefse ich einem Tonftiick eine
kleine Einleitung vorausgehen, fo wiirde er
auch da Platz finden, befonders wenn es das
Anfehen haben follte, als ware der Componift
noch unentfchloflen , ob er ein ordentlich
Stiick machen wolle, oder als fehlte es einer
Gefellfchaft an Materie, urn das Gefprach ali-
gemein zu inachen. Am Ende eines Ton-
ftiicks, wenn mein Thema fo befchaffen ware,
dafs es anginge, wiirde ich bei der Recapitu-
lation diefen Accord am haufigften brauchen,
und glauben, ich ha'tte dadurch ausgedriickt,
dafs diefer und jener noch ein Wort nachhohlt,
die Verftandigern aber den Gegenftand ihrer
Unterredung fur abgethan halten. Ueberhaupt
fcheint der Septime. quart- fecundaccord zum
Ausdruck vermifchter Empfindungen brauch-
bar zu feyn, wo in einer oder mehrern Per-
fonen auf dey einen Seite Rnhe, Stillftand, Un-
thatigkeit, auf der andern aber Bewegung und
lebhaftigkeit, den Character macht. Diefer Ge-
danke liefse fich noch genauer beftimmen, irh
will mir aber keine Muhe darum geben, wsil
es eine Materie betrift, iiber welche die Ein-
bildungskraft vielleicht aui beften raifomrirt.
X
- «*-"-*-?s%i^, , i'--afl^|fj
i5a
2. Ueber Hemi Profeflbr Ralibek's Danifche Liectertexte, vom lierrn
Capellmeifter Scliulz.
• -• In tlem dritten Stuck tier mufikalifchen Mo-
nathsfchrift wird S. 84 und 85 der Ausgube ei-
ner betrachtlichen Anzakl meiner Lieclcr im
Volkston mit Danifehm Texten geclacht, und
dabei von clem Herausgeber, Verfuller und
Ueberfetzer des bei weitem grofsten Theils dcr-
felben , dem Hrn. 1'rofefl.br llahbek , mit einer
Herabwiirdigung gefprochen , die nmr der Eifer
gegen jeden Mangel der hochften Vollkommen-
heit in den Kiinften einem To feurigen und ein-
fichtsvollen Kunftverehrer , als dem Einfender,
der mir durch feine Unterzeichnung wohl be~
kannt ift, in die Feder dictirt haben kann: ein
an fich fchatzbarer Eifer, der doch aber leicht zu
weit fuhrt, und befonders bei diefer Veranlaf.
fung, wie ich gewifs glaube, blofs aus iiber-
triebener Vorliebe des Einfenders fur meine Me-
lodieen zu den Original texten entftanden ift,
ohne in Erwagung zu ziehen , dafs jede Ueber-
fetzung diefer Art in keiner Sprache fchwerlich
durcbaus denjenigen Grad der VoUkommenhgit
erreichen werde, nodi konne, den der enthu-
fiaftifche Kunftkenner zu verlangen jederzeit fo
prompt ift. Ohne diefe Erklarung ware mirs
unerklarbar , wie der fonft fo biedre, und mit
der Danifchen Litteratur fo bekannte G. bei die-
fer, fiir das Ausland fo wenig bedeutenden Ver-
anlalnmg, einen der erften und fruchtbarften
panifchen Liederdichter, (und fchwerlich liat
irgend eine Nation'einen folchen Reichthum gu-
ter Volksiieder aufzuweifen, als die Danifche)
der iiberdies durchgangig als einer der ge-
fchmackvolleften Schriftftelier diefer Nation mj-
erkannt ift, durch die harte Benennung eines
allzeit fertigen Versmachers bezeichnen kcinnte,
ohne Rlickficht clarauf zu nehmen, wie nnch-
theilig ihm felbft diefe Bezeichnung eiues Ge-
lehrten werden konnte, den felbft das Ausland
fchon vortheilhaft kennt, und de/, falls feine
Empfindlichkeit dadurch gereitzt wiirde, (ich
dennoch bei diefem Angriffe wehrlos lehen
miifste, da das Corpus delicti , wegen Unkun-
de der Sprache, nur von fehr wenigen in
Deutfchland, an deren Entfcheidung er alien-
falls appelliren jmuste, beurtheUt weriUm kann.
Dafs eine Liederiiberfetzung zu fertigen
Melodieen nicht ofters in einzelnen Strophen
ftellenweife gegen die mufikalifchen Accente
anftolsen l'ollte, la'fst fich wohl nicht vermei-
den. Diefer Mangel der Vollkommenheit hat
in der Natur der Sache felbft fcinen Grund,
und ift dem Dichter allein nicht zuzufehrei-
ben. Wenn die Hauptaccente in den mehr-
ften Strophen treffen, wie in den Rahbekfchen
Unterlegungen , fo ware es eben fo hart , ihm
iiber einzelne Anftofse Vorwiirfe zu litachei},
als es unbillig feyn wiirde, von einem Com-
poniften zu verlangen, dafs feine Melodieen zu
fertigen Lieder texten die oratorifchen Accent^
durch alle Strophen gleich genau treffen follten.'
Der Dichter wird leicht monuLU", ,v eim er
imiwr in alien Strophen feine Hauptaccenre
an die namliche Stelle verlegt ; und doch foil
rrnr eine und die namliche Melodie zu alien
Strophen gefungen werden* Wie kann es an-
ders feyn, als dafs in einzetnen Strophen die
Accente des Gefanges mit denen des Texte?
nicht genau zufanuuen treffen? Von diefer Set-
tle wird die ganze Liedergafctung, (einige Aus*
nahmen in Jp eric beweifen nichts tlagcgen) i»n-
mer erne mangelhafte Gaitmig der Kunft feyn
und breiben. Sie kann von andren Seiten gro-
fsen Genufs der Vollkommenheit gewahren ; —
doch davon kann hier die Rede nicht feyn.
Dafs Hr. Rahbek nicht buchfta'blich iiber-
fetzt, manche Texte verkiirzt, zu etlichen Me-
lodieen Texte von ganz anderem Inhalt, der,
aber deswegen dem Character der Melodie
nicht entgegen ift, verfertiget hat; dazu hat
er Griinde gehabt, die mir zum Theil bekannfc
find, und denen ich meinen Beifall nicht habe
verfagen konnen; Griinde, die fiir den Aus-
lander, der die Originalausgabe gebrauchen
kann, nicht in Betrachtung kommen, da diefe
Ausgabe nicht fur ihn, fondern fiir Einge-
bohrne beftimmt ift, denen die Originalaus-
gabe entbehrlich ift, und denen allein diefo
Abjinderungen zu Gute kommen follen. Dio
mehrften Texte habe ich felbft vor dem Druck
gefehen, und oft Gelegenheit gehabt, die Ge*
fchicklichkeit des Verfalfers , fo leicht und tref-
fend fiir die Melodie zu iiberfetzen, oder auch
felbft zu dichten, zu bewundern. In eiiy»m
einzigen Liede ift, nicht wie Freund G. be-
hauptet, das Silbeninaafs des Originals ganz
mifsverftanden worden, fondern dadurch, daf«
aus Verfehen des Druckers die Melodie einer'
jeden Strophe abgedruckt. ift, wie im Origina*
le, wo die urprofodifche Franzofifche Sprache
rhytmifche Abanderungen nothwendig machte,
der Danifche Text in den mehreften Strophen
unricktig untergelegt worden , aber nicht durch
did
V)'j
die Schuld des Uebcrfetzer?. Denn da (lis be»
lUmmtere DunilUie lVoiodie eben fo wenig,
wie die Deulfcbe. fob ho rlntnnfchc Aba'nde-
rungen in clcr iMelodie einc> Liedes von meh-
rern Strophen vertragt, fo h.'itto von diefeui
Liede nnr die Melodic der zwoten Strophe, die
genau das Silhenmaafs ilcr Danifchen Uebcr-
fetzung hat, ?V>':<.'nickt werden follen, wo-
nach der gauze Text ohne Anftofs lichtig ge-
funge" weiden kann.
Da ineine Lioder im Volkston hier nnr
wenig, urid in don Danifchen ll.iufcm faft
gar nicJit bekannt waren *), lb fi. baize ii:h es
mil" zur Thre, dafa eia 2iahb<;k t von dellen
Dichtevtalent fchon die poetifche Zueignungi-
fcluifr, wuiiiit diefe Ausgabe gezieret iO-, iiml
die cm Meilierhuck von Feinheit, Eleganz unci
Gra/.ie ili, ein en IJeweifs gicbt, fich ties un-
dankbaren Gefthafts hat uhierziehen wollen,
Diimlche Texte miter melne Mclodieen zn le-
gen, urn fie dadiircb hier bekannler zu ma-
rhen: und ich crareife dief'e Geleaenheit , urn
iluu fiir diele niiihlame, und fur jeden imbe-
fangenen Kunftliebhaber, der der Danifchen
Sprathe mathtig iff, mehr als wohlgeralhene
Arbeit Olfentlich Dank zu fa gen.
Copenhagen, im October 1792.
J. A. 1\ SchuU.
3. Ueber die Natur der Tone.
Fortfotzun^ dts im oifiun Snick cmhahncn Auff.uzes voin Ilona CoufiAomlraiU Ho'ftt*
in DtunolJ.
Da ich von der Natur einfacher Trine
fpnurh, behaupiete ich, dais jeder einzehie
Ton um fo viel fi hiiner genannt zu werden
verdiene, jc reincr er ley. Dicfer Behauplung
diirfte mm wobl nicht leicht von jemanden
wideifprochen wenlen, der nnr einigermaL\en
das Schone zu empluidcu gelemt. hat, Allein
da die Reinigkeit ilc-s Tons aid' der Gleithfdr-
inigkeit der Lufterl'chiilterungen beriilm foil,
vrovon unfre Geluknervcn atficirt werden: fo
Ju'innte es fcheinen, ais wenn ich (lurch die
•Erklarungsart des Schoncn einfacher Tone,
mich zugleich aufcer Stand gefetzt hiitte, die
Schonheit bannonifcher Tonverbindungen auf
irgend cine Weife begreUlhh zu m.-chen. Ver-
fchiedenheit der Tone, wild man lagen, kann
doch nur allein thirdi Vci IthiedcnhciL der Luft-
cifrhiitlerungen einpfmiden werden. In die-
fem Falle werden unfre N erven auf keine cin-
fiirmige Weife in Bewegung gefetzt; und
glcichwnbl lehrt uns tli-; Erfahrung, dafs das
hnrmonifche Zufammcufiimmcn mebrerer To-
ne unlet- Uhr we;t angenclnner alficire , al*.
jeder einfachc Ton.
Man erinnere fich aber nur an da?,, was
ich in meinem fri'ihern Auffatze von der Be-
fchafl'enheit unfrer Nerven, und von dem ver-
fthiednen Grade Hirer Spannung gefagt liabe,
ah tier wefentlichen Bedingung, inner wel-
cher uns irgend eine Empfindunti mehr oder
wenlger angenehm feyn mill's. Eben der l/rn-
ftand, der mis beiiu erftcn Anblick eine Vn-
vollkommenheit in der Einrichumg unfere?
Nervengcbautlcs zu verralhen fchien ^der Un:-
Itand , cl.if^ unfre Nerven bci einer f-:»i tdauernd
gleithformigen Erfchuttening crfthlaJlen, folg-
lich auch das, was ilmen aiifauglich fo ance-
nehm diiucbte, in der I'olge bei anhalr.cndor
Emplindung immer weniger angenehm find en,
— diefer Umihnd euthalt die Urfarhen von
den taufenl Anneh.ulic'ukeiten, di<; aus i\n:
Abwet hfclung der Tone und ibrer Veriuifchung
enl.'piingfii. D.d's unfre Xerre.-i auf eine cin~
fs'iruiige W'uife beriili.t fuyn wollen, wenn fie
etv.,;a Sclii'mes empfmden follen, das lehrt uns.
nicht nur da* unleuiib,<r Juf.se Gefiihl von Rei-
nigkeit einzelner 'ldne, dai foil uns auch der
Wohlklang mchrerer zufammcni'timmeuiler To-
ne beweifen. Allein daraus folat bei weilem
nicht, «lalV unfre Nerven entwctlcr nur einer
eiuzigen Art von cinformiger Beviihruna f.:!u>
wa'ren, o.ler dali fuh iliefe Ilinformigkeit in
der Beruhrung der Ncryen mit keiner Man-
nichfalligkeit vereinbaren Hefse. Vielmehr b«-
ruht auf diefer doppelten Abwechslung die ua-
•} BIov ibr "slif Tlifil ■ meiner gci/lliaWn Lie-br
\% - .o' d'O'.J'. die \ fi>-iii*s-* J'cii.idiun^ i!c c Urn.
Ciiici.trj.iiiiiktu Sit'tiu. 1 utg mil tlc-m I'vritliintutt
Di.littr, dim Ilru. M;prm , ,].j- ,ij Texlo i!'»in<r.
In ft im Drfiufclu: uljeif-tat Jin, iii.-r bi
Wvl\!*».
i..1Ilill »c«
i54-
rerkennbare Schonheit der Melodie und Har-
monic tier Tone. Wir wollen bei der letztera
merit anfangen.
Wenn unfer Ohr irgend eine Verfchieden-
heit ron Tonen empfmdet, fo dafs wir fagen
wiirden, es liefsen fich jetzt zwei oder meh-
rere Tone zugleich auf einmal horen; ift e3
nns denn gleichgiiltig , von welcher Art und
Befchaffenheit diefe Tone find? Ill es una
gleichviel, ob fie zufammen einen Wohlklang
oder Uebelklaiig ausmachen? Woher entfteht
aber der Wohlklang bei der Empfindung meh-
rerer Tone? Worauf bernht die Empfindung
des Angenehmen und Unangenehmen in dem
Spiele unfrer Nervcn , fobald wir mehr als ei-
nen Ton vernehmen? Beruht lie nicht auf
dem grdfsern oder geringem Grade von Ueber-
ein/Hmmung unfrer Nervenfchwingungen , die
von der Luft in Bewegung gefetzt worden
find? Haben wir nicht die Verhaltnifse aller
Confonanzen in der Mufik nach Zahlen be-
rechnet? und lind diefe Verhaltnifle unter ein-
ander nicht mn fo viel reiner und folglich
audi in tier Ausiibung dem Olive um To viel
fchmeichelhafter, je leichter in der Theorie
die eine Verhaltnifszahl das Maafs der andem
erfchopft? Vorlaufig ift dies Beweifs genng,
dafs audi in der Harmonie, beim Zufammen-
ftimmen mehrerer Tone, cfie Schonheit auf
das Gefetz xon Einformigkeit gegri'mdet wer-
den mi'ilfe. Aber wir wollen es naher unter-
fuchen, woher es komuie, dafs die Harmonie
jnit grofsrer Kraft auf unfre Nerven wiirke,
als jeder einfache Tori, der an Starke tier
Siunme aller haniionifclien Tone gleich kommt.
Indem ich inich fo ausdrucke, will ich tlem
Gedanken zuvorkommen , als wenn die Kraft
der Harmonie nur allein in der Ver/larkung
liege. Nicht als wenn ich diefer Verllarkung
ihren Werth abfprechen wollte. Eine ftarke
Beriihrung der Nerven wiirkt allerdings mehr,
als eine fchwache Beriihrung. Allein da unfre
Nerven nach dem Maafse ihrer jed«;smaligen
Anfpannung nur einen gewilfen Grad von.
Starke bei der Beriihrung ertragen kdnnen,
fo wiirde man fich fehr irren, wenn man in
der Meinung, dafs eine jedc Verllarkung die
Empfindung des Schonen erhohen iniiife, die
Nerven bis zum Uebermaafse anftrengen wollte.
Man achte nur einmal auf die Wiirkung, wel-
che das allinabligc Anwachfen eines einfachen
reinen Tones bei uns hervorbringt. Mit feU
ner allmahligen Verftarkung wacliu urifer Ver-
gniigen. Allein wie bald wild diefes Vergnu-
gen feinen hochflen Grad erreicht haben und
in Mifsbehagen fich verwandeln , wenn es die
Natur des Inftrurnentes erlaubt, dafs der Ton
iimner fortdauernd ohne Aufhoren fich ver-
Aarkt. Jetzt wollen wir annehmen, dafs fich
zwei Tone zugleich hdren lalfen, wovon der
eine dem andern in Anfehung feiner Hohe untl
Tiefe vollkommen gleicht. Da auf diefe Wei-
fe beide Tone gleichzeitige Lufterfchiitterun-
gen hervorbringen , fo ill es unmoglich, dafs
unfer Ohr die geringfte Verfchiedenheit zwi-
fchen beiden wahmehmen konne. *) Wir
empfmden alsdann nur Einen Ton, der aber
•) Die moglicheVerfchiedcnhcit zwifchen zweiuiii-
foiicn Touch, die icli dem fcharffinnigcn Denkcr
gar nicht ablcugnen wcrde, ift fo uiibeileuteiid
wnd fclbft dem guiibtoften Ohre i'o wcnig emjiJind-
bar, dafs ich fie vollig mil Stillfchweigen iiber-
gchen konnte. Allein es konnte Lefer. geben , de-
Ten Aufmerkfamkeit fich bis auf die feinften Un-
terfchiede der Dinge er/iveckte ; und von diefen
erwarte ich, dafi Be auch da iioch Vevfchieden-
Tig. a. a b Fig. 2. g .
c . A i ,
e I
Die gleichweit von einander abflehendcn
Puncte, Linien, Halbzirlel mid Winkel follca
die in Anfehimg der Zeit gleichweit von 'einan-
der abftchenden* Luftcrfchutterungen der unifo-
iien Tone aiideutcn. Diefe gleichzeitigen I-ufier-
fchiitteruiigen kimnen, wexin wir fie als fo viel
cijizcluc Stofse betrachien , die unfre Nerven em-
pfaugen, nitwcdtr auf einen Punct zufajiuiicn-
lieit entdecken wei'dcn, wo andre nicht den ge-
ring/leu Untcrfcliictl inelir -wahrneJunen. Sic wer-
den bei genaner (Jnierfiichutig /ijiden , dafs /ich
zwifchen zwei Tonen, die in dem lein/ien Ein-
klange ftelien, noch cine doppelte Verfchieden-
lieit denken laflc, fiber die ich mich nicht leich-
ter ausdrucken kann, nls wenn ich fie tuner niicli-
(uhcadfu Figurcn dem Auge bildHch vorftello.
I i I i » t
h
k
1
u
m
o
rreffert, wie die Linien a b, e A, wenn fie fiber-
einander gelegt werden, oder die Stofse des einen
Tons komien immer' etwas frfiher die Nerven
trcfFen, als die Stofse des andern Tons. DaCs da-
durch. Iceirie VerfchidBenheit des .Tons cvKcngt
werde, ergiebt ficJi atts'dem gleichen Abfiande
der l'uncte. Dafs aber auch unfer Ohr die Ver-
fpdtuiigen der Stofse des andem Tout e f nicht
VJ >
nodi dumal Fo flark nuf nnfre Ncrv.cn wFirkt,
al» jeder eiuzelne von dea gedaditen Tonen
wi'irken wi'ude. Gcfetzt aber, die beiden To-
ne, vvelche fich zufamnicn hiiren liefsen, \va-
ren von ungleidier Hohe oder Tiefe, alsclann.
werden die, Lufterfdiiitterungen, welche fie
ijervoibriugen, in Anfehung ihrer Gefdiwin-
digkeii, fich nichl mehf glqichen. Unfer Ohr
cuipfindct einen Unterfdiied von Tonen, dcr
um fo auffallendcr feyn wild, je ungleidiai ti-
ger das Vcrh:'iltnifs ill, worm beide Tone in
Beziehung auf ihro Gefchwindigkcit gegen ein-
ander lichen.
Hier wild es noting feyn, deni Auge de3
Infers durdi bildlidic VnifLdiungen zu HiiH'e
zu konnnen, unci BegriU'e, die iich mit. Wo r-
ten nicht wohl ausdriicken Iallen, durdi Fieu-
ren abzumahlen, die anker dem Verdienlle
der lebendigen Verfiunlidmng, vor jederSdirift-
fpradie nodi den befomli-rn Vorzug baben, dafs
Xie melnere Idecn anl* ciumul gleidizeitig der
Seeie vor/tcllcn. Man denke iidi alio miter
nadiftclicnden punctirtcn Linien verfdiiedne
Tone. Unter den Puncicn denke man Xich
die LuFtcrrdiutterungen — man verwandle die
Begriffe von Raum in Begriffe von Zeit, und
ftelle lich unter dent glddiortljchen Abftande
der Ptinktc von einander, den gleidizeitigen
Abfiand der Tonfdiwingimgcn vor, fo ha ben
wir cin Alphabet, mit dellen Hulfe wir in dcr
Leiire von der Befdiaffenheit der Tone nian-
ches Capitel lefen werden, welches wir aufser-
dem a!s imrerftandlidi tmel imerklurbar batten
uberfdilagen irtiiiren.
Nun betradite man nadt diefen vorlaufi-
gen Erklu'riingcn folgende einfadie Tone, die
wir nachher willkulnlidi zufanimenftellen
werden.
Fig. i.
a b
c d
e ' f
g •• k
Die Lange der Linie a b foil Tins einen
Zeitnum vorJicllen, der olwgdahr den vicMcri
Theil von einer Secunde ausmacht. Aisdanu
wird die Linie a b fclbft, die aus zwi'ilf gleidi
weit von einander abftelienden I'lmcten befte-
lien foil, die Vorftellung von einem einfadien
reinen Tone gcbeu , der wegen leiner langfa-
luen Sdiwingungen das Gcfiihl von einer be-
trachtlichcn Tiefe in unferm Olne cnvedieri
wird. Die Linie c d /telle einen andern ein-
fadien Ton vor, der in eben dem /cifraume,
■worin der eriie Ton zwolfmal die Luft er-
fchiiuerte, vier und zwanzig gidehzeitige
Sdiwingungen in der Luft hervorbringt. Die-
fer Ton wird unferm Ohre um vide* Jn'iher
vorkomnien ; nodi holier wird uns der Ton
klingou, der durdi die Linie e f be/.eidinet
iff. Die Linie g li foil einen Ton vori'tdlen,
der von einem unreinen Korper crzeugt wird:
diefer verdient wegen feiner ungleidiformigen
enipfindcn konne, l.ifst fieli fehon dadurc.lt ciiii-
guinaCicii Iiegreillidi niaciicn, wcil wcmi wir die
mucreinander ftdiendeu Punctc mit Linien vcr-
binden wollten, auf die Art j | | | S\\\
diefo Linien, fie nndgcu fenkrecht oder fdiicf
gczeidiuet werden, inner einander la u lei' Paral-
ielcii Jii.iclicu wi'irJfii. • — Vicl b.odeiitendcr aber
jit dcr C'iituifcLif.': zvtcicr miiroticn T6nu, dcJi icli
Fi::. 2 anC fin>: d'jjuH-ltc Weife ahzubildvu ver-
fnclit b.ibe. J)i-.le Fianr f- >11 die LitfterfeJu'ittf
rungen zweic-r 'i'iuie roriidlen , wdcJie von vei>
fcltiodneii Juitriuiuiucii ir/cujii ■srordi.-n. JIs ill
nuleugbar, dafj wir die Vcrfdiiedcnheit zwcit-r
Inlii-Liiiiciitc emp/iiiden , worn jedes davon nur pi-
nt-a Ton auf eiimul iiOrcii lafst. Jcli wiJl iiicr
des Unt«rfchiedc& von Starke und Sdnv.iclie »av
jiu lit gedenken. Da' grid's te L/jUerfuliitd zwifclie-Mi
dun Tfuifii vui zwt-i'verfcliiflncn liihruinoitcvii,
Ltiiibi in der verfi iiie-lne.i Art, wie unfit. Ncr-
t t-ii iinivJi ■!!■• I.iif(ii'''fso b' ; lilirr -\vri:\ mi , -vveJrbe
tuj. d-jt !~.iii.S'.aV;v.r,;-' n d«r lOuwidi n K ••)";-• i <-"*'•
icngt -werden. Diffu Lufifi«;fso fclinffcii in nn-
ferin Olir-e cntwcder die Kiiiji/indunc, von ttvvi>
liartcjn and fciiarfem, odor von eiwaVfaufieiii iind
wcicliem, welcJies fait ininicr mit der nali'irli-
clicn Jiefdiaffenheit der loiianden Kiirper (ibcrci::-
koninit. Jch habc die Stcifse der erficrn Art dmrh
Puiicte, oder iioch denlliclicr, durdi Ilalbzirkol
und die SiGfsc dcr letzturu Art durdi Siriclie oder
durch fpitzi»e Whtkel vor^e/iclli. VV.inii nun
zwei vtifoliicdne InfUiiiiKiite einen Ton von <>Li.
tber If olio anneben, fo irc/Fcn die liarfm 'n/id
weieben Su>i\c, fo rrrfdiiedrn lie audi ilnvr X.i-
tur nacli Ton einander feyn muVen , deniiodi fo
genauauf einen Zeitpuukt ziifanihicii , (1 m, « oj:
oder lie Jidm dodi in einer fo irleicJizeitioen Ver-
Lindiing iifben dnander, (g h, \ k) dafs jailer M.»-
mem unfrer IDnip/induiig'di-iii ii,iehlL fol^enri a
JMonifiiite voliki.mnien gleielit; und fo gefcT:iehts #
dnfsAviun uuJucre IiiLiruniente vi'illis (.iucrlci
Ton i!i^< Inn, wir nirlii leidu zu iiiu'erfeJi/'id u
ini Staii.le Ji'id, uli dii-fi r Ton nur von eiii'in
oder reu nitlucrn Inltruuienu.H civ.eii:.t \ruidij.
V i
x56
Bebungen nicht einmat den Nahmen eines
Tons; es ift ein blofser Schall, der um fo un-
verfta'ndlichcr -dem Olive feyn mufs, je weni-
ger feine Schwingungen fich mit den Bebun-,
gen reiner Tone vergleichen lafl'en. Die drei
vorhergehende Tdne aber lafl'en fich mit ein-
ander fehr wohl vergleichen. Es fallt in die
Angeii* dafs der Ton c d nocli einmal fo viol
Schwingungen enthalte, als der Ton a b, und
tnu die Hiilfte weniger, als der Ton e f. Folg-
lich kqnnen wir im voraus den Schlufs machen,
dafs der Ton e f noch einmal fo hoch, als der
Ton c d und diefer wiecler noch einmal fo
hoch, als der Ton a b in unferm Ohre klin-
gen werde. Nun lafl'en fich aber zwifchen
diefen genannten drei Tonen noch fehr viele
Zwifchentone denken. Es lafst fich denken,
dafs in dem beftiminten Zeitraume, worin der
Ton e f acht und vierzig anal und der Ton
C d vier und zwanzig mal die Luft erfchuttert,
irgend ein andrer Ton die Luft fechs unci
fcwanzig oder dreifsig mal erfchiittern kdnne.
Gefetzt nun, dafs er fechs unci zwanzig mal
die Luft erfchiittre, fo folgt daraus, dafs feine
Schwingungen mit den Schwingungen des
Tones c d nur in zwei Punkten zufammen-
treffen, in alien ubrigen Puncten aber nicht
mit einander ubereintrefFen werden.
Hieraus ergiebt fich, dafs unfer Ohr die
Verfchiedenheit diefer beiden Tone fehr deut-
lich und lebhaft empfinden mi'ifle. Itzt ver-
gleiche man einnial den Ton a b mit dem
Tone c d. Auf die Art, wie wir diefe beiden
Tone abgebildet haben, lafst ftch ohne Miihe
erkennen, dafs die Schwingungen des einen
Tons, mit den Schwingungen des andern zwar
nicht vollig iibereinftimmen, aber doch in deni
genauften Verbal tnifle gegen einander ftehen, fo
dafs der andre Ton immer zwei-mal die Luft
erfchuttert, wahrend dafs der erfte nur Eine
Erfchiitterung hervorbringt. Wer begreift niclit,
dafs der Unterfchied zwifchen diefen beiden
Tonen zwar empfindbar, aber doch bei wei-
tem niclit fo merklich fey, als der Unterfchied
der vorhin angefiihrten Tone, die fich gegen
einander verhalten, wie vier und zwanzig zu
fechs unci zwanzig. Noch mehr, die VorfteU
lung der beiden Tone, a b und c d, fo wie
fie durch Puncte abgebildet wird , lafst uns
ear keinen Zweifel iibrig, dafs zwifchen die-
fen beiden Tonen durchaus kein dritter exifti-
ren konne, der mit einem von beiden mehr
ubereinftimme, als fie felbft mit einander uber-
einftimmen. Hieraus folgt, dafs zwei Tone,'
deren Verfchiedenheit wir bemerken folleu,
nur alsdann auf das vollk'ommenfte mit einan*
der iibereinftimmen, oder harmoniren, wenn.
fich die Maafse ihrer Gefchwindigkeiten gegen
einander verhalten, wie eins zu zwei : das heifsry
wenn der eine Ton zweimal die Luft erfchut-
tert, wahrend dafs der andre die Luft nur ein*
mal erfchuttert. Unci fo waren wir denn nn-
verinerkt auf den BegrifF der reinften unci voll-
kommenften Confonanz *)■ gekoimuen, die wir
in der Mufik mit dem Namnen der Octave be-
legen. Unter einer Octave verftehn wir alfo
dfen bemerkten Unterfchied zweier Tone, wo*
von der eine noch einnial fo fennel l die Luft
erfchuttert, als der andre. Wenn fich irgend
zwei verfchiedne Tiine in unferni Ohre wohl
mit einander vertragen follen, fo aniiifen es
diefe feyn.
Allein aufser diefen beiden Tonen muff
es noch andre geben, die wenn fie audi nicht
mit einem von diefen beiden fo vollkommen
iibereinftimmen , gleichwohl in ein fehr gates
Verbal tnifs mit einander gebracht werden kOn-
nen. Man denke fich eimiial folgende TOnej 1
Fig. 2.
I I II
I I
i ' ' i
Der erfte und dritte machen, wenn fie
ziifammen gehcirt werden, eine Q ctwe aus,
weil der dritte grade noch einnial fo viel
Scliwingungen, als der erfte enthiilt. Unter
alien moglichen Tonen, die zwifchen diefen
beiden in der Mitte liegen, kann es nur einen
geben, der aufser dem dritten mit dem erften
*) Ich nenne die Octave in der Mufik die reinfta
und vollkommcnfle Conl'onanz, weil der Ein-
klang oder dns Zufammeiiklingen zweier Tone
ron gleicher Hohe oder Tiefe, wegen der oben
angeftihrten und erklarten Unmuglichkeit, fio
von einander zu unierfcheiih.n , den Nahmen ei-
ner CoJifoiiauzj oder tines Zul'ajnnienlOneiis gar
nicht rerdienr. Rein nenne ich fie nacli dem
Sprachgebrnuche der TonkuniUer, die zu diefem
Ausdrucke, durch die bemerktc Einftirmigkeit der
Lnfterfchiitlerung, die !>ei jedeni einfacKen Tons
das VVcfeii der Itemigkeit ausmacht, gar yvvhl ba-
re chtigt find.
,5 7
noch am nieiflen ubcreinftimmte: und das ift
der Ton, cler (lurch die zweite Linie vorgc-
ftellt wird. Es fallt nach der oben erklarten
Zoichnung in die Augen, dafs er die Luft im-
jner dreimal erfchi'ittre, wahrend dafs fie cler
erfte Ton nur zwehnal crfchi'ittcrt. Die Ton-
kunftler haben ilm die Quinte genannt, weil
er unter den brauchbariten Mitteltiinen, die
in dem ftnume einer. ganzen Octave liegen,
in der Ordnung der Hohe unci Tiefe die funfte
Stelle einnimmt. Diefe Quinte inacht alfo
niichlt der Octave den reinften Wohlklang aus,
Und verdient daher in der Reihe der Confo-
jnanten die zweite Stelle. Zngleich benierkt
man aber auch, wenn man die drei oben vor-
geftellten Tone unler einander vergleicht, dafs
der zweite mit dem dritten, oder welches nun
einerlei ift, die Quinte mit der Octave in ei-
nem fehr geuauen VerhiiknilTe unter einander
itehen, fo dafs jene die Luft dreimal erfchiit-
terte, wenn diefe viermal die Luft in Bewe-
gung gefetzt hat. Hieraus entfteht ein neuer
Wohlklang, den man mit dem Nahmen cler
Quarte zu bezeichnen pflegt, weil in der fo-
genannten Stnfenfolge der Tone der hier mit
No. 3 bezeichnete Ton , wenn man von No.
<2 zu zahlen anfangt, die vierte Stelle ein*
nimmt. Wollte man Quarte unci Quinte ne«
ben einander ftellen, fo wiirde dies ohngefaiir
folgendc Voi/iellung gcben.
Fig. 5. 1 ...... .
1111
4 . . . |.. .1 . . .
5 1. .!..'...!
No. i ftellt den Hauptton vor, da? heifsf,
irgend einen Ton, os ley, welcher es wol'e,
mit dem wir andre hohere Tone vergleichen
wollen (denn bei Yerplcichtmg mehrerer Tone
unter einander pflegt man dem tiefften jedes-
mal den Vorzug einzuraumen). No. 4 ftellt
die Quarte des Hanpttons vor, welche fich zu
diefem verhiilt, wie vier zu drei, das heifst,
die Quarte eifclmtfert die LuTt viermal wah-
rend dafs fie der Hauptton r.ur dreimal er-
fchitttert. No. 5 iiellt die Quinte des Hanpt-
tons vor, welche ficli zu diefem verhiilt, wie
drei zu zwei, oder welches einerlei ift, welche
dreimal die Luft eihhiittert, wahrenl dafs fie
vom Haupttone nur zweinial erfcluittert wird.
Jeder lieht gh-iih aus differ Vor/tellung, dafs
die Oninte holier a!s die Quarte klingen mi'ilfe,
weil fie mehr Luftfchwin^iuigen erhfilt : unci
diefe Bemcrkung reciilfcrtigt zufurderfr die
Rangordiiiuig der bciclcn Tuuc ; dafs nehiitlich
die Quarte der Quinte, dem Nahmen und der
Stellnng nach vorangehe. Zngleich aber fieht
man audi aus obiger Vorfteliung, dafs beide
Tone, die Quarte und Quinte, mit dem HaupU
tone ungleich befler ubereinitimmen, ab die
Quarte und Quinte unter einander, derm diefe
verhalten fich gegen einander wie acht zu neun,
wahrend daf> fich die Quinte zitin Haupttone
verhiilt, wie drei zu zwei, und die Quarte zuia
Haupttone wie vier zu dr. i. Das heifst, die
Quarte mufs, wenn wir die Lufterfchiitterun-
gen der Tone als fo viel einzelne Sehliige an
unfer Ohr betrachten, acht folcher Schiage voll-
enden, ehe ein einziger von diefen Schlagen
mit einem Schiage der Quinte iibereintrifft.
Vergleiche ich aber den Hauptton mit der
Quarte oder Quinte, fo finde ich, dafs diefe*
vermitt.elft der bewegten Luft nur dreimal ana
Ohr fchlagen darf, fo trifft alsdann fein vier-
ter Schiag fchon wiecler mit einem Schiage der
Quarle zufammen, — und will ich ihn mit
der Quinte zngleich horen lailen, fo trifFt fchon
fein dritter Schlug wieder mit einem Schiage
der Quinte zufammen. Deutlicher lafst fich
nicht beweifen, dafs die Quarte und Quinte
zufammen einen weit geringern Wohlklang
machen, als die Quarte oder Quinte mit dem
Haupttone. Diefer Wohlklang ift in der Mu-
fik auch vvirklich fo gering, dafs man ihn fur
gar keinen- eigenthchen Wohlklang rechnet.
Man belegt das Zufammentonen der Quarte
und Quinte (die zufammen eigentlich eine Sc-
cu-ude ausmachen) gar nicht mit dem Nahmen
einer Confonanz. Allein fo viel wird jeder
nach den obigen Vorftellitngen begreifen, dafs
wenn irgend drei verlchiedne Tone zufammen
wohiklingen wollen, fo miiflen es, wenn es
nicht drei Octaven feyn follen , nothwendig
drei folche Time feyn, wovon die beiden letz-
tern die Quinte und Octave des erflem oder
des Hanpttons ausmachen: denn diefe ftimmen
nach der Vorftellung Fig. 2 anf das genaufte
mit einander itberein. Zuforderft der erfte Ton
mit dem dritten, oder der Hauptton mit der
Octave , claim aber auch wieder der erfte mit
dem zwei ten, oder der Hauptton mit feiner
Quinte, und endlich auch der zweite mit dem
dritten, oder die Quinte mit der Octave. Man
lall'e ilatt der Quinte die Quarte horen, oder
man denkc fich fiatt Fig. 2. folgende Figur;
Fig- 4-
J I I
Y3
s58
So findet zwor ancli Iiicv cine Ait von
Haruionie oiler Ut'bercinfiimniui.y. UatL ; idle in.
<1;tl's diefe bu weitem ukl;t fo rein tuul voll-
kommen fey, wic die Harmonie Fig. ?. lehrt
tier Augenfchein. Man fieht nehnilich, dais
tier niedriglte Ton dreimal die Luft crfehiittern
iniuTe, ehe er mit den beiden hohern Tonen
wiedev einin;:! vollkomnien iibereintriiri; da in
tleiu obigen Falle Fig. u. dor tiel'e Ton imr
zweimal die Luft ei-llbi'iltem darf, uni beiiu
drittenmale fchon wicder mit don beiden an-
dern Tiinen voUkonunen iibereinzutrefFen.
Wollcn wir nun zu den chei gefundenen
Tonen, die unter einander in dem moglithft
vollkommenften harmonifchen VerhaltniHe
ftehn, natnlich zu ilem Hauplone mit feincr
Quinte und Octave nodi cinen hinzufetzen, tier
wenn er mit dun genannten Tonen zngleich
gehOrt werden foil, auf das beftuioglichfte mit
alien dreyen harmonire, oder iibereinftimme,
fo lafst fich unter alien in dem Umfange einer
Octave befintllirhen Tiinen kein anther dazu
ausfiindig machen, als die fogenannte Terz,
ein Ton, tier, wahren.l tier Zeit, dafs der
Hauptton vier Schwingungen yollendet, grade
fiinfmal die Luft erfchuttcrt. Hier i& die Yor-
fteilung tlavon;
Fig. 5.
1
3
5
8
I
!
I
I
!
I
Es ergiebt fich ana diefer VoiTteliung, dafs
in dem kleincn Zeitraume, worm irgend ein
Ton viermai fibrirt, feine Terz fiinfmal, feine
Quinte fechsmal, und feine Octave acbtuiai
fibrire. Man verfuche es einmal zu den zwei
Tonen, die hier mit No. i und No. 8 bezeich-
«et find , zwei andre zu erfinden , welche zwi-
fchen den beiden No. i und 8 in der MUte
iiegen follen, das heifst, welche nitht mehr
Schwingungen, aid der letzte, und nicht \ve-
niger als der erfte en thai ten; ob es wohl in<"<g-
licii feyn wird , zwei fo befthriebene Tone
aufzmvcifen, welche mit dem Haupttone unci
fciner Octivc I.uchtn- ubrr.-infliinnucn, als die
vorhhigenaimtc Ter/. und (Quinte.
Der cinzige m.'.alahe Ton ware der, wel-
clier in dcin'gedachLen Zeitraume fiebemnal
Jibiirie, deim alio iibrigen Verlialuiifle find ci>
fchopl't.
Allein es vei fieht fich von feibfi, dafs als-
dann '.einer von den 'iYmen wegfa'len miifstc,
die hier mit No. i, 5, 5 111^8 bezeichnet
find, weil imr von vier Tonen the Jiede ift.
Und nun urtlieile man felbft, ob in dem an-
genommenen Falle fo viel Uebereinftiruimuig
Itatt linden werde, als fich bei Fig. 5 bemer-
ken lafst. Man fieht na'mlich Fig, 5 , daf*
wenn No. i einmal iibrirt, No, 8 in demfelben
Zeitraume zweimal fibriren niiiUe, — wenn
No. l. zweimal fibrirt, fo fibrirt No. 5. drei-
mal — wenn No. 5 dreimal fibrirt, fibrirt No.
8 viermai, — wenn No. i viermai fibrirt, fi-
brirt No. 5 fiinfmal — wenn No. j fiinfmal
fibrirt, fibrirt No. 5 fechsmal, wenn No. 5
fechsmal Iibrirt, fibrirt No. 8 achtmal.
Welche Uebcreinuiinmung! Und grade die-
fe Uebereinftimmung ill es, welche den rcgel-
inafsigen reinen Accord ausmacht, den man
in der Mufik mit dem Nalnnen ties harmonic
fchen Dreiklangs belegt hat. *)
Man follte ihn den harmonifchen Vier-
klang nennen, miichte vielleicht irgend jemand
fagen : allein in der Mufik pilegt man die Oc-
tave wegen ihrer nUzugeuauen Uebereinftim-
mung mit dem Haupttone, niit eben dem
Nahmcn zu benennen, womit man den Haupt-
ton benennt. Auf die Art braucht man nur
den Nahmcn von drei Tonen zu wiflen, xun
alle Tone zu kcunen, welt lie zu einoui reinen
Accorde gehoren ; und a us ciiefem Grande hat
man fich lies Nahmens; haimonifeher Drci-
klang bedienen wollen.
Indem ich mich bemuht habe, meine Le-
fer mit den Grundgefetzen der Harmonie be-
kannt zu machen, habe ich mir dadurch den
Weg zu den folgendeu Unterfuchungcn ge-
bahnt, die nicht viel mehr als llefullate aus
*) T\ i/1 liirr noeli niulit «l«r Oil en rcig' v n , wehlie
l'j-1'.nu'rc J f ,j rtiiojji'-i.n diuvh das AiiM-iiiaiiticri fl-
«kcn «U.r i ni.c cutU'.'hcii » « «ji« iuh iibti.- die
C re nzen cinr.r Oot-ivo liinaiisfrlii-fiitrn, odnr wean
jell /l >.;t ■.-imr v : - j i'.w-lv.-n Uu'i'ir.nic uiir «tM<:
i'iiujl- <jtii_r ni(,Ju-f/-. ! .t viiiU.'j'.'a \-viJl..
dem vorhevgehenden enthalten werden. Mei-
ne Abficht war, zu zeigen, woher es konmie,
dafs in den harmonifchen und mclodifchen Ver-
vielfakigungen der Tone eine fo unbefchreib-
lich grofse Annmtb enthalten fey, daft fogar
das geuieinfte Ohr dicfelbe empfmden mufs,
wenn es auch die Urfachen und Grimde davon
nicht anzugeben weifs. Jeder Lclcr wild mir
zugeilehen, dafs 'vier gleich itarke Time vier-
liial iiarker auf unfre Nerven wiirken, als je-
der einzclne von diefen Tonen. Stitnden diefe
vier Tone untcr einander im vcilligen Ein-
klange, fo dafs keiner davon weder huhcr noch
tiefer von unferm Ohre enipfimden wi'irde, fo
miifste daraus eine Winkling entftehen, die
unfer Ohr wegen ihrer vierfachen Starke nuht
lange aushalten konnte. Zerftreue ich nun
aber diefe Tone, oder nuuhe ich, dafs der eine
holier, der andre tiefer klinge; bringe ich fie
aber auch zugleich in ein folclies Verhaltnifs
nnter einander, dafs mein Ohr dabei die grofste
Uebereinftimmung fuhlej fo entfteht daraus die
fiifse YVurkung, womit wis die Harmonic in
der Mufik zu bezaubern pflegt. Indejn unfer
Ohr durch das glcichzeilige Anftimmen meh-
rerer Time lebb.tft gemhrt werden mufs, wird
es zugleich durch die unmerklichen Abwechfe-
linigen feiner Tonfchwingungen auf eine i.o
diatctifche Weife gefehont, dafs die Nerven
»5<j
nichr. fo friih evfchlaffen konncn, als fie er-
Ichlaffen wi'irden , wenn mit der namlichen
Starke ein cinziger Ton auf fie eindriinge. Un-
fer Ohr vertra»r jedesiual nur einen gewiflea
Grad von Starke des Tons, der von dem jedes-
maligen Grade der Spannnng unfrer Nerven
abhangt. Alles, was diefen Grad i'tberfchreitet,
mufs liem Ohre widrig uud liiftig werden,
weil unfre Nerven das Bediixfnifs auszuruhn,
eben fo wohl empfmden, als das Bedurfnif*,
gc-mhrt zu werden.
Durch die Erfindnng der Harmonie unA
Melodie hat man diefem doppelten Eedurfnilfe
abzuhelfen verfuclit. Und liefer Verfuch ift
fo wohl gerathen, dafs er nach einer taufend-
faltigen Wiederholung iinmer noch die Probe
ausgehaltcn hat. Von der Hariuonie haben whr
bisher gefpiochen.
Aber auch die reinfte Harmonie von T5-
nen wiirdc unferm Ohre liiftig werden, wenn
fie ohne die geringfte Abwochfelung inimer
fortdauern follte. Es ift daher nothwendig,
uns mit den Regeln der Schiinheit melodifcher
Tonverbindungen bekannt zu machen, deren
Unterfuchung wir, um auf einmal nicht zu
viel zu fagen, unierm Lefer bis auf eincn b$r
quemern Zeitpunct verfparen wollen*
4. Nacliricliten aus Briefen.
Paris den \5tert October 1792. Zwei
kleine Operetten von einem Akte, Parca und
la chaumihre , haben in der vorigen Woche
auf dem Theater de la rue Fcydaau vielen
Beifall gefundeu. Das /.weite Stuck ill eine
Fortfetzung des erften. Das Gedicht von bei-
den ift von Dumonjlicr , der der franzofifchen
Bi'ihne fchon mehrere gute Sti'icke geliefert
hat. Die Mufik ift von Gavaux, Schaufpieler
bei diefem Theater. Das Accompagnement ift
oft zu bunt und A-erworren, und felbft der Ge-
fang hie und da unbeftimmt und gefucht. In
feinen friihern Arbeiten ift Herr Gaoaux weit
naturlicher und angenehmer. Es fcheint, er
hat hier den bizaren und iiberladnen Stil man-
cher neuen Italianer nachalimen wollen und
dainit hat er fich offenbar Schaden gethan. Die
VerfaJrer warden indefs beide haufig beklatfcht,
und Madame Sclo land fi'ir ihre reine helle
Stimme und Mad. La Sage fur die Annehm-
lichkeit und Leichtigkeit ihres .Vortrags den ge-
wohjuteo Beiiali. lien- Gavaux, der in bei-
den Slacken die Rolle des Parca fpielt, mach»
te durch feinen vortreflichen Vortrag mehr ah»
jemals den geringen Umfang und tiie Schwa-
che feiner Stimme vergeflen.
— • — Zu den vielen, feit der Revolution
in Paris neuerrichteten Theatem kommt fchon
wieder ein neues: das Theatre du Palms , das
in den nachften Tagen erofnet werden wird,
und fchon vor einigen Wochen erofnet wor-
den ware, wenn nicht viele von den Leuten,
die an c\cn Mafchienen und Dccorarionen ar-
beiten, als Freiwillige in den Krieg gegangen
waren.
— Bei der grofsen Oper fa'ngt man an zu
bemerken, dafs feit einigen Monathen keine
Opern von Cluck geeeben word en find. Ewig
fchade ware es, wenn tier Hafs des Volks pe-
gen die Konigin, auf die Werke diefes MeU
lUrs, den fie nach Paris brachte und anfang-
lich geaen alle Cahalen in Schutz nahin, Ein-
ilufs haben konnte ! Noch nie blieb das gvoi'ac
iGi>
Op<?intlieator, feitdem Cluck feme Opern h\er
g;ib, fo lange olme eine \orftcllung derfelben.
So wenig audi der Krleg unci die Revo-
lution i'tberhaupt den hiefigen Theatern bisher
gefchadet hat, 1; fehr leidet doch die Concert-
mulik darnnter. Diefe wtirde vorzi'iglich von
lblchen Lenten unterftiitzt, die zum Hofe und
der grofsen Ho f welt gehcirten , oder in den
Finanzen ihren Ueberhufs fanden. Das grofse
Liebhaberconcert, das zuletzt von der Loge
olmipic/ne gehaltcn wurde und wo hi das erfte
feiner Art in der Welt war, ift ganz einge-
gangen. Der cine Directeur deffelben, der
Graf Dogni, ehemaliger Intendant der franzo-
fifchcn Pollen, ill todt, und der andcre, Heir
dc la llaye , ehemaliger Fcrmier general , lebt
auf clem Laiide eben fo eingezogen und klein,
als er ehemals in Paris grofs und verfchwen-
derifch lebte. Die vomehmften Virtuofen, die
Jene Concerte verherrlithten, haben fich auch
von Paris entfernt, und zieren itzt manche
kijnigliche und furftliche Capelie. Der Wald-
hornili Puuto ill einer :ler wenigen, die man
hier nodi zuweilon in den Conceits und dan
Vorftellungen dea italianiichen Operettenthea-
ters hoit.
Part's den 2.2ftcn Octoher 1792. Im Thea-
ter It-alien (d. h. das Franzofifcbe Operettcn-
1 heater) wircl vriedcr ein neues Stuck von
der Compofition dea unerfchopilichen Gretry
gfgeben. Es heifst Sa/ile, das Sujet ift a us
dem Don Quichob genornmen und von Se-
daij'.e bearbeitet, Es hat im Ganzen wenig
Wirkung gethan, wiewohl die Alufik eben niche
Grttry's unwiirdig ift. Es find einzelne Stiicke
darinnen, die an feine erfte Originalifat erin-
nern und noch immer Spuren von einer leb-
luftcn Imagination zeigen. Mit jedem feiner
fpj>eren Stiicke zeigt fich aber dor Nachtheil
voin Mangel an Studium der Knnll immer
inerklicher. Eine frilche reiche Imagination
mid, angeftrengte Jusendkraft wilfen in friihern
jahren manches fo zu erfetzen und zu beklci-
den , dais wenigftens der ungelehrte Kunft-
frcuml ganz befriedigt werden kann. Wenn
aber die Imagination zu evkalten anfangt und
der auf feinen friiherworbnen Lorbeern ruhen-
de Kiinftler mit wenig Anftrengung erhalten
inc'iehte, was fri'ih er in feiner vollen Kraft
mit hochfter Anlirengung eivvarb, dann wild
der Mangel an inuerni Gewicht und an Cor-
rektheit Tiberali fo fichtbar, dnfs audi der Laie
eine ilmi freilich unerkliirbare Leere und Kiilty
fiihlt. Komnit nun lioch der fatale Umftand
dazu, dafs der Ki'mftlcr wa'lmt, jenen Mangel
mit eitlem Aufhiiufen hart undgelehrtklingendor
Harmonieen und Ausweichungen erfetzen zu
liiijffen, und wcifs er auch diefes niuht ein-
inal mit ticbter Kunftcharlatansklugheit anzu-
greifen, fo lekleu Ohr und Sinne bei jedem
Zuhsjrer zwiefjeh, und man kann mir am
Ende eincs Stacks aplaudiren, well man fulilt,
man ift dem Mamie, der fo lange und fo viel
zur Beluftigung dea Publikums beitrug, Dank
fchuldig.
Gobha den iften November iJQl. Zur
wahren Freude aller Mnfikfreunde ift hier wic-
der fur diefen Winter ein angeuehmes Lieb-
haberconcert zu Stande gekommeu, welches
Heir Sctilik, der vortrefliche Violoncellift, und
feine Frau, die unter ihreiu Geburtsnahiuen
Sbrinazachi beruhmte, gar liebe trelliche Vio-
liniftin, mit ihren feltnen Talenten verfcho-
nern. Wir haben hier fo viele brave Ki'inft-
ler und Kunftlerinnen, die bei Hofe, feitdem
uns der uuerfetzliche Capelhlirector Bctula ver-
lail'en hat, und feitdem der Capellmcifler
Sekweizer todt ill, Lift g;ir nichL gebiauclit
werden. Ein trauriger Umftand , der um fo
ejiipfindlicher fur die herzogliche Capelle feyn
jnufs , da die regierendc Ilerzoginn eine ii elite
Kennerinn und Freundin der Tonkunft ift.
Der gluckliche Uni'laud , d.ifs der Ilerzog in
London an den ll.indelfclicn Meifterwerken
Gefchmack gefunden hatie, liefs uni eine neu«
fchime Epoche fi'ir die Tonkunft hoffen, die
um fo wich tiger und wohlthfitiger ftir die Kunft
felbll feyn mi'ifste, da eine lange und auf*
aufserfte geti-iebcne Abweichung vom grofsen
achten Gefchmack, die Ili'ickkehr zum verlafte-
nen guten Wege vorzuliereiten und doppelt
wiinfclienswerth zu machen fcheint. Wir hof-
fen noch immer! — .
Der Capelhlirector Benda fiihrt fort, fein
ganz von der grofsen Welt abgezogenes ftille*
philofnphifches Leben in der fchonen Gegend
bei l\onneburg im Altcnburgifchen zu leben.
Gerne gi'umen wir ihm die fufse Kuhe nacH
l^ngem th.'iligem riihuilichem Leben, und hof-
fen, er wirtl uns am Ende auch die fchonen
Fruchre', die diefe felbfigewahlte Ruhe hervor-
bringen mufs, geniefsen laifen.
Paris den St en .November 179C Bus
neuefte Product auf dem Iheabre de la rue
Feydeau ill der Sabinetwaub Yon Piccard ; ein
ziem-
id
zieinlich lebhnftes Stuck en vaudevilles; *) Die
Romer, die eben ihre Stadt erbaut, auch fchon
Weinberge haben, die eine gute Einfammlung
verheifsen, haben noch keine Weiber; ihre
JJachbaren, die Sabiner, haben Weiber, aber
keinen Wein. Kin Sabinergreis, der den Wein
better geniefsen kann , als die Weiber, fchlagt
einen Tauich vor. Die R inner laden die Sa-
biner zu eineiii Fcde. Diefe konnnen mit
ihi'en Weibern. Man giebt den Mannern hin-
langlich Wcin zum Einfchlafem , den Weibern
gerade genua, um ihre Imagination zu beleben.
Eine Rivalitat zwifchen Romulus und Tul-
lus, einem }un«ren .Schiiter, die beide die Toch-
ter des Tatius lichen, thut keine Wirkung auf
dem Theater. Nacli eineni fehr wohl vorge-
ftellten Gladiatnrkanipl'c , verfolgen die Romer,
die die fabiniuhen Manner ini Schlaf verfun-
ken fehen, die W'eihcr, ilie vor ihnen fiiehen.
Die Sabiner erwachen und folgen ihnen. Al-
les greift zu den WafFen. Die Weiber fchla-
genfich ins Mill el, unci das Stuck endet mit
dem bereits vorgel'chlageuen Taufch.
Bel der erften VtnTtellnng haben einige
gedehnte Stellen und einige Unordnungen in
der Ausiibung der Wirkung gefchadet. Die
Munterkeit und der Geid vieler Gelange, und
die Rolle eims alten belrunkenen Sabinermi-
riider, werden das Stuck gewifs beliebt ma-
chen. Die Gef.mge find gut gewahlt; nur
mjifstc die viel zu erndhafie und traurige An-
ruffing der Romer bei der Statue des Mars
fehr abgekfirzt, wo nicht gar weggelaflfen wer-
den. Der Gel'ang Ainors und der Venus am
Ende des Stiicks war auch weder von Seiten
der Mufik notlr der Poefic fo intereflant, als
es in dem Momente feyn konnte und mufste.
Neapel den i5teu September i?g2- — —
— Die Operetten, die in der lelzten Zeit hier
das meide Auf.'ehen gemacht -haben, find: 11
Jauatico in berlina, o Jia la lacanda, n lit Mu-
fik von Paifwllo ; 11 Poet a di Campagna von
Gugliclmo und le trame Spirilofe von Tritto. *)
Paifiello, der was die Ausarbeitung anbelangt
zwar immer mehr auf leinen Lorbeern zu ru-
hen beginnt, bleibt durth leine angenehmen
Meiodieen und oft gliick lichen lebhaften mufi-
kalifchen Scbilderungen innner noch der treb-
ling des neapolitanifchen Publikums und des
Hofes. Gugliehni wendet augenfclieinlich mehr
Sorgfalt auf die Ausarbeitung feiner Operelten;
er arbeitet auch mit mehr Rulie und i ti 1 lev
Muil'u, indem er fad befi.j'ndig auf eineni klei-
nen Landhaufe vor der Stadt wohnt. £r ift
ein gar lieber heiterer Alte; und wenn man
ihn gefehen und gefprochen hat, wundert man
fich nicht mehr iibev die Annehmlichkeit und
l-'rifche, die feine Melodieen noch innner ha-
ben. Der vorjahrige Aufenthalt der verwitt-
weten Herzogin v.m W'eimar, von der cv noch
innner mit Begeiderung fpricht, und die ihn,
durch ihre fchontn kleinen Goncerte, die fie
fad t/iglich gab, nngmchm befchaftigte, hat
den lieben Altcn um viele Jahre wiecier ver-
ji'uigt.
5. RECENSIONEN.
Sammlung dculfcher Gedichte , in Ulujlk go-
fetzt von G. C. Gra/ieint. Bei 23. Schott
in Mainz. Koftet i Fl. 12 Xr.
Die lMelodieen diefer Lieder fmd voll
Imiigkeit und ridirender Naivitat und wenn
Hr. G. fich noch u'w Muhe g^ben wird, fie
von Seiten der Behamllung dev Pocfie correk-
ter zu machen , fo werden mehrere diefer Lie-
der unter die beften deutfehen Gefa'nge zu zah-
len feyn. Am haufigden verftofst Hr. G. ge-
gen die Interpunction. Man findet haufig hal-
be und gauze Gadenzen, da wo der Sinn des
Verfes noch nicht vollendet id, der Vers oft
nicht eininal einen Abfchnitt hat. Wie z. B.
Seite a, Takt 4. S. 5, T. 2 und 4. S. 10, T.
4 und 8. S. 14., T. 4 und 8, S. 18, T. 4
und 12 (ohne diefen Fehler ware diefes Lied
iiberaus 1'chun!)
Vorziiglidi gefallen haben dem Rec. die
Lieder S. 5 und 4 (bis auf die Wiederholung
") Das lioifst: tin Su'ick, dai aus lauter bekaitn-
icii Volks- 11111I Ojn'rvticninulndiucn ztir.unnien!ie-
fcixt id, (Iciicn liuuo, fin Gaiues foriiiircn'Je,
Text* unlci'iielegt worctn.
A. d. H.
9 ) Wer die ohengonauntcn Opcvetten zu liabcii
vrilnfthr, beliL-be, ficli tlcsbalb an die neuc Berk
MufiKJiau'.lhuig ?.u vyemlcii.
D. II.
Z
i6a
des vierten Veifes, die nur ein Nothbehelf ift).
<■-. 6, 9, unci ic (bis auf den empfindungswi-
drigen Fall der Melodie iiber dem vierten Vers).
5. i3. Wo aber die an fich fehv fchcine Melo-
dic iiber dem fiinften und fechften Vers die
Empfindung irre leitet; fie ift wie ein Blick in
vcvgangene Seeligkeit, und foil doch nur das
melancholifche Gemalde vollenden helfen. S.
10 und so. Hier ware aber zu wunfchen, daft
«ler ( Componift, befonders in Riickficht der
iibrigen Strophen, den, audi fur ein Lied
iiberall zu frappanten Fall am Schlufse zu ver-
meiden , oder zu ittildern gefucht hatte.
Ganz mifelungen fcheint dem Rec. nur
das Vnterlandslied S. 16 , das aus eineiu Stuck
einer zieuilich gewohnlichen italiariifchcn Arie
beiteht. Das Gegenftuck S. 17 ift belTer, doch
ift dem Rec. die weiche Tonart und die Bafs-
bewegung, deren fich der V. audi fchon in
einigen Liedern bedient hat, etwas anftofsig.
Der Rec' nahm es mit diefen Liedern,
die an IntereiTe manche correctere Sammlung
welt ubertreffen, fo genau, weil er mit wa liver
Freude in Hrn. G. , von dem er bisher nichts
gekannt hat, einen vielverfprechenden deut-
i'chen Liedercomponiften erblickt, tier es fich
felbft und dem Publikum fchuldig ift, bei fei-
nen kiinftigen Arbeiten alle Muhe anzuwen-
den, um ihnen auch Gorrectlieit und Vollen-
dung zu geben.
/. F.
Trots Sonates pour le Clavecin ou Forte
Piano compofees par A. E. Mullcr. Of-
fenbach) chez J. Andre. Prix v\ F.
Mit recht frohem innigem Genufs ift Rec.
dem fchonen vollen Strolmie der Empfindung
und der Imagination des Componiften diel'er
Sonaten gefolgt, die fich unter fehr vielen
neuern Clavierfachen gar fehr zu ihrem Vor-
theile auszeichnen. Es find ganze Satze in
fliefen Sonaten, die an Eriindung und Aus-
fuhnmg felbft einem Clementi Ehre machen
konnten. Sie verrathen auch einen fehr feu-
rigen und empfindungsvollen Clavierfpie'er aus
der Clementifchen Schule. Was Rec. am mei-
ften daran erfreut hat, ift das Beftreben, bei
grofsem Reichthum, der oft Ueppigkeit erzeugt,
und bei unaufgehaltnem Fortftrohmen des Ge-
fanges und der reichhaltigen Figuren, nach
Correkthcit und Einheit. Diefes iichte Kiinftler-
ftrebcn gicbt die fichore Auslicht, dal's II. M.
dem grofsen und kleinen mufikalifchen Publiko
einft mchi feyn und bleiben kann, als uufer
Fteyel ; derdurch feine erften gli'ick lichen Nach-
ahmungcn Haydnfcher Satze, dem grofsen
leichtglaubigen Publico weit mehr verfprach,
als er gehalten hat. DelTen angenehmes Ta-
lent man fchon geneigt war, mit Hayd'ns
Originalgenie zu vergleichen, und von deil'en
Kiinfilerverdienft faft nur noth die Hofdamen
und Mufikhandler fprechen. Apollo behiite Hrn.
M. fiir Hofdauien- unci Mufikhandlergunft!
Zweiter muJikaUfcher Bhtmenjiraufr. Im
Verlage der neuen Perl. Mujikhandlung.
Preis 16 Gr,
Es giebt fiir einen gefiihlvollen Menfchen
fo manchen fufsen Augenblick im Leben, wo
fein von mahnichfachcr Empfindung durch-
bebtes Herz fo gerne ausftromen mochte, und
wo er fich nach einem Medium umfieht, um
feine Gefiihle, nut welchen er, follen fie in ihm
verfchlollen bleiben, nichts anzufangen weifs,
in ivgend ein andcres lebendiges Wefen , und,
hat er das nicht, in ein leblofes iiberzuleiten,
das ihm den reinen Nachhall Ceiner Empfindun-
gen wieder gebe. Da ift nun nichts Sufser9
unci Willkommneres, als ein Lied voll Ein-
falt und Naturempfindung zur Hand zu haben,
das man, ohne dabei an einen Mangel clurcli
Kunftgeprange verfehlter Wahrheit erinnert zu
werden, in fein Klavier hinein fingen kann.
Lieb und angenehm mufs uns daher jede mit
Sorgfalt gewahlte Sammlung von Liedern feyn,
die, indem fie reine, edle Verfe a'cht und
fchmucklos darftellen , des StofFs zu Gedanken
und Empfindungen fo viel darbieten. Nichts
von mufikalifchen Dingen lafst fich fobald be-
greifen, veiftehen unci nachfingeii , und nichty
vermag fo leicht von Mund zu Mund, von
Herzen zu Herzen iiberzugehen , als ein gutes
Lied. Aber der Kunitkenner und jeder, wer
fich in <liefer Gattung verfucht hat, weifs auch*
wie fchwer es ift, ein fo leicht uberfehbahres
Ganze, in welchem eben darum vorziiglich
Klarheit, Einheit und Vollendung feyn mufs,
und worin fich fobald die nachfolgenden Stro-
phen mit dem Gefange der erften uberwer-
fen, in einem leichten Gufs darzuftellen, fo
dafs nichts leiditer, als ein folches Lied, wenn
es einmul da ift, fich fingen ialfe, und dafs es
fcheine, als fey es, ohne die Kunft um Rath
zu fragen, lediglich bei der miitterlichen Na-
tur beftellt. Abev die Natur ift eine gute und
vemimftige Mutter, unci gewiihrt fo was jvu*
103
ilrren befl*em Kindern, die es fich mu Hire
Gunlt durch Anftrengung fauer werden laffen.
Es gehort fchon eine geiibte Hand dazvi, um
em Lied zu machen, dem man es anfehe, dafs
es nicht zwecklos hervorgeklimpert fey, nnd
nicht Worte nnd Mufik einftweilen nur neb en
einander fortfchlendern, olme fich weiter cin-
ander anzugehen. Es fetzt vielmehr ein lei-
fes nnd richtiges Gefiihl der herrfchenden Em-
pfindung, nnd des Sinnes iin Liede, de9 poe-
tifchen Nmnerus nnd Wohlklangs, der orato-
rifchen nnd mufikalifchen Deklamation nnd
Recitation, Bekanntfthaft mit der eigenthiim-
lichen Oekonomie in der Begleitung eines Lie-
dergefanges und mit noch manchem andern
vorans, wovon fo viclc nichts ahnden, die da
glanbcn: ein Lied Fey ja nur eine Kleinigkeit,
nnd man konne iie zu Dutzenden frifch weg
fchreiben.
Abcr wer 7. B. nnr bei dem einzigen klei-
nen Licdchen von Kunzen : IJabt ihr gefehn
eiiL Lilie, nicht fiihlt, vvic viel eigenthumli-
clier Geift nnd Verlaugnnng feiner felbft gleich-
raiu da/.u gehort, nin folche heimliche, fo
fcheinbar iich felbft olme Begleitung iiberlaflene
Melodie zu criinden, dcv hat noch nie ein
wahres charnkteriftifthes Lied, das fein ware,
wit fich heruingetragen, und follte er auch
ganze Maflen von Lied urn dem Publikum fchon
•zugeworfen ha ben, oder, fo Gott will, ftthro-
bjn noch zuzuwerfen geclenken.
Obige Gedanken glaubte Rec. einmal auf
fo angenehiue VeranlaJlung, als gegenwartiger
Bltunenftraufs ihm gab, liier aufsern zu iniif-
Fen, urn auch fein Urtheil iiber denfelben, wo
judglich dadurch um fo vollgi'dtiger zu ma-
chen, wenn er von demfelben aus voller Ueber-
fceugung behauptet,: dafs er der wahren, trefli-
chen und meifterlichen Lieder nicht wenige ent-
halte , die alien Anforderungen der Kritik voll-
kommen entfprechen; ja dafs kein einziges
darin fich finde, das nicht feinen Platz mit
Ehren verdiene.
Die Koinponiften , welche Beitrage dazu,
— es find ihrer zwei und zwanzig — gelie-
fert haben, find Gluck, Rcichardt, Schulz,
Kunzen, Hitter, Spazier , FVejJ'ely, Seidel und
Gronland. Die Gedichte find von Goethe,
llolty, Herder, Vofs , Mablhijfon, Jacobi, Fr.
v. Klenke, F. ff\ A. Schmidt, Gallifch und
Hermann.
Wenn Rec. nach feinem Gefiihl beftim-
men foil, welche Koiitpofitionen iluu am mehr-
ften zum Here en fprechen, fo find es die von
Reichardt, S. 10, 14, 20; von Kunzen, S. 56,
4.0, 44; von Schulz, S. 52; die beiden fiifsen,
nnd einfachen Geiange von Spazier, S. 22 und
e8 ; befonders das Standchen , wo der Tonfall
iin Bafse des dritten Takts gar fehr roinantifch
klingt und uns ganz an den Harfner aus der
Minnezeit erinnert; ferner die Deklamation
von Gluck, die einige hinzugefiigte Begleitung
fordert, wenn fie nicht etwas zu leer bleiben
foli, und uberhaupt frei vorgetragen feynwill;
das von Gronland S. 16 ; und das Opferlied
an Zeus von Seidel, das nur nicht den grfr zu
chriftlichen Choralfchlufs haben follte.
Der Stich ift nicht fo rein und richtig
ausgefallen, wie iru vorigen Jahre; indeifen
laflen fich einige Noten, die nicht ganz auf
der Linie ftehen, und zuweilen nicht genau
unter, einander gefetzt find, leicht heraus-
finden.
zr.
Seize Chorals, compofe's par Mrs. Rcichardt,
Giirrlich, Zelter, Kunzen etc. (find in der
neuen Berl. Mufikhandlung fur 12 Gr. zu
liaben.)
Es ift ganz wahr, was auch mit andern
Worten in dem Yorbcricht zu diefen Chora,
len angedeulet wird, welche die erften iind,
die man fiir die franzofifchen Gemeinen in
den Brandenburgifchen Staaten komponirt hat,
nnd die nun bereits in Berlin und Potsdam
eingefuhrt find: dafs an der traurigen Mono-
tonie der bisherigen geiftlichen Gefange in
franz. Kirchen vorziiglich mit die vielfylbig-
ten Zeilen Schuld find, die gar keine Energie
der Melodie zulaflen. Wer kann fich etwas
Oederes und Einfcirmigeres von mufikalifchen
Producten denken, als einen tief nach unten
zu langfam fortfchleichenden franziififchen
Halm, wo jede Silbe weit ausgereckt wird und
worin nichts von der Stelle will? Es wi'trdc
faft unbegreiflich ftheinen, wie die lebhafte
gallifche Nation in ihren Kirchen folchen un-
Ichmackhaften nnd fchwerfalligen Sang fo viele
Jahrhunderte hindurch hat dulden mogen-
wenn man nicht wiifste, que les extremile's
Je tonchent. Wenn ich eine Vermuthung wa-
gen durfte, fo mochte ich diefe Gewohnheit
aus der Gefchichte der Entft*hung des Kiichen-
gefanges in der gallikanifchen Kirche herlei-
ten nnd crklarbar linden. In des Lv 33evf
TraUc hiftorhjue et pratique fur U Chant cL
L 2
x64
'ejlajtique fteht nehmlich elne Stelle, woraus
rheflct, dais die <
cle J 1 .
erheuct, dais die erften Gefange, die man in
Kirchen eiiifiihrte , luxurun'e heidnifche Gefan-
ge auf heilige Worte gelegt waren ; unci es
koimte leicht feyn, dafs man, um dem Ilei-
(lenthum endlich ganz ans dem. Wege zu ge-
hen, alle auch noch fo geringe Lebhaftigkeit
der Melodieen" habe vermeiden wollen. "Die
Stelle ift diefe:
Les chants de Paganisme , qui eboienb fur
des paroles dangereufes , out e be place's il
y a pent -cbre plus de mille ans (LeBcuf
fchrieb 17/fi,) fir des paroles de uos Foe-
tes J acre's , furboub les brois dernier s jours
de la f emetine fainbe, a/in de faire oublier
les rejles du paganisnw de ce terns -la;
ron fe fervoib an commencement de la
voix des eiifans pour toucher les coeurs
des fidhles par les chants amoureux et
teiulrcs.
Dies wird mir noch wahrfcheinlicher aus einer
Anfpielung, die ich einmal in einem paar al-
ien Charteken von Raphael Volat err anus und
Gaitdvntius Urixienfis gelefen zu haben inich
crimiere. Die gallikanifche Kirche ift eine der
alteften , und die alteften Antiphonien fchrei-
ben fich mit aus derfelbigen her; Remi von
Auxerre , der Abt von Cluny t St. Odon %
JEftienne, Bruno, Bifchof von Toul, befchaf-
tie'en iich damit fchon im neunten, zehnten
und eiitten Jahrh under t.
Nun das bei Seite ; fo ift es eine ange-
nehme Erfcheinung, dafs man nach grade bei
uns anfiingt, fich dem melodieufern deutfehen
Kirchengefange zu na'hern, und in diefen vor-
liegenden Pro ben wird alles geleiftet, was man
fur fo vielfylbige Chorale, als diefe doch noch
find, verlangen kann. £3 la'fst fich ohnehin
fchon vermuthen , dafs von Mfinnern , wie
Rcichardt, Kunzc/i, Zelter und auch von dem
gefchickten und braven Tonkiinftler, dem Or-
ganiften und Kammermufikus in Berlin, Hrn.
Giirrlichf etwas vorziigliches auch in diefer
Gattung werde geliefert worden feyn.
Bee. fcheint es indeiTen, dafs im zweiten
und dritten Choral theils die Melodie fur den
Chorton an einigen Stellen zu hoch liege, (fie
geht bis ins zvveigeftrichne g) theils dafs
in diefem letztern, im dritten und vierten
Verfe, die Harmonic mehr gelheilt, beflere
Wirkung thun wi'irde. Uebrigens find die Ball'e
meift iiberall gut und kornig angidegr, und
gehen in ernften grofsen Schritten dahin, wie
es auch recht ift.
a s.
Conr. Gottl. Anions Pet-fitch, die Melodie
und Harmonic der alien hebraifchen Ge-
fange und Tonjli'tckc- zu eutzijfern. (Im
neuen Repertorium Cur biblifche und mor»
genlandifche Litteratur von Paulus. 1. Th.
Im zweiten und dritten Theile werden aus
der Theorie felbft nur Folgen gezogen, die
den Muliker nicht weiter intereifiren, *)
Es ift eine dem Talmud gleichzeitige Tra-
dition, dafr die Accente ehedem mufikalifche
Tonzeichen gewefen find. Anton wagte daher
die Entrathfelung der hebr. Mufik^ weil man
bei einer harmonifchen Cc-mpofition annehmen
darf, dafs die letzte, auch v/ohl die erfte Bafs-
note den Grundton anzeige, und weil bei ei-
ner unrichtigen Entrathfelung inu/ikalifcher No-
ten unmoglich durch blinden ZvifaLl auf rich-
tige harnionifche Fortfchreitungen gegrimdete
Melodieen entftehen konnen. Ein einziger ran.
fikalifcher Accent bezeichnete bei den Hebraern
eine ganze mufikalifche Phrafe. IndeiTen zei-
gen fie bisweilen nur einzelne Tone an, wenn
z. B. eine einzige Sylbe zvvei Accente hat, ein
Umftand, der fiir die mufikalifche Beftinnnung
derfelben und fur die Bekanntfchaft der Hebr.
mit dem ligurirten Gefange fpricht. Wenig-
ftens wollten die Maforethen (taimudifchen Ge-
lehrten) durch die von ilmen erfundenen Zei-
chen die zu ihrer Zeit noch bekannten Melo-
dieen vor dem Untergange verwahren. Zum
Leitfaden bei der Auffucbung der Melodieen
dienet die bei Setzung der fogenaniiten tren-
nenden Accente (Zoichen eines ganzen ode*
halben Schlufles) geuau beobachtete Ordnung.
Da Silluk mit dem Soph Pafuk am Ende der
Strnphen und ganzer Lieder fteht, fo mufs er
den Grundton anzeigen. Denn nur in diefem
fmdet das Ohr die gehorige Beruhigung. In
den wenigen Pfalmen, in welchen nur zweier-
lei Schlulle vorkommon, wechfelt der erwiihn-
te Schlulsaccent blofs mix dem Atnach. S.
Pfalm 114.. Diefer mufs alfo den erften mit
dem Grundtone im erften Gi ad verwandten Ton,
*) Wir Jialteu licute aus Mangel an Rjum die Fort-
fetr.nng rJev Rei:. fiber Forkels GefchicJite der Mil*
iick. zurucJc , und geben diefe Kcc. iibcr Hui. An-
tons Vcrfuch lieber vorher, weil der Rec. jencs
Wcrks licli darawf be»ieiu.
D. H.
i65
alfo in C den Ton G anzeigen. In denjenigen
P fa linen, in wekhen dreierlei Schliiire vorkoin-
iilen , fchliefst fich der crlie Satz auch biswei-
Icn fchon in tier erften Strophe mit dem Mer-
ca > diefer nmfs alio den zweiten mit dem
Grand tone im erften Grad verwandten Ton,
d. i. in C den Ton F. anzeigen. — Ein zwei-
ter Leitfaden ift die doppelte Accentuation clef,
felben Liedcs, nandich die poetifche unci pro-
faifche. Vergl. Pf. 18 nut a Sam. 2Q; Pf. 96
•und io5 mit 1 Chron. iG. Ganz unveranderte
Stellen find nicht nach zwei ganz verfchiede-
nen Melodieen gefungen worden. So haben
Pf. 14, i~4j 7 una Pf« ^5, i-5, 7 beinah
einerlei Worte und einerlei Accente. Nur Pf.
63, 6 mufste fich die Melodie mit den Wor-
ten zugleich abandern. Die poetifchen Accente
find gleichfam der beziiferte Bafs. —
Die poetifchen verbindenden Accents, die
keinen eigentlichcn Schlufs anzeigten, waren
nun:
1) Munach, das Zeichen des harmonifchen
Dreiklangs auf der Tonika; er bedeutet alfo in
eineni Stiicke aus C dur den Dreiklang C clur.
Ueber einer Sylbe zeigt er einen in der obern
Octave liegenclen Ton aus diefem Dreiklange an*
2) Mahpach ~ Dreiklang der Oberdomi-
nante, alfo in C den Dreikl. G.
3) Merca H3 Dreikl. der Unterdominante,
d, i. F dur in C clur.
4.) Zerach ~ Dreikl. der Secunde vom
Grundton , in Dur - und Molltonarten , und
zwar in einer niedern Lage, d. i. D moll in
C dur; (ehedem B dur.)
5) Aadma auch der Dreikl. der Secunde
vom Grundton in Durtonarten , und zwar in
C dur entweder D moll oder D dur in einer
hohern Lage; in Molltonarten der Dreikl. auf
der Septime, weil er mit dem Pfik vergefell-
fchaftet einen wirklichen Schlufs macht z. B.
Pf. G, 12 unci einer Molltonart der Schlufs in
die Sekunde zu fremd ift.
6) Schalfcheleth ~ Dreikl. der Terz, alfo
E moll in C dur.
7) Der hinten ftehende Tiphcha hat mit
dem vorderften einerlei Bedeutung; er zeigt
den Dreikl. der Sexte, fulglich in C dur Dreikl.
A an. —
Die trenncnden Accente, welche die Schlufle
der Strophen, der Sa'tzc, oder die Cafuren, oder
fich auf eine anclere Art auszeichnende Dreiklan-
ge an den ten, find:
1) Silluk mit dem Soph Pafuk ~ Schlufs
in den Grundton, alfo in C dur entweder einen
•wirklichen Schlufs in C dur, oder doch einen
Schlufs in 0, als Quinte von F dur.
2) Atnach ~ Schlufs in die Oberdomi-
nante.
5) Merca mit Mahpach ~ Svhlufs in die
Unterdominante.
4.) Rebhia ~ Dreikl. der Sexte vom Grund-
ton.
5) Der vornftehende Tiphcha ift auch das
Zeichen entweder eines wirklichen Schlulfes in
die Sexte vom Grundton oder in die Quarte
der Sekunde, und zwar in einer tiefern Lage.
6) Sarka, wenn er nachfteht, ein Schlufs
in die Mediante, als Quinte von der Sexte,
oder einen wirklichen Schlufs in die Mediante.
7} Pafer in Durtonarten entweder einen
Schlufs in die Sek'.mde oder in die Quinte von
der Oberdominante, in Molltonarten einen in
die Septime.
8)' Gerefch ~ Dreikl. der Unterdominante
in der obern Lage. —
Uebrigens getraut Hr. Anton fich nicht,
zu behaupten, dafs die Hebraer fich in den
friihften Zeiten after dicfer Accente bedienten,
da lie anfangs mit fieben auskouimen koimten.
Man findet unter denPhonicifchenAlphabe-
ten, deren einem das alte hebraifche ahnlich war,
Eines, in welchem die erften Buchftaben mit
fechs oder fieben hebr. Accenten unlaugbare
Aehnlichkeit haben. S. Eichhorn Einleitung
ins alte Teftam. Th. 1, zweite Tafel.
Diefe Aehnlichkeit wird nun gezeigt, unci
zugleich die mufikalifche Bedeutung der fieben
Buchftaben in Vergleichung mit eben fo viel
Accenten feftgefetzt.
Merca, aus dem Aleph entfprungen ~
Dreikl. F. in C dur.
Terach, ahnlich dem Buchftaben J7 ZZ ehe-
dem B dur, hernach D moll.
Gimel, auf den Palaftinifchen Mi'mzen dem
umgekehrten Tiphcha ahnlich ~ A moll.
Daleth, umgekehrt dem Pafer ahnlich '.
Dreikl. D.
He, ahnlich dem Mahpach ~ G dur.
Vau ift, die vera'nderte Lage abgerechner,
dem Sarka ahnlich ZZ Quintfextenaccord , mit
e im Balfe.
Sain , der zum Soph Pafuk gehorige Sil-
luk ZZZ der ganze Schlufs in C dur.
Es lag alfo in diefen fieben Buchftaben
diefe richtig fortfehreitende Tonleiter von Drei-
klangen
f|g
.1 • A
c
a
f
f
Z S
e
cis
a
f . ..
B I A
d
b
g
f
a
c
f
b
a
c
e
i"
f
g
e
c
c
\66
Zulelzt zeigt Hr. Anton nocli, dafs audi
die Ucbereinltimmung tier arabifchen Zahlen
mit dcr bci der Scala der Dreikliinge zu Gran-
de liegcnden Scala fur feine rithllge EntzifFe«
ning der Accente binge. *)
F. II Q.
6. Nocli eiiiige merkwurdige Stellen von und ilber D. Martin Luther.
„Was Toll icli fagen von der Menfchen-
ftimme, gegen vvelche alle andere Gefange,
Klang and Laut gar niclit zu reclmcn find?
Denn diefelbe hat Gott mit einer fokhen Mu-
iica begnadiget, dafs audi in demjenigen feine
uberfchwengUche und unbegreifliche Gi'ito und
Weishcit nicht kann nodi mag verftanden
werden. "
Wider die Verachter des Gefanges fagte
er einmal: ,,der Teufel treibet fokhe Leute
wider die Natur, weldie Natur allein Gott
dein Schopfer aller Creaturen mit folcher ed-
len Gabe, der Mafic, dienen, ilin ehren und
loben follte. Allein es werden diefe ungera-
tlienen Kinder und IVechfelbdlge durch den
Satan dazu getrieben, dafs fie folche Gabc
Gott dem Herrn nehmen und rauben, unci
dem Teufel, welcher ein Feind Gottes, der
Natur und diefer lieblichen Kunft ill, daniit
dienen. " (Encomium Mujices,)
Von dem mehrflimniigen Gefang fchreibt
er hochft naiv und herzlich, unci mit wahrer
Kindlichkeit, mogte man fagen, folgeuder.
geftalt :
„Wo die naturliche Kunft durch die Mu-
fik gefcharfet und probiret wird, da fiehet und
erkennet man erft znm Theil (denn ganzlich
kanns nicht begruTen, nodi verftanden wer-
den) mit grofser Verwunderung die grofse und
vollkommene Weislieit Gottes, in feinein wun-
derbaven Werke , der Mufica , in welcher vor
alien das feltfain und zu verwundern ift, dafs
einer eine fchlechte Weife oder Tenor (wie
es die Mufici heifsen) herfinget, neben wel-
cher drei , vier oder fiinf andere Stimmen audi
gefungen werden, die umb folche fchleehte
Weife oder Tenor gleich als nut jauchzen, ge-
rings hertimb um folchen Tenor fpielen und
fpringcn, und mit mancherlei Art und Klang
diefelbe Weife wunderbarlich zieren und
fchmucken, und gleich einem himmli fehen
laiizreihcii jithren , freundlich dnander begeg-
ticn und Jicli gleich herzen unci lieblich urn*
fahcn; alio dafs diejenigen, fo fuiches ein we-
nig verftehen und dadurdi bowcget werden,
fich defs heftig wumierj) mufTen und meinen,
dafs uiclits Seltfainers in der Welt fey, denn
folcher Gefang mit viel Stimmen gefchmiickt.
— Wer abei' (fetzt Luther ein wenig kraftig
hinzu) dazu keine Luft hat, und durch folch
lieblich Wunderwcrk nicht bewegt wird , das
mufs wohl warlich ein grober Klotz feyn, der
nicht werlh ift, dafs er folche Mufica, fondern
das wilde Efelgefchrey, oder der Hnnde und
Sawe Gefang und Mufica hore. (Encom. Muf.) "
,,Ich bin gar nicht der Meinung, dafs durchs
Evangelium foil ten alle Ki'uifte zu Boden ge-
fchlagen werden und vergehen, wie etliche
Abergeiftliche vorgebeu ; fondern ich wollte
alle Kindle , fonder licit die AJiiJ'uu, gem fehen
ini Dienfte defs, der ..c gegeben und gefchaf-
fen hat." (Vorrede zu feinen Liedern.)
Viel falfcher Meifter jetzt Lieder ticlucn,
SieJie dich fiir, unci leni lie rccht ricliten,
Wo Gott Jiin bav.-et fciu Kirch uml fcin Wort,
Da wiil der Teu/Tcl fcin Mittrug und Mordr.
(Ebcndaf.)
Und nun ftehe no:.'i das Zeugnifs des
gleichzeitigen fachfifchen Kapellnieifters Hal-
titer iiber Luther hier, was wohl weruge un-
ferer Lefer f<nft zu fehen bekommen diirften.
„So weifs und zenge ich wahrliaftig, dafs
der heilige Maun Gottes, Lutherus, welcher
deutfeher Nation Prophet und Apoftel gevveft,
zu der Muiica im Clioral vnd Figural- Gefan-
ge grofse Lull hatte, mit welchem ich gar
manche liebe Stunde gefungen, vnd oftmals
gefehen, wie der thewre Mann von fingen fo
luftig vnd frolich im Geifle ward, dafs er des
fingens fchier nicht kiindte miide vnd fatt
werden, und von der Mufica fo herrlich zu
reden wulste. Denn da er die deutfche Mell'e
•) Was uian in dicfer Ablundlnng am mfiiften ver«
millet, ift cine deutliche Anzeige des regulativen
I'rincips, das Hni. Anton bci BiTltimninng der mu-
iik;ilifcheti liedeuumg der Accente geleilct hat.
M»u light niclit, warum er, die drei. ScUufsac-
ccnte ansgenommen , jedem andcrn gcrade dicl'e
und keine andere J3cdcutnng c;iobt. JL>iefe Bedcu-
tung fclieiiu ij,ni2 willktiliilleh , und es ftheint,
dais cin blofs" znfalligcs Zuueffen muJiksiifclicn
Zufamineniiang gcbe.
iG?
zu Wittenberg anrichten wollte, hat er clurcH
feine Schrift an den ChurfinTten zu Sachfen,
■vnd Ilerzog Johanfen , hochloblicher Gediicht-
TJi'ifs, feiuer Clmrfurftl. Gnaden der Zeit alten
Singmeifter, ILhrn Conrad Rupff, vnd mich
gen Wittenberg erfordem lailen, dazumahlen
von den Choral -Noten vnd Art der acht Ton
Unterredung mit uns gehalten, und befchliefs-
lich hat er von iluu felbft die Choral -Noten
octavi toui der Epiftel zugeeignet , und Sc-x-
tttm tonum dem Evnugelio geoidnet, und
fprach alfo: Chriftus ift ein frenncilicber Herr
und feine Ileflen find lieblich, da rum wollen
wir Sextum tonum zuin Evangelio nehmen.
Und weil St. Paulus ein ernfter Apoftel ift,
■wollen wir octavum tonuiti zur Epiftel ord-
nen. Hat auch die Noten vber die Epifteln,
Evangelia und vber die Wort der Einfetzung
felbft gemacht, inir vorgefungen und mein
Bedenken dariibcr horen wollen; und hat mich
drei Wochen zu Wittenberg aufgehalten etc.
Und fiehet und greiiFet man augenfcheinlich,
■wie der heil. Geift im Herm Luthero, wel-
cher itzo die deutfehen Choralgefiinge meiften-
thcils gctichtet imd zur Melodey braclu, felbft
mit gewirket, fo dafs er alle Noten anf den
Text nach den rechten Accent und Concent
fo meifterlich wohl gerichtet hat. Und ich
auch die Zeit feiner Ehrwiirden zu fragen ver-
urfachet ward , woraus und woher iie doch.
diefs Stiicke oder Unterricht batten: Daraut' der
thewre Mann meiner Einfalt lachte und fprach :
Der Poet Firgilius hat mir folches gelehret,
der alfo feine Curmina itnd Wort auf die Ge-
fchichte, die er befchreibet, fo kimftlich nppli-
ciren kann. Alfo foil auch die MuJica alle ihre
Noten und Gefa'nge auf den Text richten. '*
Ob der Mangel dei Studiums der Dichtei-
und der Pro fo die und Rythmik iiberhaupc
nicht auch noch heut zu Tage grofsen Antheil
an der verkehrten Artikulation der Melodieen
zu Texten haben mag?
C. 5.
7. Magia harmonica. *)
Befiehend in folgenden ganz befonderen
Mufikftiicken.
l) Ein Menuet auf die Violin. Die Prim fpielt
von oben herunter, die Secund von un-
ten liinauf.
fi) Ein geftimmtes Tronvpetten- Stuck.
S) Rouffeaus Stuck von drei Noten in einem
franzofifchen Liede.
4) Rouffeaus Air fuiffe appelle le Mans - des-
V aches.
5) Zwei ganz befondere Stiicke fiir Canaricn-
Vogel. In dem erlten lehrt man einen
Vogel die Prim, in dein zweiten die Se-
cund zu pfeifen, dergeftalt, dafs, wenn
ciner diefer Vogel auch erft in der Mitte
oder weiter, als den erften Takt fein Stiick-
gen anfinge, der zweite Vogel, er mag
anfangen wo er will, cVch hiarmonifch ac-
coinpagniren wird.
6) Ein harmonifches Wiirfelfpiel, mittelft wel-
chem man einen Menuet, Violin, und Bal's
componiren kann, ohne die Noten zu ver-
ftehen, und die JVlufic zu will'en.
*) D'u'Sca Kiinfififick - Vcr/,cithii ; fs, dafs uns als von
eincr wivklicli c-xi/tirendon nurl znm K.iuf .iitgi--
tr.icencn Sninnilinij; eingrf.uult woviIlmi, iit V.:«
wcrkwiiidig in fciucr .Art, als dafs wir cs unlcrn
7) Dafs eine Violin den Ton einer Trompette
von fich giebt.
Q) Ein Stiick Prim, und Secund auf einer ein»
zigen Violin, und zwax durch zwei Pei>
fonen gefpielt.
9) Ein Stiick das hintev dem Riicken gefpielt
wird.
10) Zwei Stiick von zwei Perfonen, bei wel-
chen die Prim 2uf einer Violin auf ge-
meine Art, und die Secund gegen ube»
mit verkehrter Hand fpielt.
11) Quartetto auf die Violin eingericht, wel-
ches, ohne anf dem Inftrument zu fingern,
von vier Perfonen gefpielt wird. Von
Martinez.
12) Ein zweites Quartetto von eben diefer Ax\*
Von Holler.
i3) Rufsifche Jagd-Mufic, welche in extertfo
fowohl in mufikalifchen Auffatzen, und
Noten , als dazu weitliiuftiger Befchreibnng
von Grafen Nareskin in Petersburg erfun*
den, und einer hohen Sundea-Perfon den
aSften December 1733 iiberfchickt worden.
I.eu-in nicht mittheilen foil ten. Wiv lafTcn e»
bn: h/iablich Juer abdvueken. Eine Stelle ans ei-
jiir vfn- zvviiiizip; Jaiu-cn erfchientweu Kanlifchtn
ficlnift uia^ ts j^clwiicii.
i<>8
14.) Solo auFdie Violin, bei welcliem die A Sef-
te an tier D Saiten Stelle, unci die D
Saite an der A Saiten Stelle gekreutzt
werden, doch To, dafs die zvveite Saite
ihre ordinaire Stimmung, unci die D Sai-
te ihre ordinaire Stiiiunung beibehalten.
i5) Drei muficalifche Stiicke niit Accompagne-
ment auf einer einzigen Violin.
16^ Ein verftiiumtes Mozartifclies Solo auf der
Violin.
17) Mehrere Menueten auf einer einzigen Saite.
18) Ein Stuck nur auf Einer Saite gefpielt, unci
der Bogen (chief gehalten, wodurch ein
harmonifches Pfeifen erreichet wird.
19) Ein fonderbar mil fi calif dies Stuck, welches
auf clem Clavier, der Violin, und clem
Bafs, und zwar auf verfcluudene Arten
kann gefpielt werden.
Qo) Menuet i kann nach belieben umgekehrt
gefpielt werden , und wircl doch das nem-
liche fcyn.
ai) Menuet' 2 ift das vorhergchcndc, veikehrt
aber wild fich ein ganz anderes zeigen.
qq) Menuet 3. Drehet man diefes urn, fo fin-
det man den zweiten Theil.
fi3) Menuet 4. Violin No. 4 und 5 kann man
in zwei Partien fpielen, einer die Violin
bei dem A Schli'ifsel, unci einer den Bas
bfri dem 0',j: Schli'ifsel.
C4) Auf der Bafsgeige und Violin zugleich zu
fpielen.
fi5) Befonders gebogenes Papier, welches gleich
Anfangs e'men Haufen Noten vorftellt, unci
nachgehends , wenn das Papier neuerdings
gebogen wird, unci die Noten dadurch ver-
deckt find, eine Schrift zum Vorfchein
bringt.
fl6) Der allz'eir fertige Polonoifen- und Me-
nueten Componift.
£7) Ein Violin Solo, das zur Helfte unter den
vier Saiten gefpielt wircl. Von Loll).
£8) 80 andere kim/Hiche Stiicke, die man
Weitliiuftigkeuen zu erfpahren, nicht an-
zugeben verinag, \md thcils als Flo ten,
Chahuneaii , ikh fclbft accompagnireud,
Pizzicato, Su una Car da, YVachtel, Kuckuck,
und mehrere fondci lidie Dinge dutch ganz
befondere Accorde darftellc.
Eine Stelle aus Kanls Bcobacldwigcn uber
das Gefi'ihl dcs Schauta und Erhabcuen,
Es ift ein ge witter Gei/i der Kleinigkeiten
(efprib des bagatelles) > welcher eine Art von
feinem Gefuhle anzeigt, welches aber gerade
auf das Gegentheil von dem Erhabenen abzielt.
Ein Gefchmack fur elwas, weil es fehr kiinft-.
lich unci miihfam ift, Verfe, die fich vor- unci
viickwarts lefen lalfen, Iia'thfcl, Uliren in Bin-
gen, Flohketten etc.; ein Gefchuiack fiir alles,
was abgezirkelt und auf peinlkhe Weife or-
deullich, obzvvar ohne Nutzen ift, z. B- Bii-
cher, die fein zierlich in langen Reihen im
Biicherfchranke ftehen , und ein leerer Kopf,
der fie anfieht und fich erfreut. Zimmer, die
vvie optifche Kaften geziert und tiberaus fau-
ber gewafchen find, zul'amt einem ungaftfreyen
und mi'urifchen Wirthe, der fie bevvohnt. Ein
Gefclnnack an alien demjenigen, was feken
ift, fo wenig, wie es auch fonften flen innern
Werth haben mag. Epiktets Lanipe, ein Hand-
fchuh von Konig Carl dem Z wolf ten; in ge-
wiifer Art fchla'gt die Miinzenfucht niit hier-
auf ein. Soldi e Perfonen ftehen fehr im Ver-
dachte, dafs fie in den Wiilerifchaffcen Grithler
und Grillenfaiiger, in <\cn Sheen aber fiir alle»
das, was auf freye Art fchtin oder edel ift,
ohne Gefiihl feyn werden.
8. Nacliricht von acliten alten italiaiiifclieii Inftrumenten.
Bei Hrn. Franz Albiuoni und Camp, in
Mayland find folgende Inftrumente um billige
Preife zu haben.
Violincn oder Geigen.
Von Antonio Hicr. Amati aus Cremona von den
Jahren 1617. 1618. 1662. 1664.
Von Andrea Guarnerio aus Cremona vom Jahre
1C62.
Von Glufeppe Guarnerio aus Cremona vom J.
1707.
Von Pietro Guarnerio aus Mantova v. J, 1717.
Von Francejco Rugeri aus Cremona v. J. i655.
Von Joan. Batt. linger i aus Brefcia v. J. 1690.
Von Anion. Stradivari aus Cremona von d. J.
1714. 1719 un.I 1724.
.Von Carlo Bergouzi aus Cremona vom Jahre
Von
i6"t>
Von Giovanni Gr.vicino. ans Milano v. d. J.
iG'ji. "65. 90, 9} uini 1701.
Von Carlo Tejlore aus Milano v. J. 1717.
Von Maltia Albani aus Rom v. J. 1702 u. 1709.
Von Santo Serafiuo aus Venedig v. J. 1698.
Von Santo Alaggiui aus Brefcia v. J. 1690.
Von Cappa aus Saluzzo v. J. 1661.
Von Abate Bonporli aus Trient v. J. 1C90.
Von Meiadri aus Lucca v. J. 1702.
Von Tononi aus Bologna v. J. 1711,
Von A/ to ay mo.
Von Jacobc Steiner in Abfom prope Aenipon-
turn v. J. i6$i,
Bratfchcn,
Von -futon, Uier. Amati aus Cremona v. J. i5g2
un.1 1619. (di f'.)nna fp : ccoIita grande.)
Von O.ov. Maria Ua Huijetu aus Cremona v. J.
x-58o. (di forma comoda.)
Von Giov. Grauciuo aus JMaylaud v. J. 1G6G.
(di forma comoda.)
Bajfcttcls odor Iluloncelli.
Von Jut. Uier. Amati aus Cremona v, J. iQiq,
(di forma grand e.)
Von Nicolo Amati aus Cremona v. J. 1692. (di
forma comoda.)
Von Andrea Guarneri aus Cremona v. d. J. 1662
unci 1679. (di forma comoda.)
Von Giovanni Granciuo aus Mai land v. d. J.
1693. 99. unci 1700 und 1701. (di forma
grande e comoda.)
Von Lorenzo Storioni aus Cremona v. J. 1778-
(di forma comoda.)
Von Jacob Steiner noch ein kleiner Contrabaflo
v. J; 1664. unci eine Fiola di Gamba vori
1643.
Fur den deutfchen Kunfifreund ffigen wir
die Anmerkung hinzu, thd's A. It. Amati, Ant.
Stradivari unci Jac. Steiner fur die groistcui
Meilter gehalteu wurden.
Der Hi-. B. v. W r . in D. hat mis gegeu die
Recen/ion im vierten Stuck diefer Monaths-
fchrift S. io5 fiber zwei feiner Schriftcn eine
ilvucKvii augenusi^ ciais wir una tier > erum-
tlung mit clem fehr hochachtungswerthen Ge-
Ichrtcn, der jene Becenfion aufgefetzt hat, un-
werth machen wurden, wenn wir fie in cliefem
Blatte , an welchem er aus reinem aclitem
Kunfteifer Antheil niramt, abdrucken liefsen.
Ueberdem zeisit diefe fogenannte abgedrnngene
Gegenerklaning nur den aufgebrachten eillen
Autor, und euthalt kcin cinziges Wort zu na-
herer Beleuchtung der Sache, oder zn Wi-
,9. Die Herausfeber an Urn. B. v. W.
-derlegung der Becenfion. Wir glauben daher
dem Hrn. B. v. W. felbft einen Dienfi zu er-
zeigen, dafs wir ilm nicht mit einem ange-
fehenen und allgeinein hochgeachteten Gelefir-
ten in die unangenehme Lage bringen, fich
kiinftig bei kalterem Blute. einer in der Lei-
deufchaft begangenen Unart fchamen zu muffen.
Das beigelegte abgedrungene Pro memo-
ria an die churfvirfllich - fachfffchen Herren Ca-
pellmeifter in Geftalt eines Briefes, der immc*
nur einen weiter nicht genannten Herrn Ca-
pellineifter anredet, hat wohl follen ei<"entlich
auf die Poft gegeben werden , und i/t daher
wohl nur aus Verfchen in den Umfchlag fi'ir
die neue Berlinifche Mufikhandlung gekommen.
10. Ein Wort an Herrn Schwenke in Hamburg.
HeiT Schwenke hat geglanbt, er muffe dem Rc-
cenleiucn feiner 7.wei SoWtenranimliiiiijcn , mit def-
fen Uribeii 111c lii'jii; £aii7. <;ewi< bfijje Kiinltler in der
TTaii plf.11 lie vwl!:^ r jir. <•> ft,TiiJi.;i liud, (wie aid' Vi. 1-
lanxi'n iczciit v. ' ideii k.uiii) ciic Urbnniiat, die er ihm
wicderfalireh l.-.l'-.-n, mil l-rg ■ zc^ciili&h , und aitfikh-
ti2;cs KiiiiiiinU!;-Ce mit iihhrrlichvm Vornrhi; .ihur und
J'orilrrhuti" fi-iiur Woric in dein unpartiieiifi )>jn ham-
btsrii'fclien C<>m.fpoiulen!eu vcreelkn. DicLr plaitht
nun" Hrn. Schw. nicht befltr dafiir diencn zu kimjirii,
*li weuii ci Uiu grofscu Vcrdicuiic, die fich dcifelbe
-• .^.u «.ui, wenn man glaubcu
knnn , <r k.,11,,0 hier und don wohl nocb l c J,fiii. R*
ift «h.fh ruic fcli.-.ne Sache „ m die VtrntrbtfrrHchkeif
heneil.cJie Hr. Schwenke incJit iraend einnial norli
aus dielem fufsen Traum aufgeftyrt w«r<len SSgte"
Recenfeiu-.
11. Nacli richt.
IT.: vv Tl'eVer, <-Iie*-n.ih Mnnkdirokmv beiw ("to ft.
tnnntitr.l.nti 'Jii-aitr and 11.1 liberie ,•• Cvnu-ortiMei/'i 1 iji
Sjirui'uck, V'Ju dciu liicr iiuliiu^U cine ucfiiclic jMu-
fik: T Wings Totfrffeier, mu f.d.r rcrdicnicm B.;'ir.ill
nuLdubrt wt.rden , ,/ t ; ,l s MmikdirAu.r bei deni
iwnnijl. Nauoiiflllhcaicr aiigdUllt worden.
Aa
f-O
E 1 y fi n m.
F. JV. Rujl.
JZiucs Iciisj'am wi<2 itmig.
ti rH-> "•"* _j — • r " — ™—
w
I i T i J i l l i i
„___
! fc_:-__:
@) — _|—j — jj--^rj —
Ilain! dtr vun dcr (jot - lev - IVic -den, wie
— ■ r £Z\-~t-B-
3lli:=:r3s— •— l==i— J=5±=l=
FP3H 1
Yom Thau (lie Ko - fe
: :_-_i=!__- :z&ofzlfijz:pis==£~ zrzfzr=zz
cK
iucht dcr Hef
1
to
fa
triiuft,
tZsHr— — ZZ__ + _
wo die Fn
pe - ri
I
den zwi
r~"
i i i
fchen Sil . ber-
-I 1 —
4_j — 1__4 — _. — f-+~ ' — x — i - ' — — t ! — "^ — +H
• i -*- r r i it i
ok
"zzETrr-tedizrnr.
-fe—
i
bid
f-y
r\
\
-H-g-g-^-}-^-^-H-
kEE*_i___l_4-_=Pr_
, — +-o-
ten
reift;
4-h-
den ein
r, .
.___:
-r—
ro
n
+-•-
fen - farb-ner Ac •
:<_]___'£'
rJ-sJri
E____=_=|^^|___}
-<=> — •— \
ther e - wis:
-I .—I
___
-**-P-
HE
V 4CU4.J-JP- 4- t-J--t-J-^t-^-«- 2 J-J -1-J- A J- d
t% — ^r—t-p—f-t-i— p-i-o— ,-4=^— -Ht-f-i — ,-- 1 -^ a - ^
c«
15
un - l:e
iJa b«_».
Avcilkt 11 m - fleufst,
ion
ver - ifcIirti.iJi . ter
der den Kl.t - gc
:3l-__-_Lr£:_^ "Ep==f=__EE- =: Eg.
• — — - ' — .: z_r_|__t_: ;_f__tt=_:_:P=iip==ji_: t •__-_:i±_:
I fc___
1! 1*3—
._U
II l *3
*=^e_2_t
-J f-
_=
^
^ (Clav.)
:;^__«_:54=--f-|_:^:_a=_:_r:^
11
, kcit ver - /turn - men luifsr. /^
:=t:
:S
Zart - licJi - kcit ver - /turn
l___i
to ' 1
men heifst,
_?^P_:P^-P--i ) ?-_-^ t -J--J-- + J-J-
.j — _ — j .
-1 — 1 —
f-
.-1 —
1
-s»-^+
-:Ih~ ■ J -Hi+t~
Ht
»7l
ll.iin! Jer von der Gotterfrieden,
Wie vom Thau die Piofe trauft,
\Yu die Friuht dev Hcfpuriden
Zwifrhen Silbcvbliiten reift ;
Dvn tin rofenfarbncr Aellier
Ewij; imbcwolkt urnflrufst,
Dtr den Klagctou vcrfthmahter'
Zartlichkcit veiTtumnien heifst :
Pfyche rrinkt, und nicht vergebens!
l'loi/.lich in dcr Fluteti Grab
Sinkt das Isaduiii'ick ibrcs Lcbeua
Wie eiu Traumgcfiiht Jiiaab
Cl.m'/.cndtr, niif kuhnein Fluj,c-ln
Schwebt fie ans ties Tlules Nacht
Zu den goldbeblfunten Hugeln,
Wo ein ew'ger Frtthling lacht.
Freud igfihaueYjnl in dcr Fiille
Iluhcr Gcticif. liskeit,
Gviifit , cntflohn dcr Erdcnhiille,
I'fvche, dciiu- Dunkelkeit,
Wuiiiici wo kein Ncbelfchleier
Hires L'lii'ifs J'ltiiiv- tviibt,
Wo fit; fifiiiij.i-1 und freit.r
Den cullmmliun Fiuig tibf.
Welch eiu feicrliches Schweigen!
Lcifo uur wie Zcphirs Haueh,
Saiiftlts in den Lorbeerzweigen
Lebts im Amarameuiiniughi
So in heilger Stille nth ten
Lnft und Wogen, alfo fchwieg
Die Nairn- , da ans den FlutJien
Anadyomene Itiog.
Ha.' fchon cilt anf Rofcnwegcn
In vcrklaner JLichtgcitalt ,
Sie detn Schaiteurh.il entgegen,
Wo die Jicilir Lethe wullt;
Fiibh lich m.iiif^li hingezogen,
Wie v<»n lt-'iier Geifterhund ,
Schaut entzi'ickt die Silberwojieu
Und des Ufers Bltunemand ;
Welch ein ungewohnter SchimmcrS
Erdcl diefes Zauberlicht
Flamnue fclb/t im Lcm/e ninuuev
Von Aurorens AnscJiclit!
Sicb , dus flatten Efetis R.inken,
Tauchen hell in Pur'purglauz !
Blumen, die den Quell umwanken,
Fuukcln wie ein Sternenkvaiu.
Knict voll fufscr Ahnduns; nieder,
Stbr.pfvi, und ilir zitternd Bild
Leuchtet ans dun Stromc wieder,
Dcr dcr Menfchheic Jammer /iillt,
Wie anf fanfter iVkcresflacbe
Die entW'ilkre Luna fehwimnit,
Od<r ivi K.i iit.jll dcr Biiche
Jlffj'i :s g.-idno F.ickcl glimmt.
So beganns im H.iin zu tagen,
Als die kcufcJ.e Cynthia ,
Hoch vom Itolzen Drachenwagcn,
Den geliebten Schliifer fall.
Als die Flurcit hch verfchOnten
Und, init holdem Zaubeitoi»|,
Gottcrmelodieen Uuintcu ;
Stliger Eiulymion.
Maithiflon.
i»?»
Am dem LI. Pfalm, von Herm Cail Fafch.
■ ■■■ £ ■
Verfetfo,
Sempra pianijfitnc.
J
fc=S=:
zafe
MO— — -—m—
aJ_*.J.
Ti - bi fo . li pec - ca - vi \-m&* " ti -
Ti bi fo - li pec - ca - vi
— i rN — w - iV- f~i-
HIeSe
to
J UJWJJ
Ti
bi fo ~- li pec - ca - vi
**— i
tx - bi fo h pec-
bi fo - li pec - ca - vi pec
1
,.<!*-
?E=B!EEEJEE EEE?=E5E?=3
pec-
ca - vi ct ni.i - lum co — ram tc ct ma- lum co - ran
o?
ca - vi ct ni.i - lum co — ram
ca "— vi ct ma —
I
I* f*S I
I
~J-
i
3fflE=3saa3
: p :
ca
:p=p:
— vi et
_^ :
::~o:
i i
-•—•-
-0—0-
-I »--
» i
»ia
-I-
-MB ■
w
— lum co - ram
» . . ~ — — *-•«
* * ii
o(
— i vd — m-i-m — ! 4* —
-0 *" a ^
-P — •■** — ■"
tr.
_ „ — ^ — i ,_
I "" ™ — W» —
-e^ — -
K<v-
te> co - ram to fe - ci
co - ram tc fc — ci.
I'd.;:
N IS I
5 1 1-
r
t*
-**-
-• — •-
£r,
zzes:
|:p— zrpzrp:
co - ram 10 te
f :
— (-
1_
- ~SS-
ii§
ci.
.+.